Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zentrumsfraktion kann sich mit dem § 1 weder in der Fassung des Regierungsentwurfs noch in der des Ausschußentwurfs einverstanden erklären. Es heißt im Ausschußentwurf:
Rechtsverordnungen des Bundes werden im Bundesgesetzblatt oder im Bundesanzeiger verkündet.
Es gibt also danach zwei Publikationsorgane, von denen das eine, der „Bundesanzeiger", wie eine Tageszeitung aussieht. Das soll demnächst geändert werden. Zur Begründung wird gesagt, es gebe so viele Publikationen, die das breite Publikum nicht interessieren. Wir wollen es uns einmal genauer ansehen. Was die breitesten Kreise des Publikums interessiert, sucht man also nicht im „Bundesanzeiger", sondern man sucht es im Bundesgesetzblatt.
Mir ist nun in diesen Tagen die Nummer 27
des Bundesanzeigers in die Hand gefallen. In dieser Nummer steht der Erlaß vom 17. November über die Behandlung der Zuschüsse und unverzinslichen Darlehen zur Förderung des Wohnungsbaus bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Dieser Erlaß enthält unter B Ziffer 4 eine materiell-rechtliche Änderung des bisherigen Einkommensteuergesetzes, nämlich die Vorschrift, daß Handwerker, Kleingewerbetreibende und Angehörige der freien Berufe die Vergünstigung des § 7c Einkommensteuergesetz 1949 ebenfalls wie die anderer Berufe in Anspruch nehmen können, die bisher allein den Vorteil hatten, wenn sie ihren Gewinn unter Beachtung der zusätzlichen Bestimmungen über die Buchführung dieser Berufe ermitteln.
Also solch eine materiell höchst bedeutsame Vorschrift finden Sie nicht, wenn Sie sie suchen; denn Sie erwarten diese Vorschrift gar nicht hier. An diesem Beispiel sieht man deutlich, wie unzweckmäßig es ist, mehrere Publikationsorgane zu haben. Könnte man nicht, wenn man das Bedürfnis hat, die weniger wichtigen Publikationen anderswo zu veröffentlichen, wie es auch früher üblich war, einen Teil I und einen Teil II des Bundesgesetzblatts schaffen? Aber es muß doch nicht unbedingt jede Rechtsverordnung in einem besonderen Blatt veröffentlicht werden, in dem beispielsweise auf der Rückseite die Mitteilungen der Registergerichte Waldbröl, Koblenz oder Groß-Umstadt veröffentlicht werden! Das bedeutet praktisch die Verzettelung von Rechtsverordnungen, die die Würde dieser Verordnungen herabsetzt. Denn Rechtsverordnungen setzen Recht, materielles Recht, also genau so Recht, wie es in Gesetzen steht, und es bedeutet, daß man die Würde dieser Rechtsverordnungen herabsetzt, wenn man sie gemeinsam mit den Bekanntmachungen des Registergerichts Groß-Umstadt bekanntgibt.
Es würde außerdem einen heilsamen Zwang für alle mit der Herausgabe von Rechtsverordnungen befaßten Regierungsstellen bedeuten, wenn sie nicht immer nur in einem sehr dickleibig werdenden Werk zu sehen wären, einschließlich der Durchführungs- und Ausführungsverordnungen, die man zu diesem Gesetz schafft. Denn wenn kürzlich sage und schreibe 40 Durchführungsverordnungen, ja sogar noch mehr, zu einem Gesetz
herausgekommen sind, dann muß jeder Laie sagen, daß hier von der Regierung eine nachlässige Arbeit geleistet worden ist. Man hätte sich rechtzeitig überlegen können, wie man es machen will, und dann weniger Durchführungsverordnungen machen sollen. Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, daß dieses Ausweichen in eine Zeitung, um es dort zu publizieren, eine willkommene Gelegenheit ist, eine Schluderei verstecken zu können. Es ist auch eine willkommene Gelegenheit, den Kopf in den Sand zu stecken. Es sieht so aus, als wenn wir weniger produktiv in der Schaffung von Gesetzen wären; wenn wir einen Teil so nebenbei unter dem Tisch herausgeben, dann fällt es nicht so auf. Ein Zwang zur Straffheit liegt darin, wenn wir nur ein Gesetzblatt und eine Gesetzespublikation haben. Und diesen Zwang zur Straffheit wünschen wir! Wir wollen nicht den Kopf in den Sand stecken! Es soll äußerlich in Erscheinung treten, wenn nicht straff und präzise genug gearbeitet wird, und das Recht soll auch übersichtlich zu finden sein. Wir haben jetzt im Bunde zwei Publikationsorgane, und wenn man die nebensächlicheren Verordnungsblätter für die Tarife berücksichtigt, sogar noch mehr; also für den Bund zwei Publikationsorgane und für jedes Land womöglich noch mehrere! Nun stellen Sie sich einmal den unglücklichen Juristen vor, der als Richter oder Verteidiger oder Verwaltungsbeamter aus irgendeinem Anlaß, zum Beispiel hier im Ministerium, zu irgendeinem Zeitpunkt zusammenstellen muß, was eigentlich rechtens ist. Er muß eine ganze Bibliothek zur Verfügung haben, während er sonst nur in dem Katalog dieses einen Gesetzblatts nachzusehen hat, wo er wenigstens für den Bund findet, was er sucht. Und wenn die Zustände anderswo — man sprach von den südamerikanischen Staaten und von der Gesetzessammlung Frankreichs — bei einem Gesetzsammlungsblatt wenig erfreulich sind, so ist das keine Entschuldigung für uns. Wir können ja darauf achten, daß unsere Gesetzespublikationsorgane straff und ordentlich geführt werden. Jedenfalls droht die Gefahr der Zersplitterung, wenn wir mehrere solche Organe haben.