Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf zum Schluß kommen. Die tiefe Krise unserer Zeit, ihr Hang zur Skepsis und zum Nihilismus, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß immer wieder ein schroffer Gegensatz besteht zwischen Verkündigung und Tat, zwischen Soll und Haben der moralischen Rechnung, mit anderen Worten, daß die Unverbrüchlichkeit der Grundsätze dem Opportunismus, dem Zweckdenken geopfert wird. Wenn in der Regierungserklärung eine Fülle von Ankündigungen enthalten ist, so möchten wir hoffen, daß uns hier dieser Widerspruch zwischen Ankündigung und Ausführung erspart bleibt. Die amerikanische Politik hat vor drei bis vier Jahren noch von Föderalismus gesprochen, heute ist sie antiföderalistisch, man betreibt gleichzeitig Demontagen und ERP-Hilfe, fordert uns höchste Besatzungskosten ab und bietet uns den Marshallplan, man spricht von Menschenrechten und versagt einem alten Kulturvolk mit größten Leistungen auf wirtschaftlichem, kulturellem und sozialem Gebiet über viereinhalb Jahre hinaus den Frieden, man spricht von der Wiederherstellung des Vertrauens und sieht sich gleichzeitig gezwungen — ich will das einmal annehmen —, einer neuen Erschütterung des Vertrauens durch Abwertung zuzustimmen.
Hier sind Befürchtungen angebracht. Wir müssen
endlich einmal dazu gelangen, daß, wenn einer
Christus sagt, er nicht Baumwolle, Uran oder Öl meint.
Wir wollen, daß, wenn man von Menschenrechten spricht, man nicht durch Jalta und Potsdam gegangen sein darf. Wir wollen, mit anderen Worten, endlich die Möglichkeit haben, zu erkennen, daß die Zusicherungen der Regierung, die eine Standarte des Guten, Wahrerin und Vollstreckerin des sittlichen Rechtes sein muß, auch zur Wahrheit und Wirklichkeit gemacht werden.
Das ist wesentlich und eine Voraussetzung für die Gesundung nicht nur unserer psychologischen, sondern gerade auch unserer materiellen Lage. Es genügt nicht, daß wir nach Caux gehen und uns der Oxfordbewegung anschließen oder mit ihren Anhängern irgendwelche literarischen oder auch moralischen Gespräche führen, sondern es ist notwendig, daß wir hier gegenüber den einzelnen Berufsständen und einzelnen Menschen das menschlich Richtige und das von der Moral Geforderte tun und daß wir das ausführen, was wir ankündigen, daß wir so handeln, wie wir sprechen.
Das durfte ich sagen, meine Damen und Herren, weil die Frage der Wiederherstellung des Vertrauens der Sparer nicht schon im Keime erstickt werden darf. Wenn man erklärt — die Erklärung wurde in diesem Hause gut aufgenommen —: die Preise für Lebensmittel, für landwirtschaftliche Erzeugnisse würden nicht erhöht, so mag diese Zusicherung an und für sich zunächst positiv beurteilt werden. Bei näherem Zusehen aber erkennt man, daß auf diese Weise die Möglichkeit der Steuersenkungen — weil die Beibehaltung der Preise ja nur durch Subventionen möglich ist — von vornherein begrenzt wird.
Wir begrüßen es außerordentlich, daß die Regierung sich vorgenommen hat, daß das Währungsunrecht beseitigt wird. Welch eine Diskrepanz! Im dritten Währungsgesetz, im Umstellungsgesetz, ist angekündigt, daß sich die Militärgouverneure vorbehalten, eine zweite D-Mark auf zehn R-Mark zu gewähren. Was ist aber geschehen? Man hat nicht einmal das Verhältnis 1 zu 10 für die Sparkonten bewilligt, sondern sie auf 6,5 zu 100 dezimiert. Das ist einer jener Fälle, von denen ich vorhin gesprochen habe, in denen die Unverbrüchlichkeit der rechtlichen und moralischen Zusicherung nicht gewahrt ist.
Wir möchten hoffen, daß von der Regierung, dieweil wir ihr vollkommen vorurteilslos, aber mit größtem Argwohn und Mißtrauen gegenüberstehen, gerade diese moralische Haltung beachtet wird. Wir möchten gerne die Gewißheit haben, daß das Schicksal des deutschen Volkes bei der Bundesregierung in getreuen, reinen und geschickten Händen liegt. Wir möchten hoffen, daß der Rechtsgedanke überall, mag es sich um die Wiederherstellung der wohlerworbenen Rechte der Beamten, die durch die Entnazifizierungsmühle gegangen sind, oder um die Berücksichtigung der Rechte der früheren Wehrmachtbeamten und der ehemaligen Berufssoldaten, mag es sich um die Rechte der Sozialrentner handeln, durch den Staat — wir nennen ihn wohl Bund, sind aber überzeugt, daß er ein Zentralstaat ist - voll verwirklicht wird, wobei der Bund ein wohlwollender Vater ist; der Rechtsgedanke, von dem ein alter Vorkämpfer des Rechts, der berühmte Jurist Rudolf von Ihering, in seiner Schrift „Der Kampf ums Recht" sagt: „Kein Unrecht, das der Mensch zu erdulden hat, reicht von weitem an das heran, welches die von Gott gesetzte Obrigkeit verübt, indem sie selbst das Recht bricht."
Ich darf schließen und dem Herrn Präsidenten für seine Langmut und Ihnen selbst für Ihre Aufmerksamkeit danken.