Rede von
Heinrich Georg
Ritzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hatte bereits in einer früheren Sitzung Gelegenheit, sich mit der Frage der Sistierung der Immunität des Herrn Abgeordneten Loritz aus Anlaß der Fortsetzung eines Strafverfahrens wegen Wirtschaftsvergehen bzw. Verleitung zum Meineid zu befassen. Damals hat das Hohe Haus einstimmig die Fortsetzung des Verfahrens sistiert, und zwar auch aus dem Grunde, eine prinzipielle Klärung der Frage herbeizuführen, ob die Fortführung von Verfahren, die bereits vor der Wahl eines Abgeordneten zum Bundestag anhängig waren, durch die Immunität des Abgeordneten nach seiner Wahl unmöglich ist. Es sind Gutachten des Berichterstatters des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität sowie des Herrn Justizministers eingeholt
worden Über diese Rechtsfrage wird sich nachher der Mitberichterstatter, Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz, des näheren äußern. Mir obliegt es, Ihnen zunächst auf Grund des Tatbestandes die Meinung des Ausschusses zu interpretieren:
Der Ausschuß empfiehlt dem Bundestag, dem
Antrag des Bundesministers der Justiz auf
Aufhebung der Immunität des Abgeordneten
Loritz wegen eines gegen ihn anhängigen Verfahrens wegen Wirtschaftsvergehen u. a.
nicht stattzugeben.
Ich glaube, das Hohe Haus hat einen Anspruch darauf, etwas Näheres über die Angelegenheit zu hören. Nach der Feststellung des Ausschusses, der seinen Beschluß bei einer Stimmenthaltung einstimmig gefaßt hat, handelt es sich nicht um einen schweren kriminellen Fall. Wenn es sich um einen schweren kriminellen Fall handeln würde, würde der Ausschuß die Auffassung vertreten, daß in derartigen Fällen die Immunität keine Geltung haben sollte.
Der Abgeordnete Loritz war wegen dreier Vergehen vor Gericht. Die große Strafkammer in München hat ihn abgeurteilt. Die Anklage bezog sich erstens auf Kriegswirtschaftsvergehen. Es wurden Benzinschwarzkäufe für seine Partei, die WAV, behauptet. Dieses Verfahren wurde durch eine generelle Amnestie eingestellt.
Der Abgeordnete Loritz hat dagegen das Rechtsmittel der Revision ergriffen, das bis jetzt nicht durchgeführt ist.
Zweitens: Anklage auf Meineidsverleitung. In diesem Verfahren, das in diesem Punkt der Tagesordnung allein zur Diskussion steht, hat die Strafkammer den Abgeordneten Loritz freigesprochen.
Drittens bezogen sich die Anklage und das Urteil auf Haftentweichung. Hier wurde der Abgeordnete Loritz zu drei Monaten Gefängnis, die durch die Untersuchungshaft für verbüßt erachtet wurden, verurteilt.
Aus den Akten hat sich ergeben, daß der Bayerische Landtag der Aufhebung der Immunität zunächst nicht bezüglich der Meineidsverleitung zugestimmt hatte, aus dem einfachen Grunde, weil die Staatsanwaltschaft es unterlassen hatte, dem Bayerischen Landtag dieses Delikt zur Kenntnis zu bringen. Das war Anlaß dafür, daß der Bayerische Verfassungsgerichtshof am 28. Juni 1948 eine Entscheidung traf, die dahin ging, daß die
Strafverfolgung wegen Meineids unzulässig gewesen wäre; denn der Landtag hatte für diese Strafverfolgung die Aufhebung der Immunität nicht bewilligt. Dieser Schaden wurde aber später geheilt, und der Bayerische Landtag hat die Immunität ausdrücklich aufgehoben. Damit war der Weg für die Rechtsverfolgung frei. Dann kam jenes Urteil der Strafkammer zustande, das den Abgeordneten Loritz von dem Verdacht der Verleitung zum Meineid freisprach.
Das Hohe Haus hat, wie schon eingangs erwähnt, seinerzeit das Verfahren zunächst ausgesetzt. Der Herr Bundesminister der Justiz hat die weitere Fortsetzung der Strafverfolgung seinerseits als notwendig erachtet, und der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität prüfte auch den daraus entstehenden Komplex. Er kam zu dem bereits erwähnten Schluß, daß keine Begründung vorliege, die genüge, um dem Hohen Haus die Aufhebung der Immunität aus diesem Anlaß zu empfehlen.