Meine Damen und Herren! Zweifellos hat die von Frau Abgeordnete Thiele aufgeworfene Frage der Gesamtlage der Jugend ihre Berechtigung; es ist ein schweres und dringendes Problem. Es ist im Jugendwohlfahrtausschuß gestern eingehend darüber gesprochen und entschieden worden, nach einer Untersuchung eine schnelle Lösung dieses Problems zu erreichen. Wir kennen den Standpunkt von Frau Thiele in dieser Beziehung; aber er steht hier nicht zur Debatte. Wir beraten das „Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit." Ich möchte dazu Stellung nehmen.
Nicht nur unsere Meinung, sondern auch die Meinung des Bundesjugendringes und die Meinung der staatlichen Institutionen ist, daß eine Neufassung dieses „Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit" — also eine ganz begrenzte Aufgabe — notwendig ist; erstens, um die Himmlersche Polizeiverordnung von 1943 endlich einmal verschwinden zu lassen, und zweitens, um eine fortschrittlichere Auffassung vom Jugendschutz auf diesem Gebiet gesetzlich niederzulegen. Wir begrüßen in diesem Entwurf, daß die notwendig werdenden Erziehungsmaßnahmen für die Jugendlichen über die Jugendämter und nicht durch die Polizei erfolgen sollen. Wir begrüßen ferner, daß die Härte der Bestrafung bei Übertretungen auf die Unternehmer und Veranstalter übergeht, die einen weitaus größeren Kreis der Jugendlichen schützen können, als es die einzelne
Erziehungsmaßnahme für den Jugendlichen vermag.
Zu § 1 dieses vorgelegten Gesetzes möchte ich jedoch erklären, daß wir uns nicht mit ihm einverstanden erklären können. Wir halten es für psychologisch falsch, die Jugend einleitend gleich mit dem Begriff „umhertreiben" anzusprechen. Dieser Begriff ist nicht sehr anziehend, er ist außerdem rechtlich nicht eingeengt genug, er ist zu dehnbar, und es besteht die Befürchtung, daß er keine einheitliche Auslegung im Bundesgebiet erfährt. Bei Berücksichtigung der realen Verhältnisse der heutigen Jugendnot, nämlich der Wohnungs- und Heimnot wird mit diesem Begriff ganz zweifellos eine objektive Feststellung des Tatbestandes erschwert, ja unmöglich gemacht, so daß er praktisch keine Wirkung hat. Das Gesetz wird zudem als erstes Gesetz für die Jugend in dieser Form sehr wenig Sympathien bei der Jugend erwecken, und es wird — als verkehrte Folge einer solchen Bezeichnung — die ordentlichen Jugendlichen im Hause halten, da sie sich fürchten, auf die Straße zu gehen.
Zu § 4 möchte ich bemerken, daß man dem Erziehungsberechtigten nur in festgestellten Fällen von Erziehungsunfähigkeit die Verantwortung für den Jugendlichen abnehmen kann. In seiner Begleitung kann einem Jugendlichen auch kein Verbot auferlegt werden, an einer Tanzveranstaltung teilzunehmen. Wir möchten hier um eine entsprechende Abänderung ersuchen.
Ferner möchten wir hinter den § 6 einen § 7 einschieben, der das Verbot der Teilnahme von Jugendlichen bis zu 18 Jahren an Wettveranstaltungen erfaßt. Wir halten die Gefährdung des Jugendlichen durch Wettveranstaltungen, wie z. B. des Toto, für außerordentlich groß, da der verhältnismäßig geringe geldliche Einsatz bei diesen Wetten den Jugendlichen leicht verführt, daran teilzunehmen und eine Wettleidenschaft in ihm zu erwecken, die zweifellos eine große Gefährdung zur Folge haben kann. Die Durchführung eines solchen Verbotes ist relativ leicht, wenn man auf dem Wettschein das Geburtsdatum einfügen läßt und hinzufügt, daß Wettgewinne nur an Jugendliche über 18 Jahre ausgezahlt werden.
Einige stilistische Änderungen werden wir im Ausschuß formulieren und dort beantragen.
Wir haben zum § 8 den Antrag gestellt, den Nachsatz des ehemaligen Stuttgarter Entwurfes auch hier aufzunehmen, der heißt, daß die Unternehmer nicht nur durch Aushang kenntlich machen müssen, daß die Jugendlichen dort entsprechend den Jugendschutzbestimmungen behandelt werden müssen, sondern daß noch hinzugefügt wird: „ Die Erfüllung der Aushangpflicht entbindet die Unternehmer nicht davon, sich im Zweifelsfall über das Alter von Besuchern durch Einsichtnahme in die Ausweise zu vergewissern."
Im großen und ganzen, meine Damen und Herren, sind wir der Meinung, daß dieses Gesetz nur eine negative Fürsorge für unsere Jugend ist. Einem positiven Vorschlag zum Schutze der Jugend könnten wir mit mehr Überzeugung beistimmen. Einen wirklichen Schutz der Jugend vor Gefährdung und vor Verwahrlosung sehen wir in dem Bau von Jugendheimen, Volkshäusern, Bücher- und Lesehallen, in der Heranführung der Jugend an die Kulturwerte, die ihr den Halt geben, den sie in ihrer zerrütteten Umwelt braucht. Wir hoffen, daß wir auch in dieser Be-
ziehung sehr bald Vorschläge von der Regierung erhalten in Verwirklichung der Worte des Herrn Bundeskanzlers bei seiner ersten Regierungserklärung, in der er sagte: „Wir werden versuchen, unsere Pflicht gegenüber der jungen Generation anders zu betrachten, als das bisher geschehen ist; sie trägt die Zukunft Deutschlands in den Händen." In diesem positiven Sinne möchten wir künftig den Schutz für die Jugend gesehen haben.
Wir beantragen, dieses Gesetz an den Ausschuß 'zu verweisen und die beantragten Änderungen dort zu überarbeiten.