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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 17. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 15. November 1949 397 17. Sitzung Bonn, Dienstag, den 15. November 1949. Geschäftliche Mitteilungen 397B Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung 397C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 397C, 408B, 442A, 447C Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung 400C Dr. Schumacher (SPD) . . . 400C, 446A Dr. Gerstenmaier (CDU) 408D Dr. Schröder (CDU) . . . . . . 413B Euler (FDP) ....... . 417C Dr. von Merkatz (DP) . . . . . 421D Dr. Seelos (BP) 424A Reimann (KPD) . . , . . . . 427A Loritz (WAV) 429D Frau Wessel (Z) ...... . 431B von Thadden (NR) . . 434D Dr. Ott (Parteilos) ..... . 437B Dr. Becker (FDP) 437D Storch, Bundesminister für Arbeit 438D Dr. Schmid (SPD) . . . . . 439C Fisch (KPD) 444D Dr. von Brentano (CDU) . . . 447D Nächste Sitzung 448D Die Sitzung wird um 15 Uhr 6 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Alfred Loritz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte heute zu vorgerückter Stunde Ihnen nicht etwa auch noch eine Rede vom Blatt ablesen, wie das einige meiner Vorredner getan haben.

    (Zuruf rechts: Sehr richtig!)

    Ich möchte Ihnen nur in wenigen Sätzen den Standpunkt der WAV zu diesen so enorm wichtigen Dingen wie Ruhrstatut, Saarlandfrage usw. darlegen.
    Wenn ein Charakteristikum der Diplomatie, wie Talleyrand gesagt hat, die subtilité ist, das feine Fingerspitzengefühl, dann muß man allerdings sagen, daß sich die deutsche Diplomatie noch sehr in den Anfängen befindet. Was in den letzten 8 bis 14 Tagen auf außenpolitischem Gebiet an Porzellan zerschlagen worden ist, das ist schon


    (Loritz)

    ein großer Haufen voll Trümmer. Die Folgen davon wird unser armes Volk zu tragen haben. Da können wir nun leider die Regierung Adenauer nicht von aller Schuld daran freisprechen, daß soviel Porzellan zerhauen worden ist. Denn - darüber gibt es gar keinen Zweifel — entweder wir haben eine Demokratie; dann muß die Willensbildung vom Volk und vom Parlament ausgehen. Oder wir haben k eine Demokratie, sondern ein System, das wir schon aus der Vergangenheit kennen; dann tut eben ein Mann oder ein kleiner Kreis von Männern das, was ihnen beliebt, ohne vorher das Volk oder seine Vertretung zu fragen. Ich glaube, es geht bei der ganzen Sache um eine Grundsatzfrage, nämlich: Soll das Parlament und sollen die Abgeordneten nichts anderes sein als eine Informationsstelle, die die Informationen, die sie nachträglich von der Regierung über die Handlungen erhalten haben, die die Regierung schon vorgenommen hat, an ihre Wähler weiterzugeben hat, oder soll das Parlament mehr sein: soll das Parlament Gestalterin des politischen Willens im Lande sein?
    Da müssen wir folgendes sagen: Mag es manchem hart klingen — aber man hätte es anders handhaben können. Schon lange, mindestens in den letztvergangenen Wochen hätte in diesem Hause eine große außenpolitische Debatte stattfinden müssen, in der die Regierung von allen Seiten her Fingerzeige bekommen hätte, wie das Parlament in seiner Mehrheit denkt. Das ist leider nicht geschehen. Man kann vielleicht sagen, der Kreis hier sei zu groß. Wir bezweifeln das. Wir glauben, daß der Kreis des Parlaments klein genug ist, und glauben, daß man nicht immer auf noch weiter verkleinerte Kreise zurückgreifen muß, mögen sie außenpolitisch r Ausschuß, Ältestenrat oder sonstwie heißen. Wenn die Regierung wirklich Angst gehabt hätte, daß vielleicht ein bißchen zuviel über dies und jenes im Parlament geredet worden wäre, dann hätte sie immerhin den außenpolitischen Ausschuß einschalten müssen, um sich dort die Grundlage für die von ihr einzuschlagende Politik zu holen. Das hat sie nicht getan. Damit hat sich die Regierung leider ihre Initiative selbst entwertet. Denn darüber sind wir uns doch klar: Jeglicher außenpolitische Schritt Deutschlands, sei es im Verhältnis zu Frankreich, sei es im Verhältnis zu anderen Staaten, hat nur dann einen Sinn und Zweck, wenn er nicht bloß von der kargen Regierungsmehrheit, die heute existiert, von ein paar Stimmen mehr im Parlament getragen wird, sondern von der weitaus überwiegenden Masse des deutschen Volkes. Da ist das Grundübel an der heutigen Situation zu suchen!
    Die Außenpolitik der Regierung muß mehr sein als die Innenpolitik. Mag die Regierung versuchen, auf dem Gebiet der Innenpolitik jeweils mit einer ganz knappen Mehrheit durch die Katarakte der Abstimmungen' im Parlament durchzukommen; bezüglich der Außenpolitik müssen wir dafür sorgen, daß 80 Prozent, ja 90 Prozent der Bevölkerung hinter den Akten der Regierung stehen. Da verlangen wir von der WAV: Unser Volk muß eingeschaltet werden, unser Volk bzw. die gewählten Volksvertreter müssen rechtzeitig informiert werden, was die Regierung dem Ausland gegenüber für Angebote macht, weil nur dann die Angebote der Regierung wirklich einen Sinn und einen Zweck haben. Meine Damen und Herren, diesen Grundsatz bitte ich die Regierung doch endlich einmal beherzigen zu wollen. Sie soll zuerst aus dem Volk heraus Richtlinien und Grundlagen für ihre Politik gewinnen. Schauen Sie hinüber nach den Vereinigten Staaten von Amerika! Wie ist es dort, wie war es unter Präsident Roosevelt, wie ist es heute? Zuerst wird sondiert, wie das Volk denkt. Erst dann kann es eine Regierung überhaupt wagen und riskieren, dort, wo wirklich entscheidende Lebensinteressen der Nation in Frage stehen, außenpolitisch irgendwie hervorzutreten.
    Meine Damen und Herren, die Regierung hat leider schon einen unglücklichen Start auf dem Gebiet der Geldabwertung gehabt, wo wir Abgeordneten durch Journalisten informiert worden sind, was von seiten der Regierung geschehen war. Ich finde, auch auf dem Gebiet der Außenpolitik, wo sie jetzt die ersten zaghaften Schritte zu tun hatte, hat sie einen ebenso unglücklichen Start gehabt. Wir beschwören die Regierung, sie möchte bei den kommenden so wichtigen Dingen nicht ebenso verfahren, wie sie es bisher getan hat. Wir fordern die Regierung auf, endlich einmal die Bevölkerung und das gewählte Parlament einzuschalten. Sonst haben wir nämlich keine Demokratie, sonst haben wir die Herrschaft einer kleinen Clique.
    Wir haben leider auf einige Fragen, die heute aus der Mitte des Hauses an die Regierung gerichtet worden sind, noch keine Antwort bekommen. Wir haben zum Beispiel keine Antwort darauf bekommen, ob es in unserem Volke zweierlei Leute gibt, nämlich die einen, die entgegenzunehmen haben. was die Regierung beschlossen hat, und die anderen, die vielleicht durch ihren besonders großen Geldbeutel — siehe Herrn Pferdmenges — in die Lage versetzt werden, direkte Außenpolitik zusammen mit der Regierung zu treiben.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich weiß, wie gesagt, nicht, wie es mit diesen Gerüchten um Herrn Pferdmenges steht. Ich glaube aber, der Mann war nicht legitimiert, wenn er wirklich zu diesen so wichtigen Besprechungen eingeladen worden sein sollte, als ein Volksvertreter aufzutreten. Wenn er das gewollt hätte, hätte er sich ja zur Wahl stellen können. Er hätte auf dem Weg, wie wir es alle haben tun müssen, versuchen können, hier als legitimierter Volksvertreter aufzutreten. Wenn er das aber nicht getan hat, möge er bitte aus so diffizilen Verhandlungen draußen bleiben. Wir fordern dann mit mindestens demselben Recht, daß der brave Bergarbeiter aus dem Ruhrgebiet und der brave Mittelständler aus der Stadt Köln ebenso zu diesen Besprechungen hinzugezogen wird. Uns scheint entscheidend zu sein, daß die Regierung daran denkt, was in der Verfassung so schön niedergelegt ist, daß die Staatsgewalt vom Volke ausgeht und sonst von gar niemand anderem. Wir verlangen, daß diese wichtigsten Fragenkomplexe, sei es Ruhrstatut, sei es Saarlandfrage, dem Volk vorgelegt werden, bevor die Regierung hier entscheidende Schritte tut. Schauen wir nur das französische Parlament an, wie hier dem Parlament die Entscheidungen vorbehalten sind. Ich gehe sogar noch weiter, ich gehe so weit, zu verlangen, daß nicht bloß die Abgeordneten, sondern unsere Bevölkerung direkt gefragt wird. Denn der Zustand muß überwunden werden, daß die Bevölkerung auf dem außenpolitischen Schachbrett hin- und hergeschoben wird, als sei sie eine Ware. Wir erkennen nichts anderes an als das, was von unserem Volk beschlossen wird.


    (Loritz)

    Ich glaube, wir haben unser Volk und seine Stimme nicht zu fürchten.
    Meine sehr verehr ten Damen und Herren von der Rechten, unser Volk will zum weitaus größten Teil ein enges Übereinkommen mit den Weststaaten, um endlich einmal eine Freundschaft mit den Nationen zu haben, mit denen wir auf Gedeih und Verderb zusammenstehen müssen, wenn wir die größten Gefahren für die Kultur des Abendlandes, die seit der Perserzeit eingetreten sind, bannen wollen. Wir haben unser Volk nicht zu fürchten, und wir fürchten unser Volk nicht. Gerade deshalb fordern wir: schaltet unser Volk ein! Wenn ihr Demokraten sein wollt, dann denkt daran daß Demokratie Volksherrschaft heißt. Dann wird es solche Mißgriffe und solche Entgleisungen nicht mehr geben. Dann wird sich zeigen, daß der Weg über die Befragung des Volkes nicht etwa ein kostspieliger Umweg ist, sondern daß es gerade auf diesem Wege vermieden wird, daß Scherbenhaufen in der Außenpolitik entstehen, wie wir es jetzt beobachten müssen. Es ist tief bedauerlich, wenn man feststellen muß, daß hier die Annäherung an Frankreich durch all die Dinge, die in den letzten Wochen passiert sind, nicht gefördert, sondern zum Teil sabotiert wurde. Um so mehr rechtfertigt sich der Ruf, den wir heute an die Bundesregierung richten wollen, sie möge einmal mit Regierungsmethoden brechen, die der Vergangenheit anzugehören haben und nicht wiederholt werden dürfen; sie möge endlich einmal eine möglichst breite Basis für ihre Politik und ihre Vorschläge schaffen. Dann erst wird sie in der Lage sein, außenpolitisch als eine quantité respectable betrachtet zu werden, als eine Größe, die man ernst nimmt, aber nicht als Leute, die zwar schöne Redensarten und Angebote I machen, hinter denen aber nicht das Volk steht.
    Das ist die Meinung der kleinen Gruppe, die die WAV heute darstellt. Aber ich glaube, ich spreche auch im Namen vieler Mitbürger, die parteipolitisch nicht gebunden sind, aber mit Angst und Sorge die Entwicklung der letzten Wochen verfolgt haben, die eine Freundschaft wollen gerade mit den Besatzungmächten, die aber eines nicht wollen: eine Regierung, die über die Köpfe des Volkes hinweg Maßnahmen, noch dazu falsche, trifft.

    (Beifall bei der WAV und einem Teil der SPD.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Wessel.

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    Rede von Helene Wessel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Herren und Damen.! Die Zentrumsfraktion hat sich in der vergangenen Woche damit einverstanden erklärt, daß die außenpolitische Aussprache vor diesem Hohen Hause erst durchgeführt werde, wenn die Beendigung der Pariser Konferenz den Herrn Bundeskanzler in die Lage versetzen würde, über diese Außenministerkonferenz entsprechend zu berichten. Meine politischen Freunde waren bestrebt, der Bundesregierung auf außenpolitischem Gebiet die Bewegungsfreiheit zu gewähren, die eine Regierung für sich in Anspruch nehmen muß, wenn sie außenpolitische Erfolge haben soll. Wir sind an der von dem Herrn Bundeskanzler ergriffenen außenpolitischen Initiative in keiner Weise beteiligt gewesen, und es bleibt wohl die Frage offen, die auch von meinem Vorredner angeschnitten worden ist, ob es in Zukunft nicht doch möglich sein sollte, auf außenpolitischem Gebiet eine möglichst einheitliche Auffassung des Parlaments herbeizuführen, bevor die
    entscheidenden Schritte getan werden. Denn es geht hier nicht um das Schicksal der Regierung oder um einen Triumph der Opposition, sondern es geht einzig und allein um das uns allen gemeinsame deutsche Schicksal. Wenn die Regierung außenpolitische Niederlagen erlebt, dann trifft dies nicht nur die Regierung, sondern dann ist davon das ganze deutsche Volk betroffen. Ich leugne damit nicht, daß auch auf außenpolitischem Gebiet das Zusammenwirken von Regierung und Opposition zu einem beträchtlichen Erfolg führen kann; nur muß vorausgesetzt werden, daß beide Teile einander eine ehrliche Wahrnehmung der nationalen deutschen Belange zutrauen.
    Meine politischen Freunde und ich können uns des Eindrucks nicht erwehren — und dieser Eindruck ist durch die heutigen Reden noch verstärkt worden —, daß Ereignisse eingetreten sind, die gerade in Fragen der Außenpolitik eine Front des Mißtrauens zwichen Regierung und Oppositionsparteien aufgerichtet haben. Es scheint mir aber notwendig zu sein, daß wir, die wir nicht in der Regierung steh en, sondern zur Opposition gehören, doch die außenpolitischen Notwendigkeiten erkennen und würdigen, die eine Regierung zum Handeln zwingen können, und ich glaube, wir müssen das Beste dafür einsetzen, damit die deutsche Situation nicht durch derartige Spannungen überflüssigerweise noch weiter verschärft wird. Der Verlauf der heutigen Debatte sollte der Bundesregierung auch Anlaß sein, in ihren Überlegungen die Argumente nicht außer acht zu lassen, die gegenüber ihrer außenpolitischen Konzeption von der größten Oppositionspartei ausgesprochen worden sind.
    Keinesfalls darf es aber so sein, daß Meinungsverschiedenheiten dazu benutzt werden, entweder als national verantwortungsbewußter oder weniger verantwortungsbewußt zu gelten. Gerade weil wir noch in den Anfängen unseres parlamentarischen und außenpolitischen Lebens stehen, sollten wir uns davor hüten, bei solchen Aussprachen in die Drucksphäre des Naziregimes zu verfallen. Denn gleichgültig, ob die Auffassung der Sozialdemokratie richtig oder anfechtbar in manchem sein kann, muß doch gesagt werden, daß sie damit nicht nur die Stimmungen und Auffassungen des Arbeiterstandes, sondern darüber hinaus auch anderer Kreise des Volkes ausdrückt.
    Meine Damen und Herren! Die Auffassung, von der sich die Zentrums-Fraktion in der Außenpolitik leiten läßt, ist die der kühlen Erwägung und weniger die des Gefühls. Denn wir dürfen uns nicht der Utopie hingeben, daß die uns umgebende Welt den Hitlerkrieg und seine Auswirkungen schon überwunden hätte. Wir hören Stimmen der Vernunft, derjenigen, die darnach streben, das Vergangene allmählich in Vergessenheit geraten zu lassen. Man ahnt auch, welche Gefahr es bedeuten würde, wenn das deutsche Volk, in dieser Situation allein gelassen, in eine Stimmung der Verzweiflung hineingetrieben würde. Aber wir sind noch weit davon entfernt, überall als gleichberechtigte Partner anerkannt zu werden, und wir können uns nicht einbilden, daß die Dinge sich von heute auf morgen ändern.
    Ich skizziere unsere Situation nur deswegen, weil sie uns in eindringlicher Weise vor Augen stellt, daß die Zukunft Deutschlands nicht davon abhängt, wie sich in diesem Hohen Hause Regierung und Opposition auseinandersetzen, sondern daß es unser aller gemeinsames Anliegen ist, die Chancen zu


    (Frau Wessel)

    suchen, die nicht nur etwa in irgendeiner Clique oder in irgendeinem Konglomerat bestimmter wirtschaftlicher Interessen, sondern in seiner Gesamtheit dem deutschen Volke heute in der Welt geboten sind und nutzbar gemacht werden müssen.
    In allen Fragen der Innenpolitik, der wirtschaftlichen und sozialen Neuordnung ist ein echtes Sichauseinandersetzen notwendig. Hier muß auch der Kampf bis zu klaren Entscheidungen geführt werden. Auf dem Gebiete der Außenpolitik gibt es aber nur das gemeinsame Schicksal, die ehrliche, offene Aussprache und die Bereitschaft zu einem gemeinsamen Handeln. Nichts kann die uns umgebende Welt so stark beeindrucken und nichts die Lebenskraft und den Lebenswillen des deutschen Volkes besser dokumentieren, als wenn dieses Hohe Haus in außenpolitischen Fragen eine Einheit darstellt, die über alle parteipolitischen Schranken hinweggeht. Wir müssen doch versuchen, die richtige Stellung in der Außenpolitik zu beziehen. Es würde eine furchtbare Tragik darin liegen, wenn wir gerade in der Außenpolitik falsch handelten; denn die Außenpolitik ist heute Deutschlands Schicksal.
    Und noch auf ein weiteres möchte ich hinweisen. Es ist verhältnismäßig leicht gesagt, die Regierung trage die Verantwortung allein und dementsprechend habe nur sie die außenpolitische Initiative. Ich habe schon einmal in diesem Hohen Hause zum Ausdruck gebracht: die Stellung einer Regierung zeigt sich nicht darin, daß sie mit einer knappen Mehrheit gewählt worden ist und man nun glaubt, der Opposition solche Gegenargumente entgegenhalten zu sollen, wie es heute geschehen ist, um damit seine Stärke zu beweisen. Im heutigen Deutschland geht es ja nicht nur um das Ansehen 3)der Regierung, sondern — vergessen wir das doch nicht in allen unseren Überlegungen! — es geht letzten Endes um das Ansehen der Demokratie, das auf dem Spiele stehen kann. Jeder außenpolitische Fehlschlag der Regierung, jede außenpolitische Verpflichtung, die sie ohne hinreichende Sicherung der deutschen Lebensinteressen gezwungenermaßen eingehen würde, wäre nicht etwa nur für die Regierung selbst, sondern für unser ganzes demokratisches System verhängnisvoll. Die deutsche Demokratie darf nicht noch einmal die moralischen Belastungen scheinbar freiwillig auf sich nehmen, mit denen sie nach 1918 aufgebaut wurde. Wo die Grenze des Tragbaren erreicht ist, da muß deutscherseits ein endgültiges Nein gesprochen werden können, aber nicht etwa nur das leicht verdächtige Nein einer Opposition, sondern auch das ehrliche und verantwortungsbewußte Nein des gesamten deutschen Volkes. Ich glaube, daß niemand auf die Dauer in der Welt Vertrauen finden wird, der Verpflichtungen eingeht, von denen er im voraus überzeugt ist, daß er sie nicht erfüllen kann und wird. Und so wird es für die künftige Position der Bundesregierung von ausschlaggebender Bedeutung sein, wenn man von ihrem Ja gleich viel zu halten hat wie von ihrem Nein und hinter dem Ja wie hinter dem Nein die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes steht.
    Meine Herren und Damen! Der Herr Bundeskanzler hat sich in den letzten Wochen bemüht, Deutschland aus dem Stadium einseitig bestimmter Abmachungen herauszuführen, und es besteht bei meinen politischen Freunden der Eindruck, daß die Zeit für die vom Herrn Bundeskanzler ergriffene Initiative reif ist. Wenn die uns umgebende Welt ehrlich den Frieden will, dann muß sie das deutsche
    Volk aus seiner Deklassiertheit herausheben. Wenn es auch den Anschein hat, als wäre das deutsche Volk von sich aus gegen den Umsturz gefeit, so darf man doch nicht übersehen, daß ihm, falls ihm die äußere Freiheit ständig vorenthalten wird, schließlich Zweifel an dem von ihm verteidigten Ideal der Freiheit kommen müssen. Meine politischen Freunde und ich erachten es deshalb als unsere Pflicht, den Herrn Bundeskanzler in diesem Bestreben nach erhöhter deutscher Handlungsfreiheit zu unterstützen und als das Ziel der deutschen Politik die volle Wiederherstellung der deutschen Souveränität und Gleichberechtigung nachdrücklichst zu betonen.

    (Bravo! beim Zentrum.)

    Wir haben den Eindruck, daß man sich in diesem Hohen Hause nicht über die Zielsetzung, sondern mehr über die Methodik der deutschen Außenpolitik streitet und daß dieser Streit von einem Mißtrauen begleitet ist, dem wir auf den Grund gehen sollten, um es zu überwinden. Ich bin mir völlig darüber im klaren, daß gewisse tiefgehende Gegensätze, die die verschiedenen Parteien voneinander unterscheiden, irgendwie auch auf dem außenpolitischen Gebiete zum Tragen kommen. So verwundert es mich nicht, wenn das von dem Herrn Bundeskanzler gezeigte Streben nach einer deutschfranzösischen Verständigung sich in den Augen des Herrn Abgeordneten Dr. Schumacher als das Streben nach einer Verständigung zwischen dem Comité des Forges und den Vereinigten Stahlwerken darstellt. Auch meine Parteifreunde fassen eine deutsch-französische Verständigung wahrscheinlich etwas anders auf, als sie von den Vertretern finanziell-kapitalistischer Interessen aufgefaßt wird, und wir haben wahrscheinlich auch eine andere Konzeption von diesen Aufgaben, als sie Herr Pferdmenges hat. Wir haben sie besonders deswegen, weil wir glauben, daß nicht noch einmal wie in der Weimarer Zeit der Aufbau der deutschen Großindustrie sich auf Kosten der mittleren und kleineren Industrie vollziehen soll.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich bin trotzdem nicht der Meinung, daß die eine Art von Verständigung die andere Art ausschließt. Mir scheint es im Gegenteil zwangsläufig, daß, wenn bestimmte Kreise eine ihnen gemäße Verständigung betreiben, diejenigen Schichten der Bevölkerung beider Länder, die sich von einer derartigen Verständigungspolitik bedroht fühlen, nunmehr ihrerseits eine Annäherung betreiben, um sich gemeinsam der sie bedrohenden Zusammenballung von Wirtschaftsmacht zu erwehren. Die internationale Arbeiterbewegung hat von jeher auf diesem Gefühl der Solidarität der Schwächeren beruht, die durch Vereinigung stark geworden sind. Und je mehr Bündnisse sich über die Grenzen entwickeln, um so enger wird der Kontakt beider Nationen werden, von deren endlichem Sichfinden zweifellos das Schicksal Europas, ja vielleicht der Friede der Welt abhängt. Ich kann mir keine bessere Methode als diese zum Abbau der europäischen Nationalstaaten vorstellen, und ich bin der Meinung, daß es unsere besondere deutsche Aufgabe ist, so allseitig wie möglich, jeder nach seiner Art und nach den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, die Grenzen der europäischen Nationalstaaten zu überwinden.
    Die notwendige Voraussetzung jeder guten Außenpolitik ist die Erkenntnis der gemeinsamen Interessen. Nur eine wirkliche Interessengemein-


    (Frau Wessel)

    schaft ist die Basis einer guten Außenpolitik. Wir verstehen das Bestreben Frankreichs nach Sicherheit, und wir müssen auch willens sein, das Unrecht gutzumachen, das durch unser Verschulden durch das Naziregime angerichtet worden ist. Wir kämpfen für die europäische Einheit, wenn wir erklären, daß unser Wille dazu ehrlich ist. Deshalb darf aber Deutschland nicht zerrissen und zerklüftet werden, weil dadurch den nationalistischen Strömungen Vorschub geleistet würde, die wir nie wieder bei uns dulden dürfen. Es muß eben Wege der friedlichen Verständigung der Völker untereinander geben, und nur an diese Wege dürfen wir denken und müssen ständig den Willen bekunden, uns zu verständigen. Wir wissen doch alle, daß jeder neue Krieg das Ende der Zivilisation bedeuten würde, daß auch die letzten geistigen Werte der abendländischen Welt damit vernichtet würden.
    Darum müssen wir mit allen Völkern und allen Ländern, mit denen uns eine echte Interessengemeinschaft verbindet, ins Gespräch kommen. Wir müssen diesen Weg finden, wenn es auch nicht von heute auf morgen geht. Wir Deutschen können uns dabei leider des Gefühls nicht erwehren, daß das europäische Gemeinschaftsbewußtsein und wirklich echtes europäisches Denken bei weitem noch nicht den Boden gewonnen haben, den sie benötigen, um unser aller Zukunft in Europa zu sichern.
    Wir begrüßen es sehr, daß die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika den für Europa lebensnotwendigen Marshallplan benutzt, um die westeuropäischen Nationen, die leider vorerst noch an der Stelle von ganz Europa die abendländische Überlieferung zu tragen haben, stärker aneinander annähert und sie dabei zu einem gemeinsamen Schicksalsbewußtsein zwingt. Die kulturellen 'Beziehungen zwischen den verschiedenen europäischen Nationen haben einer europäischen Föderation schon längst den Weg bereitet. Die wirtschaftlichen Interessen zwingen dazu, ihm zu folgen. Wir wollen, daß endlich einmal angefangen wird, auch in Europa wirtschaftliche Einheiten zu schaffen. Darum begrüßen wir jedes Beginnen, das uns hier vorwärts führt. Wir wissen nämlich, daß alsdann die Hoffnung berechtigt ist, daß aus der wirtschaftlichen Einheit Europas auch die politische Einheit erwächst und damit die Rettung Europas vielleicht noch einmal möglich wird.
    Manches, meine Damen und Herren, was wir im Augenblick schweren Herzens in Kauf nehmen müssen, weil es uns durch die unselige Vergangenheit noch verwehrt ist, schon heute führend an der Gestaltung eines vereinten Europas mitzuarbeiten, wird sich in absehbarer Zeit von selbst erledigen, oder es würde kein Europa mehr geben, und das wäre gleichbedeutend mit dem Untergang des Abendlandes, von dem so viel gesprochen und geschrieben worden ist und an den wir Deutschen trotzdem nicht zu glauben vermögen, weil gerade unser Volk nach dieser beispiellosen Katastrophe seiner Gesichichte eine unbestreitbare Lebensfähigkeit beweist. Ich glaube daher, daß wir mit den im eigenen Lande gewonnenen Erfahrungen, ermutigt durch alles, was wir in unserer eigenen Nation erkannt haben, die Arbeit an der europäischen Verständigung tatkräftig fortsetzen müssen, ohne vor den Schwierigkeiten zu resignieren, die uns jetzt noch im Wege stehen.
    Auch diese Einstellung scheint mir unabhängig von parteipolitischen Schranken, es sei denn, daß jemand den Versuch machen würde, trotz allem Elend, das darauf gefolgt ist, erneut einen preußisch-deutschen Nationalismus zu aktivieren. Ich leugne nicht, daß wir mit dieser Gefahr noch zu rechnen haben. Aber ich weiß trotz mancher Gegensätze, die meine Parteifreunde von dem Regierungskurs distanzieren, daß jedenfalls der Herr Bundeskanzler zu den letzten gehören würde, die hierzu Neigung verspüren, und ich möchte das im Hinblick auf die Ausführungen aussprechen, die von Herrn Dr. Schumacher gemacht worden sind und die vielleicht für die Regierung selbst — ich kann das nicht überprüfen — feststellbar sein können. Aber ich glaube, es muß demgegenüber auch ausgesprochen werden, daß der Herr Bundeskanzler in dieser Weise nationalistischer Strömungen nicht verdächtig erscheint. Ich möchte dabei auch betonen, daß in der Abwehr aller Bestrebungen, einem falschen Nationalismus in Deutschland wieder Vorschub zu leisten, meine politischen Freunde den Herrn Bundeskanzler jederzeit unterstützen werden.
    Die Unverdächtigkeit des Herrn Bundeskanzlers in bezug auf nationalistische Neigung gewinnt aber für unser deutsches Volk erst dann an richtigem Wert, wenn der Herr Bundeskanzler bei seinen außenpolitischen Schritten klar die Grenzen der deutschen Leistungsfähigkeit aufzeigt. Das wird vor allem bei den heute begonnenen Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren notwendig sein. Vielleicht wird sich im Laufe dieser Verhandlungen herausstellen, daß der Herr Bundeskanzler Beauftragte heranziehen muß, die ihn bei diesen Verhandlungen entlasten. Namens meiner politischen Freunde möchte ich den Herrn Bundeskanzler bitten, sich dann solcher Beauftragten zu bedienen, die aus demselben Grunde wie er das nationale Interesse unseres Volkes in unverdächtiger Weise wahrnehmen können. Zumindest dürften es nicht Vertreter der Kategorie sein, die Herr Dr. Schumacher hier charakterisiert hat. Ich kann mir nämlich vorstellen, daß eine Reihe von Revisionsansprüchen angemeldet werden müssen, und wir wünschen nicht, daß derartige Stellungnahmen deutscher Vertreter zu irgendwelchen nationalistischen Mißdeutungen Anlaß geben könnten.
    Ich darf weiterhin, wie es auch meine Vorredner getan haben, der Erwartung Ausdruck geben, daß der Herr Bundeskanzler in den zuständigen Ausschüssen dieses Hohen Hauses oder sonstwie die Gelegenheit schaffen wird, eine einheitliche deutsche Auffassung zu den einzelnen Gegenständen der mit der Alliierten Hohen Kommission zu führenden Verhandlungen zu erzielen, um auf diese Weise dem deutschen Standpunkt den notwendigen Nachdruck zu verleihen.
    Wenn ich von der rechtzeitigen Anmeldung von Revisionsansprüchen gesprochen habe, so habe ich dabei in erster Linie an das Ruhrstatut gedacht; denn ich würde es für ein unehrliches Spiel halten, wenn Deutschland der internationalen Ruhrbehörde beiträte, ohne dabei zum Ausdruck zu bringen, daß das Ruhrstatut der Revision bedarf. Schon in meinen Ausführungen zum Ruhrstatut in der Hauptausschußsitzung des Parlamentarischen Rats am 7. Januar 1949 habe ich darauf hingewiesen, daß das Ruhrstatut nicht so hingenommen werden könne, wie es ist, wenn ich andererseits auch betonte — und ich glaube, damals als


    (Frau Wessel)

    einzige Sprecherin im Gegensatz zu dem, was ich heute von Koalitionsrednern gehört habe —, es habe keinen Sinn, das Ruhrstatut nur zu kritisieren, ohne die Möglichkeit zu ergreifen, die uns Deutschen damit zu einer konstruktiven Mitarbeit immerhin gebotenen Gelegenheiten auszunutzen. Ich habe weiterhin darauf hingewiesen, daß es uns Deutschen, besonders uns, die wir an der Ruhr wohnen, schwerfällt, die Ruhr nicht mehr als eine deutsche, sondern als eine internationale Angelegenheit zu sehen, und erklärt, wir könnten dies nur tun in dem Gedanken an die europäische Föderation. Vor allem habe ich aber schon damals betont, es dürfe sich nicht um die Ausnutzung der Ruhrindustrie für kapitalistische Zwecke handeln; in diesem Falle könne das Ruhrstatut von den Deutschen nicht mit innerer Überzeugung bejaht werden. Und wie damals möchte ich auch heute an die Erklärungen von General Robertson über das Ruhrstatut erinnern, in denen er ausführte, das Jahr 1949 werde uns Deutschen nach Bildung der deutschen Regierung die Möglichkeit geben, entscheidender als bisher an den Angelegenheiten unseres Landes teilzunehmen; wir könnten — um es genau mit den Worten von General Robertson zu sagen — „eine Partnerschaft mit den demokratischen Ländern Europas eingehen, die eines Tages zur gleichberechtigten Teilnehmerschaft an einem gemeinsamen Unternehmen entwickelt wird". Nur in diesem Sinne und von einem solchen europäischen Geiste geprägt wird es möglich sein, das Ruhrstatut als einen Fortschritt in den Beziehungen der Völker anzusehen.
    Meine Damen und Herren! Wir haben wohl alle mit großem Interesse die Reden gehört, die in den letzten Monaten und zuletzt auf der Pariser Konferenz gehalten worden sind. Wir verstehen, daß angesichts der allgemeinen politischen Lage nach einem Westdeutschland und nach einem Westeuropa gerufen wird, und doch muß die politische Konzeption Deutschlands darin liegen, Europa schlechthin zu verlangen. Denn die Völker haben alle eine Substanz, die in der Geschichte entstanden ist und in der Geschichte sich auch auswirkt. Wir leben alle nur in einem kleinen und begrenzten Zeitabschnitt. Und wem es um das Erbe des Christentums, der Humanitas, der wirklich echten abendländischen Kulturwerte zu tun ist, der muß alles daran setzen, daß diese kleine Halbinsel Europa, die 2000 Jahre sich emporgearbeitet und der Welt das Gesicht geprägt hat, nicht eines Tages von Asien verschlungen wird.
    Die Menschheit hat nach Jahrhunderten und Jahrtausenden zu zählen und zu rechnen. Auch Europa, wie wir es heute vor uns haben, ist nicht von heute auf morgen entstanden. Es befindet sich in ständiger Entwicklung, und wenn der Sinn der Menschheitsgeschichte Entwicklung und Fortschritt bedeutet, dann dürfen wir die Hoffnung haben, daß Europas Rolle trotz aller Schicksalsschläge, die uns getroffen haben, nicht ausgespielt ist.
    Von dieser Betrachtungsweise aus sehen meine politischen Freunde und ich auch die Aufgaben des Europarats. Dabei kommt es im Augenblick nicht so entscheidend darauf an, welche Funktionen der Europarat einmal erfüllen wird. Aber etwas ist doch wesentlich: Dieses Gremium ist ein internationales Gremium, und die Staaten des Westens gehören ihm mit Ausnahme derjenigen Staaten an,
    die wie Spanien dem Faschismus untertan sind. Die Einbeziehung Deutschlands in dieses System bedeutet immerhin eine internationale Anerkennung, die um so schwerer wiegt, als ein Friedensvertrag noch nicht besteht.
    So müssen wir die gegenwärtige Situation hinsichtlich der Möglichkeiten eines Friedensvertrages sehen, wie sie ist. Dabei wünschen wir, daß wenigstens die Beendigung des Kriegszustandes erklärt würde. Wir wissen, daß wir heute nicht in der Lage sind, schon einen Friedensvertrag zu unterzeichnen. Wir können es nicht, denn wir wollen das einige Deutschland. Wir wollen, daß der Friede zustande kommt, daß er nicht diktiert, sondern aus dem gemeinsamen Willen der Völker geboren wird, die nun endlich Ruhe, Frieden und Wohlfahrt haben wollen. Das ist die Voraussetzung für alles, daß wir aus dem Objekt zum Subjekt der Politik werden. Wir wollen endlich das letzte Blatt des düsteren Kapitels unserer Geschichte umschlagen und das neue Kapitel des Wiederaufbaus und des Neuaufbaus beginnen.
    Wenn wir heute wieder in die Lage versetzt sind, mit dem Ausland Gespräche zu führen und darüber nachzudenken, welche Stellung wir dabei einnehmen wollen, so gibt es meiner Überzeugung nach nur eine Formulierung, die wir aus unserer tragischen Geschichte lernen müssen. Hüten wir uns, als Partei nur eine bestimmte Karte ziehen zu wollen, sei es die französische, sei es die englische, sei es die amerikanische oder die russische. Meine Herren, davon verstehen Sie ja mehr als ich. Es ist wie beim Skatspielen: der Grand mit Vieren ist immer noch der beste und der teuerste!

    (Heiterkeit.)

    Und lassen Sie mich auch das sagen: die innere Widerstandskraft gegen den Kommunismus wird nicht in einer hermetischen Abschließung von Rußland, sondern in der Verwirklichung einer echten, das Volk begeisternden Demokratie erreicht; und dieses wird der einzige Weg sein, der das ganze Volk zusammenführen kann.
    So glaube ich — um damit zu schließen -, daß
    alle Parteien in diesem Hohen Hause den Wunsch haben, in gemeinsamer Arbeit die unter den gegenwärtigen Verhältnissen bestehenden außenpolitischen Chancen zu finden und auszunutzen. Dabei wäre es verhängnisvoll, wenn die verschiedenartige parteipolitische Orientierung dazu führen würde, daß irgendeine der für uns bestehenden Möglichkeiten ausgelassen würde, weil derjenige, der sie erkennen würde und deshalb wahrnehmen müßte, aus parteitaktischen Überlegungen vor ihr zurückzuschrecken hätte. Erst wenn diese Gefahr beseitigt ist, wird sich die deutsche Außenpolitik so vielseitig und so reich an Chancen entfalten, wie es dem Lebensbedürfnis unseres deutschen Volkes entspricht.

    (Lebhafter Beifall beim Zentrum, bei der SPD und in der Mitte.)