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ID0101911700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag. — 19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1949 529 19. Sitzung Erster Tag Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1949. Nachruf des Präsidenten auf den verstorbenen Abgeordneten Sewald 530B Geschäftliche Mitteilungen 530C, 558A, 565B, 569C Eintritt des Abg. Dr. Pferdmenges in den Bundestag 530C Interpellation der Abg. Euler, Dr. Preusker, Dr. Becker, Meyer, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer und Gen. betr. Abschluß der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 172) . . . 530D Einspruch des Abg. Dr. Schumacher gegen seinen Ausschluß (Drucksache Nr. 247) 530D Geschäftsordnungsmäßige Behandlung von Anträgen auf Aufhebung der Immunität von Abgeordneten 530D Antrag des Justizministeriums Rheinland-Pfalz betr. Entscheidung über die Immunität des Abg. Stauch 531A Antrag des Niedersächsischen Justizministers betr. Entscheidung über die Immunität des Abg. Onnen 531A Abänderungsantrag der KPD-Fraktion zur Tagesordnung betr. Regierungserklärung zum Gesetz der Alliierten Hohen Kommission über „strafbare Handlungen gegen Besatzungsinteressen" 531B Fisch (KPD) 531C Euler (FDP) 532A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (Initiativantrag der Abg. Strauss, Kemmer und Gen.) (Drucksache Nr. 180) 532A Strauss (CSU), Antragsteller 532A, 543A Frau Thiele (KPD) 535C Frau Dr. Ilk (FDP) 537A Dr. Etzel (BP) . . . . . . . . 537B Frau Keilhack (SPD) 538B Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 539A Ribbeheger (Z) 539B Strauss (CSU) 540A Dr. Kleindinst (CSU) . . . . . 541D Dr. Besold (BP) 542B Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Maßnahmen für Deutsche, die in Auswirkung des Krieges im Ausland zurückgehalten werden (Drucksachen Nr. 165 und 60) . . . . . . . . 543D Dr. Gerstenmaier (CDU) Berichterstatter 543D, 547D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 545C Müller, Oskar (KPD) . . . . . . . 546A Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der DP betr. . Bevölkerung Helgolands (Drucksachen Nr 166 und 41) 548B Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter 548C Walter (DP) 551D Rademacher (FDP) . . . . . . 552A Mündliche Berichte des Ausschusses für das Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten über die Anträge der Fraktion der BP betr. Verteilung der DPs (Drucksachen Nr. 196 und 85), betr. Inanspruchnahme der Quartierleistungen durch die Besatzungsmächte (Drucksachen Nr. 197 und 86 neu) und betr. Wohnraumbelegung durch verschleppte Personen (Drucksachen Nr. 198 und 87) 552D Dr. Gerstenmaier (CDU), Berichterstatter 553A, 557A Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen 553C Dr. Seelos (BP) . . . . . . . . 553D Dr. Pfeiffer, Staatsminister und Leiter der Bayerischen Staatskanzlei . . 554B Niebergall (KPD) . . . . . . . 554C Stahl (FDP) 556A von Thadden (NR) 556C Unterbrechung der Sitzung . . 557D Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit über den Antrag der Zentrumsfraktion betr. Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenhilfe für Heimkehrer (Drucksachen Nr. 190 und 121) 558A Arndgen (CDU), Berichterstatter . 558A Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen über den Antrag der Fraktion der SPD betr. einheitliche Regelung der Heimkehrerbetreuung (Drucksachen Nr. 191 und 118) 558B Pohle (SPD), Berichterstatter . 558C, 564B Leddin (SPD) . . . . . . . . . 559C Sabel (CDU) . . . . . . . 560D, 564D Krause (Z) 561C Renner (KPD) . . . . . . . . 562A Sauerborn, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit . . . . . 563B Frau Kalinke (DP) . . . . . . . 563C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Abg. Renner und Gen. betr. Bundesbahn (Drucksachen Nr. 170 und 105) . . . . 565A Rademacher (FDP), Berichterstatter 565B Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an Ausschüsse (Drucksache Nr. 211) 565D Antrag der Fraktion der BP betr. § 103 der vorl. Geschäftsordnung (Drucksache Nr. 184) 566A Dr. Arndt (SPD) . . . . . . 566A Anträge der Fraktion der SPD betr. Gleichberechtigung der Frauen (Drucksache Nr. 176), der Abg. Renner u. Gen. betr. rechtliche Gleichstellung der Frauen (Drucksache Nr. 206) und der Fraktion der SPD betr. Frauen im öffentlichen Dienst bei der Bundesverwaltung (Drucksache Nr. 177) 566B Frau Nadig (SPD), Antragstellerin . 566B Frau Thiele (KPD), Antragstellerin . 567A Frau Korspeter (SPD), Antragstellerin 568A Unterbrechung der Sitzung 565B, 569D Die Sitzung wird um 10 Uhr 17 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Hans Ewers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist unzweifelhaft, daß Amnestien im Strafrecht und in der Strafjustiz grundsätzlich bedenkliche Einrichtungen sind, da sie den Strafrechtsanspruch des Staates, der aus Gründen der öffentlichen Ordnung unabhängig von der Person grundsätzlich den Gesetzen entsprechend aufrechterhalten bleiben muß, gefährden. Es ist aber ebenso klar, daß bei besonderen staatsumstürzenden Anlässen Amnestien, die bei minderwichtigen Straftaten einen Strich unter die Vergangenheit ziehen, um der ganzen Nation ein neues Leben zu ermöglichen, angebracht und historisch von alters her begründet sind.
    Solche Anlässe sind in der Vergangenheit unseres neuen deutschen Staatswesens schon zweimal verpaßt worden. Das erstemal nach der Kapitulation im Mai 1945, als unzweifelhaft, wie wir es alle erlebt haben, eine zwar sehr dunkle, sehr unklare, aber sicherlich völlig neue Zeit anbrach. Wenn damals ein deutscher Strafgesetzgeber vorhanden gewesen wäre, hätte er zweifellos über die Justiz der Vergangenheit sich zu Gericht gesetzt und unter vieles, was bis dahin an Strafen verhängt worden war, einen Strich gezogen. Der zweite Anlaß wurde bedauerlicherweise verpaßt, als die Währungsreform durchgeführt wurde und damit, was wir alle ja gleich einem Wunder erlebt haben, im Wirtschaftsleben unserer Länder tatsächlich eine völlig neue Ara heraufzog. Daß nicht gleichzeitig mit dem Währungsumstellungsgesetz mindestens für alle in der Reichsmarkzeit begangenen Wirtschaftsvergehen eine sehr weitgehende Amnestie erlassen wurde, ist tief bedauerlich und hat ohne Zweifel die Moral bei Beginn der neuen Zeit nicht gerade gestärkt, sondern viele moralische Übelstände in die Zeit der neuen Währung mit hinübergetragen.


    (Ewers)

    Jetzt, nach der Bildung unserer westdeutschen Bundesrepublik, ist es allerhöchste Zeit, den Erwartungen der deutschen Menschen, daß die Vergangenheit irgendwie ausgebügelt und ausgefegt wird, Rechnung zu tragen. Nun ist eine Amnestie ihrem Wesen nach zwar ein Gnadenakt, jedenfalls ein Akt, der nicht aus reinen Rechtsgründen erfolgt, sondern der aus der Gnadensonne herabstrahlt. Wenn aber eine Amnestie, wie es in einer Demokratie gar nicht anders möglich ist, weil es keinen Selbstherrscher gibt, der von oben Gnade für die Allgemeinheit regnen lassen kann, durch ein Gesetz erlassen werden muß und erlassen wird, dann ist sie eben gleichzeitig ein Strafrecht, nämlich ein Recht, das in gewissem Umfange die Strafbarkeit ausschließt. Aus diesem Grunde hat meine Fraktion keine Bedenken, daß diese Amnestie, die sich in erster Linie auf Vergehen gegen das in allen Ländern gleicherweise geltende Strafrecht bezieht, sehr wohl Bundessache zu sein hat. Denn es wäre im höchsten Maße mißlich und unangebracht, wenn in einem Lande etwas, was in der Vergangenheit geschehen ist, nach wie vor bestraft würde, was in einem anderen Lande nicht mehr irgendwie gesühnt wird. Diese Rechtsungleichheit unseres einheitlichen deutschen Strafrechtes wäre nach unserer Auffassung geradezu unerträglich, allen Föderalismus vorbehalten.
    So bejahen wir an sich die Zuständigkeit des Bundes und begrüßen die Amnestie als Ganzes, allerdings nicht ohne jedenfalls mein persönliches Bedauern, daß sie jetzt, wenn sie raschestens verabschiedet wird, erst zu Weihnachten kommt. Es ist richtig, so etwas mag wie ein Weihnachtsgeschenk wirken. Aber es wäre überaus bedenklich, wenn daraus im Volke etwa die Ansicht aufkommen könnte, als ob jeweils zu Weihnachten, zum Fest des Friedens, neue Amnestien in Aussicht stünden. Davon kann nach unserer Auffassung schlechterdings keine Rede sein. Dieses Zusammentreffen ist vielmehr rein zufällig und beruht auf der Zeitnot, in die wir mit unserer Gesetzgebung gekommen sind.
    Im übrigen machen sich, glaube ich, die nicht Rechtsbeflissenen keine richtige Vorstellung davon, welch tiefe Störung unseres Rechtslebens durch das Ausbleiben dieser seit nunmehr bald einem Vierteljahr erwarteten Amnestie eingetreten ist. Die Rechtspflege und die Rechtsdisziplin der Gerichte haben schon jetzt schwersten Schaden erlitten. Es gilt im allgemeinen für den Anwalt als unwürdig, dilatorische Anträge zu stellen und den Ablauf eines geordneten Verfahrens durch irgendwelche Winkelzüge zu verhindern. Trotzdem hat jeder gewissenhafte Anwalt bei unwichtigen kleineren Straftaten — seiner Pflicht entsprechend, für seine Klienten zu sorgen — alles daransetzen müssen, um eine Hauptverhandlung und damit zunächst einmal eine Bestrafung, die ja ins Strafregister kommt, auch wenn sie nicht verbüßt wird, hintanzuhalten. Derartige Einbrüche in den normalen Ablauf der Rechtspflege sind für unsere Justiz außerordentlich schädlich, und so möchte ich dem Herrn Justizminister in jeder Beziehung beipflichten, wenn ich erkläre, daß diese Vorlage das Eiligste ist, was der Bundestag überhaupt verabschieden kann. Jeder Tag, den sie früher kommt, ist ein Heil für unsere Rechtspflege. Nur weil sie so unbedingt eilbedürftig ist, kann es überhaupt hingenommen werden, daß wir hier heute über eine Vorlage beraten, die vom ersten bis zum letzten Wort durchzulesen kein Abgeordneter dieses Hauses meines Wissens
    bisher Gelegenheit hatte. Ich selbst habe lediglich die Protokolle des Bundesrats gesehen und mich daher darüber unterrichten können, welche Gesichtspunkte bei der zu erwartenden Vorlage maßgebend waren. Aber die Vorlage selbst finde ich heute morgen um 10 Uhr hier auf meinem Tisch liegen; sie kann also von niemandem durchgearbeitet sein, und schon deshalb erscheint es mir ausgeschlossen, in dieser Generaldebatte auf Einzelheiten einzugehen. Ich möchte mich insoweit daher nur auf einige ganz wenige Bemerkungen beschränken.
    Mir ist es sehr zweifelhaft, ob es richtig ist, Disziplinarvergehen, also Beamtenvergehen, von der Amnestie vollständig auszuschließen. Wir haben hier im Wort berechtigte und außerordentlich warmherzige Dankeserklärungen gegenüber unserem unbestechlichen Beamtentum gehört. Es ist aber auch den braven Beamten in der Vergangenheit in der einen oder anderen Beziehung nicht möglich gewesen, ihren Dienst immer so zu verrichten, wie es gefordert werden muß. Daß man schlechthin gegenüber jeder kleinen Entgleisung eines Beamten keine Nachsicht üben will, daß man zu Ehren des Beamtenstandes überhaupt jedes kleinste Delikt, das mit irgendwelchen kleinen Strafen geahndet werden müßte, heute noch weiter verfolgen will, das bedauere ich; das ist meines Erachtens nicht der richtige Dank an unsere Beamtenschaft. Selbstverständlich sind diejenigen Disziplinarstrafverfahren auszunehmen, die eventuell mit einer Dienstentlassung enden könnten; aber alle übrigen Strafen, von der Geldstrafe bis zur Verwarnung oder zum Verweis, sollten meines Erachtens ebenso amnestiert werden wie kriminelle Delikte, und man sollte damit die Beamten nicht unter ein Sonderrecht stellen.
    Ein anderer Punkt, der vielleicht nicht sehr viele trifft, aber von um so mehr die Gerechtigkeit störender Bedeutung ist, ist die Höhe der Geldstrafen, die hier amnestiert werden sollen. Geldstrafen haben bekanntlich das eigentümliche Gesicht, daß derselbe Strafausspruch nicht die gleich schwere Tat ahndet; das liegt in der Natur der Sache. Ein sehr reicher Mann wird in Geldstrafen ganz anders angefaßt als der normale Durchschnittsstaatsbürger, der eben auf normaler Basis sein Leben fristen muß. Wenn man dann aber bei der Geldstrafe, die bei einem Wohlhabenden seines Reichtums wegen so hoch bemessen ist, bei summenmäßiger Gleichheit von gleich schwerer Bestrafung ausgeht, so wird damit ein Unrecht begangen. Der richtige Vergleich ist meines Erachtens allein der, daß alle Geldstrafen, deren Ersatzfreiheitsstrafe innerhalb der Amnestiegrenze liegt, erlassen sein müssen; sonst wird mit zweierlei Maß gemessen.
    Es gibt noch eine Reihe von sonstigen Einwendungen. Ich möchte meinem Herrn Vorredner nur eines entgegnen. Wenn wir in die Amnestie irgendwelche Vorausetzungen der Gesinnung oder des subjektiven Straftatbestandes einbauen, so gefährden wir nicht nur das ganze Gesetz, sondern machen damit einen Apparat bei der Staatsanwaltschaft und bei den-Gerichten notwendig, der die ganze Vorlage in der Praxis unter Umständen über den Haufen wirft. Der Herr Justizminister hat vollkommen recht: Amnestien müssen einen sehr einfachen, klaren Tatbestand haben, damit sozusagen auf den ersten Blick gesehen werden kann: fällt dieses Urteil im Tenor unter die Amnestie oder nicht? Eine Durcharbeitung von Akten nach ihrem Inhalt und eine Abwägung der Motive


    (Ewers)

    des Täters ist bei einer wahrhaften Amnestie aus praktischen und rechtspolitischen Gründen nicht zweckmäßig.
    Ich möchte nur um eines bitten. Zur Amnestievorlage wird jeder Jurist diese oder jene Wünsche haben. Mit einer Durcharbeitung aller solcher Wünsche würde die Vorlage in ihrer eiligen Abwicklung gefährdet. Ich möchte daher bitten, sich im Ausschuß darüber zu einigen, daß man sich zur raschen Arbeit auf der Basis der Vorlage anhält und sich insoweit in den Einzelbestimmungen abstimmt. Ich erkläre ebenso wie mein Herr Vorredner, daß wir eine Amnestie, die sich bei allgemeinen Delikten auf nur 6 Monate Gefängnis bezieht, für die unterste Grenze des Möglichen halten, wenn wir bedenken, wie sehr wir heute beim Beginn eines neuen Staates sind.
    Was die Zentrumsvorlage anlangt, so lehnt sie meine Fraktion schon deshalb ab, weil ihre Diktion Nazigesetzen entnommen ist. Man kann ihren Wortlaut aus dem Nazirecht ohne weiteres ablesen. Solche Bezugnahme auf die frühere Zeit mit umgekehrten Vorzeichen lehnen wir grundsätzlich ab. Wit glauben auch, daß praktisch alles, was dort gefordert wird, durch die Amnestievorlage der Regierung schon erledigt wird. Ich würde daher empfehlen, daß das Haus über die Zentrumsvorlage zur Tagesordnung übergeht, weil sie durch den Regierungsentwurf sachlich erledigt ist. Ich beantrage dies hiermit.


Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Etzel.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Meine Damen und Herren! Ich will der Mahnung des Herrn Präsidenten mit Rücksicht auf die Geschäftslage des Bundestages folgen und mich auf eine ganz kurze grundsätzliche Untersuchung der Frage der verfassungsmäßigen Zuständigkeit beschränken. Wir stehen vor der unerfreulichen Situation, daß in diesem Anfangsabschnitt der Legislative Gesetzentwürfe vorgelegt werden, bei denen die Frage der Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern immer wieder aktuell wird. Dadurch aber, daß der in Artikel 94 Absatz 2 vorgesehene Gesetzentwurf über die Einrichtung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht möglich war, besteht die fatale Lage, daß diese Zuständigkeitsfragen durch Mehrheitsbeschlüsse geklärt, erledigt und entschieden werden, ohne daß — wie unsere angespannte Geschäftslage zeigt — eine eindringende Untersuchung möglich ist und die notwendigen Argumente geprüft werden.

    (Sehr gut! bei der BP.)

    Der Herr Bundesjustizminister hat im Bundesrat, der mit 25 gegen immerhin 18 Stimmen die Frage der Bundeszuständigkeit bejaht hat, erklärt, es liege ihm daran, die Angelegenheit durchzupauken; es sei nicht damit gedient, daß die Bundeszuständigkeit sozusagen nur toleriert würde. Dieser Auffassung bin ich ebenfalls. Die Möglichkeit zur verfassungsrechtlichen Austragung fehlt uns, weil eine verfassungsrechtliche Lücke wegen der bisherigen Nichtausführung des Artikel 94 Absatz 2 vorhanden ist. Diese Lücke vermag auch der Ausschuß zum Schutze der Verfassung nicht auszufüllen.
    Im einzelnen! Ich spreche nicht von Begnadigung, ich spreche von Amnestie; das heißt: von einem Massenerlaß von Strafen. Es scheint mir, daß es bis jetzt an der nötigen scharfen juristischen Unterscheidung gefehlt hat. Die Amnestie
    ist in zwei Grundformen möglich, zunächst in der Form der Aufhebung eines Strafgesetzes für eine Vielzahl generell bestimmter Straftatbestände selbst. Wenn ein solches Straffreiheitsgesetz gemeint wäre, dann würde allerdings nach Artikel 74 Ziffer 1 — hier stimme ich, unter diesem Vorbehalt, mit dem Herrn Bundesjustizminister überein — eine Zuständigkeit des Bundes gegeben sein. Ich werde gleich in der Lage sein zu beweisen, daß ein solches Straffreiheitsgesetz in dem von mir angedeuteten Sinn in dem Entwurf nicht vorliegt.
    Die zweite große Grundgruppe der Amnestiegesetze umfaßt den Verzicht des Staates auf die ihm zustehende Strafklage, das heißt, den Verzicht des Staates auf Strafverfolgung und — im Falle eines durchgeführten Verfahrens — auf Strafvollstreckung. Der Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsanspruch als Ausfluß des Strafklagerechtes ist ausschließlich in die Zuständigkeit der Länder als der verfassungsmäßigen Sachwalter der Strafrechtspflege gegeben.

    (Abg. Baumgartner: Sehr gut!)

    Mit anderen Worten: Wenn es in einem gewissen Zeitpunkt nicht um die Aufhebung des Strafgesetzes selbst für eine Gruppe generell bestimmter Tatbestände geht, dann besteht grundsätzlich keine Zuständigkeit des Bundes. Sie bestünde nur dann, wenn ein Bundesobergericht in erster und einziger Instanz zuständig wäre. Wo aber die erste Instanz in der Zuständigkeit der Ländergerichte liegt, ist der Verzicht auf die Strafklage als Inbegriff des Strafverfolgungs- und Straf vollstreckungsanspruchs ausschließlich Sache der Länder.
    Der Gesetzentwurf bestimmt in § 2 Absatz 1: Die Gefängnisstrafen usw. werden erlassen, wenn die Freiheitsstrafe noch nicht verbüßt oder die Geldstrafe noch nicht gezahlt worden ist. Ist sie verbüßt oder gezahlt, dann hat der Arme, der zufällig früher in die Mühle geraten ist, nichts zu bestellen und nichts zu fordern. Aus dieser Bestimmung ergibt sich ganz klar, daß es sich nicht um die Aufhebung des Strafgesetzes selbst dreht, sondern um den Verzicht auf die Strafklage, weil im andern Fall dem derartig Bestraften ein Entschädigungs- und Rückerstattungsanspruch gegen den Staat zugebilligt werden müßte. Es hätte, meine Damen und Herren, daher auch eine Bestimmung getroffen werden müssen, wonach die derart abgebüßten Strafen auch auf Straffälle angerechnet werden, die über der Höchstgrenze der Amnestiebestimmungen liegen. Mit anderen Worten: es müßten dann die erlaßbaren Strafen und Strafmaße, soweit sie abgesessen oder gezahlt sind, auf die über die Amnestiegrenzen hinausgehenden Strafen angerechnet werden. Auch das ist nicht vorgesehen.
    Ebenso ist in Absatz 2 bestimmt, daß ein Erlaß bei Zuwiderhandlungen gegen die Strafvorschriften von Bewirtschaftungsgesetzen stattfindet, wenn die Freiheitsstrafe noch nicht verbüßt oder die Geldstrafe noch nicht gezahlt ist. In Absatz 4 heißt es ausdrücklich, daß gewisse Nebenstrafen, Strafnebenfolgen, Sicherungs- und Besserungsmaßnahmen aufrechterhalten werden sollen. Das ist der eklatanteste Beweis dafür, daß das Strafgesetz selbst nicht aufgehoben ist, sonst könnte nicht ein Teil der Strafen, der Straffolgen und Nebenstrafen aufrechterhalten werden. Diese Regelung zeigt, daß das Strafgesetz selbst in Kraft blieb und daß nur ein Verzicht auf die Strafklage erfolgen soll. Ich kann darauf verzichten, näher auszuführen, daß in § 3 Absatz 4 und in § 4 Absatz 2 und 3 sich die gleichen Argumente finden.


    (Dr. Etzel)

    Meine Damen und Herren, der Sinn der Abgrenzung der Zuständigkeit der Länder gegenüber dem Bund ist doch der, daß die Artikel 30, 70 und 83 grundlegend beachtet werden müssen, und daß eine Zuständigkeit des Bundes nur im Rahmen und unter Berücksichtigung dieser Grundsatzvorschriften entschieden werden kann. Der Sinn des Artikel 74 ist, daß die Zuständigkeit des Bundes in einem restringierenden, strengen Sinn abgegrenzt werden muß. Hätte man es anders gewollt, dann hätte es überhaupt der Einfügung einer konkurrierenden Gesetzgebung gar nicht bedurft; dann hätte man dem Bund glattweg die ausschließliche Gesetzgebung auf allen Gebieten dieser Artikel, die in Frage kommen, zuweisen können. Das war aber eben gerade nicht der Wille des Gesetzgebers, weil hier föderalistische Minimalprinzipien, will ich einmal sagen, gewahrt bleiben sollten. Ich hätte wohl den Wunsch gehabt, die Bayerische Staatsregierung hätte diesen Entwurf nach einer entsprechenden Verbesserung als Landesgesetz erlassen.

    (Lebhafter Beifall bei der BP.)