Rede:
ID0101704900

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    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
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    6. Abgeordnete: 1
    7. Dr.: 1
    8. Schumacher.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 17. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 15. November 1949 397 17. Sitzung Bonn, Dienstag, den 15. November 1949. Geschäftliche Mitteilungen 397B Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung 397C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 397C, 408B, 442A, 447C Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung 400C Dr. Schumacher (SPD) . . . 400C, 446A Dr. Gerstenmaier (CDU) 408D Dr. Schröder (CDU) . . . . . . 413B Euler (FDP) ....... . 417C Dr. von Merkatz (DP) . . . . . 421D Dr. Seelos (BP) 424A Reimann (KPD) . . , . . . . 427A Loritz (WAV) 429D Frau Wessel (Z) ...... . 431B von Thadden (NR) . . 434D Dr. Ott (Parteilos) ..... . 437B Dr. Becker (FDP) 437D Storch, Bundesminister für Arbeit 438D Dr. Schmid (SPD) . . . . . 439C Fisch (KPD) 444D Dr. von Brentano (CDU) . . . 447D Nächste Sitzung 448D Die Sitzung wird um 15 Uhr 6 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Anton Storch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    und wie steht es mit den Arbeitsplätzen von Hunderttausenden deutscher Menschen, die jetzt durch die Eingliederung Westdeutschlands in die Marshallplanpolitik, in die Politik des Atlantikpakts, unter das Diktat der amerikanischen Millionäre, in Frage gestellt werden? Wieviel weitere Arbeitsplätze werden für den deutschen Arbeiter verlorengehen, weil sich die Bundesregierung mit der Einordnung in ein System einverstanden erklärt, das
    unter der Anführung amerikanischer Imperialisten Europa zu einem organisierten Absatzmarkt überschüssiger amerikanischer Waren zu machen gedenkt? Es gibt eine ganze Reihe anderer wertvoller Preise, die die Regierung freiwillig angeboten hat. Wofür? Nicht dafür, um geringfügige Scheinerfolge in der Demontagefrage zu erzielen, sondern um der westdeutschen Bundesrepublik den Schein der Gleichberechtigung im Westpakt, im Atlantikpakt, im Kriegspakt des westlichen Imperialismus zu verschaffen. Es handelt sich darum, daß man in jener provozierenden Kriegsfront einen Platz an der Sonne einnehmen möchte. Es handelt sich darum, daß man die Wünsche 'nach Gestellung deutscher Fußvolkdivisionen schneller erfüllen möchte, als es von gewissen amerikanischen Abgeordneten und Generälen gefordert wird. Es handelt sich darum, daß man das deutsche Industriepotential, die deutsche Schwerindustrie, das deutsche Verkehrssystem und die deutschen Menchen jener verhängnisvollen Politik zur Verfügung stellen möchte, die Europa und die Welt erneut in das fürchterliche Elend eines Krieges hineinzustürzen gedenkt.
    Hier sind heute Leute aufgetreten, die glaubten, vor einem Hauptfeind Nr. 1 warnen zu müssen, und es ist kein Verdienst des Sprechers der sozialdemokratischen Fraktion, wenn er meinte, er müßte in der Auseinandersetzung mit der Bundesregierung über ihre volksfeindliche Geheimdiplomatie ausgerechnet darauf hinweisen, daß Deutschland vor der russischen Gefahr als vor der Hauptgefahr stehe.

    (Abg. Dr. Schmid: Doch, das ist ein Verdienst!)

    — Herr Kollege Schmid, wir werden uns in einigen Jahren wiedersprechen, und dann wird die Bilanz von selbst erweisen, von welcher Seite der deutschen Arbeiterklasse und dem deutschen Volke die wirkliche große Gefahr droht.

    (Beifall bei der KPD.)

    Dann, Herr Kollege Schmid, werden Sie wieder einmal bekennen müssen, daß Sie wie schon so oft in Ihrem Leben vor dem späten Eintritt in die Sozialdemokratische Partei auf der falschen Seite gestanden haben.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Meine Damen und Herren! Wir wenden uns nicht nur gegen die Methoden der Geheimdiplomatie und der Doppelzüngigkeit, sondern auch dagegen, daß wertvollste Teile des deutschen Volksvermögens zum Ausverkauf angeboten worden sind. Wir wenden uns dagegen, daß das deutsche Volk zum Objekt geheimer internationaler Verhandlungen gemacht wird. Wir wenden uns dagegen, daß das deutsche Volk eine Schachfigur auf dem Brett moderner Kriegstreiber ist.
    Darum ist es nicht bloß erforderlich, heute aus Anlaß der Regierungserklärung den Herrn Adenauer zu kritisieren, sondern es ist nötig, allen denjenigen draußen im Lande, die die Freiheit und den Frieden lieben, die sich dem Doppeljoch internationaler Ausbeutung und der Ausbeutung durch den deutschen Monopolkapitalismus entziehen wollen, zuzurufen: es ist Zeit zum gemeinsamen Handeln! Denn die kühlen Rechner jenseits des Ozeans werden vor nichts anderem Respekt haben als vor der sich schließenden großen demokratischen Front der deutschen Nation. Das allein fürchten sie. Wenn im Verlaufe der letzten Woche einige geringfügige


    (Fisch)

    Anfänge gemacht worden sind, um dem deutschen Volk in Westdeutschland das einheitliche Handeln zu erleichtern, wenn es gewisse Gespräche über Parteigrenzen hinüber gegeben hat, die den Deutschen in den Betrieben, den Arbeitslosen und den Flüchtlingen die große Gefahr des Heute leichter darstellen können, um sie zum Handeln zu bringen, dann können diese Vorgänge um die Pariser Außenministerkonferenz zu einem Start, zu einer wirklichen Mobilisierung aller guten und aller patriotischen Kräfte des deutschen Volkes werden.

    (Lebhafter Beifall bei der KPD.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schumacher.

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    Rede von Dr. Kurt Schumacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Die Aufgabe des heutigen Tages war eine politische Auseinandersetzung; aber diese Aufgabe ist als solche nicht von allen Rednern gewollt, mindestens von einer Anzahl nicht bewältigt worden.

    (Abg. Dr. Strauss: Da meint er sich selber!)

    Es hat sich nicht darum gehandelt, eine plötzliche Vorliebe für gute Sitten zu entdecken und hier im Stile eines mittelalterlichen Minnesängers über den Verfall der höfischen Sitten zu jammern.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir hätten in unseren Kreisen außerordentlich viel
    Gelegenheit gehabt, solche Klagen, zu erheben;
    aber wir haben im Hinblick auf die Persönlichkeiten, die sich gewisser Methoden und Invektiven
    bedient haben, gar nicht daran gedacht, auf dieser
    Ebene einen politischen Kampf austragen zu wollen

    (Zurufe in der Mitte)

    oder ihn von solchen Erwägungen auch nur beeinflussen zu lassen.
    Es hat mich überrascht, daß den Herrn Bundeskanzler zum Schluß doch noch in diesem erschrekkenden Maß die Nerven verlassen haben.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Zurufe in der Mitte und rechts. — Abg. Strauss: Und euch hat der Heilige Geist verlassen!)

    Auch ich hätte Veranlassung gehabt, mit Zeitungszitaten, wie sie der Herr Bundeskanzler gebraucht hat, die mir gewisse Formulierungen in den Mund legten, vor das Hohe Haus zu treten. Ich möchte aber zur Sache folgendes bemerken. Was die politische Quintessenz dieser beanstandeten Formulierungen betrifft, so ist sie für einen Sozialdemokraten eine Selbstverständlichkeit.

    (Abg. Strauss: Danke schön!)

    Was aber gewisse Formulierungen betrifft, so hat natürlich die journalistische Phantasie auch Entwicklungsmöglichkeiten. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, daß vor nicht allzu langer Zeit der Herr Bundeskanzler an meinem breiten Männerbusen über die unrichtige Berichterstattung des großen Teils des deutschen Journalismus heftig geweint hat.

    (Lachen in der Mitte.)

    Wir wollen keine Ablenkung auf diese Ebene zulassen, wenn es um die hauptsächlichen politischen Dinge geht. Ich verzichte sogar in diesem Zusammenhang darauf, auf ungeheuerlichste Invektiven des offiziösen Presseorgans der ChristlichDemokratischen Union, ides „Demokratischen Uniondienstes" oder des Leibblattes des Herrn Bundeskanzlers einzugehen. Nur soviel möchte ich dazu sagen. Die politische Philosophie der Partei, auf die sich der Herr Bundeskanzler stützt, erschöpft sich darin, daß ihr Zentralorgan konstatiert hat: Der Schumacher will diese Politik der Sozialdemokratie deswegen aufzwingen und steht darum in Opposition zur Bundesregierung, weil er es nicht verwinden kann, nicht Bundeskanzler geworden zu sein.

    (Lachen bei der SPD.)

    Muten Sie mir zu, mich auf dieser Ebene mit Ihnen auseinanderzusetzen, und muten Sie es der Sozialdemokratischen Partei zu?

    (Zurufe in der Mitte.)

    Warum hat sich denn der Herr Bundeskanzler
    — das möchte ich bei der schärfsten politischen Gegnerschaft doch fragen — auf dieses Niveau herab bemüht?

    (Abg. Strauss: Auf Ihre Ebene!)

    — Na, hören Sie einmal: jeder versteht es so gut, wie er kann; und Ihr Zwischenruf veranlaßt mich zu einem Goethe-Zitat — Sie werden lachen —: „Du gleichst dem Geist, den Du begreifst, nicht mir!"

    (Bravorufe und Händeklatschen bei der SPD. — Abg. Strauss: Einbildung kann wohl nicht schaden! — Weitere Zurufe.)

    — Großer Gott, jetzt haben Sie auch noch die Volksversammlung im Hause. —
    Der Herr Bundeskanzler hat sich sehr zitatenfreudig auf den Gebieten des Freiherrn von Freytagh-Loringhoven und des Herrn Strasser gezeigt. Er hat mit dieser Zitierkunst etwas getan, was man bei einer ernsthaften politischen Auseinandersetzung nicht tun sollte. Er hat nämlich die Politik des Vergleichs der unvergleichbaren Größen angewandt.

    (Zurufe in der Mitte.)

    Ich zitiere nur einen, nämlich den Herrn Bundeskanzler Adenauer. Er hat zum Beispiel 1946 erklärt, die Sozialdemokraten seien in Gefahr, vom deutschen Volk als die Lakaien Seiner Majestät des Königs von Großbritannien betrachtet zu werden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das ist Nationalismus. Der Herr Bundeskanzler hat im Juni 1948 erklärt und in der „Welt" geschrieben: Angesichts der Ereignisse der Londoner Konferenz gebiete es die deutsche Ehre, die Kooperation mit den Alliierten zu verweigern.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das ist Nationalismus. Und jetzt noch, in diesen letzten Wochen, hat der Hinweis auf den besatzungsfreien Rayon in dieser Stadt Bonn nach der Meinung des Herrn Bundeskanzlers auch etwas mit nationaler Ehre zu tun gehabt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Als der Herr Bundeskanzler nach meiner Rede unter völligem Verzicht auf eine sachliche Antwort gewisse Methoden suchte, um den sozialdemokratischen Standpunkt zu entkräften, zu degradieren, da hat er wieder so auf Verbindungen mit fremden Regierungen angespielt. Ich darf den Herrn Bundeskanzler fragen: Welche Regierung meinen Sie, Herr Bundeskanzler?

    (Abg. Strauss: Wissen Sie das nicht selber?)

    — Hören Sie einmal, wir wollen doch nicht den Grad der Unsauberkeit, die sich in dieser Berner-kung ausdrückt, als gemeinsame Formel deutscher Parlamentspolitik annehmen!

    (Sehr gut! und Händeklatschen bei der SPD. — Abg. Strauss: Haben Sie eine bessere Erfahrung?)



    (Dr. Schumacher)

    Der Herr Bundeskanzler hat sich dabei auch nicht recht überlegt, daß man zu gleicher Zeit, in der man Europa und die internationale Verständigung proklamiert, nicht mit den Mitteln eines nationalistischen Agitators argumentieren darf.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Das hatte er sich offenbar nicht überlegt.
    Wenn es ein schlechtes Vorzeichen für die Londoner und Pariser Debatte gibt, dann ist es der Verzicht beim größten Teil der Herren Redner des heutigen Nachmittags und vor allem in eklatanter Weise beim Herrn Bundeskanzler selbst, auf politische Argumente politisch zu antworten.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir haben ja nicht nur eine Linie unseres Wollens dargelegt. Wir haben eine ganze Reihe konkreter Vorschläge über materielle Zielsetzungen bei Verhandlungen und über die Methode der Verhandlungen gehabt.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Auf diese erste Rede des heutigen Nachmittags hat keiner der Vertreter der Regierungsparteien und hat vor allem der Herr Bundeskanzler nicht geantwortet.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Die Standpunkte, wie sie die Bundesregierung speziell in den Fragen der ausländischen Finanzierung deutscher schwerer Industrie, des Saargebietes, des Ruhrstatuts und der Ruhrbehörde hat, sind den sozialdemokratischen Ansichten diametral entgegengesetzt. Ein Versuch, sie auf eine annähernde Gemeinsamkeitsformel zu bringen, hat wenig Aussicht gehabt. Aber man kann, wenn man diesen Versuch von seiten des Herrn Bundeskanzlers und seiner Gefolgschaftsleute überhaupt nicht gemacht hat, sich dann hier nicht hinstellen und das Monopol der Erkenntnis von gut und böse, von wahr und richtig proklamieren.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich meine, daß dieser Kampf bei allem Wunsch, in der Außenpolitik möglichste Annäherung zu erreichen, zwischen uns, Herr Bundeskanzler, unvermeidbar ist; denn es ist der Kampf zwischen zwei Welten, einer versunkenen Welt, als deren Sprecher Sie heute gelten dürfen

    (Heiterkeit und Rufe rechts: Aha! — Beifall bei der SPD)

    und mit deren Argumenten Sie heute operieren. Jedenfalls ist es insofern eine versunkene Welt, als hier der Versuch gemacht worden ist, autoritär alles niederzublitzen, was nicht an die Gottähnlichkeit des Herrn Bundeskanzlers glaubt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Unruhe in der Mitte.)

    Sie werden mir verzeihen, Herr Bundeskanzler, ich kann nur sehr schwache Ähnlichkeiten zwischen Gottvater und Ihnen finden.

    (Lachen und Zuruf rechts: Wie schwach!)

    Ich kann weiter sagen, daß wir auch nicht an die politische Berufung der Kreise glauben, deren Repräsentant der Bundeskanzler bei Verwertung des Standpunktes der Vereinigten Stahlwerke gewesen ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir halten diese Kreise für schädlich, und der Herr Bundeskanzler hätte wohl gut daran getan, wenn er sich nicht, sehr gekränkt und rein persönlich und gar nicht politisch die Dinge betrachtend, zu der Drohung hätte hinreißen lassen, was er mit dem
    bösen Auswärtigen Ausschuß machen will. Der Auswärtige Ausschuß ist nicht das Instrument meines Freundes Carlo Schmid; der Auswärtige Ausschuß ist eine Instanz des Parlaments!

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Da wollen wir einmal sehen, wie Sie in der Lage sein werden, diese Auseinandersetzung zu führen. Ich sage Ihnen das offen: dann werden alle Teile noch Gelegenheit haben, so leichtfertige Kriegserklärungen gegebenenfalls einer kritischen Revision zu unterziehen.
    Wir haben gesehen, daß es der Mangel einer politischen Planung ist, der den Bundeskanzler und seine Regierung in diese Position der Verärgerung und der persönlichen Polemik geführt hat. Wir wünschen, diese Polemik nicht persönlich zu führen. Wir wünschen die große politische Auseinandersetzung, und bei dieser ist der deutschen Sozialdemokratie nicht bange; denn sie vertritt die Notwendigkeiten des deutschen Volkes, die in diesem Fall konform sind mit den Notwendigkeiten der Neuorganisation Europas.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe rechts.)