Rede:
ID0100709600

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 35
    1. Als: 1
    2. Redner: 1
    3. der: 1
    4. Bayernpartei: 1
    5. hatte: 1
    6. sich: 1
    7. noch: 1
    8. Herr: 1
    9. Abgeordneter: 1
    10. Dr.: 1
    11. Besold: 1
    12. gemeldet.: 1
    13. Mir: 1
    14. ist: 1
    15. aber: 1
    16. gesagt: 1
    17. worden,: 1
    18. daß: 1
    19. er: 1
    20. verzichtet: 1
    21. habe.\n: 1
    22. Das: 1
    23. war: 1
    24. die: 1
    25. Ursache: 1
    26. meiner: 1
    27. Langmut.\n: 1
    28. Ich: 1
    29. erteile: 1
    30. nun: 1
    31. dem: 1
    32. Abgeordneten: 1
    33. Fisch: 1
    34. das: 1
    35. Wort.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. September 1949 47 7. Sitzung Erster Tag Bonn, Donnerstag, den 22. September 1949. Geschäftiche Mitteilungen 47B, 67C, D Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung . . . 47B Ewers (DP) 47C Dr. Seelos (BP) 53D Reimann (KPD) 58C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 67A Unterbrechung der Sitzung . 67C Loritz (WAV) 67D Frau Wessel (Z) 72B Dr. Richter (DRP) 80A Clausen (SSW) 85C Dr. Edert (Parteilos) 86B Fortsetzung der Sitzung 87C Die Sitzung wird um 10 Uhr 11 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Ich darf zum Schluß kommen. Die tiefe Krise unserer Zeit, ihr Hang zur Skepsis und zum Nihilismus, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß immer wieder ein schroffer Gegensatz besteht zwischen Verkündigung und Tat, zwischen Soll und Haben der moralischen Rechnung, mit anderen Worten, daß die Unverbrüchlichkeit der Grundsätze dem Opportunismus, dem Zweckdenken geopfert wird. Wenn in der Regierungserklärung eine Fülle von Ankündigungen enthalten ist, so möchten wir hoffen, daß uns hier dieser Widerspruch zwischen Ankündigung und Ausführung erspart bleibt. Die amerikanische Politik hat vor drei bis vier Jahren noch von Föderalismus gesprochen, heute ist sie antiföderalistisch, man betreibt gleichzeitig Demontagen und ERP-Hilfe, fordert uns höchste Besatzungskosten ab und bietet uns den Marshallplan, man spricht von Menschenrechten und versagt einem alten Kulturvolk mit größten Leistungen auf wirtschaftlichem, kulturellem und sozialem Gebiet über viereinhalb Jahre hinaus den Frieden, man spricht von der Wiederherstellung des Vertrauens und sieht sich gleichzeitig gezwungen — ich will das einmal annehmen —, einer neuen Erschütterung des Vertrauens durch Abwertung zuzustimmen.

    (Zuruf von der CDU: Wer spricht davon?)

    Hier sind Befürchtungen angebracht. Wir müssen
    endlich einmal dazu gelangen, daß, wenn einer


    (Dr. Etzel)

    Christus sagt, er nicht Baumwolle, Uran oder Öl meint.

    (Sehr richtig! bei der BP.)

    Wir wollen, daß, wenn man von Menschenrechten spricht, man nicht durch Jalta und Potsdam gegangen sein darf. Wir wollen, mit anderen Worten, endlich die Möglichkeit haben, zu erkennen, daß die Zusicherungen der Regierung, die eine Standarte des Guten, Wahrerin und Vollstreckerin des sittlichen Rechtes sein muß, auch zur Wahrheit und Wirklichkeit gemacht werden.

    (Sehr richtig! bei der BP.)

    Das ist wesentlich und eine Voraussetzung für die Gesundung nicht nur unserer psychologischen, sondern gerade auch unserer materiellen Lage. Es genügt nicht, daß wir nach Caux gehen und uns der Oxfordbewegung anschließen oder mit ihren Anhängern irgendwelche literarischen oder auch moralischen Gespräche führen, sondern es ist notwendig, daß wir hier gegenüber den einzelnen Berufsständen und einzelnen Menschen das menschlich Richtige und das von der Moral Geforderte tun und daß wir das ausführen, was wir ankündigen, daß wir so handeln, wie wir sprechen.

    (Sehr richtig! bei der BP.)

    Das durfte ich sagen, meine Damen und Herren, weil die Frage der Wiederherstellung des Vertrauens der Sparer nicht schon im Keime erstickt werden darf. Wenn man erklärt — die Erklärung wurde in diesem Hause gut aufgenommen —: die Preise für Lebensmittel, für landwirtschaftliche Erzeugnisse würden nicht erhöht, so mag diese Zusicherung an und für sich zunächst positiv beurteilt werden. Bei näherem Zusehen aber erkennt man, daß auf diese Weise die Möglichkeit der Steuersenkungen — weil die Beibehaltung der Preise ja nur durch Subventionen möglich ist — von vornherein begrenzt wird.

    (Zuruf von der CDU: Es gibt auch andere Möglichkeiten!)

    Wir begrüßen es außerordentlich, daß die Regierung sich vorgenommen hat, daß das Währungsunrecht beseitigt wird. Welch eine Diskrepanz! Im dritten Währungsgesetz, im Umstellungsgesetz, ist angekündigt, daß sich die Militärgouverneure vorbehalten, eine zweite D-Mark auf zehn R-Mark zu gewähren. Was ist aber geschehen? Man hat nicht einmal das Verhältnis 1 zu 10 für die Sparkonten bewilligt, sondern sie auf 6,5 zu 100 dezimiert. Das ist einer jener Fälle, von denen ich vorhin gesprochen habe, in denen die Unverbrüchlichkeit der rechtlichen und moralischen Zusicherung nicht gewahrt ist.
    Wir möchten hoffen, daß von der Regierung, dieweil wir ihr vollkommen vorurteilslos, aber mit größtem Argwohn und Mißtrauen gegenüberstehen, gerade diese moralische Haltung beachtet wird. Wir möchten gerne die Gewißheit haben, daß das Schicksal des deutschen Volkes bei der Bundesregierung in getreuen, reinen und geschickten Händen liegt. Wir möchten hoffen, daß der Rechtsgedanke überall, mag es sich um die Wiederherstellung der wohlerworbenen Rechte der Beamten, die durch die Entnazifizierungsmühle gegangen sind, oder um die Berücksichtigung der Rechte der früheren Wehrmachtbeamten und der ehemaligen Berufssoldaten, mag es sich um die Rechte der Sozialrentner handeln, durch den Staat — wir nennen ihn wohl Bund, sind aber überzeugt, daß er ein Zentralstaat ist - voll verwirklicht wird, wobei der Bund ein wohlwollender Vater ist; der Rechtsgedanke, von dem ein alter Vorkämpfer des Rechts, der berühmte Jurist Rudolf von Ihering, in seiner Schrift „Der Kampf ums Recht" sagt: „Kein Unrecht, das der Mensch zu erdulden hat, reicht von weitem an das heran, welches die von Gott gesetzte Obrigkeit verübt, indem sie selbst das Recht bricht."
    Ich darf schließen und dem Herrn Präsidenten für seine Langmut und Ihnen selbst für Ihre Aufmerksamkeit danken.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Als Redner der Bayernpartei hatte sich noch Herr Abgeordneter Dr. Besold gemeldet. Mir ist aber gesagt worden, daß er verzichtet habe.

(Abg. Dr. Besold: Ich verzichte!)

Das war die Ursache meiner Langmut.

(Heiterkeit.)

Ich erteile nun dem Abgeordneten Fisch das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Fisch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Ich möchte bezweifeln, ob sich alle Mitglieder dieses Hauses über die Bedeutung gewisser Vorgänge im klaren sind, die sich gestern hier abgespielt haben.
    Zumindest glaube ich, daß das Echo dieser Vorgänge im Ausland den einen oder andern doch etwas nachdenklicher stimmen wird, als man gestern zu erkennen gab. Dabei möchte ich nicht gewisse Reden als entscheidend betrachten, die von einigen Sprechern der Rechten des Hauses hier gehalten worden sind. Viel wichtiger scheint mir die Frage zu sein, wie die Regierung und der Herr Bundeskanzler selbst auf diese Reden reagiert haben und auf welche Weise sie damit zu erkennen gegeben haben, wie sie sich die Grundlage ihrer künftigen Außenpolitik denken.
    Zuvor möchte ich an einige Worte der Frau Kollegin Wessel erinnern, von denen ich hoffen möchte, daß sie einigen Damen und Herren dieses Hauses doch zu etwas besinnlicherem Nachdenken Anlaß geben. Manches, was Frau Kollegin Wessel gesagt hat, wird vielleicht einen Weg für die Art der Überbrückung von Gegensätzen, die bisher scheinbar unüberwindlich waren, zeigen können. Sie hat vor allem auf einen Umstand hingewiesen', der uns Deutschen in der Vergangenheit oft den Weg zu einem freundschaftlichen Verhältnis mit unseren Nachbarvölkern und mit der ganzen Welt verbaut hat. Sie hat auf das Unvermögen vieler Deutscher hingewiesen, die politischen Gegebenheiten anderer Völker und anderer Staaten so zu beachten und in Rechnung zu stellen, als ob es unsere eigenen wären. Sie warnte insbesondere vor gewissen Traditionen der deutschen Diplomatie, die durch Überheblichkeit und Korpsstudentengeist charakterisiert sind.
    Man sollte nun meinen, daß eine Regierung, die den Namen Regierung der Bundesrepublik Deutschland trägt und ihn für sich auch weiterhin in Anspruch nehmen möchte, sich solchen Gedankengängen nicht verschließen wird. Aber das Gegenteil ist eingetreten. Man kann wohl sagen, daß diese Regierung und ihr Sprecher an einem Tage in unserm Verhältnis zur Welt mehr Porzellan zerschlagen haben als jemals irgendeine Regierung der Weimarer Republik.

    (Zustimmung bei der KPD.)

    Diese Regierung behauptet von sich, ihr Bestreben bestehe darin, den Weg in die freie Gemeinschaft der Völker erfolgreich anzutreten, ihr Weg bestehe darin, von der Weltöffentlichkeit wieder gehört, ernst genommen und beachtet zu werden. Wie stellt


    (Fisch)

    sich diese Regierung und ihr Kanzler diesen Weg vor, wenn sie auf solche Weise zu operieren gedenkt, wie sie uns das gestern demonstriert hat? Die ganze staatsmännische Weisheit und Klugheit dieser Regierung besteht anscheinend darin, eine Politik zu betreiben, die Deutschland in eine völlige Isolierung hineintreiben muß.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Ihre erste staatsmännische Handlung bestand darin, einen Schreckschuß gegen jene Völker loszulassen, die gerade erst das fürchterliche Erlebnis der Besetzung durch das Hitlerregime hinter sich haben.
    Der Bundeskanzler hielt es für angebracht, in die Debatte einzugreifen und das ganze Gewicht seiner politischen Stellung dadurch zur Geltung zu bringen, daß er solchen Auffassungen widersprach, die nichts anderes wollen, als unserem Volke zum Frieden zu verhelfen und unser Verhältnis zu unseren Nachbarvölkern und zur ganzen Welt in geordnete Bahnen zu bringen..

    (Zuruf in der Mitte: Oder-Neiße-Linie!)

    Er bediente sich dabei Methoden, die jeglicher parlamentarischen Gepflogenheit widersprechen.

    (Zuruf von der CDU: Woher weißt du?)

    Obwohl er das getan hat, hatte er jedoch nichts zu einigen Ausführungen von Freunden seiner Regierungskoalition zu bemerken, die uns und auch diese westdeutsche Bundesrepublik im Ausland aufs schwerste belasten müssen. Hier sprach ein Angehöriger der Bayernpartei davon, daß Böhmen und Mähren urdeutsche Gebiete seien genau wie Schlesien, Pommern, Ostpreußen, Westpreußen usw., auf die wir nicht verzichten könnten. Der Herr Bundeskanzler schweigt zu diesem Anspruch der neuen westdeutschen Bundesrepublik auf die Eingliederung von Böhmen und Mähren. Ein anderer Sprecher, ein Angehöriger der Bayernpartei, erklärt, er bedaure, daß österreich aus dem Deutschen Bund ausgeschlossen sei. Ein weiterer Sprecher hat soeben erklärt, er bedaure, daß es nicht eine deutsch geführte Vormacht im Donauraum gebe, die den alten Zustand der österreich-ungarischen Monarchie wiederherstelle. Auch dazu schweigt die Regierung. Es gab einen anderen Sprecher, der sich die Kühnheit erlaubte, zu erklären: Wir werden keinem Friedensvertrag zustimmen, der den Mordbanden Bieruts und Gottwalds den deutschen Osten überläßt.

    (Zuruf in der Mitte: Sehr richtig!)

    Meine Damen und Herren, das sind keine Einzelgänger oder absonderliche Gestalten, die sich in das Bundeshaus verirrt haben.

    (Zuruf rechts: Gott sei Dank!)

    Das sind Sprecher von Regierungsparteien, das sind Sprecher solcher Gruppen, die der Regierung zum mindesten nahestehen. Einer von ihnen erklärt unwidersprochen, er nehme an, daß die von ihm wiedergegebene Auffassung auch der Meinung des Herrn Bundeskanzlers entspreche. Auch dazu schwieg der Herr Bundeskanzler, und der Herr Präsident hielt es in diesem Falle nicht für geboten einzugreifen.
    Ist eine solche Redeweise bei der Eröffnung dieses Parlaments nicht geradezu eine Herausforderung aller Völker, die unter der Besetzung des Naziregimes so Fürchterliches erduldet haben? Eine Herausforderung ist es, die alten nazistischen Ansprüche wieder geltend zu machen und sie sich zu eigen zu machen. Man kann sich nicht wundern, wenn sich ein Mann der Rechten dieses Hauses zum
    Wortführer dieser Ansprüche macht, der selbst einmal Funktionär der Henlein-Partei gewesen ist.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Man braucht sich nicht zu wundern, wenn von dieser Seite jenes obskure Wort von der „tschechischen Soldateska" fällt, hier im sogenannten Deutschen Bundestag unwidersprochen, die gleiche Formulierung, die wir von Goebbels und Hitler unmittelbar vor dem Überfall auf die Tschechoslowakei hörten.

    (Erneute Rufe von der KPD: Hört! Hört!)

    Ich muß schon darum bitten, diesen Ausdruck hinzunehmen, aber ich finde keinen andern dafür, wenn ich sage: Es ist doch zumindest eine Geschmacklosigkeit sondergleichen, im Jahre 1949 von den deutschen Leistungen in Polen und der Tschechoslowakei zu sprechen und daraus Gebietsansprüche abzuleiten.

    (Zurufe. — Glocke des Präsidenten.)