Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, noch nie in der Finanzgeschichte der demokratischen Staaten ist ein Haushaltsgesetz unter den Formen eingebracht worden wie das vorliegende. Es ist ein Unikum, daß ein Haushaltsgesetz eingebracht wird ohne einen Haushaltsplan. Sie haben, meine Damen und Herren, überhaupt kein Urteil über das, was mit dem Finanzgesetz bewilligt werden soll. Die Summen, die hier genannt werden, sind ganz oberflächlich zusammengestellt und entbehren jeder Art von Grundlage. Mit der Annahme dieses Gesetzes würde der Finanzminister zum Finanzdiktator: er kann machen, was er will, und wir haben überhaupt keine Kontrolle. Eine solche Haltung des Parlaments der Exekutive gegenüber ist ein Ding der Unmöglichkeit. Hören Sie im einzelnen die Bestimmungen, die 'hier vorgesehen werden. Das Budgetrecht des Bundestags ist gleich null. Der Finanzminister kann machen, was er will. Solche Dinge sind in einem geordneten Staat unmöglich.
Zunächst sagt der § 3 des vorliegenden Entwurfs, den ich vorzunehmen bitte:
Für die Bundesverwaltungen, die an die Stelle der entsprechenden Verwaltungen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets getreten sind, bildet der durch das Gesetz des Wirtschaftsrats vom 22. Juli 1949 festgestellte Haushaltsplan der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets für das Rechnungsjahr 1949 nebst den Änderungen und Ergänzungen, die in den durch die Gesetze des Wirtschaftsrats vom 15. August und vom 26. August 1949 festgestellten Nachtragsplänen enthalten sind, die vorläufige Grundlage für ihre Haushalts- und Wirtschaftsführung im Rechnungsjahr 1949 nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften.
Das also, was der Wirtschaftsrat am 22. Juli, am 15. und am 26. August beschlossen hat, soll hier angenommen werden. Niemand von Ihnen — ich wage das Wort: niemand — kennt diese Voranschläge.
Ich habe sie mir besorgen lassen.
Dieses Buch, die beiden Nachträge, enthalten Zahlen, die damals der Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebiets beschlossen hat, und Sie kennen sie nicht.
— Ich habe sie bis gestern abend noch nicht gekannt. Wie sollen wir jetzt etwas beschließen, was wir überhaupt nicht kennen?
Es ist unmöglich, daß wir so etwas bewilligen! Wir müssen von der Regierung einen Haushaltsplan vorgelegt bekommen.
Der § 5 bricht nun den Haushalt auseinander: bis 21. September 1949 soll es beim Vereinigten Wirtschaftsgebiet verbleiben, von da ab soll alles auf den Bund übergehen. Dieses Auseinanderbrechen ist an und für sich geeignet, aller Zahlenjongliererei Tür und Tor aufzumachen.
Weiter ist in § 6 — ich will mich kurz fassen; es wäre über diese Dinge noch viel mehr zu reden — festgestellt, daß der Finanzminister in Wirklichkeit zum Finanzdiktator für die letzten Monate dieses Wirtschaftsjahres gemacht wird:
Der Bundesminister der Finanzen kann bei der Bereitstellung der Betriebsmittel nähere Bestimmungen über die Verwendung der Mittel treffen.
Er ist also vollständig frei.
Er kann den monatlichen Grenzbetrag für einzelne Ausgabetitel oder für bestimmte Gruppen von solchen anders festsetzen. Er kann auch die Inanspruchnahme von Mitteln bei einzelnen Ausgabetiteln von seiner Zustimmung abhängig machen. Seiner Zustimmung bedarf in jedem Falle die Leistung einmaliger Ausgaben.
Noch nie ist einem Finanzminister die Verfügung über solche Millionenbeträge, wie sie hier in Frage kommen, zugestanden worden — ich komme nachher noch darauf zu sprechen —, wie jetzt dem Herrn Finanzminister der Bundesregierung.
In § 9 wird ein ganz neuer etatrechtlicher Begriff eingeführt, der Begriff der „Verfügungssummen". Die Verfügungssummen sollen neu festgestellt werden; aber auch die Verfügungs-
summen — das sind also Summen, über die der Finanzminister verfügt — werden hier nur ganz oberflächlich festgesetzt.
- Ganz oberflächlich, lesen Sie es nur genau, denn es heißt hier:
mit der Maßgabe, daß die Ausgaben monatlich ein Sechstel dieser Verfügungssummen ohne Zustimmung des Bundesministers der Finanzen nicht übersteigen dürfen.
Also auch hier wieder eine Ermächtigung für den Finanzminister, zu machen, was er will.
— Ja, jetzt kommt die Frage: es geht um die beiden Haushaltsausschüsse. Meine Damen und Herren, das ist in der Finanzgeschichte auch noch nie dagewesen, daß ein Ausschuß an die Stelle des. Plenums tritt. Ein Verhältnis zwischen Ausschuß und Finanzministerium gibt es gar nicht,
es gibt nur ein Verhältnis zwischen dem Ausschuß und dem Plenum. Einen Ausschuß an die Stelle des Plenums zu setzen, wäre eine Regelung, die niemand billigen kann. Der Ausschuß hat gar keine Befugnis, selbstverantwortlich mit dem Finanzminister zu reden. Er kann auch in keiner Weise mit irgendwelchen Befugnissen betraut werden. Damit kann man nur das Plenum betrauen. Wir können aber nicht alle Beratungen ins Plenum verlegen. Genau dasselbe gilt für den Finanzausschuß des Bundesrats. Der kann auch nicht im Namen des Bundesrats reden, sondern der Ausschuß des Bundesrats kann diese Dinge auch nur mit dem Plenum des Bundesrats regeln. Solche Fragen können nicht zwischen Exekutive und Legislative geregelt werden. Eine solche Regelung wäre ein finanzielles Unding und würde dem Finanzminister Tür und Tor öffnen.
In § 10 — darauf will ich noch kurz zu sprechen kommen — heißt es:
Soweit die Ausgaben in den Einnahmen keine Deckung finden und eine gesetzliche Regelung über die Inanspruchnahme der zum Haushaltsausgleich erforderlichen, nach dem Grundgesetz dem Bunde zustehenden Einnahmequellen nicht erfolgt ist, ist
— und nun bitte ich achtzugeben —
der Bundesminister der Finanzen ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrats von den Ländern die hierfür erforderlichen Mittel einzufordern.
Hier geben Sie dem Finanzminister wieder eine Omnipotenz, die ein Exekutivbeamter nie haben kann, hier sogar noch über die Mittel der Lander. Der Bundesrat mag das zu seinem Teil verantworten, aber ich stelle ausdrücklich fest, daß auf dieser Basis ein geordnetes Finanzgebaren nicht möglich ist und daß das Parlament dadurch vollständig ausgeschaltet wird.
Um welche Summen es sich dabei handelt, das bitte ich aus dem letzten Nachtrag zum Haushalt des Vereinigten Wirtschaftsgebiets zu entnehmen. Es ist die Summe -- der Herr Finanzminister hat sie vorhin auch schon genannt — von 1 304 789 500 D-Mark. 1,3 Milliarden D-Mark bewilligen Sie damit für das ganze Jahr, ich möchte sagen, in einem Blankowechsel, meine Damen und Herren! So können wir die Dinge wirklich nicht handhaben. Auch wenn der Finanzminister jetzt nur noch über ein halbes Jahr verfügen kann, gut, so handelt es sich aber immer noch um die Hälfte dieser ungeheuren Summe; aber auch in dieser Höhe können die Dinge nicht ohne weiteres dem Finanzminister überlassen bleiben.
Aber auch aus einer anderen Erwägung heraus müssen wir die stärksten Bedenken gegen dieses Finanzgesetz anmelden. In § 13, den ich ebenfalls besonders zu beachten bitte, heißt es:
Der Bundesminister der Finanzen wird ermächtigt, zur vorübergehenden Verstärkung der Betriebsmittel der Bundeshauptkasse Mittel bis zur Höhe von 500 000 000 DM im Wege des Kredits zu beschaffen.
500 Millionen Kredit! Außerdem befinden sich in dem Voranschlag schon Fehlbeträge in Höhe von 800 Millionen, die dort vom Haushalt des Vereinigten Wirtschaftsgebiets auch noch nicht nachgewiesen sind. Es handelt sich also um einen Kreditbetrag nicht nur von 500 Millionen, sondern darüber hinaus von weiteren 800 Millionen. Dem Finanzpolitiker graut es vor diesen phantastischen Vorstellungen über Kredit und Kredithöhe.
Der Herr Finanzminister hat vorhin bei der Berlin-Hilfe Zahlen genannt — ich habe sie mir kurz nachgeschrieben —, bei denen es sich um weitere Kredite von 400 bis 500 Millionen handelt. Ja, Herr Finanzminister, haben Sie nicht einmal darüber nachgedacht, daß man solche Dinge nicht auf dem Wege des Kredits machen kann? Woher wollen wir denn den Kredit nehmen? Der Kredit muß doch irgendwie untermauert und unterbaut sein;
wir können doch nicht einfach ins Blaue hinein wirtschaften!
Meine Damen und Herren, ich werde daran erinnert, was Herr Finanzminister Schacht seinerzeit gemacht hat.
Der hat dasselbe gemacht, er hat einfach Kredit um Kredit auf den Staat gehäuft. Das ist die bekannte Methode des sogenannten Finanzzauberers, als der Herr Schacht hingestellt worden ist, etwas, was natürlich jeder Schulbub hätte machen können: einfach den Staat einzuspannen, um Kredite aufzunehmen. Dasselbe macht jetzt der Herr Finanzminister der Bundesregierung, er nimmt auch Kredit um Kredit auf. Was soll nicht alles durch Kredite gemacht werden!
Ich habe Ihnen hier ein paar Zahlen genannt. Mir graut es davor. Ich stehe in der Praxis der Bankverwaltung. Ich weiß genau, daß die Banken Kredite bis an die Grenze des Möglichen gegeben haben; ihr Kreditvolumen ist durchweg erschöpft. In den Banken macht man sich nur noch Gedanken darüber, wie man für möglichst rasche Rückzahlung sorgen kann. Es sind dauernd Verhandlungen über die Rückzahlungen zwischen den Kreditnehmern und den Banken im Gange. Gespart wird nichts oder wenigstens nur in ganz geringem Umfange. Aber die Kredite müssen doch durch Sparen irgendwie wieder hereingebracht werden; darüber ist sich doch auch die Finanzwissenschaft längst einig. Heute ist die ganze Wirtschaft in ein großes Kreditsystem verwickelt. Ich habe vorgestern eine Kreditausschußsitzung geleitet. Dabei sagte mir ein Geschäftsmann: Wenn heute die Banken ihren Kredit sperren, machen wir morgen alle bankrott! Soweit sind wir in der Kredithergabe schon vorgeschritten! Und nun glaubt der Herr Finanzminister, daß er diese
ungeheuren Kreditsummen, die er in diesem Finanzgesetz vorsieht und die auch bei den ganzen seitherigen Verhandlungen eine Rolle gespielt haben, auch noch auf den Markt bringen kann. Das ist unmöglich! Wenn er sie aber unterbringt, droht die große Gefahr der Inflation!
Wenn wir diese Kredite hereinkriegen und in den Umlauf unserer Kreditmittel einfügen, wird es ein Steigen der Preise geben und damit ein Steigen der Löhne und Gehälter; kurzum: es wird zu einer gewaltigen Inflation kommen. So können wir nicht weiterfahren. Oder soll alles auf Kredit gemacht werden?
Die Berlin-Hilfe soll auf dem Kreditweg aufgestellt werden; der Herr Wohnungsbauminister schlägt uns vor, 2,5 Milliarden für den Wohnungsbau zu kreditieren; die Subventionierung der Nahrungsmittel soll über den Weg der Kredite gehen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wir müssen es uns endlich abgewöhnen mit Krediten zu rech nen. Überall da, wo wir keinen Ausweg wissen, heißt es: es wird ein Kredit aufgenommen. Wir sind ja gar nicht mehr kreditwürdig! Sehen Sie doch den Zustand unserer Wirtschaft an, die Zerstörungen, sehen Sie den ganzen Leerlauf an, den wir heute noch haben! Da müssen wir uns gegen die Kredite wehren! Sie geben aber dem Finanzminister eine Ermächtigung zur weiteren Einführung von Krediten, wenn Sie dem Vorschlag dieses Kreditgesetzes nachgeben.
Lassen Sie mich meine Behauptungen nun noch mit ein paar Zahlen untermauern!
Ich habe hier den Voranschlag des Haushaltsplans der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets. Ein paar Zahlen mögen Ihnen hier veranschaulichen, was da bewilligt werden soll, wenn Sie dem Entwurf des Haushaltsplans, wie ihn die Regierung vorgelegt hat, zustimmen. Da heißt es: Im Wirtschaftsrat ein Fehlbetrag von 2,8 Millionen, beim Länderrat 701 Millionen ungedeckter Fehlbetrag, im Vorsitz des Verwaltungsrats, in der direktorialen Leitung 5,2 Millionen Fehlbetrag, Personalamt 1,9 Millionen Fehlbetrag, Rechnungsamt 3,5 Millionen Fehlbetrag — ich kürze ab —, Deutsches Obergericht — das ist nun wohl jetzt überwunden -, aber auch hier 2,5 Millionen Fehl- betrag,
Amt für Heimatvertriebene 718 000 D-Mark, Verwaltung für Verkehr 156 Millionen Fehlbetrag, Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 69,5 Millionen Zuschuß, Verwaltung für Wirtschaft 53 Millionen, Verwaltung der Finanzen 78 Millionen. Natürlich kommt nachher bei der allgemeinen Verwaltung infolge der Steuereinnahmen auch wieder ein großes Plus. Es bleibt aber immer bei einem Fehlbetrag von 800 Millionen D-Mark.
Es kommt weiter hinzu, daß, wenn Sie diesem Gesetz zustimmen, ohne daß ein Plan vorgelegt wird, der Personalbestand des Vereinigten Wirtschaftsgebiets übermäßig hoch ist. Es kommt hinzu, daß für Zulagen, Dienstaufwandsentschädigungen gewaltige Summen ausgeworfen werden. Bei den Sachausgaben dreht es sich um die Bewilligung von Hunderten von Kraftfahrzeugen und Krafträdern, deren Zahl in der bizonalen Verwaltung von 14 Tagen zu 14 Tagen noch höher wird.
Nun soll demnächst eine neue Steuersenkung kommen. Wenn wir die Steuersenkung überhaupt behandeln wollen, dann müssen wir wissen, was wir in diesem halben Jahr auszugeben haben, welches die wirklichen Leistungen sind; eher können wir über diese Frage doch gar nicht reden. Der Herr Finanzminister sagt, es sei unmöglich, einen Haushaltsplan vorzulegen. Ich gebe ohne weiteres zu, da ich mich ja mit diesen Dingen schon viele Jahrzehnte beschäftige, daß das eine ungeheure Schwierigkeit ist. Aber man hat im Vereinigten Wirtschaftsgebiet vom 22. Juli bis zum 15. August einen Nachtragsetat geschaffen, der noch einmal den ganzen Stoff durchgepaukt hat. Man hat den zweiten Nachtragsetat innerhalb von 11 Tagen, vom 15. August bis 26. August, vorgelegt. So rasch, wie der Wirtschaftsrat arbeitet, kann doch auch heute das Finanzministerium arbeiten. Denn es hat ja noch dieselben Kräfte zur Verfügung, die seinerzeit von 14 Tagen zu 14 Tagen diese neuen Pläne vorlegten.
— Ich rede von den Dingen als Sachverständiger
und behaupte, daß ich so gut Sachverständiger bin wie Sie!