Meine Damen und Herren! Selbst vom Herrn Bundestagspräsidenten wird nicht bestritten, daß er laut Geschäftsordnung verpflichtet ist, heute bei Schluß dieser Sitzung den nächsten Sitzungstermin bekanntzugeben. Er hat selber in Ergänzung dieses seines Standpunktes gesagt, daß, falls dann Widerspruch erfolgt, abgestimmt werden muß, daß also dann der Bundestag den Termin für seine nächste Sitzung festlegt. Der kleine technische Fehler, den die gemacht haben, die die Sitzung heute nachmittag fordern, besteht darin, daß wir ein bißchen zu früh vorgeprescht sind.
Hätten wir die Diskussion in dem Augenblick ausgelöst, wo der Herr Präsident pflichtgemäß den nächsten Sitzungstermin bekanntgegeben hätte, wäre alles in schönster Ordnung gewesen. Dann hätte jeder, der mit diesem von ihm festgelegten nächsten Sitzungstermin nicht einverstanden ist, Protest einlegen können. Dann mußte abgestimmt werden.
Aber hier steht noch etwas anderes zur Diskussion. Als der Artikel 39 im Parlamentarischen Rat beschlossen wurde, wollte man einer Minderheit die Möglichkeit geben, eine Sitzung des Plenums herbeizuführen gegen den Willen des Präsidiums und gegen den Willen der Mehrheit des Bundestags. Das war die vorherrschende Meinung. Damals war man so demokratisch und so tolerant, anzuerkennen, daß der Minderheit eine derartige Möglichkeit eingeräumt werden müsse, wobei man dafür ein hohes Verhältnis von Stimmen eingesetzt hat. Wenn man heute den Artikel 39 so auslegen will, daß wir eine in sich geschlossene Wahlperiode haben — so muß man ihn ja wohl auslegen —, dann erinnere ich daran, daß wir im Ältestenrat auch bereits die Frage von Sitzungsperioden und fortlaufenden Sitzungen diskutiert haben. Da war es der Herr Präsident, der den Standpunkt vertreten hat: wir haben keine Sitzungsperioden, sondern fortlaufende Sitzungen.
Wenn man den Absatz 2 liest, wird wohl eindeutig klar, warum der Absatz 3 so gefaßt worden ist. In Absatz 2 heißt es: Der Bundestag tritt spätestens am 30. .Tag nach der Wahl zusammen. Dann beginnt die Wahlperiode, und wenn innerhalb dieser geschlossenen Wahlperiode gegen den Willen des Präsidenten und der Mehrheit des Bundestags vorfristig Sitzungen stattfinden sollen, dann genügt dazu, daß ein Drittel der Mitglieder das verlangt, und dieses Verlangen kann auch nicht dadurch revidiert werden, daß die Mehrheit nachher durch Abstimmung diesen Antrag zunichte macht. Es genügt, daß ein Drittel der Mitglie-
der des Bundestags diese vorbefristeten Sitzungen
verlangt. Dann muß dem stattgegeben werden.
Von diesem Recht hat die SPD Gebrauch gemacht.
— Nein, sie hat sogar einen Termin angegeben. Sie haben anscheinend den Antrag nicht richtig verstanden. Heute abend um 18 Uhr soll es weitergehen. Sie können sich noch so drehen und winden: wenn Sie die Verfassung nicht brechen wollen, müssen Sie dem Antrag stattgeben. Ich weiß, daß Ihnen die Verfassung nicht viel Sorge macht, sie ist für Sie gelegentlich ein Fetzen Papier.
Sie haben sie in den wenigen Monaten ihres Bestehens schon gewandelt. Ich sage nur ein Wort: geheime Abstimmung!
— Ich habe namentliche Abstimmung beantragt!
— Sie befinden sich in einem Irrtum. Aber Sie irren sich bekanntlich nur dann, wenn das Ihnen in Ihren politischen Kram paßt.
— In diesem Fall irren Sie sich absolut; denn wir haben für namentliche Abstimmung gestimmt.
— Wir haben gegen geheime Abstimmung gestimmt.
— Was meinen Sie? „Im Mai?" Was soll da gewesen sein?
— Bei welcher Gelegenheit? Das ist einfach nicht wahr, was Sie hier erzählen. Sie machen dumme Witze, nehmen Sie es mir nicht übel.
— Herr Adenauer, wir kennen uns.
Sie werden mir recht geben, wenn ich unterstelle, daß diese Verfassung für Sie gelegentlich das ist, was ein Fetzen Papier ist.
— Doch, ich kenne Sie!