Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion bejaht eine Amnestie. Wir wünschen, daß sie mit der größtmöglichen Beschleunigung noch in diesem Jahr in Kraft tritt. Nur aus diesem Grunde und mit diesem ausdrücklichen Vorbehalt können wir uns damit ein-
verstanden erklären, daß heute noch die erste Lesung durchgeführt wird, wenige Minuten nachdem wir den Gesetzentwurf überhaupt erst zu Gesicht bekommen haben. Diese Ausnahme darf auf keinen Fall zur Regel werden, wie das leider bei der Arbeit der Bundesregierung als Tendenz in Erscheinung tritt.
Es ist sehr zu bedauern, daß Bundesregierung und Bundesrat solange gebraucht haben, um uns diesen Entwurf für ein Straffreiheitsgesetz vorzulegen. Es geht nicht an, daß dann der Bundestag dafür büßen und das nachholen muß, was Bundesregierung und Bundesrat versäumt haben. Nur im Interesse der Betroffenen, denen durch die Amnestie geholfen werden soll, können wir dieser überstürzten Behandlung jetzt zustimmen. Es ist aber nicht möglich, unter diesen Umständen zu den Einzelheiten des Gesetzentwurfs Stellung zu nehmen. Wir behalten uns das für die Beratung im Ausschuß und für die zweite und dritte Lesung vor.
Nur zwei allgemeine Bemerkungen möchte ich machen. Wir können uns nicht damit einverstanden erklären, daß, wie es in dem Entwurf der Regierung vorgesehen ist, mit doppeltem Maß gemessen und ein Unterschied zwischen allgemeinen Vergehen und Verbrechen und Wirtschaftsvergehen, Vergehen gegen die Bewirtschaftungsverordnungen usw., gemacht wird und diese letzteren besonders begünstigt werden. Selbstverständlich sind wir dafür, daß unter die große, große Zahl der Vergehen gegen Bewirtschaftungsverordnungen, die in der vergangenen Zeit begangen worden sind, ein Strich gemacht wird. Aber, meine Damen und Herren, wenn im Falle eines Wirtschaftsvergehens eine Strafe von einem Jahr Gefängnis und eine Geldstrafe von 5000 DM verhängt worden ist, dann handelt es sich doch wirklich nicht um einen kleinen Sünder, sondern schon um einen ausgewachsenen Großschieber. Wir sehen nicht ein, warum diese Vergehen gegenüber anderen Vergehen wie Eigentumsdelikten usw., die sehr oft aus wirklicher Not begangen worden sind, irgendwie begünstigt werden sollen.
Und ein zweites möchte ich sagen. Das Amnestiegesetz soll möglichst großzügig sein und eine möglichst einfache Handhabung zulassen, damit seine Durchführung nicht wieder zu unnötiger, überflüssiger Arbeit der Justizbehörden führt. Aus dem Grunde kann ich der Anregung des Herrn Abgeordneten Reismann, die Amnestie von irgendwelchen subjektiven Voraussetzungen abhängig zu machen, nicht zustimmen. Mag auch manches dafür sprechen, so spricht doch wohl mehr dagegen. Und der Abgeordnete Reismann selbst hat nach meinem Dafürhalten das treffendste Beispiel dafür angeführt, warum man das nicht machen kann. Er hat den Fall angeführt, daß gegen einen Mann, der im Dritten Reich in einem Hochverratsverfahren gegen ihn selber aus Not einen Meineid geleistet hat, noch heute, im Jahre 1949, ein Gerichtsverfahren durchgeführt werden soll. Ich finde es unerträglich, daß dem Mann jetzt nur durch eine Amnestie geholfen, daß er nur durch eine Amnestie vor einem solch offenbaren Mißbrauch der Justiz bewahrt werden kann. Ich glaube, es ist eine Selbstverständlichkeit, daß ein solches Verfahren nicht durchgeführt werden darf und niedergeschlagen werden muß.
Es wäre vielmehr zu erwägen, ob nicht ein Disziplinarverfahren gegen die Staatsanwaltschaft am
Platze wäre, die ein solches Verfahren durchführen I will.
Aber, meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Reismann — —
Meine Damen und Herren, da wäre wohl eine Erklärung des Bundesjustizministeriums am Platze, was es in diesem Fall zu veranlassen gedenkt. Aber wenn Sie in einem Amnestiegesetzentwurf auf eine Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen abstellen, dann geben Sie ja das Ermessen im Einzelfall gerade in die Hand solcher Staatsanwälte und Richter, von denen ich der Meinung war, daß ein Disziplinarverfahren gegen sie mehr am Platze wäre.
Aus diesem Grund glauben wir, daß das Amnestiegesetz großzügig und einfach sein sollte. Es ist jetzt, wie gesagt, nicht der Platz, auf Einzelheiten einzugehen. Wir behalten uns das für die Beratungen im Ausschuß und in der zweiten und dritten Lesung vor.