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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag. — 19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1949 529 19. Sitzung Erster Tag Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1949. Nachruf des Präsidenten auf den verstorbenen Abgeordneten Sewald 530B Geschäftliche Mitteilungen 530C, 558A, 565B, 569C Eintritt des Abg. Dr. Pferdmenges in den Bundestag 530C Interpellation der Abg. Euler, Dr. Preusker, Dr. Becker, Meyer, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer und Gen. betr. Abschluß der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 172) . . . 530D Einspruch des Abg. Dr. Schumacher gegen seinen Ausschluß (Drucksache Nr. 247) 530D Geschäftsordnungsmäßige Behandlung von Anträgen auf Aufhebung der Immunität von Abgeordneten 530D Antrag des Justizministeriums Rheinland-Pfalz betr. Entscheidung über die Immunität des Abg. Stauch 531A Antrag des Niedersächsischen Justizministers betr. Entscheidung über die Immunität des Abg. Onnen 531A Abänderungsantrag der KPD-Fraktion zur Tagesordnung betr. Regierungserklärung zum Gesetz der Alliierten Hohen Kommission über „strafbare Handlungen gegen Besatzungsinteressen" 531B Fisch (KPD) 531C Euler (FDP) 532A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (Initiativantrag der Abg. Strauss, Kemmer und Gen.) (Drucksache Nr. 180) 532A Strauss (CSU), Antragsteller 532A, 543A Frau Thiele (KPD) 535C Frau Dr. Ilk (FDP) 537A Dr. Etzel (BP) . . . . . . . . 537B Frau Keilhack (SPD) 538B Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 539A Ribbeheger (Z) 539B Strauss (CSU) 540A Dr. Kleindinst (CSU) . . . . . 541D Dr. Besold (BP) 542B Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Maßnahmen für Deutsche, die in Auswirkung des Krieges im Ausland zurückgehalten werden (Drucksachen Nr. 165 und 60) . . . . . . . . 543D Dr. Gerstenmaier (CDU) Berichterstatter 543D, 547D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 545C Müller, Oskar (KPD) . . . . . . . 546A Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der DP betr. . Bevölkerung Helgolands (Drucksachen Nr 166 und 41) 548B Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter 548C Walter (DP) 551D Rademacher (FDP) . . . . . . 552A Mündliche Berichte des Ausschusses für das Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten über die Anträge der Fraktion der BP betr. Verteilung der DPs (Drucksachen Nr. 196 und 85), betr. Inanspruchnahme der Quartierleistungen durch die Besatzungsmächte (Drucksachen Nr. 197 und 86 neu) und betr. Wohnraumbelegung durch verschleppte Personen (Drucksachen Nr. 198 und 87) 552D Dr. Gerstenmaier (CDU), Berichterstatter 553A, 557A Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen 553C Dr. Seelos (BP) . . . . . . . . 553D Dr. Pfeiffer, Staatsminister und Leiter der Bayerischen Staatskanzlei . . 554B Niebergall (KPD) . . . . . . . 554C Stahl (FDP) 556A von Thadden (NR) 556C Unterbrechung der Sitzung . . 557D Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit über den Antrag der Zentrumsfraktion betr. Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenhilfe für Heimkehrer (Drucksachen Nr. 190 und 121) 558A Arndgen (CDU), Berichterstatter . 558A Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen über den Antrag der Fraktion der SPD betr. einheitliche Regelung der Heimkehrerbetreuung (Drucksachen Nr. 191 und 118) 558B Pohle (SPD), Berichterstatter . 558C, 564B Leddin (SPD) . . . . . . . . . 559C Sabel (CDU) . . . . . . . 560D, 564D Krause (Z) 561C Renner (KPD) . . . . . . . . 562A Sauerborn, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit . . . . . 563B Frau Kalinke (DP) . . . . . . . 563C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Abg. Renner und Gen. betr. Bundesbahn (Drucksachen Nr. 170 und 105) . . . . 565A Rademacher (FDP), Berichterstatter 565B Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an Ausschüsse (Drucksache Nr. 211) 565D Antrag der Fraktion der BP betr. § 103 der vorl. Geschäftsordnung (Drucksache Nr. 184) 566A Dr. Arndt (SPD) . . . . . . 566A Anträge der Fraktion der SPD betr. Gleichberechtigung der Frauen (Drucksache Nr. 176), der Abg. Renner u. Gen. betr. rechtliche Gleichstellung der Frauen (Drucksache Nr. 206) und der Fraktion der SPD betr. Frauen im öffentlichen Dienst bei der Bundesverwaltung (Drucksache Nr. 177) 566B Frau Nadig (SPD), Antragstellerin . 566B Frau Thiele (KPD), Antragstellerin . 567A Frau Korspeter (SPD), Antragstellerin 568A Unterbrechung der Sitzung 565B, 569D Die Sitzung wird um 10 Uhr 17 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine
    Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat
    im Namen der Regierung schon bei seiner Regierungserklärung am 20. September angekündigt, daß die Bundesregierung die Frage eines Straffreiheitsgesetzes erwägt. Sie ist sich dabei durchaus der Bedenken gegenüber einer solchen gesetzgeberischen Maßnahme bewußt. Jedes Straffreiheitsgesetz ist ein tiefer Eingriff in die Rechtspflege, bringt mit sich die Gefahr der Erschütterung des Rechtsbewußtseins, des Bewußtseins der Verbindlichkeit des Rechts. Die Regierung hat sich trotzdem dazu entschlossen, weil sie der Meinung ist, daß unser Staat einen neuen Start hat und bei diesem Start abschließen soll, was an Wirrnissen hinter uns liegt. Die Jahre, auf die wir jetzt zurückblicken, waren Jahre des Übergangs und Jahre der wirtschaftlichen Erschütterung. Dadurch sind viele Menschen dazu verleitet worden, mit dem Gesetz in Widerspruch zu kommen, die sonst einer solchen Versuchung niemals erlegen wären.
    Wir wollen keinen Generalpardon gewähren, wir wollen aber doch weitgehend eine Bereinigung durchführen, gerade auf dem Gebiete des Strafrechts.
    Die Hauptfrage, die bei diesem Gesetz wie bei manchen anderen Gesetzen auftaucht, ist die Frage der Zuständigkeit des Bundes. Diese Dinge haben bereits im Bundesrat zu erheblichen Auseinandersetzungen geführt. Der Bundesrat hat nur mit einer knappen Mehrheit die Zuständigkeit des Bundes für diese Gesetzgebung bejaht. Die Bundesregierung nimmt auf Grund des Artikel 74 Ziffer 1 die Zuständigkeit des Bundes für ein Straffreiheitsgesetz in Anspruch, weil nach ihrer Überzeugung ein Straffreiheitsgesetz ein Teil der Strafsetzungsgewalt ist. Der Bund kann Strafgesetze erlassen. Er kann sie auch wieder aufheben. Er kann auch unter Aufrechterhaltung der Strafgesetze Straffreiheit gewähren und rechtskräftig erkannte Strafen durch einen Akt der Gesetzgebung erlassen.
    Die Frage war schon unter der Herrschaft der Weimarer Verfassung bestritten. Aber auch dort hat sich die Rechtslehre überwiegend und auch der Reichstag selber auf diesen Standpunkt gestellt. Wenn bei verschiedenen Straffreiheitsgesetzen der Weimarer Zeit in der Präambel festgestellt wurde, daß diese Straffreiheitsgesetze mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossen wurden, so war das nur eine vorsorgliche Maßnahme. Ich sage also: das Recht, Straffreiheit zu gewähren, ist ein Teil des materiellen Strafrechts und damit Sache des Bundes. Ich bin der Ansicht, daß auch die Fassung des Artikel 74 unseres Grundgesetzes, die von der Parallelbestimmung im Artikel 7 der Weimarer Verfassung wesentlich abweicht, die Bundeszuständigkeit rechtfertigt. Im Grundgesetz ist als konkurrierende Zuständigkeit des Bundes festgelegt: „Strafrecht und Strafvollzug", während in Artikel 7 der Weimarer Verfassung die Formulierung lautete: „das Strafrecht, . . . das gerichtliche Verfahren einschließlich des Strafvollzugs". Ich sehe die Änderung, die damit eingetreten ist, darin,
    daß dem Bund im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nicht nur das Wie des Strafvollzuges, sondern auch das Ob des Strafvollzuges als Zuständigkeit zugeteilt ist.
    Mit der Erwägung der „Justizhoheit" kommt man diesem Problem nach meiner Meinung nicht nahe. Der Begriff der Justizhoheit ist mehrdeutig. Im Bundesstaat haben sowohl der Bund wie die Lander Justizhoheit. Sie haben beide Gesetzgebungszuständigkeit. Die Justizverwaltung ist zwar überwiegend Sache der Länder, aber zum Teil, soweit die oberen Bundesgerichte in Frage stehen, auch Sache des Bundes. Entscheidend ist, daß der Bund die Möglichkeit hat, durch die Gesetzgebung die Länder zu beschränken.
    Das Straffreiheitsgesetz ist kein Akt der Rechtspflege, ist auch kein Verwaltungsakt wie etwa der einzelne Gnadenakt. Man kann auch das Straffreiheitsgesetz nicht als allgemeinen Gnadenakt bezeichnen. Das Straffreiheitsgesetz ist ein echtes materielles Gesetz. Das Bedürfnis, daß der Bund diese Frage einheitlich regelt, bedarf kaum der Begründung.
    Ich will nur einzelne wesentliche Fragen, die bei dem Gesetz auftauchen, berühren, zunächst einmal die Frage des Stichtages. Bis zu welchem Tage sollen strafbare Handlungen unter das Straffreiheitsgesetz fallen? Die Bundesregierung schlägt Ihnen vor, den 12. September, den Tag, an dem der Bundespräsident gewählt und der neue Staat zum ersten Mal durch ein Symbol wieder in Erscheinung getreten ist, festzusetzen. Dagegen sind bei den Besprechungen im Bundesrat Bedenken erhoben worden. Man hat erklärt, man wolle zur Verhinderung späterer Amnestien keine „Thronbesteigungsamnestie". Ich halte diese Sorge nicht für begründet. Der Bundesrat selber hat die Versuche, den Stichtag auf den 23. Mai, den Tag des Inkrafttretens des Grundgesetzes, vorzuverlegen, abgelehnt, empfiehlt aber als Stichtag den 14. August, den Tag der Wahl zum Bundestag. Ich halte diesen Stichtag in seiner Auswirkung für schädlich, weil er weitgehend das Straffreiheitsgesetz entwerten würde. Wenn wirklich Bedenken bestehen würden, den 12. September zu wählen, möchte ich anregen, sich auf den 20. September zu einigen, den Tag, an dem der Herr Bundeskanzler die Straffreiheit in Aussicht gestellt hat.
    Das Straffreiheitsgesetz soll möglichst einfache Tatbestände schaffen, auch in seiner Durchführung möglichst klar sein. Deswegen hat der Entwurf davon abgesehen, subjektive Voraussetzungen für die Straffreiheit oder weitgehende Ausschließungen der Straffreiheit zu normieren, zum Beispiel Notlage, besondere Zeitverhältnisse, besondere Würdigkeit zur Voraussetzung zu machen oder auf be-


    (Bundesminister Dr. Dehler)

    sondere Eigenschaften wie Heimkehrer und Flüchtlinge abzustellen. Der Entwurf lehnt es auch ab, die Straffreiheit bei einer bestimmten Haltung; etwa „niedrige", „unehrenhafte" Gesinnung, auszuschließen, will auch nicht Täter des Straffreiheitsgesetzes für unwürdig erscheinen lassen, wenn sie vorbestraft sind, sondern will es lediglich auf die Höhe der Strafe abstellen.
    Der Regierungsentwurf sieht vor, daß folgende Strafen unter die Straffreiheit fallen sollen — ob sie nun schon zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt haben oder ob eine Strafe in solcher Höhe zu erwarten ist —: Gefängnisstrafen bis zu einem halben Jahr oder Geldstrafen bis zu 2500 DM allgemein für kriminelle Handlungen. Herausgehoben davon sind nur sogenannte Wirtschaftsvergehen oder Verbrechen; diese sollen der Straffreiheit teilhaftig werden bei einer Strafe bis zu einem Jahr oder 5000 DM.
    Der Bundesrat schlägt eine einheitliche Strafhöhe bei allen Taten vor, und zwar nur bis zu 6 Monaten Gefängnis und bis zu 5000 DM Geldstrafe. Dabei wird als Variante vorschlagen, die Ersatzfreiheitsstrafe für die Geldstrafe zugrunde zu legen, und zwar Amnestie bis zu 6 Monaten Ersatzfreiheitsstrafe, aber äußerstenfalls bis zu 5000 DM. Diese Frage muß im Ausschuß und am Ende von Ihnen entschieden werden.
    Keine Amnestie soll auf jeden Fall gewährt werden für Reststrafen und für Dienststrafen. Es soll auch nicht im Wege der Straffreiheit die Löschung in den Strafregistern durchgeführt werden.
    Ich will mir technische Einzelheiten, besonders in Erinnerung an das, was der Herr Präsident gesagt hat, ersparen. Die Frage der Gesamtstrafbildung ist kompliziert, wenn allgemeine kriminelle Handlungen von Wirtschaftsvergehen unterschiedlich behandelt werden.
    Das Verfahren soll möglichst einfach gehalten werden. Deswegen hat der Vorschlag der Regierung kein Beschwerdeverfahren vorgesehen, wenn die Staatsanwaltschaft der Einstellung zugestimmt hat. Der Bundesrat will zwei Instanzen schaffen. Ich halte das nicht für nötig. Auf jeden Fall soll der Betroffene die Möglichkeit haben, wenn er seine Unschuld nachweisen will, die Durchführung des Verfahrens zu verlangen. Bei Privatklageverfahren ist es notwendig, auch im Sinne der Vereinfachung der Dinge, eine etwas primitive Kostenentscheidung zu treffen; in Abweichung von früheren Regelungen, die vorsahen, daß die Kosten angemessen verteilt werden sollten, mit der Folge, daß der Richter immer wieder in die Notwendigkeit versetzt wurde, den Tatbestand zu erheben und zu werten, sollen grundsätzlich die Gerichtskosten niedergeschlagen werden; im übrigen soll jeder Teil seine Kosten tragen.
    Bedeutsam erscheint die Anregung, die bei Verfahren wegen übler Nachrede, wegen Verleumdung und wegen falscher Anschuldigung dem Verletzten die Möglichkeit zu geben, in einem objektiven Verfahren trotz der Einstellung des Strafverfahrens die Unwahrheit oder die Nichterweislichkeit der aufgestellten Behauptung dartun zu können. Denn es wäre, glaube ich, teilweise sehr bitter, wenn ein in seiner Ehre Verletzter nicht die Möglichkeit haben würde, durch einen gerichtlichen Spruch dartun zu können, daß die Verletzung seiner -Ehre ungerechtfertigt war.
    Ich möchte nachträglich noch einen Punkt zur Debatte stellen, der mir erwägenswert erscheint.
    Infolge der Wirrnisse der letzten Jahre leben viele Menschen illegal. Sie haben sich unter falschem Namen gemeldet, haben sich falsche Ausweispapiere geben lassen, haben gegen das Personenstandsgesetz, die Meldevorschriften und viele andere Bestimmungen verstoßen. Hier handelt es sich um Dauerdelikte, die also über den Stichtag hinweggehen und deshalb keinesfalls unter die Straffreiheit fallen können. Ich schlage vor, daß diese Handlungen im Wege der tätigen Reue der Straffreiheit unterstellt werden können. Ich schlage einen Stichtag bis zum 31. März nächsten Jahres vor. Im Falle der ordnungsmäßigen Anmeldung bis zu diesem Zeitpunkt würde Straffreiheit gewährt werden.
    Unter Straffreiheit sollen auch Ordnungsstrafen fallen, und zwar bis einem Betrage von 10 000 DM.
    Von der Straffreiheit sollen nach der Anregung des Regierungsentwurfes aus politischen Gründen, um die Notwendigkeit der Sauberkeit unseres Staates zu betonen, alle Vergehen und Verbrechen der aktiven und passiven Bestechung ausgenommen werden. Der Bundesrat hat sich dagegen ausgesprochen.
    Auf jeden Fall sind auszunehmen alle Steuerdelikte wie auch die Verfehlungen gegen die Meldepflicht der Vorräte nach dem Soforthilfegesetz. Auf diesem Gebiet besteht die Möglichkeit der tätigen Reue. Wenn der Straffällige von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, besteht kein Anlaß, ihm darüber hinaus Straffreiheit zu gewähren.
    Ich habe damit nur die wesentlichsten Punkte und Probleme, die in diesem Gesetzentwurf behandelt sind, berührt und darf mit der Bitte schließen, die Dinge zu beschleunigen. Leider stand der Gesetzentwurf unter keinem besonders glücklichen Stern. Aus technischen Gründen hat er sich sehr verzögert. Das Gesetz sollte schon längst unter Dach und Fach sein. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie heute zur Verweisung an den Ausschuß kämen und wenn der Ausschuß noch in dieser Woche die Vorlage durchberaten könnte, so daß bei der letzten Plenarsitzung vor Weihnachten die Möglichkeit der Verabschiedung des Gesetzentwurfs bestünde.

    (Beifall bei der CDU und FDP.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Da Punkt 2 der Tagesordnung thematisch den gleichen Gegenstand behandelt wie Punkt 1, bestand Einverständnis im Ältestenrat, daß die Punkte 1 und 2 gemeinsam behandelt werden sollen. Ich frage die antragstellende Fraktion, wer das Wort wünscht.

(Abg. Dr. Reismann meldet sich.)

Ich bitte Herrn Abgeordneten Dr. Reismann, zu Punkt 2:

(Antrag der Fraktion des Zentrums)

das Wort zu nehmen. Wir treten dann in die gemeinsame Aussprache zu den Punkten 1 und 2 ein.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Bernhard Reismann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist leider etwas spät geworden, bis man zu der Beratung des Amnestiegesetzes gekommen ist. Zu den wichtigsten Umständen bei dem Erlaß dieses Amnestiegesetzes sollte es eigentlich gehören, daß es nicht monatelang vorher die Rechtspflege beunruhigt, bevor es beschlossen wird. Wir stehen


    (Dr. Reismann)

    jetzt vor der Notwendigkeit, dieses Gesetz wenigstens noch vor Weihnachten zu verabschieden, das besser schon im Oktober beschlossen worden wäre.
    Nun liegt uns, nachdem das Zentrum den Gedanken des Amnestiegesetzes angeregt hat, ein Regierungsentwurf vor, dessen Großzügigkeit in gewisser Richtung ich gern anerkenne. Ohne hier auf die Einzelheiten eingehen zu wollen, die der Herr Justizminister angeregt hat, unterliegt es für unsere Fraktion keinem Zweifel, daß der Bund für dieses Gesetz zuständig ist. Aus dem Begleitbericht und der Begründung, die der Herr Justizminister soeben gegeben hat, haben wir entnommen, daß man sich sowohl im Bundesrat wie in Kreisen der Regierung ernste Gedanken über die Zuständigkeit gemacht hat. Wir haben von Anfang an die Zuständigkeit des Bundes für gegeben gehalten, weil unter die konkurrierende Gesetzgebung zumindest und in erster Linie die Strafrechtsgesetzgebung fällt und es sich bei dieser Amnestie um einen Gesetzesakt auf dem Gebiete des Strafrechts handelt. Wir haben auch keinen Anlaß, in diesem Punkte allzu ängstlich zu sein, da auch in der Weimarer Zeit, in der die Bestimmungen weniger eindeutig und klar vorlagen, schon Amnestien vom Reichstag beschlossen worden sind.
    Nachdem sich nun sowohl. der Bundesrat wie auch die Regierung auf den Standpunkt der Zuständigkeit gestellt und damit unseren prinzipiellen Standpunkt anerkannt haben, ist die Frage nach dem Stichtag aufgeworfen worden. Man kann natürlich den Stichtag nicht in eine Zeit legen, in der die Menschen schon mit dem Erlaß einer Amnestie rechneten; das würde wie eine Aufforderung wirken, nun drauflos zu sündigen. Ob der Stichtag auf den 12. September oder aus der Sorge, es könnte sich sonst eine Thronbesteigungsamnestie einbürgern, auf einen anderen in der Nähe liegenden Tag gelegt wird, ist für unsere Fraktion ziemlich gleichgültig.
    Wichtiger dagegen ist schon die Frage, wie hoch man den Strafrahmen bemessen soll, der von der Amnestie betroffen wird, und welche Ausnahmen man machen soll. Wenn man Ausnahmen macht — um damit zu beginnen —, so sind wir der Ansicht, daß man sie nicht so umschreiben dürfte wie hier, daß nämlich die Tatbestände der §§ 331 ff. — das betrifft ja die Bestechung zu pflichtwidrigen und nicht pflichtwidrigen Handlungen — allesamt und ohne jede Ausnahme von der Gewährung der Straffreiheit ausgeschlossen sein sollen. Wenn man auch darüber diskutieren kann, ob die Bestechung zu pflichtwidrigen Handlungen, die Gegenstand einer Bestechung waren, ausgenommen werden soll, so muß man sich aber gerade betreffs der Vergangenheit darüber klar sein, wie sehr mancher Beamte und Angestellte im übrigen einer Versuchung ausgesetzt war, von der man sich weithin nicht die richtige Vorstellung macht. Die Not des Selbstversorgers in der großen Stadt muß man sich einmal vor Augen halten und was dabei bei etwas bösem Willen und Denunziationen und vom grünen Tisch aus betrachtet nachher als eine solche Bestechung für nichtpflichtwidrige Handlungen aufgefaßt werden kann. Es ist schwer, hier eine Grenze zu ziehen — zugegeben —, und es kann üble Konsequenzen haben, wenn solche Sitten einreißen würden. Deshalb muß man sich hüten, die Amnestie in diesem Punkte zu weit zu ziehen. Das alles zugegeben! Aber solche Taten gänzlich auszunehmen, scheint mir der Situation der Vergangenheit, unter die man einen Strich ziehen soll, doch nicht gerecht zu werden.
    Wir haben in dem Antrag der Zentrumsfraktion seinerzeit vorgeschlagen, die auf kriminellen Neigungen beruhenden strafbaren Handlungen von der Amnestie auszunehmen. Es ist dagegen eingewandt worden, daß dieser Sachverhalt und Tatbestand rein subjektiv sei, im Innern liege und deshalb schwer festzustellen wäre. Weil wir das anerkannt haben, haben wir von vornherein vorgeschlagen, die Delikte auszunehmen, die wegen ihrer Wiederholung ein Verbrechen darstellen. Wenn man das nicht will, sondern es allein auf die Strafe abstellt, dann allerdings kommt man zu dem nicht zu wünschenden Ergebnis, daß mancher echte Kriminelle von dieser Amnestie profitiert. Wir halten deshalb in diesem Punkte an unserem Vorschlage fest.
    Uns scheint aber, daß man gerade dann, wenn man die echten Kriminellen ausnimmt, den Strafrahmen höher setzen kann. Jetzt sind von der Regierung nur vorgeschlagen Gefängnisstrafen bis zu 6 Monaten und Geldstrafen bis zu 2 500 D-Mark. Die Gefängnisstrafe von 6 Monaten könnte für normale Verhältnisse als ausreichend hoch geschätzt angesehen werden. Wir haben aber damals in der Zeit, um welche es sich hier handelt, nicht in normalen Verhältnissen gelebt, und jeder, der mit der Gerichtspraxis der damaligen Zeit zu tun hatte, weiß, daß der Rahmen von 6 Monaten durchaus keine feste Taxe bedeutete, sondern daß es mehr dem Zufall und dem Geschmack des Gerichts und der Praxis des jeweiligen Amtsrichters überlassen blieb, ob 4 Monate oder 8 Monate Strafe verhängt wurden. Man ging deshalb in all den Fällen zwangsläufig dazu über, eine höhere Strafe zu konzedieren, wo irgendein Wirtschaftsdelikt i eine Rolle spielte.
    Aber diese Ungleichmäßigkeit in der Strafzumessung, von der ich eben sprach, betrifft nicht nur die Fälle von Wirtschaftsdelikten, sie betrifft auch andere Fälle, die am Rande gelegen haben. Ich bin der Ansicht, daß ein Strafrahmen von 6 Monaten nicht ausreichend ist, und gerade das macht es notwendig, die echten kriminellen Taten, nämlich Rückfallsverbrechen, allgemein von der Gewährung der Amnestie auszuschließen, weil wir sonst einen Zufallskreis von Personen erfassen würden.
    Generell bin ich also der Ansicht: man sollte es bei einem Strafrahmen von einem Jahr belassen, und eine Notwendigkeit dafür ergibt sich auch noch aus folgendem Umstande. Es ist Ihnen wohl auch in den letzten Tagen und Wochen aus den Kreisen der an der Rechtspflege Interessierten Personen, aber auch von solchen, die von den Dingen betroffen sind, eine Fülle von Zuschriften und Drucksachen gerade bezüglich dieses Amnestiegesetzes zugegangen. Ich habe dabei festgestellt, daß sich einmal die Notwendigkeit ergab, die Amnestie zeitlich weiter zu erstrecken, als es in unserem ursprünglichen Zentrumsantrag beabsichtigt war. Wir waren dabei von der Notwendigkeit ausgegangen, die Dinge aus der Zeit nach 1945 zu bereinigen, in der Annahme, daß die Straffreiheitsvorschriften, seien es alliierte, seien es solche der Länder, die inzwischen ergangen waren, mit der Vergangenheit schon aufgeräumt hätten. Das ist aber, wie es sich jetzt herausstellt, keineswegs der Fall. Ich lese, daß in Süddeutschland beispielsweise eine Staatsanwaltschaft jetzt noch ein Verfahren gegen einen Mann


    (Dr. Rebmann)

    in Gang bringt, der in der Nazizeit unter Eid, als Zeuge vernommen, fälschlich in Abrede gestellt hatte, Hochverrat getrieben zu haben.

    (Hört! Hört! in der Mitte und links.)

    Also wenn der Mann jetzt noch vor Gericht gestellt werden muß, dann kann man gewiß sagen: es besteht natürlich die Möglichkeit, daß er hinterher, wenn er verurteilt worden ist, begnadigt wird. Aber es ist doch grotesk, jetzt noch ein solches Verfahren durchzuführen!

    (Sehr richtig! beim Zentrum und links. — Zuruf von der SPD: Es ist auch fraglich, ob man da einen Richter begnadigen kann! — Heiterkeit.)

    — Ja, aber von Ihrem witzigen Zuruf ganz abgesehen, meine Herren: wenn der Mann erst dieses ganze Prozeßverfahren durchlaufen muß — eine Niederschlagung kennt unser Recht nicht, und wir wollen sie beileibe nicht einführen -, so muß man doch berücksichtigen, daß das nicht nur e i n Fall ist. Wieviel solcher Dinge mögen noch passiert sein, andere, durchaus vergleichbare Dinge aus jener Zeit und nachher?
    Ich habe bei der ersten Beratung unseres Gesetzentwurfes schon darauf hingewiesen, daß sich jetzt manchmal eine Zusammenrottung der Gesellschaft der gestürzten Nazis ergibt, welche jetzt gegen die anderen losschießen mit Anzeigen nach § 164 des Strafgesetzbuches wegen wissentlich falscher Anschuldigungen, mit Verleumdungsklagen, mit Meineidsanzeigen und ähnlichen.
    Für alle diese Fälle, erst recht aber wegen des zuerst erwähnten, wo sogar eine Meineidsklage in Frage kommt, wo der Mann übrigens sogar zugegeben hat — ich konnte den Sachverhalt nicht näher untersuchen —, daß er sich, als Zeuge vernommen, von der gegen ihn selbst gerichteten Beschuldigung des Hochverrats durch einen Falscheid befreit hat, wäre es absolut erforderlich, den Strafrahmen auf mehr als ein halbes Jahr auszudehnen.
    Und jetzt frage ich Sie: Kommen Sie dann an der Notwendigkeit vorbei, die Gesinnung bei der Amnestie eine Rolle spielen zu lassen? Das war gerade das, was man an unserer Amnestie beanstandet hat. Ich habe gehört und gelesen: ja, daß das Zentrum die Gesinnungstäterschaft bei einer Tat mit politischem Hintergrund mit in Betracht zieht, ist ein Rückfall in nazistische Methoden und Anschauungen! Das hat beileibe mit Gesinnungstäterschaft nichts zu tun. Wenn aber aus solchen Gründen einer strafbar geworden ist, so verdient er eine andere Berücksichtigung als etwa ein rückfälliger Wegelagerer.
    Ich bin also der Ansicht, daß wir in diesem Punkte statt' auf die Regierungsvorlage besser vielleicht auf den Antrag der Zentrumsfraktion zurückgreifen, bin der Ansicht, daß man die Gesinnungstäterschaft berücksichtigen, daß man den Strafrahmen höher setzen muß, der bei der Amnestie Berücksichtigung finden soll, und im übrigen auch gewiß nicht allzu ängstlich und nicht allzu kleinlich sein soll. Gerade bei dieser Amnestie handelt es sich darum, unter eine unheilvolle Periode der jüngsten deutschen Geschichte einen Strich zu ziehen, unter eine Zeit, in welcher manches nicht bloß mit dem Mantel der christlichen Nächstenliebe, sondern als allgemein menschlich verständlich zugedeckt zu werden verdient. Wir alle müssen an unsere Brust schlagen und sagen: wenn wir in der Lage gewesen wären, der manche ausgesetzt waren, über die die Gerichte schon den Stab gebrochen haben, so wäre niemand sicher, daß
    er in der gleichen Versuchung nicht auch gefallen wäre. Ich denke da an die vielen Eigentumsvergehen, die in der Zeit vorgekommen sind, als die Leute ausgebombt, aus ihrer Heimat vertrieben durch die deutschen Länder zogen und nicht wußten, wohin sie ihr Haupt legen sollten. Sind das echte Kriminelle, wenn sie sich dann an anderer Leute Eigentum vergingen?

    (Sehr gut! links und in der Mitte.)

    Der Herr Bundeskanzler selber hat in seiner Regierungserklärung, der Anregung unseres schon vorher eingereichten Amnestieantrages folgend, warme Worte gefunden und mit großem menschlichen Verstehen von einer Amnestie gesprochen. Ich würde es bedauern, wenn jetzt kleinlichere Gesichtspunkte, das Handeln um einen Monat oder einige Monate das herabwerten würden, was damals so großzügig begonnen wurde.
    Im übrigen bin ich der Ansicht, daß die Beratungen unter allen Umständen noch im Monat Dezember zu Ende gebracht werden müssen, damit wenigstens zu Weihnachten, dem Fest des Friedens, diese Dinge geregelt sind und den Leuten, die deswegen in Unruhe sind, die Ruhe wiedergegeben werden kann.

    (Beifall beim Zentrum.)