Rede von
Friedrich
Rische
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(KPD)
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Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes über den Staatshaushalt
wirft immer politische Fragen auf. So ist es auch i mit der Vorlage des Gesetzes über die vorläufige Aufstellung des Bundeshaushaltsplans. Es handelt sich bei dieser Vorlage um das Bundeshaushaltsgesetz, also um die politische und finanzielle Repräsentanz der Bundesregierung. Allerdings ist das Ergebnis dieser Vorlage mehr als mager und außerdem — wie mir scheint — eine bestimmte Brüskierung des Parlaments. Geht man von dieser Tatsache aus, dann ist es mit der politischen Repräsentanz des Bundes — nach dieser Vorlage gemessen — sehr schlecht bestellt.
Seit dem 21. September 1949, dem Tage der Inkraftsetzung des Besatzungsstatuts — darauf muß man achten —, wurde die Bundesverwaltung offiziell errichtet. Es sind also etliche Wochen ins Land gegangen, ehe sich die Regierung darauf besann, einen für ihre Existenz rechtlosen Zustand zu beseitigen. Dieser Zustand ist so lange gegeben, bis sich der Bund zur Verabschiedung eines Haushaltsgesetzes entschließt.
Obgleich einige Wochen ins Land gingen, hat es die Bundesregierung bis jetzt vorgezogen, dem Parlament einen Bericht über den Aufbau der Ministerien an Hand eines genauen Stellenplanes vorzuenthalten. Wir kennen zwar die Schwierigkeiten, die beim Aufbau der Ministerien und Dienststellen bestehen können, aber die Schwierigkeiten der Adenauer-Regierung bei der Ausarbeitung des Stellenplans scheinen uns . doch von besonderer Art zu sein. Uns will es scheinen, als ob die Regierung mit der Verzögerung nur ein eisernes Prinzip einhielte, um beispielsweise bei der Stellenbesetzung die notwendige Zeit zu finden, um die Ausschaltung aller fortschrittlichen Menschen aus der Verwaltung des Bundes zu betreiben oder diese Menschen von einer Teilnahme an den Dienststellen der Regierung fernzuhalten.
Wir haben jedenfalls den Eindruck, daß nicht zuletzt aus diesem Grunde die Vorlage des Haushaltsplans verzögert wird. Ich denke, seit dem 21. September 1949 war Zeit genug, um uns nicht nur ein formelles Übergangsgesetz, sondern auch einen ordentlichen Haushaltsplan auf den Tisch des Hauses zu legen, der allein von der formalen und materiellen Seite her geeignet ist, die prekäre Lage der Bundesfinanzen bloßzulegen. Die Praxis solcher Übergangsgesetze ist uns überdies aus dem Wirtschaftsrat noch in unrühmlicher Erinnerung. Mit Hangen und Bangen wurden die Etats der Bizone verabschiedet, und von einer gründlichen Beleuchtung und Beratung der Probleme konnte dabei oft nicht die Rede sein.
— Herr Kollege Mellies, Sie selbst haben mehr als einmal die Praxis des damaligen Verwaltungsrats mit Recht kritisiert. Nach dem vorliegenden Gesetz werden alle Positionen des ehemaligen Wirtschaftsrates im Bundeshaushalt übernommen. Gegen diese unkritische Übernahme des Etats des Wirtschaftsrates bestehen bei uns erhebliche Bedenken, um es einmal ganz gelinde auszudrücken. Bedenken bestehen aber auch beim Bundesrat, der am 10. November 1949 die Zustimmung zum Gesetzentwurf über den vorläufigen Bundeshaushalt bis zur Gewinnung eines genauen Überblicks über seinen materiellen Inhalt ablehnte. Diese Länderbedenken bestanden bekanntlich bereits gegen die eigentümliche Haushaltsführung des Wirtschaftrates und richteten sich hauptsächlich gegen den stark übersetzten Stellen-
I plan einiger Verwaltungen, gegen eine allzugroße Ausdehnung der bizonalen Bürokratie.
Der Herr Finanzminister hat nun mit sehr wenigen Worten über den materiellen Inhalt der Vorlage gesprochen. So dürfte es wohl angebracht sein, an jene Meldungen zu erinnern, wonach der Bundesetat mit einem vorläufigen Defizit von über 400 Millionen D-Mark abschließen soll. Dies sind, wie gesagt, nur Meldungen; aber man hätte erwarten können, daß der Herr Bundesfinanzminister auch zu dieser, wie uns scheint, besonders wichtigen Frage heute wenigstens einige Worte verloren hätte.
Der größte Ausgabenposten des neuen, vorläufigen Haushaltsplans ist jedenfalls nach diesen Meldungen durch die Subventionierung für Lebensmittel entstanden. Dazu werden wir zu geeigneter Zeit noch einmal Stellung nehmen.
Als nächsthöchster Posten im Defizitetat, möchte ich beinahe sagen, erscheint die sogenannte BerlinHilfe. Dazu haben wir heute morgen schon das Notwendige gesagt, und will darauf verzichten, die Zahlen hier noch einmal einer genauen Überprüfung zu unterziehen, die in diesem Zusammenhang vom Bundesfinanzminister bekanntgegeben wurden.
Diese wenigen Tatsachen sollen zunächst genügen. Sie zeigen, wie zerrissen der Bundessäckel ist, und sie zeigen allzu deutlich, warum sich die Bundesregierung offensichtlich scheut, dem Hohen Hause einen ordentlichen Haushalt vorzulegen; denn nur so kann man kritisch zu der Finanz- und Haushaltspolitik des Bundes Stellung nehmen.
Die Regierung hat indessen ein anderes, allerdings probates Mittel. Sie will das Defizit im Bundessäckel durch Matrikularbeiträge der Länder oder durch neue Steuern vom Ausmaß der Benzinsteuer decken.
Allein durch die Benzinsteuer hofft der Bundesfinanzminister einen runden Betrag von 200 Millionen D-Mark zu erhalten, um damit das lecke Staatsschifflein wieder flottzumachen. Ich glaube, auch zu dieser Frage der Steuerpolitik' wird hier noch oft Gelegenheit sein, Grundsätzliches zu äußern; aber wir möchten schon jetzt von dieser Stelle unsere ernstesten Bedenken gegen die beabsichtigte Benzinsteuer anmelden.
Wir sind der Meinung, daß die Regierungspolitik nicht erfolgreich sein wird. Ich brauche nur an die Länder zu erinnern, die selbst über allergrößte Schwierigkeiten klagen. Die Länderdefizite häufen sich, und es bestehen große Schwierigkeiten, den Finanzausgleich der Länder so durchzuführen, wie es beabsichtigt war. Bei solcher Lage müssen sich auch alle Versprechungen des Bundeskanzlers, beispielsweise für den Wohnungsbau, die hier mit Recht so oft diskutierte Flüchtlingshilfe und die Rentenbeihilfe als Schall und Rauch erweisen. Leider wird dies eine Tatsache sein; denn alle diese Hilfsversprechen werden sich bei der prekären Finanzlage des Bundes und bei der, ich möchte sagen, Politik des leeren Säckels nicht verwirklichen lassen.
Uns hat aber noch eine andere Seite in dieser Vorlage stutzig gemacht. In § 1 Absatz 3 werden de facto die neuen staatsrechtlichen Kompetenzen des Bundes aufgezählt. Zwar ist dies nur eine formelle Angelegenheit; denn man hat längst Tatsachen geschaffen. Darüber will ich in diesem Zusammenhang keineswegs hinwegsehen. Aber da heißt es: ,,. . . treten an die Stelle des Reiches die Bundesrepublik Deutschland, des Reichspräsidenten der Bundespräsident, des Reichstags der Bundestag, des Reichsrats der Bundesrat" usw. usw. Ich möchte sagen: ein recht trauriges Kapitel deutscher Nachkriegspolitik! Deutlicher konnte jedenfalls die Spaltung unseres Vaterlandes nicht demonstriert werden.
Unsere Hauptbedenken richten sich dagegen, daß durch diese Gesetzesvorlage der ganze reaktionäre, volksfeindliche Haushaltsplan des Wirtschaftsrates und einiger Länder der französischen Besatzungszone mit den Ausgaben für Besatzungskosten, den Millionenzuschüssen für die alliierte Stahlkontrolle, die Ruhrbehörde, die kombinierte Kohlenkontrolle völlig unbesehen übernommen werden soll. Der in der Zwangsacke der Militärgouverneure von der Frankfurter Reaktion, den Rechtsparteien ausgearbeitete Haushaltsplan würde damit völlig unbesehen übernommen und damit auch gleichzeitig die volksfeindliche Politik der Rechtsmehrheit des bizonalen Wirtschaftsrates hier im Bundestag auch von dieser Seite aus, des Haushaltsrechts also, fortgeführt werden. Mit der Annahme des Übergangsgesetzes würde die Preis- und Wirtschaftspolitik eines Professor Erhard, die rücksichtslose Steuerpolitik des Verwaltungsrates übernommen und die Sozialpolitik sanktioniert, die in keiner Weise den sozialen Belangen der Flüchtlinge, der Fliegergeschädigten und der Rentner gerecht geworden ist. Wir müssen es daher ablehnen, der Adenauer-Regierung derartige unbeschränkte Vollmachten zu erteilen, wie es im Übergangsgesetz vorgesehen ist. Diese Vollmachten dienen der Regierung Adenauer nur zur Fortführung ihrer gegen das Volk gerichteten Geheimpolitik.
— Sie lachen, meine Damen und Herren. Ich verstehe Ihre besonderen Sorgen, ich möchte sagen: Ihre Absichten; denn diese volksfeindliche Geheimpolitik kommt selbstverständlich gewissen Herren auch dieses Hohen Hauses sehr wohl entgegen.
Wir können es unserem Volk gegenüber auch nicht verantworten, der Regierung einen Blankoscheck für die Kreditaufnahme von einer halben Milliarde Mark zu geben. Meine Damen und Herren, diese Regierung hat keinen Kredit beim werktätigen Volk, wie die unzähligen Resolutionen aus den Betrieben, die Streiks und Proteste der Werktätigen in den letzten Wochen bewiesen haben.
Ich will im Zusammenhang mit dieser Frage der Vollmacht zur Kreditaufnahme noch an eine andere Tatsache erinnern. Ich verweise darauf, daß die Steuereinnahmen zurückgehen. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, daß die Herren von der Industrie wieder einmal eine sehr schlechte Steuermoral haben, oder ob das im Zusammenhang mit der allgemeinen wirtschaftlichen „Entwicklung" steht. Ich möchte das dahingestellt sein lassen. Die Tatsache besteht jedenfalls, daß die allgemeinen Steuereinnahmen zurückgehen.
Daraus ergeben sich aber für die Regierung, für die Haushaltsführung und für die Finanzpolitik neue Schwierigkeiten. Ich befürchte, daß man zu guter Letzt kein anderes Mittel mehr sieht, als aus dem Ausland Kredite aufzunehmen.
Ich erinnere hier nur an die prekäre Lage unserer Bundeseisenbahn. Es gibt hier nicht wenige Stimmen, die heute schon sagen: diese schwierige Lage kann erst dann behoben werden, wenn die Bundeseisenbahn nicht mehr eine . staatliche oder halbstaatliche Organisation ist, sondern privaten Händen übergeben wird. Eine derartige Andeutung machte jedenfalls kürzlich die offizielle Zeitung der amerikanischen Militärregierung, die „Neue Zeitung" in München. Auf eine derartige Politik möchten wir mit Nachdruck aufmerksam machen und sie schärfstens zurückweisen. Kredite aus dem Ausland dienen unter den gegenwärtigen Verhältnissen — ich sage: unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen des Besatzungs- und Ruhrstatuts — nicht der Wirtschaft und dem deutschen Volke, sondern letzten Endes den ausländischen Monopolkapitalisten, die sich bemühen, die deutsche Wirtschaft durch Kredite aufzukaufen und den Ausverkauf Deutschlands fortzusetzen.
Nichtsdestoweniger verlangen wir von der Regierung schnellstens die Vorlage eines ordentlichen Gesamtetats. Diese Forderung richtet sich — das sagen wir ganz offen — gegen die Geheimpolitik der Regierung und bezweckt, daß der Aufbau der Bundesorgane unter der Kontrolle des Parlaments vor sich geht. Aus der Vorlage zur vorläufigen Regelung des Bundeshaushalts spricht der Geist der Geheimpolitik, spricht der Geist der volksfeindlichen- Politik des Wirtschaftsrates. Namens meiner Freunde erhebe ich den schärfsten Protest gegen eine derartige Praxis und erkläre, daß wir dieser niemals zustimmen werden.