Rede von
Grete
Thiele
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Herren und Damen, gestatten Sie mir eine kritische Bemerkung zuvor. Der Antrag, bei dem es sich um die Änderung der Geschäftsordnung handelt, wurde mit der Bemerkung zurückgestellt, daß jetzt die 30 Minuten nicht mehr ausreichten, um eine so wichtige Sache zu behandeln. Ich stelle aber fest, daß die Frage der Gleichberechtigung der Frauen soeben zwischen Tür und Angel noch erledigt werden soll.
Da ist es „nicht so wichtig"!
Nun zum Antrag selbst. Die Vorlagen Nr. 176 und Nr. 177 der SPD-Fraktion und unser Antrag auf Drucksache Nr. 206 beschäftigen sich mit der Verwirklichung der im Grundgesetz Artikel 3 Absatz 2 deklarierten Gleichberechtigung. Im Parlamentarischen Rat ist die Forderung der kommunistischen Fraktion, den Rechtsanspruch auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Frauen und Jugendliche auch im Grundgesetz zu verankern, von allen übrigen Parteien abgelehnt worden. Aber im Protokoll des Parlamentarischen Rates ist bei diesem Beratungspunkt ausdrücklich vermerkt worden, daß in der Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" auch beinhaltet ist der Rechtsanspruch der Frauen auf Zahlung von gleichem Lohn bei gleicher Arbeit. Es kommt nun darauf an, diesem Verfassungsgrundsatz durch ein Gesetz auch Wirksamkeit zu verschaffen.
Von allen Forderungen, die die Frauen im Sinne der Gleichberechtigung erheben, ist dies eine der wichtigsten Forderungen. Denn heute stehen Hunderttausende von Frauen im Arbeitsprozeß, haben eine Familie zu versorgen und arbeiten unter Bedingungen, die wesentlich schlechter sind als die der Männer. Eine Weberin zum Beispiel, die im Stundenlohn arbeitet, bekommt nur 80 Prozent des Lohnes, den ein Weber für die gleiche Arbeit bekommt. In meiner Heimatstadt Wuppertal gibt es zum Beispiel eine große Textilfirma, die ihren Betrieb auf der Basis der Frauenlöhne fast als Frauenbetrieb aufgebaut hat. Daher ist auch das
Bestreben der Unternehmer, möglichst Frauenbetriebe oder Frauenabteilungen zu schaffen, damit keine Vergleichslöhne vorhanden sind, damit man aber Löhne geben kann, die sich auf der Ebene der unterschiedlichen Lohnstufe bewegen.
— Sie vergessen dabei aber, daß die Lebenshaltungskosten für die Frauen — —