Rede von
Dr.
Hans-Joachim
von
Merkatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als Berichterstatter des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität möchte ich zunächst lediglich die verfahrensrechtlichen Grundsätze dieses Falles darlegen. Es handelt sich um ein Verfahren gegen den Abgeordneten Loritz wegen verleumderischer Beleidigung. Die Staatsanwaltschaft München hat Anklage erhoben, bevor der Abgeordnete Loritz sein Mandat im Bundestag erhalten hat, hinsichtlich folgender ihm zur Last gelegter Tatsachen. Er habe fortgesetzt und wider besseres Wissen öffentlich behauptet: erstens, er sei in der Strafanstalt Stadelheim schlimmer behandelt worden als von der Gestapo; zweitens, in seiner Suppe hätten sich Verunreinigungen, Menschenhaare und sonstiger Dreck befunden; drittens, er habe Brot bekommen, das nach Urin und Kot geschmeckt habe und mit Urin getränkt gewesen sei; viertens, es sei vor seiner Gefängniszelle geäußert worden: „Den Mann machen wir auch noch fertig!" Diese öffentlich verbreiteten Tatsachen haben zu einer Anklage geführt.
Unterdessen hat der Abgeordnete Loritz die Eigenschaft eines Abgeordneten erhalten. Der Bundestag hat auf Antrag des Abgeordneten Loritz vom 14. September 1949 auf Aussetzung eines gegen ihn anhängigen Verfahrens wegen verleumderischer Beleidigung beschlossen: Das gegen den Abgeordneten Loritz vor dem Landgericht München I eingeleitete Verfahren wegen verleumderischer Beleidigung ist auf Grund des Artikels 46 Absatz 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland auszusetzen, bis eine Entscheidung des Bundestags über die Aufhebung der Immunität erfolgt. Daraufhin hat der Bundesminister der Justiz durch Schreiben vom 28. 10. 1949 beantragt, die Fortsetzung des gegen den Abgeordneten Loritz anhängigen Verfahrens wegen verleumderischer Beleidigung zu genehmigen. Der Antrag des Bundesjustizministers und die Akten Loritz wurden dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität vom Präsidenten des Deut-
schen Bundestags mit Schreiben vom 17. 10. 1949 kurzerhand überwiesen. Im Zusammenhang mit der Prüfung dieses Falles sind die rechtlichen Grundsätze entwickelt worden, die ich Ihnen vorzutragen die Ehre hatte und die vom Ausschuß gebilligt worden sind.
Nach Beratung im Ausschuß wurde folgendes Ergebnis erzielt. Dem Bundestag wird empfohlen, die vom Bundesminister der Justiz nachgesuchte Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Loritz wegen eines gegen ihn anhängigen Verfahrens wegen verleumderischer Beleidigung abzulehnen. Die Mehrheit des Ausschusses ist zu diesem Ergebnis nach gründlicher Prüfung der Akten gekommen. Es ist hier nicht der Ort, in eine Beweiswürdigung einzutreten und Aussage gegen Aussage zu werten und gegeneinanderzuhalten. Das ist Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt und nicht des Parlaments. Für die Mehrheit des Ausschusses ergab sich aber für die rein politische Entscheidung das Ergebnis, daß der Sachverhalt nicht hinlänglich geklärt ist, um gemäß den Grundsätzen des Ausschusses festzustellen, daß es sich um ein rein kriminelles Verfahren handelt. Es bleibt die Möglichkeit, daß hierin auch politische Interessen mitspielen. Für die Mehrheit des Ausschusses ergab sich nach den von ihm selbst festgelegten Prinzipien daraus das Ergebnis, auch hier den Antrag des Herrn Bundesjustizministers auf Aufhebung der Immunität abzulehnen.