Rede von
Lisa
Korspeter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung davon gesprochen, daß er beabsichtigt, im Ministerium des Innern ein besonderes Frauenreferat einzurichten. Die Schaffung eines solchen Referats wurde begrüßt. Es wurde allerdings von einigen Rednerinnen auch bereits darauf hingewiesen, daß ein solches Referat keineswegs genüge, um dem Grundsatz des Artikel 3, der die Gleichberechtigung von Mann und Frau vorschreibt, Rechnung zu tragen. Meine politischen Freunde haben von jeher den Grundsatz der Gleichberechtigung für alle Gebiete des Lebens vertreten. Sie haben von jeher für Männer und Frauen die gleichen Möglichkeiten der Entwicklung und Entfaltung gefordert, und es freut mich aufrichtig, daß die Kollegin Kalinke in der Spezialdebatte zur Regierungserklärung uns als d i e Vorkämpfer für diesen Grundsatz anerkannt hat.
Unser Antrag geht nun von dem Gesichtspunkt aus, daß, wenn wirklich dem Artikel 3 entsprochen werden soll, dafür zu sorgen ist, daß in allen Stufen des öffentlichen Dienstes bei der Bundesverwaltung Frauen eingestellt werden, insbesondere auch in leitenden Stellen. Ich betone das Wort „leitenden" ganz besonders. Wir wünschen und fordern die verantwortliche Mitarbeit der Frauen in allen Ministerien entsprechend ihrer gesellschaftlichen Bedeutung und auch entsprechend ihrer Bereitschaft zur Mithilfe am Wiederaufbau Deutschlands. Das heißt also, wir wollen, daß den Frauen genau wie den Männern im öffentlichen Dienst dieselben Chancen gegeben werden. Wir denken dabei nicht nur beispielsweise an die Leitung der Abteilung Jugendwohlfahrt und Wohlfahrtspflege im Innenministerium. Wenn wir allerdings auch der Ansicht sind, daß gerade die Leitung dieser beiden Abteilungen Frauen vorbehalten bleiben sollte — ja wir würden es geradezu nicht verstehen, wenn man darauf verzichten wollte —, so denken wir dabei aber auch an alle anderen Ministerien, in denen Frauen entscheidend und verantwortlich mitarbeiten sollen, um wirklich den Gleichberechtigungsgrundsatz in diesem Punkt in die Praxis umzusetzen. Bis jetzt sind wir leider noch weit davon entfernt. Sie werden mir zugeben müssen, daß, wenn man bei Stellenbesetzungen die Wahl zwischen einem Mann und einer Frau hat, man immer wieder — wenn vielleicht auch die Frau in diesem Falle die Tüchtigere ist — den Mann vorziehen wird. In anderen Ländern gibt es weibliche Minister.
In anderen Ländern gibt es weibliche Diplomaten.
In anderen Ländern ist es zu einer Selbstverständlichkeit geworden.
Bei uns, meine Herren und Damen, erregt die Besetzung eines solchen Postens durch eine Frau immerhin noch ein großes Aufsehen. Das wollte ich damit gesagt haben. Ich habe nicht gesagt, daß es dies bei uns nicht gibt.
Wir sollten es deshalb endlich lernen, die Leistung der Frau ohne jeden Vorbehalt nur als Leistung zu werten.
Gerade der öffentliche Dienst muß bei den Stellenbesetzungen vor allem von dem Motiv der Leistung geleitet sein, nicht zuletzt deshalb, weil der öffentliche Dienst dem öffentlichen Wohl zu dienen hat. Ich darf auch noch dazu sagen — und Kollegin Nadig hat es vorhin schon einmal angeschnitten —, daß wir unter gar keinen Umständen wünschen, daß etwa der Versuch unternommen wird, das materielle Recht der Frauen im öffentlichen Dienst in irgendeiner Weise zu schmälern. Wenn wir beispielsweise aus dem Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen gehört haben, daß trotz des Beamtengesetzes Nr. 15 in der Postverwaltung nicht ein einziger Angestellter zum Beamten gemacht worden ist mit der Begründung, daß dann 40 000 weibliche Angestellte in Frage gekommen wären, dann muß ich sagen, daß das eine Maßnahme gewesen ist, die sich ganz eindeutig gegen die Frauen gerichtet hat.
Es handelt sich in diesem Falle um die vielen weiblichen Postangestellten, die seit einer Reihe von Jahren treu ihren Dienst tun, denen man diese Möglichkeit nicht gegeben hat. Es wäre uns sehr interessant, einmal zu erfahren, wie man die Umgehung des Beamtengesetzes in dieser Hinsicht verantworten will.
Wir begrüßen selbstverständlich das Frauenreferat und glauben, daß, wenn hier die Aufgabe richtig gesehen wird, etwas Gutes im Interesse der Frauen dabei herauskommen kann. In den nächsten Jahren wird eine Reihe von Gesetzen verabschiedet werden müssen, die tief in das Leben der Frau eingreifen und die deshalb sorgfältiger Prüfung bedürfen. Dieses Frauenreferat sollte deshalb zu einer Art Forschungsstelle werden, um die Stellung der Frau in allen Bezirken des Lebens zu untersuchen und zu erforschen. Es handelt sich dabei sowohl um soziologische, rechtliche, bevölkerungspolitische wie um soziale, wirtschaftliche und kulturelle Probleme, die zur Diskussion stehen und die einer Lösung entgegengeführt werden müssen. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen, die die Frau in den Lebensbezirk des Mannes hineingeführt haben, die tragische Tatsache des eminenten Frauenüberschusses und die damit verbundene Notwendigkeit für die Frau, ihren Lebensunterhalt für sich und für ihre Familienangehörigen zu verdienen, verlangen von uns eine Festlegung der neuen Zustände im Recht und Gesetz.
Nirgends, meine Herren und Damen, ist der Kampf zwischen neuen Tatsachen und alten Gewohnheiten so tiefgehend und so unübersehbar wie auf dem Gebiet der Frauenarbeit und Frauenwertung. Hier zu untersuchen, zusammenzufassen,
bei der Gesetzgebung beratend mitzuwirken, das muß die Aufgabe dieses Frauenreferates sein. In den Vereinigten Staaten gibt es im Department of Labor ein Women-Bureau, das wertvolle Arbeit geleistet hat und heute noch leistet. Dieses Büro sollte uns beim Aufbau und bei der Schaffung dieses Frauenreferates als Anregung dienen.
Meine Herren und Damen, um nun unseren Antrag nicht in der Abgeschlossenheit des Kabinetts erledigt zu sehen, fordern wir in Punkt 3, daß nach Schluß eines jeden Kalendervierteljahres dem Bundestag ein schriftlicher Bericht über den Anteil der Frauen im öffentlichen Dienst bei der Bundesverwaltung vorzulegen ist. Das soll kein Mißtrauensbeweis sein. Aber wir glauben — und ich nehme an, daß alle Kolleginnen der Meinung sind —, daß die Öffentlichkeit und dabei ganz besonders die Frauen ein Recht darauf haben, unterrichtet zu werden, ja daß sie sogar darauf warten, zu hören, wieweit die Bundesregierung unserem Antrag entsprochen hat.
Eines, meine Herren und Damen, darf ich zum Schluß noch sagen. Wir würden es sehr begrüßen, ja wir erwarten es eigentlich, daß der Herr Bundeskanzler bei der Einstellung von Frauen — und ich meine dabei ganz besonders bei der Einstellung von Frauen in die leitenden Positionen — sich nicht nur politisch einseitig orientiert, sondern wir sind der Ansicht, daß es notwendig ist, daß er hierbei nach objektiven Gesichtspunkten, das heißt nach der Leistung verfährt.
Ich bitte, daß unsere beiden Anträge heute hier zur Abstimmung kommen.
I Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren! Sie haben die Ausführungen der Antragsteller zu den Tageordnungspunkten 14, 15 und 16 gehört.
Mein Blick geht auf die Uhr. Es liegen bereits drei Wortmeldungen vor. Ich halte es nicht für richtig
— darf ich bitten, mich ausreden zu lassen! -, daß
wir jetzt noch den weiblichen Mitgliedern des
Hauses nun etwa ganze sechs Minuten zur Ver fügung stellen, um ihre Ausführungen zu machen. Mein Gefühl von Ritterlichkeit gegenüber den Damen
verbietet mir das. Außerdem sind wir uns darüber einig, wie ich inzwischen habe feststellen können, daß um 6 Uhr die Fraktionssitzungen beginnen. Ich möchte daher meinerseits dem Hohen Hause den Vorschlag machen, es bei der Entgegennahme der Begründungen der Anträge bewenden zu lassen und die Aussprache über diese Anträge morgen früh auf die Tagesordnung zu setzen.. Die Wortmeldungen, die bereits dafür vorliegen, gelten auch weiter. Darf ich in dem Sinne die Zustimmung des Hohen Hauses erbitten? Ich höre keinen Widerspruch, besonders nicht von männlicher Seite, was mir sehr wertvoll ist.
Zweitens, meine Damen und Herren, wird heute abend noch einmal eine Sitzung des Ältestenrates notwendig sein, weil sich durch den späteren Anfang der Sitzung von heute nachmittag wohl die Notwendigkeit ergeben hat, verschiedene Abänderungen der Tagesordnung vorzunehmen. Außerdem ist es bei dem derzeitigen Stand der Beratung der Tagesordnung zweifelhaft, ob wir etwa bis zum morgigen frühen Nachmittag fertig werden. Ich möchte deshalb die Damen und Herren des Ältestenrats darauf aufmerksam machen, daß ich heute abend etwa zwischen 8 Uhr 30 und 9 Uhr noch einmal durch den Lautsprecher den genauen Termin der Sitzung des Ältestenrats für die Neufestsetzung der Tagesordnung für die morgige Sitzung bekanntgeben werde.
Meine Damen und Herren! Ich unterbreche für heute die 19. Sitzung des Bundestags und berufe sie auf morgen früh 9 Uhr 30 wieder ein.
Mir wird soeben noch eine Mitteilung gegeben, daß die Fraktion der CDU/CSU um 18 Uhr Fraktionssitzung hat. Darf ich auch für andere Fraktionen ähnliches bekanntgeben? - Wenn das nicht der Fall ist, erkläre ich die Sitzung heute für geschlossen bzw. unterbrochen.
19. Sitzung
Zweiter Tag .
Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1949.
Aufhebung des Ausschlusses des Abg. Dr. Schumacher nach § 91 der Geschäftsordnung 572B
Geschäftliche Mitteilungen 572B
Umstellung und Abwicklung der Tagesordnung 572D, 587B
Renner 572D
Frau Dr. Weber 587B
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten Beratung eines Amnestiegesetzes (Antrag der Fraktion des Zentrums) (Drucksache Nr. 17) . . . . 572D
Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 573A, 586C
Dr. Reismann , Antragsteller 574D, 585B
Ewers . . . . . . . . . . 576C
Dr. Etzel 578A
Euler 579A
Leibbrand . . . . . . . 579D
Dr. Kleindinst . . . . . . 580C
Dr. Wahl 581A
Dr. Arndt 582A
Dr. Pfeiffer, Staatsminister und Leiter
der Bayerischen Staatskanzlei . 583B
Loritz 583D
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" . . . . 587C
Schäffer, Bundesminister der Finanzen 587C
Rische . . . . . . . . . 588B
Dr. Fink 589D, Erste Beratung des Entwurfs eins Gesetzes über die vorläufige Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplans und über die vorläufige Rechnungsprüfung sowie über die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1949 (Drucksache Nr. 223) 590D
Schäffer, Bundesminister der
Finanzen 590D, 606A
Dr. Leuchtgens 593B
Rische 596B
Schoettle 598B
Dr. Pünder . . . . . . 602A
Dr. Dr. Höpker-Aschoff 604A, 607A
Schuster . . . . . . . . 605D
Informatorische Teilnahme von Ausschußmitgliedern des Bundestags an entsprechenden Ausschüssen des Bundesrats 601C, 604D
Dr. Dr. Höpker-Aschoff . . . 607A
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache Nr. 238) 607C
Dr. Bertram , Antragsteller . . 607C
Erste Beratung des Entwurfs eines Notgesetzes für die deutsche Hochseefischerei (Drucksache Nr. 221) in Verbindung mit ,den Anträgen der Fraktion der DP betr. Wiederaufbau der deutschen Hochseefischerei (Drucksache Nr. 218) und betr. Notlage der kleinen Hochsee- und Küstenfischerei (Drucksache Nr. 220) . . . . . . . . 610A
Dr. Mühlenfeld , Antragsteller 610B
Gundelach . . . . . . . 610D
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes Aber die Verkündung von Rechtsverordnungen 611B
Dr. Etzel , Berichterstatter . . 611C Dr. Kleindinst (CSU) 613A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 613B Dr. Reissmann (Z) . . . . . . . . 613C
Antrag der Abg. Dr. Middelhauve und Gen. betr. Steuerfreiheit für Weihnachtszuwendungen 614A
Dr. Middelhauve, Antragsteller . . 614A
Dr. Fink 616A
Loritz 616C
Mertins 616D
Antrag der Abg. Renner und Gen. betr
einmalige Winterbeihilfe für Erwerbslose 617A
Harig , Antragsteller . . . 617A
Sabel (zur Geschäftsordnung) 617D
Nuding (zur Geschäftsordnung) 618A
Antrag der Fraktion der BP betr. Stromlieferung . . . . 618B
Dr. Decker , Antragsteller . . . 618B
Dr. Wellhausen 619C
Stücklen 620A
Wönner 620C
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht über den- Antrag der Fraktion der FDP betr. Wiederherstellung der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung für Militärpensionäre und deren Hinterbliebene . 621B
Arnholz (zur Geschäftsordnung) 621B
Euler (zur Geschäftsordnung) 621C
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Fraktion des Zentrums und über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Wartegeld und Pensionen der ostvertriebenen Beamten 621D
Euler (zur Geschäftsordnung) 621D
Dr. Kather (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . 622A
Beschlußunfähigkeit und nächste Sitzung . 622D
Die Sitzung wird um 10 Uhr 16 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler wieder eröffnet.