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    Deutscher Bundestag — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1950 981 32. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Januar 1950. Geschäftliche Mitteilungen 982A Niederlegung des Mandats des Abg. Leibbrand 982B Antrag der Abg. Loritz, Dr. Richter und Dr. Reismann auf Einberufung des Ältestenrats zwecks Aussprache über den Ausschluß des Abg. Goetzendorff für 20 Sitzungstage . . , 982B Dr. Miessner (NR) (zur Geschäftsordnung) 982C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Entwurf eines Gesetzes gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht (Drucksache Nr. 405) 982D Dr. Nölting (SPD), Antragsteller 982D, 1001C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 987D, 1002D Etzel (CDU) 991B Rische (KPD) 993A Aumer (BP) . . . . .. . . . 995A Loritz (WAV) 996B Dr. Schäfer (FDP) 997D Dr. Bertram (Z) 1000A Dr. von Merkatz (DP) 1001A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den LohnsteuerJahresausgleich für das Kalenderjahr 1949 (Drucksachen Nr. 463 und 430) . . 1003B Bodensteiner (CSU), Berichterstatter 1003B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Kriegsfolgelasten im 2. Rechnungshalbjahr 1949 (Drucksachen Nr. 464 und 318) . . . . 1004A Dr. Besold (BP), Berichterstatter 1004B Morgenthaler (CDU), Antragsteller 1005A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1006A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über die Anträge der Fraktion der WAV betr. Benzinpreiserhöhung, der Fraktion der KPD betr. Mißbilligung der Anordnung des Bundesministers für Wirtschaft auf Erhöhung der Mineralölpreise und Antrag auf 'Aufhebung derselben, der Abgeordneten Rademacher, Stahl, Dr. Oellers, Dr. Schäfer, Dr. Wellhausen und Fraktion der FDP betr. Preiserhöhung für Treibstoff (Drucksachen Nr. 465, 331, 363 und 384) . 1007A Dr. Schröder (CDU), Berichterstatter 1007A Loritz (WAV) 1007C Dr. Preusker (FDP) 1008B Dr. Veit (SPD) . . . . . . . 1008D Renner (KPD) 1010A Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Deutsche Kriegsgefangene und Internierte in der Sowjet-Union (Drucksache Nr. 378) in Verbindung mit der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betr. Zurückhaltung von 400 000 Deutschen in der Sowjet-Union (Drucksache Nr. 432) und der Interpellation der Abgeordneten Höfler und Fraktion der CDU/CSU betr. Deutsche Gefangene in Jugoslawien (Drucksache Nr. 411) 1011B Farke (DP), Antragsteller 1011C, 1012B Höfler (CDU), Interpellant . . . . 1011D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 1012B Unterbrechung der Sitzung . 1013D Renner (KPD) 1013D Pohle (SPD) 1017C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Abgeordneten Dr. Gerstenmaier und Genossen betr. Wiederherstellung der deutschen Jagdhoheit (Drucksachen Nr. 400 und 147) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Rahmengesetzes für die Jagd (Drucksachen Nr. 401 und 229) 1018A Lübke (CDU) Berichterstatter . . . 1018A Dr. Fink (BP) 1018C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Abgeordneten Dr. Holzapfel und Genossen betr. Gesetz über die Liquidation des ehemalig reichseigenen Filmeigentums (Drucksachen Nr. 402 und 34) 1019B Dr. Dr. Lehr (CDU), Berichterstatter 1019B Brunner (SPD) 1022B Rische (KPD) 1022C Aumer (BP) 1023C Löfflad (WAV) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . 1024C Beschlußunfähigkeit und nächste Sitzung 1024C Die Sitzung wird um 1'4 Uhr 12 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie Herr Kollege Nölting dazu kommen kann, von einem mystischen Dunkel über die Absichten der Regierung und des von ihr geplanten Kartellgesetzes zu sprechen,

    (Sehr richtig! Ln der Mitte)

    nachdem er das Kartellgesetz der Regierung im
    einzelnen sehr ausführlich kommentiert hat und
    ich dazu überhaupt nichts mehr zu sagen brauche.

    (Heiterkeit. — Hört! Hört! bei der KPD.)

    Über der ganzen Rede Nöltings steht eigentlich das Motto: Rechts herum, links herum, alles vertauscht!

    (Erneute Heiterkeit in der Mitte und rechts. — Zurufe von der SPD: Sagen Sie das lieber von Ihrer gestrigen Rede! — Unverschämtheit!)



    (Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard)

    Und ich frage mich: Ist jetzt eigentlich Herr Nölting Kartellgegner, oder ist er Kartellfreund? Ich bin mir jedenfalls nicht ganz darüber klar geworden, aber ich kann mir vorstellen, daß die ausgesprochenen Kartellfreunde in der Industrie an Herrn Nölting heute mehr Wohlgefallen gehabt haben als an mir.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Demagoge!)

    Wir wissen sehr wohl, daß die Kartelle sehr unterschiedliche Zielsetzungen haben, und da möchte ich Ihnen gleich sagen: wenn ich mich in der Öffentlichkeit als entschiedener Gegner der Kartelle bekannt habe, dann schien mir diese Haltung notwendig zu sein, um einmal den Grundsatz, das Prinzip als solches völlig klar herauszustellen. Niemand konnte annehmen, daß ich so stur, so orthodox verblendet bin, um mit dieser meiner Haltung, mit der Herausstellung eines klaren Grundsatzes das Kind mit dem Bade ausschütten und sämtliches Porzellan zerschlagen zu wollen. Herr Kollege Nölting weiß ja auch, und zwar durch einen seiner engsten Mitarbeiter, der an der Gestaltung mitgearbeitet hat,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

    daß es auch gar nicht die Absicht der Regierung gewesen ist, mit d e r Konsequenz, die Sturheit bedeutet, nun etwa alles zu zerstören, was im Sinne einer organisierten Wettbewerbsordnung durchaus wertvoll sein könnte.

    (Zurufe links.)

    Ich bin allerdings der Meinung, daß unser „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen" eines völlig klarstellen muß, nämlich die Sicherung des Leistungswettbewerbs.
    Weil ich ganz genau weiß, daß gerade von der kleineren und von der mittleren Industrie häufig Bedenken gegen meine allzustrenge Haltung gegenüber den Kartellen laut geworden sind, habe ich — und das hat vielleicht mit zu der von Ihnen so überraschend festgestellten hundertprozentigen Übereinstimmung beigetragen,

    (Abg. Dr. von Brentano: einhundertzwanzigprozentigen!)

    — der einhundertzwanzigprozentigen Übereinstimmung mit den Vertretern der Industrie — zugegeben, daß es im freien Wettbewerb Auswüchse geben kann, die wohl beseitigt werden müssen, aber nicht etwa durch ein Kartell beseitigt werden müssen, sondern etwa nach amerikanischem Muster — wie es in den Trade-Commissions gegeben ist — durch die Setzung eines Sitten-, Rechts- und Ehrenkodex, der im ganzen oder vielleicht sogar für einzelne Zweige feststellt, was loyale, was anständige Konkurrenz und geordneter Wettbewerb bedeuten.
    Wenn heute zum Beispiel der eine das Dutzend zu 15 Stück abpackt und das als freien Wettbewerb betrachtet und womöglich glaubt, sich noch auf mich berufen zu können, dann brauche ich nicht erst zu sagen, daß ich das nicht unter freiem Wettbewerb verstehe und daß wir eben deshalb beabsichtigen, neben diesem Gesetz zur Wettbewerbsbeschränkung gleichzeitig auch noch ein sehr weit ausgebautes Gesetz zur Wettbewerbsordnung zu setzen, das alle die unsauberen Praktiken aus dem Geschäftsleben eliminieren soll und denen nicht zum Vorteil gereicht, die wir ganz bestimmt nicht gern im Wirtschaftsleben sehen.
    Wenn im übrigen auch hier gesagt worden ist: es scheinen in der Regierung verschiedenartige Auffassungen in bezug auf die Haltung gegenüber den Kartellen vorzuherrschen, dann kann ich das hier eindeutig verneinen; denn ich habe die Grundsätze des bereits fertig ausgearbeiteten Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Kabinett vorgetragen, und diese Grundsätze, die Sie vorhin ja vorgetragen haben, Herr Kollege Nölting, haben die volle Billigung des Kabinetts gefunden. Es besteht also hier gar keine Divergenz der Auffassungen.
    Ich komme noch einmal zurück auf die „Übereinstimmung mit der Industrie", die Ihnen so fragwürdig oder vielleicht auch gefährlich erscheint. Ich habe Ihnen schon gesagt: ich glaube, die Industrie, die Sie meinen, ist heute fast mehr auf Ihrer Seite als auf der meinen! Gewiß, es gibt etwas, was die Industrie beruhigt und was zu einer Übereinstimmung geführt hat, aber nicht darum, weil ich nachgegeben habe. Meine Haltung gegenüber den Kartellen ist klar und wird in aller Zukunft klar bleiben. Aber die Industrie, die aus der Herausstellung der Grundsätze befürchten mußte, daß grundsätzlich weder auf dem Binnenmarkt noch hinsichtlich der Ordnung des Wettbewerbs auf internationalem Arbeitsgebiet jede Möglichkeit einer Absprache, jede Möglichkeit einer Verständigung und Organisation unterbunden sei, ist von mir darüber beruhigt worden, daß Ausnahmen sehr wohl möglich sind, daß diese Ausnahmen aber, wie Sie schon gesagt haben, einer öffentlichen Kontrolle unterliegen sollen, daß auch eine besondere Gerichtsbarkeit, eine Art Monopolamt geschaffen wird, daß also die Öffentlichkeit die Kontrolle habe und eine Kontrolle nicht nur der Beteiligten, sondern jedes deutschen Staatsbürgers möglich sei. Als ich Sie darüber aufklären konnte, haben sich die Leute beruhigt, denn sie sahen dann wenigstens die Möglichkeit einer volkswirtschaftlichen Prüfung.
    Die Organisation, die wir vorgesehen haben, entspricht ganz genau dem, was Sie hier als Forderungen aufgestellt haben.

    (Hört! Hört! bei der CDU.)

    Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß diese Rede von Ihnen in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken soll, als ob die Regierung unter dem Zwang, unter dem Druck Ihres Antrages und Ihrer Partei auf eine Linie gebracht werden soll, auf der sie von Anfang an gewesen ist.

    (Bravorufe und Händeklatschen in der Mitte und rechts. — Abg. Dr. Nölting: Was ist mit dem Gesetzentwurf Josten, mit dem Gesetzentwurf Risse, der Ihnen doch auch vorlag? Das wissen Sie doch auch!)

    — Herr Professor Nölting, Sie kennen doch den Gesetzentwurf ganz genau. Ich kann Ihnen Sätze vorlesen, die wortwörtlich mit dem übereinstimmen, was Sie vorhin gesagt haben.

    (Abg. Dr. Nölting: Drei verschiedene Gesetzentwürfe kamen aus Ihrem Ministerium!)

    — Ich kann es Ihnen vorlesen:
    .. sind verpflichtet, ihr Verhalten auf dem Markt so zu gestalten, daß eine mißbräuchliche Ausnutzung ihrer Marktstellung vermieden wird und die bestmögliche Versorgung des Marktes gewährleistet ist.

    (Lebhafte Zurufe.)

    — Ich bitte, im Stenogramm festzustellen, daß das genau dieselben Worte waren!

    (Hört! Hört! und Händeklatschen in der Mitte und rechts.)



    (Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard)

    In etwas bin ich allerdings einer ganz entschiedenen Meinung und habe dem wiederholt Ausdruck gegeben: meine Gegnerschaft gegen die Kartelle bezieht sich nicht allein auf die Art Kartelle, die privatwirtschaftliche Absprachen darstellen, sondern sie bezieht sich mit gleicher Konsequenz auch auf die staatlichen Kartelle, auf die staatlichen Monopole, weil mir die nicht minder schlimm erscheinen als die privatwirtschaftlichen Einrichtungen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich habe schon wiederholt gesagt: Tritt dieses Kartellgesetz erst in Kraft, dann werde ich als Anzeiger auftreten und zuerst einmal nach Ordnung rufen.

    (Beifall in der Mitte und rechts. — Abg. Loritz: Transportgewerbe!)

    Es ist dann hier unter Bezugnahme auf meine gestrigen Ausführungen die Kritik gegen all das angeklungen, was Planung, Lenkung und Planwirtschaft bedeutet. Ich glaube, darüber brauchen wir uns nicht mehr zu unterhalten; denn jeder weiß aus lebendiger Erfahrung, daß eine bewußte Planung und Lenkung in der geistigen Ausrichtung und in dem soziologischen und wirtschaftlichen Gehalt etwas ganz anderes bedeutet als Planwirtschaft, und ich möchte sogar annehmen, daß wir hier gar nicht so sehr weit auseinander sind. Der Staat hat wohl Lenkungsfunktionen. Es kommt nur darauf an, mit welchen Mitteln, aus welchem Geist und in welcher Richtung er sie ausübt.

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts. — Gegenrufe links.)

    Sie haben gemeint, der alte Liberalismus würde bei konsequenter liberalistischer Einstellung, zu der ich mich übrigens nie bekannt habe, dazu führen, daß auch die Vertragsfreiheit sichergestellt sein müsse, daß heißt also, daß die Industrie so wie einst im Mai wieder ihre Kartelle der Klosettbrillen, der Glasaugen und der Fieberthermometer begründen könne. Hier bin ich allerdings der Auffassung, daß an diesem Punkte die staatliche Lenkung einzusetzen hat, und hier ist sie auch berechtigt. Ich gebrauche Ihr Bild, wenn ich sage: hier hat der Staat dann Schiedsrichter zu spielen.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr gut! — Zurufe links.)

    — Ich kann die Dinge nur in der Reihenfolge nehmen, in der sie vorgetragen worden sind!
    Sie zeihen mich einer allzu lyrischen Betrachtungsweise. Ja, Herr Kollege Nölting, entschuldigen Sie! Wenn ich Ihre Reden lese — ich erinnere an unser Zwiegespräch, das ich erst vor wenigen Tagen nachgelesen habe —, dann komme ich mir dagegen wie ein ganz nüchterner und trockener Pedant vor.

    (Heiterkeit in der Mitte und rechts.)

    Das paßt auch gar nicht zu meiner Wirtschaftsauffassung, die immer dahin geht, daß ich sage: ich muß die ökonomischen Daten so setzen, daß sich die Menschen im Markte sinnvoll und wirtschaftlich verhalten. Ich habe auch oft genug gesagt: ich halte nichts von kategorischen Imperativen und sittlichen Appellen. Darum ist mir die Marktwirtschaft sympathischer als die Wirtschaft, in der der Staat glaubt, er könne das einzelne Individuum durch gutes Zureden oder durch entsprechende Polizeigewalt dahin führen, wohin er es haben will.

    (Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

    Wir haben auch gar nicht die Absicht, zur liberalistischen Wirtschaft zurückzugehen. Wir haben die Absicht vorwärtszugehen, und da zeigen sich sowohl in den praktischen Ansätzen wie in der wissenschaftlichen Erkenntnis sehr wohl Wege, die eine fruchtbare Entwicklung verheißen.

    (Zuruf links: Siehe die Erwerbslosen!)

    Sie meinen, wir seien in eine neue Phase des Kapitalismus eingetreten. Es trifft sicher zu — wenn Sie es rein historisch betrachten —, daß der Kapitalismus in seiner ersten Phase, in seinen Anfängen, als er in den handwerklichen Markt eindrang — wenn ich das Wort „Kapitalismus" jetzt einmal kritiklos hinnehme —, ein anderes Gesicht hatte, ein anderes Betätigungsfeld und andere Formen trieb als der „Kapitalismus" von heute. Das ist selbstverständlich. Aber ich glaube, in etwas haben Sie nicht recht. Sie sind der Meinung, aus der inneren Logik der Entwicklung heraus, aus den inneren Kräften müsse sich so etwas vollziehen wie das, was nach der Marxschen Lehre als Akkumulation des Kapitals dahin führt, daß zuletzt nur oben eine Spitze ist und daß es da nur noch der Expropriation der Expropriateure bedürfe, um die glückselige Wirtschaft herzustellen.

    (Sehr gut! in der Mitte und rechts. — Lebhafte Zurufe links.)

    Anders kann ich Ihren Begriff des ,,überlebenden Monopols" ja wohl nicht deuten. Das kommt ungefähr aus derselben Haltung heraus.
    Nun hat sich aber gezeigt, daß sich hier ganz andere Entwicklungen anbahnen, sowohl aus der Technik wie auch aus der Organisation des Marktes, aus der Differenziertheit der Wirtschaft heraus: Dem Großbetrieb sind im allgemeinen und in den meisten Zweigen der Wirtschaft sogar sehr enge Grenzen gesetzt, und wie sich herausstellt, können sich die kleinen und mittleren Betriebe den Schwankungen und Fluktuationen des Marktes in viel höherem Maße anpassen als Großbetriebe. Es ist also noch sehr die Frage, ob und inwieweit der Großbetrieb dem kleinen und mittleren Betrieb tatsächlich überlegen ist. Für die Kohlenzechen und für die Stahlwerke stimmt das selbstverständlich, aber es stimmt nicht für den Gesamtbereich der Wirtschaft. Denn wenn das stimmen würde, würde der Kapitalismus oder, besser gesagt, der Industriebetrieb das Handwerk in Deutschland schon längst ertötet haben, während seit den Anfängen des Industrialismus das Handwerk in Deutschland blüht und immer neue Zweige getrieben hat.

    (Abg. Dr. Nölting: Wer zweifelt das denn an?) Es scheint also, daß die Entwicklung hier nicht so gradlinig und nicht im Sinne der materialistischen Auffassung verläuft, wie das hier gesagt worden ist.

    Sie sprachen von Überproduktion und glaubten, auch hier müßten dann doch kartellmäßige Abreden getroffen werden können, um dieser Überproduktion zu begegnen. Ich bin der Meinung: Überproduktion fällt nicht vom Himmel, sondern Überproduktion ist immer eine Folge einer fehlerhaften Verteilung des Einkommens und damit einer fehlerhaften Verteilung auch der Nachfrage. Weil aber für die fehlerhafte Verteilung des Einkommens, für die falsche Lenkung der Kaufkraftströme eben sehr oft die Kartelle verantwortlich sind, deshalb bin ich gerade ein prinzipieller Gegner der Kartelle.

    (Sehr richtig! rechts.)



    (Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard)

    Was Sie über die Konzerne sagten, deckt sich vollkommen mit meiner Auffassung; wir stimmen sogar im Wortlaut überein, wie ich feststellen konnte.

    (Heiterkeit in der Mitte und rechts.)

    Hinsichtlich der Monopolkommission ist alles in Ordnung. Dann aber kam noch die amerikanische Auffassung zur Sprache. Die ist mir selbstverständlich bekannt, und ich weiß auch, daß hier mindestens Gefahren gedroht haben. Sie wissen aber auch, daß im Rahmen des europäischen Wiederaufbaus vom Marshallplan her und über die Marshallplanhilfe ganz bestimmte wirtschaftliche Konzeptionen und Grundsätze in der europäischen Wirtschaft zur Anwendung gelangen sollen. Nicht etwa, weil es für mich bequem ist, hier eine Ausrede zu suchen und zu sagen „die Amerikaner fordern es ja", sondern weil ich aus innerer Überzeugung diese Prinzipien für richtig halte, deshalb stimme ich Ihnen zu, und deshalb wollen wir auch diese Grundsätze nicht schematisch, sondern selbstverständlich zugeschnitten auf die soziologische Struktur und die wirtschaftlichen Verhältnisse unseres, Landes auf uns übertragen.
    Ich weiß, daß in der Kritik gegen mich von Freunden der Kartelle vorgetragen worden ist, die Aufhebung oder die Untersagung von Kartellen würde allzu sehr zur Trustbildung führen; siehe das amerikanische Beispiel. Ich glaube nicht, daß man das übertragen kann, und es war interessant, aus Einzelgesprächen festzustellen, daß die einen Kartellfreunde argumentiert haben, die Kartelle bewirkten einen Schutz der kleinen und mittleren Betriebe; und eine Stunde später sagte mir ein anderer: Wir haben es unter der Kartellordnung fertiggebracht, von 65 Betrieben auf 6 herunterzugehen. Es scheint mir also doch keine einheitliche, aus der Entwicklung selbst herrührende Kraft innerhalb der Kartelle wirksam zu sein, sondern es kommt eben darauf an, zu welchem Instrument man die Kartelle gestalten will. Ich wehre mich jedenfalls mit aller Entschiedenheit gegen die jetzt so gerne popularisierte Auffassung, als ob das Wohltätigkeitsvereine gewesen seien. Das waren sie nicht, und das paßt auch wieder nicht in mein Wirtschaftsbild.
    Was das Dekartellisierungsgesetz der Alliierten anbelangt, so gehört es sicher zu den Reservaten, die sie sich vorbehalten haben. Aber ich habe sichergestellt, und ich habe die Zusage, daß wir nicht durch ein alliiertes Kartellgesetz überrascht werden, sondern daß man in Kenntnis der deutschen Bemühungen und der sehr geraden Haltung, die wir auf diesem Gebiet einnehmen, uns zu einer deutschen Kartellgesetzgebung kommen läßt.
    Sie sind dann noch einmal auf die soziale Marktwirtschaft eingegangen. Sie müssen mir also gestatten, auch noch ein Wort dazu zu sprechen. Ja, wenn ich mir natürlich angesichts der Entwicklung der letzten anderthalb Jahre politische Wunschträume zum Maßstab einer Wirtschaftspolitik mache, dann kann es selbstverständlich nur Unzufriedene geben; und wenn in diesem Zusammenhang auf die Arbeitslosigkeit hingewiesen worden ist, dann möchte ich sagen, daß das das ernsteste Problem ist, das wir auch in der Regierung kennen und das uns zu allen Anstrengungen führen wird, um hier wirksam einzugreifen. Da kann es keinen Zweifel geben. Aber ich glaube, es ist eine völlige Verschiebung des Tatbestandes und der Ursachen des Phänomens,
    wenn man die Marktwirtschaft für die Arbeitslosigkeit verantwortlich machen will.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. Renner: Wer lacht da nicht?)

    Ich möchte Ihnen jetzt einmal einige Zahlen nennen. Aus der Entwicklung der Arbeitslosigkeit gerade in den letzten zwei Monaten ist deutlich sichtbar, und die Analyse der Arbeitslosigkeit regional und fachlich zeigt deutlich, daß diese Zunahme um 500 000 Menschen im wesentlichen und zum überwiegenden Teil saisonaler Natur ist.

    (Zurufe und Unruhe links.)

    Sie tritt in den Berufen auf, die im Winter — wie in der Landwirtschaft — eben nicht arbeiten können.

    (Unruhe bei den Sozialdemokraten. — Zurufe.)

    — Ja, es scheint so; Sie müssen es aber noch einmal hören, um es zu begreifen. — In der gewerblichen Wirtschaft hat eine fortlaufende Erhöhung der Beschäftigtenzahlen stattgefunden.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich stimme vollkommen mit Ihnen überein: es kommt gar nicht darauf an und ist ganz gleich, woher die Arbeitslosen kommen; es ist wichtig, daß sie da sind,

    (Zurufe links)

    und es ist noch wichtiger, diesen sozialen Schaden zu beseitigen. Aber ich wehre mich dagegen, daß die Wirtschaftspolitik verantwortlich sein soll. Dort, wo die Marktwirtschaft am besten funktioniert, ist es nicht zur Entlassung von Arbeitskräften gekommen, sondern zu einer ständigen Aufsaugung.

    (Bravorufe und Händeklatschen bei den Regierungsparteien.)

    Das ist statistisch eindeutig nachweisbar. Aber noch etwas anderes, meine Damen und Herren! Mit dem Einstrom der Flüchtlinge seit dem Jahre 1945 haben wir insgesamt 3,7 Millionen erwerbstätige Bevölkerung aufnehmen müssen. Wir hatten im Jahre 1936 schon 880 000 Arbeitslose. Nehmen Sie jetzt selbst die ganze Saisonarbeitslosigkeit mit dazu, dann bedeutet das, daß wir von den eingeströmten 3,7 Millionen Erwerbstätigen — eingeströmt in einen Raum mit einer weitgehend vernichteten und zerschlissenen technischen Apparatur — immerhin 2,7 Millionen Menschen irgendwie eine wertvolle, volkswirtschaftliche Beschäftigung gegeben haben.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Und ich bin der Meinung — und ich glaube, jeder, der es mit unserem Volk gut meint, muß sich dieser Auffassung anschließen —: dieser Bodensatz an struktureller Arbeitslosigkeit — ohne eine Zahl zu nennen, die sich um etwa eine Million herum bewegen wird — ist von dem Problem des Flüchtlingseinstroms nicht zu trennen. Das ist auf uns als eine internationale Regelung überkommen; und ich glaube, wir haben allen Grund, diese Arbeitslosigkeit nicht als ein schuldhaftes Versäumnis von deutscher Seite oder gar unserer Wirtschaftspolitik erscheinen zu lassen,

    (lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien)

    sondern wir haben allen Grund, dieses Problem auf die internationale Ebene zurückzuschieben.

    (Sehr gut! rechts. — Unruhe links. — Zuruf von der KPD: Billig! — Zuruf von der SPD: Sie sind noch stolz darauf!)



    (Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard)

    — Nein, ich bin nicht stolz darauf, sondern ich mache mir sicher mindestens genau soviel oder vielleicht noch mehr Sorgen als Sie, da können Sie sicher sein.
    Ich spreche in der gleichen Reihenfolge wie Herr Kollege Nölting, und deshalb möchte ich zum Schluß noch einmal auf das Kartellgesetz kommen. Ich mache auch hier aus meinem Herzen keine Mördergrube — ich habe das auch schon geschrieben —: die Freundschaft oder die allzu tolerante Haltung Ihrerseits gegenüber den Kartellen macht mich stutzig.

    (Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)

    Es liegt hier doch zu sehr der Verdacht nahe, daß mit den von Ihnen sicher auch ernstgemeinten Sorgen um die Ordnung des Marktes, um die Ordnung des Wettbewerbs, um die sozialere Gestaltung des Marktes gleichzeitig der Gedanke verbunden ist, Einrichtungen lebenskräftig und lebensfähig zu erhalten, die unter anderen politischen Vorzeichen die Vorläufer der Sozialisierung sein können.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Das ist nicht der Grund für meine Haltung gegenüber den Kartellen; aber es scheint mir wertvoll zu sein, daß wir diese Zusammenhänge erkennen, um dann zu einer gerechten Abwägung der Verhältnisse zu gelangen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Ich habe noch eine geschäftsordnungsmäßige Bemerkung nachzuholen.
Bei Beginn der Rede des Herrn Bundeswirtschaftsministers ist von einem der Mitglieder des Hauses von der linken Seite der Zuruf „Demagoge" gekommen. Ich glaube, wir waren uns neulich darüber einig, daß wir diesen Ausdruck in diesem Hause nicht mehr gebrauchen wollten. Ich weise deshalb diesen Ausdruck zurück. Ich darf aber heute schon darauf hinweisen, daß in Zukunft — gleichgültig, von welcher Seite der Ausdruck „Demagoge" kommt — er mir Veranlassung zur Erteilung eines Ordnungsrufes sein wird.
Ich erteile nunmehr dem Herrn Abgeordneten Etzel das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Franz Etzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und meine Herren! Meine Fraktion ist mit der Fraktion der SPD der Meinung, daß die Bundesregierung ein Gesetz gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht vorlegen muß.
    Wir haben von diesem Rednerpult aus bereits wiederholt durch unsere beauftragten Sprecher diesem Willen Ausdruck verliehen. Wir sind der Meinung, daß die Monopolkontrolle und die Dekartellisierung ein wesentlicher Teil der sozialen Marktwirtschaft sind. Wir sind zwar daran gewöhnt, daß diejenigen, die uns nicht hören wollen, die unsere politischen Gegner sind, aus unserer Begriffsvorstellung von sozialer Marktwirtschaft immer nur einen Teil herauslösen und daß sie die Ernsthaftigkeit unseres Willens, diese soziale Marktwirtschaft von verschiedenen Seiten her zu beurteilen, einfach nicht akzeptieren wollen. So haben wir wiederholt ganz klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß unter sozialer Marktwirtschaft nicht nur ein echter Leistungswettbewerb zu verstehen ist, sondern daß
    neben dem echten Leistungswettbewerb — als eine zweite Säule — die Monopolkontrolle (außer den organischen Mitteln der Marktbeeinflussung) dazukommt. Wenn unter diesem Gesichtspunkt die SPD und Herr Professor Nölting mit mir der Meinung sind, daß der Kartelleingriff ein planender Eingriff ist, wenn es ihm also Freude macht, hier einem alten Bekannten zu begegnen, — nun dann mag er unter diesem Aspekt uns meinetwegen auch als Anhänger einer planenden Wirtschaftsauffassung ansehen.
    Wir sind allerdings der Auffassung, daß wir unter keinen Umständen zur liberalen Wirtschaft alter Prägung zurück dürfen.

    (Abg. Rische: Das können Sie auch nicht!) Wer jemals die Düsseldorfer Leitsätze nur am Rande gelesen hat, weiß, wie ernst es uns mit einer Ordnung ist, die an sich neben dem Leistungswettbewerb unbedingt die unabhängige Monopolkontrolle sieht. Diese unabhängige Monopolkontrolle ist eine Notwendigkeit.


    (Zuruf links: Das ist alles Theorie!)

    — Ich weiß nicht, inwieweit ein solches Erfordernis, das auch Sie aufstellen, bei uns Theorie sein soll.
    Wir sind der Meinung, daß die soziale Marktwirtschaft, wie ich schon sagte, in einem klaren Gegensatz zur Wirtschaft alter liberaler Prägung steht. Gerade weil wir einen Rückfall in diese Wirtschaft alter liberaler Prägung vermeiden wollen, sind wir der Meinung, daß neben einem Leistungswettbewerb eine Monopolkontrolle notwendig ist. So wenig wie der Staat oder halbstaatliche Organe die Aufgabe haben dürfen, die Wirtschaft zu lenken, so wenig dürfen nach unserer Auffassung auch Privatpersonen und private Verbände derartige Lenkungsaufgaben übernehmen. Wir wissen, daß die alte Wirtschaftsordnung liberaler Prägung es den Unternehmern erlaubt hat, sich zu Kartellen und Marktverbänden zusammenzuschließen, um auf weiten Gebieten die Preise zu diktieren, die Erzeugung nach ihrem Belieben zu gestalten und einzuschränken und hier einen Wirtschaftskampf mit allen Mitteln zu führen, den wir unter keinen Umständen zulassen wollen.
    Wenn Sie, Herr Professor Nölting, heute hier das Bild von dem Sportplatz gebraucht haben, dann scheint es mir, daß Sie dieses Bild falsch angewendet haben; denn wenn Sie sagen: auf dem Sportplatz herrscht ein rüder Ellenbogenkampf, dann ist das, glaube ich, eine höchst unsportliche Auffassung; das ist es doch gerade, was im Sport nicht gilt. Überall da, wo eine solche rüde Ellenbogenfreiheit angewendet wird, wird der Schiedsrichter eingreifen und dafür sorgen, daß der Leistungswettbewerb des sportlichen Wettkampfes in eine anständige und ordentliche Form kommt. Wir stellen uns vor, daß es die Aufgabe der Monopolkontrolle ist, gerade hier einzusetzen und dafür zu sorgen, daß die Grundlage eines echten Leistungswettbewerbs unter allen Umständen erhalten bleibt. Gerade das sportliche Bild zeigt die Berechtigung unserer Auffassung im Gegensatz zu der Meinung, die Sie vertreten.
    Wir sind auch nicht der Meinung, Herr Professor Nölting, daß in einer sozialen Marktwirtschaft eine Freiheit herrschen darf, die solche kartellartigen Zusammenschlüsse zwangsläufig er-


    (Etzel)

    laubt. Denn wir wissen auf politischem Gebiet besonders seit 1933 ganz genau, daß im Namen der Freiheit die Freiheit aufgehoben werden kann. Das darf man eben nicht tun, und insofern ist das, was Sie planenden Eingriff nennen, unseres Erachtens eine höchst wichtige Ordnungsfunktion, um die sich allerdings der Staat unter allen Umständen zu kümmern hat.
    Weil wir aber unsoziale Auswüchse des freien Wettbewerbs vermeiden wollen — unsoziale Auswüchse, für die ja der letzte Verbraucher zu zahlen hat —, darum sind wir der Meinung, daß eine Monopolkontrolle notwendig ist, und darum bejahen wir auf weiten Gebieten das, was der sozialdemokratische Antrag heute hier gefordert hat. Wir sind allerdings das will ich mit aller Offenheit aussprechen — über einen Satz dieses Antrages höchst mißtrauisch, wenn es nämlich in Absatz 2 in den letzten Zeilen heißt: „ohne daß wirtschaftsordnende Funktionen gestört werden und solche Organisationsformen, die der Leistungssteigerung oder den Zwecken einer guten und preiswerten Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfes dienen, eine Behinderung erfahren." Wir werden in der Ausschußarbeit beantragen, einmal klarzustellen, ob hier die Ladenhüter einer alten Planwirtschaft wieder Eingang finden sollen. Wenn das nicht der Fall sein sollte, einverstanden! Wenn es anders gemeint ist, würden wir unter keinen Umständen einer solchen Formulierung unser Einverständnis geben. Die Dinge wären im Ausschuß zu klären, und ihnen wäre im Ausschuß ein Inhalt zu geben.
    Ich sage also zusammenfassend: grundsätzlich auf weiten Gebieten ein volles Ja, aus den Grundsätzen, die ich kurz dargelegt habe und die unser wirtschaftspolitisches Glaubensbekenntnis sind und die eine schriftliche Formulierung in unseren Düsseldorfer Leitsätzen gefunden haben.
    Ich muß aber — und das muß ich nochmals mit aller Deutlichkeit hier sagen — unser höchstes Befremden darüber zum Ausdruck bringen, daß die sozialdemokratische Fraktion gerade in diesem Augenblick einen solchen Antrag einbringt, in dem es im letzten Absatz heißt:
    Da die Vorarbeiten zu einem derartigen Gesetz bereits seit anderthalb Jahren im Gange sind, praktische Ergebnisse aber bisher nicht vorgelegt werden konnten, erwartet der Bundestag von der Regierung, daß sie nunmehr diesem Beschluß umgehend Rechnung trägt.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe gesagt: wir sind erstaunt über diesen Antrag, und zwar sind wir deswegen erstaunt, weil die sozialdemokratische Fraktion ganz genau weiß, daß auf dem Gebiet der Schaffung eines Gesetzes gegen den Wettbewerb in den letzten Monaten sehr viel Arbeit geleistet worden ist, und weil sie sich, worauf Herr Professor Erhard mit Recht schon hingewiesen hat, mit irgendwelchen Verbindungsleuten an dieser Arbeit beteiligt hat.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Es ist zunächst darauf hinzuweisen, daß ja die Bundesregierung noch gar nicht anderthalb Jahre besteht. Wir haben eine Bundesregierung, wenn ich mich nicht irre, seit September, also seit einigen Monaten.

    (Zurufe von der SPD.)

    Wie da von einer anderthalbjährigen Arbeit geredet werden kann, weiß ich nicht. Ein Kartellgesetz ist aber eine Angelegenheit, die in der Wirtschaft außerordentlich viele Umwälzungen hervorrufen wird, und es wäre leichtfertig und töricht, ein solches Gesetz über den Daumen zu peilen und nicht in der genügenden Weise vorzubereiten und durchzuarbeiten. Die Bundesregierung hat entsprechend einer Erklärung des Kanzlers und entsprechend unseren Erklärungen sehr bald, nachdem sie ihre Arbeit aufgenommen hat, diese Aufgabe in Angriff genommen, und Herr Professor Erhard hat soeben bereits dem Herrn Sprecher der Sozialdemokratie nachgewiesen, daß er von dem vorhandenen Entwurf ganze Teile hier vorgelesen hat. Ich muß ganz ehrlich sagen, Herr Professor Nölting, daß ich Sie in diesem Punkt Ihrer Ausführungen heute nicht verstanden habe, wenn Sie gesagt haben, dieser ganze Entwurf sei in ein mysteriöses Dunkel gehüllt. Ich habe noch gestern mit Ihnen über diese Dinge gesprochen, und Sie wissen doch, daß durch einen Ihrer engsten Mitarbeiter hier eine bestimmte Arbeit geleistet worden ist. Sie haben gesagt: Ich kenne den Inhalt nicht. Nun, das unterstelle ich; aber Sie wissen doch, daß die Arbeit von einem Referentenentwurf bereits zu einem Ergebnis gekommen ist. Sie wissen ganz genau, daß der Entwurf im Kabinett besprochen und akzeptiert worden ist, und Sie wissen ganz genau, daß sich der Entwurf inzwischen zur Überprüfung bei den einzelnen Ministerien befindet.
    Sie haben auf die Bedenken des Bundesjustizministeriums hingewiesen. Diese sind aber nur rechtlicher Natur und beziehen sich auf die Kollision mit dem Grundgesetz; andere Bedenken sind es nicht. Es ist Ihnen also doch bekannt, daß hier eine Arbeit wesentlicher Art geleistet worden ist, und das hätte der Ehrlichkeit wegen gesagt werden müssen. Ich habe auch gerade mit Ihnen darüber gesprochen, daß bei den Studienaufgaben, mit denen wir es jetzt zu tun haben, ein Vertreter Ihrer Fraktion beteiligt sein möge, und Sie haben diese Mitarbeit zugesagt. Ich weiß nicht, was bei solcher Sachlage ein Antrag des Inhalts. wie Sie ihn heute .hier vorgelegt haben, noch für einen Sinn haben soll.

    (Sehr richtig! bei der CDU. — Widerspruch bei der SPD.)

    Wenn in diesem Hause auf den Gebieten, wo weitgehende Übereinstimmung besteht, wirklich sachliche Arbeit geleistet werden soll, dann soll man doch solche Arbeit nicht zu solchen polemischen Extravaganzen benutzen, wie sie heute in diesem Hause leider wieder präsentiert worden sind. Ich bin der Auffassung, daß die Bundesregierung das, was sie im Rahmen ihrer kurzen Lebensdauer bereits hat tun können, getan hat. Ich bin der Meinung, daß die Arbeit, die hier begonnen worden ist, fortgesetzt werden soll. Ich bin der Meinung, daß die Vorbereitungsarbeit nicht hier im Plenum, sondern im Ausschuß getan werden soll, und beantrage deshalb die Verweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, der für diese Arbeiten zuständig sein dürfte.

    (Sehr gut! und lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)