Rede von
Dr.
Eugen
Gerstenmaier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Es liegen Ihnen drei Anträge der Fraktion der Bayernpartei vor: Drucksachen Nr. 85, 86 und 87, jetzt Nr. 196, 197 und 198. Erlauben Sie mir, daß ich dazu für den Ausschuß für das Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten folgendes sage:
Zu dem Antrag der Fraktion der Bayernpartei auf Drucksache Nr. 85 hat der Ausschuß beschlossen, Ihnen die Annahme zu empfehlen. Wir sind dabei von der Situation ausgegangen, daß die Bundesregierung sich binnen kurzem mit der Tatsache auseinandersetzen muß, daß die IRO, die Flüchtlingsorganistation der Vereinten Nationen, aufgelöst wird und damit ihre Tätigkeit beendet. Bis jetzt hat die UNNRA bzw. ihre Nachfolgeorganisation, die IRO, rund 6 Millionen DPs aus Europa in überseeische Länder umgesiedelt. Nach dem 30. Juni 1950, dem Datum, zu dem die IRO zunächst aufgelöst werden sollte, würden in Europa schätzungsweise 275 000 DPs verbleiben. Davon würden schätzungsweise 206 000 auf Westdeutschland entfallen. Durch einen Beschluß der Vereinten Nationen ist die Tätigkeit der IRO bis zum 1. April 1951 verlängert worden. Es bleibt aber auch dann, wenn die Tätigkeit der IRO endgültig abgeschlossen sein wird, aller Voraussicht nach im Bereich der Bundesrepublik Deutschland eine Anzahl von etwas über 100 000 DPs, und zwar hauptsächlich solcher DPs, die als nicht mehr wanderungsfähig, das heißt nicht mehr arbeits- und nicht mehr auswanderungsfähig angesehen werden. Die Frage der Versorgung dieser nicht mehr auswanderungsfähigen DPs wird zweifellos an die Bundesregierung herankommen. Es ist der Wunsch des Auswärtigen Ausschusses, den Antrag der Fraktion der Bayernpartei auch deshalb Ihrer Annahme zu empfehlen, weil wir der Überzeugung sind, daß von seiten der Bundesrepublik Deutschland nicht nur eine schöne Geste erfolgen, sondern eine echte Bereitschaft erklärt werden sollte, sich dieser Menschen anzunehmen und für sie in absehbarer Zeit eine besondere Vereinbarung mit den Hohen Kommissaren bzw. der IRO zustande zu bringen. Wir sind der Meinung, daß diese DPs, die sich, einstweilen jedenfalls, nicht unter deutscher Zuständigkeit befinden, in dem Augenblick, in dem sie in deutsche Zuständigkeit übergehen, selbstverständlich wie Inländer behandelt werden sollten und daß sie dann auch den Regeln der Verteilung unterworfen sein sollten, denen etwa die Flüchtlinge unterworfen werden.
Der Antrag Nr. 86, jetzige Drucksache Nr. 197, befaßt sich mit der Neuregelung über die Inanspruchnahme von Privatwohnräumen und von Hotels durch die Alliierten. Er berührt die Frage der DPs unmittelbar und geht über die Frage der DPs hinaus. Der Ausschuß empfiehlt Ihnen auch hier die Annahme, weil er der Überzeugung ist, daß die Neuregelung dieser Inanspruchnahme von Privatwohnraum und von Hotels in der Tat dringend notwendig ist. Soweit es sich um die DPs handelt, glauben wir, daß mit der Annahme dieses
Antrages Nr. 86 der Antrag Nr. 87 der Fraktion der Bayernpartei als erledigt betrachtet werden muß; denn nach den bestehenden Regelungen ist der Wohnraum für DPs alliierter Wohnraum. Er würde also bei der Annahme des Antrages Nr. 86 in die Neuregelung über den Wohnraum der Alliierten in Deutschland eingeschlossen sein.
Der Ausschuß empfiehlt Ihnen deshalb, den Antrag Nr. 87 der Fraktion der Bayernpartei abzulehnen, die beiden anderen Anträge aber anzunehmen.