Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Am 16. Juni 1981 haben der Abgeordnete Buschbom als Nachfolger für den durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. von Weizsäcker und der Abgeordnete Dolata als Nachfolger für den durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten Kunz die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Am 19. Juni 1981 hat der Abgeordnete Berger (Lahnstein) als Nachfolger für den durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Blüm die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich begrüße die neuen Kollegen sehr herzlich in unserer Mitte und wünsche Ihnen eine erfolgreiche Mitarbeit im Deutschen Bundestag und eine gute Zusammenarbeit mit uns.
Ehe wir in die Tagesordnung eintreten, erteile ich das Wort zur Geschäftsordnung dem Herrn Abgeordneten Jahn .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemäß § 20 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages beantrage ich namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, unsere drei am 22. Mai 1981 im Deutschen Bundestag eingebrachten Gesetzentwürfe erstens über steuerliche Vergünstigungen zur Förderung des Wohnungsbaus, zweitens zur Belebung des sozialen Wohnungsbaus und zum Abbau nicht mehr gerechtfertigter Subventionen und drittens zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen auf die Tagesordnung der Plenarsitzungen dieser Woche zu setzen.SPD und FDP haben es im Ältestenrat abgelehnt, diese wohnungsbaupolitischen Initiativen der Union in dieser Sitzungswoche zu beraten.
Zur Begründung wird darauf hingewiesen, daß keine nennenswerte Zeit für die Beratung verlorengehe. Das Parlament trete am Ende dieser Woche ohnehin in die Sommerpause ein; es sei deshalb früh genug, die drei Gesetzesinitiativen im September in erster Lesung zu beraten.Der wahre Sachverhalt ist ein ganz anderer. SPD und FDP lehnen es nur deshalb ab, unsere Gesetzesinitiativen zu beraten, weil die Vorstellungen der Bundesregierung zur Wohnungsbaupolitik dem Deutschen Bundestag zur Beratung noch nicht vorliegen. Das ist die Wahrheit.
Solange diese Vorschläge dem Deutschen Bundestag nicht vorliegen, wird eine Debatte unserer Gesetzesinitiativen rundweg abgelehnt. Die Taktik ist offenkundig. SPD und FDP können aber unsere Bürger im Lande nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir die ersten waren, die unsere Alternativen im Deutschen Bundestag und auch im Bundesrat vorgelegt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren sowohl von der SPD-Fraktion als auch von der FDP-Fraktion, wiederholt haben Sie uns aufgefordert, nicht nur auf dem Gebiete der Wohnungsbaupolitik, unsere Alternativen auf den Tisch zu legen. Nun liegen sie vor, und Sie weigern sich, sie zur Kenntnis zu nehmen und sie mit uns zu beraten.
Dabei verkennen wir nicht, daß auch die Bundesregierung Gesetzesinitiativen als notwendig erachtet. Die Bundesregierung hatte es in der Hand — wie auf verschiedenen Gebieten bereits praktiziert —, ihr Ergebnis der Kabinettsberatungen zur Abkürzung des Verfahrens durch die Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag einbringen zu lassen. Wir haben es nicht zu vertreten, daß dies nicht geschehen ist. Wir haben es nicht zu vertreten, daß das magere Ergebnis der Kabinettsberatungen sowohl in der SPD-Fraktion als auch in der FDP-Fraktion auf große Kritik gestoßen ist.
Wir von der Union haben es nicht zu vertreten, daß sich im Bundeskabinett die antimarktwirtschaftlichen und die marktwirtschaftlichen Standpunkte gegenseitig blockieren. Wir, meine Damen und Herren, haben es nicht zu vertreten, daß weder die SPD-Fraktion noch die FDP-Fraktion in diesem Hause in
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Dr. Jahn
dieser Legislaturperiode irgendeine Initiative zur Wohnungsbaupolitik eingebracht hat.
Selbst nichts schaffen, die eigene Regierung kritisieren und die Gesetzesinitiativen der Union blokkieren — meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann unsere Bürger nur schockieren.
Warum, so fragen wir heute, wehren Sie sich eigentlich dagegen, eine getrennte und gesonderte Beratung der Regierungsvorlagen im September durchzuführen? Verdienen es die Regierungsvorlagen eigentlich nicht, selbständig, der Bedeutung und Aktualität des Themas entsprechend, im September in einer eigenen Debatte beraten zu werden?Lehnen Sie die getrennte Beratung ab, weil das Presseecho verheerend ist? Lehnen Sie die getrennte Beratung der Regierungsvorlage ab, weil Herr Gillies am 29. Mai 1981' in der „Welt" schrieb:Was die Regierung zur Wohnungspolitik beschlossen hat, ist weder Fisch noch Fleisch .. . Diese Regierung hat trotz leerer Kassen nicht begriffen, daß vom Staat kein Heil zu erwarten ist. Die Koalition ist zerrissen, der zuständige Bauminister Saft- und kraftlos.
Lehnen Sie, so fragen wir weiter, die getrennte Beratung der Regierungsvorlage ab, weil Herr Hort am 29. Mai 1981 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schrieb:Bonner Wohnungspleite ... Die Bundesregierung hat eine große Chance verpaßt . .. Wie auf vielen anderen Gebieten zeigt die Regierung auch in der Wohnungspolitik Handlungsunfähigkeit ... So bleibt die Wohnungspolitik das, was sie seit Kriegsende immer war: eine viel zu teure staatliche Veranstaltung zur Verwaltung des Mangels.
Ein letztes Zitat, Herr Präsident. Herr Zencke schrieb am 28. Mai 1981 in der „Kölnischen Rundschau" — und wir fragen, ob Sie aus diesem Grunde die Debatte ablehnen —:Große Initiative geplatzt ... Mit der Sozialdemokratischen Partei in ihrer heutigen Verfassung sind solche für die Volkswirtschaft lebenswichtigen Aufgaben einfach nicht mehr zu lösen.
Herr Kollege Jahn, das Hohe Haus hört Ihnen ja aufmerksam zu. Aber ich habe persönlich den Eindruck, Sie gehen über die Begründung eines Geschäftsordnungsantrags hinaus in die politische Auseinandersetzung hinein.
Ich wäre Ihnen, auch mit Rücksicht auf den Wortlaut
der Geschäftsordnung, dankbar dafür, wenn Sie
jetzt zu Ende kämen. Ich denke, Ihr Antrag ist aus-
reichend begründet. Ihre Redezeit von fünf Minuten ist schon eine Weile abgelaufen.
Herr Präsident, ich komme zu meinen Schlußsätzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Wohnungsbauminister Haack, der sich bekanntlich mit seinen eigenen Vorstellungen in seiner eigenen Fraktion nicht durchzusetzen vermag, hat unsere Initiativen begrüßt. Sein Vorgänger, Herr Ravens, hat dasselbe getan. Die FDP im Saarland hat sich unseren Initiativen angeschlossen. Auch aus diesen Gründen sind wir der Meinung, daß es Zeit ist, diese Initiativen zu debattieren. Die Abstimmung über unseren Antrag wird zeigen: SPD und FDP sind sich heute einig, einig in der Verweigerung und nicht im Gestalten einer zugleich marktwirtschaftlichen, familienfreundlichen, sozialen und gerechten Wohnungsbaupolitik.
Wir wissen, daß wir angesichts der derzeitigen Mehrheiten diese Abstimmung nicht gewinnen können. Wir werden die Abstimmung verlieren,
aber die Bürger draußen im Lande werden unsere Glaubwürdigkeit honorieren; denn wir haben keine Zeit zu verlieren, die verfehlte Wohnungsbaupolitik der letzten 12 Jahre unter den sozialdemokratischen Ministern Lauritzen, Vogel, Ravens und Haack endlich zu korrigieren.
Ebenfalls zur Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Linde das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jahn, ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie das Ergebnis der Abstimmung schon vorweggenommen haben, und habe auch Verständnis dafür, daß Sie wenigstens einiges Inhaltliche sagen wollten.Wir sind uns einig mit Ihnen in der Ungeduld bei der Lösung der wohnungsbaupolitischen Probleme. Wir freuen uns auch darüber, daß die Opposition sich bemüht, sachliche Alternativen herbeizuzaubern. Wir sind uns aber nicht einig
in dem Verfahren. Gerade weil wir Ihre Anträge schon gelesen haben, lehnen wir sie ab.Wir sehen auch nicht die Alternativen. Diese Alternativen sind nichts anderes als der Versuch, die Bundesratsentwürfe vorzeitig in das medienpolitische Sommerloch zu schieben. Dies dient der sachlichen Auseinandersetzung überhaupt nicht.
Natürlich gibt es geschäftsordnungsmäßige Verfahrensvorteile: Man kann das vom Bundesrat Erarbeitete auf dem Umweg über die Fraktion in den Deutschen Bundestag bringen. Es gibt aber auch verfassungsmäßige Nachteile der Regierung: Sie hat den Bundesrat zu beteiligen. Die Entwürfe des Bun-
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Dr. Lindedesrates liegen in den Ausschüssen. Die Entwürfe der Bundesregierung liegen dem Bundesrat vor und werden nach der Sommerpause dem Deutschen Bundestag zugeleitet. Diese Entwürfe, vier Stück an der Zahl, sollten — dies ist die Auffassung der SPD-Fraktion — hier gemeinsam beraten werden, und zwar — dies ist unser Wunsch und auch unser Angebot an Sie — in einer intensiven wohnungsbaupolitischen Debatte. Wir wären sehr dankbar, wenn Sie in der Zeit, die Ihnen nun zusätzlich gewährt worden ist, da Sie sich wohnungsbaupolitisch im Plenum noch nicht betätigen können, das gleiche täten, was die SPD-Fraktion getan hat. Wir haben nämlich in unserer Fraktion im Mai eine wohnungsbaupolitische Konzeption erarbeitet, die dann in die parlamentarische Debatte einfließen wird. Wir wären sehr dankbar, wenn Sie es akzeptieren würden, eine gesamtpolitische Debatte über den Wohnungsbau im September zu führen. Die SPD-Fraktion wird den Antrag, Ihre Bundesratsentwürfe — wenn ich es einmal so ausdrücken darf — vorzeitig auf die Tagesordnung zu bringen, zurückweisen.
Das Wort zur Geschäftsordnung wird nicht weiter gewünscht.
— Entschuldigung! Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gattermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jahn, jenseits aller Möglichkeiten zur parteipolitischen Profilierung ist dieses Hohe Haus auch einer bestimmten Arbeitsökonomie verpflichtet. Wenn ich mir die Entwürfe, die Sie vorgelegt haben, anschaue, stelle ich fest, daß sie exakt dieselbe Materie behandeln, die auch in den Regierungsentwürfen behandelt wird. Die Regierungsentwürfe sind ja bekannt; sie durchlaufen im Augenblick nur das Verfahren beim Bundesrat. Wenn dem aber so ist, halten wir es eigentlich unter diesen arbeitsökonomischen Gesichtspunkten für eine Selbstverständlichkeit, diese Entwürfe zum gleichen Thema auch gleichzeitig zu diskutieren.
Herr Kollege Jahn, Sie haben Herrn Gillies zitiert. Er hat Ihnen in seinem Artikel ja attestiert, daß Sie eine echte Alternative dargelegt hätten. Nun gut! In der Debatte im September können Sie dann j a besonders gut und besonders deutlich inhaltlich herausarbeiten, daß dies tatsächlich eine Alternative ist. Ich meine, wir sollten übereinstimmend dazu kommen, darüber gemeinsam in einer großen wohnungspolitischen Debatte im September zu beraten.
Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung liegen mir jetzt nicht mehr vor.
Von seiten der Fraktion der CDU/CSU ist beantragt, folgende drei Gesetzentwürfe auf die Tagesordnung dieser Woche zu setzen und sie am Freitag im Deutschen Bundestag zu behandeln: erstens den
Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Vergünstigungen zur Förderung des Wohnungsbaus — Drucksache 9/467 —, zweitens den Entwurf eines Gesetzes zur Belegung des sozialen Wohnungsbaus und zum Abbau nicht mehr gerechtfertigter Subventionen — Drucksache 9/468 — und drittens den Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebotes an Mietwohnungen — Drucksache 9/469 —.
Wir kommen zur Abstimmung über diesen Geschäftsordnungsantrag. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 9/589 —
— Meine Damen und Herren, darf ich Sie bitten, im Saal etwas Ruhe herzustellen, damit wir mit der Fragestunde beginnen können!
Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich begrüße zur Beantwortung Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Gallus.
Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vorsichtige Preispolitik, Beschränkung der Intervention, Mitverantwortungsabgaben und Abbau von Beihilfen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, der Deutsche Bundestag hat mit überwältigender Mehrheit am 27. Juni 1979 die Bundesregierung aufgefordert, „die Kommission dringend darauf hinzuweisen, daß der Bundeshaushalt weitere über die bisherigen eigenen Einnahmen der Europäischen Gemeinschaft hinausgehende Belastungen auf absehbare Zeit nicht verkraften kann". Die Bundesregierung ist daher der Meinung, daß die gemeinsame Agrarpolitik bestimmter Korrekturen bedarf, wenn sie auch in Zukunft Bestand haben soll.Wie in der Regierungserklärung vom 24. November 1980 ausgeführt, tritt die Bundesregierung vor allem dafür ein, daß in der gemeinsamen Agrarpolitik marktwirtschaftliche Grundsätze stärker als bisher verwirklicht werden. Im einzelnen bedeutet das eine vorsichtige Preispolitik dort, wo dies zur Wiederherstellung des Marktgleichgewichts notwendig ist, eine Auflockerung der Interventionsmechanismen, um die Marktkräfte stärker zur Geltung zu bringen, eine Beibehaltung der Erzeugermitverantwortung und einen Abbau von Beihilfen.Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß der bäuerliche Familienbetrieb dank seiner Flexibilität am ehesten in der Lage ist, die im Rahmen einer solchen Anpassung eröffneten Marktchancen zu nut-
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Parl. Staatssekretär Galluszen. Allerdings wird dies auch in Zukunft mit der Notwendigkeit eines gewissen Strukturwandels verbunden sein. Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß dabei in einigen Bereichen auch Einkommensprobleme auftreten können.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Eigen.
Meine Damen und Herren, darf ich Sie bitten, die Gespräche im Saal einzustellen, damit wir die Fragestunde etwas geordnet durchführen können, und notwendige Gespräche, wenn es möglich ist, draußen weiterzuführen.
Bitte sehr, Herr Kollege Eigen.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob die Stellungnahme, die Herr Staatsminister von Dohnanyi an den Präsidenten der Kommission, Herrn Thorn, nach Brüssel geschickt hat, von Ihnen persönlich als richtig angesehen wird und vor allem ob — woran mir noch mehr liegt — Minister Ertl auch ganz persönlich mit diesem Papier einverstanden ist?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, was meine Person betrifft: Ich habe im Deutschen Bundestag anläßlich der Debatte zum Einzelplan 10 erklärt, daß ich im Grundsatz dem zustimme, was Herr Dohnanyi nach Brüssel berichtet hat.
— Herr Kollege, ich kann für mich Erklärungen abgeben, nicht für meinen Minister privat. Soweit sich das — das kann ich hier sagen — auf die Gemeinsamkeit mit dem bezieht, was in der Regierungserklärung zur Reform der europäischen Agrarpolitik enthalten ist, gilt das selbstverständlich auch für Minister Ertl.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Eigen.
Herr Staatssekretär, aus welchen Haushaltsmitteln wollen Sie direkte Einkommensübertragungen finanzieren, wie sie in dem Papier von Staatsminister von Dohnanyi und auch in dem Papier der SPD vorgeschlagen werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Vorstellungen der Bundesregierung gehen im Grundsatz nicht davon aus, das Agrarsystem der EG total zu verändern, sondern sie beziehen lediglich die Tatsache ein, daß unter Umständen in gewissen Bereichen auch zusätzlich direkte Einkommensübertragungen in der gesamten EWG notwendig werden — unter dem Vorbehalt, daß die entsprechenden Mittel freigestellt werden können.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Susset.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie zu dem Dohnanyi-Papier stehen: stehen Sie auch zu den personengebundenen Einkommensübertragungen, wie sie in dem Schreiben an den EG-Kommissar Haferkamp zum Ausdruck kommen? Wie sehen Sie diese personengebundenen Einkommensübertragungen vor?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe hier und in der Haushaltsdebatte gesagt, daß ich im Grundsatz zu diesem Papier stehe, soweit es die Auffassung der Bundesregierung betrifft. Wie wir uns direkte Einkommensübertragungen vorstellen, ob überhaupt bei der Reform der EWG-Agrarpolitik die EWG grundsätzlich zu der Auffassung kommt, zusätzlich einen solchen Schritt über die Förderung im Bergbauernprogramm hinaus zu tun, muß zukünftigen Verhandlungen überlassen bleiben.
Sie haben nur eine Zusatzfrage, Herr Kollege Susset. — Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Welche Agrarmärkte der Europäischen Gemeinschaft möchte die Bundesregierung wie weit öffnen , und welche Auswirkung hat diese weitere Öffnung auf das neue Marktmodell der Bundesregierung und für die bäuerlichen Familienbetriebe in der Europäischen Gemeinschaft?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Gallus, Parl. Staatssekretär: In seiner Rede vor dem Welternährungsrat in Novi Sad hat Bundesminister Ertl dargelegt, daß 50 % der EG-Agrareinfuhren aus Entwicklungsländern kommen. Die Europäische Gemeinschaft ist damit der weltgrößte Abnehmer von Agrarprodukten aus Entwicklungsländern. Dies wurde vor allem erreicht durch die Sondereinfuhrregelungen der Europäischen Gemeinschaft zugunsten von Entwicklungsländern im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems, der Mittelmeerabkommen und des AKP-Abkommens. Die Bundesregierung ist bereit, an Verbesserungen dieser Sondereinfuhrsysteme im Rahmen des Möglichen mitzuarbeiten, sei es durch Einbeziehung neuer, zur EG-Produktion komplementärer Produkte oder durch Erhöhung der Präferenzmargen. Dabei wird die Bundesregierung jedoch darauf achten, daß der Grundsatz der Gemeinschaftspräferenz nicht beeinträchtigt wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Eigen.
Sind Sie nicht mit mir der Meinung, Herr Staatssekretär, daß diese Äußerungen in Novi Sad, daß die europäischen Märkte gegenüber Drittländern noch weiter geöffnet werden sollen als bisher, doch eine Einschränkung der Gemeinschaftspräferenz ist, wie sie im Vertrag von Rom festgelegt ist?Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, was die Gemeinschaftspräferenz anbetrifft, so ist sie nie ohne Ausnahmen gehandhabt worden. Ich nenne zum Beispiel die Einfuhr der Substitute, die in einer GATT-Abmachung konsolidiert sind. Das würde — korrekt ausgesprochen, in reiner Lehre — auch gegen einen Grundsatz der EG verstoßen. Aber das ist immer so gehandhabt worden. Das gilt auch für Handelsabkommen mit anderen Drittländern, das
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Parl. Staatssekretär GallusAKP-Abkommen und anderen Abkommen mit Entwicklungsländern.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Eigen.
Wenn ich davon ausgehe, daß Sie die Veränderung, die Reform der europäischen Agrarpolitik hin zu mehr Markt wirklich ernst nehmen, dann muß ich doch die Frage stellen, Herr Staatssekretär: wie verbinden Sie das mit den Äußerungen des Herrn Bundesministers Ertl in Novi Sad, der ja nicht von einer weiteren Verbesserung der Importe von Entwicklungsländern alleine gesprochen, sondern der im Grundsatz gesagt hat, die Märkte der EG müssen weiter gegenüber Drittländern geöffnet werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die EWG wird als Zusammenschluß großer Industrienationen nicht daran vorbeikommen, internationale Handelsbeziehungen auch in den Bereichen aufrechtzuerhalten, die die EG-Agrarpolitik berühren. In diesem Zusammenhang werden wir von seiten der Bundesregierung mit der EWG stets im Einzelfall prüfen müssen, inwieweit es möglich sein wird, den Wünschen der Drittländer zu entsprechen, oder ob eine andere Auffassung zu vertreten ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Susset.
Herr Staatssekretär, wie können Sie die Äußerungen des Herrn Ministers Ertl nun mit den Äußerungen des neuen französischen Landwirtschaftsministers, Frau Cresson, in Einklang bringen, die erklärte, daß in der Zukunft die weitere Öffnung der Märkte für Substitute nicht stattfinden soll, sondern im Gegenteil mehr der Gemeinschaftspräferenz Rechnung getragen werden muß?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, im Augenblick steht die Europäische Gemeinschaft vor den Verhandlungen und Gesprächen über eine Neuordnung der EG-Agrarpolitik, und in diesem Stadium gibt es sehr unterschiedliche Äußerungen zu dem Problem, das uns alle berührt. Was am Ende gelten wird, kann man erst sagen, wenn die Verhandlungen über die Reform der EG-Agrarpolitik abgeschlossen sind. Ich verweise auf eine Stellungnahme des Europäischen Parlaments, bei deren Beratung die Vertreter der CDU eine Auffassung zum Ausdruck gebracht haben, die der, welche Sie hier in Ihrer Fragestellung vertreten, gerade entgegengesetzt ist.
Zu einer weiteren Zusatzfrage der Kollege Müller .
Herr Staatssekretär, wenn Sie der Meinung sind, daß die EG von Agrareinfuhren aus Drittländern abhängig ist, daß sie darauf nicht verzichten kann, sind Sie dann nicht auch der Meinung, daß sie den Protektionismus gar nicht ausweiten kann, sondern zum Wohle der EG und der Verbraucher und auch der Landwirtschaft auf diese Einfuhren mehr Wert legen muß?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin sehr wohl dieser Auffassung. Das wird aber in der Zukunft nicht ausschließen, daß gerade in bezug auf die gewaltige Einfuhr von Substituten gewisse Absprachen stattfinden können, wie das bereits mit Thailand wegen Tapioka geschehen ist. Solche Absprachen finden übrigens auch in anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik statt.
Das Wort zu weiteren Zusatzfragen wird gewünscht. Bitte sehr, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, wie wollen Sie in diesem Zusammenhang mit den Überschüssen innerhalb der EWG fertig werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir haben in der EG strukturelle Überschüsse. Es ist in der Tat so, daß die Hauptprobleme bei Milch und Fleisch davon herrühren, daß wir einen gewaltigen Zufluß an Substituten haben. Ich habe eben hier gesagt, die EG werde nicht darum herumkommen — bei Tapioka ist das z. B. geschehen —, Absprachen mit den Lieferländern zu treffen. Darüber hinaus wird sich die EG einige Dinge zu überlegen haben. Ich persönlich bin der Auffassung, daß in ganz Europa nicht weiter, wie das in den letzten Jahren geschehen ist, mit staatlichen Mitteln neue Produktionskapazitäten für Milch und Fleisch gefördert werden dürfen, wenn die Märkte gesunden sollen.
Noch eine Zusatzfrage, bitte sehr, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht aus entwicklungspolitischer Sicht für sinnvoll, daß die Substitute aus Entwicklungsländern in Entwicklungsländer fließen und nicht in die EG?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Das würde ich für sehr sinnvoll halten. Nur werden uns die Politiker aus Thailand sagen: „Für uns ist Tapioka das gleiche wie das Ö1 für die OPEC-Staaten, nämlich ein Devisenbringer." Solange in diesen Ländern keine Einrichtungen geschaffen sind, um das Rohprodukt Tapioka zu veredeln und dann als höherwertiges Nahrungsmittel an die Menschen in Asien zu verkaufen, so lange wird es hier Schwierigkeiten geben. Ich bin aber durchaus der Auffassung, daß es entwicklungspolitisch sinnvoll wäre, dafür zu sorgen, daß in den Entwicklungsländern Einrichtungen geschaffen werden, um eben solche Substitute, die bei uns verfüttert werden, über den Weg der Erzeugung höherwertiger Nahrungsmittel den dortigen Menschen zukommen zu lassen.
Das Wort zu weiteren Zusatzfragen wird nicht gewünscht. Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sind damit beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, und Gesundheit auf. Ich begrüße dazu den Herrn Staatssekretär
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2532 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981
Vizepräsident LeberDr. Fülgraff. Ich rufe die Frage 3 der Frau Abgeordneten Verhülsdonk auf:Trifft es zu, daß der Arbeitsstab Frauenpolitik im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit Unternehmen anhält, Frauenförderpläne aufzustellen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Arbeitsstab Frauenpolitik im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit ist bemüht, bei privaten Unternehmen und bei öffentlichen Verwaltungen die Bereitschaft für eine gezielte berufliche Förderung von Frauen zu wecken. Es geht dabei darum, das Arbeitsplatzangebot für Frauen zu erweitern, Frauen mehr Aufstiegschancen zu eröffnen und ihnen Tätigkeiten zu übertragen, die bisher Männern in diesen Firmen vorbehalten waren. Auf die Initiative des Arbeitsstabs Frauenpolitik hin sind inzwischen mehrere Betriebe und eine Stadtverwaltung in diesem Sinne aktiv geworden.
Haben Sie die Antwort verstanden, Frau Kollegin? Das war akustisch nicht gut zu verstehen. — Bitte, zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie sagen, es geht bei diesen Frauenförderungsplänen um Qualifikationsmöglichkeiten und um Aufstiegschancen. Ist dabei auch daran gedacht, die zukünftige Einstellungspraxis dieser Betriebe im Sinne einer Berücksichtigung von Frauen auf allen Ebenen der Unternehmenshierarchie in Betracht zu ziehen?
Dr. Fülgraff, Staatssekretär: Auch dies ist Gegenstand der Frauenförderungspläne, wobei man allerdings hinzufügen muß, daß insbesondere an die Förderung von Frauen im Betrieb gedacht ist.
Eine weitere Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, wird bei diesen Gesprächen, die Ihr Ressort, wie Sie sagen, mit Unternehmen und Verwaltungen führt, auch die Notwendigkeit einer verstärkten Förderung von Teilzeitarbeitsplätzen herausgestellt, und wie ist dabei die Resonanz seitens der Unternehmensleitungen und der Betriebsräte?
Dr. Fülgraff, Staatssekretär: Dies ist im Augenblick nicht vorrangig Gegenstand der Förderungspläne.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, haben Sie auch daran gedacht, daß unter Umständen Ihr eigenes Haus für ein solches Unterfangen in Betracht kommen könnte?
Dr. Fülgraff, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, da dies Gegenstand der zweiten Frage ist, die ich gleich zu beantworten habe, bin ich im Zweifel, ob ich dies jetzt vorziehen sollte.
Herr Kollege Kroll-Schlüter, Sie können Ihre Zusatzfrage ja nachher stellen. Oder warten Sie am besten die Beantwortung der nächsten Frage ab.
Werden hierzu weitere Zusatzfragen gestellt? — Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich Frage 4 der Abgeordneten Frau Verhülsdonk auf:
Nach welchen Kriterien werden Unternehmen für solche Werbeaktionen ausgewählt, und ist die Bundesregierung bereit, zunächst innerhalb des eigenen Kompetenzbereiches in dieser Hinsicht vorbildhaft tätig zu werden?
Dr. Fülgraff, Staatssekretär: Der Arbeitsstab „Frauenpolitik" hat mit einer Reihe größerer Betriebe verschiedener Branchen Gespräche geführt. Er nahm zu denjenigen Betrieben besonders engen Kontakt auf, von denen er Kenntnis über die möglicherweise bestehende Bereitschaft zu einer gezielten beruflichen Förderung von Frauen erhielt. Hiermit sollte ein Anfang gemacht werden.
Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn sich weitere Betriebe und Verwaltungen diesen positiven Beispielen anschließen würden. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit ist bereit, dafür notwendige Informationen zu geben und Beratungshilfe zu leisten. Um auf die laufenden Aktivitäten aufmerksam zu machen, veranstaltete der Arbeitsstab „Frauenpolitik" am 17. März dieses Jahres mit Vertretern der beteiligten Firmen und der Stadt Rüsselsheim eine Pressekonferenz.
Selbstverständlich ist auch die Bundesregierung bemüht, im eigenen Bereich den Frauen mehr Berufschancen zu eröffnen. Eine Kommission, die bei dem für das Dienstrecht zuständigen Bundesinnenminister eingerichtet wurde, arbeitet an Vorschlägen für derartige Maßnahmen der weiteren Berufsförderung von Frauen. Sie wird im Sommer nächsten Jahres einen Bericht vorlegen.
Eine Zusatzfrage? — Bitte, Frau Kollegin.
Herr Staatssekretär, was spricht dagegen, daß die Bundesregierung zunächst in ihrem eigenen Verantwortungsbereich — in den Ministerien und den nachgeordneten Behörden — solche Frauenförderungspläne erstellt und auch anwendet?
Dr. Fülgraff, Staatssekretär: Wie ich bereits ausführte, Frau Abgeordnete, beabsichtigt die Bundesregierung, Derartiges zu tun.
Weitere Zusatzfragen? — Bitte sehr, Herr Kollege Kroll-Schlüter.
Herr Staatssekretär, welche Gründe sind eigentlich dafür maßgebend, daß eine Bundesministerin für solche Aufgaben eigene Stäbe und eigene Kommissionen — und dann noch in anderen Ministerien — einsetzen muß?Dr. Fülgraff, Staatssekretär: Ich habe nicht davon gesprochen, daß in unserem Hause Kommissionen für diesen Zweck bestehen. Der Arbeitsstab „Frauenpolitik" betrachtet dies als eine wichtige Aufgabe
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981 2533
Staatssekretär Dr. Fülgraffunter vielen anderen. Dies ist ein Teilbereich, auf dem er bei dem Versuch tätig ist, die Gleichbehandlung von Männern und Frauen nicht nur in der Arbeitswelt sicherzustellen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf und begrüße dazu Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Sperling.
Ich rufe Frage 5 des Herrn Abgeordneten Reschke auf:
Welchen Stellenwert mißt die Bundesregierung der Initiierung und Unterstützung der flächenhaften Verkehrsberuhigung zur Verbesserung der städtebaulichen Situation in den Ballungsgebieten bei?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Reschke, der Verkehrsberuhigung auf größeren Flächen kommt für die Verbesserung der Wohnbedingungen in Städten und Gemeinden nach Auffassung der Bundesregierung eine erhebliche Bedeutung zu. Eine solche flächenhafte Verkehrsberuhigung kann gleichzeitig als Beitrag zur Einsparung von Energie und zum Abbau von Umweltbelastungen dienen.
Nachdem wir im vergangenen Jahr die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Verkehrsberuhigung geschaffen haben, kommt es jetzt darauf an, die Möglichkeiten, die sich nun ergeben, in Städten und Gemeinden auf breiter Basis zu erproben, um zu sehen, wie diese Erprobungen in städtebauliche Planungen Eingang finden können.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Reschke.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß bisher in allen Bereichen der Bundesrepublik vorrangig die Städte und Gemeinden, insbesondere auch einige Bundesländer, Investitionen in diesem Bereich betrieben haben, ohne mit Forschungsvorhaben in großräumige Lösungen hineingehen zu können? Sind Sie nicht der Auffassung, daß es jetzt Aufgabe der Bundesregierung ist, zusammen mit den Ländern und Gemeinden die flächenmäßige Untersuchung konzentriert voranzutreiben, um tatsächlich Energiespareffekte, aber auch Umweltschutzeffekte feststellen zu können?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Genauso ist es, Herr Kollege Reschke. Ich unterstreiche Ihre Bemerkung, daß es sich um die gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden handelt.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe Frage 6 des Abgeordneten Reschke auf:
Wie ist der Stand der Vorbereitungen zur modellhaften Untersuchung und Einführung der flächenhaften Verkehrsberuhigung durch die Bundesregierung unter Berücksichtigung der Finanzbasis?
Bitte sehr, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reschke, das Forschungsvorhaben ist bei Städten und Gemeinden auf ein sehr großes Echo gestoßen. Rund 100 Städte und Gemeinden haben sich beworben, um an einem solchen Versuch teilzunehmen.
Nun haben Sie und ich ebenso wie die Kollegen der Regierungskoalition in der vergangenen Woche einem Bundeshaushalt zugestimmt, der eine erhebliche Kürzung der Forschungsmittel mit sich gebracht hat. Diese Kürzung der Forschungsmittel macht es nun allerdings notwendig, die Durchführung dieses Forschungsvorhabens erneut zu überprüfen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Reschke.
Herr Staatssekretär, wie ist der Stand der Überprüfung, und wann kann, insbesondere bezogen auf den zweiten Teil meiner Frage, mit einer Entscheidung gerechnet werden?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reschke, der Stand der Überprüfung ist so, daß wir gerade begonnen haben. Es gibt nicht nur eine Zusammenarbeit zwischen Ministerium und unserer Forschungsanstalt, sondern auch eine Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt in Berlin und mit der Bundesanstalt für Straßenwesen. Diese drei Behörden müssen das von ihnen bisher vorangetriebene Projekt gemeinsam überprüfen und sehen, wie mit den gekürzten Mitteln noch möglichst viel an Erkenntnissen herauszuholen ist. Dies wird kaum vor Ende der Sommerpause abgeschlossen sein. Ich bin gerne bereit, Ihnen nach den Sommerferien möglichst bald einen Stand der Entwicklung darzustellen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Reschke.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß die Bundesregierung nach wie vor bereit ist, einen Teil der gekürzten Haushaltsmittel doch für die flächenhafte Verkehrsberuhigung einzusetzen — unter Berücksichtigung der Tatsache, daß bei diesen Forschungsaufgaben andere Prioritäten gesetzt werden, zumal der Einsatz dieser Mittel in den Bereichen Energie und Umweltschutz, aber auch im Bereich der Lärmminderung in den Wohnquartieren einen sehr hohen Stellenwert hat —, um damit recht frühzeitig Fehlinvestitionen zu verhindern?Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reschke, dies ist richtig, aber wir können nicht die gekürzten Forschungsmittel einsetzen, sondern nur übriggebliebene. Deswegen müssen wir sehen, wie wir das mit den Prioritäten hinkriegen. Ich sage ehrlich: ich neige dazu, wenn die Mittel dafür in diesem Jahr nur unzulänglich sind, das Forschungsvorhaben lieber auf ein späteres Jahr zu verschieben, anstatt jetzt mit unzulänglichen Mitteln unzulängliche Ergebnisse zu produzieren. Ich hoffe aber, daß die
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2534 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981
Parl. Staatssekretär Dr. SperlingÜberprüfung ergeben wird, daß wir mit den vorgesehenen Mitteln, wenn auch nur zum Teil, schon beginnen können.
Das Wort zu weiteren Zusatzfragen wird nicht gewünscht. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau be antwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Zu Frage 7 bittet der Fragesteller, Abgeordneter Dr. Hennig, um schriftliche Beantwortung. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frage 59 ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind, um die Fragen zu beantworten, aber Sie brauchen keine Frage zu beantworten.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Ich begrüße dazu den Parlamentarischen Staatssekretär Brück.
Frage 8 wird auf Wunsch des Fragestellers, des Abgeordneten Dr. Hüsch, schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 9 des Herrn Abgeordneten Neumann auf:
Wie werden eigene entwicklungspolitische Vorhaben der Bundesländer mit der Bundesregierung abgestimmt?
Bitte sehr, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Neumann, Grundlage der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sind Beschlüsse der Ministerpräsidenten der Länder aus den Jahren 1961, 1962 und 1977. In diesen Beschlüssen wird anerkannt und bekräftigt, daß die Entwicklungspolitik grundsätzlich Aufgabe des Bundes ist und die Länder im Rahmen ihrer Zuständigkeit und Möglichkeiten an der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mitwirken. Entsprechend diesem Grundsatz konzentrieren sich die Länder auf die Wahrnehmung von entwicklungspolitischen Aufgaben im Inland. Hierzu gehören insbesondere die Aus- und Fortbildung von Fach- und Führungskräften sowie die Förderung von Studierenden aus Entwicklungsländern. Nur etwa 5 % der Entwicklungshilfeleistungen der Länder entfallen auf Auslandsmaßnahmen. Über Inlandsmaßnahmen entscheiden die Länder autonom. Die Bundesregierung wird einmal jährlich in zusammengefaßter Form von diesen Maßnahmen in Kenntnis gesetzt.
Die Koordinierung der entwicklungspolitischen Aktivitäten der Länder mit der Entwicklungspolitik der Bundesregierung vollzieht sich in einer Vielzahl von Einzelkontakten zwischen den zuständigen Landes- und Bundesministerien bzw. deren Durchführungsorganen und in bestimmten Koordinierungsgremien, insbesondere im Bund-Länder-Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit, der zweimal jährlich tagt.
Auslandsprojekte der Länder werden, soweit es sich nicht um humanitäre Hilfeleistungen und Kleinvorhaben wie z. B. Gastprofessuren und Expertenentsendungen handelt, von der Bundesregierung daraufhin überprüft, ob sie außenpolitisch unbedenklich und entwicklungspolitisch sinnvoll sind. Im Falle der Zustimmung schließt der Bund im Außenverhältnis eine völkerrechtliche Vereinbarung mit der Regierung des Entwicklungslandes ab. Im Innenverhältnis verpflichtet sich das Bundesland zur Erbringung der vorgesehenen Leistung.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Neumann.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die eigenen entwicklungspolitischen Vorhaben der Bundesländer im Ausland, und stimmen diese in jedem Fall mit den entwicklungspolitischen Grundlinien der Bundesregierung überein?
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Neumann, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß sich die Bundesländer auf Tätigkeiten im Inland beschränken sollten, d. h. daß sie keine Projekte im Ausland durchführen sollten. Wir wünschen uns jedoch, daß die Tätigkeit der Länder im Inland in den Bereichen verstärkt wird, die ich Ihnen genannt habe. Wir wären auch sehr dankbar, wenn die Bundesländer in verstärktem Maße Bedienstete beurlauben würden, die dann für den Bund in Entwicklungsländern tätig sein könnten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Neumann.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie recht verstanden habe, werden die entwicklungspolitischen Vorhaben der Bundesländer im Ausland erst nachträglich der Bundesregierung gemeldet. Hat die Bundesregierung Vorschläge, dieses Verfahren zu verbessern?
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Neumann, ich will noch einmal sagen, daß die Bundesregierung der Auffassung ist, daß die Bundesländer in den Entwicklungsländern keine Projekte durchführen sollten, weil dies auch einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand in der Abstimmung erfordert. Wir sind der Auffassung — diese wird auch von den Ministerpräsidenten bestätigt —, daß die Tätigkeit im Ausland Sache des Bundes ist.
Keine weiteren Zusatzfragen? — Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Ich begrüße dazu Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Haehser.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981 2535
Vizepräsident LeberIch rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dörflinger auf:Ist die Bundesregierung bereit anzuerkennen, daß die erhöhte Absetzung nach § 82g EStG von 10 v. H. für zehn Jahre für Gebäude in einem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet ein wesentlicher Anreiz für Wohnungsmodernisierung darstellt, und daß die Gefahr besteht, daß andernfalls die Durchführung von solchen Maßnahmen zum Erliegen kommt, wenn einmal kein steuerlicher Anreiz mehr besteht?Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident, wenn der Herr Abgeordnete einverstanden ist, würde ich gerne seine beiden Fragen zusammen beantworten.
Der Herr Abgeordnete nickt zustimmend.
Ich rufe auch die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dörflinger auf:
Ist angesichts dieser Zusammenhänge die Bundesregierung bereit, die oben genannte Möglichkeit der erhöhten Absetzung auch über den 1. Juli 1983 hinaus zu gewähren und damit die Ablauffrist der erhöhten Absetzung — wie schon einmal geschehen — wieder zu verlängern?
Bitte sehr.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung hat mit der Einführung der Regelung des § 82g des Einkommensteuergesetzes bezweckt, steuerliche Anreize für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen bei Gebäuden zu schaffen, die in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet liegen. Sie geht davon aus, daß die steuerlichen Vergünstigungen auch in Anspruch genommen werden und damit die angestrebte Förderung erreicht wird. Mangels statistischer Unterlagen ist es der Bundesregierung aber nicht möglich, die Wirksamkeit des § 82 g zuverlässig zu belegen.
Ich kann mir vorstellen, daß wegen der steigenden Attraktivität der vor allem in Ballungszentren gelegenen Grundstücke eine Situation eingetreten ist, die die Überprüfung dieser Steuervergünstigung des § 82 g rechtfertigen könnte. Die Lage der öffentlichen Haushalte erfordert jedenfalls — wohl auch nach Ihrem Verständnis — eine eingehende Überprüfung aller Subventionen. In diese Prüfung sind auch die erhöhten Absetzungen nach dem mehrfach zitierten Paragraphen einzubeziehen. Heute indessen sieht die Bundesregierung keine Veranlassung zu entscheiden, ob eine Fortführung der Erleichterung nach dem § 82g über den 1. Juli 1983 hinaus zu treffen ist.
Zusatzfrage, Herr Kollege Dörflinger.
Herr Staatssekretär, sehen Sie Möglichkeiten, daß sich die Bundesregierung das statistische Material beschafft, um letztlich über die Wirksamkeit dieser steuerlichen Gesetzgebung endgültige Daten zu bekommen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dieses Material wäre durch engste Zusammenarbeit mit den Finanzämtern der Länder zu beschaffen, und das würde einen sehr großen Verwaltungsaufwand erfordern. Was ich versuchen werde — das sage ich Ihnen zu —, ist, gewissermaßen stichprobenweise die eine oder andere zusätzliche Erkenntnis zu gewinnen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Dörflinger.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit einzugestehen, daß — was die Zukunft dieses steuerlichen Paragraphen angeht — ein Schwebezustand dazu führen könnte, daß es in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten zu Schwierigkeiten in der Abwicklung bereits begonnener Maßnahmen kommt, und ist die Bundesregierung — daraus resultierend — bereit, das Problem nicht zu verschieben, sondern zügig anzugehen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung ist bereit zuzugestehen, daß ein Schwebezustand zu den Folgen führen könnte, die Sie befürchten. Aber einen solchen Schwebezustand haben wir nicht; vielmehr weiß jedermann, wie lange das Gesetz gilt: nämlich bis zum 1. Juli 1983.
Keine weiteren Zusatzfragen? — Dann rufe ich Frage 15 des Herrn Abgeordneten Poß auf:
Wie gedenkt die Bundesregierung die Lücke zu schließen, die es privaten Anlegern ermöglicht, Gelder ohne steuerliche Abgabepflichten auf sogenannten Treuhandkonten in der Schweiz zu investieren?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Poß, Geldanlagen, die über Treuhandkonten in der Schweiz abgewickelt werden, sind nach deutschem Steuerrecht nicht anders zu behandeln als Direktinvestitionen im Namen des Steuerpflichtigen selbst. Die Einkünfte aus den Geldanlagen sind dem Anleger als dem Treugeber nach § 39 der Abgabenordnung unmittelbar zuzurechnen. Soweit ein deutscher Steueranspruch nach dem Einkommensteuergesetz besteht, wird er durch das mit der Schweiz getroffene Doppelbesteuerungsabkommen nicht eingeschränkt.
Nach Schweizer Steuerrecht setzt die dortige Verrechnungssteuer von 35 % nicht ein, da die Anlage der Gelder zumeist im Ausland, insbesondere auf dem Euro-Dollar-Markt, durch schweizerische Bankinstitute treuhänderisch für ausländische Kunden erfolgt. Ob die Schweiz eine sogenannte Bankenkundensteuer einführen und damit Gelder besteuern soll, die nicht in der Schweiz erwirtschaftet wurden, wird dort zur Zeit diskutiert. Die deutschen Einflußmöglichkeiten sind beschränkt, da Besteuerungslücken nur durch Steuerhinterziehung zu Lasten des deutschen Fiskus eintreten können, es sich im übrigen aber um ein innerstaatliches Problem der Schweiz handelt.
Bei der von Ihnen erwähnten Besteuerungslücke handelt es sich also aus deutscher Sicht nicht um ein rechtliches, sondern um ein tatsächliches Problem, das bei allen gegenüber den Steuerbehörden nicht offengelegten Geldanlagen existiert.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Poß.
Herr Staatssekretär, haben Sie Informationen darüber, daß sich schon ganze Berufszweige darauf spezialisiert haben, wie man durch die Maschen der Steuergesetze schlüpfen kann, und
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2536 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981
Poßzwar so, daß man nicht von Steuerhinterziehung sprechen kann?Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Informationen, daß sich ganze Berufszweige darauf spezialisiert haben, habe ich nicht. Aber ich nutze die Gelegenheit, wie ich sie schon öfter genutzt habe, bei einer solchen Fragestunde, a) dem pflichtbewußten deutschen Steuerzahler zu danken und b) denjenigen, die sich ihrer Pflicht der Gesamtheit unseres Volkes gegenüber nicht bewußt sind, zu sagen, daß es mehr ist als ein leichtes Vergehen, Steuern zu hinterziehen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Poß.
Herr Staatssekretär, sehen Sie die Möglichkeit, bei den Banken ein Selbstbeschränkungsabkommen nach Schweizer Vorbild anzuregen, das Geschäftspraktiken regelt, die nicht gerade strafrechtlich relevant sind, gleichwohl als verpönt bezeichnet werden, weil sie geeignet sind, dem eigenen guten Ruf zu schaden?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung wird diese Frage überprüfen. Nach den heutigen Zeitungsmeldungen, Herr Kollege Poß, ist j a die Aussicht darauf, daß die Schweiz selber Maßnahmen ergreift, recht groß. Es war eine ganze Zeitlang vermutet worden, daß die Schweiz das Thema der Quellensteuer nicht weiter verfolgen würde. Jetzt aber — wir lesen das heute in der „Süddeutschen Zeitung" und auch in der „Allgemeinen Zeitung" — besteht der Eindruck, daß die Schweiz das Problem gewissermaßen vor Ort verfolgen wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Voss.
Herr Staatssekretär, vermögen Sie mir darzutun, worin der Unterschied besteht, ob die von dem Kollegen Poß angesprochene Anlage auf einem schweizerischen, auf einem deutschen oder auf einem sonstigen Treuhandkonto vorgenommen wird?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Bei einem deutschen Konto wird man j a dann, wenn der Steuerberater kommt, es sehr viel schwerer haben, zu sagen, daß man es nicht hat. Darin mindestens liegt ein Unterschied.
Keine weiteren Zusatzfragen. Die Frage 15 ist beantwortet.
Ich rufe auf die Frage 16 des Abgeordneten Weinhofer:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Anordnung von Auslandsdienstreisen für zivile Arbeitnehmer der CLG/LSU einzeln oder in Gruppen des Einverständnisses der betroffenen Arbeitnehmer bedarf, und wenn j a, wie kann sie dieser Auffassung Geltung verschaffen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Weinhofer, nach Meinung der Bundesregierung bedarf es grundsätzlich eines besonderen Einverständnisses eines zivilen Arbeitnehmers bei den Dienst- und
Arbeitsgruppen der US-Streitkräfte, wenn für sie eine Auslandsreise angeordnet wird.
Die US-Streitkräfte unterhalten außer in der Bundesrepublik Deutschland auch in anderen westeuropäischen Staaten Truppen oder militärische Einrichtungen, die dem Hauptquartier in Heidelberg unterstehen. Zu den Aufgaben der Beschäftigten bei den US-Streitkräften gehört es daher auch, Dienstgeschäfte bei den außerhalb des Bundesgebietes gelegenen Standorten in Westeuropa durchzuführen. Der Tarifvertrag vom 16. 12. 1966 für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland enthält dementsprechend Vorschriften über Auslandsdienstreisen. Soweit ein Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Art der Beschäftigung eindeutig nur auf einen bestimmten Beschäftigungsort im Inland bezogen ist, erklärt ein Arbeitnehmer, der eine Tätigkeit bei den US-Streitkräften aufnimmt, damit auch sein Einverständnis zur Durchführung der im Rahmen seines Arbeitsauftrags anfallenden notwendigen Dienstreisen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Weinhofer.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß auf Grund der Arbeitsverträge eine Auslandsdienstreise nicht erzwungen werden kann?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Auf Grund der Arbeitsverträge ist das Absolvieren von Auslandsdienstreisen gewissermaßen eine Selbstverständlichkeit. Würden Sie mich gefragt haben, ob ich es für nützlich halten würde, daß der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer darüber redet, ob eine solche Dienstreise notwendig ist oder nicht, dann hätte ich Ihnen gesagt, ich würde es für nützlich halten.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe auf die Frage 17 des Abgeordneten Dr. Voss:
Ist es zutreffend, daß sich die öffentliche Hand allein im ersten Quartal 1981 für rund 10 Milliarden DM im Ausland zusätzlich verschuldet hat, und wie hat sich bejahendenfalls diese Verschuldungstendenz in den beiden ersten Monaten des zweiten Quartals fortgesetzt?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Voss, Angaben über das Volumen der Kreditaufnahme der gesamten öffentlichen Hand im Ausland liegen für das erste Quartal 1981 nicht vor. Die Kreditaufnahme des Bundes im Ausland betrug im ersten Quartal 1981 insgesamt 8,8 Milliarden DM. Im April und Mal hat der Bund Kredite für 4,3 Milliarden DM im Ausland aufgenommen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Voss.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob Ihnen die Rede des Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank, die er meiner Erinnerung nach am 10. April in Bremen vor dem Beamtenbund gehalten hat, nicht bekannt ist, in der er gesagt hat, daß im ersten Quartal von der öffentlichen
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981 2537
Dr. VossHand insgesamt ungefähr 10 Milliarden DM aufgenommen worden sind.Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich lese die Reden von Präsidenten und Vizepräsidenten, soweit es meine Zeit erlaubt. Diese Rede habe ich zu meinem Bedauern nicht gelesen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Voss.
Herr Staatssekretär, vermögen Sie mir etwas darüber zu sagen, wie sich die weitere Auslandsverschuldung, die Sie für das erste Quartal mit rund 8 Milliarden DM angegeben haben, weiterentwickeln wird, insbesondere, wenn man sich einmal den Gesamtablauf des Jahres 1981 vornimmt?
Ich bin nicht sicher, ob Ihre Frage im Sachzusammenhang mit der ersten Frage steht. Dort fragen Sie konkret, wie das im ersten Quartal war. Jetzt wollen Sie wissen, wie es in der zweiten Hälfte dieses Jahres sein wird. Wenn der Herr Staatssekretär diese Frage beantworten will, bin ich einverstanden.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, wenn der Herr Kollege Dr. Voss einverstanden ist, würde ich gerne die nächste Frage beantworten. Denn es gibt ja, was die Entwicklung der Kreditaufnahme im Ausland im weiteren Verlauf angeht, zweifellos einen Zusammenhang mit der zweiten Frage, wo ich auf die Leistungsbilanz und Zahlungsbilanz zu sprechen kommen will.
Sie sind einverstanden, Herr Kollege Dr. Voss. Ihrem Fragebedürfnis wird damit Rechnung getragen. Ich rufe also die Frage 18 auf:
Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß die Verschuldung des ersten Quartals bei rund 10 v. H. Zinsen und einer Laufzeit von 10 Jahren bedeutet, daß innerhalb von 10 Jahren hierfür 10 Milliarden DM an Zinsen an das Ausland zu zahlen sind, und daß diese Zahlung im Gegensatz zu Zinszahlungen im Inland ein endgültiger Verlust an nationalem Realeinkommen ist?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die reale Belastung künftiger Zahlungsbilanzen durch Zinszahlungen an das Ausland ist Folge unseres Leistungsbilanzdefizits, das zum Teil durch öffentliche oder private Kreditaufnahmen im Ausland finanziert wird. Diese Belastung tritt unabhängig davon ein, ob das Defizit durch öffentliche oder private Kreditaufnahme oder durch Abbau von Währungsreserven im Ausland finanziert wird. In dem Maße, wie private Kapitalimporte zum Ausgleich der Zahlungsbilanz beitragen, kann der Bund seine eigenen Kreditaufnahmen im Ausland einschränken. — Hier habe ich den Zusammenhang zu Ihrer ersten Frage gesehen.
Nur durch einen Abbau des Leistungsbilanzdefizits, den Bundesregierung und Bundesbank anstreben, können weitere Belastungen künftiger Zahlungsbilanzen verringert werden. Ein „endgültiger Verlust an nationalem Realeinkommen", wie Sie das nennen, durch Zinszahlungen an das Ausland kann sich insoweit ergeben, als diese Zahlungen von den Geldanlegern zum Erwerb deutscher Waren und
Dienstleistungen verwendet werden. Solange die Zinszahlungen jedoch am deutschen Kapitalmarkt wieder angelegt werden, tritt dieser Verlust nicht ein.
Nun muß ich, Herr Kollege Voss, noch auf drei Zahlen in Ihrer Frage Nr. 18 zu sprechen kommen. Ich kann die Zahlen, die dort genannt sind, nicht rundheraus bestätigen, nämlich daß es sich bei den Krediten um solche mit einer Laufzeit von zehn Jahren und um solche mit einem Zinssatz von rund 10 % handele und daß dadurch Belastungen von 10 Milliarden entstünden. Dreimal 10 ist dreimal nicht richtig.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Voss.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie wieder fragen — aber das nur als ersten Teil meiner Frage —, ob Ihnen die Rede des Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank bekannt ist? In dieser Rede werden die Zahlen genannt.
Aber zu meiner ersten Frage möchte ich noch einmal zurückkommen. Sie haben bisher nicht die Frage beantwortet, wie diese Verschuldung, die im ersten Quartal dieses Jahres von Ihnen mit mehr als 8 Milliarden DM Auslandsverschuldung qualifiziert worden ist, sich inzwischen fortgesetzt hat. Wir haben ja inzwischen schon das zweite Quartal hinter uns.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich bin nicht sicher, ob Sie mir aufmerksam zugehört haben — was nicht Ihre Pflicht wäre, mir aufmerksam zuzuhören.
Aber ich hatte von April und Mai gesprochen, und April und Mai sind Monate des zweiten Quartals, Herr Kollege Voss.
Nun, ich habe Ihnen vorhin schon sagen dürfen, daß ich die Rede des Vizepräsidenten nicht gelesen habe. Aber es wird mein erstes Tun gewissermaßen sein, wenn ich am späten Abend heute abend meine letzten Dienstgeschäfte erledigt habe, mir diese Rede vorzunehmen.
Für die heutige Fragestunde will ich Ihnen doch noch einmal sagen, daß es eben darauf ankommt, wie sich das Leistungsbilanzdefizit weiter entwikkelt, ob es gesenkt werden kann — wofür es ja Anzeichen gibt — und was die Kreditaufnahme im Ausland dazu beitragen kann.
Die zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Voss.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß Kreditaufnahmen im Ausland nur sehr kurzfristig eine Entlastung des Leistungsbilanzdefizits darstellen können, daß aber, auf die Länge gesehen, eine Belastung dieser Bilanz zu verzeichnen ist?Haehser, Parl. Staatssekretär: Es würde zu sehr weiten Debatten führen, Herr Kollege Dr. Voss,
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2538 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981
Parl. Staatssekretär Haehserwenn ich da einfach mit Ihnen übereinstimmte. Es kommt darauf an, was das Ausland mit den Zinsen anfängt, die es auf Grund an uns gelieferter Kredite erhält. Wenn das Ausland bei uns Waren bestellt — oder nicht bestellt —, dann hat das Beziehungen zum Leistungsbilanzdefizit, die hier zu erörtern den Rahmen der Fragestunde sicher sprengen würde.
Herr Kollege Voss, Sie haben zwei Fragen gehabt.
— Nein, Ihre Fragen sind erschöpft. Die können Sie nicht übertragen. Sie haben zu Frage 18 zwei Zusatzfragen gestellt.
— Nein, die sind getrennt beantwortet worden. Frage 17 ist erledigt. Ich habe dann die Frage 18 aufgerufen. Dazu haben Sie zwei Zusatzfragen gestellt. Die stehen Ihnen nach der Geschäftsordnung zu. Ich kann Ihnen das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage nicht geben. Aber Sie finden sicher einen Weg, Ihre Frage loszuwerden, wenn Sie das vorhaben.
Frau Kollegin Hellwig zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, die drei Zahlen, jeweils 10, träfen nicht zu; Sie haben aber nicht gesagt, wie die Zahlen tatsächlich lauten. Deswegen meine Frage: Zu welchem Zinssatz und mit welcher Laufzeit sind die 8,8 Milliarden DM aufgenommen worden?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Sie sind mit einem Zinssatz aufgenommen worden, der unter 10 % liegt. Deswegen stimmt die Zahl 10 nicht.
— Ich nenne den Zinssatz hier aus ganz bestimmten Gründen nicht gerne. Wenn Sie mit mir ein Weilchen nachdenken, wissen Sie auch sofort, weswegen.
Zweitens sind sie mit einer Laufzeit von etwas unter fünf Jahren aufgenommen worden.
Herr Kollege Jäger , eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Sie die Verbesserung der Situation im Zusammenhang mit dem Leistungsbilanzdefizit als eine der wichtigsten Aufgaben zur Bekämpfung der wachsenden Auslandsverschuldung bezeichnet haben, möchte ich die Frage stellen, ob die Bundesregierung dazu nicht eigentlich durch eine grundlegende Änderung ihrer Steuerpolitik bzw. der entsprechenden Gesetzgebung beitragen müßte, die der Wirtschaft immer neue Verwaltungsaufgaben aufbürdet und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich denke, Herr Kollege Jäger, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft war zu keiner Zeit in Frage gestellt. Das beweisen ja auch die großen Erfolge der Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, nicht zuletzt übrigens auch der Überschuß, der im letzten Quartal auf diesem Gebiet wieder erzielt worden ist.
Keine weiteren Zusatzfragen. — Die Fragen 19 und 20 des Abgeordneten Hoffie werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 21 des Abgeordneten Fellner ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Hansen auf:
Wie weit sind die von der Bundesregierung im April 1981 angekündigten Prüfungen der zuständigen Landesfinanzbehörde im Fall der OTRAG gediehen, ob geltend gemachte Verlustzuweisungen ab 1. Januar 1980 nach § 15a EStG in Verbindung mit der Übergangsregelung aus Rechtsgründen beim Gesellschafter vom Ausgleich mit anderen Einkünften ausgeschlossen sind?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hansen, wie Ihnen schon mein Kollege Grüner in seiner Antwort vom 9. April 1981 mitgeteilt hat, werden durch den neuen § 15a des Einkommensteuergesetzes die Betätigungsmöglichkeiten von Gesellschaften eingeschränkt, die wie die OTRAG als Verlustzuweisungsgesellschaften konzipiert waren. Die Frage, ob solchen Verlustzuweisungsgesellschaften nach dem 31. Dezember 1979 Verluste zugewiesen werden können, ist nach einer Übergangsregelung zu entscheiden. Für die Anwendung dieser Übergangsregelung ist auch von Bedeutung, ob der Betrieb des Unternehmens nach dem 31. Dezember 1979 umgestellt oder erweitert worden ist. Ob es sich um eine Erweiterung oder Umstellung in diesem Sinne handelt, hat die zuständige Landesfinanzbehörde zu prüfen.
Ich verstehe, Herr Kollege, Ihr Interesse daran, über die Überprüfung im einzelnen unterrichtet zu werden. Die Bundesregierung ist jedoch durch das in § 30 der Abgabenordnung verankerte Steuergeheimnis daran gehindert, Auskünfte über die steuerlichen Verhältnisse einzelner Steuerpflichtiger zu erteilen. Ich sehe mich deshalb nicht in der Lage, über die bereits in der Antwort von Herrn Grüner vom 9. April 1981 enthaltenen allgemeinen Ausführungen hinaus weitere Angaben zu machen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hansen, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, können Sie dann auch nicht sagen, ob die Verlustzuweisungen für das Jahr 1980 ähnlich hoch waren wie die ja öffentlich bekanntgewordene Verlustzuweisung für die OTRAG-Gesellschaft aus dem Jahre 1979 in Höhe von immerhin 240 %?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hansen, ich kann Ihnen auch das aus den genannten Gründen nicht sagen. Ich will Ihnen aber doch einen Tip geben: Mit Zustimmung des Betroffenen bin ich in der Lage, Ihnen alle Auskünfte zu geben, die Sie begehren.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Hansen.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß es vor dem Hintergrund, daß diese Gesellschaft die Entwicklung von Raketenwaffen betreibt, ausreicht — wie das der Regierungssprecher Rühl vor einigen Wochen getan hat —, an das Gewissen der deutschen Staatsbürger zu appellieren, die Einlagen in diese Verlustgesellschaften vornehmen, oder ist es nicht erforderlich, an das Verantwortungsgefühl der bayerischen Finanzbehörden zu appellieren, um hier Überprüfungen vorzunehmen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Dieser Appell des Regierungssprechers ist sicher ein wichtiger Vorgang. Aber noch wichtiger war das, was wir auf dem Gebiet der Gesetzgebung getan haben, nämlich dieses Unwesen der Verlustzuweisungsgesellschaften zu beenden — mit den leider notwendig gewesenen Ausnahmen, über die wir uns hier unterhalten.
Wird das Wort zu weiteren Zusatzfragen gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich begrüße zur Beantwortung Frau Parlamentarische Staatssekretärin Fuchs.
Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Kirschner auf:
Ist die bundesweite Fragebogenaktion des Instituts der Deutschen Wirtschaft und der Arbeitgeberverbände, mit der unter anderem die parteipolitische Zugehörigkeit der demokratisch gewählten Betriebsratsvorsitzenden festgestellt werden soll, mit öffentlichen Mitteln des Bundes gefördert worden, und wenn ja, welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Ergebnisse dieser Aktion vor?
Ich möchte die Fragen 23 und 24 gern gemeinsam beantworten.
Der Fragesteller bekundet Zustimmung. Dann rufe ich auch die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Kirschner auf:
Ist — falls die Fragebogenaktion der Arbeitgeber mit Bundesmitteln gefördert wurde — geprüft worden, ob sie mit dem Betriebsverfassungsgesetz vereinbar ist, wonach „Arbeitgeber und Betriebsrat unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammenarbeiten", und wenn ja, mit welchem Ergebnis, und welche Auffassung vertritt die Bundesregierung dazu?
Bitte sehr.
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Die Fragebogenaktion des Instituts der Deutschen Wirtschaft wird nicht mit öffentlichen Mitteln des Bundes gefördert. Es bestand daher für die Bundesregierung keine Veranlassung zu prüfen, ob die Erhebung mit betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar ist. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Ergebnisse dieser Aktion vor.
Eine Zusatzfrage, bitte sehr, Herr Kollege Kirschner.
Frau Staatssekretärin, besteht auch keine indirekte finanzielle Förderung durch Absetzungsmöglichkeit bzw. durch die Möglichkeit der Geltendmachung von Unkosten im Zusammenhang mit dieser Fragebogenaktion?
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Selbst wenn es so etwas gäbe, wäre dies für uns keine Veranlassung zu überprüfen, ob diese Erhebung unter Beachtung betriebsverfassungsrechtlicher Grundsätze durchgeführt worden ist.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Kirschner.
Frau Staatssekretärin, hält die Bundesregierung die Umfrageaktion des Instituts der Deutschen Wirtschaft für mit dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgebern vereinbar?
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Dies ist eine wichtige Frage, Herr Abgeordneter, wieweit die Umfrage mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Grundsatz einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zu vereinbaren ist. Ich kenne die Besorgnis, die hinter Ihrer Frage steht. Die Bundesregierung würde es sehr bedauern, wenn durch eine solche Fragebogenaktion die betriebsverfassungsrechtlich gebotene vertrauensvolle Zusammenarbeit gestört würde.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Kirschner.
Frau Staatssekretärin, hält die Bundesregierung diese Fragebogenaktion für mit den Grundsätzen des Arbeitsvertragsrechts vereinbar, wenn der Arbeitgeber in der Fragebogenaktion Angaben über die parteipolitische Zugehörigkeit von Betriebsratsmitgliedern gegenüber dem Institut der Deutschen Wirtschaft macht?
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Unter rechtlichen Gesichtspunkten darf der Arbeitgeber nicht nach der Parteizugehörigkeit der Arbeitnehmer fragen. Das ergibt sich daraus, daß die Parteizugehörigkeit, abgesehen von Tendenzbetrieben, für das Arbeitsverhältnis j a keine Bedeutung haben kann. Von daher darf der Arbeitgeber auch für Betriebsratsfragebögen die Parteizugehörigkeit nicht erfragen.
Zu einer vierten Zusatzfrage, Herr Kollege Kirschner.
Frau Staatssekretärin, hält die Bundesregierung diese Fragebogenaktion für mit den Bestimmungen des Datenschutzes vereinbar?Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Soweit wir diese Frage überprüft haben, Herr Abgeordneter, haben wir festgestellt, daß diese Fragebogenaktion insgesamt anonymisiert durchgeführt worden ist. Wir haben auch keine Erkenntnisse darüber, daß sie gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen haben.Mein Eindruck ist, daß wir nicht über eine rechtliche Überprüfung, sondern durch Gespräche sowohl mit den Arbeitgeberverbänden als auch mit den Gewerkschaften dafür sorgen müssen, daß derartige Fragebogenaktionen nicht die vertrauensvolle Zu-
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2540 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981
Parl. Staatssekretär Frau Fuchssammenarbeit in den Betrieben stören und auch nicht dazu führen, daß sich ein Unmut über Schnüffeleien in den Betrieben breitmacht.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Auch.
Frau Staatssekretärin, ist der Bundesregierung bekannt, in wievielen Betrieben diese Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft durchgeführt wurde?
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Nein, das ist uns nicht bekannt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Auch.
Frau Staatssekretärin, können Sie diese Zahlen in Erfahrung bringen?
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen das im Moment nicht sagen, Herr Abgeordneter. Ich bin aber gern bereit, das zu überprüfen. Wenn es mir möglich ist, bin ich gern bereit, Ihnen die Zahlen zu übermitteln.
Keine weiteren Zusatzfragen. Wir kommen zur Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig. Der Fragesteller hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz auf:
Ist die Bundesregierung bereit, an der vollen Übernahme der Krankheitskosten der nicht mehr erwerbstätigen Landwirte auf den Bundeshaushalt als einer agrarpolitisch erforderlichen einkommenswirksamen Entlastung der aktiven Landwirte als vertragliche Grundlage zur Einführung einer gesetzlichen Pflichtversicherung für die Landwirte auch weiterhin festzuhalten?
Bitte sehr, Frau Staatssekretär.
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, der Entwurf eines Rentenanpassungsgesetzes 1982, der dem Deutschen Bundestag als Drucksache 9/458 zur Beratung vorliegt, sieht mit der Neuregelung des § 63 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte vor, daß der Bund auch weiterhin grundsätzlich die nicht gedeckten Aufwendungen für die Krankenversicherung der Altenteiler durch Zuschüsse trägt. Gegenüber der bisherigen Rechtslage tritt insofern eine Änderung ein, als Altenteiler ab 1. Januar 1983 aus den der Rente vergleichbaren Einnahmen, nämlich den Versorgungsbezügen, Krankenversicherungsbeiträge entrichten sollen. Dies ist aus Gründen sozialer Gerechtigkeit erforderlich, da auch alle Bezieher einer Rente der Arbeiter- oder Angestelltenversicherung sowie der knappschaftlichen Rentenversicherung Krankenversicherungsbeiträge von ihren Versorgungsbezügen zu entrichten haben und landwirtschaftliche Altenteiler nicht anders behandelt werden können. Das Beitragsaufkommen aus diesen Versorgungsbezügen der landwirtschaftlichen Altenteiler wird voraussichtlich 8 Millionen DM jährlich betragen. Um diesen Betrag werden sich die erforderlichen Bundeszuschüsse zur Deckung der Krankenversicherungsaufwendungen für diesen Personenkreis vermindern. Die Entlastung des Bundes ist aber geringfügig. Im Haushaltsplan 1981 sind 960 Millionen DM als Bundeszuschuß für die Krankenversicherung der Altenteiler eingesetzt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Horstmeier.
Frau Staatssekretärin, würden Sie den Grundsatz, den Sie eben aufgestellt haben, daß der Bund grundsätzlich bereit ist, die Kosten der Altenteilerkrankenversicherung zu tragen, auch mit der zu erwartenden Neuorientierung ab 1. Januar 1985 verbinden?
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat für den Zeitraum nach 1985 noch keine Entscheidungen getroffen, so daß ich zu einer Regelung für diesen Zeitraum heute auch keine Aussage machen kann.
Keine weiteren Zusatzfragen.Ich rufe Frage 27 des Abgeordneten Horstmeier auf:Ist sich die Bundesregierung der Auswirkung des § 598 Abs. 1 RVO auf die Zahlung aus der landwirtschaftlichen Unfallversicherung bewußt, die dazu führt, daß für eine Landwirtswitwe mit 2 und mehr Kindern nur 1 080 DM monatlich gezahlt werden können, und wenn ja, sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, eine Härteregelung für Witwen mit drei und mehr Kindern einzuführen?Hier bittet der Fragesteller um eine Berichtigung. In der Drucksache 9/589 ist eine falsche Zahl eingedruckt. Es muß dort statt 1 080 DM richtig 720 DM heißen.Zur Beantwortung, Frau Staatssekretärin, bitte.Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, nach § 598 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung ist die Summe der Hinterbliebenenrenten in der Unfallversicherung auf 80 % des Bruttoarbeitsverdienstes des verstorbenen Versicherten begrenzt. Damit ist grundsätzlich sichergestellt, daß nach dem Tode des Ernährers der hinterbliebene Ehegatte auch mit drei und mehr Kindern den bisherigen Lebensstandard unverändert beibehalten kann, zumal in der Landwirtschaft das Unternehmen in der Regel bestehenbleibt und eine zusätzliche Sicherung darstellt.Bei Landwirten wird der Rente jedoch nicht das tatsächliche Einkommen, sondern ein durchschnittlicher fiktiver Jahresarbeitsverdienst zugrunde gelegt. Der Ansatz eines Durchschnitts bringt mit sich, daß sich beim Vergleich der Hinterbliebenenrenten mit dem tatsächlichen Einkommen des Verstorbenen im Einzelfall Abweichungen ergeben. Die in Ihrem Beispielsfall angesprochene Höhe einer Hinterbliebenenrente ist also nicht Folge der Begrenzungsregelung in § 598 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung, sondern ergibt sich daraus, in welcher Höhe auf Grund des § 781 der Reichsversicherungsordnung ein durchschnittlicher Jahresarbeitsverdienst durch die Selbstverwaltung festgelegt wird.Die Bundesregierung sieht daher weder Anlaß noch Möglichkeit, für Fälle der von Ihnen genannten Art eine Härteregelung im Zusammenhang mit § 598 der Reichsversicherungsordnung einzufügen.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981 2541
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Horstmeier.
Frau Staatssekretärin, es geht j a um die Situation von Familien mit mehreren Kindern beim Todesfall des Ernährers. Bei niedrigen Jahresarbeitsverdienstbemessungsgrundlagen — wie hier in diesem Fall bei 10 800 DM — würde eine Familie mit 3 oder 4 Kindern j a nur 720 DM bekommen, also nicht einmal den Höchstsatz erreichen, weil man an die Jahresarbeitsverdienstbemessungsgrundlage von 10 800 DM gebunden ist. Müßte es nicht eine Handhabe geben, um in den Fällen, in denen die Jahresarbeitsverdienstbemessungsgrundlage niedrig ist, den Prozentsatz zu erhöhen?
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Die Selbstverwaltung hat, soweit ich weiß, in den letzten Monaten auch die Jahresarbeitsverdienstgrenze erhöht. Dieses ist Aufgabe der Selbstverwaltung. Hier können wir mit gesetzlichen Maßnahmen nicht eingreifen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung beantwortet. Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Zur Beantwortung begrüße ich den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Penner.
Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Lowack auf:
Hält die Bundesregierung einen Bundesverteidigungsminister für tragbar, der gemäß einem Interview mit der Zeitschrift „Quick", Ausgabe vom 21. Mai 1981, auf Vorhalt seiner Äußerung, mit der Übernahme des Bundesverteidigungsministeriums habe für ihn „der ganze Salat begonnen" sich wörtlich äußert, „Ich bin auf die Hardthöhe gegangen, weil ich auf diesen Posten abkommandiert worden bin"?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, Ihre Frage gibt nur einen Teil der Außerung des Bundesministers der Verteidigung wieder. Ich zitiere darum vollständig:
Ich bin auf die Hardthöhe gegangen, weil ich auf diesen Posten abkommandiert worden bin. Ich werde auch künftig meine Pflicht tun, weil ich glaube: Politik geht auch innerhalb der SPD nicht ohne Disziplin. Das sollten manche jüngere und oft überkritische Parteimitglieder mal zur Kenntnis nehmen. Sicher gibt es einfachere Ministerien als meines. Aber ich fühle mich hier wohl, kenne die Probleme, und ich werde nicht weglaufen. Ich bleibe Verteidigungsminister.
Ihrer Frage zugrunde gelegte Zweifel stellen Sie sich daher nicht.
Zusatzfrage, Herr Kollege Lowack.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß trotzdem einzelne Sätze — sicher in einem Zusammenhang, aber doch mit einer sehr schwerwiegenden Äußerung —, die seine Einstellung wiedergeben, die Kampfmoral der Bundeswehr, deren Oberbefehlshaber der Verteidigungsminister ist, beeinträchtigen müssen?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Ich bin der Meinung, daß das Bekenntnis des Bundesverteidigungsministers zur Pflicht eine geeignete Voraussetzung zur Wahrnehmung dieses Amtes ist.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Jäger .
Herr Staatssekretär, wäre es aber nicht doch vorn Bundesverteidigungsminister klüger gewesen, Äußerungen wie die, die der Herr Kollege Lowack hier zitiert hat, in der Öffentlichkeit zu unterlassen, um bei der Bundeswehr nicht die vom Kollegen Lowack zu Recht befürchteten Wirkungen auszulösen, die sich bei einem jungen Soldaten beim Lesen eines solchen Interviews ergeben müssen?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die von Ihnen in Ihrer Frage zugrunde gelegten Unterstellungen teile ich nicht. Deshalb erübrigt sich eine weitere Antwort.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Damit entfällt auch die Beantwortung der Frage 30.
Ich rufe die Frage 31 der Frau Abgeordneten Schuchardt auf:
Wie begründet die Bundesregierung den Widerspruch, daß homosexuelle Männer zwar grundsätzlich wehrdienstfähig und vom längeren freiwilligen Dienst nicht auszuschließen sind, aber ihnen die Eignung zum Vorgesetzten abgesprochen wird, obwohl wissenschaftlich unumstritten ist, daß Homosexualität keine Krankheit, sondern ausschließlich eine Variante sexuellen Verhaltens ist?
Ich bitte Sie um Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Bundesregierung sieht in der Ihrer zugrunde liegenden Gegenüberstellung keinen Widerspruch. Beide Tatbestände sind insoweit nicht vergleichbar. Bei der Wehrdienstfähigkeit ist die Frage der Integrationsfähigkeit des Betreffenden von ausschlaggebender Bedeutung. Die Eignung zum Vorgesetzten orientiert sich auch daran, ob der Betreffende in dieser Funktion entsprechende Autorität ausüben kann. Letzteres wird bisher in Übereinstimmung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung verneint.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Schuchardt, bitte sehr.
Ich habe in diesem Zusammenhang eine praktische Frage. Wenn Homosexuelle bei der Bundeswehr insoweit diskriminiert werden, als sie keine Führungsposition haben können, wie groß beurteilen Sie dann eigentlich die Wahrscheinlichkeit, daß damit die Erpreßbarkeit von Soldaten, nämlich weil sie ihre Homosexualität verleugnen, auch eine Gefahr für die Sicherheit insgesamt sein kann?
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2542 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Die Frage der Erpreßbarkeit hat bei der Überprüfung der Eignung des Personenkreises als Vorgesetzter sicher eine Rolle gespielt. Ich habe mich in dieser Antwort darauf beschränkt, das Problem der Autorität anzusprechen.
Die zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin Schuchardt.
Dann möchte ich zur Autorität eine Frage anknüpfen. Worauf gründet sich denn die Vermutung, homosexuelle Soldaten oder Vorgesetzte hätten keine Autorität?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Sie gründet sich — Frau Kollegin Schuchardt, das wird Sie nicht besonders überzeugen — auf einer gewissen Lebenserfahrung.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hansen.
Herr Staatssekretär, muß ich Ihrer letzten Antwort nicht entnehmen, daß Homosexuelle in der Bundeswehr trotz Ihres anfangs geleugneten Widerspruchs in der Frage der Frau Kollegin nicht doch in der Praxis auf Grund ihres homosexuellen Verhaltens oder des Bekenntnisses zu ihrer Homosexualität diskriminiert werden?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Nein!
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Herberholz.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden: Hängt die Fähigkeit zur Darstellung von Autorität vom sexuellen Verhalten des Individuums ab?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: So wollte ich nicht verstanden werden. Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist das Bekanntwerden eines bestimmten sexuellen Verhaltens.
Keine weiteren Zusatzfragen.
— Frau Kollegin Schuchardt, Sie haben zu Ihrer Frage zwei Fragen gehabt. Aber Sie sind ja mit der nächsten Frage wieder an der Reihe.
Ich rufe die Frage 32 der Frau Abgeordneten Schuchardt auf.
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß dies mit der Reform des § 175 von 1969 und 1973 nicht zu vereinbaren ist?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Die Reformen des § 175 StGB haben für die Frage, ob sich homosexuelle Soldaten zum Vorgesetzten eignen, keine unmittelbare Bedeutung. Die Eignung zum Vorgesetzten kann nämlich auch dann verneint werden, wenn weder eine Straftat noch ein disziplinares Fehlverhalten vorliegt.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Schuchardt.
Da Sie, wenn ich Sie richtig verstanden habe, diese Vorschrift als nichtdiskriminierend bezeichnet haben, so frage ich Sie doch noch einmal nach der Autorität. Verführt nicht die Gefahr des Bekanntwerdens den Betroffenen zur Heuchelei? Sind Sie nicht der Auffassung, daß Menschen, die zur Heuchelei neigen, als erste keine Autorität mehr haben können?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Schwierigkeiten, in denen sich der angesprochene Personenkreis befindet, sind hinreichend bekannt. Ich habe auch in meiner ersten Antwort zum Ausdruck gebracht, daß es bisher nicht möglich erschienen ist, auf die geschilderten Kautelen zu verzichten. Es kann sein, daß die gesellschaftliche Entwicklung weitergeht.
Eine zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin Schuchardt.
Darf ich daraus schließen, daß eine gewisse Chance besteht, den Meinungsbildungsprozeß im Verteidigungsministerium in diesem Sinne voranzutreiben?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Ich glaube nicht, daß es sich um eine Frage der Meinungsbildung im Bundesverteidigungsministerium handelt; jedenfalls würde ich die Entwicklung nicht auf dieses Haus beschränken wollen. Ich glaube, es handelt sich um einen Meinungsbildungsprozeß der Gesamtgesellschaft.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hansen.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihren Antworten schließen, daß Sie jetzt heterosexuelle Bundeswehrangehörige, die sich einer ganz besonders aktiven Promiskuität befleißigen, zum Beispiel mit den Ehefrauen anderer Bundeswehrangehöriger, gleichwohl für Vorgesetztenposten für geeignet halten?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Ihrer Frage liegen Unterstellungen zugrunde, die es mir nicht geraten erscheinen lassen, darauf zu antworten.
Herr Kollege Herberholz.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, nur bei Bekanntwerden eines bestimmten sexuellen Verhaltens verliere man die Fähigkeit zur Ausübung von Autorität. Kann ich denn davon ausgehen, daß durch dem BMVg nicht bekanntes sexuelles Verhalten, grundsätzlich — was diesen Bereich angeht — die Fähigkeit zur Ausübung von Autorität gewährleistet ist? Wenn Sie das bestätigen:
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981 2543
HerberholzWie stellt das BMVg eigentlich sexuelles Verhalten fest, wenn man es nicht gerade mit einem Schild auf dem Rücken trägt? Ich habe da etwas Verständnisschwierigkeiten, wie Sie sexuelles Verhalten in diesem Bereich gesichert feststellen wollen.Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das war praktisch schon ein Debattenbeitrag. Ich kann Ihnen versichern, daß sich das Bundesministerium der Verteidigung bei Angehörigen der Streitkräfte und auch sonst nicht nach den sexuellen Neigungen erkundigt.
Herr Kollege Löffler zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Beurteilung des sexuellen Verhaltens, die j a für die Anerkennung der Autorität oder auch für den Bereich der Erpreßbarkeit ausschlaggebend ist, nicht durch Erlaß des Verteidigungsministeriums geregelt werden kann, sondern daß das ein gesamtgesellschaftlicher Problemkreis ist, der sich eben entwickeln muß oder sich nicht entwickelt?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Löffler, das deckt sich mit meiner Auffassung.
Herr Kollege Jäger zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung, daß die Bundeswehr bei der Gewinnung geeigneten Führungsnachwuchses zur Zeit ganz andere Sorgen drücken als die Auswirkungen der Reform des § 175 des Strafgesetzbuchs auf die Führungsfähigkeit von Soldaten?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, ich denke, daß es in diesem Fall nicht um die Reform des § 175 geht. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich der Meinung, daß es dem Parlament sehr wohl ansteht, von Zeit zu Zeit, wo es geeignet erscheint, Diskriminierungen für verschiedene Personengruppen auch sichtbar zu machen.
Das Wort zu weiteren Zusatzfragen zu Frage 32 wird nicht gewünscht.
Ich rufe die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Dr. Zumpfort auf. Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird nicht beantwortet. Das gleiche gilt für die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Dr. Zumpfort.
Dann rufe ich die Frage 35 der Frau Abgeordneten von Braun-Stützer auf:
Seit wann ist der Mönch-Verlag ausschließlicher Auftragnehmer für die Truppenzeitschriften „Heer", „Luftwaffe" und „Marine", und was sind die Gründe für die ausschließliche und ununterbrochene Auftragserteilung des Bundesverteidigungsministers an den Mönch-Verlag?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Am 14. Dezember 1973 schrieb das Bundesamt für Wehrtechnik und
Beschaffung erstmals den Verlagsauftrag für die Truppenzeitschriften „Heer", „Luftwaffe" und „Marine" aus. Die Zeitschriften lösten Divisions- und Korpszeitungen bzw. Luftwaffenzeitungen ab. Wirtschaftlichster Anbieter war der Mönch-Verlag, mit dem am 4. März 1974 der Vertrag abgeschlossen wurde. Da der Verlag in der Folgezeit die Preise beibehielt und die Auftragsausführung zu keinem Bedenken Anlaß bot, wurde von der Verlängerungsautomatik Gebrauch gemacht.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin von Braun-Stützer.
Sind in der Zwischenzeit, seit 1973, auch andere Angebote eingeholt worden?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Nein.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin von Braun-Stützer?
Dann rufe ich die Frage 36 der Frau Abgeordneten von Braun-Stützer auf:
Welche Verlage hatten sich wann und mit welchem Preisangebot ebenfalls um den Auftrag beworben, bzw. wo wurde der Auftrag noch ausgeschrieben?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: An der Ausschreibung vom 14. Dezember 1973 beteiligten sich 26 Firmen: 16 Firmen wurden vom BWB benannt, 10 Firmen meldete die Verbindungsstelle des Bundeswirtschaftsministeriums beim BWB. Eingegangen sind neun Angebote, davon zwei verspätet: 1. Mönch-Verlag, Waldesch; 2. Paulinus-Verlag, Trier; 3. OsangVerlag, Honnef; 4. Jahreszeiten-Verlag, Hamburg; 5. Kölnische Verlagsdruckerei, Köln;
6. P. Hug, Wilhelmshaven; 7. R. Müller, Köln. Verspätet gingen ein: 8. Hanseatische Druckereianstalt, Hamburg; 9. Markus-Verlag, Köln. Alle anderen Bewerber haben kein Angebot abgegeben. Wegen der Möglichkeit, Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation der Firmen zu ziehen, bitte ich Sie um Verständnis dafür, daß ich nicht auf damalige Preisangebote eingehe.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin von Braun-Stützer.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für völlig ausgeschlossen, daß die vorgesehene Auflagensteigerung der Truppenzeitschriften möglicherweise mit den erhöhten Anzeigenpreisen zusammenhängt und damit auch mit den Öffentlichkeitsetats der anzeigenden Rüstungsindustrie, die somit also völlig legal für eine Werbung in den Veröffentlichungen des Bundesministeriums
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2544 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981
Frau von Braun-Stützerfür Verteidigung mehr bezahlen kann und damit auch völlig legal möglicherweise für die Beraterverträge in diesem Bereich mehr bezahlen kann? Das ist ein Gerücht, das in der interessierten Öffentlichkeit gehandelt wird.Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Ich halte, losgelöst vom Einzelfall, solche Gedankengänge für möglich.
Eine zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin von Braun-Stützer.
Herr Staatssekretär, würden Sie persönlich und Ihr Haus meine Ansicht teilen, daß zu Zeiten von Sparmaßnahmen an der — um es so pauschal zusammenzufassen — Zukunft unserer Gesellschaft, beispielsweise im Bildungsbereich, solche Grauzonen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit des Verteidigungsministeriums gesamtgesellschaftlich außerordentlich bedenklich wirken müssen?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, der Haushaltsausschuß hat uns in diesem Bereich der Öffentlichkeitsarbeit bereits 300 000 DM genommen. Wir werden versuchen, mit dem geringeren Betrag von 800 000 DM zurechtzukommen.
Im übrigen ist heute im Verteidigungsausschuß eine Einigung darüber erzielt worden, daß über neuere Überlegungen, was die Truppenzeitschriften angeht, im September 1981 im Verteidigungsausschuß erneut beraten werden soll.
Inklusive eines Überdenkens des gesamten neuen Konzepts — —
Frau Kollegin, ich bitte um Entschuldigung; Sie haben nur zwei Zusatzfragen.
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, aus Gründen der Courtoisie — —
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie wollen Ihre erste Antwort verlängern?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Ja. — Aus Gründen der Courtoisie will ich Ihnen, Frau Kollegin, gern zusichern, daß auch daran gedacht ist, eine neue Ausschreibung für die geplanten Truppenzeitschriften durchzuführen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage der Abgeordnete Hansen.
Herr Staatssekretär, können Sie mit Sicherheit ausschließen, daß der Erfolg des Mönch-Verlages darauf zurückzuführen ist, daß der Mönch-Verlag Beraterverträge mit Angehörigen des Ministeriums oder vielleicht auch mit Angehörigen des Deutschen Bundestages hat oder zumindest eine sehr aktive Lobbyismustätigkeit in diesen Bereichen entfaltet hat, und wäre es nicht besser, auf dieses Produkt in Zukunft ganz zu verzichten?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hansen, Auskunft kann ich nur geben, was Beraterverträge mit Angehörigen der Bundesministerien angeht. Dazu ist ja auch eine Frage gestellt worden, zu deren Beantwortung es hier nicht kommt.
Nach unseren Erhebungen, die zugegebenermaßen wegen der Enge der Zeit noch mit einem gewissen Grad von Ungewißheit versehen sind, hat kein Angehöriger des Bundesverteidigungsministeriums einen Beratervertrag mit dem Mönch-Verlag. Eine entsprechende Umfrage bei den anderen Bundesministerien hat ebenfalls Negativanzeige ergeben.
Was die Frage des Lobbyismus innerhalb des Parlaments angeht, Herr Kollege Hansen, ist derjenige, der hier steht, überfragt.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, nachdem wir dieses Thema heute morgen im Verteidigungsausschuß besprochen haben, möchte ich Sie jetzt doch fragen, ob Sie bereit sind, in der Öffentlichkeit erstens meiner These zuzustimmen, daß wir solche Zeitschriften brauchen, und zweitens mitzuteilen, welche Mühe Sie und Ihre Kollegen im Ministerium sich machen können, um, obwohl es weniger Geld gibt, dafür zu sorgen, daß die Auflagenhöhe gesteigert und damit auch die Zahl der Leser vergrößert werden können?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Marx, ich kann bestätigen, daß wir heute in eine ähnliche Richtung argumentiert haben. Wir sind bemüht, die Voraussetzungen für eine gesicherte und hoffentlich bessere Entscheidung im Herbst zu schaffen, und es ist ebenso sichergestellt, daß dabei der Verteidigungsausschuß als Fachausschuß
nicht außen vor bleibt.
Ich habe den Eindruck, Fragesteller und Antwortender stehen in einer besonderen Harmonie zueinander.
Die Fragen 37 und 38 des Herrn Abgeordneten Peter werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Ich rufe Frage 39 des Herrn Abgeordneten Heyenn auf:Welche Gesprächspartner des Generalmajors a. D. Bastian und welche konkreten Handlungen in der „Art seines Vorgehens gegen die Brüsseler Beschlüsse" lassen nach Auffassung der Bundesregierung den Eindruck entstehen, Herr Bastian sei nunmehr „sicherheitspolitischer Kronzeuge" derjenigen Kräfte, die die Verteidigungspolitik der Bundesrepublik Deutschland schwächen wollen?Bitte sehr, Herr Staatssekretär.Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Um Ihre eigene Haltung zum sogenannten Doppelbeschluß zu untermauern, werden in der Sowjetunion und der DDR sowie von der DKP in ihrer Argumentation die Aktivitäten von Generalmajor a. D. Bastian benutzt. Da-
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981 2545
Parl. Staatssekretär Dr. Pennerbei werden der Dienstgrad und die frühere Dienststellung von Herrn Bastian betont.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Heyenn.
Herr Staatssekretär, steht nach Ansicht der Bundesregierung die öffentliche Kritik des Generalmajors a. D. Bastian an der offiziellen NATO-Strategie im Widerspruch zu den Bestimmungen des Soldatengesetzes?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Ich habe schon bei früherer Gelegenheit betonen können, daß nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse disziplinarrechtliche Tatbestände nicht erfüllt sind.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Heyenn.
Herr Staatssekretär, in einem in der „Frankfurter Rundschau" veröffentlichen Brief des Herrn Staatssekretärs Dr. Hiehle an den Herrn General Bastian heißt es, daß es bisher nicht zu einem Vorschlag zur Eröffnung eines Disziplinarverfahrens gekommen ist, weil bislang der Meinungsfreiheit Vorrang vor statusbedingten Pflichten eingeräumt worden sei. Beabsichtigen Sie, wenn sich das Verhalten des Generals a. D. Bastian nicht ändert, weiterhin der Meinungsfreiheit Vorrang einzuräumen?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Die Frage des großen Ranges der Meinungsfreiheit innerhalb unserer Rechts- und Verfassungsordnung stellt sich bei dem Verhalten des Generals Bastian nicht isoliert. Das Bundesministerium der Verteidigung wird sich bei möglichen Reaktionen auf das Verhalten von Herrn Bastian an unserer Rechtsordnung orientieren.
Eine Zusatzfrage Herr Kollege Thüsing.
Herr Staatssekretär, ist schon die Tatsache, daß ein Staatsbürger und Beamter außer Dienst mit seiner Auffassung in einer mißliebigen Zeitschrift oder bei einer mißliebigen politischen Gruppe unter dem j a nun richtigen und nicht bezweifelbaren Tatbestand, daß dieser Staatsbürger Beamter außer Dienst und Generalmajor a. D. ist, zitiert wird, in sich und an sich Anlaß, disziplinarrechtlich vorzugehen?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Zu den disziplinarrechtlichen Überlegungen habe ich vorhin schon geantwortet. Im übrigen darf ich, wenn das erlaubt ist, eine Korrektur anbringen. Es geht nicht allein um Zitate in, wie Sie sagen, mißliebigen Zeitschriften, sondern auch um Affinitäten.
Eine Zusatzfrage, Kollege Hansen.
Herr Staatssekretär, gibt es bei dem Disziplinarvorgesetzten Ihres Kollegen Hiehle dahin gehend Überlegungen, ein Disziplinarverfahren gegen diesen Staatssekretär zu eröffnen, weil das Schreiben, das er an den General Bastian gerichtet hat, in die Nähe des strafrechtlichen Tatbestandes der Nötigung gerät, wie das der Rechtsprofessor Klug in Köln neulich in einem Medium gesagt hat, und weil er auch unter Vernachlässigung der ihm aufgegebenen Fürsorgepflicht unzulässigen Druck auf einen ehemaligen Angehörigen der Bundeswehr ausgeübt hat?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hansen, die Meinungen von Herrn Professor Klug finden in der Bundesrepublik häufig mit Recht große Beachtung. In dieser Frage wird die Meinung von Professor Klug jedoch nicht von allen geteilt. Es besteht keinerlei Anlaß, gegen Herrn Staatssekretär Hiehle in der von Ihnen angedeuteten Form einzuschreiten.
Das Wort zu weiteren Zusatzfragen wird nicht gewünscht. Ich rufe Frage 40 des Herrn Abgeordneten Heyenn auf:
Welche Änderung seiner Verhaltensweise erwartet die Bundesregierung von Herrn Bastian, damit dieser ein disziplinargerichtliches Verfahren vermeidet?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Heyenn, die Bundesregierung erwartet, daß der Ruhestandssoldat sein Verhalten am geltenden Recht orientiert.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Heyenn.
Herr Staatssekretär, erwarten Sie von jedem Ruhestandsbeamten, daß er sich kritischer Äußerungen und Affinitäten zu mißliebigen Gesprächspartnern enthält, und drohen ihm bei Zuwiderhandlungen gegen diese Erwartungen Disziplinarverfahren?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Ich habe gesagt, was zu dem Verhalten von Herrn Bastian gesagt werden mußte. Wir haben nicht vor, über die sich aus dem gesetzten Rahmen des geltenden Rechts ergebenden Notwendigkeiten hinauszugehen. Das käme uns überhaupt nicht zu.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Heyenn.
Herr Staatssekretär, hat es in den vergangenen drei Jahren Briefe ähnlichen Inhalts an andere Ruhestandsbeamte der Bundeswehr gegeben?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Diese Frage kann ich jetzt nicht präzise beantworten.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Thüsing.
Herr Staatssekretär, ist es zur öffentlichen Meinungsbildung nicht sogar wünschenswert, daß sich wie in diesem Falle ein Ruhestandsbeamter in der öffentlichen Diskussion äußert und dort sein Fach- und Sachwissen einbringt, wo er Profi ist?
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2546 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Thüsing, Sie können davon ausgehen, daß das Grundrecht der freien Meinungsäußerung von der Bundesregierung — speziell auch vom Bundesverteidigungsministerium — ebenso ernst genommen wird wie von anderen in diesem Staat.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht.
Ich rufe die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Hansen auf:
Wie vereinbart sich der Disziplinierungsversuch des Verteidigungsministeriums gegenüber dem ehemaligen General Bastian, der für die Verminderung von nuklearem Waffenpotential in Europa durch öffentliche Meinungsäußerung eintritt, mit der Duldung der Geschäfte des ehemaligen Generalinspekteurs Wust, der aktiv und unter Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz das nukleare Potential im Nahen Osten für Rechnung der Firma OTRAG zu vermehren bemüht ist?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hansen, das Hinweisschreiben an Generalmajor a. D. Bastian richtet sich nicht gegen die Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß General a. D. Wust bemüht ist, das nukleare Potential im Nahen Osten zu vermehren.
Zusatzfrage, Herr Kollege Hansen.
Wird sich die Bundesregierung in gleicher Weise, wie sie die Tätigkeit von Herrn Bastian verfolgt, denn endlich mal klug machen, z. B. dadurch, daß sie Einblick in das Protokoll der Delta-Gruppe verlangt, vor der Herr Generalinspekteur a. D. Wust sehr ausführlich über seine Rüstungslobbyistentätigkeit in Saudi-Arabien in bezug auf den Vertrieb eines Raketensystems gesprochen hat, um dann entsprechende Disziplinarmaßnahmen gegen den ehemaligen Generalinspekteur Wust in viel höher gerechtfertigem Maße einzuleiten, als das in dem Drohbrief von Herrn Staatssekretär Hiehle gegenüber Herrn Bastian angekündigt war?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hansen, Sie werden verstehen, daß ich einige der Ihrer Frage zugrunde gelegten Unterstellungen nicht teilen kann. Ich sage Ihnen aber zu, daß wie in jedem anderen Falle, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für disziplinares Vorgehen gegeben erscheinen, die Bundesregierung weiß, was sie zu tun hat.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Hansen.
Darf ich also annehmen, daß Sie alle jetzt schon zugänglichen Quellen in bezug auf das Verhalten von Generalinspekteur a. D. Wust auswerten und würdigen werden und daß Sie ferner, um die wirtschaftliche Betätigung von ehemaligen Bundeswehrangehörigen in dieser Weise zu unterbinden, endlich die schon lange angekündigte Neufassung der Verordnung über die wirtschaftliche Betätigung von Bundeswehrangehörigen bald in Angriff nehmen werden?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Sie dürfen davon ausgehen, Herr Kollege Hansen, daß die Bundesregierung ihre Pflicht tut.
Herr Kollege Thüsing zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, für wie problematisch halten Sie eine Tätigkeit, wie sie hier in der Frage über Herrn Wust behauptet wird?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Thüsing, ich würde es nicht für richtig halten, über ungeklärte Sachverhalte Bewertungen abzugeben.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Marx.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die in der Frage 41 des Kollegen Hansen enthaltenen Behauptungen, der ehemalige Generalinspekteuer Wust gehe aktiv und unter Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz für Rechnung der Firma OTRAG vor?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Marx, ich habe vorhin zum Ausdruck gebracht, daß die der Fragestellung von Herrn Kollegen Hansen zugrunde gelegten Behauptungen von der Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht geteilt werden.
Herr Kollege Jäger zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es nicht ein etwas dürftiger Schutz, den die Bundesregierung auf Grund der ihr obliegenden Pflicht, auch ehemalige Offiziere vor Diskriminierung und persönlicher Diffamierung zu schützen, dadurch gewährt, daß Sie hier erklären, es gebe Unterstellungen, die nicht die Zustimmung der Bundesregierung finden könnten?
Dr. Penner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, Ihnen ist vielleicht ebenso wie mir bekannt, daß — nach meiner Erinnerung jedenfalls — wegen des einschlägigen Sachverhalts ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft München anhängig ist. Unter diesen Umständen erscheint die Wertung der Bundesregierung gerechtfertigt, schon allein um das Strafverfahren nicht zu präjudizieren.
Zu weiteren Zusatzfragen wird das Wort nicht gewünscht. Damit ist die Frage 41 beantwortet.Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der heutigen Fragestunde angelangt.Ich rufe die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung auf:2. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981 2547
Vizepräsident Leber
— Drucksache 9/570 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für WirtschaftAusschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO3. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung und des Krankenhausfinanzierungsgesetzes— Drucksache 9/571 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und GesundheitDas Wort zur Einbringung wird gewünscht. Bitte sehr, Herr Bundesminister Ehrenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf ist am 5. Juni im Bundesrat im ersten Durchgang beraten worden. Gestatten Sie mir, hier daran anzuknüpfen und — ebenso wie dort — darauf hinzuweisen, daß alle bisher vorliegenden Stellungnahmen und Äußerungen zu diesem Gesetzentwurf zeigen, daß es die Bundesregierung natürlich nicht allen Beteiligten recht machen konnte. Das ist bei einem Gesetzentwurf dieser Art mit dem ausdrücklichen Ziel der Kostendämpfung im Gesundheitswesen — jetzt speziell im Krankenhausbereich — auch gar nicht denkbar.Wenn Sie mir ein Bild gestatten: Für diese schwierige Gratwanderung, die der Gesetzgeber den unmittelbar Beteiligten zumuten muß, braucht man ein robustes Schuhwerk. Die Bundesregierung kann in der arbeitsteiligen Republik, die wir haben, immer nur einen Teil der Arbeit leisten: Sie kann das Leder gut zurechtschneiden und zur Verfügung stellen; geformt, genäht, gehämmert, genagelt, gesohlt wird dann im Parlament. Das Parlament braucht dazu gewissermaßen gleich immer zwei Paar Hände, nämlich die des Bundestages und die des Bundesrats, weil in der Krankenhausfinanzierung ohne den Bundesrat nichts geht.Ich habe das hier vorweg so klar gesagt, um auch deutlich zu machen, daß ich mir manches präziser, manches kostenwirksamer in diesem Gesetz vorstellen könnte, z. B. zur Vermeidung von Überkapazitäten die Krankenhausbedarfsplanung an die Zustimmung der Krankenkassen zu binden, z. B. die Festsetzung der Pflegesätze durch eine unabhängige Schiedsstelle statt der Festsetzung der Pflegesätze letzten Endes durch die Behörden der Länder. Nur: Es hätte wenig Sinn, das in den Entwurf zu schreiben, wenn man von vornherein weiß: Diese Punkte finden im Bundesrat keine Zustimmung.Was Ihnen hier als Gesetzentwurf vorliegt, ist ein bereits in vielen Vorbesprechungen, in vielen Vorverhandlungen — nicht in allen Punkten, aber in den Eckpunkten — mit den Bundesländern abgestimmter Gesetzentwurf. Aber im Gegensatz zu 1977 und 1980 habe ich in diesen Vorgesprächen, aber erst recht auch bei der schon zitierten Beratung des Gesetzentwurfs im Bundesrat den Eindruck gehabt, daß jetzt auch bei den Bundesländern die Erkenntnis vorhanden ist, daß Wesentliches geschehen muß, um Kostendämpfung im Gesundheitswesen auch in den Krankenhausbereich zu bringen.Ich war besonders erfreut, daß der damals noch amtierende, inzwischen zum Kultusminister avancierte — wobei die Sozialpolitiker darüber rätseln werden, ob das ein Avancement ist —, von mir sehr geschätzte Kollege Gölter aus Rheinland-Pfalz diese Stellungnahme voll im Bundesrat unterstrichen hat und sich auch voll hinter die Aussagen der konzertierten Aktion vom 23. März 1981 gestellt hat, verbunden mit der Zustimmung zu den Regelungen des Entwurfs, wonach es unverzichtbar ist, auch die Krankenhäuser voll in die Konzertierte Aktion einzubeziehen. Sie waren immer schon anwesend, aber mit dem Vorbehalt: „Vom Gesetz aus sind wir ja nicht ausdrücklich erfaßt".Ich kann auch da dem Kollegen Gölter nur zustimmen: Beziehen wir nicht durch Gesetz den Bereich Krankenhaus in die Konzertierte Aktion ein, geben wir den davon erfaßten, den niedergelassenen Ärzten und anderen, eine Vielzahl von Vorwänden, eines Tages mit der Begründung auszuscheren: Warum nur wir, warum nicht die anderen? So hoffe ich sehr, daß diese Stellungnahme im ersten Durchgang des Bundesrates bis zur endgültigen Verabschiedung des Gesetzes dort tragen wird.Lassen Sie mich für die Dringlichkeit noch darauf hinweisen, daß sich, nachdem es uns gelungen war, dreieinhalb Jahre lang Stabilität der Beitragssätze in der Krankenversicherung zu erreichen, und im Jahre 1979 sogar eine leichte Senkung des durchschnittlichen Beitragssatzes festzustellen war, vom zweiten Halbjahr 1980 ab ein anscheinend sich fortsetzender Trend der neuen Kostenexplosion entwikkelt hat, vor allem unerfreulich im Krankenhausbereich. Dort sind 1980 die Ausgaben für stationäre Behandlung um 9 % gestiegen, die Grundlohnsumme gleichzeitig um 5,5 %. Daraus ergibt sich allein für diesen Bereich in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Unterdeckung von 580 Millionen DM. Diese Unterdeckung hat eben wesentlich dazu beigetragen, daß im Jahre 1980 und im ersten Halbjahr 1981 eine Reihe von Beitragssatzanhebungen erfolgen mußte. Leider zeigt auch die erste Übersicht der bisherigen Entwicklung 1981, daß es nicht besser geworden ist. Bis jetzt sind 1981 die Ausgaben für stationäre Krankenhausbehandlung um 6,5 % gestiegen, die Grundlohnsumme um 4,6 %; setzen sich diese beiden Entwicklungslinien fort, müssen wir auch 1981 in diesem Bereich mit einer Unterdeckung von 600 Millionen DM rechnen. Und da einige Ortskrankenkassen bereits die Beitragshöhe von 15 % der Grundlohnsumme erreicht haben, sollte dies ein äußerstes Alarmsignal sein, zu mehr Stabilität der Kosten im Krankenhaus zu kommen.
Es geht, glaube ich, inzwischen nicht nur um einige Strukturveränderungen im Krankenhausbereich, es geht darum, sicherzustellen, daß unser gut entwikkeltes, auf hohem Leistungsniveau stehendes Ge-
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Bundesminister Dr. Ehrenbergsundheitswesen überhaupt finanzierbar bleibt. Die Bélastungswilligkeit und die Belastungsfähigkeit der Arbeitnehmer mit Beitragserhöhungen in der Krankenversicherung ist erreicht und darf nicht weiter strapaziert werden.
— Ach, verehrter Herr Franke, Sie glauben doch wohl nicht alles, was in Zeitungen steht, hoffe ich. Ich habe mir das längst abgewöhnt, das meiste von dem zu glauben. Dem Arbeitsminister dürfen Sie glauben, da haben Sie keine Schwierigkeiten — aber nur, wenn Sie ihn selber hören, nicht, wenn Sie über ihn lesen. —Lassen Sie mich zu dem Entwurf und zu den aus dem Bereich der Deutschen Krankenhausgesellschaft und von einzelnen Krankenhausträgern erhobenen Einwendungen vor allen Dingen feststellen: Niemand will den unverrückbaren Grundsatz der Selbstkostendeckung im Krankenhaus aushebeln, niemand will die Krankenhäuser ins Defizit führen, und niemand will die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser zum Schaden der Patienten einschränken. Es geht darum, die Krankenhäuser in die freiwillige Solidargemeinschaft der Konzertierten Aktion fest einzubinden. Auf die Hintergründe und die Vorgeschichte dieses Entwurfs ist in der Begründung ausführlich eingegangen worden. Lassen Sie mich hier auf die wichtigsten Punkte beim Zusammenwirken von Krankenkassen, Krankenhausträgern und zuständigen Behörden eingehen. Es geht uns vor allen Dingen darum, mit der engen Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen, Ländern und Krankenhausträgern bei der Krankenhausbedarfsplanung, mit der Einführung des Verhandlungsprinzips bei der Festlegung der Pflegesätze, mit der gemeinsamen Erarbeitung allgemeiner Wirtschaftlichkeitsmaßstäbe für Personalbedarf und Sachkosten und mit dem Abschluß von Verträgen zur besseren Durchsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots der Reichsversicherungsordnung bis hin zur Errichtung paritätisch besetzter Prüfungsausschüsse zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit im Einzelfall konkrete Instrumente zu schaffen, mit denen in jedem Einzelfall besser als bisher auf die Kostenentwicklung eingewirkt werden kann. Es freut mich sehr, daß die Beiträge im Bundesrat in den Grundlinien gezeigt haben, daß hier weitgehende Übereinstimmung besteht.Ich würde auch noch gerne hier zum Ausdruck bringen, daß das Grundkonzept, das in dem Entwurf vorliegt, die ausdrückliche Anerkennung der historisch gewachsenen Vielfalt der Krankenhausträger, den Bestandsschutz auch für kleinere leistungsfähige Krankenhäuser, die nicht in den Krankenhausbedarfsplan aufgenommen worden sind, enthält — wobei die Betonung allerdings auf „leistungsfähig" zu liegen hat; „klein" allein genügt nicht, um darin zu bleiben. Ferner sieht der Entwurf die größere Mitwirkung und Mitverantwortung der unmittelbar Betroffenen an allen wesentlichen Entscheidungen und, wo immer möglich, Verhandlungen statt hoheitlicher Festlegung vor. Wir kommen damit gleichzeitig einer breiten Palette von Forderungen der Selbstverwaltungsträger nach und tragen dem bewährten Prinzip der Selbstverwaltung in der Krankenversicherung Rechnung.Es gibt einen Punkt, der mit den Bundesländern sehr strittig ist, das ist die Anschlußfinanzierung der mit den Krankenhäusern verbundenen Ausbildungsstätten, die am 31. Dezember 1981 auslaufen würde, wenn keine gesetzliche Änderung erfolgte. Wir haben den Vorschlag gemacht, die Investitionskosten für Ausbildungsstätten in Höhe von 40 Millionen DM in die öffentliche Förderung nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz aufzunehmen. Wir wollen weiterhin den praktischen Teil der Ausbildung — z. Z. etwa 800 Millionen DM — über die Pflegesätze abgelten. Aber wir sehen nicht ein, daß auf Dauer die Beitragszahler der Krankenversicherung auch für den theoretischen Teil der Ausbildung aufkommen, der nach unserer Verfassung ausschließlich Landessache ist.
Aber um nun den guten Willen der Bundesländer nicht zu überfordern, haben wir das nicht sofort vorgesehen, sondern mit einer Übergangsregelung bis Ende 1983; so lange kann weiterhin über die Pflegesätze abgerechnet werden. Dann allerdings entfällt dieser Teil in der Größenordnung von etwa 135 Millionen DM, und er fällt ausschließlich in die Finanz- und schulische Verantwortung der Länder. Ich hoffe sehr, daß gerade vor dem Hintergrund der gegenwärtig doch auch von den Bundesländern betriebenen Diskussion um die Trennung von Mischfinanzierungen dieser Punkt dann von den Bundesländern akzeptiert wird. Die Kosten einer Ausbildung theoretischer Art sind nun wirklich ausschließlich Landessache und schon gar nicht Sache der Beitragszahler.Lassen Sie mich in dem Zusammenhang gleich kurz das Thema — —
— Ich würde nie riskieren, gegenüber dem Vorsitzenden des Arbeitskreises „Sozialpolitik" der CDU den Ausdruck „ungeheuer" zu verwenden.
Lassen Sie mich das Thema „Mischfinanzierung" noch kurz ansprechen. Bund und Länder haben vereinbart, in einer gemeinsamen Kommission diese Tatbestände zu prüfen; die Krankenhausfinanzierung gehört dazu. Aber es kann gar kein Zweifel sein, daß diese Überprüfung aller Mischfinanzierungstatbestände und möglichen Veränderungen im Laufe dieses Jahres nicht abgeschlossen sein kann. Es wäre verfehlt — aus Gründen der Kostendämpfung, aber beispielsweise auch wegen der notwendigen Anschlußfinanzierung der Ausbildungsstätten —, diesen Gesetzentwurf jetzt so lange zurückzustellen, bis die Entscheidungen zwischen Bund und Ländern über die Mischfinanzierung in allen Einzelbereichen gefallen sind. Darum hoffe ich sehr, daß unbeschadet des Fortführens dieser Diskussion um die Entflechtung der Mischfinanzierung wir im
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Bundesminister Dr. EhrenbergLaufe des Frühherbstes dieses Gesetz zügig beraten und verabschiedet bekommen.Es gibt drei offene Punkte, bei denen der Bundesrat Streichungen bzw. Änderungen vorgeschlagen hat. Da ist einmal die von uns als notwendig erachtete Anhörung der Krankenhäuser bei der Auf stel-lung und Anpassung der Krankenhausbedarfspläne, zweitens die Zuordnung von Sonderaufgaben an bestimmte Krankenhäuser im Krankenhausbedarfsplan und drittens die Festbetragsförderung im Zusammenhang mit Neuinvestitionen.
Hier hat der Bundesrat Änderungen beantragt. Ich glaube, daß eine neuerliche, sehr sorgfältige Prüfung dieser Tatbestände in den Beratungen es erforderlich machen wird, bei den Intentionen des Regierungsentwurfs zu bleiben, wenn der Zweck erreicht werden soll.
Insgesamt darf ich aber sagen, daß uns der Verlauf der bisherigen Beratungen in den Ausschüssen des Bundesrates und im Bundesratsplenum zu der Hoffnung berechtigt, daß wir im Laufe des Jahres Konsens herstellen können. Der vorliegende Entwurf ist ein nüchternes Gesetz ohne Schnörkel, ohne viele einzelne Änderungen, sondern er ist ausschließlich darauf konzentriert, die Kostenentwicklung im Krankenhausbereich in den Griff zu bekommen, um damit die Versorgung unserer Bevölkerung mit den notwendigen Krankenhausleistungen auf Dauer zu sichern und unser Gesundheitswesen effizient und finanzierbar zu halten.Ich bitte um Ihre Mithilfe durch zügige Beratung, damit das Gesetz rechtzeitig in Kraft treten kann.
Im Ältestenrat ist für die Tagesordnungspunkte 2 und 3 eine verbundene Aussprache mit einer Debattenrunde vereinbart worden. — Ich sehe, das Haus ist damit einverstanden.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Jagoda.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute wird die erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze durchgeführt. Es ist der dritte Versuch zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung.Die Gesetzentwürfe sind von Entwurf zu Entwurf immer dünner und kleiner geworden — meines Erachtens auch auf Grund der massiven Kritik der Länder, der Krankenkassen und der Krankenhausträger, aber auch der in diesem Hause vertretenen Parteien. Dieser Gesetzentwurf mit der Zielsetzung der Kostendämpfung im Krankenhauswesen, die im Vordergrund steht, unterscheidet sich wesentlich von den vorangegangenen Gesetzentwürfen. Die Kostendämpfung ist nach Auffassung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wegen des großen Gewichtes der Krankenhausleistungen, wegen ihres hohen Anteils an den Ausgaben der Krankenkassen, wegen der großen Bedeutung der Ausgaben für die stationäre Behandlung das vordringlichste Problem des Krankenhauswesens insgesamt.Ist schon die Kostenentwicklung der Krankenhäuser im Jahre 1980 mit 9% bei einer gleichzeitigen Beitragseinnahmesteigerung um 5,5% negativ verlaufen, so ist die Entwicklung auch in diesem Jahr negativ, wie die ersten Zahlen des Jahres 1981 deutlich machen. Wie schon ausgeführt worden ist, haben die Krankenkassen in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1980 insgesamt 580 Millionen DM mehr ausgeben müssen, als sie durch Beiträge decken konnten. Die Ausgaben der Krankenkassen für die Krankenhäuser haben 1980 erstmals den Betrag von 25 Milliarden DM überstiegen. Man muß noch einen Betrag von 4 Milliarden DM hinzurechnen, den Bund und Länder für diesen Bereich zusätzlich aufgebracht haben.Der Tatbestand ist also, daß wir 30 % der Ausgaben in der Krankenversicherung für die stationäre Behandlung leisten müssen. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung im ersten Quartal 1981 stellen sich zwar etwas günstiger als 1980 dar, aber wir wissen nicht, wie die Entwicklung in den nächsten Jahren sein kann.Hier sei auch noch angemerkt, daß die Grenze der Leistungsfähigkeit der Versicherten mehr als erreicht ist;
denn wir haben Spitzensätze von 15 % in der Krankenversicherung, zusätzlich 18,5% in der Rentenversicherung und 3 % in der Arbeitslosenversicherung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Bereich ist die Leistungsgrenze längst erreicht.
Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß die Grundlohnsteigerung von 4,5% gleichzeitig geringere Beiträge für die Krankenkassen bedeutet und sich deshalb die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben in erheblichem Umfang öffnen wird.Die Kostenentwicklung im stationären Bereich, im Krankenhauswesen ist auch aus unserer Sicht bedenklich. Man sollte alles tun, um eine wirkungsvolle Kostensteuerung zu erreichen. Der vorliegende Gesetzentwurf — dies ergibt sich aus den bisherigen Stellungnahmen sowohl der Krankenkassen als auch der Krankenhausträger; das ist aber auch aus unserer Sicht so — enthält keine wirkungsvollen Steuerungsinstrumente, die die gewünschte Kostendämpfung im Gesundheitswesen herbeiführen könnten. Hierzu bedarf es auch nach unserer Ansicht anderer Instrumente als der in diesem Gesetz vorgelegten.Ich darf einmal die Krankenhausbedarfsplanung herausgreifen. Hier sollen die Krankenhäuser und Krankenkassen stärker an der Planung beteiligt werden und bei der Planung eng zusammenarbeiten. Die Zuständigkeit und die Letztentscheidung der
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JagodaLänder in der Frage der Aufstellung der Krankenhausbedarfspläne sind aus der Sicht der Länder unerläßlich. Die Krankenkassen hingegen halten aus ihrer Sicht jegliche Lösung, die die Letztentscheidung bei den Ländern beläßt, für nicht ausreichend. Sie vermissen ein echtes Mitspracherecht bei der Krankenhausbedarfsplanung.Kritisiert wird auch die mangelnde Bindungswirkung der Bedarfsplanung, die selbst in Fällen, in denen eine Reduzierung der Zahl der Krankenhausbetten vorgesehen ist, eine verbindliche Umsetzung nicht gewährleistet.Der Bundesarbeitsminister spricht im Zusammenhang mit der Aufstellung der Krankenhausbedarfspläne von einer Stärkung der Selbstverwaltung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer wollte einer Stärkung der Selbstverwaltung widersprechen? Man müßte ihr das Wort reden. Hier in diesem speziellen Fall heißt aber „Stärkung der Selbstverwaltung" Eingriff in Länderkompetenzen und, um ein weiteres Gebiet aufzugreifen, bei Pflegesatzverhandlungen die eventuelle Herbeiführung von Defiziten und damit eines Zustands, wie wir ihn vor 1972 gehabt haben.Die enge Zusammenarbeit bei der Krankenhausbedarfsplanung, die Einführung des Verhandlungsprinzips bei der Festlegung der Pflegesätze und die gemeinsame Erarbeitung allgemeiner Wirtschaftlichkeitsmaßstäbe für Personalbedarf und Sachkosten können dazu führen, daß einerseits die Kassenlage der Krankenkassen das Krankenhauswesen mit Ausbau und Modernisierung zu stark beeinflußt; hinsichtlich der Pflegesätze kann die Einführung des Verhandlungsprinzips dazu führen, wie ich eben gerade ausführte, daß es eventuell zu Defiziten kommt, die dann zum Teil auch wieder von der öffentlichen Hand oder den freien Trägern ausgeglichen werden müssen.Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsmaßstäbe für Personalbedarf und Sachkosten kann mehr Wirtschaftlichkeit zu einer Verschlechterung der medizinischen und pflegerischen Betreuung in den Krankenhäusern führen. Mehr Humanisierung im Krankenhaus ist aber eine Forderung, die ebenfalls von allen beteiligten Gruppen positiv bewertet wird.Ich kann hier nur einige Punkte ansprechen. In den Ausschußberatungen wird man sich über die Details und über konkrete Änderungen unterhalten müssen.Eine wirklich effektive Kostendämpfung im Gesundheitswesen erscheint uns nur möglich, wenn der Überhang an Betten, der von Fachleuten auf zwischen 50 000 und 70 000 beziffert wird, abgebaut wird. Jegliche Herabsetzung der Verweildauer, j egli-ches Bemühen in Richtung auf mehr ambulante als stationäre Behandlung scheitern daran, daß der Abbau des Überhangs an Betten, der gleichzeitig erfolgen müßte, nicht stattfindet Man wird sich in den Ausschußberatungen hierüber Gedanken machen müssen. Man sollte bei diesen Überlegungen auch einmal darüber nachdenken, ob man nicht eine lineare Senkung der Zahl der Krankenhausbetten anstreben sollte.Bettenabbau und Bemühungen um die Verringerung der Zahl der überzähligen Krankenhausbetten heißt aber nicht Schließung von kleinen Krankenhäusern, die oft von frei-gemeinnützigen Trägern unterhalten werden. Deswegen werden wir in dem Bereich des § 371 RVO sehr sorgfältig prüfen, wie der Bestandsschutz für kleinere Krankenhäuser gewährleistet werden kann.
Der Minister hat hier betont, daß die Krankenhäuser leistungsfähig sein müßten. Man kann die Krankenhäuser, indem man ihnen über Jahre oder ein Jahrzehnt hinweg nicht die nötigen Mittel zur Modernisierung zur Verfügung stellt, auch zu leistungsunfähigen Krankenhäusern degradieren und sie dann im nachhinein streichen. So darf doch wohl aber nicht verfahren werden!
— Ja, darauf gucke ich ebenso wie auf das Land, in dem ich zehn Jahre lang im Landtag war und dieses Spielchen als sozialpolitischer Sprecher meiner Fraktion immer wieder mitansehen mußte, Herr Kollege.
Der Entwurf enthält meines Erachtens eine brauchbare Ausgangsposition für die Diskussion dieses so wichtigen Gebietes.Lassen Sie mich noch zwei höchst umstrittene Bereiche im Rahmen der Diskussion um das Krankenhausfinanzierungsgesetz ansprechen, nämlich die Finanzierung der Auszubildenden und der Ausbildungsstätten sowie die Einbeziehung des Krankenhauswesens in die Konzertierte Aktion.Folgt man der Argumentation der Länder, so enthält der Entwurf für die Bundesländer erhebliche Belastungen aus der vorgesehenen Kostenregelung für die Ausbildungsstätten. Die Krankenkassen fühlen sich durch die geplante Regelung betreffend Ausbildungsstätten ebenfalls erheblich belastet. Sie sprechen in diesem Zusammenhang von einer Mehrbelastung von 1 Milliarde DM, die zweifelsohne zu Beitragserhöhungen führen müßte. Wie die Bundesregierung in diesem Zusammenhang, wenn einerseits die Länder belastet werden und andererseits die Krankenkassen unter Mehrbelastungen stöhnen, hier von einem Kostendämpfungsgesetz reden kann, vermag ich zur Zeit noch nicht zu verstehen.
Der Fragenkomplex „Neuregelung der Krankenpflegeausbildung und Finanzierung der Krankenpflegeschulen" und insbesondere der Inhalt des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung und des Krankenhausfinanzierungsgesetzes der Länder Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein müssen in den Ausschußberatungen intensiv diskutiert werden. Hier ist auch Eile geboten. Wie der Minister schon ausgeführt hat, drängt die Zeit;
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Jagodadenn zum Ende dieses Jahres fallen die Übergangsvorschriften des § 30 Abs. 2 weg.Lassen Sie mich zu § 405 a der Reichsversicherungsordnung aus unserer Sicht noch anmerken, daß eine ausdrückliche Einbeziehung der Krankenhauskosten in die Empfehlungen der Konzertierten Aktion mit der Beibehaltung des Selbstkostendekkungsprinzips nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz schlichtweg unvereinbar ist. Der Bundesarbeitsminister hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß weder die Tarifautonomie der Sozialpartner noch das Selbstkostendeckungsprinzip die Empfehlungen der Konzertierten Aktion beeinträchtigen. Die Empfehlungen sollen auch keine unmittelbar wirkende Bindung für die einzelnen Pflegesätze haben. Es stellt sich die gravierende Frage, wie man dann eine Kostendämpfung im Rahmen des § 405 a RVO innerhalb der Konzertierten Aktion erreichen will, zumal allein die Personalkosten bekanntlich mehr als 70 % der Pflegesätze ausmachen. Das Prinzip kostendeckender Pflegesätze ist weder — ich will es noch einmal ausdrücklich betonen — mit einer einnahmeorientierten Ausgabenpolitik der Krankenkassen noch mit der Empfehlung im Rahmen der Konzertierten Aktion vereinbar. Eine Einbeziehung des Krankenhauswesens in die Konzertierte Aktion dient der Bundesregierung meines Erachtens offensichtlich nur dazu, die Betroffenen zu beruhigen, die am stärksten durch die Konzertierte Aktion tangiert sind.
Ich weise zusammenfassend darauf hin, daß es unseres Erachtens eines völlig neuen Ansatzes, ja auch neuer Ideen zur Kostendämpfung im Krankenhausbereich bedarf, will man
hier Fortschritte erzielen. Der Krankenhaussektor ist der teuerste Bereich im gesamten Gesundheitswesen, und an diesen Bereich werden besonders hohe Anforderungen nicht nur seitens der Versicherten, sondern mit Recht auch von seiten der kranken Mitbürger gestellt. Hier konzentrieren sich die schwierigsten Krankheitsfälle, aber auch mittelschwere Krankheitsfälle, die bezüglich Diagnose und Therapie intensive Behandlung im Krankenhaus erfordern. Im Krankenhaus — und deshalb wird man hier besonders verantwortungsvoll vorgehen müssen — wird der Widerspruch am ehesten deutlich, der sich zwischen dem medizinisch Möglichen und dem Finanzierbaren ergibt.Die CDU/CSU wird sich an den Beratungen des Gesetzentwurfs nach der Sommerpause intensiv beteiligen. Ich gehe nicht so weit wie der Staatsminister Dr. Gölter aus Rheinland-Pfalz, der in der Bundesratssitzung den Gesetzentwurf der Bundesregierung im Grundsatz und sicher dann auch im Detail als kompromißfähig bezeichnet hat.Aber eines, Herr Minister, darf ich Ihnen sagen, um Ihren bildlichen Vergleich aufzunehmen. Wir werden bei den Beratungen prüfen, ob Sie das Leder richtig zugeschnitten haben. Wir sind bereit, mitzunähen und mitzuwirken an diesem Schuhwerk. Nur zur Flickschusterei sind wir nicht bereit. — Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Egert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich über die zahlreich anwesenden Vertreter der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, die herzliche Grüße an die über 200 anderen, die hier nicht anwesend sind, aussprechen.
Zur Sache: Wir machen ja nach altdeutscher Spruchweisheit, wonach aller guten Dinge drei sind, den dritten Versuch, den in erster Lesung anstehenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes zu beraten.
Dieser Entwurf hat eine längere Vor- und Leidensgeschichte. Denn die Erkenntnis, daß das Krankenhausfinanzierungsrecht, das 1972 geschaffen worden ist, nach mehrjähriger praktischer Anwendung überprüft und überarbeitet werden muß, ist so neu nicht, ebenso wie die Notwendigkeit, den Krankenhausbereich in die gesetzlich abgesicherten Kostendämpfungsbemühungen einzubeziehen. Ich spreche deshalb von Vor- und Leidensgeschichte, weil bereits zweimal ein Versuch, zur Novellierung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes zu kommen, am Widerstand des Bundesrates gescheitert ist.Aus den beiden gescheiterten Versuchen hat die SPD-Fraktion gelernt, daß die Bundesländer offensichtlich an einer überarbeiteten Fassung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes derzeit nicht interessiert sind, jedenfalls nicht zu Bedingungen, die für den Bund politisch erträglich wären. Die gescheiterten Versuche haben ergeben, daß auf seiten der Bundesländer keine Bereitschaft besteht, die Kompetenzen der Selbstverwaltung in unserem Gesundheitswesen auch im stationären Bereich auszubauen und den staatlichen Einfluß zurückzudrängen.Wir bedauern diese Entwicklung. Für uns wäre ein echter Ausbau der Mitbestimmung, der Selbstverwaltung im Bereich des Krankenhauswesens nicht nur vorstellbar gewesen, sondern auch wünschenswert. Allerdings sind wir realistisch genug, zu sehen, daß wir bei einem zustimmungsbedürftigen Gesetz dies nicht gegen den Widerstand der Bundesländer durchsetzen können.Der dritte Versuch zur Novellierung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes mußte sich daher von den vorhergegangenen gescheiterten Versuchen unterscheiden. In der Regierungserklärung hat der Bundeskanzler darauf hingewiesen, daß dieser dritte Versuch auf die Aspekte der Kostendämpfung im Gesundheitswesen eingeschränkt werden sollte. Ein so begrenzter Entwurf, dem das Anliegen einer prinzipiellen Überarbeitung des Krankenhausfinan-
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Egertzierungsrechts fehlt, liegt nunmehr dem Bundestag vor.Es ist unstrittig, daß auch der Krankenhausbereich in den gesetzlichen Maßnahmenkatalog zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen eingebunden werden muß.
Würde dies nicht geschehen, Herr Kollege Kolb, so würden sich mittelfristig Disparitäten und Verzerrungen im Gesundheitswesen und in der Kostenentwicklung in den einzelnen Bereichen des Gesundheitswesens unvermeidlich ergeben.Der Gesetzentwurf liegt uns zu einer Zeit vor, in der die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung kräftig steigen. Hatte bereits die Ausgabenentwicklung gegen Ende des letzten Jahres ein Tempo erreicht, das Beitragserhöhungen bei den meisten Krankenkassen erforderlich machte, so hat sich diese Entwicklung in den ersten Monaten des laufenden Jahres eher beschleunigt als verlangsamt. Wer die für das Gesamtjahr sicherlich nur begrenzt aussagekräftigen Zahlen des ersten Quartals 1980 sieht und bewertet, dem fällt ein kräftiges Gefälle der Ausgaben gegenüber den Einnahmen der Krankenkassen auf, das — müßte es heute ausgeglichen werden — eine Erhöhung des Beitragssatzes um beinahe einen vollen Beitragspunkt unausweichlich machen würde.Es scheint derzeit, als habe das 1977 verabschiedete Kostendämpfungsgesetz nur eine zeitlich begrenzte Entlastung bringen können. Dieses Konzept zielte eindeutig darauf ab, Instrumente zu schaffen, mit denen die Selbstverwaltung aus eigener Kraft zu Kostendämpfungsbemühungen befähigt werden sollte. Wenn sich nunmehr durch eine neue Kostenwelle anzeigen sollte, daß diese Aufgabe über die Kräfte der Selbstverwaltung geht, sind neue Überlegungen erforderlich. Daher appelliere ich eindringlich an all diejenigen, die der Auffassung sind, die Selbstverwaltung sei ohne staatliche Unterstützung in der Lage, aus eigener Kraft Kostenstabilität zu erreichen, diesen Anspruch auch umzusetzen. Bürger und Beitragszahler wollen wissen, ob sie darauf vertrauen können, daß dieses Versprechen eingelöst wird.Schien sich noch im vergangenen Jahr zu erweisen, daß das bestehende Kostendämpfungskonzept nur Lücken hat und diese Lücken für die erneuten Kostensteigerungen verantwortlich sind, so zeigt die neueste Entwicklung eine andere Tendenz an. Auch die Bereiche, in denen der Gesetzgeber den Selbstverwaltungskörperschaften Instrumente zur eigenverantwortlichen Kostendämpfung geschaffen hat — also im Bereich der ambulanten ärztlichen Versorgung, im Bereich der Arzneimittelversorgung —, sind Kostensteigerungen festzustellen, die deutlich über der Empfehlung der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen liegen. Wenn die Selbstverwaltung zu einem Erfolg kommen will, muß sie aus dieser Entwicklung die richtigen Schlüsse ziehen. Ein Scheitern der Bemühungen könnte nur als Aufforderung an den Gesetzgeber verstanden werden, die Interessen der Versicherten und Beitragszahler zu schützen und der Selbstverwaltung wiederum helfend unter die Arme zu greifen.Was meine Fraktion und mich besonders bestürzt, ist das Ansteigen im Bereich der Ausgaben für ambulante ärztliche Behandlung und für Arzneimittel. Es steht außer Zweifel, daß wir bei der vor uns liegenden Konsolidierung des Bundeshaushalts den Bürgerinnen und Bürgern unter Beachtung des Grundsatzes der sozialen Symmetrie Opfer abverlangen oder Belastungen auferlegen müssen. Weiterhin steigende Krankenversicherungsbeiträge sind vor diesem Hintergrund sozial schädlich.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird es jedenfalls nicht zulassen, den Bürger einerseits durch Opfer in die Pflicht zu nehmen und ihm andererseits zuzumuten, über steigende Krankenversicherungsbeiträge zu Lasten seines Geldbeutels steigende Einkommen für Ärzte und Gewinne der pharmazeutischen Industrie zu finanzieren. Das wäre, gemessen am Grundsatz der sozialen Ausgewogenheit, blanker Hohn.Wenn der Präsident der Bundesärztekammer auf dem eben in Trier abgehaltenen Deutschen Ärztetag feststellt, ein Krankenversicherungsbeitrag von 11,7 % sei nicht gleichsam gottgewollt, so verdient diese fast schon zynische Bemerkung entschiedene Zurückweisung.
Sie läßt zudem die von der Ärzteschaft so hoch gelobte Eigeninitiative zur Sparsamkeit in recht merkwürdigem Licht erscheinen. Wer angesichts allseitiger Konsolidierungsbemühungen der Kostenausweitung das Wort redet, nimmt nicht mehr die Interessen der Patienten wahr. Hinter einem Schwall von vernebelnden Worten lugt da kaum verhüllt das nackte Eigeninteresse hervor.Meine Damen und Herren, die allgemeine Kostensituation im Gesundheitswesen macht die zügige Beratung und die schnelle Verabschiedung des vorliegenden Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetzes notwendig. Der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ist klar, daß mit diesem Gesetz nur ein Teilschritt in die richtige Richtung gegangen wird. Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherungen haben sich vom Inhalt des Gesetzes nur begrenzt beglückt gezeigt. Wir verstehen diese Haltung sehr gut. Auch wir hätten uns mehr gewünscht. Ein Mehr ist jedoch, wie die zwei gescheiterten Versuche zur Novellierung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes gezeigt haben, politisch nicht erreichbar.
— Sie sagen es, Herr Kollege Cronenberg.
Die SPD-Bundestagsfraktion dankt dennoch der Bundesregierung, daß sie trotz dieser betrüblichen Erfahrung in der Vergangenheit den Mut zu einem dritten Novellierungsversuch gefunden hat.
Sie weiß, daß auch der Bundesregierung mehr Substanz lieber gewesen wäre. Ich spreche dies so offen
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Egertan, weil ich, zumindest für die SPD-Fraktion — ich glaube, nach dem Zuruf des Kollegen Cronenberg gilt dies auch für den Koalitionspartner —, ganz deutlich machen will, daß in einem Vermittlungsverfahren, das uns wiederum ins Haus stehen kann, Verhandlungsmasse am zweimal zusammengestrichenen Konzept kaum mehr vorhanden ist. Wir werden keinem Gesetz zustimmen, das den Vermittlungsausschuß als unwirksame Worthülse verläßt. Kostendämpfungs-Schauturnen am Krankenhausreck werden wir gemeinsam nicht veranstalten.Entsprechend dem Grundsatz der dualen Finanzierung des Krankenhauswesens kann das Krankenhausfinanzierungsgesetz nur den Bereich der Investitionskostenförderung direkt regeln.Investitionskosten werden von den öffentlichen Haushalten getragen. Sie haben keine direkten Auswirkungen auf die Höhe der Krankenhauspflegesätze. Sie haben jedoch Auswirkungen, weil sich aus ihnen für die Krankenhauspflegesätze Folgekosten — und damit Folgekosten für die gesetzliche Krankenversicherung — ergeben. Direkte Auswirkungen auf die Höhe der Krankenhauspflegesätze haben vielmehr die Bestimmungen der Bundespflegesatzverordnung. Eine kostendämpfend wirkende Novellierung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes muß ein Torso bleiben, wenn ihr nicht die dringend notwendige Novellierung der Bundespflegesatzverordnung unmittelbar folgt. Wir appellieren an die Bundesregierung und unterstützen sie in ihrem Bemühen, eine solche Novellierung der Bundespflegesatzverordnung zügig zu betreiben.Ich habe soeben darauf hingewiesen, daß für die gesetzliche Krankenversicherung aus den Krankenhausinvestitionen — also im wesentlichen den drei großen B: Bauten, Betten, Beschaffung von Gerät — Folgekosten entstehen. Daraus ergibt sich die dringende Notwendigkeit, die Krankenversicherungsträger an der Planung dieser Investitionen, am Zustandekommen der Krankenhausbedarfspläne zu beteiligen. Das bisher praktizierte reine Anhörungsverfahren wird diesem vernünftigen Mitwirkungserfordernis keinesfalls gerecht. Deshalb begrüßt es meine Fraktion, daß der Gesetzentwurf vorsieht, die Krankenhausbedarfspläne von den Ländern in enger Zusammenarbeit mit den Trägern der Krankenversicherungen aufzustellen. Es ist auch kein Geheimnis, daß sich die Koalitionsfraktionen eine weitergehende Regelung hätten vorstellen können, in der die enge Zusammenarbeit durch das Einvernehmen zwischen Land und Krankenkasse beim Krankenhausbedarfsplan ersetzt wird. Wir meinen jedoch, daß der jetzt gefundene Kompromiß der engen Zusammenarbeit von uns sachlich getragen werden kann.Eine ähnliche Einschätzung gilt für das Verfahren, nach dem die Pflegesätze künftig zustande kommen sollen. Die jetzt im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung — Verhandlungen zwischen Krankenkassen und Krankenhausträgern — findet unsere prinzipielle Zustimmung. Allerdings hätten wir uns für den Fall, in dem sich die Verhandlungspartner nicht einigen, sehr wohl eine andere Konfliktregelung als die, die im Gesetz vorgesehen ist, vorstellen können.Wir meinen nach wie vor, daß im Nichteinigungsfall ein Schiedsverfahren, wie es etwa im ambulanten Bereich praktiziert wird, auch hier die sinnvollere Lösung gewesen wäre. Wir sehen in der jetzt gefundenen Regelung, nach der die Pflegesätze im Nichteinigungsfall vom Land selbst festgesetzt werden, eine Gefahr für die Verhandlungsfähigkeit der Krankenkassen. Denn Krankenhausträger, die mit der Absicht in die Pflegesatzverhandlungen gehen, diese scheitern zu lassen, weil sie sich vom festsetzenden Land eine bessere Durchsetzung ihrer Interessen versprechen, besitzen natürlich eine taktisch günstigere Verhandlungsposition. Im übrigen erscheint es mir nicht eben überzeugend, wenn Vertreter der politischen Gruppierung, die vermeintlich die Marktwirtschaft auf ihre Fahnen geheftet hat, hier nun einer staatlichen Preisfestsetzung das Wort reden.In diesem Zusammenhang muß ich auf ein Sonderproblem der Stadtstaaten hinweisen.
— Wir werden hier keine kostenlose Werbung für die CDU betreiben! —
Soweit die Stadtstaaten Krankenhäuser in eigener Trägerschaft betreiben, haben sie über das Festsetzungsverfahren die Möglichkeit, für ihre Krankenhäuser auch noch die eigenen Pflegesätze festzusetzen. Die Krankenkassen müssen hier a priori in der schlechteren Verhandlungsposition sein. Ich appelliere daher an die Bundesländer, gemeinsam mit uns den Regierungsentwurf in diesen Fragen so zu verändern, daß auch die Krankenkassen zu ihrem Recht kommen.Lassen Sie mich noch auf die Frage der Finanzierung der Krankenpflegeausbildung eingehen. Die bisherige Übergangsregelung nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz läuft Ende des Jahres aus. Nach dieser Übergangsregelung übernimmt bisher die Krankenversicherung über die Krankenhauspflegesätze voll die Kosten der Ausbildung. In keinem anderen Ausbildungsbereich gibt es eine solche Regelung, nach der Schulen nicht vom Staat und seinen Kultusbehörden, sondern über den Preis finanziert werden. Deshalb will der Gesetzentwurf mit Recht auch für die Krankenpflegeausbildung einen anderen Finanzierungsweg vorsehen.Die Bundesländer teilen offensichtlich diese Vorstellung nicht. Ich möchte für meine Fraktion deutlich machen, daß wir die Vorstellung der Länder nicht teilen und auch nicht übernehmen werden. Sollte in der Frage der Finanzierung der Ausbildung keine vernünftige Einigung zustande kommen, ist durch das Auslaufen der Übergangsregelung am Ende dieses Jahres auch die bisherige Ausbildungsfinanzierung beendet. Dies bedeutet, daß ab 1. Januar 1982 die gesamte Last der Ausbildungsfinanzierung auf die Länder zukommt. Ich meine, daß vor diesem Hintergrund ein grundlegendes Interesse der Länder daran, hier eine vernünftige Regelung zu finden, gegeben ist. Der ebenfalls vorliegende Bundesratsgesetzentwurf, der diese Frage isoliert von
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Egertden anderen Problemen regeln will, ist jedenfalls für uns keine Alternative und wird von uns nicht akzeptiert werden.
Ein Wort noch zu einem Problem, das uns Sozialdemokraten sehr am Herzen liegt. Ich meine die Aufhebung des Halbierungserlasses von 1942, die — ähnlich wie beim letzten gescheiterten Versuch der Novellierung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes — nun auch diesmal Bestandteil der Novelle sein soll. Das Haus ist sich in der Notwendigkeit der Aufhebung dieses Erlasses prinzipiell einig. Wir sollten diese Einigkeit im Grundsatz nutzen und die Diskriminierung der psychisch Kranken beseitigen, und zwar so schnell wie möglich. Daher ist es für meine Fraktion auch kein Dogma, diese Aufhebung im KHG vorzunehmen. Sollte sich ein geeigneteres — d. h. schneller verabschiedungsreifes — Gesetz anbieten, so könnten wir, sollte dieser Grundsatz der Einigkeit tragen, auch dieses Gesetz als Transportinstrument für die Aufhebung nutzen. Das Anliegen der psychisch Kranken erlaubt, so meine ich, auch ungewöhnliche Verfahrensweisen. Diese leidige Angelegenheit muß endlich vom Tisch!Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich, mit uns gemeinsam für eine schnelle Beratung und Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfes zu sorgen. Wir Sozialdemokraten sind dazu bereit. — Ich bedanke mich für Ihre Geduld.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man müßte — vier Jahre im Zeitraffer überschauend — sagen: Wie sich die Bilder gleichen! Der gleiche kleine Zuhörerkreis, die gleichen Redner hier oben — mit Ausnahme des Kollegen Jagoda an Stelle von Frau Neumeister, die in den früheren Debatten gesprochen hat —, der gleiche Minister, der zum drittenmal eine Vorlage zur Kostendämpfung im Krankenhausbereich einbringt, wofür ich ihm zunächst einmal sehr herzlich danken möchte.
Denn, meine Damen und Herren, wer in diesen vier Jahren Erfahrungen gemacht hat, wer sich noch daran erinnert, wie hier der Teil „Krankenhaus" von einem Gesamtkostendämpfungsgesetz abgekoppelt werden mußte, damit es überhaupt möglich war, bei der Kostendämpfung im Gesundheitswesen den Einstieg in eine an den Einnahmen orientierte Politik zu erreichen, und wer noch weiß, wie die letzte Novelle an den Schwierigkeiten, die es mit dem Bundesrat und mit den Ländern aus Kompetenz- und anderen Gründen gab, scheiterte, der muß sagen: A la bonheur, auch der Bundesrat hat dazugelernt. Deshalb, meine Damen und Herren, möchte ich dem Bundesrat hier und heute ein Kompliment machen.Gut, der Bundesarbeitsminister hat darauf hingewiesen: Die Novelle wurde schlanker, manches, was wir gern gewollt hätten und was vielleicht in Zukunft auch noch notwendig ist — —
— Ja, vielleicht hört jemand mit und gibt das weiter.Die Novelle ist also schlanker geworden; manches, auf das ich noch kommen werde, hätten wir gern noch besser. Aber daß der Bundesrat am letzten Freitag mit einer bemerkenswerten Rede unseres früheren Kollegen Gölter — auch ich kann nur bedauern, daß Herr Gölter mit seinen Erfahrungen nun in einen anderen Bereich des Bundesrates gegangen ist, aber dies ist nun einmal so — recht positiv Stellung genommen hat, heißt doch, daß es richtig war, den dritten Versuch zu machen, daß es richtig war, nun noch einmal die Kostendämpfung im stationären Bereich ebenfalls aufzugreifen. Denn für uns Freie Demokraten — das darf ich sehr deutlich sagen, und ich habe dies schon in den 70er Jahren im Zusammenhang mit der sogenannten Kostenexplosion gesagt — gehört in dem Bereich der Kostendämpfung, in dem Bereich der Versorgung im Gesundheitswesen zu tragbaren Beiträgen im gegliederten System immer auch eine stärkere Wirtschaftlichkeit und Kostendämpfung im stationären Bereich. Erst mit diesem Gesetzentwurf, wenn er verabschiedet wird, ist der Komplex „notwendige Kostendämpfungsmaßnahmen" eigentlich abgeschlossen.Ich möchte einmal etwas zur bisherigen Entwicklung sagen. Man sollte nicht immer so tun und sagen: Das kostet eben immer mehr; das schlägt immer stärker bei den Honoraren zu Buche. Mit dem Kostendämpfungsgesetz ist ein Teil derer, die im Gesundheitswesen tätig sind, an die Einnahmeentwicklungen der Krankenkassen gebunden worden. Das wollten wir Freien Demokraten, das war richtig. Der Anteil der Ausgaben für die eingebundenen Ärzte, Zahnärzte usw., ist von fast 20 % der Gesamtausgaben auf unter 17 % gesunken. Aber genau der Anteil des Bereichs „stationäre Versorgung", den wir heute ansprechen, ist weiter gestiegen und hat eben trotzdem wieder zum neuen Kostenschub mit den Möglichkeiten weiterer Beitragserhöhungen geführt. Deshalb ist die Vorlage so wichtig. Deshalb ist ihre baldige Beratung so wichtig. Deshalb ist es aber auch wichtig, den in der letzten Zeit erfreulicherweise etwas stärkeren und von der FDP schon immer vorgesehenen Grundsatz „so viel ambulant wie möglich und so viel stationär wie nötig" auch in die Tat umzusetzen und damit auch wieder zu einem leistungsfähigen und kostengünstigen Gesundheitswesen für die Zukunft beizutragen.
So ist ein Fortschritt, wenn ich daran zurückdenke, daß die „enge Zusammenarbeit" beim letzten Entwurf am Bundesrat scheiterte, diesmal hat der Bundesrat dieser „engen Zusammenarbeit" bei der Bedarfsplanung zugestimmt. Ich sage ganz offen:
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Schmidt
Für uns Freie Demokraten ist das noch zu wenig. Die Idealvorstellung — ich möchte sagen, meine persönliche, aber auch die vieler meiner Freunde — wäre ein Sicherstellungsauftrag im stationären Bereich an Krankenhausträger und Krankenkassen, ähnlich wie wir es im ambulanten Bereich haben, d. h. ein Einbetten in die Selbstverantwortung auch für den stationären Bereich. Daß dies jetzt nicht durchführbar ist, daß auch die Pluralistik der Krankenhausträger, die wir wollen, auch stärken wollen, hier Schwierigkeiten macht, ist klar. Wir werden aber Möglichkeiten haben, wenn dieser Gesetzentwurf so verabschiedet wird, über die Krankenkassen in die Bedarfsplanungen einzugreifen.Ich habe gerade nachgelesen, vor drei Jahren habe ich hier von 48 000 überzähligen Betten gesprochen, die die Deutsche Krankenhausgesellschaft seinerzeit feststellte. Heute sollen es 60 000 sein. Das heißt doch aber, daß der Bedarf geprüft werden muß; das heißt doch aber, daß ihn diejenigen mitprüfen müssen, die ihn bezahlen müssen; das heißt, daß eben die Zusammenarbeit, die dieser Gesetzentwurf vorsieht, zwischen den Behörden und den Krankenhausträgern sowie den Kassen stärker werden muß. Es heißt auch — da bin ich der Bundesregierung sehr dankbar —, daß man neben den gesetzlichen Krankenkassen und den Ersatzkassen auch den Bereich der privaten Krankenversicherung bei der Bedarfsplanung, bei Pflegesatzverhandlungen usw. in die Beratungen einbezieht, weil insbesondere im stationären Bereich immerhin der Teil der Kosten, der auf die private Krankenversicherung fällt, mit 25 bis 30 % zu beziffern ist. Das heißt: auch diejenigen, die für die Prämien in der privaten Krankenversicherung verantwortlich sind, sind an vernünftiger Planung, an einer vernünftigen wirtschaftlichen Pflegesatzgestaltung interessiert. Dies wird im Entwurf dankenswerterweise anerkannt.Lassen Sie mich auch ein Wort zu § 371 und den kleinen Krankenhäusern sagen. Herr Kollege Jagoda, ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Sie können nicht wissen, wie sich das entwickelt hat. Ich sage es nur mal zur Richtigstellung. Wenn es eine Zeitlang die Versuche gab, die kleinen Krankenhäuser mit weniger als 100 Betten zu rasieren — ich darf es mal so hart sagen —, dann war dies allerdings das Ergebnis einer Mehrheit des Bundesrates, die nicht bei uns lag.
Da wurde seinerzeit im Rahmen des Krankenversicherungskosten-Dämpfungsgesetzes ein Wörtchen geändert — näheres brauche ich nicht zu sagen —, und anschließend kam die Rasur. Inzwischen hat sich das geändert, inzwischen haben wir mit der vorliegenden Besitzstandsklausel die Möglichkeit, bürgernahe, leistungsfähige — ganz klar — kleine Krankenhäuser — —
— Aber wer hatte die Mehrheit dort, um durchzukommen?
— Herr Kollege Franke, von wem kam der Vorschlag der Änderung? Von den Vertretern der Bundesregierung oder von den Vertretern der Opposition?
— Nein, nein. Jedenfalls ist diese Sache damals nicht von der Bundesregierung vorgeschlagen worden; das wissen Sie. Wir sind der Auffassung, daß diese bürgernahen kleinen Krankenhäuser, die bisher an der Versorgung beteiligt waren, wie das in der Besitzstandsklausel ist, auch weiterhin erhalten bleiben müssen, wenn sie ein .entsprechendes leistungsfähiges und wirtschaftliches Angebot haben. Dies kann keine Erhaltung von irgendwelchen alten Strukturen sein, dies kann auch keine Erhaltung von irgendwelchen lokalen Überlegungen sein, sondern es kann nur einer kostengünstigen Versorgung dienen. Wir hoffen auch, daß mit Hilfe der nunmehr möglich werdenden Bedarfsplanung — vorausgesetzt, daß wir die Beratungen so durchführen —„Landratsdenkmäler", „Oberbürgermeisterdenkmäler" und anderes in diesem Bereich bis zu Chefarzteinrichtungen und dergleichen einmal unter wirtschaftlichen und weniger unter lokalen oder sonstigen Gesichtspunkten gesehen werden und daß so auch wieder das Geld der Versicherten gespart wird.Ein letztes Wort, meine Damen und Herren, zu der Frage der Einbeziehung in die Konzertierte Aktion. Wir teilen die Auffassung, daß — und der Bundesarbeitsminister hat dies sehr deutlich gesagt — die Einbeziehung in die Konzertierte Aktion natürlich auch die Frage der Deckung der Selbstkosten des Krankenhauses betreffen muß. Die Krankenhäuser dürfen nicht die Sorge haben, daß ihre Selbstkosten nun plötzlich nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt werden. Aber wir erlauben uns die Frage — und bei den stärkeren Verhandlungsmöglichkeiten, bei den gläsernen Taschen der Vorlage wird es möglich sein, da mal nachzuschauen —, ob all das, was in der Vergangenheit so alles in die Selbstkosten mit eingerechnet werden konnte, wirklich Selbstkosten nach wirtschaftlichen Prinzipien sind. Dies ist ein Stück der Verhandlung, die in Zukunft möglich ist. Dies ist ein Stück des Prinzips der offeneren Taschen, wie wir es wollen.Noch eines zu einem Punkt, der auch lange Zeit eine gewisse Sorge machte. Ich meine den § 372, die sogenannten vor- und nachstationären Möglichkeiten im Krankenhaus. Hier sind wir der Auffassung, daß die Formulierung, wie sie die Bundesregierung in ihrem Entwurf hat, den zunächst berechtigten Bedenken, daß hier Verwaschungen entstehen könnten, gerecht wird. Aber ich glaube, es ist doch möglich — und die Bundesregierung hat j a auch bereits darauf hingewiesen —, zu prüfen, ob durch das Wort „Zustimmung" statt des Wortes „Einweisung" eine Umformulierung erfolgt — im Grunde ist das gleiche gewollt —, so daß hier nicht Ausdehnungen zugunsten des stationären Bereichs erfolgen, sondern dem Grundsatz Rechnung getragen wird, den ich bereits vorhin nannte: „So viel ambulant wie möglich und so viel stationär wie nötig."
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Schmidt
— Na, mit dem „Trau schau wem" kommen wir schon klar, Herr Kolb, da brauchen Sie keine Sorgen zu haben. Wir haben in den letzten Jahren in dieser Richtung, glaube ich, auch dort, wo es möglich war, vernünftige Kostendämpfungen erreicht. Wenn es im stationären Bereich nicht möglich war, lag es an der mangelnden Entscheidungsfähigkeit wegen unterschiedlicher Auffassungen zwischen Bund und Ländern. Denn in diesem Hause — wollen wir doch ganz ehrlich sein — und in diesem Kreise von mehr oder weniger Fachleuten war man sich in vielen Krankenhausfragen einiger als zwischen Bund und Bundesgesetzgeber einerseits und einzelnen Ländern und Landesgesetzgebern andererseits, und zwar ohne Unterschied der Partei. Da war ja mehr das Kontra Bund :Land als etwa das Kontra Opposition : Koalition vorhanden. Dies ist seit der Entscheidung des Bundesrates vom letzten Freitag besser geworden. Ich glaube, wir können davon ausgehen, daß wir im September zügig in die Beratungen eintreten können.Ich meine, daß es auch möglich sein wird, noch eine Reihe von Anregungen, die die Kritiker in ihren Stellungnahmen abgegeben haben, bei den Beratungen zu überlegen. Sicherlich ist zu überlegen — wenn wir da nicht am Bundesrat scheitern —, ob man den Begriff „enge Zusammenarbeit" noch mehr verstärkt, um den Krankenkassen und den Krankenhausträgern noch mehr Möglichkeiten zu geben. Sicher ist zu überlegen, ob bei der Bedarfsplanung und auch bei den Pflegesatzverhandlungen die im Krankenhaus Beschäftigten stärker in die Beratungen — vor allem auch bei den sogenannten „Empfehlungen" nach § 19 — einzubeziehen sind. Ich finde es sehr hilfreich, was gerade heute der Marburger Bund als sehr positive Stellungnahme mit einer Reihe von Anregungen hierzu abgegeben hat. Man kann immerhin davon ausgehen, daß der Marburger Bund als ein Verband, der doch die Ärzte im Krankenhaus, also den ärztlichen Sachverstand im Krankenhaus, weitgehend umfaßt, uns hier eventuell noch manches für die Beratungen mitgeben kann. Warum sollen wir nicht noch ein Stück weiter gehen und noch mehr Möglichkeit der Mitwirkung, der Mitbestimmung, der stärkeren Einflußnahme auch der Kassen schaffen? Wir müssen uns allerdings immer der Hürde Bund-Länder bewußt sein. Jede Entscheidung, die die Kompromißfähigkeit, die Herr Gölter angedeutet hat, in Schwierigkeiten brächte, würde uns insgesamt nicht helfen. Deshalb sollten wir zügig beraten. Wir sollten den Entwurf in diesem Hause möglichst so zeitig verabschieden, daß die einzelnen Krankenkassen bei ihren Jahresversammlungen am Ende dieses Jahres, wenn sie möglicherweise wieder einmal über Beitragserhöhungen nachdenken müssen oder nachdenken wollen, bereits vorher einen Hinweis haben, wie man — —
— Na, ob müssen oder nachdenken, jedenfalls bis zu diesen notwendigen Verhandlungen, bis zu den notwendigen Bundestagungen der einzelnen Krankenkassen sollten wir über den Gesetzentwurf möglichst Signale geben, damit der stationäre Bereich inZukunft kostengünstiger wird und trotzdem so leistungsfähig wie heute bleibt. — Ich bedanke mich.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zuerst zur Abstimmung über Punkt 2 der Tagesordnung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf der Drucksache 9/570 an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zur federführenden Beratung, an den Ausschuß für Wirtschaft und den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — mitberatend — sowie zur Beratung gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Punkt 3 der Tagesordnung. Der Ältestenrat schlägt hier vor, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf der Drucksache 9/571 an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zur federführenden Beratung und an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — mitberatend — zu überweisen. Ist das Haus auch mit diesen vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist auch dies so beschlossen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Berichte der Bundesregierung über den Stand der Unfallverhütung und das Unfallgeschehen in der Bundesrepublik Deutschland
— Drucksachen 8/3650, 9/43, 9/555 —
Berichterstatter: Abgeordneter Cronenberg
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Das Wort hat dann im Rahmen der Aussprache der Abgeordnete Keller.
Im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Redezeit von 60 Minuten vereinbart worden . — Ich sehe, daß das Haus damit einverstanden ist.
Herr Abgeordneter Keller, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst drei kurze Vorbemerkungen machen, die mehr grundsätzlicher Art sind und in die Thematik einführen.Erste Feststellung: Hinter all den vielen Zahlen, Statistiken, Übersichten und Schaubildern der Unfallverhütungsberichte verbirgt sich eine Vielzahl von Menschenschicksalen, verbergen sich auch Leid und Tragik, die durch das Unfallgeschehen entstehen. Hinter diesen Statistiken verbergen sich wirklich Lebensschicksale. Dies sollten wir bei der Beratung und bei der Arbeit mit diesen Zahlen immer
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Kellerwieder berücksichtigen. Wir sollten den Menschen, und zwar den arbeitenden Menschen, stärker in den Mittelpunkt stellen.Eine zweite Bemerkung: Die Verhinderung von Unfällen, die Betreuung der Arbeiter und Angestellten im Betrieb kann man als Ursprünge der betrieblichen Sozialpolitik schlechthin bezeichnen. Arbeitsschutzpolitik begann, bevor der Gesetzgeber diesen Bereich zu regeln versuchte.Und eine dritte Bemerkung: Es ist erfreulich, daß neben der Erhaltung der physischen und psychischen Unversehrtheit des arbeitenden Menschen, der Entschädigung des Verletzten oder seiner Hinterbliebenen über die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit sich die Politik in den letzten Jahrzehnten schwerpunktmäßig der Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten zugewandt hat. Bahnbrechend, das darf ich wohl sagen, war das von der CDU/CSU 1963 initiierte und eingeführte Gesetz zur Neuregelung der Unfallversicherung. In diesem Gesetz wurde nicht nur die Verhütung von Arbeitsunfällen in den Vordergrund gestellt, sondern es wurde auch festgelegt, daß die Bundesregierung jährlich einen Unfallverhütungsbericht vorzulegen hat.Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun zu den vorliegenden Unfallverhütungsberichten. Jeder Unfallbericht ist im Grunde genommen mehr oder minder eine Momentaufnahme. Daher ist es für eine sorgfältige Beurteilung notwendig, den Zeitraum etwas weiter zu ziehen und Entwicklungstrends herauszuarbeiten. Die ist vor allem dann dringend erforderlich, wenn aus dem Unfallverhütungsbericht gesetzgeberische Konsequenzen abgeleitet werden sollen. Hier möchte ich besonders auf das Jahr 1979 hinweisen, weil es ein atypisches Jahr war. Dies bestätigt auch der Bericht des Kollegen Cronenberg. Tatsache ist, daß gerade in den ersten Monaten des Jahres 1979 ungewöhnlich lange ungünstige winterliche Witterungsverhältnisse vorherrschten, die sich ganz deutlich in den Unfallstatistiken niedergeschlagen haben.Aussagefähiger als der Unfallverhütungsbericht 1979 und auch der von 1978 sind die Statistiken über das Unfallgeschehen in einem längeren Zeitraum, z. B. von 1970 bis 1980. Hier zeigt sich ein ganz deutlicher Rückgang der insgesamt angezeigten Fälle von 22,4 %, bei den schwereren Fällen von 21,9 % und erfreulicherweise bei den tödlichen Unfällen von 30,4 %. Wenn man den Vergleich auf zwanzig Jahre ausdehnt, nämlich von 1960 bis 1980, so sieht es noch günstiger aus: insgesamt ein Rückgang von 31,4 %, bei den schweren Unfällen um 30,5% und bei den tödlichen Fällen erfreulicherweise um 35,6 %. Insgesamt ist es sicher eine positive Entwicklung.Trotz dieses guten Trends zeigen sich also erst bei einer differenzierenden Betrachtungsweise die heute noch vorhandenen Schwachpunkte im betrieblichen Unfallgeschehen und die eventuellen Ansatzpunkte einer Politik zur weiteren Verhinderung von Unfällen und Berufskrankheiten. Erfreulich ist sicher, daß die tödlichen Unfälle 1979 gegenüber 1978 stark abgenommen haben. Diese Entwicklung darf aber nicht dazu führen, daß die Bemühungen um Verbesserung der Unfallverhütung verringert werden.Der Unfallverhütungsbericht nach § 722 der Reichsversicherungsordnung hat eine dreifache Aufgabe. Er soll einen Überblick über die Entwicklung der Arbeitsunfälle, eine Übersicht über die durch Unfälle verursachten Kosten und eine Zusammenschau über die Unfallverhütungsmaßnahmen geben. Politische und gesetzgeberische Schlußfolgerungen können weniger aus den Globalaussagen des Unfallverhütungsberichtes als aus den Detailstatistiken abgeleitet werden. Der Unfallverhütungsbericht 1979 zeigt — wie auch seine Vorgänger — teils stagnierende, teils abnehmende Trendkurven. Das gilt sowohl für die Unfallzahlen als auch für die angezeigten Berufskrankheiten. In einzelnen Bereichen, nämlich z. B. der Lärm-, Haut- und Silikoseerkrankungen, ergibt sich leider eine steigende Tendenz, was aber zum Teil auch auf die bessere Erfassung dieser Erkrankungen zurückzuführen ist.Bei den Kosten der gesetzlichen Unfallversicherung zeigt sich eine stetige Zunahme, was an sich natürlich ist, von 0,5 Milliarden im Jahr 1949 auf 10,5 Milliarden im Jahr 1979. Die Beschleunigung der Kostenentwicklung — eine Verdoppelung im letzten Jahrzehnt — ist nicht ganz unproblematisch. Trotzdem kann festgestellt werden, daß die gesetzliche Unfallversicherung wohl als einziger Bereich im System der sozialen Sicherung der Bundesrepublik Deutschland noch von Finanzkrisen und größeren Schwierigkeiten frei und demnach nicht von Konzertierungsmaßnahmen und Konsolidierungsmaßnahmen bedroht ist.Ein besonderes Wort noch zu der Schülerunfallversicherung. Hier haben wir eine Steigerung der Unfälle um 7,2 %, der tödlichen Unfälle sogar um 27,5% im Jahr 1979 gegenüber 1978 festzustellen. Die CDU/CSU ist der Auffassung, daß die Unfallverhütung in diesem Bereich dringend noch einer Verbesserung bedarf. Es stellt sich nämlich die Frage, ob die Schulträger und die Schulbehörden den Anforderungen der Unfallverhütung in diesem Bereich gewachsen sind und ob man nicht neue Kriterien entwickeln muß, um die bedenklichen Zahlen von Unfällen von Kindern und Schülern herabzumindern.Die Verhütung von Unfällen geschieht in der Bundesrepublik Deutschland im wesentlichen durch eine Vielzahl von Maßnahmen der Berufsgenossenschaften, der Betriebe und der Gewerbeaufsicht der Länder. Der langfristige und erfreuliche Erfolg bestärkt uns darin, an dieser Pluralität der Institutionen der Unfallverhütungsmaßnahmen festzuhalten. Dieses System der Unfallverhütung, so möchte ich feststellen, hat sich bewährt. Noch bestehende Reibungsverluste und Überschneidungen der Kompetenzen im Unfallverhütungsbereich sind erkannt und sollten so schnell wie möglich behoben werden. Bei der Stärkung und dem Ausbau der Unfallverhütung wird meine Fraktion konstruktiv mitarbeiten.Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung hat einstimmig beschlossen, die Bundesregierung zu ersuchen, den in der Regierungserklärung angekündigten Entwurf eines Arbeitsschutzgesetzes bald vorzulegen. Vorab darf ich hierzu die Mitarbeit unse-
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Kellerrer Fraktion aus dem Selbstverständnis der Bedeutung des Arbeitsschutzes für den arbeitenden Menschen ankündigen. Unser heutiges Arbeitsschutzsystem und das Arbeitsschutzrecht enthalten — ich darf das einmal plakativ darstellen — folgende Komponenten. Wir haben ganz oben das EG-Recht, gefolgt vom nationalen deutschen Recht, Gesetze, Verordnungen des Bundes und der Länder, darunter Unfallverhütungsvorschriften, allgemeine Verwaltungsvorschriften, technische Anleitungen, technische Richtlinien und Regeln der Technik. Wahrhaftig eine „rechtliche Gemengelage", besonders für einen Nichtjuristen etwas unübersichtlich und sicher kompliziert.Wenn zum Teil zu Recht über eine Vielzahl von Vorschriften und Regeln geklagt wird, darf aber auch einmal gefragt werden, ob diejenigen, die diese Vorschriften insgesamt geschaffen haben, nicht selbst in der Lage wären, für mehr Transparenz zu sorgen. Die Unfallversicherungsträger und die Betriebe tragen sicher die Hauptlast der Unfallvergütung. Sie sind aber auch am ehesten in der Lage, Überschneidungen abzustellen und Doppelregelungen abzuschaffen. Ich sage es deutlich: Der Gesetzgeber sollte sich auf die Setzung von Rahmenbedingungen beschränken.Wenn trotzdem ein Entwurf eines Arbeitsschutzgesetzes in die parlamentarische Beratung eingebracht werden soll — wir haben die konstruktive Mitarbeit zugesagt —, so darf ich aber abgrenzend sagen, was dieser Entwurf nicht beinhalten sollte.
— Wir wollen nicht mehr Staat, Herr Kollege, sondern die Selbstverwaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung stärken. Die Berufsgenossenschaft ist ein reines Selbstverwaltungsorgan, das paritätisch mit Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern besetzt ist.
Der bisherige Erfolg war im wesentlichen nur auf Grund der unmittelbaren praktischen Erfahrung der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber möglich.
Arbeiten vor Ort sind praxisbezogen, problemnah, was gerade beim Arbeitsschutz einen ungeheuren Vorzug darstellt. Hinzu kommt die jeweilige, in besonderem Maße vorhandene Branchenkenntnis. Die Befugnis der Selbstverwaltungsorgane, durch Unfallverhütungsvorschriften autonomes Recht zu setzen, die Betriebe zu beraten und zu überwachen — das ist der richtige Weg, und daran sollte man festhalten. Vor allen Dingen muß vermieden werden, daß die Berufsgenossenschaften im Unfallverhütungsbereich zu reinen Entschädigungskassen und Trägern von Rehabilitationsmaßnahmen denaturiert werden. Das wäre ein Rückfall in vergangene Zeiten.Gestatten Sie mir noch einen kleinen Exkurs. In einer Übersicht des Unfallverhütungsberichts 1979 — unter Ziffer 31 — sind die Bußgeldbescheide derTräger der gesetzlichen Unfallversicherung aufgeführt. Wenn im landwirtschaftlichen Bereich hundertmal häufiger als im gewerblichen Bereich ein Bußgeld erhoben wird, so muß schon die Frage erlaubt sein, ob Strafe oder Beratung und vorbeugende Maßnahmen als Unfallverhütungsmaßnahmen erfolgreicher sind. Die Maßnahmen müssen zwar der Betriebsstruktur und den spezifischen Problemen der Branche angepaßt sein, aber gleichwohl sollte Strafe nach unserer Auffassung nach der Aufklärung und den vorbeugenden Maßnahmen kommen bzw. neben sie treten.Ich darf ein weiteres Problem der konkreten Unfallverhütung ansprechen. Nach gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen sind rund ein Drittel der Nachtschichtarbeiter für eine derartige Arbeit aus psychischen und physischen Gründen nicht geeignet. Dieser Tatsache sollte stärker als bisher Rechnung getragen werden. Hier liegt eine Zukunftsaufgabe der Betriebsärzte, die durch stärkere arbeitsmedizinische Erst- und Folgeuntersuchungen und bessere Umsetzung der arbeitsmedizinischen Erkenntnisse in der Praxis auch dieses Problem bewältigen könnten. Nach meiner Auffassung sind die Auswirkungen der Schichtarbeit auf das direkte oder indirekte Unfallgeschehen noch nicht genügend berücksichtigt.Ein Ziel im Bereich des Arbeitsschutzes besteht für uns darin, zu erreichen, daß der arbeitende Mensch seine Rechte und Pflichten kennt und sich deren voll bewußt wird. Zur optimalen Ausgestaltung des Arbeitsschutzes, zur Verbesserung der Unfallverhütung sind aber nicht nur der Gesetzgeber und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung aufgerufen, sondern auch die Arbeitnehmer selbst. Die Eigenverantwortung des Arbeitnehmers darf nicht im Hintergrund stehen. Sie muß vielmehr gestärkt werden. Den Rechten gegenüber den Unfallversicherungsträgern und gegenüber den Betrieben müssen Pflichten, denen der einzelne Versicherte gerecht werden muß, gegenüberstehen. Ohne die entsprechende Motivation läßt sich mit Gesetzen, Vorschriften und Verordnungen allein Arbeitsschutz nicht optimal gestalten.Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich einige Schlußbemerkungen machen. Der Arbeitsschutz ist in unserem Lande voll entwickelt und hat einen hohen Stand. Einen internationalen Vergleich brauchen wir nicht zu scheuen.
Ein Überblick über das Unfallgeschehen der letzten 20 Jahre zeigt eine positive Entwicklung, die es fortzusetzen gilt.Im Auftrag meiner Fraktion darf ich allen Beteiligten für die Bemühungen um verbesserte Unfall- und Arbeitssicherheit für den arbeitenden Menschen unseren herzlichen Dank aussprechen.
Im Arbeitsschutzbereich ist vieles erreicht worden. Trotzdem gibt es noch genug zu tun. Ein großer Teil der Arbeitnehmer ist am Arbeitsplatz immer noch gesundheitsgefährdenden Einwirkungen ausge-
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Kellersetzt: durch Lärm, gesundheitsschädliche Stoffe, Hitze, schlechte Luftverhältnisse, schwere körperliche Arbeit, um nur einige Faktoren zu nennen.Der Abbau dieser Belastungen sowie die stetige weitere Verbesserung der Unfallverhütung, einhergehend mit dem rechten technischen Wandel, müssen auch in Zukunft die wichtigsten Aufgaben auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes bleiben. Die Fraktion der CDU/CSU wird sich darum aktiv bemühen. — Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Urbaniak.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hat sich diesmal sehr intensiv mit dem Unfallverhütungsbericht beschäftigt und auch eine Beschlußempfehlung ausgesprochen. Wir freuen uns alle, daß in diesem Bericht zunächst einmal nachgewiesen ist, daß wir durch die aktive Politik des Bundesministeriums, der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen vor allen Dingen in den letzten zehn Jahren, als die entscheidenden Arbeitsschutzgesetze entstanden sind, die Unfallentwicklung ganz erheblich haben senken können.
Das ist wichtig für das Selbstverständnis, auf diesem Feld nicht nachzulassen, sondern alle Energie aufzubieten, um weiter die Unfallursachen zu erforschen und täglich in den Betrieben und Verwaltungen, in den Schulen und Universitäten zu bekämpfen. Das, so meinen wir, ist unsere Aufgabe, die wir vor allen Dingen mit der Vereinheitlichung der jetzigen Vorschriften zu einem Arbeitsschutzgesetz für die Zukunft intensiv erfüllen müssen.
Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, sind gerade die 70er Jahre ein Kennzeichen dafür, was auf dem Feld der Unfallverhütungsmaßnahmen und der beginnenden Arbeit zur Humanisierung der Arbeitswelt geleistet wurde und wie wir die Träger der Unfallversicherung und die Gewerbeaufsicht in ihr eigentliches Feld der Bekämpfung von Unfallursachen und der Unfallverhütung und -beratung stärker einbauen konnten. Dieses Organ der Selbstverwaltung steht für uns gar nicht in Frage, sondern wir stellen immer wieder die Frage: Wie können wir es noch effektiver machen? Da wollen wir mit Rat und Tat, vor allen Dingen aus dem Erfahrungsschatz der Betriebsräte, den Frauen und Männern, die dort arbeiten, zur Seite stehen.
Die Kosten der Unfallfolgen — die Bundesanstalt in Dortmund hat das einmal zusammengestellt — betragen 30 Milliarden DM. Das ist selbstverständlich eine gewaltige Summe für ein Kalenderjahr. Darin drückt sich natürlich auch aus — das kann man davon ableiten —, daß doch immer noch relativ viele Menschen durch Einwirkungen in ihrer Arbeit — die sie ja in Erfüllung von Verträgen machen — zu Schaden kommen, und zwar durch Unfall und möglicherweise zugleich durch Berufskrankheit.Auch dieses Parlament und der Ausschuß werden wie unsere Fraktion sagen, daß man sich hier in den 70er Jahren Lorbeeren verdient hat, aber wir werden uns darauf nicht ausruhen wollen. Es muß weitergehen. Es gibt Ansporn, auf diesem Wege voranzugehen, damit die Zahl der Unfälle und Berufskrankheiten noch weiter gesenkt wird. Uns ist sie noch viel zu hoch.
Ich will nicht auf das umfassende Zahlenwerk eingehen, das die Unfallberichte enthalten. Das ist ja vom Ministerium — von den dortigen Kolleginnen und Kollegen — sehr eindrucksvoll graphisch und zahlenmäßig dargestellt worden, so daß jeder genügend Material hat, um in seinem Wahlkreis in der Beratung mit den Betrieben, den Betriebsräten und den Gewerkschaften diese Entwicklung darzulegen.
Es ist ein Handlungsbuch, das wir bei unseren Betriebsbesuchen nutzen sollten, um zu fragen: Welche Schlußfolgerungen zieht ihr denn daraus? Wir möchten jeden Tag aufs neue Schlußfolgerungen daraus ziehen.
Sehr viele Personen sind auf dem Gebiet der Bekämpfung der Unfälle und des Herabdrückens der Unfallzahlen beteiligt: die Sicherheitsingenieure, die Sicherheitstechniker, die Meister, die Sicherheitsbeauftragten, die Betriebsärzte, die Gewerbeaufsicht, die technischen Aufsichtsdienste, der Unfallversicherungsträger, die technischen Überwachungsorganisationen. Es sind also sehr viele Personen auf diesem Gebiete tätig. Ich meine, sie alle haben mitgeholfen, daß wir im Rahmen unserer Gesetzgebung gut vorangekommen sind. Ich will noch einmal besonders darauf hinweisen, daß wir Sozialdemokraten uns hier im Plenum vor einem Jahr im Rahmen einer Großen Anfrage besonders ausführlich mit der Humanisierung des Arbeitslebens beschäftigt haben und darüber auch diskutiert haben, weil wir ja im Arbeitsschutz eine umfassende gesellschaftspolitische Aufgabe sehen.Ich möchte hier noch einmal auf die gesetzlichen Maßnahmen aufmerksam machen. Das, was vom Gesetzgeber in diesen Jahren konkret an Handlungsmöglichkeiten für die Betriebe und Verwaltungen und die dort Beschäftigten eröffnet worden ist, muß immer wieder genannt werden: Arbeitssicherheitsgesetz, Röntgenverordnung, Arbeitsstättenverordnung, Arbeitsstoffverordnung, Strahlenschutzverordnung, Jugendarbeitsschutzgesetz, Gerätesicherheitsgesetz.
Es ist ja etwas sehr Eigentümliches passiert. In der Zwischenzeit werden Geräte, wenn sie eine entsprechende Prüfung bestanden haben, mit dem von uns beschlossenen GS-Zeichen — GS steht für „geprüfte Sicherheit" — versehen. Dies scheint wohl ein besonderes qualitatives Produkt zu sein. Wir im Parlament haben einen entscheidenden symbolischen Beitrag durch eine derartige Verwendung von zwei
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UrbaniakBuchstaben mit initiiert, worauf dieses Parlament auch stolz sein sollte.
Ich erinnere an die Verordnung über besonders gefährliche Anlagen. Wir haben in der vorigen Wahlperiode — wir müssen Wert darauf legen, dies hier zu sagen — im Chemikaliengesetz, das ja demnächst in Kraft treten wird, die letzten Lücken auf diesem Feld im Arbeitsschutz geschlossen. Die Fraktionen sind unseren Anregungen gefolgt,
die über das hinausgingen, was die Bundesregierung zu dem Zeitpunkt erkennen konnte. Wir konnten weiter blicken. Hier sei es erwähnt.
Die Durchsetzung humaner Arbeitsbedingungen ist natürlich auch im Betriebsverfassungsgesetz eines der wichtigsten Instrumente, die notwendig sind, um hier weiterzukommen. Wenn wir im Unfallverhütungsbericht besonders vermerken, daß die Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit wohl den Höhepunkt überschritten hat, aber uns diese Zahlen nach wie vor große Sorgen machen, so wirkt doch hier die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung, wie ich meine, sehr gut; sie macht gute Vorschläge und leistet gute Arbeit.Wir haben in unserem Entschließungsantrag im Ausschuß ja klipp und klar gesagt, daß wir wünschen, daß nun die Bundesregierung sehr schnell einen Entwurf für ein einheitliches Arbeitsschutzgesetz vorlegen soll. Das wird ja wohl geschehen. Ausdrücklich ist dieses einheitliche Arbeitsschutzgesetz j a in der Regierungserklärung erwähnt. Es kann nicht darum gehen, daß wir mit diesem Gesetz nur die Statistik verbessern, sondern es muß auch darum gehen, das Aktionsfeld zur Bekämpfung von Unfällen und Berufskrankheiten für die guten Geister zu erweitern, die in den Betrieben nach unserer Geschäftsgebung dazu geschaffen worden sind, vor allem die Betriebsräte.Ich erwähne noch zwei Punkte. Erstens. In Betrieben, wo wir keine Betriebsräte haben, ist — das weist der Unfallbericht aus — die Unfallquote leider besonders hoch. Da muß man nachdenken, was zu geschehen hat. Und wo wir überarbeitet haben, ist die Unfallquote ebenfalls besonders hoch. Man muß daher im Rahmen dieser Vereinheitlichung sehr gründlich auch über die Fragen der Arbeitszeitordnung nachdenken. Die muß ja, da sie völlig veraltet ist, wohl völlig reformiert und auf den modernen Stand gebracht werden.
Dann kommen wir, glaube ich, ein gutes Stück weiter.Wir stimmen der Ausschußvorlage zu und werden uns weiterhin aktiv bemühen, Unfälle und Berufskrankheiten, soweit es in unserer Kraft steht, mit unserer ganzen Phantasie zu bekämpfen. Es geht ja um das Wohl der Arbeitnehmer in unseren Betrieben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Cronenberg.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit Recht, so meine ich, haben die Kollegen Keller und Urbaniak betont, daß die gesetzlichen Maßnahmen für den Arbeitsschutz und die Arbeitssicherheit sich bewährt haben. Dies beweist mir nicht nur der vorliegende Bericht. Dies beweisen mir ganz sicher nicht die vielen Statistiken, denen ich von Haus aus mißtraue. Dies beweist mir insbesondere die Lage in den Betrieben. Denn wer über Arbeitsplätze nicht nur redet, sondern sie in seiner beruflichen Tätigkeit alltäglich erlebt, der weiß, daß das im Bericht konstatierte Ergebnis der Realität in den Betrieben entspricht.Er weiß aber auch, daß manches zu verbessern ist. Die erzielten Erfolge im Bereich des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung sind auch darauf zurückzuführen, daß das Sicherheitsbedürfnis und das Problembewußtsein größer geworden sind und daß dies Rückwirkungen in der Verhaltensweise derer hat, die in den Betrieben an gefährlichen Stellen tätig sind.Es bleibt eine Daueraufgabe, die Schadenshäufigkeit und die gesundheitlichen Risiken zu vermindern. Es bleibt eine Daueraufgabe, für menschengerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitsanforderungen Sorge zu tragen. Den Schutz gegen Unfall- und Gesundheitsgefahren sollte man wo immer möglich verstärken.Man sollte an dieser Stelle auch betonen, daß dies nicht nur einen humanen, sondern durchaus einen ökonomischen Aspekt hat, auf den ich hinweisen möchte; denn daß alle diese Maßnahmen, diese Unfallverhütung, diese Humanisierung der Arbeitsplätze recht verstanden auch zu mehr Wirtschaftlichkeit und zu höherer Effektivität führen — und nach meiner Zielvorstellung auch zu führen haben —, ist wichtig zu betonen. Die Verhinderung von Frühinvalidität, von Arbeitsunfällen sind im Grunde genommen sinnvolle Investitionen. Das rechnet sich, und alles, was in den Betrieben geschieht, sollte sich j a auch rechnen. Wer beim Schutz spart, zahlt halt beim Gesundheitsschaden doppelt drauf, und das wollen wir im Sinne recht verstandener Wirtschaftlichkeit vermeiden.
Höhere Leistung, Effektivität und ausgenutzte Rationalisierung sind in unserer Situation, wie von dieser Stelle schon oft betont, dringend erforderlich.Die richtigen Schutzeinrichtungen an unseren Maschinen sind kein Kostenfaktor, der Verkauf im Export verhindert, sondern sie sind — so weiß ich aus eigener Erfahrung — auch ein Argument für Qualität von Maschinen; steigert also die Exportfähigkeit unserer Wirtschaft, wenn das ganze vernünftig betrieben wird.Alle diese guten Maßnahmen, die auf diesem Sektor betrieben worden sind, ersparen es mir aber nicht darauf hinzuweisen, daß wir es auch in diesem Bereich mit dem heiligen Sankt Bürokratius zu tun haben und daß dieser in bestimmten Bereichen be-
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Cronenbergachtliche Blüten treibt. Mancher theoretisierende Fachbeamte und Sicherheitsapostel nimmt zu wenig Rücksicht auf die Betriebspraktiker, besonders aus der Belegschaft, die gelegentlich sogar durch diese sogenannten Experten zur Verzweiflung getrieben werden.Ich möchte deswegen von dieser Stelle den Appell an die Gewerbeaufsichtsämter richten, die guten Ratschläge und Meinungen der Sicherheitsbeauftragten und der Betriebsräte in den Betrieben mehr zu berücksichtigen, weil sie häufig gleiches für die Sicherheit tun, aber auch die Praktikabilität berücksichtigen. Dieses Urteil von Betriebsräten und Sicherheitsbeauftragten aus den Betrieben ist eben häufig sachdienlicher als manche theoretische Überlegung.
Wie eingangs bemerkt: Die bisher verwirklichten gesetzlichen Maßnahmen zur Arbeitssicherheit und zum Arbeitsschutz haben sich inhaltlich bewährt und entscheidend zu den erreichten Verbesserungen beigetragen. Bei aller Kritik an einzelnen Erscheinungen kann nicht übersehen werden, daß unser Arbeitsschutzsystem die positiven Ergebnisse nicht nur in den Statistiken, sondern tatsächlich erbracht hat.Bei der Weiterentwicklung des Arbeitsschutzes wird es also nicht um neue große gesetzgeberische Maßnahmen für den Arbeitsschutz gehen. Die Aufgabe besteht vielmehr darin, eine Vereinheitlichung des zersplitterten Arbeitsschutzrechts zu erreichen, das bisher geschaffene Instrumentarium übersichtlicher und damit wirkungsvoller zu gestalten, Doppelgleisigkeiten und bürokratischen Unsinn zu verhindern.Im Interesse der Übersichtlichkeit, Allgemeinverständlichkeit und sachgerechten Handhabung des umfangreichen Vorschriftenwerkes muß in besonderem Maße auf eine Vereinfachung und größere Verständlichkeit hingewirkt werden. Erfahrungen haben gezeigt, daß die unmittelbar Betroffenen durch ihre Verbindung zur Arbeitswelt hierbei am besten geeignet sind, die ihnen zugewiesenen Aufgaben auf dem Gebiet der Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten unbürokratisch zu praktizieren.Wenn die bisherige Arbeit erfolgreich fortgesetzt werden soll, müssen die Kompetenz und der vom Gesetzgeber der Selbstverwaltung eingeräumte Gestaltungsspielraum auch in Zukunft erhalten bleiben und womöglich ausgebaut werden. Zur effektiveren Gestaltung des dualen Systems des Arbeitsschutzes bedarf es aber einer klaren Aufgabenabgrenzung zwischen Staat und Selbstverwaltung hinsichtlich der Rechtsetzungsbefugnis und der zugehörigen Aufsichtstätigkeit, um die bisherigen Überschneidungen zu vermeiden.Wir bejahen also die Vereinheitlichung dieses Arbeitsschutzrechtes, und wir wünschen uns, wie Herr Urbaniak gesagt hat, daß die guten Geister aus den Betrieben diese Arbeit unterstützend und gestaltend begleiten können. Ich wünsche mir auch — auch aus leidvoller Erfahrung —, daß mancher Ungeist aus den Gewerbeaufsichtsämtern ein wenig von diesen Praktikern lernt. — Herzlichen Dank für Ihre Geduld.
Das Wort hat Herr Bundesminister Ehrenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich sehr für die ausführliche Diskussion hier im Parlament. Der Unfallverhütungsbericht der Bundesregierung ist aus gutem Grund Anlaß, ein wenig breiter und ein wenig mehr über Arbeitsschutz zu reden, als es sonst geschieht. Es ist besonders erfreulich, daß Arbeitsschutz heute nicht mehr nur ein Thema für Experten ist und auch nicht nur unter dem Gesichtspunkt, daß er Geld kostet, gesehen wird.
Es hat sich inzwischen weitgehend herumgesprochen und ist jederzeit nachweisbar, daß viele im ersten Durchgang kostenträchtige Investitionen für mehr Arbeitsschutz bei mehr als nur kurzfristiger, betriebswirtschaftlicher Rechnung in der volkswirtschaftlichen Bilanz natürlich einen ganz dicken Aktivposten darstellen. Wir müssen die wirtschaftlichen Folgekosten für Unfälle immer noch auf rund 30 Milliarden DM im Jahr schätzen. Schon allein deswegen ist zu betonen, daß Arbeitsschutz zwar eine vorrangig humanitäre Aufgabe ist, gleichzeitig aber auch ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft.Wenn wir den Erfolgen der Unfallstatistik nachspüren, können wir feststellen, daß in den letzten zehn Jahren beispielsweise die Zahl der tödlichen Unfälle um 2 600 pro Jahr reduziert werden konnte. Das ist in diesem Jahrzehnt eine Abnahme um rund 35 %. Trotzdem sind die verbleibenden rund 4 000 Unfalltoten pro Jahr immer noch viel zuviel und eine Mahnung, in dem Bemühen um mehr Arbeitsschutz nicht nachzulassen.
Leider müssen wir auch — nicht bei den tödlichen Unfällen, aber bei den anderen, leichteren — feststellen, daß die Anfang der 70er Jahre sehr steile Abwärtskurve nachgelassen hat. 1980 haben wir bei der Gesamtzahl gegenüber 1979 nur noch eine Abnahme um 1 %, was uns dazu verpflichtet, uns noch sorgfältiger als bisher um einen weiteren Ausbau, eine weitere Verbesserung zu bemühen.Ich möchte die Gelegenheit benutzen, auf einige der Vorschriften aus den letzten zehn Jahren nochmals aufmerksam zu machen, mit denen wir Arbeitsschutz und damit Umweltqualität am Arbeitsplatz vorangebracht haben.Erstens ist die innerbetriebliche Arbeitsschutzorganisation infolge des Arbeitssicherheitsgesetzes weit ausgebaut worden. Es sind heute gegenüber 1973 70 000 Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit tätig gegenüber damals 1 500 und rund 11 000 Betriebsärzte gegenüber damals 2 000.
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Bundesminister Dr. EhrenbergZweitens ist der Schutz vor Unfallgefahren durch Maschinen und Geräte durch das Gerätesicherheitsgesetz wesentlich verbessert worden.Drittens sind in der Arbeitsstättenverordnung die Anforderungen an einen sicheren, menschengerechten und menschenwürdigen Arbeitsplatz festgelegt worden.Viertens werden die Arbeitnehmer heute vor gefährlichen Arbeitsstoffen besser geschützt. Die Arbeitsstoffverordnung setzt hier verbindliche Daten. Mit dem Chemikaliengesetz bekommen wir in Zukunft auch die Gefahren gesundheitsschädigender Stoffe besser in den Griff.Einfügen möchte ich an dieser Stelle einen Dank an die Kollegen des Haushaltsausschusses dafür, daß sie bereit gewesen sind, hier trotz der Enge der öffentlichen Finanzen die notwendigen Stellen zu bewilligen, damit die Überwachung der Chemikalien in Gang kommt.
Meine Damen und Herren, gesetzliche Maßnahmen allein reichen aber nicht aus. So hat die Bundesregierung zusätzliche administrative Entscheidungen getroffen, als wichtigste zu Beginn der 70er Jahre die Einrichtung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung und im vergangenen Jahr die Gründung des Bundeszentrums zur Humanisierung des Arbeitslebens, um für die konkrete betriebsnahe Umsetzung der Forschungsergebnisse sorgen zu können.Ich möchte dankbar feststellen, daß auch die Gewerbeaufsichtsämter und vor allen Dingen die Berufsgenossenschaften mit einer Vielzahl von ergänzenden Maßnahmen zu diesen Erfolgen beigetragen haben. Aber nicht zuletzt sind die Betroffenen selbst zu nennen, die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften. Nur mit deren intensivem Bemühen ist es möglich, im Arbeitsschutz voranzukommen.Ich bin dafür dankbar, daß von den Fraktionen die Idee eines umfassenden Arbeitsschutzgesetzes so positiv aufgenommen worden ist. Die Tatsache, daß der Arbeitsschutz seit 1891 einen Abschnitt in der Gewerbeordnung bildet, ist wohl allein schon Legitimation genug, hier nach einer modernen, fortschrittlichen Regelung zu streben.Die gründlichen Untersuchungen, die wir in den letzten Jahren angestellt haben, bestätigen, daß Richtlinien, Anweisungen, Merkblätter und Sicherheitsregelungen, daß all diese wohlgemeinten Papiere einer gründlichen Zusammenfassung bedürfen und daß hier mehr Transparenz notwendig ist. Das hat dazu geführt, daß Bundeskanzler Helmut Schmidt in der Regierungserklärung vom 24. November 1980 ein Arbeitsschutzgesetz für diese Legislaturperiode angekündigt hat.Es muß nach unseren Vorstellungen in Zukunft jeder Arbeitnehmer, gleichgültig ob in der gewerblichen Wirtschaft, in der Landwirtschaft oder im öffentlichen Dienst, den gleichen umfassenden Arbeitsschutz haben. Ich vermochte nie einzusehen, daß die Arbeitsstättenverordnung z. B. für den Kraftfahrzeugmechaniker in einem privaten Betrieb gilt, aber die gleiche Tätigkeit in einem kommunalen Unternehmen anderen Vorschriften — oder manchmal sogar keinen — unterliegt. Hier ist eine Einheitlichkeit der Anforderungen an Licht, Raumtemperatur, Lärm und anderes herzustellen.Auch die Arbeitsschutzpflichten der Arbeitgeber müssen klar und eindeutig im Arbeitsschutzgesetz festgelegt werden, und zwar entsprechend den Betriebsstrukturen. Vor allen Dingen müssen wir für eine klar erkennbare betriebliche Verantwortungskette für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer sorgen.Die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer in allen Arbeitsschutzangelegenheiten sind dort klar zu umreißen. Ein Recht des Arbeitnehmers zur Beschwerde über unzuträgliche Arbeitsbedingungen muß ebenfalls festgelegt werden. Es kann ja wohl nicht der Zustand bestehenbleiben, daß, wie es vor einiger Zeit in Baden-Württemberg möglich war, ein Urteil gefällt worden ist, das eine Kündigung eines Arbeitnehmers bestätigt hat, weil er sich wegen befürchteter Gesundheitsschäden an seinem Arbeitsplatz an die Gewerbeaufsicht gewandt hatte, nachdem er im Betrieb kein Gehör gefunden hatte.
Hier ist vieles zu tun. Die Vorarbeiten sind eingeleitet. Aber ich möchte ausdrücklich das betonen, was hier auch schon von den Sprechern der Fraktionen gesagt worden ist: Es geht nicht um eine grundlegende Änderung der Arbeitsschutzaufsicht. Wir wollen eine bessere Zusammenarbeit von Gewerbeaufsicht und Berufsgenossenschaften. Aber bei allem Respekt vor der dort geleisteten Arbeit bleibt voll anzuerkennen, wie gut die paritätisch besetzte Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaften gearbeitet hat, und niemand denkt daran, deren Befugnisse irgendwo zu beschneiden; im Gegenteil, überall dort, wo es geht, werden wir die Möglichkeiten der Selbstverwaltung stärken.Die heute hier vorliegende Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, mit der die Regierung ersucht wird, den angekündigten Entwurf eines neuen Arbeitsschutzgesetzes bald vorzulegen, wird uns, meine Mitarbeiter und mich, bei unserer Arbeit beflügeln. Sie können damit rechnen, daß wir bald an Sie herantreten werden.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung in Drucksache 9/555 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Damit ist diese Beschlußempfehlung des Ausschusses einstimmig angenommen.
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Vizepräsident WindelenIch rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDPSozialversicherungswahlen— Drucksache 9/577 —Das Wort wird nicht gewünscht.Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und FDP auf Drucksache 9/577 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Der Antrag ist damit einstimmig angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:a) Beratung des Bericht des Petitionsausschusses
Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag.Die Tätigkeit des Petitionsausschusses desDeutschen Bundestages im Jahre 1980— Drucksache 9/549 —b) Beratung der Sammelübersicht 13 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 9/520 —c) Beratung der Sammelübersicht 14 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 9/551 —d) Beratung der Sammelübersicht 15 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 9/582 —Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Redezeit von 60 Minuten vereinbart worden. Ich sehe, das Haus ist damit einverstanden.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Berger.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Als Vorsitzende des Petitionsausschusses möchte ich einige allgemeine Bemerkungen zur Tätigkeit des Ausschusses machen. Zu den Schwerpunkten der Petitionsbearbeitung werden nachher meine Kollegen Stellung nehmen.Erstens. Bei der Debatte über den Jahresbericht 1979 am 18. Juni 1980 war die Regierungsbank gut besetzt, nahezu vollständig besetzt. Das war auch angemessen, denn die Eingaben der Bürger richten sich letztendlich an alle Ressorts der Bundesregierung.
Zu meinem Bedauern, ich muß schon sagen, zu meiner Empörung, sehe ich hier nur den Herrn Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. Ich gehe davon aus, daß das nicht nur zufällig deshalb so ist, weil er in der vergangenen Debatte gesprochen hat, sondern daß es ihm ein Anliegen ist, hier zu sein.
Ich muß schon sagen, ich halte es für ein starkes Stück, daß die Vertreter der anderen Ressorts nicht hier sind. Insoweit bitte ich dringend darum, daß wir bei der Debatte über den nächsten Jahresbericht Vertreter aller Ressorts auf der Regierungsbank sehen. Auch für diesen Zweck gibt es das Institut der Parlamentarischen Staatssekretäre.
Zweitens. Wir feiern heute sozusagen eine Premiere. Zum erstenmal in der Geschichte des Deutschen Bundestages debattieren wir über den Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses, weil die Geschäftsordnung dies zwingend vorschreibt. Bei den Jahresberichten 1977/78 und 1979 mußten wir den Umweg nach § 127 der alten Geschäftsordnung gehen. Die ersten Jahresberichte 1973/74 und 1975/76 gingen als Broschüren des Presse- und Informationszentrums des Deutschen Bundestages sogar am Deutschen Bundestag, am Parlament vorbei. Ich bin froh darüber, daß für den Petitionsausschuß nun wenigstens dieses Feld für die Zukunft gut bestellt ist.Drittens nehmen wir heute Abschied von einem seit Bestehen des Petitionsausschusses geübten Verfahren. Ein Blick auf die Seite 48 unseres Berichtes, den ich Ihnen hiermit empfehle, zeigt Ihnen, daß die eingegangenen Petitionen nach Sachgebieten geordnet sind. Ich meine, daß jedermann klar ist, daß diese Gliederung, wie sie hier steht, nun wirklich nicht allzuviel hergibt; sie ist für Außenstehende und selbst für Eingeweihte — mich eingeschlossen— zum Teil einigermaßen verwirrend.
— Ich komme gleich dazu. — Im Petitionsausschuß fragen wir selbstverständlich immer wieder danach, ob bisherige Verfahren richtig und zweckmäßig sind oder nicht. Sind sie es nicht, ist der Wechsel fällig. Seit dem 1. Januar richtet sich die Zuständigkeit der Referate des Ausschußbüros nunmehr nach den Ressorts innerhalb der Bundesregierung. Ich bin sicher, daß sich diese Regelung aus einer Reihe von Gründen als vorteilhaft erweisen wird.Viertens: Der Tätigkeitsbericht 1980 behandelt nur das letzte Jahr der 8. Wahlperiode. Weil wir im Jahr 1981 als Mitglieder des Petitionsausschusses im Bundestag das Wort noch nicht genommen haben, möchte ich an dieser Stelle wenigstens einen kurzen Hinweis auf das Zahlenwerk der gesamten 8. Wahlperiode geben:In dieser 8. Wahlperiode erreichten uns fast 50 000 Petitionen. Das heißt also, daß sich Woche um Woche fast 250 Bürger an das Parlament gewandt haben. Hinzu kommen etwa 250 000 Unterschriften unter Sammelpetitionen, insbesondere zu Fragen des Tierschutzes und des Umweltschutzes. Mein Kollege Maaß wird darauf eingehen.
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Frau Berger
Das Zahlenwerk der 8. Wahlperiode ist im übrigen im Vergleich zu dem Zahlenwerk vorangegangener Wahlperioden nahezu unverändert. Etwa jede vierte Eingabe wird zuständigkeitshalber an die Petitionsausschüsse der Landtage abgegeben. In etwa 9 % der Fälle konnte dem Anliegen voll entsprochen werden. In rund 30 % der Eingaben konnte durch Rat und Hinweise oder Weiterleitung an zuständige Stellen geholfen werden. Etwa 15 % der Eingaben waren nach Art. 17 des Grundgesetzes parlamentarisch nicht behandelbar, weil beispielsweise politische Meinungen vorgetragen wurden oder eine Abänderung von Gerichtsurteilen verlangt wurde oder weil die Eingaben — dies aber nur in etwa 3 % der Fälle — kein erkennbares Anliegen enthielten oder anonym waren.Mit anderen Worten: In rund der Hälfte aller Fälle konnten gegen die Entscheidungen der Verwaltung Einwände nicht erhoben werden. Dies spricht für den Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Das möchte ich ausdrücklich festhalten.Fünftens: Die Neufassung der Geschäftsordnung hat auch für die Arbeit des Petitionsausschusses eine Reihe von Änderungen gebracht. Ich nenne hier als wesentlichen Punkt nur die Beteiligung der Fachausschüsse an der Bearbeitung der Petitionen. In der Vergangenheit wurden Petitionen, zu denen Gesetzesentwürfe in den Ausschüssen vorlagen, an die Fachausschüsse abgegeben und wurden im Anschluß an die dritte Lesung im Deutschen Bundestag für erledigt erklärt. Das neue Verfahren sieht vor, daß der Fachausschuß zu den Petitionen, die einen Gegenstand seiner Beratung betreffen, vom Petitionsausschuß um eine Stellungnahme gebeten wird, die es dem Petitionsausschuß dann ermöglicht, dem Bundestag eine Beschlußempfehlung vorzulegen und dem Einsender einen abschließenden Bescheid zu erteilen. Erfahrungen mit diesem neuen Verfahren bleiben abzuwarten. Wir werden zu einem späteren Zeitpunkt berichten.Sechstens: Die Zusammenarbeit mit dem Wehrbeauftragten beruht auf einer Vereinbarung mit dem Wehrbeauftragten aus dem Jahre 1975. Die Zusammenarbeit verläuft reibungslos. Ich will aber anmerken, daß sich die Zahl der Petitionen aus dem Verteidigungsbereich erhöht hat: 1977 hatten wir 502 Angaben aus diesem Bereich, 1979 waren es 660; die Tendenz ist steigend. Auch die Qualität hat sich verändert. Während sich früher viele Mitbürger im Zusammenhang mit der Wehrdienstverweigerung oder mit der Zurückstellung vom Wehrdienst an den Ausschuß gewandt haben, gehen jetzt mehr Petitionen aus der Truppe ein — erstmals in der Geschichte des Bundestages, dem Petitionsausschuß gegenüber, übrigens auch aus der Marine.Siebentes ein offenes Wort: Ich bin immer noch nicht sicher, ob denen, die sich an den Petitionsausschuß wenden, wirklich keinerlei Nachteile entstehen. Zwischen den zuständigen Staatssekretären der Bundesregierung und dem Petitionsausschuß besteht jedenfalls volle Einigkeit darüber, daß selbstverständlich jede Benachteiligung dieser Art verfassungswidrig wäre und entsprechende Folgen hätte.Achtens zur Zusammenarbeit mit den Ressorts: Es gibt Ressorts — hierzu gehören vor allem der Bundesminister der Justiz, der Bundesminister der Finanzen und das Bundesversicherungsamt in Berlin —, die innerhalb der gestellten Fristen klare und qualifizierte Stellungnahmen abgeben, bei denen sich Rückfragen erübrigen. Dafür bedanken wir uns.
Leider gibt es Gegenbeispiele. Hierzu gehören im Bundesministerium der Verteidigung verschiedene Referate, die Fristen ohne Begründung zuweilen um das Doppelte überschreiten,
die Möglichkeit der Weisungsbefugnis nachgeordneten Behörden — wie z. B. Wehrbereichsverwaltungen — gegenüber nicht wahrnehmen, zum Teil unzutreffende Auskünfte geben, Zusagen nicht einhalten oder den Ermessensspielraum nicht voll ausschöpfen. Ich registriere aber, daß die Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung diese Probleme sieht. Ich lade erneut dazu ein, für Abhilfe zu sorgen.Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat uns kürzlich in die Verlegenheit gebracht, im Zusammenhang mit Petitionen zum Transport von Schlachtpferden von Polen nach Frankreich durch die Bundesrepublik insgesamt fünf Stellungnahmen anzufordern. Es geht einfach nicht an, daß ein Ministerium jeweils nur auf gestellte Fragen antwortet und im übrigen erst einmal abwartet.
Das Parlament — hier: sein Petitionsausschuß — hat Anspruch darauf, umfassend und ohne besonderen Zeitaufwand unterrichtet zu werden.Neuntens, abschließende Feststellung: Insgesamt habe ich mich als Vorsitzende des Petitionsausschusses für die Zusammenarbeit mit den Obersten Bundesbehörden — auch im Namen meiner Kollegen — zu bedanken.
Die Zusammenarbeit verläuft in der Regel reibungslos, und wir haben den Eindruck, daß sich die zuständigen Beamten in den Ressorts darum bemühen, gemeinsam mit dem Ausschuß auch in schwierigen Fällen nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Meinen Dank an die Mitarbeiter der Ressorts verbinde ich mit dem Dank an die Kollegen und Kolleginnen des Petitionsausschusses, auch an die nach der 8. Wahlperiode ausgeschiedenen, und an die Mitarbeiter des Ausschußbüros für ihre Mühe bei der Bearbeitung der Eingaben.
Vor allem aber habe ich — insoweit im Namen des Deutschen Bundestages — den Bürgern für das Vertrauen zu danken, das sie ihrem Parlament entgegenbringen. Wir werden weiterhin dafür einstehen, daß sich der Bürger auf sein Parlament verlassen kann. — Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Ginnuttis.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Zunächst möchte auch ich mich dafür bedanken, daß die heutige Tagesordnung es ermöglicht, daß der Petitionsausschuß und damit die Arbeit dieses Ausschusses einmal mehr in den Blickpunkt des gesamten Parlaments gerückt werden kann — oder könnte!
Damit besteht die Möglichkeit, so hoffe ich, daß dem Ausschuß und damit der Arbeit des Ausschusses in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit verschafft wird.Als Neuling dieses Parlaments habe ich unter anderem feststellen können, daß es um die Mitgliedschaft in verschiedenen Ausschüssen starke Bemühungen gibt, oftmals sogar Gerangel gibt. Der Petitionsausschuß gehört nach meiner Feststellung offenbar nicht zu diesen Ausschüssen. Das mag Gründe haben, Gründe, die jeder von uns kennt. Ich kann es mir ersparen, darauf näher einzugehen. Es kann daran liegen, daß sich die öffentlichen Medien wenig für den Petitionsausschuß interessieren und somit die Arbeit dieses Ausschusses mehr unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindet. Hier werden j a auch nicht die großen und entscheidenden nationalen und internationalen Fragen unseres Landes diskutiert und zur Entscheidung vorbereitet. Hier werden nur die kleinen und großen Sorgen des Wählers, des Bürgers unseres Landes beraten und guten Lösungen, so hoffe ich, zugeführt. Ich möchte nicht unerwähnt lassen, daß der Petitionsausschuß eigentlich nur wenig für die immer wieder schmackhaft zubereiteten Auseinandersetzungen in den Parteien und zwischen den Parteien hergibt. Auch darum mangelt es wahrscheinlich am Interesse der Medien und der breiten Öffentlichkeit.Der Petitionsausschuß befaßt sich, wie gesagt, ganz einfach und bescheiden mit den kleinen und großen Sorgen der Hilfesuchenden, der Menschen unseres Landes, des einzelnen Menschen, aber auch der verschiedenen Gruppen von Menschen. Nach unserem Grundgesetz hat jedermann das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden, also an das Parlament, an uns. Jeder also, unabhängig vom Alter, unabhängig von der Staatsangehörigkeit, kann seine Beschwerden, Vorschläge, Anregungen und Forderungen beim Parlament vorbringen. Er bzw. sie muß nur in der Lage sein, das Begehren in verständlicher Formulierung schriftlich mitzuteilen. Dazu kann man sich auch eines Dritten bedienen. Der Petitionsausschuß kann also für jeden, der sich durch Gesetze oder Verwaltungsentscheidungen unberechtigt beschwert fühlt, ein guter Anwalt sein. Er kann vielen Hilfesuchenden, die sich im Labyrinth der Bürokratie nicht mehr zurechtfinden, oftmals einen zum Ziel führenden Weg weisen.Es kann also eine lohnende und eine schöne Aufgabe sein, im Petitionsausschuß mitzuarbeiten. Mit der gewissenhaften Wahrnehmung unserer Aufgaben können wir nämlich dem Hilfesuchenden das Gefühl, vielleicht aber auch die Gewißheit geben, daß er nicht hilflos dem Staat und seinen Institutionen ausgeliefert ist. Es liegt viel an uns und an unserer Arbeit, dem Bürger die Überzeugung zu nehmen, daß „die da oben ohnehin machen, was sie wollen".Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Die zügige, gewissenhafte Arbeit des Petitionsausschusses kann mit dazu beitragen, Staatsverdrossenheit abzubauen und das Vertrauen zum Staat zu festigen.
Wir müssen uns bei unserer Arbeit auch ständig bemühen, jeden zu ermutigen, seine Anliegen rechtzeitig vorzubringen. Es ist meines Erachtens besser, sich einmal mehr als einmal zu wenig zu äußern. Das soll allerdings nicht heißen, daß man den Ehrgeiz haben sollte, Stammkunde des Petitionsausschusses zu sein.Was in den Augen anderer nur eine Lappalie ist, kann für den jeweilig Betroffenen momentan die wichtigste Sache der Welt sein. Daran, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sollten wir bei unserer Arbeit immer wieder denken.Die Vielfalt der Petitionen macht auch deutlich, wo nicht gewollte Haken und Ösen der Gesetze versteckt sind. Aus diesen Erkenntnissen können sich wiederum Anstöße für die weitere Gesetzesarbeit ergeben. Ein Blick in den hier zur Beratung anstehenden Jahresbericht gibt hierzu einige interessante Informationen:So ist z. B. für den Sozialbereich, der einen breiten Raum dieses Berichts einnimmt — die Frau Vorsitzende hat darauf hingewiesen —, festzustellen, daß es mit den Rentenansprüchen im Ausland immer wieder Probleme gibt, deren Lösung nach meiner Einschätzung eine Daueraufgabe sein wird. Zwar kann der Petitionsausschuß hier auf manchen Erfolg hinweisen. Die Schwierigkeiten werden jedoch nach meiner Einschätzung nicht weniger. Die im Bericht erwähnte gute internationale Zusammenarbeit des Ausschusses — das möchte ich besonders erwähnen — läßt hoffen, daß die Bemühungen auf diesem Gebiet erfolgreich sein werden.Auch das Gutachterwesen hat immer wieder Anlaß zu Klagen gegeben und wird mit Sicherheit weiterhin Grund für zahlreiche Petitionen sein. Die mangelnde Sorgfalt, aber auch die Zeitdauer bei der Erstellung von Gutachten werden in erster Linie Anlaß für zahlreiche Beschwerden sein. Bei allem Verständnis für die Gutachter scheint mir allzu oft vergessen zu werden, daß hier in der Regel Menschenschicksale berührt sind.
In diesem Zusammenhang ist erfreulicherweise festzustellen, daß der Ausschuß dennoch auf diesem Gebiet einige Erfolge zu verzeichnen hat. Wir sollten in der Arbeit bei unserem Bemühen auf diesem Gebiet nicht locker lassen.In Verbindung mit dem Gutachterwesen sollte erwähnt werden, daß viele Menschen über die Unter-
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2566 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981
Ginnuttisschiede bei der Feststellung der Erwerbsminderung nach dem Kriegsopferrecht einerseits und nach dem Rentenrecht andererseits klagen. So kann es z. B. sein, daß jemand vom Versorgungsamt eine 80- bis 100 %ige Erwerbsminderung bescheinigt bekommt, jedoch noch keine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erhält. Dies ist natürlich für den einzelnen schwer verständlich. Da jedoch beide Rechtsgebiete eine verschiedene Zielsetzung haben, sieht der Ausschuß keine Veranlassung, hier auf eine Änderung hinzuwirken. Er hält es wohl für zweckmäßig, klar zu unterscheidende Rechtsbegriffe zu schaffen. Deshalb wurde der Sachverhalt der Bundesregierung als Material überwiesen.Das Kindergeld beispielsweise bietet eine breite Palette von Problemen und Unzulänglichkeiten, so daß manche Petition der Bundesregierung zur Erwägung und gar zur Berücksichtigung überwiesen werden mußte. So hat sich z. B. — das ist ein Fall aus der jüngsten Vergangenheit — jemand darüber beschwert, daß er für seine verheiratete Tochter Kindergeld bekommt, obwohl der Ehemann der Tochter und er selber über ein ansehnliches Einkommen verfügen. Diese Eingabe wurde der Bundesregierung als Material überwiesen. Ich kann nur hoffen, daß diesem Mann geholfen werden kann, aber vielleicht auch anderen geholfen werden kann. Das wäre sehr zu wünschen.
Die Zunahme von Petitionen im Bereich des Umweltschutzes und im Bereich des Tierschutzes — Frau Vorsitzende Berger hat darauf hingewiesen — ist nach meiner Auffassung ein erfreuliches Zeichen für das gestiegene Umweltbewußtsein. Ich möchte erwähnen — der Kollege Maaß wird ausführlich darauf eingehen —, daß in diesem Zusammenhang als besonders erfreulich festzustellen ist, daß eine Petition bezüglich des Transportes von Schlachtpferden vorliegt, die von über 200 000 Bürgern unterzeichnet worden ist. Wie gesagt, das ist ein erfreuliches Zeichen. Der Kollege Maaß wird in seinem Redenbeitrag weiter darauf eingehen.Für den Erfolg von Petitionen kommt es wesentlich darauf an, daß der Petitionsausschuß rechtzeitig eingeschaltet wird. Sind bereits einmal Entscheidungen gefallen, wird jedes Bemühen erschwert sein.Zur Vermeidung von Präzedenzfällen ist es auch nicht ratsam, da, wo mit Wollen des Gesetzgebers die Entscheidungskompetenzen aus betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten bei staatlichen Einrichtungen liegen, im Einzelfalle einzugreifen. Dies gilt insbesondere für Maßnahmen von Bundespost und Bundesbahn.Der vorliegende Bericht zeigt, daß nicht immer geholfen werden konnte. Mancher Petent mußte enttäuscht werden. Oft kann nach meiner Überzeugung aber schon ein guter Rat oder das richtige Verständnis für die Probleme des Petenten eine brauchbare Hilfe sein. Schnelle, aber sorgfältige Bearbeitung der Eingaben und eine umfassende plausible Begründung jeder Entscheidung sind geeignet, dem Petenten die Gewißheit zu geben, daß wir seine Anregungen und Sorgen ernst nehmen. Dazu ist eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Ausschuß, Regierung und den von uns angesprochenen Institutionen dringend erforderlich.Wenn auch nicht alles zur vollen Zufriedenheit gelang — was ist im Leben schon vollkommen? —, so ist meines Erachtens ein Dank für das Bemühen um gute Zusammenarbeit bei allen beteiligten Stellen angebracht.
Was wäre der Petitionsausschuß aber ohne die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschußbüros! Ich meine, auch hier ist ein dicker Dank nochmals angebracht.
Nichts aber — das gilt für alle Beteiligten — ist so gut, daß es nicht noch verbessert werden könnte. Auch wir sollten uns bemühen, unsere Arbeit im Interesse des Bürgers zu verbessern.
Wir sollten uns — das möchte ich abschließend feststellen — auch weiterhin bemühen, die Interessen vieler Hilfesuchender wahrzunehmen. Der Bürger hat meines Erachtens einen Anspruch darauf, daß seine Sorgen auch unsere Sorgen sind. Wir können nur Erfolg haben, wenn wir füreinander Verständnis aufbringen und möglichst verantwortungsvoll zusammenarbeiten. — Ich bedanke mich.
Das Wort hat der Abgeordnete Funke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ginnuttis hat eben schon ausgeführt, daß die Arbeit im Petitionsausschuß, obwohl sie umfangreich ist, sehr viel Freude macht, weil man dort nämlich unmittelbar mitgestalten und vor allem auch mithelfen kann. In keinem anderen Ausschuß des Bundestages, meine ich, müssen so viele Akten mit individuellem Charakter bearbeitet werden, wie im Petitionsausschuß.Dafür sieht man aber auch in keinem anderen Ausschuß des Bundestages so intensiv, wo dem Bürger der Schuh drückt und wo er Hilfe verlangt. Wir sehen in keinem Ausschuß so schnell, wo die Legislative, also wir selbst, im Gesetzeswerk Fehler oder Lücken gemacht bzw. gelassen hat. Je mehr Beschwerden zu einem bestimmten Rechtsgebiet erhoben werden, desto eher kommen wir zu dem Ergebnis, daß irgendeine Lücke bestehen muß, daß wir an dem eigentlichen Gesetzeszweck „vorbeigedacht" haben.Ich bin sehr froh darüber, daß immer mehr Bürger — mehr denn je — von ihrem verfassungsrechtlichen Anspruch Gebrauch machen und den Petitionsausschuß anrufen. Das ist meines Erachtens auch ein Indiz dafür, daß der Bürger der anonymen Bürokratie mehr und mehr Skepsis entgegenbringt und natürlich hofft, daß der Petitionsausschuß ihm in dieser Lage behilflich ist.
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FunkeDas ist sicherlich — das möchte ich einmal ganz offen sagen, auch im Namen meiner Kollegen — ein Verdienst der Vorsitzenden Frau Berger, die sich in vorbildlicher, aufopfernder Weise um diesen Ausschuß und die auf ihm zukommenden Aufgaben kümmert.
Der Petitionsausschuß hat sich im Jahre 1980 mit einer Vielzahl von Fragen auf dem Gebiet des Steuerrechts und des Lastenausgleichs beschäftigen müssen. Eine Reihe von Fragen konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Das betrifft vor allem die Eingangsabgaben für Betäubungsmittel bei Drogenabhängigen und bei Kriegssachschäden deutscher Staatsangehöriger in Italien. Lassen Sie mich an dieser Stelle auch sagen: Für einen jüngeren Abgeordneten ist es geradezu bedrückend, daß 36 Jahre nach Kriegsende noch so viele Probleme auf dem Gebiet der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts bestehen.
Hier sollten wir fernab von möglichen gesetzlichen Ansprüchen bedenken, daß bestehende Härtefälle großzügig geregelt werden sollten. Finanzielle Hilfe ist das mindeste, was wir bei all dem Leid leisten können, das diese Personengruppen in jenen Jahren erlitten haben.
Der Petitionsausschuß beschäftigte sich in letzter Zeit häufiger mit Problemen deutscher Auslandsrückkehrer. Die Wiedereingliederung dieser deutschen Volkszugehörigen stellt ein großes Problem dar, auch wenn es in der Öffentlichkeit nur wenig in Erscheinung tritt. Hier werden der Bundestag und vor allem der Petitionsausschuß aufgefordert sein, in Zukunft unbürokratische Regelungen zu finden; denn gerade diese Menschen haben wenig Verständnis dafür, daß ihnen bei ihrer Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland zumindest aus ihrer Sicht unverständliche Schwierigkeiten bereitet werden.
Auf dem Gebiet des Steuerrechts standen im Jahre 1980 entsprechend der öffentlichen Diskussion zwei Fragen im Vordergrund: 1. die Anregung, der Gesetzgeber möge die Kilometerpauschale erhöhen, 2. die Forderung, daß die Kapitalerträge steuerfrei bleiben sollten.Zunächst zur Kilometerpauschale. Die höheren Kosten für das Betreiben eines Kraftfahrzeugs, insbesondere durch die höheren Benzinpreise, lassen eine entsprechende Forderung nach Erhöhung der Kilometerpauschale zumindest auf den ersten Blick verständlich erscheinen. Dazu möchte ich jedoch folgendes feststellen.Erstens. Eine isolierte Erhöhung der Kilometerpauschale ist sowohl aus haushaltspolitischen als auch aus energie- und verkehrspolitischen Gründen nicht vertretbar.Zweitens. Eine schlichte Erhöhung der Kilometerpauschale von 36 auf beispielsweise 50 Pf würde zu Steuerausfällen in Höhe von 1,2 Milliarden DM führen. Diese Beträge sind zur Zeit, wie wir alle wissen, für die öffentlichen Haushalte nicht vertretbar.Drittens. Verkehrs- und energiepolitisch kann eine Erhöhung der Kilometerpauschale nicht befürwortet werden, weil dadurch der Anreiz zur Benutzung des eigenen Kraftfahrzeugs erhöht würde. Es kommt in der gegenwärtigen Situation vielmehr darauf an, die Benutzung des eigenen Kraftfahrzeugs für den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte zurückzudrängen.
Die FDP lehnt aber Veränderungen bei der steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen nicht grundsätzlich ab.
— Herr Eigen, ich komme gleich dazu. — Sie strebt vielmehr eine „große Lösung" an. Als wichtigste Maßnahme betrachten wir die geforderte Umlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer und im Zusammenhang damit die Einführung einer Entfernungspauschale,
d. h. die Gewährung einer Pauschale unabhängig von den benutzten Verkehrsmitteln.
— Das tun wir sicherlich auch, Herr Kollege. Aber ich stelle j a die Position meiner Partei dar, nicht die Ihrer Partei.
— Ich wollte den Streit nicht fortführen, Frau Vorsitzende.Dadurch würden, ohne insgesamt Mehrbelastungen für die Kraftfahrer zu schaffen, verstärkte Anreize zur Energieersparnis gegeben. Darüber hinaus würden wesentliche Beiträge zur Vereinfachung des Steuerrechts und zu mehr Umweltschutz geleistet.
Die für Pendler entstandenen Mehrbelastungen werden von der FDP durchaus gesehen. Daher treten wir dafür ein, daß die von uns geforderte Entfernungspauschale nach der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gestaffelt wird.Meine Damen und Herren, ich hatte vorhin eine weitere Forderung erwähnt, nämlich daß Zinserträgnisse in Zukunft steuerfrei bleiben sollen, sozusagen als Entlastung für die Geldentwertung. Dazu hat — das ergibt sich auch aus dem Bericht — die Bundesregierung im Petitionsausschuß zu Recht darauf hingewiesen, daß eine Berücksichtigung der Geldentwertung im Hinblick auf die Besteuerung der Zinserträgnisse gegen das Nominalwertprinzip
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Funkeverstieße. Das Nominalwertprinzip ist einer der wesentlichen Grundsätze unserer Wirtschafts- und Rechtsordnung und findet seinen Niederschlag auch in § 3 des Währungsgesetzes.Meines Erachtens kann von dem Nominalwertprinzip auch aus folgenden Gründen nicht abgegangen werden.Erstens. Die Aufgabe des Nominalwertprinzips würde, da dieser Grundsatz praktisch alle Rechtsnormen durchdringt, die Basis unseres Rechts- und Wirtschaftslebens erschüttern. Das heute gültige Wert- und Preissystem würde seine Tragkraft verlieren. Ein neuer Wertmaßstab müßte gefunden werden.Zweitens. Das Vertrauen unserer Bevölkerung in unsere Währung ginge sicherlich verloren, da ein Abweichen des Gesetzgebers vom Nominalwertprinzip
— völlig richtig, Herr Eigen — von der Bevölkerung als eine Kapitulation des Staates vor der Inflation empfunden werden müßte. Die mit der Aufgabe des Nominalwertprinzips verbundene Einführung von Indexklauseln müßte von Wirtschaft und Bevölkerung so verstanden werden, daß die Bundesregierung die Bekämpfung der Geldentwertung nicht mehr allzuernst nimmt. Das Entstehen bzw. die Verbreitung eines Inflationsklimas wäre die zwangsläufige Folge.
Drittens. Indexbindungen würden den Handlungsspielraum der Regierung und des Parlaments entscheidend einengen. Durch den Zwang, das Steuerrecht automatisch an die Entwicklung des Geldwertes anzupassen, würde eine der Konjunktur adäquate Steuerpolitik erschwert werden.Hinzu kommt ein vierter Punkt. Indexklauseln könnten dann nicht nur auf das Steuerrecht beschränkt werden, sondern müßten in das gesamte vertragliche Werk, in das gesamte Handelsrecht, in das gesamte bürgerliche Recht Eingang finden. Wir kämen also auch zu einer Indexierung von Löhnen, Gehältern und Preisen. Dies würde zwangsläufig zu einer Kostenaufblähung führen. Das Schwungrad der Inflation wäre dann nicht mehr aufzuhalten. Wir haben diese Folgen ja bei Ländern gesehen, die diese Indexierung bereits haben, Herr Kollege. In Belgien, Dänemark und Luxemburg, wo wir zum Teil eine Indexierung haben, kann das Inflationsrad kaum aufgehalten werden. Aus diesem Grunde bemühen sich diese Länder ja gerade darum, von der Indexierung wieder herunterzukommen.Statt einer Aufgabe des Nominalwertprinzips und der damit verbundenen Einführung von Indexklauseln — eine solche Lösung wäre im Grunde genommen nichts als ein Kurieren an Symptomen — sollte weiterhin eine konsequente Stabilitätspolitik betrieben werden, d. h. eine Politik, die das Übel der Geldentwertung an den Wurzeln packt.Meine Damen und Herren, an diesen Beispielen wollte ich einmal deutlich machen, daß der Petitionsausschuß nicht nur ein Beschwerdeausschuß ist, sondern daß gerade auch im Petitionsausschuß wesentliche Fragen unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung mit behandelt werden. Der Petitionsausschuß ist eben nicht nur ein schlichter Beschwerdeausschuß, sondern auch ein Seismograph für die Sorgen und Bedenken der Bevölkerung. Er ist insofern ein wirksames Mittel, diesen Bedenken der Bevölkerung zu begegnen und ihnen abzuhelfen. — Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Maaß.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man die Reden meiner Vorredner so hört, kann man sich eines sehr guten Eindrucks eigentlich nicht erwehren. So sollte es, gerade was den Petitionsausschuß angeht, auch sein. Künftig sollte es ebenso bleiben. Das ist — ich will hier keine Lobhudelei betreiben — ein Verdienst unserer Vorsitzenden. Herzlichen Dank!
Alle Anstrengungen in den letzten Jahren haben, teilweise auf dem Wege über gemeinsame Beschlüsse im Petitionsausschuß, dazu geführt, daß wir bei den einzelnen Ministerien darauf hinwirken können, den Wünschen der Bürger nachzukommen. Aber es gibt doch einige kleine Juckepunkte, einige kleine Probleme, die zukünftig noch regelungsbedürftig sind. Wir sollten alle gemeinsam darauf hinarbeiten, daß wir künftig entsprechend den Belangen und den Wünschen der Bürger arbeiten können.
Lassen Sie mich einmal drei Themenkreise herausgreifen, zum einen den Tierschutz, zum anderen den Bereich des Post- und Fernmeldewesens und schließlich eine Einzelpetition.Zum Tierschutz ist folgendes festzustellen. Durch die Vielfalt der Petitionen und der aufgegriffenen Probleme ist der Tierschutz beim Bundesbürger auf zunehmend großes, aber auch kritisches Interesse gestoßen. Der Petitionsausschuß hat das Problem der Tierversuche, das Problem des Tötens von Robben und Walen sowie das Problem der Intensivtierhaltung sehr objektiv behandelt. Er hat die Bundesregierung aufgefordert, darauf hinzuwirken, daß die Anzahl der Tierversuche auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt wird und bereits vorliegende Versuchsergebnisse auszuwerten und auszutauschen sind,
des weiteren im Rahmen internationaler Rechtsvorschriften und Vereinbarungen darauf hinzuwirken, daß das Töten von Robben und Walen unterbleibt, und — als nächstes — bei der Intensivtierhaltung im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft übereinstimmende Regelungen herbeizuführen.
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MaaßDiese gesamte Problematik Tierschutz muß meiner Meinung nach objektiv gesehen werden. Gerade im Ausschuß haben wir uns um diese Objektivität bemüht. Ich stimme hier dem Ministerialdirektor Dr. Scholz vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten voll zu, wenn er sagt: Es gibt Widersprüche im Verhalten des Menschen zum Tier. Einmal ist das Tier treuer Begleiter des Menschen. Zum anderen dient es als Nahrungsmittel und wird als Versuchstier im Interesse des Menschen eingesetzt. Diese Widersprüche machen eine Diskussion so schwierig. Sie wären umfassend nur zu lösen, wenn der Mensch auf den Verzehr von tierischen Nahrungsgütern und auf den medizinischen Fortschritt sowie auf seine Sicherheitsbedürfnisse verzichten würde. Aber wer will das schon gerne?
Aus diesem Themenkreis noch ein Problem: Transport lebender Schlachtpferde. Es geht um eine Petition, um die ich mich selbst gekümmert habe, freilich nicht deshalb, weil es eine Sammeleingabe ist, die 250 000 Unterschriften trägt; denn es ist Art in diesem Ausschuß, daß wir jede Petition so ernst und so wichtig nehmen, egal, ob sie eine einzige Unterschrift oder 250 000 Unterschriften trägt.
Was mich an diesem Problem gereizt hat, war — es sei mir als einem Parlamentsneuling erlaubt, darauf hinzuweisen — die recht oberflächliche Haltung und Stellungnahme unseres Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Da war einfach nicht zu spüren und zu fühlen, daß ein Bestreben da ist und daß breite Kreise der Bevölkerung eine Regelung wünschen; da war einfach nicht das Bemühen, hier in die Tiefe zu gehen, sondern die Einstellung, alles schön und gut und in Ordnung zu finden. Das hat mich in keiner Weise befriedigt; und ich glaube, es ging meinen Kollegen genau so.Aus diesem Grund haben der Kollege Müller und der Kollege Eigen und ich selbst uns einmal vor Ort umgeschaut, um im Ausschuß objektiv berichten zu können. Ich habe mich am Zollkontrollpunkt Helmstedt umgesehen und mir die Lkw-Transporte für lebendes Schlachtvieh angesehen.Auch hier muß ich einmal ein Lob aussprechen. Trotz unterschiedlicher Presseberichterstattung über den niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht oder die zuständige Ausführungsbehörden — sprich: die Veterinäre —: Hier wird gute Arbeit geleistet. Es ist deutlich das Bemühen festzustellen, die Belange des Tierschutzes voll und ganz im Griff zu behalten. Auch die Spediteure zeigen deutlich, daß sie sich anstrengen, hier den Tierschutz entsprechend zu würdigen.Nur ist das Fazit im höchsten Maß unbefriedigend: Wir sind lediglich Transitland beim Transport lebender Schlachtpferde auf dem Weg von Polen nach Frankreich, und es ist im höchstem Maße unbefriedigend, als Tierfreund feststellen zu müssen, daß diese Tiere — und wir haben es hier mit sehr sensiblen Tieren zu tun —
einen Weg von 2 000 bis 3 000 km quer durch Europa bei Wind und Wetter machen müssen, um letzten Endes irgendwo in Frankreich auf dem Schlachthof zu landen. Das ist eine Praxis, bei der ich ein absolutes Unbehagen gefühlt habe. Ich bin froh, daß wir eine einstimmige Beschlußfassung herbeigeführt haben, durch die die Bundesregierung aufgefordert wird, den Transport lebender Schlachtpferde zu verbieten.
Lassen Sie mich auf den zweiten Komplex eingehen: Post- und Fernmeldewesen. Zum Thema Mondscheintarif ging eine Fülle von Petitionen ein. Es gab heftige Kritik am Fortfall des Mondscheintarifs. Als Ersatz kam, wie allseits bekannt, die Einführung des Billigtarifs, gekoppelt mit der Einrichtung von Nahbereichen. Ziel war, eine zeitweilige Überlastung nach 22 Uhr beim Telefonieren zu beseitigen. Nur, was haben wir heute? Ich stelle diese Frage ganz selbstkritisch. Heute haben wir die zeitweilige Belastung nach 18 Uhr. Es ist für mich unerträglich, wenn ich krampfhaft nach 18 Uhr versuchen muß, in meinem Wahlkreis anzurufen, daß ich nur dann Glück habe, wenn entweder die Tagesschau läuft oder ein spannender Krimi im Fernsehen ist.
— Ich komme darauf. Es muß eine vernünftige Tarifpolitik gemacht werden, Herr Kollege. Das ist nämlich der Juckepunkt. Dann kriegen Sie das Problem in den Griff. Selbst alle guten Kontakte zu den zuständigen Oberpostdirektionen helfen nur, im Vorfeld zu lindern; das Problem an sich wird nicht gelöst. Gerade im ländlichen Bereich ist es problematisch. Hier kommen Klagen aus der Ärzteschaft, und es wird gesagt: „Für uns ist teilweise nicht möglich, bei einem dringenden Krankentransport um 18 Uhr das nächste Kreiskrankenhaus zu erreichen, weil die Leitungen besetzt sind." Hier ist eine Regelungsbedürftigkeit gegeben, und das Postministerium ist aufgefordert worden, dem Petitionsausschuß hierüber Bericht zu geben. Ich hoffe, daß wir hier nicht in den Parteienstreit geraten, sondern ausdrücklich im Sinne der Bürger argumentieren.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Becker ?
Herr Staatssekretär Becker, ich würde das liebend gern tun. Aber ich habe noch einige Punkte. Wenn wir das im Postausschuß aufgreifen könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.
— Meine Damen und Herren, ich lobe doch nur die gute Zusammenarbeit im Ausschuß und versuche nur, Probleme beim Postministerium zu verdeutlichen.Einen weiteren Punkt möchte ich erwähnen. Dem Wunsch der CB-Funker auf Freigabe zusätzlicher
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MaaßKanäle wird ab 1. Januar 1981 entsprochen. Statt bisher zwölf Kanäle, erreichen wir jetzt 22 Kanäle.
— Selbstverständlich! Weil hier eine Fülle von Petitionen vorlag, Frau Kollegin, ist es Aufgabe des Ausschusses, sich darum zu kümmern. Gerade aus dem Bereich der Behinderten kamen diese Petitionen, und diese Probleme wurden aufgetischt.
Wir haben hier mengenmäßig etwas erreicht, aber qualitativ nichts; denn diese 22 Kanäle sind im Grunde genommen nur für Frequenzmodulation zuständig, mit einer geringeren Qualität. Ich hoffe, Herr Staatssekretär, daß wir dieses Problem aufgreifen und zur Zufriedenheit lösen können.Eine weitere Petition möchte ich vortragen: Unterrichtung von Postkunden über unterschiedliche Laufzeiten bei der Briefpost. Dem Wunsch entspricht der Bundespostminister mit der Begründung: Das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen hat sich inzwischen bereiterklärt, künftig in angemessenen Zeitabständen in „Post von der Post", einer vom Ministerium herausgegebenen Zusammenstellung zur Information von Postkunden, auf diese unterschiedlichen Laufzeiten hinzuweisen. Die Informationsschrift, die in Abständen von etwa einem Monat erscheint, wird zur Auswertung an Journalisten, Redaktionen usw. versandt. Daher kann mit einer umfassenden Unterrichtung der Öffentlichkeit gerechnet werden.Meine Damen und Herren, warum machen wir es uns denn eigentlich so schwer? Ein kurzer Aushang an jedem Postschalter, ein kleines Informationszettelchen für den nachfragenden Kunden — das ist Kundenservice, dahin sollten wir kommen. Das ist mein Wunsch, und das ist auch die Auffassung des Petitionsausschusses.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf den dritten Problemkreis kommen, zu einer Einzelpetition. Ich habe das Einverständnis des Petenten, Frau Präsidentin, daß ich den Namen nennen darf. Es ist Kai Schröder, ein Niedersachse aus Nienburg. Der junge Mann ist 22 Jahre alt und hat mit 11/2 Jahren den linken Oberarm durch einen Unfall verloren. Dieser junge Mann wollte seinen Grundwehrdienst bei der Bundeswehr ableisten. Er hat sich beim heimischen Grundwehrersatzamt gemeldet und wurde dort als wehruntauglich erklärt. Der junge Mann war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden; denn es kommt folgendes hinzu: Er ist nicht nur vor 11/2 Jahren sechsfacher Weltmeister bei der Behinderten-Olympiade in Arnheim, sondern er ist gerade auch niedersächsischer Meister im modernen Fünfkampf geworden, gerade in einer früher ausgesprochenen militärischen Disziplin mit Reiten, Schwimmen, Schießen, Fechten und Laufen. Und er sagte: Ich möchte mich meiner Pflicht als Staatsbürger nicht entziehen. Ich möchte meinen Grundwehrdienst ableisten. Das ist eine Haltung, die heute nicht allgemein ist.
Meine Damen und Herren, hier möchte ich einen Dank, einen vollen Dank an das Bundesministerium der Verteidigung aussprechen, speziell an Herrn Staatssekretär Dr. Hiehle,
der in einer ganz unbürokratischen Art und Weise gehandelt hat. Er hat gesagt: Wir haben hier keinen Präzedenzfall. Wir wollen dem Ansinnen und den Belangen des jungen Mannes helfen. Er soll noch einmal gemustert werden, ohne daß seine Armverletzung in Betracht kommt.Und wie recht haben wir gehabt! Allein die neueste Ausgabe der Zeitschrift des deutschen Verbandes für den modernen Fünfkampf, die Maiausgabe, widmet Kai Schröder sechs Seiten. Ich zitiere hier einmal:Bundestrainer Herbert Rieden, eigentlich recht sparsam im Umgang mit Superlativen, sprach aus, was viele dachten: Das ist eine Sensation! Und Manfred Rauer, Sportlehrer an der Bundeswehrsportschule und Schwimmtrainer, schüttelte ungläubig den Kopf: ein Phänomen!Meine Damen und Herren, hier haben wir aktive Hilfe leisten können. So gern ich es sehe, daß Sie, Frau Präsidentin, heute das Präsidium haben, hätte ich mir fast gewünscht, den Herrn Vizepräsidenten Leber vor Ort zu haben; denn auch er hat durch seine wohlwollende Haltung dazu beigetragen, daß wir diese Petition gut zum Abschluß bringen konnten. — Herzlichen Dank!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von der Wiesche.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine ganz kurze Vorbemerkung. Ich glaube, wir müssen hier auch deutlich machen, daß der Petitionsausschuß zwar eine sehr wichtige und eine sehr notwendige Einrichtung ist; wir alle sollten uns aber davor hüten, den Petitionsausschuß zu einem Ober-ausschuß zu machen. Damit würden wir uns selber und den Petenten keinen Gefallen tun.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der vorliegende Bericht des Petitionsausschusses macht deutlich, welche zusätzlichen Arbeiten notwendig sind, um den Sorgen und Nöten der Bürger gerecht zu werden. Immer mehr stellen wir fest, daß der Bürger mündiger geworden ist und einen immer stärkeren Einfluß auf Verwaltung und Gesetzgebung ausübt. Dies fällt besonders beim Petitionsausschuß durch die vielen Eingaben auf. Der Petitionsausschuß ist für den Bürger eine ganz besondere Anlaufstelle. Der Kollege Kirschner bezeichnete dies in seiner Rede am 12. Oktober 1979 folgendermaßen:
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von der Wiesche„Der Petitionsausschuß ist die Hand am Pulsschlag des Volkes." Dem habe ich nichts hinzuzufügen.Meine Damen und Herren, bei der ständig steigenden Zahl von Einzelfällen und Sammeleingaben kann natürlich dieser Bericht, der heute hier zur Diskussion ansteht, nur exemplarische Fälle behandeln. Für mich ist von ganz besonderer Wichtigkeit, zu vermerken, daß es bei der Arbeit im Petitionsausschuß quer durch die Fraktionen auf die praktische Arbeit, auf die sachgerechte Lösung der Einzelfälle ankommt. Deshalb ist es wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, daß gerade die Zusammenarbeit im Ausschuß sowie auch die Zusammenarbeit mit den Ministerien und den obersten Bundesbehörden in der Regel reibungslos erfolgt.Natürlich weist der vorliegende Ausschußbericht eine Reihe von Fällen auf, in denen es bei der Zusammenarbeit des Ausschusses mit den Bundesministerien Probleme gab. Sicher ist es hier nicht in allen Einzelfällen so gelaufen, wie wir es uns alle gewünscht hätten. Das sage ich sowohl hinsichtlich des Verfahrens, insbesondere der langen Zeit bis zur Klärung mancher berechtigter Anliegen, als auch hinsichtlich der Ergebnisse, die wir uns oft ein wenig anders erhofft hätten.Schwierigkeiten der Zusammenarbeit sollten uns aber nicht die Tatsache aus den Augen verlieren lassen, daß der Umfang der Zuarbeit, die der Petitionsausschuß den Ministerien und den nachgeordneten Behörden abverlangt, ganz beträchtlich ist; ich meine, er geht sogar oft bis an die Grenzen des Zumutbaren.Bei dieser Sachlage sollten wir einzelne Pannen nicht überbewerten, sondern die heutige Aussprache dazu benutzen, uns insgesamt für die in aller Regel bereitwillige und auch für die Petenten hilfreiche Zuarbeit der Bundesverwaltung zu bedanken.
In diesen Dank möchte ich auch und vor allen Dingen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Petitionsbüros einschließen.
Ich sage dies insbesondere im Hinblick auf die Ministerien für Arbeit und Sozialordnung sowie für Jugend, Familie und Gesundheit, auf deren Geschäftsbereiche die meisten der eingegangenen Petitionen entfallen.
Wenn Dinge im Ergebnis nicht immer so zu regeln waren, wie es uns wünschenswert erschien, lag das nicht zuletzt daran, daß dem gesetzliche oder auch andere feste Regelungen entgegenstanden. Hier mußten und müssen wir stets die Grenzen im Auge behalten, die auch dem Petitionsausschuß und damit uns selbst gesetzt sind. Wir können und müssen bemüht sein, die an uns herangetragenen Einzelfälle so befriedigend wie möglich und so rasch wie möglich zu lösen.
Ist dies nur über eine Änderung von Gesetzen oderanderen Vorschriften möglich, müssen wir das Unsere dazu beitragen, daß derartige Änderungen rasch und wirkungsvoll vorgenommen werden. Wir dürfen dabei jedoch nicht den Fachausschüssen dieses Hohen Hauses in die Quere kommen. Ich meine, wir müssen dabei sehen, daß es wichtig ist, gegenüber den Bürgern nicht Dinge zu fordern oder zu versprechen, die in diesen Fachausschüssen aus wohlerwogenen Gründen als nicht zweckmäßig oder aber als nicht dringlich angesehen werden.Wir sollten uns auch davor hüten, von der Bundesregierung die Vorlage von Regelungen zu verlangen, die genauso gut im Deutschen Bundestag selbst beantragt und beschlossen werden können, dort aber bisher keine Mehrheiten fanden.
Meine Damen und Herren, dies schließt nicht aus, daß die Zusammenarbeit zwischen dem Petitionsausschuß auf der einen und den Fachausschüssen auf der anderen Seite für die Zukunft informativer gestaltet werden kann; denn uns geht es schließlich darum, den Bürgern in ihren Sorgen, den Bürgern in ihren Nöten besser und schneller beistehen zu können.
Ich komme nun zu einigen im Bericht als unbefriedigend bezeichneten Fällen. Erläutern darf ich diese Fälle mit zwei Beispielen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung und einem Beispiel aus dem Bereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit, mit Beispielen, die im Ausschußbericht ausdrücklich angesprochen sind.In der Petitionsangelegenheit „Transzendentale Meditation" wird im Ausschußbericht auf Seite 7 vermerkt, daß die Auskünfte des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit unbefriedigend waren. Im Grunde wird diese Aussage auf Seite 35 in Buchstabe d praktisch widerlegt, denn dort wird vermerkt, daß der Originalvorgang zur Petitionsangelegenheit ausweist, daß die insgesamt 66 Petitionen akkurat bearbeitet wurden. Beanstandungen seitens des Petitionsausschusses hat es seinerzeit nicht gegeben. Ich will nicht verhehlen, daß gerade der Inhalt dieser Petitionen zu sehr divergierenden Auffassungen führt und auch weiter führen wird. Ich bin mir auch darüber im klaren, daß dies auch in Zukunft wieder auf die Tagesordnung kommen wird.Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung wird das Problem der sozialen Sicherung von Auszubildenden in Einrichtungen für Behinderte angesprochen. Sicher wäre es für uns und für alle Beteiligten eine gute Lösung, wenn dieses seit langem schwelende Problem bald gesetzlich gelöst würde. Aber dürfen wir dies fordern, ohne zugleich auch Rechenschaft zu geben, wer in Zeiten angespannter Haushaltslage die Mittel für derartige Maßnahmen aufbringt oder welche anderen Ausgabenpositionen statt dessen gekürzt werden müssen? Dies heißt nicht, daß dieses Problem nicht weiter sehr vorrangig behandelt werden muß. Ich hoffe, daß wir trotz allem in kurzer Zeit zu
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von der Wiescheeiner wirklich für alle befriedigenden Lösung kommen.Ich komme zum zweiten Beispiel. Wahrscheinlich war es richtig, in einem besonders gelagerten Einzelfall eine Ersatzkasse dazu zu bringen, einem krebserkrankten Bürger Kaugummi auf Krankenschein zu bewilligen. Aber ich frage Sie: War es richtig, diesen Fall für die Presse breit aufzubereiten und darzustellen? Erwecken derartige Pressemeldungen, die die Besonderheiten des Einzelfalls nicht wiedergeben können, nicht den Eindruck, als sei es uns, als sei es dem gesamten Parlament mit dem Bemühen um eine Kostendämpfung im Gesundheitsbereich nicht ernst?
Der Petitionsausschuß könnte seine Arbeit um so wirkungsvoller leisten, je mehr er auf jede Effekthascherei verzichtet und sich auf die wirklichen Aufgaben, auf die Sacharbeit im Interesse der Bürger konzentriert.
— Das ist schon richtig. Trotzdem meine ich, es ist j a nichts so gut, als daß man es nicht auch noch anders machen könnte. Man sollte über alle Sachen reden. Das ist besser, als wenn man dann vielleicht nur dumme Dinge tut.
Dies waren nur einige Merkpunkte aus dem Gesamtbericht des Petitionsausschusses mit Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag. Dieser Bericht ist es wert, die besondere Beachtung aller Kolleginnen und Kollegen dieses Hohen Hauses und auch der Öffentlichkeit zu finden. Unter diesem Aspekt bitte ich Sie, diesem Bericht und den Anträgen in den Sammelübersichten Ihre Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses auf den Drucksachen 9/520, 9/551 und 9/582, die in den Sammelübersichten 13 bis 15 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung
— Drucksache 9/24 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksache 9/597 —
Berichterstatter: Abgeordneter Lambinus Dr. Langner
Die Berichterstatter wünschen nicht das Wort. Ich eröffne die Aussprache. Der Ältestenrat hat eine Redezeit von 10 Minuten pro Fraktion vorgeschlagen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Das Wort in der Aussprache hat der Abgeordnete Kleinert.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte mich noch kürzer fassen, als es hier vorgesehen ist, und der Freude darüber Ausdruck verleihen, daß es gelungen ist, einvernehmlich nicht nur zwischen den Fraktionen, sondern insbesondere auch mit der hier betroffenen Berufsgruppe der Notare zu einer Regelung zu kommen, die den Anschluß an die Neuregelung des Staatshaftungsrechtes sicherstellt und dem Bürger, sofern das notwendig sein sollte, ein zusätzliches Vertrauen in die Tätigkeit der Notare und für die seltenen Fälle, in denen diese Tätigkeit — wie ich hoffe, ausschließlich aus einer gelegentlich vorkommenden Fahrlässigkeit — zu Schädigungen führt, auch in die Leistungsfähigkeit der dafür dann haftenden Versicherung gibt.
Die Gelegenheit benutze ich gleichzeitig, dem heute inoffiziell und morgen offiziell beginnenden Deutschen Notartag in Berlin alle guten Wünsche zu übermitteln. Ich glaube, mit der Verabschiedung des hier vorliegenden Gesetzes haben wir eine freundliche Gabe an diesen Notartag zu überreichen, dessen Vorschläge wir im wesentlichen gefolgt sind; das hat uns die Arbeit wesentlich erleichtert.
Ich hoffe, daß auch in Zukunft nur in äußerst seltenen Fällen die hier für den Notfall getroffenen Vorkehrungen in Gestalt zusätzlicher Versicherungen gebraucht werden und das Vertrauen der Bevölkerung in diese Einrichtung weiterhin gerechtfertigt bleibt, so wie es, soweit man sehen kann, auch bisher war. — Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Langner.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die meisten Maßnahmen dieses Gesetzes sind sinnvoll; zwingend ist die Regelung durch Gesetz jedoch nicht. Die Notarkammern haben aber ein Gesetz für erforderlich gehalten, wo wahrscheinlich — wie bisher — auch Maßnahmen der Selbstverwaltung ausgereicht hätten. Da es sich um ein Gesetz handelt, das nicht von der Allgemeinheit, nicht von vielen Bürgern gelesen und angewandt werden muß, mag ausnahmsweise von dem Grundsatz „kein Gesetz, wo nicht zwingend notwendig" abgewichen werden. In der Anwendung sind die ca. 7 000 Notare und die gerichtlichen Aufsichtsgremien bei diesem Gesetz ja dann unter sich.
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Dr. LangnerDie Versicherungssummen, die wir hier vorsehen, zweimal 500 000 DM im Jahr pro Haftpflichtfall, ergänzend viermal 500 000 DM im Jahr pro Notar Vertrauensschadensersatz durch Gruppenhaftpflichtversicherungsverträge und weiter noch ergänzend ein zusätzlicher Vertrauensschadensfonds von 7 Millionen DM, das alles zusammen ist in der Tat nach unserer Auffassung ein angemessener Versicherungsschutz gegen Notarfehler. Ohnehin arbeiten 90 % aller Notare in den 30 oder 40 Jahren ihres Berufslebens überhaupt ohne jeden Schadensfall. Das sollte man auch einmal sehr deutlich unterstreichen,
wenn immer auf die spektakulären Fälle weniger schwarzer Schafe verwiesen wird.Die Gesetzesintiatoren — in dieser Wahlperiode die Koalitionsfraktionen — sollten auch nicht verschweigen, daß sie den Notaren erhebliche Prämien und Kammerbeiträge mit diesem Gesetz aufbürden. Einzahlungs- und Nachschußpflichten für die Fondslösung kommen noch hinzu. Die im Ausschuß genannten Zahlen, die ich erfragt habe, haben mich erschreckt. Ich nenne sie trotzdem hier nicht, weil ich gerne möchte, daß die anderthalb Jahre, die bis zum Inkrafttreten dieses Teils des Gesetzes noch verstreichen, von den Kammern dazu benutzt werden, hier gute — ich meine, bessere — Bedingungen auszuhandeln. Die Versicherer sind hier zu einem Leistungswettbewerb aufgerufen. In den Ausschußberatungen hat die Bundesregierung auf meine Anfragen hin die Auffassung vertreten, daß nach geltendem Versicherungsrecht durchaus auch ein BonusMalus-System möglich wäre, ähnlich dem System des Schadensfreiheitsrabatts in der Kraftverkehrsversicherung. Ich möchte die Versicherer ermutigen, solche Experimente zu machen, solche Wege zu gehen, etwas dergleichen anzubieten. Die ordentlichen Notare werden ihre Kunden sein. Die technischen Schwierigkeiten sind meiner Meinung nach überwindbar.Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, die beste Versicherung gegen Notarfehler ist und bleibt natürlich die Qualifikation der Notare. Wenn die Anwaltsschwemme demnächst zur Notar-schwemme wird, muß bei der Zulassung besondere Sorgfalt obwalten. Die Fortbildung muß von Anwälten und Notaren auch wahrgenommen werden.Die jetzt schrittweise anzuschaffende moderne Bürotechnik mit erheblichen Kosten und Neuerungen in den Büros und die steigenden Personalkosten können auch nicht ohne Einfluß auf die Nebengebühren bleiben.Notare und Steuerberater sind zur Zusammenarbeit in der wirtschafts- und gesellschaftsrechtlichen Vertragsgestaltung aufgerufen. Überhaupt: Die hohe Kunst der Vertragsgestaltung in angemessener Sprache, ein Thema auf dem morgen beginnenden Notartag in Berlin, erwarten die Bürger meiner Ansicht nach zu Recht von den Notaren. Diesen Beratungen morgen in Berlin möchte ich auch von dieser Stelle aus so viel Anregungen und Impulse wünschen, die dann von den Notaren aufgenommen werden, so daß das, was wir heute hier beraten, nämlichNotarfehler und Notarversicherung, mehr oder weniger nur Feuerwehrfunktion hat.Meine Damen und Herren, meine Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lambinus.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Novelle zur Änderung der Bundesnotarordnung soll eine haftungsrechtliche Lücke im Bereich hoheitlicher Tätigkeit geschlossen werden, die wir im Rechtsausschuß in dem inzwischen verabschiedeten Staatshaftungsgesetz bewußt offengelassen haben. Obwohl der Notar als Träger eines öffentlichen Amtes bei der Beurkundung von Rechtsvorgängen Funktionen ausübt, die aus dem Aufgabenbereich des Staates abgeleitet sind, haben wir beim Staatshaftungsgesetz zu Recht von der Regelung des Problems abgesehen, wie sichergestellt werden kann, daß der durch ein pflichtwidriges Verhalten des Notars Geschädigte Ersatz für seinen Schaden erlangen kann. Damit sollte der besonderen berufsrechtlichen Stellung des freien — d. h. nicht beamteten — Notars Rechnung getragen werden. Mit Rücksicht auf diese freie Stellung des Notars schied die Möglichkeit aus, entsprechend dem im Staatshaftungsgesetz geltenden Grundsatz der unmittelbaren und ausschließlichen Haftung des Rechtsträgers der pflichtwidrig ausgeübten Staatsgewalt dem Geschädigten in Form des Staates einen zahlungsfähigen Ersatzpflichtigen zur Verfügung zu stellen.Da der Bürger den Notar als eine mit staatlichen Aufgaben betraute Urkundsperson in vielen Fällen in Anspruch nehmen muß, ist es andererseits nicht erträglich, die Realisierung von Schadenersatzansprüchen auf Grund pflichtwidriger Handlungen des Notars ausschließlich von den persönlichen Vermögensverhältnissen eines Notars abhängig zu machen. Der heutige Gesetzentwurf trägt beiden Gesichtspunkten in angemessener Weise Rechnung.Die besondere berufsrechtliche Stellung des Notars als Nichtbeamter berücksichtigt er, indem er den Grundsatz der persönlichen Haftung des Notars unberührt läßt. Das damit für einen Geschädigten verbundene Vollstreckungsrisiko wird durch die versicherungsrechtliche Lösung in zumutbarer Weise begrenzt. Der Notar wird mit seiner Bestellung verpflichtet, eine individuelle Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Die Mindestversicherungssumme soll 500 000 DM für jeden Versicherungsfall betragen. Um die Prämienbelastung des Notars auf das unerläßliche Maß zu begrenzen, sollen die Leistungen des Versicherers für alle von einem Notar innerhalb eines Jahres verursachten Schäden auf den doppelten Betrag der Mindestversicherungssumme begrenzt werden können.Neben diese individuelle Berufshaftpflichtversicherung sollen ergänzende Gruppenversicherungsverträge der Notarkammern treten, die diese Notarkammern für die in ihnen zusammengeschlossenen Notare abschließen. Diese Versicherungsverträge
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Lambinussollen zum einen die Risiken aus einer vorsätzlichen Handlung des Notars auffangen, die der einzelne Notar über einen eigenen Versicherungsvertrag nicht versichern könnte. Andererseits sollen sie zusätzlichen Schutz bei fahrlässiger Pflichtverletzung des Notars bieten, wenn der durch ihn angerichtete Schaden seitens der individuell von ihm abgeschlossenen Versicherung nicht mehr voll abgedeckt wird, weil die Versicherungssumme im Einzelfall überschritten wird oder die Begrenzung auf den Jahreshöchstbetrag wirksam geworden ist. Diese Kombination von indvidueller Versicherung und von den Notarkammern gehaltenen Gruppenversicherungen ermöglicht es dem Berufsstand der Notare, das Gesamtrisiko günstiger zu versichern. Für die von den Notarkammern abzuschließenden Versicherungsverträge soll eine Mindestversicherungssumme von 500 000 DM für jeden Versicherungsfall gelten. Die Leistungen des Versicherers für alle innerhalb eines Versicherungsjahres von einem Notar verursachten Schäden dürfen auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme begrenzt werden. Durch die Kombination von Einzelversicherung und Gruppenversicherung ergibt sich damit für jeden Einzelschaden bei vorsätzlicher Verursachung eine Haftungssumme von mindestens 500 000 DM und bei fahrlässiger Verursachung eine Haftpflichtsumme von mindestens 1 Million DM.Sicherlich ist die Frage berechtigt, ob mit diesen Mindestversicherungssummen wirklich alle Schadensrisiken abgedeckt sind. Insbesondere bei Grundstücksgeschäften mag es Einzelfälle geben, in denen höhere Schadensbeträge auftreten. Da die Notarkammern auf freiwilliger Basis — und dies sollte auch lobend erwähnt werden — einen Sonderfonds für Vertrauensschäden zum größten Teil schon gebildet haben — die restlichen werden ihn noch bilden —, durch den gegebenenfalls auch solche Spitzenbeträge abgedeckt werden können, sind die vorgesehenen Mindestversicherungssummen meines Erachtens vertretbar. Sie orientieren sich an den bisherigen Erfahrungen mit den Versicherungen der Notare sowie den in Haftpflichtfällen geltend gemachten und letztlich gerichtlich zugesprochenen Schadensersatzbeträgen. Nach Schätzungen der Bundesnotarkammer haben sie pro Notar eine jährliche Prämienbelastung von 4 000 bis 5 000 DM zur Folge. Diese Prämienbelastung dürfte auch für ein kleines Notariat aufbringbar sein.Im Laufe der Beratungen ist mehrfach die Frage gestellt worden, ob es nicht besser sei, daß die Notarkammern über ihre Standesrichtlinien freiwillig die bisher vorgesehene Mindestversicherungssumme von 100 000 DM erhöhen, und ob eine gesetzliche Regelung deshalb nicht überflüssig sei. Herr Kollege Langner hat dies eben auch noch einmal angesprochen. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß selbst die Bundesnotarkammer eine gesetzliche Regelung bevorzugt. Ohne eine gesetzliche Regelung hätte daher die Gefahr bestanden, daß es auf nicht absehbare Zeit bei der durch Standesrecht festgelegten, viel zu niedrigen Mindesthaftpflichtsumme von 100 000 DM geblieben wäre. Da die unmittelbar Betroffenen offensichtlich eine Lösung des Problems auf freiwilliger Basis nicht wünschen, war es notwendig, daß der Gesetzgeber aktiv wurde.Sie alle erinnern sich sicherlich noch an den Mann, der wochenlang vor dem Bundeshaus stand und uns täglich mit seinem Plakat an die unzulänglichen Regelungen erinnerte, die das geltende Recht für durch Notare verursachte Schäden vorsah. Der heute zu verabschiedende Gesetzentwurf wird hoffentlich dazu beitragen, daß uns und den Notaren solche Bilder, die ihre Ursache in Mißständen und gesetzlichen Schlupflöchern hatten, in Zukunft erspart bleiben. Er wird, wie ich meine, das Vertrauen der Bürger in ein freies, von der staatlichen Verwaltung unabhängiges Notariat stärken.Ich danke für Ihre Geduld und bitte um Zustimmung.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundesregierung hatte in der 8. Wahlperiode eine Novelle zur Bundesnotarordnung eingebracht, die dem Ihnen heute vorliegenden Entwurf der Koalitionsfraktionen in den wesentlichen Punkten entsprach. Der Regierungsentwurf konnte in der 8. Wahlperiode nicht mehr abschließend beraten werden. Die Bundesregierung hat es — nicht zuletzt im Hinblick auf einige spektakuläre Schadensfälle aus der jüngsten Vergangenheit — begrüßt, daß nun die Koalitionsfraktionen einen eigenen Initiativentwurf eingebracht haben.Der Rechtsausschuß empfiehlt einstimmig, den Entwurf mit geringfügigen Änderungen und Ergänzungen anzunehmen. Ich schließe mich für die Bundesregierung dieser Empfehlung ausdrücklich an.Die Änderung der Bundesnotarordnung steht in einem engen inneren Zusammenhang zu der bereits verabschiedeten Reform des Staatshaftungsrechts. Bei der Beurkundung von Rechtsvorgängen übt der Notar als Träger eines öffentlichen Amtes Funktionen aus, die aus den Aufgaben des Staates abgeleitet sind. Gleichwohl ist es bei der Neuregelung des Staatshaftungsrechts dabei geblieben, daß der Notar für berufliche Pflichtverletzungen ausschließlich persönlich haftet. Damit wurde auf die geschichtlich gewachsene Stellung des nichtbeamteten Notars, die dem Status der freien Berufe angenähert ist, Rücksicht genommen.Die Änderung der Bundesnotarordnung soll dem Geschädigten mit vergleichbarer Sicherheit die Durchsetzung seiner Schadensersatzansprüche ermöglichen, wie sie nach dem Staatshaftungsrecht bei staatlichem Unrecht gegeben ist. Mit der Einführung der Versicherungspflicht für Notare wird einem Wunsch der Berufsorganisation der Notare entsprochen. Auch ich freue mich mit Ihnen, meine Herren Kollegen, daß diese Erfüllung des Wunsches der Berufsorganisation gerade zu dem morgen beginnenden Notartag zurecht kommt, den ich von dieser Stelle aus nur deshalb nicht besonders grüße,
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1981 2575
Bundesminister Dr. Schmudeweil ich morgen hinfahre und ihm dort ein Grußwort sagen werde.
Die Bundesregierung hat es besonders begrüßt, daß die Notarkammern von sich aus einen Vertrauensschadensfonds gegründet haben, aus dem bei ungewöhnlich hohen Schäden Hilfe geleistet werden soll. Ich glaube, diese Gründung verdient Anerkennung trotz der erhöhten Beitragsbelastung, auf die Sie hingewiesen haben, Herr Kollege Langner. Dadurch war es möglich, auf eine Erhöhung der im Entwurf vorgesehenen Mindestversicherungsbeiträge zu verzichten. Die Prämienbelastung für die Notare ließ sich so in durchaus erträglichen Grenzen halten.Den Empfehlungen des Rechtsausschusses, dem Mißbrauch der notariellen Befugnisse im Falle einer Amtsenthebung vorzubeugen, stimme ich voll zu. Schon bei der vorläufigen Amtsenthebung soll die Verfügungsmacht des Notars über Anderkonten und Anderdepots entfallen. Ferner kann auch schon ein vorläufig amtsenthobener Anwaltsnotar durch die Einsetzung eines Notariatsverwesers von den Amtsgeschäften ausgeschlossen werden. Die Notwendigkeit solcher Regelungen hat ein Schadensfall aus jüngster Zeit deutlich gezeigt.Ich begrüße auch, daß der Rechtsausschuß die Gelegenheit benutzt hat, nach dem Beitritt Griechenlands zu den EG das Durchführungsgesetz zur europäischen Richtlinie über den freien Dienstleistungsverkehr der Rechtsanwälte im Zusammenhang mit der Novelle zur Bundesnotarordnung schnellstmöglich zu ergänzen.Allen an den Vorarbeiten zu dem Entwurf Beteiligten, besonders den Mitgliedern des Rechtsausschusses und den Vertretern und Mitarbeitern der Bundesnotarkammer, danke ich dafür, daß sie die schnelle Verabschiedung der Novelle ermöglicht haben. Die Bedeutung der von den Notaren geleisteten vorsorgenden Rechtspflege wird oft unzureichend gewürdigt. Das Notariat leistet einen nicht zu unterschätzenden Beitrag dazu, daß unsere Rechtsordnung ihre befriedende Funktion erfüllen kann. Es liegt im Interesse unserer Rechtsgemeinschaft, das Vertrauen des Bürgers in die Integrität des Notars zu schützen und zu stärken. Dieser Entwurf wird einen wesentlichen Beitrag dazu leisten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in der zweiten Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe ! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung fischereischeinrechtlicher Vorschriften
— Drucksache 9/312 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache 9/430 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. von Geldern
Der Berichterstatter wünscht das Wort nicht. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht.
Dann kommen wir zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Lesung. Ich rufe die §§ 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 25. Juni 1981, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.