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ID0101916900

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    Deutscher Bundestag. — 19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1949 529 19. Sitzung Erster Tag Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1949. Nachruf des Präsidenten auf den verstorbenen Abgeordneten Sewald 530B Geschäftliche Mitteilungen 530C, 558A, 565B, 569C Eintritt des Abg. Dr. Pferdmenges in den Bundestag 530C Interpellation der Abg. Euler, Dr. Preusker, Dr. Becker, Meyer, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer und Gen. betr. Abschluß der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 172) . . . 530D Einspruch des Abg. Dr. Schumacher gegen seinen Ausschluß (Drucksache Nr. 247) 530D Geschäftsordnungsmäßige Behandlung von Anträgen auf Aufhebung der Immunität von Abgeordneten 530D Antrag des Justizministeriums Rheinland-Pfalz betr. Entscheidung über die Immunität des Abg. Stauch 531A Antrag des Niedersächsischen Justizministers betr. Entscheidung über die Immunität des Abg. Onnen 531A Abänderungsantrag der KPD-Fraktion zur Tagesordnung betr. Regierungserklärung zum Gesetz der Alliierten Hohen Kommission über „strafbare Handlungen gegen Besatzungsinteressen" 531B Fisch (KPD) 531C Euler (FDP) 532A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (Initiativantrag der Abg. Strauss, Kemmer und Gen.) (Drucksache Nr. 180) 532A Strauss (CSU), Antragsteller 532A, 543A Frau Thiele (KPD) 535C Frau Dr. Ilk (FDP) 537A Dr. Etzel (BP) . . . . . . . . 537B Frau Keilhack (SPD) 538B Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 539A Ribbeheger (Z) 539B Strauss (CSU) 540A Dr. Kleindinst (CSU) . . . . . 541D Dr. Besold (BP) 542B Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Maßnahmen für Deutsche, die in Auswirkung des Krieges im Ausland zurückgehalten werden (Drucksachen Nr. 165 und 60) . . . . . . . . 543D Dr. Gerstenmaier (CDU) Berichterstatter 543D, 547D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 545C Müller, Oskar (KPD) . . . . . . . 546A Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der DP betr. . Bevölkerung Helgolands (Drucksachen Nr 166 und 41) 548B Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter 548C Walter (DP) 551D Rademacher (FDP) . . . . . . 552A Mündliche Berichte des Ausschusses für das Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten über die Anträge der Fraktion der BP betr. Verteilung der DPs (Drucksachen Nr. 196 und 85), betr. Inanspruchnahme der Quartierleistungen durch die Besatzungsmächte (Drucksachen Nr. 197 und 86 neu) und betr. Wohnraumbelegung durch verschleppte Personen (Drucksachen Nr. 198 und 87) 552D Dr. Gerstenmaier (CDU), Berichterstatter 553A, 557A Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen 553C Dr. Seelos (BP) . . . . . . . . 553D Dr. Pfeiffer, Staatsminister und Leiter der Bayerischen Staatskanzlei . . 554B Niebergall (KPD) . . . . . . . 554C Stahl (FDP) 556A von Thadden (NR) 556C Unterbrechung der Sitzung . . 557D Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit über den Antrag der Zentrumsfraktion betr. Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenhilfe für Heimkehrer (Drucksachen Nr. 190 und 121) 558A Arndgen (CDU), Berichterstatter . 558A Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen über den Antrag der Fraktion der SPD betr. einheitliche Regelung der Heimkehrerbetreuung (Drucksachen Nr. 191 und 118) 558B Pohle (SPD), Berichterstatter . 558C, 564B Leddin (SPD) . . . . . . . . . 559C Sabel (CDU) . . . . . . . 560D, 564D Krause (Z) 561C Renner (KPD) . . . . . . . . 562A Sauerborn, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit . . . . . 563B Frau Kalinke (DP) . . . . . . . 563C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Abg. Renner und Gen. betr. Bundesbahn (Drucksachen Nr. 170 und 105) . . . . 565A Rademacher (FDP), Berichterstatter 565B Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an Ausschüsse (Drucksache Nr. 211) 565D Antrag der Fraktion der BP betr. § 103 der vorl. Geschäftsordnung (Drucksache Nr. 184) 566A Dr. Arndt (SPD) . . . . . . 566A Anträge der Fraktion der SPD betr. Gleichberechtigung der Frauen (Drucksache Nr. 176), der Abg. Renner u. Gen. betr. rechtliche Gleichstellung der Frauen (Drucksache Nr. 206) und der Fraktion der SPD betr. Frauen im öffentlichen Dienst bei der Bundesverwaltung (Drucksache Nr. 177) 566B Frau Nadig (SPD), Antragstellerin . 566B Frau Thiele (KPD), Antragstellerin . 567A Frau Korspeter (SPD), Antragstellerin 568A Unterbrechung der Sitzung 565B, 569D Die Sitzung wird um 10 Uhr 17 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Friedrich Rische


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes über den Staatshaushalt
    wirft immer politische Fragen auf. So ist es auch i mit der Vorlage des Gesetzes über die vorläufige Aufstellung des Bundeshaushaltsplans. Es handelt sich bei dieser Vorlage um das Bundeshaushaltsgesetz, also um die politische und finanzielle Repräsentanz der Bundesregierung. Allerdings ist das Ergebnis dieser Vorlage mehr als mager und außerdem — wie mir scheint — eine bestimmte Brüskierung des Parlaments. Geht man von dieser Tatsache aus, dann ist es mit der politischen Repräsentanz des Bundes — nach dieser Vorlage gemessen — sehr schlecht bestellt.
    Seit dem 21. September 1949, dem Tage der Inkraftsetzung des Besatzungsstatuts — darauf muß man achten —, wurde die Bundesverwaltung offiziell errichtet. Es sind also etliche Wochen ins Land gegangen, ehe sich die Regierung darauf besann, einen für ihre Existenz rechtlosen Zustand zu beseitigen. Dieser Zustand ist so lange gegeben, bis sich der Bund zur Verabschiedung eines Haushaltsgesetzes entschließt.
    Obgleich einige Wochen ins Land gingen, hat es die Bundesregierung bis jetzt vorgezogen, dem Parlament einen Bericht über den Aufbau der Ministerien an Hand eines genauen Stellenplanes vorzuenthalten. Wir kennen zwar die Schwierigkeiten, die beim Aufbau der Ministerien und Dienststellen bestehen können, aber die Schwierigkeiten der Adenauer-Regierung bei der Ausarbeitung des Stellenplans scheinen uns . doch von besonderer Art zu sein. Uns will es scheinen, als ob die Regierung mit der Verzögerung nur ein eisernes Prinzip einhielte, um beispielsweise bei der Stellenbesetzung die notwendige Zeit zu finden, um die Ausschaltung aller fortschrittlichen Menschen aus der Verwaltung des Bundes zu betreiben oder diese Menschen von einer Teilnahme an den Dienststellen der Regierung fernzuhalten.

    (Abg. Renner: Sehr gut!)

    Wir haben jedenfalls den Eindruck, daß nicht zuletzt aus diesem Grunde die Vorlage des Haushaltsplans verzögert wird. Ich denke, seit dem 21. September 1949 war Zeit genug, um uns nicht nur ein formelles Übergangsgesetz, sondern auch einen ordentlichen Haushaltsplan auf den Tisch des Hauses zu legen, der allein von der formalen und materiellen Seite her geeignet ist, die prekäre Lage der Bundesfinanzen bloßzulegen. Die Praxis solcher Übergangsgesetze ist uns überdies aus dem Wirtschaftsrat noch in unrühmlicher Erinnerung. Mit Hangen und Bangen wurden die Etats der Bizone verabschiedet, und von einer gründlichen Beleuchtung und Beratung der Probleme konnte dabei oft nicht die Rede sein.

    (Zuruf des Abg. Mellies.)

    — Herr Kollege Mellies, Sie selbst haben mehr als einmal die Praxis des damaligen Verwaltungsrats mit Recht kritisiert. Nach dem vorliegenden Gesetz werden alle Positionen des ehemaligen Wirtschaftsrates im Bundeshaushalt übernommen. Gegen diese unkritische Übernahme des Etats des Wirtschaftsrates bestehen bei uns erhebliche Bedenken, um es einmal ganz gelinde auszudrücken. Bedenken bestehen aber auch beim Bundesrat, der am 10. November 1949 die Zustimmung zum Gesetzentwurf über den vorläufigen Bundeshaushalt bis zur Gewinnung eines genauen Überblicks über seinen materiellen Inhalt ablehnte. Diese Länderbedenken bestanden bekanntlich bereits gegen die eigentümliche Haushaltsführung des Wirtschaftrates und richteten sich hauptsächlich gegen den stark übersetzten Stellen-


    (Rische)

    I plan einiger Verwaltungen, gegen eine allzugroße Ausdehnung der bizonalen Bürokratie.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Der Herr Finanzminister hat nun mit sehr wenigen Worten über den materiellen Inhalt der Vorlage gesprochen. So dürfte es wohl angebracht sein, an jene Meldungen zu erinnern, wonach der Bundesetat mit einem vorläufigen Defizit von über 400 Millionen D-Mark abschließen soll. Dies sind, wie gesagt, nur Meldungen; aber man hätte erwarten können, daß der Herr Bundesfinanzminister auch zu dieser, wie uns scheint, besonders wichtigen Frage heute wenigstens einige Worte verloren hätte.
    Der größte Ausgabenposten des neuen, vorläufigen Haushaltsplans ist jedenfalls nach diesen Meldungen durch die Subventionierung für Lebensmittel entstanden. Dazu werden wir zu geeigneter Zeit noch einmal Stellung nehmen.
    Als nächsthöchster Posten im Defizitetat, möchte ich beinahe sagen, erscheint die sogenannte BerlinHilfe. Dazu haben wir heute morgen schon das Notwendige gesagt, und will darauf verzichten, die Zahlen hier noch einmal einer genauen Überprüfung zu unterziehen, die in diesem Zusammenhang vom Bundesfinanzminister bekanntgegeben wurden.
    Diese wenigen Tatsachen sollen zunächst genügen. Sie zeigen, wie zerrissen der Bundessäckel ist, und sie zeigen allzu deutlich, warum sich die Bundesregierung offensichtlich scheut, dem Hohen Hause einen ordentlichen Haushalt vorzulegen; denn nur so kann man kritisch zu der Finanz- und Haushaltspolitik des Bundes Stellung nehmen.

    (Sehr wahr! bei der KPD.)

    Die Regierung hat indessen ein anderes, allerdings probates Mittel. Sie will das Defizit im Bundessäckel durch Matrikularbeiträge der Länder oder durch neue Steuern vom Ausmaß der Benzinsteuer decken.

    (Abg. Renner: Sehr gut!)

    Allein durch die Benzinsteuer hofft der Bundesfinanzminister einen runden Betrag von 200 Millionen D-Mark zu erhalten, um damit das lecke Staatsschifflein wieder flottzumachen. Ich glaube, auch zu dieser Frage der Steuerpolitik' wird hier noch oft Gelegenheit sein, Grundsätzliches zu äußern; aber wir möchten schon jetzt von dieser Stelle unsere ernstesten Bedenken gegen die beabsichtigte Benzinsteuer anmelden.
    Wir sind der Meinung, daß die Regierungspolitik nicht erfolgreich sein wird. Ich brauche nur an die Länder zu erinnern, die selbst über allergrößte Schwierigkeiten klagen. Die Länderdefizite häufen sich, und es bestehen große Schwierigkeiten, den Finanzausgleich der Länder so durchzuführen, wie es beabsichtigt war. Bei solcher Lage müssen sich auch alle Versprechungen des Bundeskanzlers, beispielsweise für den Wohnungsbau, die hier mit Recht so oft diskutierte Flüchtlingshilfe und die Rentenbeihilfe als Schall und Rauch erweisen. Leider wird dies eine Tatsache sein; denn alle diese Hilfsversprechen werden sich bei der prekären Finanzlage des Bundes und bei der, ich möchte sagen, Politik des leeren Säckels nicht verwirklichen lassen.
    Uns hat aber noch eine andere Seite in dieser Vorlage stutzig gemacht. In § 1 Absatz 3 werden de facto die neuen staatsrechtlichen Kompetenzen des Bundes aufgezählt. Zwar ist dies nur eine formelle Angelegenheit; denn man hat längst Tatsachen geschaffen. Darüber will ich in diesem Zusammenhang keineswegs hinwegsehen. Aber da heißt es: ,,. . . treten an die Stelle des Reiches die Bundesrepublik Deutschland, des Reichspräsidenten der Bundespräsident, des Reichstags der Bundestag, des Reichsrats der Bundesrat" usw. usw. Ich möchte sagen: ein recht trauriges Kapitel deutscher Nachkriegspolitik! Deutlicher konnte jedenfalls die Spaltung unseres Vaterlandes nicht demonstriert werden.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Unsere Hauptbedenken richten sich dagegen, daß durch diese Gesetzesvorlage der ganze reaktionäre, volksfeindliche Haushaltsplan des Wirtschaftsrates und einiger Länder der französischen Besatzungszone mit den Ausgaben für Besatzungskosten, den Millionenzuschüssen für die alliierte Stahlkontrolle, die Ruhrbehörde, die kombinierte Kohlenkontrolle völlig unbesehen übernommen werden soll. Der in der Zwangsacke der Militärgouverneure von der Frankfurter Reaktion, den Rechtsparteien ausgearbeitete Haushaltsplan würde damit völlig unbesehen übernommen und damit auch gleichzeitig die volksfeindliche Politik der Rechtsmehrheit des bizonalen Wirtschaftsrates hier im Bundestag auch von dieser Seite aus, des Haushaltsrechts also, fortgeführt werden. Mit der Annahme des Übergangsgesetzes würde die Preis- und Wirtschaftspolitik eines Professor Erhard, die rücksichtslose Steuerpolitik des Verwaltungsrates übernommen und die Sozialpolitik sanktioniert, die in keiner Weise den sozialen Belangen der Flüchtlinge, der Fliegergeschädigten und der Rentner gerecht geworden ist. Wir müssen es daher ablehnen, der Adenauer-Regierung derartige unbeschränkte Vollmachten zu erteilen, wie es im Übergangsgesetz vorgesehen ist. Diese Vollmachten dienen der Regierung Adenauer nur zur Fortführung ihrer gegen das Volk gerichteten Geheimpolitik.

    (Lachen in der Mitte und rechts.)

    — Sie lachen, meine Damen und Herren. Ich verstehe Ihre besonderen Sorgen, ich möchte sagen: Ihre Absichten; denn diese volksfeindliche Geheimpolitik kommt selbstverständlich gewissen Herren auch dieses Hohen Hauses sehr wohl entgegen.

    (Zuruf von der KPD: Pferdmenges!)

    Wir können es unserem Volk gegenüber auch nicht verantworten, der Regierung einen Blankoscheck für die Kreditaufnahme von einer halben Milliarde Mark zu geben. Meine Damen und Herren, diese Regierung hat keinen Kredit beim werktätigen Volk, wie die unzähligen Resolutionen aus den Betrieben, die Streiks und Proteste der Werktätigen in den letzten Wochen bewiesen haben.

    (Sehr wahr! bei der KPD.)

    Ich will im Zusammenhang mit dieser Frage der Vollmacht zur Kreditaufnahme noch an eine andere Tatsache erinnern. Ich verweise darauf, daß die Steuereinnahmen zurückgehen. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, daß die Herren von der Industrie wieder einmal eine sehr schlechte Steuermoral haben, oder ob das im Zusammenhang mit der allgemeinen wirtschaftlichen „Entwicklung" steht. Ich möchte das dahingestellt sein lassen. Die Tatsache besteht jedenfalls, daß die allgemeinen Steuereinnahmen zurückgehen.


    (Rische)

    Daraus ergeben sich aber für die Regierung, für die Haushaltsführung und für die Finanzpolitik neue Schwierigkeiten. Ich befürchte, daß man zu guter Letzt kein anderes Mittel mehr sieht, als aus dem Ausland Kredite aufzunehmen.
    Ich erinnere hier nur an die prekäre Lage unserer Bundeseisenbahn. Es gibt hier nicht wenige Stimmen, die heute schon sagen: diese schwierige Lage kann erst dann behoben werden, wenn die Bundeseisenbahn nicht mehr eine . staatliche oder halbstaatliche Organisation ist, sondern privaten Händen übergeben wird. Eine derartige Andeutung machte jedenfalls kürzlich die offizielle Zeitung der amerikanischen Militärregierung, die „Neue Zeitung" in München. Auf eine derartige Politik möchten wir mit Nachdruck aufmerksam machen und sie schärfstens zurückweisen. Kredite aus dem Ausland dienen unter den gegenwärtigen Verhältnissen — ich sage: unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen des Besatzungs- und Ruhrstatuts — nicht der Wirtschaft und dem deutschen Volke, sondern letzten Endes den ausländischen Monopolkapitalisten, die sich bemühen, die deutsche Wirtschaft durch Kredite aufzukaufen und den Ausverkauf Deutschlands fortzusetzen.
    Nichtsdestoweniger verlangen wir von der Regierung schnellstens die Vorlage eines ordentlichen Gesamtetats. Diese Forderung richtet sich — das sagen wir ganz offen — gegen die Geheimpolitik der Regierung und bezweckt, daß der Aufbau der Bundesorgane unter der Kontrolle des Parlaments vor sich geht. Aus der Vorlage zur vorläufigen Regelung des Bundeshaushalts spricht der Geist der Geheimpolitik, spricht der Geist der volksfeindlichen- Politik des Wirtschaftsrates. Namens meiner Freunde erhebe ich den schärfsten Protest gegen eine derartige Praxis und erkläre, daß wir dieser niemals zustimmen werden.

    (Händeklatschen bei der KPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schoettle.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage der Regierung für ein Haushaltsgesetz knüpft in ihrem äußeren Aufbau an eine Empfehlung des Finanzausschusses der Ministerpräsidentenkonferenz an. Man muß aber sagen, daß sie ihrem Geiste nach und nach den Voraussetzungen in wesentlichen Punkten von diesen Empfehlungen der Finanzexperten der Ministerpräsidentenkonferenz abweicht. Das läßt sich wohl aus den politischen Vorzeichen erklären, denen diese Vorlage ihr Entstehen verdankt. Es ist ja kein Geheimnis, daß die entscheidenden Unterschiede zwischen den Empfehlungen der Ministerpräsidentenkonferenz und dem vorliegenden Entwurf dort liegen, wo durch den Gang der Koalitionsverhandlungen zu Beginn der Tätigkeit dieses Hohen Hauses die Voraussetzungen verändert worden sind, unter denen seinerzeit die Ministerpräsidentenkonferenz zu ihren Empfehlungen kam. Ich darf Sie daran erinnern, meine Damen und Herren, daß der Finanzausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz, als er seinen Entwurf in Anlage 6 seiner Empfehlungen der Öffentlichkeit und den neuen Bundesorganen unterbreitete, unter anderem zu dem Ergebnis kam, daß das vorläufige Haushaltsgesetz sogleich nach dem Zusammentritt des Bundestags dem Bundestag unterbreitet werden
    müßte, um für die Haushaltsführung des Bundes I eine vorläufige haushaltsrechtliche Grundlage sicherzustellen. Der Finanzausschuß wies damals darauf hin, daß neben diesem Gesetz ein Überleitungsgesetz die notwendigen organisatorischen Maßnahmen vorbereiten müsse. Man war sich damals darüber klar, daß Haushaltsgesetzgebung und Behördenaufbau untrennbar miteinander verbunden sind. Wir warten bis heute noch auf das Überleitungsgesetz. Anstatt sogleich nach dem Zusammentritt des Bundestags ein Haushaltsgesetz vorzulegen, hat man drei Monate verstreichen lassen, und heute bekommen wir dieses Gesetz in einer Farm, gegen die meine Fraktion die stärksten Bedenken anmeldet.
    Ich möchte nicht die Gelegenheit benützen, heute einen Ausflug in die zahllosen politischen Probleme zu unternehmen, die dieses Haus noch des öfteren beschäftigen werden. Es ist bedauerlich — ich möchte das sagen —, daß der Bundestag die neue Periode staatlichen Werdens nicht mit jenen wirklich großen politischen Auseinandersetzungen verbinden kann, die normalerweise in anderen Parlamenten mit Haushaltsberatungen verbunden sind.

    (Sehr gut! bei SPD und KPD.)

    Das liegt wohl an dem Umstand, daß wir in einer Übergangsperiode, in einem Provisorium leben. Aber man soll die Entschuldigung, daß wir in einer Übergangsperiode leben, nicht so weit treiben, daß die Provisorien letzten Endes die definitiven Lösungen werden.

    (Abg. Renner: Sehr gut!)

    Wenn man sich die Terminmöglichkeiten für die Haushaltsgesetzgebung dieses Parlaments ansieht, dann kommt man zu dem Ergebnis, daß die Vorlage, die wir heute in der ersten Lesung beraten, wahrscheinlich so provisorisch ist, daß sie das ganze Rumpfhalbjahr 1949 decken wird und daß wir in diesem Hause, wenn es nach dieser Vorlage geht, vor der Verabschiedung des Haushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 überhaupt keine klare Übersicht haben werden, was nun auf der Ebene des Verwaltungs- und Behördenaufbaus praktisch geschehen ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat die Vorlage der Regierung beraten und ist am 10. November 1949 zu dem Ergebnis gekommen, daß er sie der Bundesregierung zurückgeben müsse. Sie sehen der Wortlaut des Beschlusses des Bundesrats auf der ersten Seite der Drucksache Nr. 223. Ich bedaure sehr, daß dem Hohen Hause mit der Mitteilung des formellen Beschlusses des Bundesrats nicht auch die Begründung gegeben worden ist, die der Bundesrat seinem zunächst negativen Beschluß angefügt hat. Sie umfaßt sechs Schreibmaschinenseiten und ist auch vom Standpunkt dieses Hauses aus recht interessant.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die sozialdemokratische Fraktion macht sich nicht alle Gesichtspunkte zu eigen, von denen der Bundesrat bei seiner Beschlußfassung ausgegangen ist. Es ist ganz klar, daß das Parlament andere Gesichtspunkte hat, als der Bundesrat, der eben zu einem erheblichen Teil von den Interessen der Länder her bestimmt ist. Aber die Konsequenzen, zu denen der Bundesrat in seiner Begründung kommt, und die Schwierigkeiten, auf die er hinweist, sind unsere Sache ebensosehr wie die Sache


    (Schoettle)

    der Länder, die im Bundesrat ihre Vertretung sehen.
    Wenn in dieser Begründung des Bundesrats zu seinem negativen Beschluß darauf hingewiesen wird, daß zwischen der Vorlage und den gleichzeitig von der Regierung verkündeten Absichten auf eine Steuersenkung ein Widerspruch klaffe, dann können wir dieser Auffassung nur in vollem Umfange zustimmen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Da klafft in der Tat ein Widerspruch. Man kann doch nicht von der Tatsache absehen, daß die ursprünglichen Empfehlungen des Finanzausschusses der Ministerpräsidenten von acht Ministerien ausgegangen sind, die die künftige Bundesverwaltung darstellen sollten, während im Zuge der Koalitionsverhandlungen aus diesen acht Ministerien dreizehn geworden sind, und daß man auf der andern Seite eine großzügige Steuerreform mit dem Ziel einer Steuersenkung ankündigt. Man hat also auf der einen Seite zweifellos einen erhöhten Verwaltungsaufwand, tut aber auf der anderen Seite nichts, um die Steuerausfälle die zweifellos zunächst eintreten werden, auf der Verwaltungsseite durch eine zweckmäßige Behördenorganisation auszugleichen.

    (Zuruf von der SPD: Vielleicht ist der Finanzminister doch ein Zauberer!)

    — Ich weiß nicht. Ich traue dem Herrn Bundesfinanzminister Schäffer mancherlei gute Eigenschaften zu, aber ich glaube nicht, daß er in der Lage ist, das Einmaleins zu ändern und die Einnahmequellen des Bundes so zu vervielfachen, daß all die Ansprüche, die an die Bundesverwaltung gestellt werden und berechtigterweise gestellt werden müssen, in dem gleichen Atemzug befriedigt werden können, in dem man eine Steuerreform vornimmt, die im wesentlichen wohl nicht die Masse der Steuerzahler mit ihren Begünstigungen treffen wird, sondern eine ganz andere Absicht zur Grundlage hat.

    (Abg. Rische: Das ist eine Steuersubvention!)

    Ich möchte auch noch betonen, daß der Bundesrat in der Begründung zu seinem negativen Beschluß auf die veränderten Grundlagen hinweist, die seit dem Ingangkommen der Bundesbehörden und des Bundestags eingetreten sind, und daß daraus die Schlußfolgerung gezogen wird, daß man den Versuch machen müßte — ich zitiere hier nicht wörtlich —, die Stellenpläne der sogenannten neuen Ministerien unter dem Gesichtspunkt zu betrachten — das ist wohl der Sinn dieser Kritik an der Vorlage der Regierung —, ob in ihnen nicht eine Reihe von Funktionen enthalten ist, die schon in den sogenannten alten Verwaltungen und ihren Rechtsvorgängern wahrgenommen worden sind, ob man sich nicht überlegen müsse, daß, um nur ein Beispiel zu nennen, für die aus politischen Gründen neugeschaffenen Ministerien — es gibt deren ja, wie wir wissen, mehrere — die Finanzierung bei den Verwaltungen gesucht werden müsse, die ursprünglich diese Aufgaben wahrgenommen haben. Man kann wohl auch unterstellen, daß Aufgaben, die heute — nehmen wir zum Beispiel das ERP-Ministerium oder das Wohnungsbauministerium — von besonderen Verwaltungen wahrgenommen werden, früher ihren Platz in der Wirtschaftsverwaltung hatten und daß deshalb das heutige Wirtschaftsministerium, das der formelle Rechtsnachfolger der Wirtschaftsverwaltung in Frankfurt ist, nicht
    unbesehen auf dem Gebiet des Haushaltsrechts in I vollem Umfange der Rechtsnachfolger sein kann, sondern daß ein Teil der Mittel zur Finanzierung der aus politischen Gründen neugeschaffenen Verwaltungen aus dieser alten gemeinsamen Verwaltung genommen werden sollte. Das ist ein Hinweis darauf, in welcher Richtung wir in den Ausschußberatungen auf eine Korrektur bestimmter Dinge drängen werden.
    Ich glaube ferner, daß wir uns sehr wohl überlegen müssen, ob nicht tatsächlich heute auch in den neugeschaffenen Ministerien zu einem Teil bereits Doppelarbeit geleistet wird, ob alle Aufgaben, die formal auf diese neuen Ministerien übertragen worden sind, nun auch tatsächlich aus dem Bereich der alten Verwaltungen, insbesondere des Wirtschaftsministeriums, herausgelöst worden sind. Wir werden vielleicht dahinterkommen, daß heute sowohl im Wirtschaftsministerium wie im ERP-Ministerium Fragen des Marshall-plans bearbeitet werden. Vielleicht kommt man da gelegentlich zu einer genaueren Untersuchung der Abgrenzung der Zuständigkeit und der Aufgaben der Behörden, ohne die wir klare Stellenpläne und einen klaren Behördenaufbau überhaupt nicht erreichen können.

    (Abg. Rische: Vielleicht gibt es sogar eine Regierungskrise!)

    — Das ist eine Frage, die mich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht interessiert, Herr Kollege Rische.

    (Abg. Rische: Das ist aber möglich!)

    Es ist auch nicht meine Sorge, es ist genau genommen die Sorge ganz anderer Leute.

    (Abg. Rische: Sie haben recht!)

    Ich möchte mich generell zu einigen charakteristischen Zügen der Vorlage äußern. Wir haben im allgemeinen Bedenken gegen den Umfang der Ermächtigungen, die dem Herrn Bundesfinanzminister übertragen werden. Wir sind der Meinung, daß in einer Periode des Aufbaus der Verwaltungen nichts so notwendig ist wie die Kontrolle des Parlaments über das, was da getan wird.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich glaube, kein Parlament kann es sich leisten, ohne auf seine eigene Daseinsberechtigung Verzicht zu leisten, auf diese seine ursprüngliche Funktion, die Kontrolle des Parlaments über die Exekutive zu verzichten. Das •widerspricht nicht dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Wenn es so wäre, dann hätte das Parlament überhaupt nur den einen Sinn, zu Vorlagen und Maßnahmen der Regierung ja oder nein zu sagen. Kein Parlament kann also auf diese, seine eigentliche, Funktion in irgendeiner Form, unter irgendeinem Vorwand, etwa durch Delegation von Zuständigkeiten auf untergeordnete Organe oder Werkzeuge des Parlaments verzichten.

    (Abg. Rische: Das gilt auch für das Notopfergesetz!)

    — Es gilt in jedem Fall, lieber Kollege Rische.
    — Ich glaube deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir gerade jene Punkte des Gesetzes im Ausschuß sehr sorgsam überprüfen müssen, in denen dem Herrn Bundesfinanzminister die Ermächtigung übertragen wird, über die Verwendung von Mitteln in einer bestimmten Richtung, zum Beispiel über die Einrichtung von Planstellen, zu entscheiden, in denen ihm im


    (Schoettle)

    generellen die Ermächtigung erteilt wird, über den Gang des Behördenaufbaus zu entscheiden und weitgehend zum Beherrscher dieses Behördenaufbaus zu werden. Wir müssen unter allen Umständen Wert darauf legen, daß das Parlament auch in vollem Umfang über die sachlichen Unterlagen der sogenannten Verfügungssummen unterrichtet wird. Meine Fraktion und ich sind in diesem Punkt durchaus der Meinung, daß in einer gewissen Übergangsperiode nicht die normalen haushaltsrechtlichen Gepflogenheiten beobachtet werden können und daß man zu zeitweiligen Lösungen kommen muß. Aber jede zeitweilige Lösung, die den Versuch bedeutet, die Prärogative des Parlaments zu durchbrechen, es zu entmachten, und die auch nur in der Tendenz eine Ermächtigung der Regierung über das im allgemeinen übliche Maß hinaus beinhaltet, bedeutet nach Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion eine Verschiebung des 'Gewichts zwischen der Regierung und dem Parlament, das zur Kontrolle in diesen haushaltsrechtlichen Dingen beruf en ist.
    Lassen Sie mich zu einigen Paragraphen dieses Gesetzes noch etwas sagen. Im § 8 ist davon die Rede, daß bestimmte Verwaltungen, die bei der neuen Behördenordnung keine Rechtsnachfolger haben, von den ihnen in den alten Haushaltsplänen bereitgestellten Mitteln nur insoweit Gebrauch machen dürfen, als sie zur Abwicklung notwendig sind. Ich mache darauf aufmerksam, daß unter diesem Titel die Einzelpläne IIIa und IIId des Haushaltsplans der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets genannt werden, das Personalamt und das Deutsche Obergericht. Ich will hier nicht in die Kontroverse eintreten, die notwendigerweise in dem Augenblick entstehen wird, in dem wir hier über die sachliche Notwendigkeit eines Personalamts debattieren. Ich will nur eins sagen: die Absicht der Regierung, das Personalamt zu beseitigen, bedeutet noch nicht, daß sie ohne Vorliegen einer gesetzlichen Ermächtigung das Recht hat, dem Personalamt die Mittel zu entziehen. Das Personalamt hat noch Funktionen zu erfüllen. Solange eine Behörde Funktionen zu erfüllen hat, kann man ihr nicht einfach die Mittel entziehen, wie das hier vorgeschlagen ist. Wir werden im Ausschuß auf diesen Punkt zurückkommen. Es liegen gute Gründe für die Annahme vor, daß man in diesem Punkt auch im Lager der Mehrheit und auch bei der Regierung im Augenblick etwas anderen Sinnes geworden ist.
    Was das Deutsche Obergericht betrifft, so liegt, glaube ich, auch hier ein zwingender Grund vor, von der im Ausschuß vorgesehenen Regelung abzusehen. Denn nach Artikel 137 des Grundgesetzes — wenn ich nicht irre — ist das Deutsche Obergericht mit der Funktion einer Beschwerdeinstanz in Wahlprüfungssachen des Bundestags betraut, solange ein Bundesverfassungsgericht nicht besteht. Es handelt sich also um ein Provisorium auch dem Sinn und Wortlaut des Grundgesetzes nach. Sie haben es in der Hand, dieses Provisorium abzukürzen. Wenn Sie bei dem Bestreben der sozialdemokratischen Fraktion, so schnell wie möglich das Bundesverfassungsgericht einzusetzen, mitwirken, kann die Periode sehr kurz sein, in der das Deutsche Obergericht diese ihm im Grundgesetz übertragenen Funktionen zu erfüllen hat. Es scheint uns aber nicht möglich zu sein, einfach zu sagen, das Deutsche Obergericht gehöre zu den Behörden, die noch in der Abwicklung begriffen sind, und ihm unter diesem Titel nur die Mittel für die Abwicklung der Aufgaben zu bewilligen. Man kann Behörden, deren Funktionen nicht erloschen sind, nicht einfach dadurch liquidieren, daß man eine gute oder — vom Standpunkt meiner Fraktion aus gesehen — nicht gerade gute Absicht auf diese Weise in die Tat umsetzt.
    Ein ganz besonders schwieriger Punkt scheint mir im § 9 vorzuliegen. Hier schlägt man vor — und es könnte so scheinen, als ob man dabei über die Vorschläge des Finanzausschusses der Ministerpräsidentenkonferenz hinausgeht; es scheint aber nur so —, daß bei der Bewilligung von Mitteln für die neugeschaffenen Ministerien und Verwaltungen die Haushaltsausschüsse des Bundestags und des Bundesrats eingeschaltet werden. In der Empfehlung der Finanzexperten der Ministerpräsidenten wird ausdrücklich von der Bewilligung von Verfügungssummen gesprochen und nach Gesprächen, die ich mit Mitgliedern des Parlamentarischen Rats und des Wirtschaftsrats hatte, die an diesen Sitzungen der Finanzkommission teilgenommen haben, handelt es sich hier eindeutig um die parlamentarische Bewilligung von Mitteln. Niemand hat damals daran gedacht, auf die Bewilligung durch einen Parlamentsakt zu verzichten.
    Meine Damen und Herren! Wenn es nun hier in § 9 der Regierungsvorlage - zwar nicht im Wortlaut, aber es ist ungefähr das gleiche — heißt: Mittel sollen bewilligt werden, Verfügungssummen sollen bewilligt werden, und wenn man dann wieder am Schluß dieser Ziffer 1 des § 9 sagt: die Bewilligung der Verfügungssummen sowie von Stellen für planmäßige Beamte erfolgt durch den Haushaltsausschuß des Bundestags und den des Bundesrats, dann möchten wir mit aller Entschiedenheit unsere schärfsten Bedenken gegen eine solche Delegation der Befugnisse des Parlaments an seine Ausschüsse geltend machen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich glaube, kein Ausschuß dieses Bundestags darf
    auf sich die Verantwortung dafür laden, daß er
    Beschlüsse faßt, für die er niemals legitimiert ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Es muß ein Weg gefunden werden, der es möglich macht, dem Bundestag vor der endgültigen Verabschiedung dieses Gesetzes nicht nur formal ein gutes Gewissen zu geben, sondern ihm auch materiell die Möglichkeit der Überprüfung desser zu geben, was er zu beschließen hat.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Mit anderen Worten: Der Herr Bundesfinanzminister wird sich in den Ausschußberatungen vor die Frage gestellt sehen, ob er nicht dazu übergehen muß, diesem Haushaltsgesetz das hinzuzufügen, was eigentlich die Substanz eines Haushaltsgesetzes sein müßte, nämlich mindestens, wenn man schon nicht zur vollen Vorlage von Einzelplänen übergehen kann, die Schlußsummen des Haushaltsplans, die nach meiner Auffassung und Kenntnis der Dinge, Herr Bundesfinanzminister, heute im wesentlichen bekannt sind. Es ist mir weiter bekannt, daß die Einzelpläne auch der neuen Ministerien schon nahezu fertiggestellt sind, wenn sie nicht überhaupt fertig sind. Ich sehe keinen Grund dafür, daß diese Einzelpläne und ihre Endergebnisse nicht in dem möglichen und kontrollierbaren Umfange diesem Haushalts-


    (Schoettle)

    gesetz beigefügt werden, so daß wir hier im Plenum nicht nur ja sagen dürfen

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    — sofern wir ja sagen wollen — zu einem Gesetz, das dem Herrn Finanzminister gestattet, Beamte anzustellen oder ihre Anstellung zu verweigern, das ihm gestattet, in den Gang des Behördenaufbaus fördernd oder hemmend einzugreifen, das ihm gestattet — eine formelle Bewilligung, meine Damen und Herren —, einen Betriebsmittelkredit von 500 Millionen aufzunehmen. Ich glaube, diejenigen, die das kennen, wissen, daß es sich nicht um eine neue Maßnahme handelt, sondern lediglich um die Erneuerung des Kredits, der der Finanzverwaltung schon in der Frankfurter Wirtschaftsverwaltung zugestanden worden ist. Im übrigen handelt es sich, wenn man die gesamte Situation kennt, wahrscheinlich um eine unvermeidliche Maßnahme, die dem Herrn Bundesfinanzminister nicht nur Vollmachten gibt, sondern die ihn auch in vollem Umfange gegenüber diesem Hohen Hause verantwortlich macht und das Haus in den Stand setzt, seine eigene Verantwortung zu tragen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung über das weitere Verfahren mache. Der Bundesrat hat seinen Beschluß vom 10. November — der Herr Bundesfinanzminister hat schon darauf hingewiesen — am Schlusse so formuliert, daß Verhandlungen seines zuständigen Ausschusses mit dem Herrn Bundesfinanzminister und gegebenenfalls mit dem zuständigen Ausschuß des Bundestags aufzunehmen seien mit dem Ziel, eine Verständigung herbeizuführen. Nun glaube ich, es ist gleichermaßen das Interesse aller Teile des Hauses, der Bundesregierung, der Mehrheit des Hauses sowie der Opposition, so schnell wie maglich zu einigermaßen übersehbaren und soliden haushaltsrechtlichen Grundlagen zu kommen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    An einer schnellen Verabschiedung des Gesetzes sind wir alle interessiert. Wir sind nicht interessiert daran, ein schlechtes Gesetz zur endgültigen Verabschiedung vorzulegen. Wir sind alle interessiert daran, ein zureichendes Gesetz unter Überlegung aller gegenwärtig hemmenden Faktoren vorzulegen. Wir sind auch nicht daran interessiert, den Konflikt über Zuständigkeiten zwischen Bundestag und Bundesrat in diesem Falle auszuspielen. Ich möchte deshalb in diesem Zusammenhang — ich tue das auch als Vorsitzender des Haushaltsausschusses — folgendes sagen: Es besteht noch nicht das Instrument, das Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat im Wege der Verhandlungen auszugleichen hat. Der im Artikel 77 des Grundgesetzes vorgesehene Zwischenausschuß ist noch nicht funktionsfähig. Es sind zwar einige Vorschläge dafür vorhanden. Ich glaube aber, wir können uns den Luxus nicht leisten, eine Vorlage im Ausschuß zu verabschieden, das Plenum des Bundestags damit zu beschäftigen und uns dann womöglich dem Risiko auszusetzen, daß der Bundesrat doch noch grundlegende Bedenken äußert und in Wahrnehmung seiner eigenen Rechte die endgültige Inkraftsetzung dieses vorläufigen Haushaltsgesetzes auf einen Zeitraum hinausschiebt, den wir alle nicht verantworten können.
    Ich sage das aus einer allgemeinen Verantwortung heraus. Ich glaube deshalb, daß das Hohe Haus sich wirklich keinen Bruch seiner eigenen Befugnisse zuschulden kommen lassen würde, wenn es seinen Haushaltsausschuß ermächtigen würde, in informelle Verhandlungen mit dem entsprechenden Ausschuß des Bundesrats einzutreten, um eventuelle Schwierigkeiten und Gegensätze zu einem Zeitpunkt auszuräumen, in dem wir noch die Möglichkeit haben, die letzte Entscheidung des Bundesrats in einem produktiven Sinne zu beeinflussen. Ich sage — und ich hoffe, daß das Haus mir in diesem Falle zustimmt —, daß der Haushaltsausschuß des Bundestags solche Verhandlungen führen kann, ohne das Haus zu präjudizieren. Selbstverständlich, meine Damen und Herren, — —

    (Abg. Dr. Wellhausen: Das braucht keine Ermächtigung!)

    Ich möchte mir nicht nachher sagen lassen, Herr Kollege Wellhausen, daß wir in einen heiligen Bereich von Zuständigkeiten eingebrochen sind, in dem wir eigentlich nach der gegenwärtigen Rechtstage noch nichts zu suchen haben. Deshalb diese Bemerkung, die lediglich von der Vorsicht diktiert ist! Sie werden mir zugeben, Herr Kollege Wellhausen, daß ich als Sprecher der Opposition in einem solchen Falle noch in einer etwas schwierigeren Lage bin, als Sie es wären; denn ich habe ja in diesen Dingen auch noch einen grundsätzlichen Standpunkt wahrzunehmen, und wenn ich hier diesen Vorschlag mache, dann geschieht das einfach deshalb, weil ich aus rationellen Überlegungen der Meinung bin, daß wir so schnell wie möglich zu einem solchen Gespräch kommen müssen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Schluß kommen. So wie die Vorlage jetzt aussieht, wird meine Fraktion nicht in der Lage sein, die Verantwortung für sie zu tragen. So wie die Vorlage jetzt aussieht, wird meine Fraktion im Ausschuß mit allen Mitteln danach streben, jene Garantien für eine solide Haushaltskontrolle dieses Bundestags zu schaffen, die wir für notwendig halten, damit wir nicht auf diesem einfachen Wege in ein Abenteuer hineinkutschieren, aus dem wir vielleicht sehr schwer wieder herauskommen.
    Wir werden uns jedenfalls gegenüber der Vorlage auf den Standpunkt stellen, daß sie in vielen Punkten, ja in entscheidenden Punkten verbesserungsbedürftig ist. Die Verbesserungsmöglichkeiten habe ich angedeutet, ohne sie zu erschöpfen. Nach unserer Auffassung kann es sich kein Parlament, auch nicht der Bundestag der Bundesrepublik Deutschland, leisten, durch die Zustimmung zu dieser Vorlage sich selber seines ureigensten Rechtes zu begeben, nämlich auf dem Wege über den Haushalt den Behördenaufbau, die Verwaltung und die Exekutive einer Kontrolle durch die Öffentlichkeit und ihre Vertreter zu unterziehen. An diesem Recht werden wir festhalten, und wir hoffen, daß wir bei seiner Verteidigung die Bundesgenossenschaft aller Abgeordneten finden.

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)