Rede von
Dr.
Anton
Besold
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst im Auftrage meiner Fraktion eine Feststellung zu treffen. Es ist zweifellos ein Antrag zur Debatte gestellt worden, der von größter Wichtigkeit ist. Meine Fraktion bedauert es daher, daß bei einem Gegenstand von solcher Bedeutung der Sitzungssaal und insbesondere die Sitze der Regierungskoalition so leer sind. Wir bedauern das auch deshalb, weil gestern in der Ältestenratssitzung vereinbart worden ist, daß die heutige Tagesordnung zur Durchführung kommen soll. Wir sehen in der Tatsache der leeren Plätze eine Mißachtung dieser Verabredung.
Nun möchte ich zur Sache selbst sprechen. Ich habe seinerzeit in dem zuständigen Ausschuß als einziger dagegen gestimmt, daß dieser Antrag im Wege einer Rechtsverordnung zur Erledigung kommt. Ich habe dabei aber erklärt und wiederhole das hier, daß diese Angelegenheit von größter Dringlichkeit ist, weil es sich um eine Flüchtlingsangelegenheit handelt, die schon längst zur Debatte steht.
Ich habe auch juristische Bedenken gehabt, und zwar die Bedenken, die schon von dem Herrn Abgeordneten Dr. von Merkatz zum Ausdruck gebracht worden sind. Ich habe aber noch weitere Bedenken, die mir schwerwiegender erscheinen. Ich muß feststellen, daß ich den Bericht, der über diese Angelegenheit hier gegeben wurde, nicht für vollständig halte. Es wurde nicht berichtet, daß Regierungsvertreter in dieser Sitzung bei der Behandlung der Sache klar und deutlich zu erkennen gegeben haben, welche Schwierigkeiten vorhanden sind, um nun sofort irgendeine Regelung treffen und auf dem beschleunigten Wege der Rechtsverordnung etwas tun zu können. Es ist festgestellt worden, daß noch nicht einmal der Personenkreis, der von der Verordnung oder von dem Gesetz erfaßt werden soll, bekannt ist, daß man durchgreifende Erhebungen angestellt hat und daß eine besondere Statistik erst aufgestellt werden muß, um sich die Unterlagen und einen Überblick verschaffen und den Tatbestand rechtlich erfassen zu können.
Darüber hinaus wurde geltend gemacht, daß in gleicher Sache zurzeit bereits an einer Gesetzesvorlage gearbeitet wird. Außerdem wurde darauf hingewiesen, daß die finanzielle Deckung zur Zeit auf Grund der besonderen Umstände nicht gegeben ist, da ja der Bund bis zum 1. April 1950 über Mittel nicht verfügt und die Länder dafür nicht leistungsfähig sind. Der ganze Fragenkomplex — ich gebe zu, daß er sehr dringend ist — kann also nicht überstürzt werden. Wenn schon während der Zeit der bizonalen Wirtschaft auch diese Fragen eine Rolle gespielt haben und wenn zu dieser Zeit die notwendigen Erhebungen, die jetzt erst gemacht werden, nicht gemacht worden sind, so trifft nicht uns die Verantwortung dafür.
Wir dürfen uns aber dadurch nicht verleiten lassen, jetzt durch den beschleunigten Weg der Rechtsverordnung eine Sache von so schwerwiegender Bedeutung zu überhudeln. Es gibt vielmehr nur die Möglichkeit einer Regelung auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung, um diejenigen, die davon betroffen sind, nicht nachträglich durch Maßnahmen zu enttäuschen, die ohne die entsprechende Sachaufklärung vielleicht falsch durch eine Rechtsverordnung getroffen werden würden. Es gibt keine andere Möglichkeit. Der Berichterstatter hätte auch erwähnen müssen, was die Regierungs-
Deutscher Bundestag — 20. und 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1949 639
vertreter in diesem Betracht in den Sitzungen gesagt haben, um die Schwierigkeiten berücksichtigen zu können.
Deshalb stehen wir auf dem Standpunkt, daß eine so schwerwiegende, weitgreifende und insbesondere so hochbedeutsame Frage nicht durch eine Rechtsverordnung vielleicht schlecht und vielleicht auf falschem Wege gelöst werden kann, sondern daß die Arbeiten für eine Gesetzesvorlage, die nunmehr bereits begonnen haben, beschleunigt zu Ende geführt werden müssen, und daß der gesamte Komplex durch eine Gesetzesvorlage geregelt werden muß, wobei dann das gesamte Haus zu diesen schwerwiegenden Problemen auch Stellung nehmen kann.