Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Für den aus dem Deutschen Bundestag ausgeschiedenen Abgeordneten Kunz hat die Fraktion der CDU/CSU den Abgeordneten Dr. Schäuble als stellvertretendes Mitglied des Wahlprüfungsausschusses benannt. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Damit ist Herr Abgeordneter Dr. Schäuble als stellvertretendes Mitglied des Wahlprüfungsausschusses gewählt.
Ich rufe Punkt 26 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1981
— Drucksache 9/228 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Wirtschaft
— Drucksache 9/598 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Warnke Roth
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat für die Aussprache eine Redezeit von 60 Minuten vereinbart. — Das Haus ist damit einverstanden.
Wird das Wort von den Berichterstattern gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Warnke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Morgenstund' hat Gold im Mund" sagt das Sprichwort, aber offensichtlich auch Blei in den Füßen nach der Anzahl der heute hier in diesem Saal Anwesenden zu urteilen. Ich möchte z. B. dem Kollegen Ehmke, der heute mit seinen guten Schlafgewohnheiten gebrochen hat, besonders herzlich danken, daß er sich dieser Mühe unterzogen hat.
Herr Abgeordneter Dr. Warnke, ich würde die anderen auch nennen.
Der Herr Professor Ehmke hat darum gebeten, daß sein frühes Aufstehen gewürdigt wird; die anderen haben das als selbstverständlich hingenommen. Ich habe aber dieser Bitte gerne entsprochen.Ich bedauere es eigentlich, denn wir haben uns heute immerhin über die Kleinigkeit von 3 Milliarden DM plus und über eine Einrichtung zu unterhalten, die nach der Anlage eigentlich ein maßgebliches Instrument der Mittelstandsförderung sein könnte. Weit über die Hälfte dieser 3 Milliarden DM im ERP-Haushalt 1981 ist für Kredite an den Mittelstand bestimmt, eine weitere gute halbe Milliarde für die Berlin-Förderung. Diese beiden Schwerpunkte — Mittelstand, Berlin — hat die Union durch ihren politischen Willen mit herbeigeführt. Wir unterstreichen ihre Bedeutung; wir wollen sie weiter ausbauen.Wir haben auch die Grundlage nicht vergessen, auf der dies errichtet werden konnte. Die großherzige und politisch weitsichtige Hilfe des amerikanischen Volkes in den späten 40er Jahren, die den Namen des seinerzeitig amtierenden Außenministers Marshall trägt, hat den Grundstock zu diesem ERP-Sondervermögen gelegt. Deshalb begrüßen wir es, daß die Aufbringung einer Dankesspende an das amerikanische Volk auch in diesem ERP-Wirtschaftsplan enthalten ist.Aus den Gegenwertmitteln dieser seinerzeitigen amerikanischen Aktion ist ja ein Punkt dem Ziel des Marshall-Plans geradezu kongenial, nämlich die Unterstützung des Selbstbehauptungswillens und der Freiheit Berlins gegenüber kommunistischer Bedrohung. Über eine halbe Milliarde ist es, die in Form von Sonderprogrammen, die in Form von Zinsverbilligungen hier für die Behauptung Berlins, eingesetzt wird, die es ermöglicht, immerhin dort eine Kreditversorgung für bestimmte Zwecke zur Hälfte des heute üblichen Marktzinses zu geben. Wir stellen mit Genugtuung fest, daß dieser Weg weitergegangen werden kann.
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2702 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1981
Dr. WarnkeBedauerlich ist es, daß die Regierung einem Vorschlag der Sozialdemokraten, seit langen Jahren immer wieder vorgebracht, entsprochen hat und das Sonderprogramm für Vertriebene im Haushalt 1981 gestrichen hat. Wir von der Union meinen dazu, es ist kein Widerspruch zur erfolgreichen Eingliederung der Heimatvertriebenen in den 50er und 60er Jahren, wenn in Einzelfällen auch heute noch Wunden in diesem Kreise nicht ganz vernarbt sind, und wir hätten es begrüßt, wenn dieses Programm, das der Natur der Sache nach klein geworden war, hätte weitergeführt werden können.
Wir werden den Bestrebungen der Sozialdemokraten, die sich im Ausschuß manifestiert haben, entgegentreten, die heute an die Stelle dieses Programms getretenen Bedienungspräferenzen für Heimatvertriebene in den laufenden Programmen in Zukunft auch noch abzubauen, und wir erwarten eine Fortsetzung der Bedienungspräferenzen im ERP-Wirtschaftsplan 1982.Meine Damen und Herren, zwei Bundesländer, Baden-Württemberg und Hessen, parteipolitisch ausgewogen, haben Existenzgründungsprogramme aufgelegt, die über Kapitalbeteiligungsmittel aus dem ERP-Wirtschaftsplan refinanziert worden sind. Die Bundesregierung hat das 1981 gestoppt. Die Union hat im Ausschuß die Fortführung dieser Finanzierungsmöglichkeit beantragt. Die Koalition hat es abgelehnt; das ist das gute Recht der Koalition.Wenn aber die Bundesregierung vor der ersten Lesung eines Haushaltes hier bereits nicht mehr rückgängig zu machende Maßnahmen durchführt und im Verwaltungsvollzug Fakten schafft, ohne Konsultation des Parlaments und des dafür eigens eingesetzten Unterausschusses, den die Bundesregierung j a sonst zu enger Zusammenarbeit reichlich in Anspruch genommen hat, dann mag das formalrechtlich zu verteidigen und zu rechtfertigen sein. Es läßt auf jeden Fall den Respekt vor dem Parlament vermissen, und wir erwarten in Zukunft Unterrichtung und Konsultation, bevor die Bundesregierung vor Einbringung eines Haushaltes hier ihrerseits unwiderrufliche Tatsachen schafft.
ERP hat auch seine Schattenseiten. Der Fall DIRG, des Bundesunternehmens in Berlin, gehört dazu. Eine Milliarde D-Mark Kapitalstockmittel, bestimmt zur Förderung des Mittelstandes durch Kredite, sind im Laufe von zehn Jahren in dieses Faß ohne Boden geschüttet worden. Und den Boden des Fasses, Herr Kollege Roth, hat auch in diesem Fall die SPD-FDP-Koalition ausgeschlagen. Denn solange der Minister Dollinger dafür verantwortlich war, rentierte sich das Unternehmen. Die Mißwirtschaft ist in den 70er Jahren unter sozialliberaler Verantwortung eingerissen.Der Bundesrechnungshof hat dafür in seinem Bericht eine sehr griffige Formulierung. Er spricht von Fehlentwicklung bei einem Bundesunternehmen infolge mangelnder Erfüllung der Aufsichtspflichtdurch die Bundesregierung. Das ist der Sachverhalt.Dieser Fall DIAG, bei dem allein Hunderte von Millionen hingegeben worden sind, um die Vernichtungskonkurrenz mit subventionierten Preisen gegenüber eben den mittelständischen Unternehmen aufrechtzuerhalten, die eigentlich durch ERP in der Lebenskraft gestärkt werden sollten, das ist ein Schauerroman, der im Grunde als Lehrstück dafür geeignet ist, daß die öffentliche Hand unfähig ist, als Unternehmer zu fungieren, und ganz besonders mit einer sozialliberalen Koalition in der Verantwortung.
Zu spät, 1981, und zu teuer. Bezüglich des „zu spät": das halbe Jahr ist vergangen, ehe wir diesen Haushalt auch nur hier im Parlament abschließend behandeln können. Dann muß er noch in den Bundesrat gehen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat das ERP-Regionalprogramm für den Mittelstand bereits teilweise stillegen müssen — mangels rechtzeitiger Mittelzuweisung. Es ist ein Widersinn, meine Herren von der Bundesregierung, wenn Sie mit großem Posaunenschall landauf, landab ein 6,3-Milliarden-Programm verkünden, mit angeblich mittelständischem Akzent, und gleichzeitig die bewährten laufenden Programme notleidend werden lassen auf Grund einer Verzögerung, die im Klartext nicht anders denn Schlamperei auf Kosten und zu Lasten des Mittelstandes zu bezeichnen ist.
— Das ist schlimm genug; aber was schlimmer ist, Herr Kollege Roth: die konstruktiven Möglichkeiten, die im ERP-Programm an und für sich in reichem Maße angelegt werden,
werden durch die Hochzinspolitik zuschanden gemacht, die diese ERP-Kredite verteuert. Wir haben Sie gewarnt; übrigens auch Stimmen aus der Koalition. Wenn er sich frei im Raum bewegen darf, zeigt der Kollege Roth zuweilen eine gewisse Aufmüpfigkeit. Bei der Abstimmung kehrt er dann immer wieder treu zur Koalitionslinie zurück. Ich möchte Ihnen das bescheinigen, damit Sie nicht auch ein Parteiordnungsverfahren bekommen, Herr Kollege Roth.Aber in diesem Falle der Hochzinspolitik haben wir Sie gewarnt. Wir haben aus den Parlamentsfraktionen Sie gewarnt. Es hat Sie gewarnt der Zentralverband des Deutschen Handwerks, die anderen betroffenen Organisationen. Sie haben uns nicht gehört, Sie haben die Zinsen erhöht.Heute schlägt die Bundesregierung diesem Plenum schamhaft vor, die Begrenzung der Mittel für standortbedingte Investitionen auf 180 Millionen DM zu streichen. Es versteht natürlich kein Mensch, was damit gemeint ist. Was steckt denn dahinter?
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1981
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Dr. WarnkeWas bedeutet das im Klartext? Das heißt im Klartext: das Existenzgründungsprogramm läuft nicht in der vorgesehenen Weise. Die Begrenzung der Mittel für Standortfinanzierung sollte sicherstellen, daß mindestens 680 Millionen für Existenzgründungskredite bereitstehen. Jetzt werden Sie, meine Herren von der Bundesregierung, diese 680 Millionen für die mittelständische Existenzgründung nicht los.Im Klartext heißt das: im zentralen Bereich „mittelständische Existenzgründung" ist die Mittelstandsförderung an der Hochzinspolitik gescheitert. Damit, Herr Kollege Roth, sind die konstruktiven Möglichkeiten, die im ERP-Programm und in diesem Sonderhaushalt angelegt sind, weitgehend zuschanden geworden an der Politik dieser Regierung.Wir können hier Milliarden bereitstellen. Aber es wird nichts nützen, solange die Rahmenbedingungen nicht geändert werden. Und der Rahmen, der ist schief. Der ist hier in Bonn gezimmert worden. Für diese Hochzinspolitik trägt nicht die Bundesbank die Verantwortung und nicht die amerikanische Regierung. Nicht in Ottawa ist das Heilmittel gegen die Hochzinspolitik zu finden, sondern allein hier in der Hausapotheke in Bonn, und zwar durch eine konsequente und solide Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Wie eine Ziege im iranischen Hochland hat die Bundesregierung jeden grünen Halm auf dem Kapitalmarkt ausgerupft, soweit er sich auch nur hervorwagte, und in diesem Jahr insgesamt, wenn Sie alles zusammennehmen, 40 Milliarden DM an Schulden auf dem Kapitalmarkt aufgenommen. Wenn Sie dieser Entwicklung kein Ende setzen, dann werden Sie uns auch bei einer Zinsberuhigung im Ausland nicht vor den Folgen hausgemachter Zinstreiberei auf Grund verfehlter Politik der Bundesregierung bewahren können.
Der Sonderhaushalt ERP, meine Damen und Herren, kann nur im Rahmen eines gesunden Gesamthaushalts gedeihen. Das heißt für 1982 — Herr Kollege Roth, jetzt kommt etwas Konstruktives; es darf zugehört werden —: Hände weg von den angeblichen Gewinnzuweisungen der Deutschen Bundesbank an den Bundeshaushalt! 10 Milliarden DM sind im Gespräch — eine runde Zahl, leicht zu merken, hat sich der Finanzminister gesagt, die kann man gut gebrauchen. Seit Wochen wird jetzt ohne Dementi von der Spitze der Regierung in den Gazetten der Plan der sozialliberalen Koalition diskutiert, sich damit im kommenden Jahr über die Runden zu mogeln.Allein dieser Plan, meine Damen und Herren, ist bestimmt keine Stütze für eine solide Entwicklung des Wechselkurses der deutschen Mark. Nicht nur der Reagan-Bonus hat den Dollar stark gemacht und macht ihn stark, sondern auch der Schmidt-Malusauf Grund liederlicher Finanzpolitik hat die D-Mark geschwächt und schwächt sie weiter.
Wir sagen der Bundesregierung eindringlich: Hände weg von den Bilanzgewinnen der Bundesbank! Das gilt auch für den Buchgewinn, der auf Grund höherer Bewertung der Dollar-Währungsreserven eintreten mag. Man verschone dieses Volk vor einer Haushaltssanierung nach dem Motto: Je größer das Leistungsbilanzdefizit, je schlechter der Kurs der D-Mark, desto höher die Abwertungsbuchgewinne der Bundesbank, desto reicher sprudeln die Einnahmequellen des Bundeshaushalts. Wer eine solche Maschine konstruieren wollte, der führte uns geraden Weges in weitere Spiralen des wirtschaftlichen und finanzpolitischen Verfalls hinein.Ich erinnere den Bundesfinanzminister daran: Als es vor drei Jahren Aufwertung und damit bei der Bundesbank Aufwertungsverluste gab, hat er uns erklärt: Dies sind Buchverluste; sie haben keine Auswirkung auf den Bundeshaushalt. Dann muß jetzt genauso gelten: Buchgewinne, die aus Währungskursveränderungen entstehen, dürfen ebenfalls keine — entlastende — Auswirkung auf den Bundeshaushalt haben.Gilt vielleicht etwas anderes für jene Gewinne, die auf Grund der Hochzinspolitik, auf Grund von inländischen Einnahmen aus Lombard und aus anderen Quellen entstehen? Sicher nicht. Denn was ist denn diese Hochzinspolitik der Sache nach? Sie ist eine Sondersteuer, die durch höhere Kreditzinsen auf Investitionen gelegt werden muß, weil die Wirtschafts-und Finanzpolitik aus dem Ruder gelaufen sind. Wenn mit den bei der Bundesbank aus dieser Sondersteuer buchmäßig „anfallenden Gewinnen" nun der Bundeshaushalt davor bewahrt werden würde, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, dann wäre das eine in sich widersinnige und destruktive Politik; es wäre geradezu ein Treppenwitz der Weltgeschichte.
Meine Damen und Herren, ich sage es in diesem Zusammenhang, weil es hierhergehört: Wir können uns abstrampeln, wie wir wollen, mit solchen Milliardenprogrammen, wenn die allgemeine Richtung nicht stimmt, nutzt das nichts. Die ganze Gewinnabführung der Deutschen Bundesbank, gesetzlich statuiert in § 27 des Bundesbankgesetzes, paßt nicht mehr in die währungs- und finanzpolitische Landschaft der 80er Jahre. Wenn es der Bundesbank nicht gelingt, diesen Buchgewinn verschwinden zu lassen oder durch entsprechende Bewertungskorrekturen auf eine erträgliche Größenordnung zu drücken, dann müssen andere Maßnahmen getroffen werden.Wenn ich sage „andere Maßnahmen", dann meine ich sicher nicht die Anlegung einer Ausgleichsrücklage für den Bundeshaushalt in entsprechender Höhe; denn zur Anlegung von Ausgleichsrücklagen ist die sozialliberale Koalition ebenso unfähig, wie
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2704 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1981
Dr. Warnkeder berühmte Mops unfähig ist, sich einen Wurstvorrat anzulegen.
Diese Bundesregierung hat j a die alte Börsianerweisheit „Kasse macht sinnlich" geradezu zum Wappenspruch ihrer Haushaltspolitik in den letzten 12 Jahren erhoben. Deshalb habe ich mit Genugtuung gehört, daß Ihr Chef, Herr Staatssekretär Grüner, den wir heute hier im Plenum leider vermissen, sich gestern im „Kölner Stadtanzeiger" in der Richtung geäußert hat, Gewinne der Bundesbank dürften nicht zum Ausgleich des Haushalts 1982 eingeplant werden.
Das hat mir eine Meldung in der „Süddeutschen Zeitung" in Erinnerung gerufen, wonach vor einem Vierteljahr der frühere Wirtschaftsminister Schiller gesagt hat: Der Graf Lambsdorff hat recht, wenn er den beschleunigten Ausbau der Kernenergie fordert. Nur hat er es schon hundertmal gesagt, und geschehen ist nichts.
Wir erwarten auch auf diesem Gebiet von Ihnen Taten. Wir werden die Aussage des Bundeswirtschaftsministers an jeder Milliarde messen, um die die Nettoneuverschuldung im Jahre 1982 unter dem bis jetzt vorgegebenen Zielwert von 26 Milliarden DM liegt. Daran wird sich zeigen, wieweit das eine plakative Aussage vor einem schicken Unternehmerkreis war oder wieweit Sie noch in der Lage sind, Ihre Vorstellungen auch in Wirtschafts- und Finanzpolitik umzusetzen.
Wie dringend der Schuldenabbau ist, Herr Kollege Roth, haben gerade die Jahre 1980 und 1981 gezeigt. Von der Öffentlichkeit unbemerkt haben wir im vergangenen Jahr im ERP eine Nettoneuverschuldung von 40 % des Baransatzes aufgenommen und in diesem Jahr noch einmal von 30 %. Innerhalb von zwei Jahren hat die Bundesregierung die Verschuldung von ERP von 1,8 Milliarden DM auf über 4 Milliarden DM gesteigert, also mehr als verdoppelt. Das stellt einen Rekord dar, von dem selbst die nicht gerade zimperliche Verschuldenspolitik der Bundesregierung weit in den Schatten gestellt worden ist.Das Bezeichnende ist: Mitsamt dieser Schuldenlast konnte der Baransatz nur um 3 % pro Jahr in diesen zwei Jahren gesteigert werden, also um eine Rate, die unterhalb der Inflationsrate liegt. Im Klartext: Sie haben die Schulden verdoppelt, und die Leistungsfähigkeit von ERP ist in den letzten zwei Jahren gesunken.Meine Damen und Herren, schlimmer noch: Die Fortschreibung, die uns jetzt vorgelegt worden ist, zeigt, daß dieser Weg binnen zehn Jahren zur Blokkade der Leistungsfähigkeit von ERP führen wird, wenn wir ihn nicht unterbrechen. Das Fehlen einer der mittelfristigen Finanzplanung vergleichbaren Vorausschau — die Opposition hat sie im Wirtschaftsausschuß immer wieder gefördert — rächt sich jetzt.Unsere Zustimmung zum ERP-Haushalt heute hier bei der zweiten und dritten Lesung sollten Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, und sollte die Bundesregierung nicht mißdeuten als einen Blankoscheck zur Fortsetzung dieser Mißwirtschaft. Unsere Zustimmung heute ist Ausdruck der Notwendigkeit, mittelständischen Unternehmen nicht noch weiter den Kredithahn zuzudrehen und sie so in Existenznot geraten zu lassen. Die Union wird 1982 eine gründliche Bestandsaufnahme und eine Kurskorrektur zur Voraussetzung der Verabschiedung des ERP-Wirtschaftsplanes 1982 machen, damit die Leistungskraft des ERP-Sondervermögens auch in Zukunft gewährleistet werden kann und damit wir dem Mittelstand und Berlin die Hilfe zukommen lassen können, auf die sie Anspruch haben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Roth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Warnke, es war wirklich bestechend, wie Sie hier die Dramatik der Finanzsituation des ERP-Sondervermögens dargestellt haben, als drohe jetzt der finanzielle Zusammenbruch. Wir waren alle schon ganz erschüttert ob Ihrer Ausführungen.
Dann haben Sie einen Salto mortale, allerdings mit Bauchlandung, gemacht und erklärt, Sie stimmten zu, denn das sei im ganzen doch ein Wirtschaftsplan, der den kleinen und mittleren Unternehmen vorzüglich helfe.
Ich verstehe eines nicht. Wenn Sie wirklich der Überzeugung sind, daß Ihr Überschuldungsgerede richtig ist, bezogen auf den ERP-Wirtschaftsplan, dann können Sie diesem Plan doch nicht zustimmen. Da Sie ihm zustimmen, wie Sie gesagt haben, was mich freut, was Herrn Grüner freut, was alle Verantwortlichen freut, was die kleinen und mittleren Unternehmer freut, geben Sie durch konkludentes Handeln zu, daß Ihre Ausführungen zur Überschuldung nicht zutreffen. Sonst wären sie ganz unverantwortlich.
Meine Damen und Herren, das wissen Sie auch. Sie wissen auch, warum wir im Schuldenbereich stärker als bisher expandieren. Sie wissen auch, daß es innerhalb der Tradition der CDU-Wirtschaftspolitiker beispielsweise den Herrn Burgbacher gab, der noch nicht vergessen ist, der gemeint hat, man sollte die Verschuldung viel drastischer ausdehnen, um das wirklich zu einem breiten Instrument zu machen. Wir sind da vorsichtiger.
Es hätte mich sehr gefreut, wenn der Oppositionssprecher ein Wort zu der erfolgreichen Sanierungs-
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1981 2705
Rotharbeit bei DIAG gesagt hätte. Er weiß, daß wir alle über das Mißmanagement in diesem Unternehmen sehr betroffen waren. Um so mehr wäre es notwendig gewesen, dem Aufsichtsratsvorsitzenden, Herrn Dr. Vogels, für die Leistung in den letzten zwei Jahren zu danken. Ich möchte dies auf jeden Fall hier tun.Zum Vertriebenenprogramm, zu dem Sie festgestellt haben, daß es nicht mehr ausdrücklich etatisiert ist, möchte ich eine Bemerkung machen. Wenn wir Ihre schöne Heimatstadt Hof nehmen und dort zwei Unternehmer beobachten, die beispielsweise in derselben Straße ihren Betrieb gründen wollen, dann ist der eine vor etwa 38 Jahren vielleicht in Breslau und der andere in Ihrer lieben Stadt Hof geboren worden. Wollen Sie erklären, daß es noch irgendeinen Grund gibt, denjenigen, der seine Heimat vor 35 Jahren als kleiner Junge verlassen hat und seitdem in Hof lebt, anders als seinen Nachbar zu behandeln, der seit 38 Jahren immer in Hof gelebt hat? Da müssen Sie sich doch wirklich alle Haare einzeln herausziehen und sie betrachten, um hier noch einen wirtschaftlichen Unterschied zu entdecken.Ich muß Ihnen eines sagen. Ihr Gerede in der Öffentlichkeit, keine Sonderprogramme und nicht so viele Töpfchen zu wollen, ist doch völlig unglaubwürdig, wenn Sie in einem derartigen Zusammenhang ein Sonderprogramm verlangen, wo jeder Bürger, wo der gesunde Menschenverstand sagt: Das ist Unsinn geworden, weil durch die Integration der Vertriebenen eine differenzierte Sachlage zwischen dem Bürger aus Breslau, der seit 35 Jahren in Hof lebt, und seinem Nachbarn, der dort geboren ist und dort unternehmerisch tätig sein will, nicht mehr gegeben ist. Da gibt es keine Unterschiede. Deshalb machen Sie doch hier nicht diese Verbeugung vor ein paar nach meiner Auffassung insoweit fossil denkenden Vertriebenenpolitikern!
Meine Damen und Herren, die Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen für die Volkswirtschaft brauche ich hier nicht ausdrücklich zu betonen. Die Daten sprechen für sich: Etwa 60 % des Bruttosozialprodukts werden in kleinen und mittleren Unternehmen erwirtschaftet, zwei Drittel der Arbeitnehmer arbeiten dort, zwei Drittel der Jugendlichen werden dort ausgebildet, und 95 % aller Unternehmen gehören zu dieser Gruppe. Wir haben uns durch unsere Politik in den letzten Jahren bemüht, die mittleren und kleinen Unternehmen zu stärken. Das ist gelungen. Wir haben über mehrere Jahre eine Zunahme der Zahl der Selbständigen im produzierenden Gewerbe, im Handel, im Verkehr, im Dienstleistungsbereich zu verzeichnen.Deshalb sehe ich es als Gefahrensignal, daß im Jahre 1980 die Zahl der Selbständigen um 5 000 abgenommen hat. Zwar zeigt sich hier ein differenzierter Prozeß — im produzierenden Gewerbe hatten wir eine Zunahme —, aber trotzdem ist es unbefriedigend, daß beispielsweise 8 000 Betriebe bei Handel und Verkehr herausgefallen sind.Ich möchte Ihnen sagen, daß ich glaube, daß wir allen Grund haben — alle Beteiligten, in der Wirtschaft, im Bankgewerbe, im politischen Sektor —, auf diese Veränderung achtzugeben. Wir müssen nach meiner Auffassung erkennen, daß die kleinen und mittleren Unternehmen am stärksten von der Hochzinspolitik der Bundesbank bzw. der internationalen Geldpolitik betroffen sind. Es ist einfach nicht wahr, was manche Theoretiker der Geldpolitik, angeführt von Herrn Friedman in den USA, sagen, daß Geldpolitik, schroffe Hochzinspolitik, strukturneutral sei.Die Eigenfinanzierungsquote der kleinen und mittleren Unternehmen beträgt in der Bundesrepublik Deutschland im Durchschnitt etwa 20 %.
Die Selbstfinanzierung vieler Großunternehmen beträgt zuweilen 100 %. Es gibt sogar große deutsche Unternehmen, die sich zur Zeit mehr als Banken denn als Unternehmen mit Investitionen und Produktion betätigen, um Gewinne zu erwirtschaften. Von daher ist das Thema Hochzinspolitik auch ein Thema der Strukturpolitik, d. h. der Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen.Ich habe schon betont, daß schon 1980 ein Rückgang der Unternehmenszahl festzustellen war. Die Zahl der Insolvenzen hat sich bereits 1980 um 10 % erhöht, davon waren 90 % kleine und mittlere Unternehmen. Im ersten Jahresdrittel 1981 hat sich die Lage erneut verschlechtert. Nach den neuesten Angaben des Statistischen Bundesamtes stieg die Zahl der Konkurse und Vergleiche gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 22,1 % auf 3 619. Wir sehen also, daß die Hochzinspolitik der westlichen Zentralbanken, angeführt durch die Zentralbank der Vereinigten Staaten und voll unterstützt durch die Deutsche Bundesbank, eine lange Bremsspur zeigt.Ich halte diese Politik, wie ich öfters schon öffentlich ausgeführt habe, für fragwürdig, von der Zielsetzung und von der Wirkung her. Ich möchte nicht so weit gehen wie jener Schweizer Bankier, der einmal in der Woche im „Handelsblatt" unter dem Titel „Der Gnom aus Zürich" seine Kolumne formuliert. Er vergleicht den geldpolitischen Kurs der westlichen Zentralbanken mit dem Kurs von 1931. Wenn es um Geldpolitik gehe, so meinte dieser Bankier aus der Schweiz, werden die gleichen Argumente wie vor 50 Jahren ins Feld geführt. Damals wie heute werde ein restriktiver außenwirtschaftlicher Kurs gefahren, der an den Nerv der Wirtschaft gehe. Gott sei Dank, sagt er, sei der Großteil der Wirtschaft robuster und zinsunempfindlicher als damals. Konzern-Riesen wie Siemens, VW, Daimler-Benz könnten bei Festgeldguthaben in Milliardenhöhe recht beachtliche Gewinne einstreichen, so daß man nicht unbedingt von einer Parallele 1981 zu 1931 ausgehen müsse.Diese Formulierung beruhigt mich wenig, denn sie bedeutet doch, daß auf Grund der geldpolitischen Lage nur jene wirklich auf die Dauer lebensfähig bleiben, die Festgeldguthaben haben, d. h. sich nicht als Unternehmer, sondern als Rentier, der Zinsen einstreicht, betätigen.RothDie Bundesbank hat sich auf diesen außenwirtschaftlich orientierten Kurs begeben, da sie befürchtet, daß ohne eine Sicherung des Wechselkurses ein Abwertungsstrudel entstünde. Wir wissen schon heute, daß dieses Ziel der Bundesbank nicht erreicht wurde. Die Bundesbank hatte beabsichtigt, im Verlaufe des Herbstes 1980 den DM-Dollar-Kurs bei 2,10 zu stabilisieren. Wir wissen, daß inzwischen am Markt 2,36 DM gezahlt werden müssen. Ich frage mich auch, ob es irgendeine gesetzliche Grundlage gibt, die den DM-Dollar-Kurs als Ziel vorgibt. Ich halte das für verfehlt.Grotesk wird es, wenn die Deutsche Bundesbank inzwischen behauptet, ihr sei es zu verdanken, daß es wirtschaftlich wieder aufwärts gehe, denn die Abwertung habe ja jetzt die Exporte gesteigert. Man muß feststellen: Das Gegenteil war richtig; sie wollte ursprünglich gerade diesen Abwertungsprozeß stoppen.Die Bundesbank muß sich deshalb fragen lassen, ob nicht eine binnenwirtschaftlich am Wachstum des Produktionspotentials orientierte Geldpolitik eher ihrem gesetzlichen Auftrag entsprochen hätte und — wie wir heute sehen — auch wirksamer gewesen wäre. Eine Abwertung der D-Mark hat die Bundesbank, wie wir sehen, ohnehin nicht verhindern können; sie hat sie, wenn Marktwirtschaft gilt, auch nicht verhindern sollen. Was soll eine gegen Markttendenzen gerichtete Geldpolitik? Ich wundere mich eigentlich auch darüber, daß ich hier eine marktwirtschaftlich orientierte Geldpolitik zu vertreten habe, wo Sie von der CDU/CSU sich doch immer als Spezialmarktwirtschaftler in Szene setzen.
Ich habe vor Monaten gesagt, sie wird es nicht schaffen, weil spekulative Strukturen das verhindern werden. Gerade wenn man interveniert, wird man die Spekulation noch verstärken, denn sie hat j a bekanntlich in einer solchen Situation kein Wechselkursrisiko.Aber in unserem heutigen Zusammenhang ist die negative Strukturpolitik entscheidend. Deshalb war es sinnvoll, Herr Warnke — Sie sollten da die Bundesregierung preisen und nicht kritisieren —, daß die Bundesregierung dieser Hochzinswirkung entgegengetreten ist, beispielsweise durch Ausweitung der ERP-Kredite und beispielsweise durch das Sonderprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Ich bin mir darüber im klaren, daß beide Instrumentarien das, was an negativen Strukturwirkungen auftritt, nicht voll ausgleichen können, aber sie können es dämpfen und mildern. Angesichts der Insolvenzzahlen dieses Kreditprogramm kritisieren, heißt an der Wirklichkeit, an der Notwendigkeit und an den Bedürfnissen der kleinen und der mittleren Unternehmen vorbeimarschieren.
Ich möchte Ihnen das belegen. Herr Dr. Warnke, das Programm der Kreditanstalt läuft jetzt seit sechs Wochen.Erstens. Es ist bereits ein Drittel des Kreditvolumens mit Anträgen belegt, jetzt schon ein Drittel, obgleich das Programm für anderthalb Jahre gedachtwar. Hier zeigt sich eine Investitionsfinanzierungsbedürftigkeit der kleinen und der mittleren Wirtschaft, die vorrangig bedient wird — das hat uns die Kreditanstalt für Wiederaufbau noch einmal bestätigt —, die wir — notfalls eben durch Sonderprogramme — befriedigen müssen.Zweitens. Das Programm bedient genau diejenigen, die am stärksten unter der Hochzinspolitik zu leiden haben, nämlich Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 20 Millionen.Drittens. Wir stellen fest, daß produzierendes Gewerbe, Handel, Handwerk und alle Dienstleistungsbereiche gleichermaßen das Programm nachfragen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau sagt, daß von der Struktur her eine Ausgewogenheit gegeben ist.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Warnke?
Aber gern. Präsident Stücklen: Bitte sehr.
Herr Kollege Roth, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich das 6,3Milliarden-Programm nicht kritisiert habe, sondern gerügt habe, daß gleichzeitig das ERP-Programm so zögerlich gefahren worden ist, daß es zeitweilig stillgelegt werden mußte? Und sind Sie bereit, mir zuzustimmen, daß darin eine Schlamperei liegt in Anbetracht des von Ihnen genannten dringenden Kreditbedarfs des Mittelstandes?
Vielen Dank, Herr Dr. Warnke, das ist, finde ich, eine wichtige Klarstellung, daß Sie persönlich in Widerspruch zu vielen in Ihrer Partei bereit sind, das 6,3-Milliarden-Programm zu unterstützen.
Ich habe hier einen Packen Papier von Stellungnahmen zum 6,3-Milliarden-Programm der Bundesregierung. Das geht damit los: der Herr Riedl, der, der gerade abgestiegen ist,
sagt, er habe verfassungsrechtliche Bedenken.
Herr Abgeordneter Roth, nicht der Herr Abgeordnete Dr. Riedl ist abgestiegen.
Ach, Entschuldigung. Ich dachte, zur Kennzeichnung sei dies ausreichend.
Ich verstehe. Herr Präsident, ich habe mich danebenbenommen.
Nein, nein, so schlimm war es auch nicht.
Der Herr Präsident ist milde und sagt, so schlimm sei es nicht gewesen. Also kriege ich mein Selbstbewußtsein wieder.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1981 2707
RothDann ist da der Herr Hauser. Sie kennen alle den Herrn Hauser. Der hat ja ein paar Berufe. Der Herr Hauser meint, das sei kein Programm für den Mittelstand, im Widerspruch zur Wahrheit, zu den Programmkriterien. Der Herr Waigel meinte, der Zinssatz sei unattraktiv: 10,25 % Verzinsung. Bei Investitionskreditverzinsungen in der Bundesrepublik Deutschland für kleine und mittlere Unternehmen von inzwischen 13,5 % und 14 % sagt er, 10,25% sei nicht attraktiv — gegen die Wahrheit.
Dann Ihr prächtigster Redner auf diesem Gebiet: Herr Leisler Kiep sagt, die Bedenken der Bundesbank seien allein tragfähig, und lehnt dieses Programm ausdrücklich ab.Ich kann hier feststellen, daß die CDU/CSU ohne jeden Vorschlag im Hinblick auf Erweiterung der Finanzierungsmöglichkeiten der kleinen und mittleren Unternehmen geblieben ist. Jedenfalls wird im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen wahrgenommen, in welcher Weise Sie die vorgeblichen Interessen des Mittelstandes vertreten.Ich darf übrigens betonen, daß es keinerlei Finanzierungsschwierigkeiten bei diesem Programm gegeben hat. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat erklärt, daß sie in der Lage ist, sich ausreichend zu refinanzieren.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung und wir als Bundestag werden nun auf die Ergebnisse des Ottawa-Gipfels — —
Herr Abgeordneter Roth, gestatten Sie noch eine Frage, eine Frage des Herrn Abgeordneten Hinsken?
Aber gern. Präsident Stücklen: Bitte schön.
Herr Kollege Roth, sind Sie bereit, zu bestätigen, daß Ihr Parteifreund Herr Selle an den Bundeswirtschaftsminister ein Schreiben gerichtet hat, in dem er gebeten hat, den ERP-Zinssatz nicht zu erhöhen und darüber hinaus Weichenstellungen im Sinne des Mittelstandes vorzunehmen, damit er weiterhin überleben kann und in Zukunft nicht noch mehr Insolvenzen verzeichnet werden müssen als bereits in den vergangenen Monaten?
Wissen Sie, was Herr Selle geschrieben hat, das waren Besorgnisse, die ich voll teile. Aber was man nicht machen kann, das ist das, was die CDU macht. Sie unterstützt voll die Hochzinspolitik. Sie würde es noch thatcheristischer haben wollen, als es ist. Anschließend wundert sie sich, daß die Zinsen für die ERP-Kredite steigen, als ob der ERP-Kredit nicht auch am Kapitalmarkt beschafft werden müßte. Das ist die Wahrheit.
Sie können doch nicht Forderungen stellen, die in völligem Widerspruch zu Ihrer eigenen wirtschaftspolitischen Logik stehen.
Wenn Sie sich mir anschließen, können Sie — ich habe es auch getan — diese ERP-Kreditzinsen kritisieren; dann haben Sie eine Legitimation. Wenn Sie das nicht tun, wenn Sie die Geldmengenverknappung — international — voll unterstützen, weil Sie sagen, das sei das beste Antiinflationsinstrument, dann fahren Sie genau auf einer Schiene mit den anderen und werden eben auch im ERP-Bereich hohe Kreditzinsen haben. Ich bin eben dagegen zusammen mit meinem Freund und Kollegen, dem Wirtschaftssprecher der SPD im nordrhein-westfälischen Landtag, Selle.
Erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hinsken?
Und Ihre Kollegen in Ihrer Fraktion?
Die sind meiner Meinung.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rawe, Herr Abgeordneter Roth?
Herr Kollege, würden Sie nicht darin mit uns übereinstimmen, daß der Kreditmarkt in der Bundesrepublik wesentlich besser aussehen könnte, wenn ihn die öffentlichen Haushalte nicht so unvernünftig in Anspruch nähmen?
Ich habe an dieser Stelle schon einmal betont, daß die Zusammenhänge etwas komplizierter sind, als die meisten, zum Beispiel Sie, sie sehen.
Es liegt Ihnen j a eine Dame in der Welt als Regierungschef besonders am Herzen, nämlich Mrs. Thatcher. Sie hat vor zwei Jahren eine Konsolidierungsstrategie gefahren, genauso wie sie sie vorgeschlagen hat: Verbrauchsteuern erhöhen und drastische Senkung der Staatsausgaben.
Nach zwei Jahren derartiger überzogener Konsolidierungspolitik, Herr Rawe, hat die Dame eine Verschuldung von, gemessen am Sozialprodukt, 6 %. Wir haben zur Zeit eine von 4 % — auch zuviel.
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2708 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1981
RothL) Wir sind uns einig, daß wir konsolidieren müssen. Aber das muß im Maße geschehen. Und es ist unstreitig, daß die Geldmengenverknappung der Deutschen Bundesbank und der anderen Zentralbanken, die glauben, über Geldmengenverknappung Antiinflationspolitik betreiben zu können, heute für die Enge der Kapitalmärkte verantwortlich ist und nicht die Bundesregierung oder irgendein anderer Staat der Welt.
Wenn wir nicht stabilisiert hätten, auch über mehr Investitionen und mehr Staatsausgaben, wenn wir uns nicht dieses Paket aufgeladen hätten, hätten wir einen Prozeß eingeleitet, der — man muß es befürchten — in Großbritannien allmählich an den Rand des Abgrunds führt. Die neuen Zahlen haben Sie wohl gesehen: über 3 Millionen Arbeitslose. Von daher sind wir sehr kritisch gegenüber dieser Lehre, die uns aus Amerika herübergespielt wird.
Herr Abgeordneter Roth, geben Sie noch eine Zwischenfrage? Sie haben Ihre Zeit bereits so in Anspruch genommen — —
Herr Präsident, Ihre Milde will ich nicht überbeanspruchen.
Ich komme zum Schluß.
— Herr Rawe, Erfahrungen anderer Länder soll man rechtzeitig aufnehmen, und sie sollten Warnsignale sein. Ich erinnere mich noch sehr genau, wie Frau Thatcher auf dem Parteitag der CDU/CSU aufgetreten ist. Da war noch der andere, aus Bayern, Ihr Spitzenkandidat. Er hat gesagt: „Ich bin der deutsche Thatcher." Von dem hört man jetzt nichts mehr —
von beiden nicht, weder von diesem Satz noch von dem anderen.
Meine Damen und Herren, wir gehen diesen Weg nicht. Wir werden jetzt neue Ideen entwickeln, auch in der Zukunft, um die kleinen und mittleren Unternehmen investierungsfähig zu halten. Ich wäre dankbar, wenn der Koalitionspartner mithelfen würde, auf diesem Weg weiterzugehen. Bisher hat das gut geklappt. Auch von daher können wir uns nach meiner Überzeugung sehen lassen bei der Förderung und bei der Sicherung kleiner und mittlerer Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Beckmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf des ERP-Wirtschaftsplans für 1981 weist ein Volumen von gut 3,1 Milliarden DM auf und übersteigt damit den Ansatz des Vorjahres um rund 3 %. Er bleibt damit unter dem vom Finanzplanungsrat empfohlenen Limit von rund 4 % Ausgabenwachstum der öffentlichen Haushalte. Diese maßvolle Steigerung zeigt, daß mit dem ERP-Wirtschaftsplan 1981 keine finanziellen Veränderungen vorgenommen werden sollen, die eine solide Finanzierung auf Dauer in Frage stellen würden und daß dieser Plan kontinuierlich mit dem Blick auf die Förderzwecke ausgebaut werden soll. Obgleich gegenüber dem Vorjahr der Betrag der Fremdmittelaufnahme um 132 Millionen DM auf 970 Millionen DM zurückgenommen werden konnte, müssen leider noch immer 30 % der Einnahmen auf dem Kapitalmarkt beschafft werden. Damit wird das Bemühen deutlich, zwischen Neuverschuldung und wichtigen Investitionserleichterungen für die gewerbliche Wirtschaft einen guten und vernünftigen Mittelweg einzuschlagen.
Die dabei auch aufkommende Frage nach der Höhe der Zinsen für die ERP-Kredite, die ja hier eben sehr lebendig diskutiert worden ist und zu der wir, Herr Kollege Roth, als Liberale auch von Ihren Ausführungen abweichende Vorstellungen haben, können wir allerdings nur im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang beantworten und bewerten. Auch die ERP-Kredite unterliegen natürlich den Kapitalmarktstrukturen. Das ist Ihnen doch auch bekannt.
Meine Damen und Herren, wir begrüßen es sehr, daß dieser Wirtschaftsplan keine neuen Fördermaßnahmen anbietet, sondern vielmehr Bewährtes fortführt. Nachdrücklich und mit Befriedigung begrüßen wir auch, daß die Finanzierungshilfen zur Leistungssteigerung kleiner und mittlerer Unternehmen den Schwerpunkt der EPR-Förderung belassen. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zur Strukturverbesserung unserer Wirtschaft. Für diese Zwecke sind 2 Milliarden DM eingesetzt. Das sind fast 60 des Fördervolumens.
Ich darf an dieser Stelle für meine Fraktion betonen: Je größer die Zahl, die Vielfalt und die Qualität der kleinen und mittleren Unternehmen, also der selbständigen Existenz, in unserer Gesellschaft sind, desto mehr Menschen können auch von ihrer verfassungsmäßig garantierten Freiheit der Berufs- und Arbeitsplatzwahl Gebrauch machen, und um so geringer sind die Gefahren, die aus der wirtschaftlichen Macht von Menschen über Menschen erwachsen können. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen haben oft gezeigt, daß sie in besonderem Maße in der Lage sind, Neuentwicklungen am Markt zu erspüren und umzusetzen. In unserer heutigen Wirtschaftslage sind Kreativität, Risikobereitschaft und Innovationsfähigkeit wichtiger denn je.
Darum ist für uns die Frage, ob durch ERP-Mittel weiterhin auch in den kommenden Jahren eine dezidierte Mittelstandspolitik betrieben werden sollte, schon durch das, was ich gesagt habe, beantwortet. Denn diese Mittelstandspolitik ist für uns Freie De-
Beckmann
mokraten ein Stück Gesellschaftspolitik zur Wahrung und Stärkung unserer Demokratie.
Von den 2 Milliarden DM entfallen 860 Millionen DM auf die Hilfe zur Gründung von selbständigen Existenzen. Für uns ist auch die Sicherung des unternehmerischen Nachwuchses in unserer marktwirtschaftlichen Ordnung von entscheidender Bedeutung. Hierbei — und das stellen wir bei den Gesprächen mit den Betroffenen immer wieder fest — besteht die größte Schwierigkeit meist im fehlenden Startkapital. Um derartige Finanzierungsengpässe für Nachwuchskräfte beim Aufbau eines eigenen Unternehmens auszugleichen, wird diesem Personenkreis das ERP-Programm zur Förderung der Existenzgründung als wichtige finanzielle Hilfe zur Verfügung gestellt. Diese Mittel werden darüber hinaus seit 1979 noch mit dem Eigenkapitalhilfeprogramm aus dem Bundeshaushalt in den Fällen verstärkt, in denen eine Selbständigmachung an fehlenden haftenden Mitteln scheitern würde.
Wir meinen, daß dies eine sinnvolle Ergänzung zweier Programme und gleichzeitig ein Beweis für die schlüssige mittelstandspolitische Konzeption dieser Bundesregierung und ihres Bundeswirtschaftsministers ist.
Erlauben Sie mir bei dieser Gelegenheit einige Bemerkungen über die Finanzierung von Länderprogrammen zur Existenzgründung über ERP-Mittel. Wir haben darüber im Wirtschaftsausschuß eingehend diskutiert, zumal ein nachhaltiges Interesse insbesondere der Bundesländer Baden-Württemberg und Hessen vorlag. Der Ausschuß ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß sowohl allgemeine finanzpolitische als auch grundsätzliche Erwägungen gegen ERP-Finanzierung dieser Länderprogramme sprechen. Wir sind der Auffassung, daß es in einer Zeit allgemeiner Sparmaßnahmen nicht möglich ist, das ERP-Programm zusätzlich auszuweiten. Dies hätte nur auf dem Kreditwege geschehen können. Dies haben wir allerdings nicht für richtig gehalten. Ebensowenig erschien es uns gerechtfertigt, einzelne Länderprogramme zu Lasten anderer Förderungszwecke zu finanzieren. Wir halten es auch aus Gründen der Einheitlichkeit der Mittelstandsförderung für angezeigt, gleiche Bedingungen in allen Bundesländern zu schaffen. Dies trägt gleichzeitig zu der häufig geforderten Transparenz in der Mittelstandsförderung bei.
Meine Damen und Herren, nicht zuletzt die Stahlkrise hat deutlich gemacht, daß es bei uns in der Bundesrepublik auch wirtschaftsschwache und strukturschwache Regionen gibt, die flankierender Hilfen bedürfen. Ich begrüße es, daß im ERP-Regionalprogramm neben den mittelstandspolitischen Zielen auch den regionalen Entwicklungsgesichtspunkten große Bedeutung zugemessen wird. So sollen nach dem Entwurf 855 Millionen DM für regionale Finanzierungshilfen an die gewerbliche Wirtschaft eingesetzt werden. Mit diesen Mitteln wollen wir standortbedingte Wettbewerbsnachteile ausgleichen. Auf Grund der komplementären Wirkung dieser Mittel zu Finanzhilfen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" messen wir diesem Programmteil ebenfalls große Bedeutung bei.
Neben den Hilfen zur Leistungssteigerung kleinerer und mittlerer Unternehmen sind die Bereiche Umweltschutz und Berlin-Förderung erklärte Förderziele des ERP-Sondervermögens. Für die Umweltschutzfinanzierung sollen 340 Millionen DM in diesem Jahr bereitgestellt werden. Ich glaube, daß die damit verbundenen gewissen Abstriche am Finanzvolumen möglich sind, ohne die bisherige Zielrichtung zu ändern; denn mit dem Inkrafttreten des Abwasserabgabengesetzes werden für den Bau von Kläranlagen mehr Finanzierungsmittel bereitstehen, als sie das ERP-Sondervermögen hätte verfügbar machen können.
Die Sicherung und der Ausbau — das liegt mir besonders am Herzen — der wirtschaftlichen Entwicklung Berlins sind Ziele, die sicherlich von allen Seiten dieses Hauses unterstützt werden. Für die FDP-Fraktion möchte ich trotzdem unserer Genugtuung darüber Ausdruck verleihen, daß die Ansätze für die Berlin-Hilfe um 30 Millionen DM aufgestockt werden konnten. Wir hoffen, daß der Berliner Senat diese Hilfen zum Nutzen der Berliner Wirtschaft, sowohl ihrer Unternehmer als auch ihrer Arbeitnehmer, einsetzen wird.
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang bitte auch noch eine Bemerkung zur Bewältigung des DIAG-Komplexes. Die FDP-Fraktion begrüßt die inzwischen erkennbar gewordene positive Entwicklung in diesem Bereich. Sie dankt Herrn Dr. Vogels für seine Bemühungen und sein Engagement, die ihm gestellte Aufgabe auch erfolgreich abzuschließen. Wir wollen aber auch im Auge behalten, daß wir auf lange Frist gesehen die Unternehmen dieser Gruppe nach erfolgreicher Sanierung aus dem öffentlichen Eigentum entlassen sollten.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Der Entwurf des Bundeswirtschaftsministers für den ERP-Plan 1981 stellt ein sinnvolles, die marktwirtschaftliche Ordnung flankierendes Förderungsinstrument für die deutsche Wirtschaft dar. Der ERP-Plan 1981 unterstreicht unsere mittelstandspolitischen Bemühungen, weil wir Freien Demokraten wissen: Eine breite Schicht Selbständiger in Handel, Handwerk, Gewerbe, in den freien Unternehmen und Berufen garantiert zugleich Spielraum für wirtschaftliche Freiheit und Unabhängigkeit, ohne die gesellschaftliche Freiheit nicht möglich ist.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Warnke zuhörte, dann mußte wirklich der Eindruck entstehen, daß dieser ERP-Plan in seiner Führung, in seiner Ausgestaltung, in seiner Verschuldung ein unverantwortliches Unternehmen darstelle. Herr Kollege Roth hat schon mit Recht darauf hingewiesen, wie überra-
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2710 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1981
Parl. Staatssekretär Grünerschend dann das Ergebnis ist, daß Herr Dr. Warnke diesem Plan seine Zustimmung erteilt hat, übrigens auch der zuständige Unterausschuß des Bundesrates, der dem Plenum einstimmig empfohlen hat, den Plan passieren zu lassen.Was mich aber veranlaßt, hier doch noch einmal das Wort zu ergreifen, ist die Kritik, die Herr Dr. Warnke in wiederholter und außerordentlich pauschaler Form an der Bundesregierung und damit speziell am Bundeswirtschaftsministerium im Blick auf die Probleme, die wir mit der DIAG gehabt haben, geübt hat. Ich darf daran erinnern, daß gerade in einer Marktwirtschaft und bei einer Bundesregierung, die auch Bundesunternehmen nach marktwirtschaftlichen Prinzipien führt — das sollten wir eigentlich als wichtig anerkennen —, die Möglichkeiten einer Eigentümer-Regierung darin bestehen, den Aufsichtsrat zu bestimmen und über den Aufsichtsrat auch auf eine entsprechende qualifizierte Geschäftsführung — in ihrer Bestellung, aber nicht in der Geschäftsführung selbst — Einfluß zu nehmen. Das hat das Bundeswirtschaftsministerium in einer Weise getan, wie das wohl kaum jemals zuvor bei einem Bundesunternehmen geschehen ist. Herr Dr. Warnke, ich muß Sie daran erinnern, in welcher Zeitfolge die Ablösung von Aufsichtsratsmitgliedern, das Auswechseln von Geschäftsführungen stattgefunden hat.Es gab damals eine heftige Kritik der CDU/CSU an diesen Maßnahmen, als es etwa um das Ausscheiden eines Generaldirektors ging.Meine Damen und Herren, wir müssen uns darüber im klaren sein, daß schwerwiegende Fehler, wie sie in der Vergangenheit bei DIAG gemacht worden sind, erst zu einem späten Zeitpunkt in Erscheinung getreten sind und dann erst die Reaktion des Eigentümers möglich geworden ist. Wir können jedenfalls mit Befriedigung darauf hinweisen, daß dieses besonders verlustreiche Anlagengeschäft der DIAG nach langwierigen Verhandlungen mit den Vertragspartnern weitgehend beendet werden konnte. Ich möchte unterstreichen, daß wir sehr froh darüber sind, daß es dem Eigentümer Bund gelungen ist, Herrn Dr. Vogels zu gewinnen, als Aufsichtsratsvorsitzender das Heft in die Hand zu nehmen. Er hat — wie wir alle meinen — damit einen Beitrag dazu geleistet, daß heute nach Zuführung der Sanierungshilfen beim Unternehmen ein entsprechender finanzieller Rückhalt vorhanden ist, der eine kontinuierliche Weiterfinanzierung der noch laufenden Investitionsprogramme ermöglicht. Ich halte nichts davon, daß hier im Plenum des Bundestages mit pauschalen Äußerungen ein falscher Eindruck über die Leistung und die Möglichkeiten dieses Unternehmens für die Zukunft erweckt wird. Wir alle gemeinsam wissen, wie schwierig die Kurskorrektur war. Sie kann aber nach allem, was wir wissen, erfolgreich vollzogen werden.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Warnke?
Bitte.
Herr Staatssekretär, teilen Sie nicht die Meinung, daß ein Verlust in der unglaublichen Höhe von 1 Milliarde DM an der Substanz des ERP-Sondervermögens zugunsten eines einzigen Bundesunternehmens hier eine andere Würdigung verdient hätte als nur den Ausdruck Ihrer Freude darüber, daß Sie in Herrn Dr. Vogels sehr spät jemanden gefunden haben, der dann wieder etwas Ordnung in diesen Stall hineingebracht hat, und ist Ihnen bekannt, daß der Bundesrechnungshof die Verantwortlichkeit für die Entstehung dieses Verlustes an der mangelnden Ausübung der Aufsichtspflicht der Bundesregierung im Aufsichtsrat festgenagelt hat?
Herr Kollege, ich hätte vielleicht hinzufügen müssen, daß die von Ihnen angesprochenen Zuführungen zum Vermögen der DIAG in Höhe von über 1 Milliarde DM von uns allen gemeinsam beschlossen worden sind, daß auch die CDU/CSU diese Hilfen nach eingehenden Erörterungen für notwendig und richtig gehalten hat, weil auch sie die Gründe, die zu diesen Verlusten geführt haben, anerkennen mußte. Ich bestreite nicht, daß bei jeder „Schieflage" eines Unternehmens im letzten der Eigentümer verantwortlich ist, unabhängig davon, ob er in der Lage war, die katastrophalen Verluste der DIAG im Anlagegeschäft im Ausland zu erkennen, die j a niemand — auch nicht die Industriellen im Anlage-ausschuß des Aufsichtsrates — erkannt hat. Man muß trotzdem deutlich sagen, daß im Endergebnis der Eigentümer dafür die Verantwortung trägt. Ich bin froh darüber, daß der Deutsche Bundestag die Vorschläge akzeptiert hat, die wir dem Hause hier unterbreitet haben, um das Unternehmen zu sanieren. Ich meine, Sie sollten sich von dieser Gemeinsamkeit in der Zuführung der Mittel nicht durch derartige Pauschalkritik zu distanzieren versuchen.Lassen Sie mich einen zweiten Punkt ansprechen. Er betrifft die Verschuldung des ERP-Sondervermögens. Auch hier ist verbal der Eindruck erweckt worden, als ob eine unverantwortliche Verschuldung beim ERP-Sondervermögen Platz greife. Es trifft zwar zu, daß die Verpflichtungen aus Kreditaufnahmen nach dem heutigen Stand fast 4 Milliarden DM betragen. Aber die bisherige Kreditaufnahme haben wir j a auch im Ausschuß besprochen. Dafür haben wir Ihre Zustimmung gefunden, um in einer Zeit, in der das ERP-Sondervermögen für die mittelständische Wirtschaft und für Berlin wegen der konjunkturellen Situation eine besondere Rolle spielt, mit zusätzlichen Mitteln zur Verfügung stehen zu können. Aber diese Kreditaufnahme ist auch deshalb unproblematisch, weil mit den Mitteln keine Zuschüsse geleistet worden sind, sondern in gleicher Höhe Darlehensforderungen gegenüberstehen. Die jetzt erreichten 4 Milliarden DM muß man ferner auch in Relation zu den Eigenmitteln des Sondervermögens sehen, die immerhin 12,5 Milliarden DM betragen. Wir werden allerdings in den kommenden Jahren prüfen müssen — selbstverständlich ist diese Kreditaufnahme nicht problemlos —, in welchem Umfange die Kreditaufnahme ohne Eingriffe
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1981 2711
Parl. Staatssekretär Grünerin die Substanz fortgesetzt werden kann. Das ist die entscheidende Frage, die sich hier stellt. Ich meine, pauschalierten Vorwürfen muß auch hier entgegengetreten werden. Ich bin der Auffassung, daß wir dieses ERP-Programm mit gutem Gewissen vertreten können, daß wir es auch deshalb vertreten können, weil wir nach eingehender Beratung in dem zuständigen Unterausschuß die Überzeugung gewonnen haben, daß die Linie, die wir hier vorgezeichnet haben, auch die Billigung des Parlaments finden wird.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe auf die §§ 1 bis 13, Einleitung und Überschrift mit den vom Ausschuß empfohlenen Änderungen. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.Wir treten in diedritte Beratungein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in dritter Beratung einstimmig angenommen.Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, frage ich den Herrn Parlamentarischen Geschäftsführer Dr. Linde, ob hier eine Debattenrunde vorgesehen ist. — Sie ist vorgesehen. Ich rufe also den Punkt 27 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes vom 6. März 1980— Drucksache 9/427 —Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
— Drucksache 9/587 —Berichterstatter:Abgeordnete Dr. Jentsch Schäfer (Offenburg)
Nach der eben gemachten Bemerkung ist eine Debattenrunde mit Beiträgen von 15 Minuten je Fraktion vorgesehen.
— Es ist also eine Kurzdebatte mit Beiträgen von je 10 Minuten vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden?
— Muß ich darüber abstimmen lassen, meine Damen und Herren?
— Dann muß ich tatsächlich darüber abstimmen lassen. Es wird vorgeschlagen, eine Kurzdebatte mit Beiträgen von je 10 Minuten zu halten.
— Es sieht so aus, daß der Ältestenrat hier keine Empfehlung gegeben hat. Ich muß dann doch wohl erst einmal über den Antrag auf Abhaltung einer Kurzdebatte mit Beiträgen von je 10 Minuten abstimmen lassen. Ich stelle das jetzt zur Abstimmung. Wer für diese Kurzdebatte ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit.
Das Wort wird nicht begehrt. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen?— Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.Wir treten in diedritte Beratungein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist bei einer Enthaltung in dritter Beratung angenommen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 28 bis 30 auf:28. Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 4. Juni 1974 zur Verhütung der Meeresverschmutzung vom Lande aus— Drucksache 9/131 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 9/402 —Berichterstatter:Abgeordnete Dr. Riedl KühbacherGärtnerb) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
— Drucksache 9/387 —.Berichterstatter:Abgeordnete Dr. von Geldern Jansen
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2712 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1981
Vizepräsident Frau Renger29. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungMitteilung betreffend einen Plan zur Bekämpfung der Ölverschmutzung des MeeresVorschlag einer Entscheidung des Rates zur Errichtung eines Informationssystems der Gemeinschaften zur Verhütung und Bekämpfung der Ölverschmutzung des Meeres— Drucksachen 9/37 Nr. 140, 9/325 —Berichterstatter:Abgeordnete Dr. von Geldern Jansen30. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die BundesregierungBericht der Bundesregierung über Maßnahmen zur Verhinderung von Tankerunfällen und zur Bekämpfung von Ölverschmutzung der Meere und Küsten— Drucksachen 9/72, 9/435 —Berichterstatter: Abgeordneter SeitersDer Ältestenrat hat vorgeschlagen, für die Tagesordnungspunkte 28 bis 30 eine verbundene Aussprache mit einer Debattenrunde von je 15 Minuten pro Fraktion vorzusehen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Das ist so beschlossen.Wünschen die Berichterstatter dazu das Wort? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort in der verbundenen Debatte hat der Abgeordnete Dr. von Geldern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meeresumweltschutz ist nicht erst seit der erschreckenden Serie schwerer Tankerunfälle vor europäischen Küsten oder seit der Veröffentlichung des Sondergutachtens „Nordsee" des Sachverständigenrates beim Bundesinnenministerium als eine wichtige nationale und internationale Aufgabe erkannt worden. Die Öffentlichkeit ist seit Jahren zu Recht in hohem Maße sensibilisiert, wenn es um die Erhaltung unserer Lebensgrundlage Wasser geht. Das hat übrigens auch der große Wasserkongreß kürzlich in Berlin gezeigt.Der Deutsche Bundestag hat auf Veranlassung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der vorigen Legislaturperiode diesen Problemkreis mehrfach auf seiner Tagesordnung gehabt. Auf unseren Antrag geht auch der erste Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen zur Verhinderung von Tankerunfällen und zur Bekämpfung der Ölverschmutzung der Meere und Küsten zurück, den wir heute neben dem Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung vom Lande aus sowie dem Plan zur Bekämpfung der Ölverschmutzung des Meeres und zur Errichtung eines Informationssystems diskutieren.Um den Umfang des Problems noch einmal deutlich zu machen, möchte ich den Bundesinnenminister zitieren, und zwar aus dem Vorwort, das er dem Sondergutachten „Nordsee" des Sachverständigenrates mit auf den Weg gegeben hat. Herr Minister Baum schreibt dort:In bestimmten Bereichen ist die Umweltbelastung der Nordsee besorgniserregend. Die Einleitung und Einbringung chemischer Abfälle und Schlämme hat einen Umfang erreicht, der nicht länger hinnehmbar ist. Eine wesentliche Belastung ist auch die große Schmutzfracht, die von unseren Flüssen in die Küstengewässer der Nordsee und von dort in die hohe See eingeschwemmt wird.Ein anderer Grund zur Sorge ist die Gefährdung von Meer und Küste durch Unfälle bei der Erdölgewinnung und Tankerunfälle. Das Auslaufen des Bohrloches vor der mexikanischen Küste und die Katastrophen der „Torrey Canyons" oder der „Amoco Cadiz" haben allen noch einmal das Ausmaß möglicher Schäden vor Augen geführt. Ein derartiger Unfall würde in der Deutschen Bucht Schäden für Jahrzehnte hervorrufen. Die Folgen einer solchen Katastrophe für das Ökosystem Nordsee und die Erholungslandschaft Küste sind nicht auszumalen. Die Einleitung und Einbringung industrieller Abfälle und Schlämme und die Gefährdung durch Tankerunfälle machen eines deutlich: Die Nordsee ist ein Testfall für die Durchsetzung des Vorsorgeprinzips als wichtigster Leitlinie der Umweltpolitik.
Wenn das Öl eines leckgeschlagenen Tankers erst ausgelaufen ist, ist es nach dem gegenwärtigen Stand der Hilfstechnik zu spät. Wir brauchen eine international abgestimmte Sicherheitsstrategie für die Verkehrswege in der Nordsee. Verbesserte Sicherheitsausrüstung der Schiffe, mehr Sicherheitstraining der Schiffsbesatzungen und ständige Sicherheitsüberwachung der Schiffe sind die Forderungen. Hinzu kommen muß eine Verbesserung der Katastrophenhilfe, wenn es doch zu einem Ölunfall gekommen ist. Das Vorsorgeprinzip muß überall für die Küstengewässer und die hohe See durchgesetzt werden. Auch dort, wo konkrete Schäden nicht nachweisbar sind, muß alles getan werden, um gar nicht erst in die Nähe einer Gefahrenschwelle zu geraten.So weit, meine Damen und Herren, der zuständige Minister. Dem ist, was die Analyse betrifft, nichts hinzuzufügen.Internationale Konferenzen, internationale Institutionen, viele Gremien befassen sich mit diesen Fragen, heute wieder der Deutsche Bundestag. Man könnte nach dem Satz „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt" glauben, damit seien die Dinge auf dem Wege, in Ordnung gebracht zu werden. Aber ich muß hier heute sagen, daß die Bilanz — im Gegensatz zu dieser eindeutigen Analyse — über das, was wir zum Schutze unserer Gewässer, der Flüsse, und des Meeres wirklich zur Verfügung haben, negativ ist. Dafür
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1981 2713
Dr. von Geldernträgt der soeben zitierte Minister, trägt die Bundesregierung die volle Verantwortung, und zwar gerade deshalb, weil sie weiß, worum es geht, weil sie die Analyse kennt und selbst vorgetragen hat.
— Ich sage noch einiges zur Begründung. Dann werden Sie mir in zentralen Punkten möglicherweise doch recht geben.Ich möchte hier einige Fragen formulieren — wir haben ja drei Vorlagen heute morgen —: Warum ist das Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung vom Lande aus vom 4. Juni 1974, das hier heute beraten wird, sieben Jahre lang nicht zur Ratifikation vorgelegt worden? Ein sachlicher Grund dafür ist überhaupt nicht erkennbar. Ich habe festzustellen, daß die Bundesregierung hier auch im internationalen Maßstab ein schlechtes Beispiel gegeben hat. Warum, meine Damen und Herren, ist dieses Übereinkommen, wenn es schon sieben Jahre lang nicht ratifiziert wurde, nicht mit eigenen Vorschlägen der Bundesregierung verbessert und angereichert worden? Es wäre dringend geboten gewesen. Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang einmal ein Beispiel aus der Praxis nennen: Es ist heute so, daß ein Tanker, der mit leeren Tanks wieder hinausfährt, finanziell immer noch günstiger abschneidet, wenn er die Tanks nicht, wie es vorgeschrieben ist, in Brunsbüttel oder irgendwo sonst im Hafen reinigen läßt, sondern das Restöl auf See abläßt und dafür die Strafe bezahlt. Ich meine, daß das absolut nicht in Ordnung ist. Es gehört im Zusammenhang mit dieser Vorlage angemerkt, daß für diesen Fall bis heute überhaupt nichts vorgesehen ist.
Meine Damen und Herren, hier muß das Verhältnis geändert werden. Es muß sich künftig lohnen, sich vorschriftsmäßig zu verhalten. Warum hat die Bundesregierung es bis heute versäumt, einen eigenen Vorschlag vorzulegen, dieses Problem mit etwas Phantasie anzugehen? Zum Beispiel könnte man daran denken, Tanker, wie das im Speditionsgewerbe an Land auch der Fall ist, zu versiegeln, ein Siegel anzubringen, und damit eine Sicherheit zu schaffen, daß das Ablassen von Restölmengen auf See verhindert wird. Bis heute liegt nichts vor. Dieses Abkommen, das wir sicherlich begrüßen, ist sieben Jahre alt, und die Zeit ist nicht genutzt worden.Ich komme zu einem anderen Punkt, nämlich dem Informationssystem. Ein zentraler Punkt bei diesem Informationssystem ist die sogenannte Tankerdatei, d. h. eine Auflistung über die Sub-Standardschiffe, also die Schiffe, die nicht den internationalen Anforderungen für die Verkehrssicherheit genügen. Da heißt es sehr schön, daß dies eine Voraussetzung für das Eingreifen der Küstenwacht ist.Der Bundesinnenminister ist am 11. Juni in Brüssel zu einer Ratssitzung der Umweltminister gewesen und hat von dort das Ergebnis mitgebracht, daß man sich zu einem Beschluß noch nicht hat durchringen können. Es gibt also bis heute in den europäischen Häfen nicht einmal diese Tankerdatei,und dies in einer Zeit, da die amerikanische Küstenwacht längst mit Erfolg die Kontrolle vornimmt.Ich empfehle der Bundesregierung, einmal bei der Gewerkschaft ÖTV nachzufragen — die haben eine ganze Menge Material über diese Sub-Standardschiffe — oder sich sonst zu erkundigen. Dieser Zustand, daß wir heute nicht einmal einen Beschluß über die Auflistung solcher Schiffe haben, ist unhaltbar.Bezüglich der verschiedenen Punkte des Berichts, zu dem ich jetzt kommen möchte, der auf unseren Antrag hin erstmalig vorgelegt worden ist, will ich nur in aller Kürze die black box erwähnen, die anfangs noch der Ablehnung anheimfiel, jetzt aber im Bericht als notwendig bezeichnet wird. Die Bundesregierung erklärt, sie unterstütze nachdrücklich die Einführung einer black box. Aber was ist wirklich geschehen? Dies sind Deklarationen und keine Maßnahmen.Bezüglich des Systems der Verkehrsüberwachung von der Deutschen Bucht bis zum Ärmelkanal sagt die Bundesregierung in ihrem Bericht, es müsse eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellt werden. Ja, wann denn? Warum liegt sie nicht längst vor? Wir können doch nicht dauernd darauf warten. Der Bericht ist jetzt auch schon wieder ein halbes Jahr alt, und nichts ist erkennbar, was hier konkret geschieht.Oder nehmen wir das Beschaffungsprogramm, das der Ölunfallausschuß See/Küste beschlossen hat. Hier gibt es neuerdings Zweifel, ob die Finanzierung in 1982 überhaupt durchgeführt wird. Warum gibt es die Sonderstelle in Cuxhaven bis heute noch nicht? Hier gibt es ein innerstaatliches Kompetenzgerangel, für das diejenigen an der Küste, die Betroffene sind oder Betroffene werden können, überhaupt kein Verständnis haben. Da streiten sich Bund und Länder über die Zuständigkeit. Bis heute gibt es die notwendige Sonderstelle in Cuxhaven, die sich mit dem Beschaffungsprogramm zu beschäftigen hätte, noch nicht in der Weise, daß sie arbeitsfähig wäre und daß Bund und Länder an einem Strang ziehen. Dieser Kompetenzstreit darf nicht länger fortgesetzt werden.Es gibt inzwischen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster über die Zustandshaftung des Bundes auf den Bundeswasserstraßen. Der Bundesverkehrsminister sagt dazu, dieses Urteil sei noch nicht rechtskräftig, jetzt wolle man erst abwarten. Das heißt, man will den Kompetenzstreit zu Lasten der Lösung der Probleme weiter fortsetzen. Ich habe dafür kein Verständnis.Der Hinweis des Bundesverkehrsministers, man könne beim Beschaffungsprogramm deshalb nicht weiterkommen, weil erst abgewartet werden müsse, bis die in der Regieverwaltung des Bundes arbeitenden Bagger für die Ölbekämpfung ausgerüstet seien, ist sachfremd, wenn wir daran denken, daß in der vorigen Legislaturperiode im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags beschlossen worden ist, hier die Privatisierung einzuleiten. Das kann doch nur heißen, daß man in die Privatisierungsdebatte ein sachfremdes Argument einbringt und in Wirklich-
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2714 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1981
Dr. von Geldernkeit Gründe vorschiebt, die nicht tatsächlich vorhanden sind, die verschleiern sollen, daß die Bundesregierung offenbar nicht bereit ist, die notwendigen Mittel für das Beschaffungsprogramm jetzt zur Verfügung zu stellen.Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich noch einige Bemerkungen zum Zustand der Flüsse machen. Ich habe vorhin den Innenminster zitiert: „Der Zustand der Flüsse hat große Auswirkungen auf den Zustand des Meeres." Hier gibt es eine Kleine Anfrage von SPD und FDP, was die Elbe betrifft. Ich will Ihnen aus dieser Anfrage nur einen Satz zitieren. Wir alle wissen, daß die Elbe schwer darunter leidet, daß in unverantwortlicher Weise von seiten der DDR und der CSSR Abwassereinleitungen stattfinden. Auf die entsprechende Frage von SPD und FDP antwortet die Bundesregierung:Mögliche Bemühungen der anderen Anliegerstaaten der Elbe sind der Bundesregierung bisher nicht bekannt. Die Bundesregierung hält es für notwendig, die Probleme der Verunreinigung der Elbe gegenüber der DDR und der CSSR sobald wie möglich zur Sprache zu bringen. Sie prüft zur Zeit sehr sorgfältig, welches die hierfür geeigneten Schritte und die geeignete Form sind.Das ist ein glatter Rückschritt zu Antworten, die die Bundesregierung schon in der Vergangenheit auf diese Frage gegeben hat. Es zeigt sich also bei dieser neuesten Antwort, daß in Wirklichkeit noch nichts getan worden ist, um in den Verhandlungen, in den Gesprächen weiterzukommen, die dringend geboten sind, um der Elbe wie auch der Weser zu helfen. Ich finde, das ist ein Skandal.
Wir müssen aus dem Bereich der Ankündigungen herauskommen, die mir typisch für die Umweltschutzpolitik des Bundesinnenministers zu sein scheinen. Die Bundesregierung muß in der Europäischen Gemeinschaft selbst Initiativen entfalten. Wir müssen das kleinliche innerstaatliche Gerangel überwinden, und wir müssen uns endlich für den Ernstfall — Tankerunfall — in der Deutschen Bucht rüsten. Wir wissen nicht, wieviel Zeit wir noch vor diesem Ernstfall haben, der jederzeit eintreten kann. Wir müssen die laufende Verschmutzung der Flüsse und der Nordsee durch politisch-diplomatische Aktionen — ich habe soeben das Beispiel genannt — und durch Maßnahmen bekämpfen — ich habe auch sie vorhin erwähnt —, die es künftig für die Reedereien und die Kapitäne lohnend machen, sich eben nicht rechtswidrig zu verhalten. In diesem Sinne wünsche ich dem Bundesinnenminister, daß seinen Ankündigungen, seiner zutreffenden Analyse, seinen guten Absichten bald Taten folgen; denn darauf haben wir alle und insbesondere die Menschen im norddeutschen Küstenraum jetzt endlich einen begründeten Anspruch. — Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jansen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat recht, wenn er darauf hinweist, daß die Vereinbarung von Paris vom 11. Juni 1974 sehr lange zurückliegt und daß im Grunde die Vorlage des Zustimmungsgesetzes als sehr spät erscheint. Er hat nach den Gründen gefragt. Diese Gründe sind sicherlich nicht allein im schuldhaften Verhalten bei der Bundesregierung feststellbar. Vielmehr haben die Regierungen, die miteinander verhandelt haben, unterschiedliche Motivationen gehabt, warum sie versuchten, Bestimmtes noch durchzusetzen. Diese Bundesregierung ist jedenfalls angetreten, um das, was zu machen ist, so konkret wie möglich — und möglichst weitergehend — zu formulieren. In diesen Bereichen blockieren andere. Wir haben gerade gehört, daß der Versuch, der Quecksilberrichtlinie in dem EG-Bereich eine Grundlage zu geben — dies ist unabhängig von der Gesetzgebungsmaschinerie versucht worden — nicht gelungen ist, weil Frankreich erneut blockiert und sich drei weitere Monate Bedenkzeit auserbeten hat.Lassen Sie mich bei diesem Übereinkommen noch etwas länger verweilen, weil ich glaube, daß hier entscheidende Punkte gesehen werden müssen. Wenn es heißt, daß versucht werden soll, die Meeresverschmutzung, die vom Land her eintritt, zu bekämpfen, dann verpflichten sich die Vertragsparteien, notfalls stufenweise die Verschmutzung der Meere durch Stoffe der sogenannten Schwarzen Liste — das sind solche Dinge wie Quecksilber und Kadmium — zu beseitigen und die Einleitung von Stoffen nach der Grauen Liste — Arsen, Blei, Phosphat — streng zu begrenzen. Außerdem sollen Maßnahmen zur Beseitigung der Verschmutzung des Meeres durch Radioaktivität eingeleitet werden. Dies alles hört sich recht gut an, und für Staaten, denen das nicht reicht, gibt es den Art. 8, der lautet:Dieses Übereinkommen ist nicht so auszulegen, als hindere es die Vertragsparteien, strengere Maßnahmen zur Bekämpfung der Meeresverschmutzung vom Lande aus zu ergreifen.Diese Bestimmung beweist aber auch, daß das Übereinkommen nicht alles Mögliche regelt. Wer die Diskussionen in der EG verfolgt, stellt fest, daß es nicht einmal möglich war, ein absolutes Verschlechterungsverbot für das Meerwasser zu formulieren, weil, wie es dann immer heißt, dies nicht mit dem wirtschaftlichen Fortschritt in Einklang zu bringen ist.
Hier sehe ich Gefahren für die Meere, die wir alle noch nicht abschätzen können.Unbestritten sind eine ständige Verschlechterung der Wasserqualität der Nordsee, die wachsende Zunahme von Schadstoffanteilen Jahr für Jahr und die Tatsache, daß auch der Selbstreinigungskraft von Meerwasser Grenzen gesetzt sind. Unbestritten ist auch, daß diese zunehmende Verschmutzung in allererster Linie durch Industrieabfälle verursacht wird.Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, daß der Zielkonflikt zwischen Ökologie und Ökonomie bei der Wasserver-
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1981 2715
Jansenschmutzung schnellstens gelöst werden muß. Die Meere halten es nicht mehr lange durch, daß eine gewaltige Wasserverschmutzung ein angeblich hinnehmbarer Preis für Wachstum und Arbeitsplätze sein soll.
Wir wissen — wir lernen doch hoffentlich von Tag zu Tag hinzu —, daß Umweltmaßnahmen, wenn sie konsequent und linear praktiziert werden, auch Arbeitsplätze sichern.
Dies sollte in diesem Bereich eine besondere Rolle spielen.
Außerdem haben wir bei der Kontrolle und der Bekämpfung der zunehmenden Wasserverschmutzung zuviel Verwaltungswirrwarr, zu viele Ebenen im Bereich der Kontrollen, zu viele Einzeluntersuchungen statt Gesamtgutachten und zuviel Unsicherheit und Vorsichtigkeit bei den Wissenschaftlern, wenn sie Folgewirkungen beurteilen sollen. Auf Grund dieser Realitäten entstehen dann Dinge, die ich einmal in einer praktischen Darstellung vortragen möchte.Die Elbe als Hauptschmutzfaktor für die Nordsee weist im Hinblick auf die Behördenstruktur und die Abläufe folgendes Szenario auf: Zuständig für die Reinhaltung der Elbe, die Kontrolle für Einleitungen, in die Elbe, die wissenschaftlichen Untersuchungen über das Elbewasser sowie für die Möglichkeit, dirigistische Maßnahmen zu ergreifen, sind Behörden auf kommunaler, regionaler und staatlicher Ebene der Tschechoslowakei, der DDR und der Bundesrepublik. Allein in der Bundesrepublik teilen sich die Länder Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein die Verantwortung für die Elbe. Das hat zur Folge, daß Teiluntersuchungen und Teilbewertungen nach dem Motto erstellt werden: Die Ursachen für den zugegebenermaßen bedrohlichen Verschmutzungsgrad der Elbe immer da ansiedeln, wo man leider keinen Zugriff hat,
zur DDR weisen, zur Tschechoslowakei weisen! Damit tut man sozusagen unterhalb dieser Schwelle, was hier auch nicht mehr getan werden dürfte.
Verfolgt man das einmal, so wird deutlich, das es zu so absurden Gegebenheiten wie der kommt, daß die Landwirtschaftsminister bzw. Umweltschutzsenatoren von Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein in dem Zeitraum von November 1980 bis Februar 1981 auf Pressekonferenzen — jeweils einzeln, aber übereinstimmend — feststellten, daß in ihrem Zuständigkeitsbereich keine zunehmende Wasserverschlechterung — Niedersachsen und Hamburg —
bzw. sogar eine Verbesserung der Wasserqualitätdurch schärfere Umweltschutzbedingungen —Schleswig-Holstein — eingetreten sei. Ein paar Tage nach dieser Feststellung hat dann der Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein den Verkauf von Elbaalen wegen zu hoher Bleiverunreinigung in Schleswig--Holstein verbieten lassen. Das stellt sich für den Bürger entweder als Unfähigkeit, mit diesen Dingen wirklich fertig zu werden, oder als — im Grunde — Verdummungsversuch im Zusammenhang mit diesem Thema in Richtung derjenigen, die sich für dieses Thema engagieren, dar.
Es muß Schluß damit sein, daß man nur so tut, als wenn man etwas täte. Wir Parlamentarier sind gefordert, nicht nur EG-Richtlinien zu beschließen, sondern ihre Umsetzung auch zu überwachen, und zwar sehr streng, sehr konsequent und, wenn nötig, vor Ort.
Wie wäre es eigentlich, meine Kolleginnen und Kollegen, sollte nicht ein Fachausschuß des Parlaments dies einmal praktizieren und auf hoher See die Verklappung kontrollieren? Wie wäre es, wenn ein Fachausschuß auf der Elbe einmal mit den Fischern spräche und die zuständigen Behörden in die politische Diskussion einbezöge? Ich meine, es wäre auch gut, wenn Parlamentarier aus allen Fraktionen gemeinsam verlangten, daß für den deutschen Teil der Elbe oder für andere Gewässer hinsichtlich der Bekämpfung der Verschmutzung nur eine Behörde zuständig sein soll und es nicht die Zersplitterung in viele Kompetenzen geben soll?
Das wäre ein Schritt, der mehr als unsere heutige Abstimmung bringen würde.Ich habe diesem Komplex etwas mehr Zeit gewidmet, weil ich glaube, daß es nicht nur darum geht, der Drucksache 9/131 zuzustimmen. Vielmehr müssen wir uns auch gegenseitig davon überzeugen, daß es notwendig ist, engagierter und konsequenter zu werden. Bürgerinitiativen müßten nicht zu unseren Gegnern werden, wenn wir entsprechend unseren Erkenntnissen handelten; dann wären Kräfte gemeinsam einzusetzen und zu bündeln, um zum Erfolg zu kommen.
In dieser verbundenen Debatte geht es auch um die Drucksache 9/325, um einen EG-Plan zur Bekämpfung der Ölverschmutzung der Meere. Was ist dazu festzustellen? Bei Verkehrsunfällen ist es ja oft so: Es muß erst Erhebliches passieren, bevor eine Ampel aufgestellt wird. So war es auch hier. Nach dem schweren Öltankerunglück vor der bretonischen Küste am 26. Juni 1978 wurde ein umfassendes Aktionsprogramm mit sechs Punkten beschlossen. Was ist das Ergebnis? Auf Vorschlag der Europäischen Kommission realisierte der Rat am 11. Juni 1981 — nach drei Jahren — nur anderthalb Punkte — da haben Sie völlig recht —: Datenaustausch für Ölbekämpfungsmittel, ein Handbuch über Eigenschaften des Öls und Behandlungsmethoden. Nicht einmal der wichtigste Punkt — die Tan-
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Jansenkerdatei —, der die Zielsetzung haben sollte, eine Art Verkehrssünderkartei für Schiffe aufzubauen, war durchsetzbar.Aber auch hier, Herr von Geldern, geht der Angriff, den Sie gestartet haben, in die falsche Richtung.
Denn hier hat Griechenland blockiert. Aber ich frage: Wen wundert es, daß Griechenland Dateien dieser Art blockiert, wenn wir den griechischen Reedern seit jeher unsere alten Klamotten verkaufen, statt überalterte Schiffe zu verschrotten? Auch hier wäre Vorplanung für Sicherheit auf den Meeren möglich.
Ich hoffe, daß die Bundesregierung dies gemeinsam mit anderen EG-Staaten doch noch erreicht. Wir sollten unsere Beschlußfassung als Aufforderung dazu verstehen.Die Drucksachen 9/72 und 9/435 umfassen den Bericht der Bundesregierung über bestimmte technische Maßnahmen zur Verhinderung von Tankerunfällen, z. B. die Einführung einer den Flugsicherungssystemen ähnlichen Seeverkehrsüberwachung, und zwar in einer ersten Stufe als UKW-Sprechfunk und UKW-Peilüberdeckung der gesamten Deutschen Bucht und als Radarüberdeckung der inneren Deutschen Bucht. Die 65 Millionen Mark, die dieser erste Schritt kostet, müssen aufgebracht werden, und zwar schnell, denn hier gibt es die Chance, zu all den anderen Dingen, die zum Teil ja laufen — zusätzliche Lotsenpflichten, black-boxAufzeichnungsverfahren —, wirklich etwas hinzuzubekommen, was den Schutz verstärkt.Lassen Sie mich abschließend feststellen: In all den vorgetragenen Bereichen gibt es zwar viele Lösungsversuche in Details, aber im Endergebnis ist die Frage gestellt, ob wir unsere Umwelt ständig Großreparaturen unterwerfen oder Schadensvorsorge betreiben wollen. Ich entscheide mich für Vorsorgemaßnahmen.
Wir sollten einmal darüber nachdenken, ob wir uns, gemessen an unseren politischen Erkenntnissen, nicht gleichsam unter Wert verhalten, wenn EG-Staaten in so komplizierter Weise, wie das an solchen Punkten erkennbar ist, miteinander verhandeln. Unsere Aufgabe ist es nicht nur, heute Elternverantwortung zu tragen; wir sollten auch daran denken, daß wir morgen auch als Großeltern — hier beziehe ich die, die das schon sind, mit ein — noch gefragt werden können, warum wir heute so oder so gehandelt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie diese Debatte nicht nur als Beschlußvorhaben an sich vorbeigehen. Ich bitte die Koalitionsfraktionen um mehr als Regierungsunterstützung und dieOpposition um mehr, als immer nur gegen die Regierung zu sein. — Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfgramm .
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es liegt nahe, daß wir bei der Problematik der Meeresverschmutzung unser Augenmerk auf die Nordsee richten. Auch die Ostsee ist in der Frage der Meeresverschmutzung nicht ganz unbetroffen, aber die Nordsee ist leider schon in einer sehr kritischen Lage.Ich finde es gut, daß wir jetzt Vorlagen behandeln und beschließen, die der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen in seinem Nordseegutachten als ganz vordringlich bezeichnet hat.Ich darf einmal pro domo darauf verweisen, daß meine Partei und meine Fraktion sich mit dieser Problematik durch Anfragen, durch Hearings, die wir auch vor Ort — in Cuxhaven — durchgeführt haben, sehr intensiv befaßt haben. Wir haben feststellen können, daß es für die Bürger, die dort wohnen, unmittelbar — und für die anderen mittelbar — traurige Erfahrungen gibt. Das zeigt, wie dringlich die Lösung dieser Problematik ist. Aber die Schwierigkeit liegt darin, daß wir es hier mit einer sehr komplexen Gesetzesmaterie zu tun haben. Ich darf einmal bei den Kommunen beginnen, bei denen Hamburg keine besonders freundliche Stellung einnimmt, wenn ich das so sagen darf. Es ist heute auf der Bundesratsbank nicht vertreten, obwohl es der Sache dienlich gewesen wäre. Ich habe hier eine Zahl, daß in Niedersachsen 84 von 100 Bewohnern an eine Kläranlage angeschlossen sind. In dem sicher unbestritten verdichteten Gebiet Hamburg sind es 16. Was daraus folgt, erleben die Anwohner: Daß dann bei Dunkelheit oder im Morgengrauen große Schiffe sich in Richtung Nordsee — und jetzt auch in Richtung Atlantik — bewegen — wie diese Schiffe genannt werden, kann sich jeder selbst denken — und dann den Klärschlamm, wie es höflich bezeichnet wird, dieser großen Hansestadt dort abladen.In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, daran zu denken, Herr Kollege von Geldern, daß das Abwasserabgabengesetz, das wir 1976 hier beraten und beschlossen haben und das 1980 in Kraft getreten ist, von der niedersächsischen Landesregierung nicht ernst genug behandelt wurde. Die Ausführungsbestimmungen wurden sehr spät beschlossen.Es geht nicht nur um die Industrie mit der Dünnsäureverklappung, wobei ich gerade gelesen habe, daß sich ein namhaftes Industriewerk bemüht, die Zeit zu verkürzen, die sie noch als mögliche Nutzungszeit erhalten hat. Ich begrüße das. Es zeigt aber auch auf der anderen Seite, daß ein entsprechender Druck — ich möchte es ganz deutlich so sagen — von den Betroffenen, vom Parlament und von der Regierung plötzlich doch zu Lösungen techni-
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Wolfgramm
) scher Art führen kann, die sich vorher als fast unmöglich oder jedenfalls erst in ferner Zukunft denkbar abzeichneten.Es geht aber weiter nicht nur um die Ländergesetzgebung. Da ist das Problem der bilateralen Verhandlung zwischen Bundesrepublik und DDR. Sie wissen, daß wir Gespräche begonnen haben, daß die Gespräche wieder unterbrochen worden sind, daß sie sich natürlich nicht unberührt von der allgemeinen politischen Situation darstellen, daß wir alles unternehmen, um diese Gespräche weiterzuführen. Wir können das von dieser Stelle aus nur mit unserem Nachdruck und unserem Wunsche versehen.
Es gibt da eine Umweltschutzkonferenz Norddeutschland. Ich habe dabei den Eindruck, daß Kompetenzstreitigkeiten und nicht nur die finanziellen Fragen eine Rolle spielen. Wir wünschen dieser Konferenz mehr Mut von dieser Seite aus, auch mehr Intensität.Der Bund hat hier sein Teil geleistet. Auch ich habe es nicht für besonders glücklich angesehen, daß die Pariser Konvention doch eine so lange Zeit gebraucht hat. Dabei möchte ich sagen, Herr von Geldern, daß Sie hier mit einem sehr groben Geschütz gespielt haben. Gerade der Bundesinnenminister ist es gewesen, der die betroffenen Länder gedrängt hat, hier tätig zu werden. Er hat sie auf eine Bestandsaufnahme verpflichtet.Eine Zeitverzögerung wiegt gerade in diesem Be-reich sehr stark. Ich will nicht verkennen, daß es auch auf Bundesseite in den sechs Jahren rascher machbar gewesen wäre. Aber verkennen Sie dabei nicht, daß es wegen der Komplexität der Situation bei dieser vielfältigen Materie auch noch anderer Gesetze bedarf! Ich nenne die ganze Rheinschutzgesetzgebung, bei der wir jetzt ja auch auf die neue Regierung in Frankreich hoffen können. Sie ist in ihrem Wahlkampf mit dem Vorsatz angetreten, die Umweltschutzgesetzgebung voranzutreiben. Ich habe das mit einem gewissen Vergnügen — bei der Zeitungslektüre habe ich meine geringen Französischkenntnisse fast völlig verbraucht — festgestellt.
Nun, wir werden sehen. Wir hoffen, daß unsere Nachbarn auf dieser Seite des Rheins dann endlich dieses schon lange bestehende Problem lösen werden.Es kann aber sicher nicht nach dem Motto gehen: Was nicht in der Nordsee ist, ist im Atlantik. Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, daß sich jetzt einige dieser Möglichkeit bedienen. Es gibt bei der Seefahrt einen Spruch, der auch in die Juristerei hineinreicht: Vor Gericht und auf hoher See steht alles in Gottes Hand. Aber wir meinen, daß wir dem Atlantik das ersparen sollten, was der Nordsee nun schon stark zum Schaden gereicht hat. Auch hier sind die Nordsee-Anrainerstaaten gefordert, die EG-Länder insgesamt und schließlich auch die UN. Sie müssen dafür sorgen, daß hier etwas geschieht. Es nützt nichts, wenn wir einerseits versuchen, das Problem dadurch zu beseitigen, daß wir durch Abwasserabgabengesetze mehr zur Reinhaltung unserer Flüsse tun, daß wir uns bemühen, die Problematik der Nordsee in den Griff zu bekommen, wir die Katastrophe andererseits dann aber im Atlantik erleben.Ich meine, es ist richtig, was der Sachverständigenrat sagt: daß noch eine beachtliche Lücke zwischen der Norm und der Wirklichkeit besteht. Wir müssen diese Lücke schließen, und zwar — dabei bitte ich die Bundesregierung um Mithilfe — möglichst vollständig.Im Jahre 1974 ist ein Helsinki-Abkommen für die Ostsee abgeschlossen worden, durch das, wenn es auch mit einem sehr mangelhaften Kontrollsystem versehen ist, mit rechtlichen Mitteln versucht wird, den Schutz der Ostsee so umfassend wie möglich zu gestalten. Ich glaube, wir müssen einen ähnlichen Schutz für die Nordsee erreichen, eine Art Nordseeschutz-Konvention, um alle die Lücken, die noch vorhanden sind, zu schließen, indem wir den Schutz durch eine entsprechende Gesetzgebung mosaikartig zusammenfügen. Das wird viel Mühe kosten. Ich habe die Betroffenen, die hier unter einen Hut zu bringen sind, aufgezählt. Die Größe dieses Hutes übersteigt sicher auch die mexikanischer Ferienmitbringsel.Die Schutzgemeinschaft deutsche Nordseeküste hat gerade in dieser Zeit einen vermehrten Schutz gefordert. Diese Forderung wurden von dem Kollegen Günther Bredehorn überreicht, die ganze FDP-Fraktion hat unterschrieben — auch viele Mitglieder der beiden anderen Fraktionen. Insgesamt waren es 180 000 Unterschriften. Ich glaube, daß ist ein deutlicher Hinweis, wie vor Ort gedacht wird.Ich möchte es, wenn ich das einmal ganz klar ausdrücken soll, so formulieren, daß bei der Nordsee, bei der wir wohl fünf Minuten nach zwölf haben, Ökologie tatsächlich vor Industrie und wirtschaftlichen Interessen steht.
Wir können es uns nicht mehr leisten, daß wir uns hier einem Abwägungsprozeß stellen. Der Abwägungsprozeß ist für diesen Bereich nicht mehr machbar. Wir können da auch kein Quentchen an Belastung zusetzen. Das gilt für die Industrie wie für die Kommunen.Wir möchten, daß die Fischer, die ihren Lebensunterhalt aus dem Unterelberaum, aus dem Nordseeraum ziehen, das wie früher tun und sich ihrem Handwerk widmen können. Wir möchten, daß man gesunde Fische mit Genuß essen kann. Ich möchte, daß man dort auch wieder baden kann, ohne daß man gruselige Vorstellungen von persönlicher Beeinträchtigung haben muß. Wenn ich an Heinrich Heine denke, der sich im Zyklus „Nordsee" mehr über die Eßgewohnheiten verbreitet, aber das Baden goutiert hat, dann, meine ich, sollte man ihm im letzteren wieder nacheifern können.Ich möchte die Zeit jetzt nicht weiter in Anspruch nehmen. Es ist die letzte Rede vor der Sommerpause. Die Kollegen werden in die Ferien reisen. Ich
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Wolfgramm
wünsche Ihnen erholsame Tage. Sie werden persönlich Bekanntschaft mit der Meeresverschmutzung machen, wo auch immer; vielleicht auch an der Nordsee. Ich hoffe, daß Sie erholt zurückkommen und daß Sie ein weiter geschärftes Bewußtsein für dieses Problem mitbringen.
Sie haben die volle Aufmerksamkeit des Hauses gerade für die letzten Bemerkungen gehabt, Herr Kollege. Aber es war doch nicht die letzte Rede, denn Herr Minister Hauff möchte noch zu uns sprechen.
Herr Bundesminister, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte gern unmittelbar an die beiden letzten Debattenredner anknüpfen, insbesondere an das, was der Herr Kollege Jansen über unsere gemeinsame Verantwortung und die Arbeit hier im Deutschen Bundestag im Zusammenhang mit diesem schwierigen Thema gesagt hat. Ich glaube, daß niemandem genutzt ist, bei diesem Thema ein Schwarzer-Peter-Spiel zu treiben, sondern daß wir aufgerufen sind, die Gefahren deutlich zu nennen, daraus Konsequenzen abzuleiten und diese, jeder nach seiner Verantwortung, umzusetzen.
Eines der ganz großen Umweltprobleme unserer Tage liegt in den Gefahren der Seeschiffahrt beim Transport von gefährlichen Gütern wie auch beim Transport von Ö1 in Großtankern. Die Welthandels-tonnage in diesem Bereich hat sich in den letzten 20 Jahren verdreifacht. Das hat große Auswirkungen auf die Sicherheit der Seestraßen. So fahren — um nur eine Zahl zu nennen — beispielsweise jährlich rund 300 000 Schiffe durch den Englischen Kanal. Hinzu kommt, daß diese Schiffe in den letzten Jahren viel größer geworden sind und daß ihre Ladung sehr oft viel gefährlicher als früher ist. Die Folgeschäden bei Schiffsunfällen können — ich versuche, das sehr bewußt zu machen, wenn ich das sage — ins Unermeßliche steigen. Angesichts zahlreicher Tankerunfälle in den letzten Jahren muß alles getan werden, um Tankerunfälle und Unfälle mit Schiffen, die gefährliche Ladungen führen, zu verhindern. Insofern muß Vorsorge die Priorität Nummer eins sein.
Die Bundesregierung hat zur Verhinderung von Tankerunfällen und zur Bekämpfung von Ölverschmutzungen mit einer Reihe wichtiger Maßnahmen dazu beigetragen, die Schiffssicherheit sowohl an Bord wie auch landseitig zu erhöhen, und zwar national wie international. National ist das vorrangige Ziel die Erhöhung der Verkehrssicherheit in der inneren Deutschen Bucht, da diese Seeverkehrsstraße als eine der am dichtesten befahrenen Seeverkehrsstraße der Welt angesehen werden muß. Sicherheit in der Seeschiffahrt steht — hier kann ich an das anknüpfen, was der Kollege Wolfgramm gesagt hat — nach meiner Meinung nicht im Zielkonflikt mit der Wirtschaftlichkeit, denn sichere
Schiffe sind wirtschaftliche Schiffe. Gemessen am Wert der Schiffe und Frachten fallen die Kosten für Sicherheitsausrüstung kaum ins Gewicht. Dies gilt erst recht dann, wenn man versucht, sich klarzumachen, was für Kosten eigentlich anstehen, wenn es tatsächlich zu Unfällen, insbesondere Tankerunfällen kommen sollte.
Ich nehme an, Sie wollen gern eine Zwischenfrage stellen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. von Geldern?
Selbstverständlich.
Herr Minister, Sie haben soeben zu Recht darauf hingewiesen, daß die Verkehrssicherheit ein wichtiger Punkt ist. Da Verkehrssicherheit auch Verkehrsregelung bedeutet und da Verkehrsregelung voraussetzt, daß man Hoheitsbefungnisse hat, möchte ich Sie fragen, wann denn innerhalb der Bundesregierung die Entscheidung darüber fällt, ob wir diese Zwölf-SeemeilenHoheitszone nun erklären wollen oder nicht. Darüber gibt es j a, soviel ich weiß, einen längeren Streit und eine Uneinigkeit innerhalb der Bundesregierung.
Darüber gibt es Diskussionen, die natürlich auch im Zusammenhang mit der internationalen Seerechtskonferenz stehen, wie Sie wissen. In diesem Zusammenhang wird man ganz sicher auch an diese Frage herankommen. Aber ich möchte auf die Frage, die Sie angesprochen haben, eine ganz andere Antwort geben. Ich komme nachher im Zusammenhang mit der Deutschen Bucht gleich darauf zurück.Die gleiche Bedeutung kommt den öffentlichen Einrichtungen für die Schiffssicherheit zu. Kontroll-und Leitsysteme sowie Staffeln der Seenotrettung und des Katastrophenschutz sind Beispiele für öffentliche Leistungen, die notwendig sind, um Schäden abzuwenden. Neben der Schiffssicherheit an Bord, die durch Radaranlagen, durch UKW-Seefunk-anlagen, durch Antikollisionsanlagen erhöht werden kann, sind wichtige Ansatzpunkte die Verkehrsüberwachungs-, die Informations- und Lenkungssysteme an Land und im Küstenvorfeld. Hier haben wir einiges erreicht. So sind an den großen deutschen Seeschiffahrtstraßen, an Ems, Jade, Weser und Elbe Einrichtungen für die Verkehrssicherheit geschaffen worden, wie z. B. Landradar, Revierfunk, Befeuerung und Betonnung. Sie entsprechen international dem neuesten Stand der Technik, sind Navigationshilfen und können bei jeder Wetterlage eine vollständige Beratung, Überwachung und Lenkung des Verkehrs durchführen. Dieses System bietet ähnliche Voraussetzungen für die Überwachung des Verkehrs wie in der Luftfahrt. Dieses System sollte wegen der großen Verkehrsdichte und der verschiedenen Kreuzungsbereiche auch auf den Bereich der Deutschen Bucht ausgedehnt werden. Ich sehe, wenn wir über die Deutsche Bucht reden, gerade darin das Hauptproblem, dies voranzutreiben,
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Bundesminister Dr. Hauffund nicht so sehr darin, die international rechtspolitisch schwierige Frage der Zwölf-Meilen-Zone zu beurteilen. Wir haben die Planungsarbeiten vorangetrieben und denken daran, daß dieses Vorhaben einer besseren Überwachung der Deutschen Bucht durch technische Einrichtungen in zwei Ausbaustufen in den nächsten Jahren vorangetrieben werden sollte.Eine weitere wichtige nationale Maßnahme ist die Einführung der Lotsenannahmepflicht für Tankschiffe. So ist seit 1978 für Tanker auf allen deutschen Revieren die Lotsenannahmepflicht eingeführt. Tankschiffe über 10 000 Bruttoregistertonnen, die das Seelotsenrevier Weser-Jade oder die Elbe befahren wollen, müssen seit dem 1. April 1979 bereits weit außerhalb des Verkehrsballungsgebietes in der Deutschen Bucht, und zwar bei dem Feuerschiff „Deutsche Bucht", den Lotsen annehmen und dürfen ihn, wenn sie ausfahren, auch erst dort wieder abgeben. Derzeit wird eine Verlegung der Lotsenversetzpositionen vor die Kreuzungsgebiete der Deutschen Bucht geprüft, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt, die Sicherheit in der Deutschen Bucht zu erhöhen.In diesem Zusammenhang sind auch die Einführung der schiffahrtspolizeilichen Meldepflicht für Tanker, das Fahrverbot für Tanker bei schlechter Sicht, die Vorlage einer Tankschiffprüfliste und die Meldepflicht des Seelotsen, wenn Mängel bestehen, zu erwähnen. Nicht unerwähnt bleiben darf auch die Verbesserung der Fahrwasserbezeichnungen.Ein großes Problem bleibt: das Problem der sogenannten unternormigen Schiffe, die nicht den internationalen Bau- und Ausrüstungsvorschriften entsprechen. Nach langen Verhandlungen auf internationaler Ebene und der Verabschiedung international einheitlicher Sicherheits- und Sozialvorschriften wird der Schwerpunkt unserer Aufgabe in der Zukunft darin liegen, diese Vorschriften einheitlich für Schiffe aller Flaggen anzuwenden. Einige Flaggenstaaten gehen die Kontrollen ihrer Hochseeschifffahrt nur sehr zögernd an. Deshalb wird den Staaten mit großen Häfen — und wir zählen dazu — eine herausragende Bedeutung bei der Kontrolle der Schiffe zukommen. Die letzten internationalen Übereinkommen zur Schiffahrtssicherheit gehen in diese Richtung. Sie eröffnen für die Hafenstaaten die Möglichkeit, auch solche Schiffe hinsichtlich der technischen Ausrüstung und der Befähigung der Besatzung zu inspizieren, deren Herkunftsstaaten die Vereinbarung nicht ratifiziert haben. Ich darf in diesem Zusammenhang an den Ende Mai vom Bundeskabinett verabschiedeten Gesetzentwurf zur Erhöhung der Sicherheit in der Seeschiffahrt erinnern, der die weltweite Einführung von Mindestnormen für die Ausbildung und Befähigung von Seeleuten zum Ziel hat und den Vertragsstaaten auch Kontrollmöglichkeiten einräumt.Ein auf deutsche Initiative zustande gekommener Vorschlag innerhalb der EG, die Durchführung der Schiffskontrollen in den Häfen der EG-Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen, ist ebenfalls in diesem Zusammenhang zu sehen. Insbesondere die Beseitigung der Mängel auf unternormigen Schiffen solldadurch sichergestellt werden. Alle diese Maßnahmen tragen dazu bei, mehr Sicherheit in der Seeschiffahrt und mehr Schutz für die Küstenmeere vor Verunreinigung zu erreichen. Sie reichen jedoch dann nicht aus, wenn es trotz aller Sicherheitseinrichtungen auf Grund eines Tankerunfalls zur Ölverschmutzung gekommen ist.Auch hier sind wir dabei, Vorsorge zu treffen, wenngleich die gegenwärtige Situation nicht als befriedigend bezeichnet werden kann. So haben sich Bund und Küstenländer über weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Ölverschmutzung im See- und Küstengebiet in den letzten Jahren geeinigt. Sie haben sich darauf geeinigt, ein Hilfsschiff für Leichterungen anzuschaffen, das gleichzeitig bei der Erprobung von Geräten für das Eindämmen und Abschöpfen von ausgelaufenem Öl eingesetzt werden soll. Weiterhin sollen Hilfseinrichtungen für das Leichtern von 01, Pumpen und Schlauchverbindungen angeschafft werden sowie die Umrüstung von Tonnenlegern der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes vorgenommen werden. Für weitere Beschaffungen der folgenden Jahre liegt ein umfangreicher Investitionskatalog des Ölunfallausschusses Seeküste vor. Dieser Investitionsvorschlag ist vom Bund und den Küstenländern in der Grundkonzeption fachtechnisch positiv beurteilt worden. Die Durchführung dieser Beschaffungen muß jedoch vom Ergebnis der praktischen Erprobung sowie der entsprechenden Forschungs- und Entwicklungsprogramme abhängig gemacht werden und setzt auch entsprechende positive Haushaltsentscheidungen voraus.Was die Sonderstelle in Cuxhaven angeht, die Sie angemahnt haben, Herr von Geldern, wäre es gut, die Adressaten zu benennen. Seit November letzten Jahres ist der Teil dieser Sonderstelle, den der Bund dort einzurichten hat, eingerichtet worden; der Teil, den die Länder einzurichten haben, fehlt noch.
— Es gibt eine gemeinsame Position. Der Bund kann das nicht erzwingen, sondern er kann angesichts des föderativen Aufbaus unseres Staates nur darauf hinwirken, daß die Länder das tun, was sie auch versprochen haben.Weitere Maßnahmen, mit denen das Auslaufen von 01 als Folge eines Unfalls verhütet werden soll, sind veranlaßt bzw. werden durchgeführt: der Einsatz von Tankern nach einer noch abzuschließenden Rahmenvereinbarung, die zur Zeit zwischen dem Bund und den Mineralölfirmen ausgehandelt wird, für das Leichtern von havarierten Tankern; der Einsatz von Schlepp- und Bergungskapazitäten bei Tankerunfällen im Rahmen einer zwischen Bund und Schlepperfirmen abzuschließenden Vereinbarung; der Einsatz von Einheiten der Bundesmarine bei Tankerunfällen im Rahmen einer zwischen dem Bundesverkehrsministerium und dem Bundesverteidigungsministerium im November 1980 abgeschlossenen Verwaltungsvereinbarung.Meine Damen und Herren, alle diese Maßnahmen zeigen: Wir haben einiges auf den Weg gebracht, um
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Bundesminister Dr. Hauffdie Erhöhung der Sicherheit der Seeschiffahrt voranzubringen. Wir werden und wir müssen konsequent auf allen Ebenen daran weiterarbeiten, es bleibt aber klar, daß es in diesem Bereich keine absolute Sicherheit geben kann. Wir wollen mit einem Höchstmaß an Sicherheit für den Schiffsverkehr — speziell bei den Tankschiffen — die Seeleute schützen, das Meer vor Verschmutzungen schützen, die Küste schützen und nicht zuletzt auch die Schiffe schützen. Sicherheit für Mensch und Umwelt hat dabei eindeutig Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen.
Es ist hier fünf Minuten vor zwölf. Hier darf und kann es keine Rücksichtnahme geben, denn der mögliche Schaden könnte — ich erinnere noch einmal daran — ins Unermeßliche steigen. Und man wird uns in späteren Jahren möglicherweise daran messen, ob wir zu Beginn der 80er Jahre den Mut und die politische Kraft gehabt haben, das zu tun, was notwendig ist, um für mehr Sicherheit und für mehr Umweltschutz auf unseren Meeren zu sorgen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zuerst zur Einzelberatung und Schlußabstimmung über die Vorlage unter Punkt 28 der Tagesordnung, Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 4. Juni 1974 zur Verhütung der Meeresverschmutzung vom Lande aus.Ich rufe die Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Es ist noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/387 unter Nr. 2 die Annahme einer Entschließung. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann ist es so beschlossen.Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Vorlage unter Punkt 29 der Tagesordnung. Wer den Beschlußempfehlungen des Innenausschusses auf der Drucksache 9/325 unter den Nummern 1 und 2, die Mitteilung der Kommission an den Rat betreffend einen Plan zur Bekämpfung der Ölverschmutzung des Meeres zur Kenntnis zu nehmen und eine Entschließung anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Vorlage unter Tagesordnungspunkt 30. Wer den Beschlußempfehlungen des Ausschusses für Verkehr auf Drucksache 9/435 unter den Nummern 1 und 2, den Bericht auf Drucksache 9/72 zur Kenntnis zu nehmen und die Bundesregierung zu ersuchen, zum31. Dezember 1982 eine Fortschreibung des Berichts vorzulegen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist einstimmig so beschlossen.Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 31:Beratung des Antrags der Abgeordneten Graf Huyn, Dr. Kunz , Dr. Wörner, Höffkes, Lowack, Dr. Althammer, Dr. Hupka, Frau Krone-Appuhn, Lintner, Dr. Rose, Jäger (Wangen), Dr. Abelein, Baron von Wrangel, Lorenz, Schulze (Berlin), Dr. Warnke, Dr. Todenhöfer, Frau Hoffmann (Soltau), Dr. Lenz (Bergstraße), Weiskirch (Olpe), Dr. Jenninger, Biehle, Dr. Bötsch, Regenspurger, Handlos, Glos, Engelsberger, Dr. Müller, Kraus, Dr. Stavenhagen, Sauer (Salzgitter) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSUKriegsgräber in der Sowjetunion— Drucksache 9/447 —Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag auf Drucksache 9/447 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Auswärtigen Ausschuß und zur Mitberatung an den Innenausschuß. — Das Haus ist damit einverstanden; dann ist das so beschlossen.Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 32:Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungFinanzplan des Bundes 1980 bis 1984— Drucksachen 9/51, 9/266, 9/545 —Berichterstatter:Abgeordnete Walther HoppeCarstens
Hierzu wird das Wort nicht begehrt. Wir kommen zur Abstimmung. Der Haushaltsausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/545, von der Unterrichtung durch die Bundesregierung auf Drucksache 9/51 Kenntnis zu nehmen. — Das Haus erhebt keinen Widerspruch; es hat davon Kenntnis genommen. Ich bedanke mich.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 33 bis 40 auf:33. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag einer Richtlinie des Rates zur Festlegung vonGrundnormen für den Gesundheitsschutz der Arbeitskräfte und der Einzelpersonen der Bevölkerung gegen die Gefahren von Mikrowellen— Drucksachen 9/256, 9/513 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. George34. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozi-
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1981 2721
Vizepräsident Frau Rengeralordnung zur der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zurAnwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, zugunsten beschäftigungsloser Arbeitnehmer— Drucksachen 9/255, 9/521 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. George35. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungÄnderung der Vorschläge für Richtlinien des Rates— betreffend die Grenzwerte für die Ableitungen von Quecksilber in die Gewässer durch den Sektor Alkalichloridelektrolyse— betreffend die Qualitätsziele für Gewässer, in die der Sektor Alkalichloridelektrolyse Abwasser einleitet— über die Grenzwerte für Einleitungen von Aldrin, Dieldrin und Endrin in die Gewässer— Drucksachen 9/333, 9/516 —Berichterstatter: Abgeordnete Kiehm Volmer36. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag für einen Beschluß des Rates zur Ergänzung des Anhangs IV des Übereinkommens zum Schutz des Rheins gegen chemische VerunreinigungMitteilung der Kommission an den Rat über die Empfehlung der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigung bezüglich der Überwachung der Ableitungen von Quecksilber aus Alkalichloridelektrolyseanlagen— Drucksachen 9/332, 9/525 —37. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag einer Richtlinie des Rates über regelmäßige Informationen, die von Gesell-schaften zu veröffentlichen sind, deren Wertpapiere zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zugelassen sind— Drucksachen 8/2718, 9/535 — Berichterstatter: Abgeordneter Schlatter38. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften— Drucksachen 9/347, 9/544 —Berichterstatter:Abgeordnete Carstens Hoffmann (Saarbrücken)39. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die BundesregierungEntwurf einer Entschließung des Rates über Quoten 1981— Drucksachen 9/252, Nr. 20, 9/560 —Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Blunck40. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag für eine Verordnung des Rates über Maßnahmen bei der Einfuhr von Champignonkonserven— Drucksachen 9/405 Nr. 18, 9/568 — Berichterstatter: Abgeordneter MichelsEs handelt sich hierbei um Beschlußempfehlungen des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, des Innenausschusses, des Finanzausschusses, des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu Vorlagen der Europäischen Gemeinschaften.Das Wort wird nicht begehrt. Wir stimmen über die Beschlußvorlagen der Ausschüsse auf den Drucksachen 9/513, 9/521, 9/516, 9/525, 9/535, 9/544, 9/560 und 9/568 ab. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so angenommen.Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung angekommen. Es ist die letzte Sitzung vor der Sommerpause. Ich erlaube mir, Ihnen allen einen erholsamen Urlaub und eine gesunde Rückkehr in den Deutschen Bundestag zu wünschen.
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2722 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1981
Vizepräsident Frau RengerIch berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 9. September 1981, 13 Uhr ein.Die Sitzung ist geschlossen.