Rede von
Willy
Stahl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Verehrte Männer und Frauen, ich werde mich kurz fassen; denn die Mittagszeit naht. Ich möchte nur zu den Anträgen Drucksachen Nr. 86 und 197 sprechen. Es handelt sich um die Requisitionen der Hotels und um die Frage des unterbelegten Wohnraums.
Man ist im Ausschuß von der Erkenntnis ausgegangen, daß einem großen Gewerbe, nämlich dem Fremdenbeherbergungsgewerbe, große Schwierigkeiten entstanden sind, speziell in Bayern. Über diese Nachteile, die durch die andauernden Beschlagnahmungen der Hotels und auch des privaten Wohnraums entstanden sind, wird außer in Bayern auch in anderen Ländern geklagt. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einiges Grundsätzliche über das Fremdenbeherbergungsgewerbe sagen.
Das Fremdenbeherbergungsgewerbe ist das friedlichste aller Gewerbe, die überhaupt existieren.
- Gerade dieses, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist in erster Linie imstande, Brücken zu den anderen Nationen zu schlagen. Dazu ist es bereit, und das wird es auch tun.
Wenden Sie nun bitte Ihre Aufmerksamkeit einmal nicht nur auf die bayrischen Gebiete, sondern auch auf meine Heimat, den Schwarzwald. Das ist ein Gebiet, das etwas unglücklich in der Südwestecke liegt, ein Gebiet, das Sie alle kennen unter dem Begriff des Ländchens Südbaden, also eines Ländchens, das in der heutigen Gestalt recht bald zu existieren aufgehört haben wird.
In diesem Lande liegt der Hochschwarzwald, liegt
der Bodensee, nebendran Süd-Württemberg. Dieses
Land hat - Sie müssen mir's glauben — in den Vorkriegsjahren zum großen Teil vom Fremdenbeherbergungsgewerbe gelebt. Der Fremdenstrom kam aus dem Norden und aus dem Land, in dem wir jetzt wohnen. Er hat den Motor in jenem Landesteil angekurbelt. Davon hat nicht nur der Fremdenbeherbergungsmann, der Hotelier, sondern davon haben weite Kreise des Handwerks, des Handels und der Industrie gelebt. Die Verwalter der Gemeinde- und Länderfinanzen können ein Wort davon reden.
Ich möchte Ihnen nur einmal an Hand eines einzigen Beispiels zeigen, daß es so nicht mehr weitergehen darf. Ich greife einen Hotelbetrieb heraus, der dem einen oder anderen von Ihnen vielleicht ein Begriff ist. Das ist das Hotel auf dem Feldberg in 1200 Meter Höhe, das Hotel Feldberger Hof. Dieses Hotel war im Kriege als Lazarett beschlagnahmt und ist nun seit 1945 bis zum heutigen Tage requisitioniert.
- Es ist nicht nur ein Luxushotel gewesen, meine Herren von der Linken, sondern dort hat auch der einfache Wandersmann stets und ständig Unterkunft gefunden. Wer dieses Gebiet kennt, weiß das. Der deutsche Steuerzahler zahlt für diese eine Requisition pro . Monat 37 000 DM Requisitions-gebühren. Dieses Hotel hat in den vergangenen vier Jahren keine Umsatzsteuer, keine Gewerbesteuer, keine Einkommensteuer und keine Kurförderungsbeiträge gezahlt, alles eine Folge dieser Beschlagnahme. Die Beschlagnahme hat erreicht, daß dem badischen Staat und den dortigen Gemeinden jedes Jahr rund eine halbe Million Mark an Geldern verlorengegangen ist. Das Hotel ist im Augenblick von ganzen zehn Gästen belegt. Zur
Betreuung dieser zehn Gäste stehen in dem Hotel 84 Angestellte zur Verfügung. Das ist in der heutigen Zeit ein Unsinn. Sie können mir vielleicht erwidern: im Sommer wird es anders gewesen sein! Das trifft zu; aber zur Beherbergung der Gäste stehen 250 bis 260 Betten zur Verfügung, und selbst in der Hochsaison im Sommer war das Hotel nur mit etwa 120 bis 130 Personen belegt.
Nach vier Jahren Besatzungszeit haben wir wohl ein Recht, die Hohen Kommissare zu bitten, daß sie diesem rechtlosen Zustand ein Ende bereiten. Wir wollen, daß die deutsche Wirtschaft wieder rollt. Dann muß man uns aber auch die Möglichkeit geben, die Wirtschaft dieses Gebiets durch die Hebung des deutschen Fremdenverkehrs selbst anzukurbeln. Es handelt sich hier nicht nur um Hotels, Steuern und Mehrung der Wirtschaftskraft. Es handelt sich nach diesen vier Jahren Nachkriegszeit darum, daß unsere junge Demokratie auch bei der Jugend wieder an Ansehen gewinnt. Ich meine, es wäre eine Geste des Vertrauens angesichts der Not unserer Bevölkerung, wenn man diese Requisitionen beenden und auch den unterbelegten Wohnraum wieder an unsere Bevölkerungsschichten zurückgeben würde. Hierzu mögen die beiden Anträge Drucksachen Nr. 86 und Nr. 197 Wegbereiter sein. Die Bundesregierung möge den Hohen Kommissaren sagen, daß es an der Zeit ist, dieses Unrecht wieder gutzumachen.