Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Ich darf einige allgemeine und grundsätzliche Bemerkungen vorausschicken, bevor ich über das Ergebnis der Ausschußberatung im einzelnen berichte.
Der Bundestag hat in seiner 16. Sitzung am 10. November den Entwurf eines Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen nach der ersten Beratung dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen, der sich am 22. November mit ihm in einer allgemeinen und einer Einzelberatung beschäftigt hat. Der Ausschuß ist zu einer weitgehenden Umgestaltung des Entwurfs gelangt. Die von ihm beschlossenen Änderungsvorschläge sind aus der Zusammenstellung der beiden Fassungen in Drucksache Nr. 239 ersichtlich.
Die Verkündung ist die letzte Phase der Rechtsetzung; sie ist nicht nur eine Veröffentlichung oder Bekanntmachung, sondern ein förmlicher, gewissermaßen feierlicher Akt. Er macht den Gesetzesbefehl erst existent und für Bürger und Behörden verbindlich. Das Bedeutende eines Rechtsetzungsaktes muß auch in ihr zum Ausdruck kommen. Gerade die Demokratie hat nach den gemachten Erfahrungen allen Anlaß, den Formgedanken, der in Wahrheit ein sehr wirksames Ordnungs- und Sicherheitsprinzip ist, auf dem weiten Felde der Ausübung der Staatsgewalt nicht gering zu achten. Die richterliche Nachprüfung hat nicht nur die Verfassungsmäßigkeit des Inhalts, sondern ebenso die des Rechtsetzungsverfahrens zum Gegenstande, erstreckt sich also auch auf die Frage der ordnungsmäßigen Verkündung.
Wie das Gesetz — abgesehen von den Fällen des Staatshaushaltsgesetzes und der Amnestie, die ihrem Wesen nach Verwaltungsakte sind —, greift in der Regel auch die nach Artikel 80 des Grundgesetzes zugelassene Rechtsverordnung, wie ihr Name sagt, in die Individualsphäre der Bürger, in Eigentum und persönliche Freiheit ein. Die Würde des Rechtsetzungsaktes kommt ihr nicht weniger zu, auch wenn sie nur das Kind einer Ermächtigung des eigentlichen Verfassungs- oder Gesetzgebers an die Exekutive ist. Es wäre an sich folgerichtig, daß Form und Organ ihrer Verkündung die gleichen wie bei den Gesetzen wären und ihre Verkündung ebenso wie bei diesen im Bundesgesetzblatt konzentriert würde.
Der Ausschuß hat sich diesen Erwägungen nicht verschlossen. Er hat auch anerkannt, daß eine Vielzahl von Verkündungsblättern die Überblickbarkeit des Rechtsstoffes und damit die Rechtssicherheit wie die Autorität der Rechtsetzung in ähnlicher Weise gefährde wie die Inflation der letzteren selbst. Dies habe sich nach 1934 und in noch höherem Maße nach 1945 in drastischer Weise gezeigt. Andererseits erschien es der Mehrheit des Ausschusses notwendig, das Bundesgesetzblatt, soll es nicht zu umfänglich und seine Brauchbarkeit in Frage gestellt werden, von allen Verkündungen zu entlasten, die sich nicht an alle Bürger oder einen überwiegenden oder sonst größeren Kreis derselben wenden.
Dem Ausschuß lagen das unter der Weimarei Verfassung erlassene Gesetz vom 13. Oktober 192
über die Verkündung von Rechtsverordnungen und ein vom Bundesrat gebilligter Gegenentwurf zu dem vorliegenden Gesetzentwurf vor. Auch der Gegenentwurf konnte, da die zugrunde liegende Sitzung des Bundesrats infolge widriger Umstände erst einige Stunden nach Ablauf der Fristen des Artikels 77 des Grundgesetzes stattgefunden hatte, nur als Material gewertet werden.
Die Beschlüsse des Rechtsausschusses sehen als Verkündungsorgane das Bundesgesetzblatt, den Bundesanzeiger, den Tarif- und Verkehrsanzeiger der Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs im Bundesgebiet und das Verkehrsblatt als Amtsblatt des Bundesverkehrsministeriums der Bundesrepublik Deutschland vor. Die Frage der Rechtsnatur einzelner Tarif- oder Gebührenordnungen als echter Rechtsverordnungen blieb dahingestellt.
Ich komme nun zu den einzelnen Bestimmungen.
§ 1. Die ursprüngliche Fassung des Entwurfs war mißverständlich; ihr Sinn konnte kumulativ gedeutet werden. Sie war daher abzuändern. Dabei wurde es als unzweckmäßig erachtet, die einschränkenden und bedingenden Vorbehalte „grundsätzlich", „in Ausnahmefällen" oder „in dringenden Fällen" zu machen, um dem subjektiven Ermessen nicht unnötig Spielraum zu geben.
Der Ausschuß schlägt folgende Fassung vor: Rechtsverordnungen des Bundes werden im Bundesgesetzblatt oder im Bundesanzeiger verkündet.
Weiterhin empfahl sich aus systematischen Gründen die Heraufnahme des § 3 als Absatz 2 des § 1. Das Bundesgesetzblatt bringt also einen Hinweis auf alle Rechtsverordnungen, ausgenommen die Tarife des § 2. Die Anordnung dieses Hinweises ist eine Ordnungsvorschrift, deren Einhaltung zu der Verkündung im Bundesanzeiger hinzukommt. Ihre Unterlassung hindert die Rechtswirksamkeit der Verordnung nicht. Es handelt sich nicht, wie von einer Seite angenommen wurde, um eine lex imperfecta.
§ 2. In Absatz 1 war Buchstabe a) zu streichen, da die Entgeltfestsetzungen der Post immer Bestandteil der Fernsprechordnung, der Telegrafenordnung und der Postordnung ais echter Rechtsverordnungen sind und in das Bundesgesetzblatt gehören und da die Verordnungen über die bei der Herstellung von Telegrafen anfallenden Entgeltfestsetzungen nicht so zahlreich sind, daß sie nicht in den Bundesanzeiger aufgenommen werden könnten. So hat auch das Bundespostministerium mitgeteilt, daß es auf die Einbeziehung seiner Tarifverordnungen in die Sonderregelung der Verkündung verzichtet.
Buchstabe b war als Absatz 1 heraufzunehmen. Hinsichtlich der Verordnungen der Wasserstraßendirektionen war eine redaktionelle Änderung erforderlich, da sie jetzt im Hinblick auf das Grundgesetz die Bezeichnung Wasser- und Schiffahrtsdirektion führen. Bei ihren Verordnungen handelt es sich nicht nur um Tarife, sondern um Regelungen aller Art, vor allem um solche wasserpolizeilichen Charakters. Es erschien daher zweckmäßig, die Bestimmung des Buchstaben d mit der des Buchstaben c zusammenzuziehen und als Absatz 2 zu systematisieren.
Die vor allem im Hinblick auf die umfänglichen internationalen Tarifbücher veranlaßten Absätze 2 und 3 des § 2 waren einfacher und verständlicher zu fassen und in .einen einzigen Absatz 3 zusammenzuziehen. Der gesetzestechnisch
unklare Begriff „bekanntgemacht"' war durch den 1 strengen Begriff „verkündet" zu ersetzen. Da, wie erwähnt, die Einbeziehung der Post- und Fernmeldetarife in die Sonderregelung entfällt, kommen als Amtsblätter im Sinne des § 2 zur Zeit nur der Tarif- und Verkehrsanzeiger der Eisenbahn und das Verkehrsblatt in Betracht.
§ 3. Dieser ist, wie bereits angegeben, als Absatz 2 in den § 1 aufgenommen worden.
§ 4. Absatz 1 und Absatz 2 Satz 2 wurden im Hinblick auf Artikel 82 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes als entbehrlich gestrichen.
Den Satz 1 des Absatzes 2 lehnte der Ausschuß ab. Er war der Meinung, daß der Beginn der Geltung eines Tarifs jeweils in der Verordnung angegeben werden soll. Damit entfällt der ganze § 4; der bisherige § 5 wird § 3.
§ 5. Die Absätze 1 und 2 dieses Paragraphen blieben bis auf die Einschaltung des Wortes „Deutscher" bei „Reichsanzeiger" unverändert. In Absatz 3 waren die dreimaligen in Klammer beigefügten Gesetzesverweisungen selbstverständlich, also überflüssig. Außerdem mußte wegen des Verzichts des Bundespostministeriums die Angabe der Amtsblätter des ehemaligen Reichspostministeriums, des Amtsblatts der Frankfurter Hauptverwaltung und des Amtsblatts des Bundespostministeriums entfallen. Das Verkehrsblatt war in Parenthese als Amtsblatt des Bundesverkehrsministeriums der Bundesrepublik Deutschland zu kennzeichnen.
§ 6. Der Ausschuß konnte keinen Grund zu einer besonderen, von der Bestimmung des Artikels 82 Absatz 2 Satz 2 abweichenden Festsetzung des Beginns der Geltung des Gesetzes anerkennen. Er beschloß daher, die Streichung des Absatzes 1 vorzuschlagen.
Die Bestimmung des Absatzes 2 gehört inhaltlich zu § 5. Sie wurde als Absatz 4 in den § 5, nunmehrigen § 3, aufgenommen.
Nach den Vorschlägen des Ausschusses umfaßt das Gesetz nunmehr drei Paragraphen. Als Verkündungsorgane sind das Bundesgesetzblatt und der Bundesanzeiger, für Tarifverordnungen im Bereiche des Bundesverkehrsministeriums zwei Amtsblätter vorgesehen. Die bisherige Zersplitterung im Verkündungswesen ist wesentlich gemildert.
Ich hatte mich auf die Darstellung der Ausschußberatungen und ihrer Ergebnisse zu beschränken und den soeben durch den Herrn Präsidenten angekündigten, nachträglich beabsichtigten Antrag auf Einfügung eines neuen § 3 nicht einzubeziehen.