Rede von
Arno
Hennig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Der Antrag, wie ihn der Ausschuß auf Drucksache Nr. 337 vorlegt, ist aus einer eingehenden Beratung eines Antrages der Bayernpartei hervorgegangen, den Sie in Drucksache Nr. 157 finden. Man hat im Einverständnis mit den Antragstellern aus diesem Antrag alle Wünsche herausgenommen, die. Steuervergünstigungen vorsehen oder die soziale Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Lage der Künstler betreffen. Soviel ich höre, haben die Antragsteller diesen Punkt zu einem besonderen Antrag verarbeitet und. diesen Antrag bereits eingereicht.
Wieder Antrag jetzt vorliegt, gilt für ihn wohl dasselbe, was im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Kiesinger soeben hier beschlossen worden ist. Es müßte eingangs hinter den Worten: „Der Bundestag wolle beschließen", heißen:
Die Bundesregierung wird ersucht:
Um die bildende Kunst zu fördern, ist bei allen Bauaufträgen des
0 Bundes, soweit Charakter und Rahmen des Einzelbauvorhabens dies rechtfertigen, grundsätzlich ein Betrag von mindestens 1 Prozent der Bauauftragssumme für Werke bildender Künstler vorzusehen. Diese Kunstwerke müssen zur Ausstattung der vergebenen Bauten verwendet werden.
Bei der Verteilung der Aufträge sind Künstler aller deutschen Länder, zu berücksichtigen. Die Auswahl der . Kunstwerke im einzelnen obliegt einer Körperschaft, in der der Ausschuß für Kulturpolitik ausreichend vertreten sein muß.
Die Berufsvertretung der bildenden Künstler soll bei der Vergebung der Aufträge gehört werden.
Meine Damen und- Herren! Es gibt gegenwärtig keine-Mäzene mehr, es gibt kaum noch Sammler. Die Künstler haben zwar den Tiefstand der Kulturkrise auf diesem Gebiet ersichtlich durchschritten. Die künstlerische Hervorbringung ist auch qualitativ wieder im Ansteigen begriffen. Aber diese Menschen schaffen in tiefster Vereinsamung. Es ist außerordentlich bedenklich, wenn das zeitgenössische Künstlerschaffen verborgen bleibt und mit dem Volk kaum in ernsten Kontakt tritt. Auch ist das museale Dasein zeitgenössischen . künstlerischen Schaffens nur ein mehr oder -weniger trauriger Notbehelf. Kunst gehört ins Volk, Kunst gehört dorthin, wo Menschen zusammenkommen. Es ist außerordentlich wichtig, wenn an Straßenecken und Brücken, wo tagtäglich Tausende von Menschen vorübergehen, Kunstwerke hohen Ranges aufgestellt sind und sie zum Erlebnis. besonders. der heranwachsenden Generation gemacht werden.
Wir im kulturpolitischen Ausschuß wissen, daß dieser unser Antrag nicht ohne Bedenken ist. Wir könnten uns zum Beispiel vorstellen, daß es vielleicht nicht immer so viel gute Kunst gäbe, wie der vorgesehene Betrag von 1 Prozent der Bauauftragsumme eigentlich zur Voraussetzung hätte, und wir wollen nach der Richtung auch kein Schema entworfen haben. Wir wissen aber, daß wir heute, in einer Zeit, in der es keine Mäzene und kaum noch Sammler gibt, in die Bresche springen müssen und daß die öffentliche Hand als Auftraggeber auftreten muß. Es ist zwar ein Glücksfall, wenn Athen oder Florenz oder das gute München von 1840 so entstanden sind, daß kühne Planer der öffentlichen Hand mit hochrangigen Künstlern zusammenwirkten. Das läßt sich durch Anträge nicht gewährleisten, aber wir wollen das Unsrige getan haben, um wenigstens die Wege freizumachen, wollen den Versuch wagen, damit uns keine Verantwortung treffe, wenn einmal eine kommende Zeit feststellen müßte, daß wir künstlerisch unproduktiv gewesen seien, weil es bei der entscheidenden Stelle des deutschen Volkes an Verständnis für dieses Problem gefehlt habe.
In diesem Sinne — mit allen Bedenken, die dieser Antrag umschließen mag — sind wir im kulturpolitischen Ausschuß einmütig dazu gelangt, die Annahme dieses Antrags zu empfehlen.