Meine Damen und Herren! Man kann mit diesem Antrag durchaus einverstanden sein, aber es ist doch einiges zu ihm zu sagen. Erstens einmal wird es sich um Verhandlungen mit den drei Mächten handeln, und es ist eine alte Erfahrungstatsache, daß man bei Verhandlungen am besten fährt, wenn man dem anderen Partner etwas sagt, was auch in seinem eigenen Interesse liegt.
Ich glaube, das Wichtigste, was wir sagen könnten, ist dies, daß wir allerdings eine Notwendigkeit sehen, daß die Geschichte der letzten Zeit, vor allem die des „Tausendjährigen Reiches", von uns Deutschen aufgearbeitet wird. Wenn uns Ausländer und insbesondere die Vertreter der drei den Westen okkupierenden Mächte so oft vorgeworfen haben, daß wir uns mit unserer jüngsten Vergangenheit nicht genügend auseinandersetzten, so sollen sie uns doch die Möglichkeit dazu geben. Sie haben uns diese Möglichkeit ja schon in anderer Beziehung lange Zeit nicht gegeben, indem sie uns, wenigstens in der amerikanischen Zone — von den anderen Zonen weiß ich es nicht genauer —, von der Literatur, die im Ausland erschienen ist, abgeschlossen hatten.
Es wäre noch etwas anderes dazu zu bemerken. Der Herr Vorredner hat auch noch auf andere Dinge und eine andere Macht angespielt. Nun, wir werden da nicht viele Möglichkeiten haben. Ich möchte aber doch einmal wenigstens kennzeichnen, daß es unmögliche Zustände sind, wenn Dinge, die heute noch in deutschem Besitz sind, von Behörden, die sich deutsche Behörden nennen, verschleudert werden,
wie zum Beispiel der Herr — ich weiß nicht, wie er heißt — Präsident der Demokratischen Volksrepublik, Pieck, jetzt Polen Handschriften geschenkt hat,
Handschriften, die aus preußischem Staatsbesitz stammen.
— Bitte, unterbrechen Sie mich nicht; es ist leichter zu reden, wenn man nicht immer unterbrochen wird. — Es sind Handschriften aus der Preußischen Staatsbibliothek, —
— Ja, es waren Handschriften von Chopin, die ehrlich erworben waren.
— Bitte sehr, Dinge, die ehrlich erworben sind, sind deutscher Kulturbesitz,
und wir haben in Berlin eine Autographensammlung gehabt, die gezeigt hat, daß sie der Ausdruck
der weitgespannten deutschen Beziehungen über die
Welt hin gewesen sind. Sie scheinen davon nichts zu wissen!
Etwas anderes, was zu sagen wäre, ist folgendes. Es sind jetzt zum Beispiel. Handschriften von Schopenhauer hier im Westen angeboten worden, von denen man festgestellt hat — solche Sachen sind ja in der wissenschaftlichen Welt bekannt —, daß sie auch aus Staatsbesitz, nämlich aus dem Staatsbesitz von Sachsen stammen.
Sie können also, da sie noch im sächsischen Staatsbesitz waren, nur auf irgendwelchen staatlichen Wegen herübergekommen sein. Auch das mußte gekennzeichnet werden.
Dies alles führt dazu, daß ich die folgende Bemerkung anschließen möchte. Wir haben nach Artikel 74 Ziffer 5 des Grundgesetzes die Möglichkeit, deutsches Kulturgut gegen Abwanderung ins Ausland zu schützen. Ich glaube, es wäre dringend notwendig, daß wir alsbald eine Vorlage der Regierung bekommen, die anordnet, daß ganz allgemein ebenso wie für Kunstgut, also Gemälde und Skulpturen, eine Rolle geschaffen wird, in die wichtiges Archivgut eingetragen wird, damit wir einmal wissen, was das ist, und die Möglichkeit haben, zu verhindern, daß diese Dinge ins Ausland abwandern. Das ist auch deshalb notwendig, weil heute durch Umschichtung der Vermögen alter Besitz ins Fluktuieren kommt und wir dafür sorgen müssen, daß Dinge, die für uns, die für die Geschichte des deutschen Volkes wichtig sind, nicht ins Ausland gehen.
Es wäre noch etwas anderes dazu zu sagen. Wir ) stehen vor der Notwendigkeit, ein Bundesarchiv zu schaffen, und zwar müßte das sehr bald erfolgen. Dieses Archiv müßte — ich möchte mich einmal so ausdrücken — eine Art Fahndungsabteilung bekommen, das heißt eine Abteilung, die systematisch versucht, Akten des Reichsarchivs oder der Reichsbehörden wieder herbeizuschaffen. Ich weiß zuverlässig, daß ein Teil dieser Akten in dem im Auftrage der sowjetischen Militärverwaltung geschaffenen Archiv in Potsdam gesammelt wird, an dessen Spitze der jetzt vielgenannte General Korfes steht, der dem Komitee Freies Deutschland angehört hat. Ein anderer Teil aber fluktuiert. Es ist mir selbst einmal zufällig in Darmstadt von einer Papiermühle ein Band übermittelt worden, der aus dem Hohenzollernschen Hausarchiv stammte; die Leute wußten, daß ich mich dafür interessiere. Das Bundesarchiv müßte solche Sachen aufspüren, und es müßte dabei eine gewisse Möglichkeit haben, auch den Leuten, die eine Entschädigung für die Aufbewahrung fordern, wenigstens diese zu geben, ohne unbedingt die Rechtmäßigkeit des Besitzes in allem zu prüfen; denn sonst kommt es dazu, daß solche Akten verbrannt werden, und es ist ja schon sehr viel Material verlorengegangen. Das Bundesarchiv müßte auch die Akten der Reichsbehörden, soweit sie noch vorhanden sind, die Akten des Wirtschaftsrats, des Zweizonenrats und auch des süddeutschen Länderrates sammeln. Es wäre auch notwendig, daß die Sachen, die aus dem Ausland zurückkommen, selbstverständlich in das Bundesarchiv kämen, ebenso ferner die Akten, die als Generalakten des Nationalsozialismus zu bezeichnen sind.
Soweit ich orientiert bin, will man das Bundesarchiv dem Minister des Innern unterstellen. Es wäre aber wohl zu fragen, ob es nicht richtigerwäre, es dem Herrn Bundeskanzler selbst zu unterstellen. Eines jedoch gehört dazu: es gehört eine wissenschaftlich vorgebildete Leitung dazu, die allerdings — ich will mich einmal so ausdrücken — auch personell die Sicherheit gibt, daß sie dazu hilft, daß wir uns mit der jüngsten Vergangenheit kritisch auseinandersetzen können. Das ist einer der wichtigsten Punkte, der dabei zu beachten wäre.
Aus allen diesen Gründen, meine Damen und Herren, möchte ich beantragen, daß dieser Antrag nicht nur dem Außenpolitischen Ausschuß, sondern auch dem Kulturpolitischen Ausschuß überwiesen wird, und zwar mit der Maßgabe, daß der Kulturpolitische Ausschuß den ganzen Fragenkomplex einmal erörtert und auch mit den zuständigen Regierungsstellen behandelt, wobei zu sagen ist, daß schnell gehandelt werden muß, weil sonst noch mehr kaputtgeht. Bei der Reduzierung unseres Kulturgutes wäre es wichtig, zu erhalten, was ist.