Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Amtliche Mittellungen ohne, Verlesung
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 96 Abs. 2 Satz 3 GO die vom Innenausschuß beschlossene Fassung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften dem Haushaltsausschuß überwiesen.
Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 7. Mai 1979 die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes — Drucksachen 8/2682, 8/2757 — übersandt. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2806 verteilt.
Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 26. April 1979 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Friedmann, Dr. Sprung, Dr. Schulte und der Fraktion der CDU/CSU betr. , Einführung der digitalen Fernwahltechnik anstelle der analogen Fernwahltechnik bei der Deutschen Bundespost — Drucksache 8/2749 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2789 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 26. April 1979 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Meinecke , Fiebig, Hauck, Immer (Altenkirchen), Frau Eilers (Bielefeld), Eimer (Fürth), Wolfgramm (Göttingen) und der Fraktionen der SPD und FDP betr. Neuere Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften (sogenannte Jugendsekten) — Drucksache 8/2711 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2790 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 2. Mai 1979 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Windelen, Dr. Dollinger, Dr. Friedmann, Dr. Sprung, Biehle, Dr. Schulte und der Fraktion der CDU/CSU betr. Betrieb nicht genehmigter Funkanlagen — Drucksache 8/2756 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2801 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 3. Mai 1979 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Sprung, Dr. Häfele, Haase , Dr. Köhler (Duisburg), Windelen, Wohlrabe, Spilker, Dr. Meyer zu Bentrup, Dr. Langner, Dr. von Wartenberg, Landré, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Zeitel, Frau Will-Feld, Dr. Voss, Stutzer und der Fraktion der CDU/CSU betr. Schuldenstand und Schuldenstruktur des Bundes — Drucksache 8/2747 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2804 verteilt.
Der Bundesminister der Verteidigung hat mit Schreiben vom 8. Mai 1979 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Berger , Voigt (Sonthofen), Frau Dr. Wilms, Pfeifer, Dr. Marx, Rühe, Frau Benedix, Daweke, Prangenberg, Dr. Hornhues, Frau Krone-Appuhn, Dr. Müller, Frau Dr. Wisniewski, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU betr. Berufsausbildungsplätze bei der Bundeswehr — Drucksache 8/2750 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/2807 verteilt.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
— Drucksache 8/2802 —
Zunächst der Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Frage 2 der Frau Abgeordneten Traupe:
Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu der Tatsache, daß im EG-Agrarhaushalt 1979 die Interventionsmittel von 11,8 Milliarden DM auf fast 14 Milliarden DM gesteigert wurden?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin, bei den in der Frage genannten Zahlen handelt es sich um Haushaltsansätze für alle Marktordnungsausgaben in der Gemeinschaft ohne Ausfuhrerstattungen. Diese Beträge umfassen nicht nur Ausgaben im Zusammenhang mit der körperlichen Intervention, z. B. Lagerhaltung und besondere Absatzmaßnahmen, sondern auch sämtliche Beihilfen und Prämien. Der Anstieg der Mittel ist im wesentlichen auf das nach wie vor bestehende Ungleichgewicht auf dem Milchsektor zurückzuführen. Die Bundesregierung tritt bei den Verhandlungen in Brüssel insbesondere auf dem Milchsektor für eine Wiederherstellung des Marktgleichgewichts ein.Vizepräsdent Frau Renger: Keine Zusatzfragen. Frage 3 der Abgeordneten Frau Traupe:Wie stellt sich die Bundesregierung dazu, daß die Interventionsmittel für die Vernichtung von Obst und Gemüse innerhalb eines Jahrs von 239 Millionen DM auf 727 Millionen DM gesteigert wurden?Bitte, Herr Staatssekretär.Gallus, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, es ist unzutreffend, daß Interventionsmittel im EG-Haushalt für die Vernichtung von Obst und Gemüse innerhalb eines Jahres von 239 Millionen DM auf 727 Millionen DM gesteigert wurden.Für Marktmaßnahmen — ohne Erstattungen — im Bereich von Obst und Gemüse sieht der EG-Haushalt für das Jahr 1979 298,9 Millionen Europäische Rechnungseinheiten — das sind ca. 727 Millionen DM — vor. Von diesen Mitteln sind allein rund 209 Millionen Europäische Rechnungseinheiten, d. h. etwa 522 Millionen DM, zur Förderung der Vermarktung und Verarbeitung von Obst und Gemüse vorgesehen. Es handelt sich dabei vor allem um Ver-
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Parl. Staatssekretär Gallusmarktungs- und Verarbeitungsprämien, die dazu dienen, den Absatz von Obst und Gemüse aus der Gemeinschaftserzeugung zu wettbewerbsfähigen Preisen sicherzustellen. Sie haben preissenkende Wirkung und liegen deshalb auch im Verbraucherinteresse. Die restlichen Mittel in Höhe von 81,7 Millionen Europäische Rechnungseinheiten — das sind rund 212 Millionen DM — sind für Rücknahmemaßnahmen und Aufkäufe veranschlagt. Nach den EG-rechtlichen Bestimmungen ist im Rahmen dieser Maßnahmen eine Vernichtung von Obst und Gemüse nicht vorgesehen. Es ist deshalb auch für diesen Teilbetrag nicht gerechtfertigt, von Mitteln zu sprechen, die für die Vernichtung von Obst und Gemüse vorgesehen sind.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Traupe.
Herr Staatssekretär, wenn Ihre Ausführungen zutreffen, ist es mir um so unerklärlicher, warum die Bundesregierung Presseberichten, die immerhin in seriösen Wirtschaftsteilen stehen, nicht entschiedener widerspricht. Der Bürger im Lande hat meines Erachtens immer wieder den Eindruck, daß die Zeitungsberichte zutreffen, und ich meine, es wäre Aufgabe der Bundesregierung, entschiedener dagegen anzutreten.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Bundesregierung tritt derartigen Darstellungen immer entschieden entgegen. Leider findet das nicht immer den gebührenden Niederschlag in der Presse.
Zweite Zusatzfrage bitte.
Herr Staatssekretär, wenn das eine bestimmte Presse beträfe, sähe ich das ein. Da es sich aber um Berichte in Wirtschaftsteilen seriöser Tageszeitungen handelt, kann ich mir nicht vorstellen, daß sie völlig unbegründet sind. Im Hinblick auf Europawahlkampf und die Aufklärungsaufgaben, die wir Abgeordneten in diesem Zusammenhang haben, meine Frage an Sie: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit eine stärkere Aufklärung erfolgt?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung gedenkt, weiterhin entschieden das zu sagen, was wahr ist, und die Journalisten zu bitten, sich etwas intensiver mit den Zusammenhängen zu beschäftigen. Das wird oft vernachlässigt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker .
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung überhaupt für vertretbar, daß zur Vernichtung erzeugter Waren in Europa Interventionsmittel bereitgestellt werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Nein. Ich habe eben ausgeführt, Herr Kollege, daß die EG-Marktordnung für frisches Obst und Gemüse Vernichtungen nicht vorsieht. Wohl werden Rücknahmemaßnahmen finanziert. Die zurückgenommenen Produkte sind dann anderen Verwendungen zuzuführen, z. B. sozialen Zwecken — für Altersheime, Krankenhäuser — oder auch der Destillation. Dabei kann es auch einmal vorkommen, daß Äpfel verfaulen. Aber das ist nur ein ganz geringer Prozentsatz.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Gansel.
Herr Staatssekretär, da es unbestritten ist, daß, um zu bestimmten Zeiten die Marktpreise zu stützen, insbesondere Obst und Gemüse durch Geschmacks- und Farbstoffe ungenießbar gemacht wird und nach Ihrer Auskunft dabei keine Kosten entstehen, möchte ich Sie fragen, wie groß der Kreis der ehrenamtlichen Mitarbeiter ist, die diese Aufgabe verrichten.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, durch die Marktordnung der EG wird nicht angestrebt, das Marktangebot zu verdünnen, um die Preise hochzuhalten, sondern die Intervention dient lediglich dazu, gewisse Produkte zu übernehmen, wenn sie am Markt nicht abfließen können.
Ich darf Ihnen dazu ein Beispiel geben. In den vergangenen Jahren — zuletzt vor zwei Jahren — kam es immer wieder vor, daß in Süditalien gewisse Mengen von Pfirsichen nicht absetzbar waren. Das hat hier damals große Wellen geschlagen, weil gleichzeitig die Pfirsichpreise für die Verbraucher recht hoch waren. Andererseits ist der Vorwurf an den deutschen Importhandel, er habe diese Ware dem deutschen Verbraucher nicht zur Verfügung gestellt, völlig ins Leere gelaufen; denn es handelte sich um Ware, die bei den deutschen Verbrauchern wegen ihrer schlechten Qualität überhaupt nicht abgesetzt werden konnte.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß bei den soeben gestellten beiden Fragen in der Zielrichtung offenbar die Unterschiedlichkeit der Produktionsverhältnisse in der Europäischen Gemeinschaft, aber auch der Versorgungsverhältnisse übersehen wird, die die Bundesregierung, wie ich glaube, so sieht, daß die Maßnahmen einem höheren Ziel, nämlich einer sozialen und besseren Versorgung des gesamten Raumes, dienen sollen?Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaube, diese beiden Fragen sind durchaus gerechtfertigt. Aber dazu muß man auch sagen, daß wir es mit verderblichen Produkten zu tun haben, deren Lebensdauer in gewissen Gebieten der EG beschränkt ist. Es muß eingeräumt werden, daß dort schon einmal Pannen vorkommen können. Aber das ist im gesamten Bereich der Nahrungsmittel so. Das kann überall einmal passieren. Ich habe selber
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Parl. Staatssekretär Gallusals Landwirt schon einmal Tafeläpfel an meine Kühe verfüttert, weil ich die Äpfel nicht verkaufen konnte.
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Simonis.
Herr Staatssekretär, nachdem aus Ihren vorherigen Ausführungen und auch aus dem Bundeshaushaltsplan entnommen werden kann, daß gewisse Mittel für die Ungenießbarmachung von Obst und Gemüse aufgewendet werden, wäre doch zu fragen, ob diese Mittel nicht sinnvollerweise für andere strukturpolitische Maßnahmen — meinetwegen regional- oder auch agrarpolitischer Art — verwendet werden können.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich glaube, daß hier immer ein gewisser Rest bleibt. Ich muß klarstellen, daß es sich dabei nur um einen ganz geringen Teil der Mittel handelt, die hier zu Buche stehen. Für Rücknahmemaßnahmen sind 1977 104,5 Millionen Rechnungseinheiten ausgegeben worden. 1978 betrug der Mittelansatz, weil die Obsternte relativ gering war, nur 56,9 Millionen Rechnungseinheiten. Für 1979 sind im EG-Haushalt 81,7 Millionen Rechnungseinheiten vorgesehen. Außerdem sind für 1979 vorgesehen: für Verarbeitung und Verteilung 4,4 Millionen Rechnungseinheiten, für die Absatzförderung von Zitrusfrüchten — niemand will bestreiten, daß dort, wo Zitrusfrüchte angebaut werden, z. B. in Süditalien, die Ärmsten Europas wohnen — 20 Millionen Rechnungseinheiten, an Prämien für die Verarbeitung von Zitrusfrüchten 18 Millionen Rechnungseinheiten. Dazu kommt erstmals das, was gewissermaßen den Sprung in der Gesamtsumme herbeigeführt hat: Prämien für die Verarbeitung von Obst und Gemüse von 160 Millionen europäischen Rechnungseinheiten. Die Europäische Kommission glaubt, daß andere Mittel, z. B. für Rücknahmemaßnahmen, nicht mehr notwendig sein werden, wenn man genug für die Vermarktung tut.
Herr Abgeordneter Gansel, ich kann Ihnen keine Zusatzfrage mehr gestatten, weil wir schon bei der Frage 3 sind und Sie dazu schon eine Zusatzfrage gestellt haben. Es tut mir leid.
Gibt es weitere Zusatzfragen zu diesem Komplex? — Das ist nicht der Fall.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär von Schoeler zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Marschall auf:
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus kürzlich veröffentlichten Meinungsforschungsergebnissen, die bei der Mehrheit der befragten Beamten eine weitgehende Unkenntnis wichtiger grundgesetzlicher Bestimmungen ergeben, die soweit geht, daß z. B. in Verfassungsregelungen wie Sozialpflichtigkeit des Eigentums, Möglichkeit der Vergesellschaftung, Recht zum Widerstand und friedensstaatlicher Auftrag Verfassungsbestimmungen der DDR gesehen werden, bzw. was gedenkt die Bundesregierung zur besseren Information der zur Verteidigung unserer Verfassungsordnung verpflichteten Beamten in ihrem Verantwortungsbereich zu tun?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, darf ich die Fragen 4 und 5 zusammen beantworten?
Ich rufe daher jetzt die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Marschall auf:
Liegen der Bundesregierung Untersuchungen über die grundgesetzlichen Kenntnisse der Bundesbeamten im Bereich der inneren Sicherheit vor, bzw. werden solche Prüfungen auf Kenntnis und Verarbeitung verfassungsrechtlicher Bestimmungen vorgenommen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Die Einzelheiten der erwähnten Umfrage, z. B. der Inhalt der Fragestellung oder die Auswahl der Befragten, sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die Bundesregierung kann deshalb die wissenschaftliche Aussagekraft der Einzelergebnisse nicht beurteilen. Insbesondere ist ihr nicht bekannt, welche Ergebnisse der Umfrage nicht veröffentlicht wurden.
Ohne eine solche umfassende Bewertung der Umfrage vornehmen zu wollen, muß ich starke Zweifel daran anmelden, ob der veröffentlichte Teil der Umfrage ein realitätsbezogenes Bild der wirklichen Verhältnisse wiedergibt.
Tatsache ist, daß die Beamten in Bund und Ländern schon während der Ausbildung mit dem Grundgesetz und seinen Inhalten vertraut gemacht werden. In dem von Ihnen herausgehobenen Bereich der inneren Sicherheit z. B. schreiben die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen vor, daß die Beamten ein vertieftes Wissen über die für sie wesentlichen Vorschriften des Grundgesetzes vermittelt bekommen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Marschall.
Herr Staatssekretär, angesichts der Bedeutung dieser Fragen für unser Staatswesen frage ich: Ist die Bundesregierung bereit, so bald wie möglich eine umfassende Untersuchung durchzuführen, die über die Verfassungskenntnis der Beamtenschaft repräsentative Aussagen ermöglicht?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, derartige Planungen haben wir im Augenblick nicht. Die Umfrage, die Sie zitiert haben, gibt aus den von mir dargestellten Gründen keinen Anlaß für eine solche eingehende Untersuchung, wie Sie sie jetzt in die Überlegung bringen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung die Absicht, sich genauere Kenntnis über die diskutierte Untersuchung zu verschaffen?
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von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe die Fragen dieser Umfrage, die uns bekannt sind, hier nicht im einzelnen dargelegt. Ich will mal ein Beispiel herausnehmen. Schauen Sie: Da wird gesagt, 30 °/o der Beamten hätten das Grundgesetz nie in der Hand gehabt. Ich weiß nicht, ob es sehr ergiebig ist, dieser Frage jetzt weiter nachzugehen. Ich möchte, wenn ich das darf, Frau Präsidentin, mit der Gegenfrage antworten: Was würde es denn eigentlich auch von Ihrer Fragestellung her bedeuten, ob 100 °/o oder 60 % oder 70 °/o jemals das Grundgesetz als Papier in der Hand gehabt haben? Sie sehen daran, daß die Problematik der Fragestellung und der Ergebnisse, die daraus produziert werden, nicht unbedingt als geeigneter Ansatzpunkt für eine vertiefte Diskussion erscheint, zumindest für den Teil, den ich kenne.
Sie können noch zwei Zusatzfragen stellen, Herr Abgeordneter Marschall. Bitte.
Herr Staatssekretär, ich habe nicht auf das In-der-Hand-Haben des Grundgesetzes im wörtlichen Sinn abgehoben. Ich wollte Sie nur fragen, ob nicht selbst dann, wenn nur ein Teil der vorgebrachten Bedenken zu Recht bestände, Konsequenzen für die Bundesregierung und selbstverständlich auch für die anderen Regierungen im Land erforderlich wären.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe dargelegt, aus welchen Gründen aus dieser Umfrage sich für meine Begriffe keine Konsequenzen ergeben. Sie haben Ihre Frage auf diese Umfrage abgestellt. Es gibt natürlich hier eine generelle Aufgabe der Bundesregierung und der Landesregierungen. Aber die bezieht sich nicht nur auf den Bereich des öffentlichen Dienstes, sondern auf die Gesamtbevölkerung: dafür zu sorgen, daß das Vertrauen in die Demokratie und die Anerkennung demokratischer Spielregeln sich weiter festigen.
Ich könnte Ihnen eine Reihe von Umfrageergebnissen darlegen, aus denen sich dieses Ergebnis ableitet. Diese hätten Sie wahrscheinlich nicht zum Gegenstand einer solchen Fragestellung gemacht.
Das Problem scheint mir, wenn wir mal die Gesamtbevölkerung nehmen, darin zu liegen, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland in den 30 Jahren seit Kriegsende eine Demokratie hatten, die sich zeitlich gleichzeitig mit einer Phase wirtschaftlichen Wohlergehens entwickeln und festigen konnte, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil sie mit dieser Phase wirtschaftlichen Wohlergehens verbunden war. Wir stimmen wahrscheinlich darin überein, daß die Bundesregierung und die Landesregierungen im Bereich der politischen Bildungsarbeit dafür Sorge tragen müssen, daß die Festigung des demokratischen Bewußtseins, die unter diesen günstigen Voraussetzungen möglich war und nach meiner Überzeugung auch eingetreten ist, auch in Zeiten, in denen es eine Herausforderung an dieses
gefestigte demokratische Bewußtsein gibt, Bestand hat. Dem dienen die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, dem muß die politische Bildungsarbeit dienen, dem muß auch die Arbeit der politischen Parteien dienen. Ich bin gern bereit, Ihnen im einzelnen darzulegen, was wir auf diesen Feldern alles tun.
Ich will, wenn ich das so umfangreich beantwortet habe, Herr Kollege, darauf aufmerksam machen, daß mir der Ansatzpunkt dieser Diskussion weniger durch diese Umfrage gegeben zu sein scheint, sondern durch eine generellere Fragestellung, die ich allerdings ebenso wie Sie für notwendig halte.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Marschall.
Ich bin ebenfalls der Auffassung, daß dies Anlaß sein sollte. Ich möchte Sie fragen, ob nicht gerade aus diesen grundsätzlichen Überlegungen heraus die Bundesregierung die Absicht hat, über die Ausbildung hinaus für die Beamtenschaft verpflichtende Schulungen in späteren Jahren insbesondere im Bereich der inneren Sicherheit vorzusehen, damit nicht aus Unkenntnis Bürger, die grundgesetzliche Forderungen aufstellen, benachteiligt oder verunsichert werden.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe darauf hingewiesen, daß die Umfrage keinen Anlaß zu der Vermutung gibt, daß es so sein könnte, wie Sie es jetzt noch einmal dargestellt haben. Ich habe darüber hinaus darauf hingewiesen, daß die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen in diesem besonders wichtigen Bereich der inneren Sicherheit entsprechende Vorschriften enthalten. Damit ist die Frage schon beantwortet.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.
Herr Staatssekretär, scheint es Ihnen nicht dennoch bedenklich, da die Umfrage und die Ergebnisse ja nicht schlicht als unseriös dargestellt werden können, was Sie auch nicht getan haben, daß ausgerechnet die Verfassungsbestimmungen nicht gekannt werden oder in die Verfassung der DDR verwiesen werden, die das kritische Potential dieser Verfassung mit enthalten und auch das Potential der Verfassung, das geeignet wäre, diese Gesellschaft weiterzuentwickeln?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, mir ist nicht ganz klar, wieso Sie so eine weitreichende Schlußfolgerung aus den veröffentlichten Teilen dieser Umfrage ziehen. Ich vermag diese Fragestellung von daher nicht zu teilen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Meinike.
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Herr Staatssekretär, wenn Sie auch Zweifel zu dem Ergebnis hier vorgetragen haben, darf ich Sie dennoch fragen, ob der Grund für doch unbestreitbare Mängel im öffentlichen Dienst in der Kenntnis von Verfassungsbestimmungen vielleicht darin liegen kann, daß wir im öffentlichen Dienst unvollständige unzureichende Ausbildungsinhalte haben und daß immer noch ein Teil der Ausbilder im öffentlichen Dienst die eigene Ausbildung unter Prämissen erfahren hat, die eben nicht von demokratischen Kriterien bestimmt gewesen sind, sondern befangen waren im Dritten Reich oder immer noch befangen sind von den Vorstellungen eines primitiven Antikommunismus der Nachkriegsepoche.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich muß diesen sehr weitreichenden Unterstellungen entgegentreten. Vielleicht kann ich versuchen, Ihnen noch einmal deutlich zu machen, wieso Sie solche Konsequenzen aus einer solchen Umfrage, soweit sie uns bekannt ist, nicht ziehen können. Wenn ich Ihnen die Frage stellte, was in Art. 77 des Grundgesetzes steht, und Sie müßten mit der Antwort passen, würde ich mir daraus keinen Schluß auf Ihre demokratische Zuverlässigkeit erlauben. Das ist doch das Problem. Für mich liegt das Problem darin, daß eine solche Umfrage und die veröffentlichten Ergebnisse zum Anlaß einer ganz grundsätzlichen und ganz generellen Debatte gemacht werden. Ich stimme ja durchaus zu, daß man sich über diese Fragen ernsthaft unterhalten kann und muß, ich glaube nur, daß das nicht der geeignete Ansatzpunkt ist.
Keine weiteren Zusatzfragen von Ihnen.
Herr Kollege Jäger , bitte schön.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Anhaltspunkte dafür, daß die von Ihnen vorhin erwähnten Ausbildungs- und Prüfungsordnungen in der Praxis nicht durchgeführt werden?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, ich kann hier nur über den Bereich des Bundes Auskunft geben. Da werden die Ausbildungs-und Prüfungsordnungen eingehalten und ausgeführt. Mir ist auch für andere Bereiche nicht bekannt, daß es entsprechende Klagen irgendwo gegeben hätte.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Ey.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß neben der allgemeinen und sicherlich zu vertiefenden Kenntnis unseres Grundgesetzes insbesondere auch die Kenntnis der laufenden Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung der Artikel des Grundgesetzes wünschenswert ist?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Ey, grundsätzlich könnte Ihrer Frage natürlich nur zugestimmt werden. Nur weiß ich nicht, was wir jetzt eigentlich noch verlangen sollen. Man muß sich das praktisch vorstellen. Daß der Zusteller im Postdienst der Deutschen Bundespost — ohne die Wichtigkeit seiner Aufgabe in irgendeiner Weise gering achten zu wollen — nicht unbedingt die letzte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kennen muß, scheint mir eine relativ klare Sache zu sein. 'Das zeigt doch alles die Schwierigkeit, an Hand formaler Fragen, nach einer formalen Kenntnis eine so wichtige und so entscheidende Frage wie die der Festigung des Demokratiebewußtseins beurteilen zu wollen.
Wir haben zum gleichen Gebiet noch eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Schöfberger. Ich würde Sie herzlichst bitten, dann Ihre Zusatzfragen zu stellen.
Ich rufe deshalb die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Dr. Schöfberger auf:
Hält es die Bundesregierung im Anschluß an ein vom Institut für Demoskopie in Allensbach erstelltes Umfrageergebnis für möglich oder wahrscheinlich oder aber für ausgeschlossen, daß auch jeder dritte Bundesbeamte noch nie das Grundgesetz, auf das er verpflichtet ist, in der Hand gehabt hat und daß bis zu zwei Drittel der Bundesbeamten wichtige Grundgesetzartikel, wie Artikel 14 Abs. 2, Artikel 15, Artikel 20 Abs. 4 und Artikel 26 entweder überhaupt nicht kennen oder überwiegend der DDR-Verfassung zuordnen, und was hat die Bundesregierung bisher getan, um die Kenntnis des Grundgesetzes unter der Beamtenschaft zu verbreiten und zu vertiefen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Wären Sie mit zusammenfassender Beantwortungt einverstanden, Herr Kollege Schöfberger?
Dann rufe ich auch die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Dr. Schöfberger auf:
Wie kann unter der Voraussetzung des hohen Mangels an Kenntnissen über das Grundgesetz garantiert werden, daß alle Beamten stets, vor allem in Krisenzeiten, die Gewähr dafür bieten, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten, und wie kann unter der Voraussetzung des Umfrageergebnisses garantiert werden, daß sich nicht auch wesentliche Teile der Beamtenschaft daran beteiligen, Demokraten, die die Vergesellschaftung von Produktionsmitteln nach Artikel 15 des Grundgesetzes fordern, als „Verfassungsfeinde" oder Kommunisten" zu brandmarken oder solchen Bürgern gar rechtswidrige Nachteile, wie die Abweisung als Bewerber für den öffentlichen Dienst, zufügen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Zunächst einmal — Sie werden es nicht anders erwarten, Herr Kollege — möchte ich Bezug nehmen auf meine Antwort auf die Frage des Kollegen Marschall. Wie sich daraus schon ergibt, kann ich den ersten Teil Ihrer Frage damit beantworten, daß die Bundesregierung das für sehr unwahrscheinlich hält. Die Voraussetzung, von der Sie in Ihrer zweiten Frage ausgehen, kann ich daher nicht bestätigen.
Herr Staatssekretär, auf welche empirischen Erkenntnisse oder Untersuchungen stützen Sie Ihre erheblichen Zweifel am Umfrageergebnis? Ist das aus Ihrem Gefühl heraus bewertet, oder haben Sie tatsächlich etwas untersucht?
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11988 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Mai 1979
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schöfberger, ich habe die Frage so beantwortet, wie sie gestellt war. Sie haben danach gefragt, ob ich das für wahrscheinlich halte. Ich habe Ihnen die Antwort gegeben, daß ich es für sehr unwahrscheinlich halte. Dabei stütze ich mich nicht auf das Prinzip, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, sondern zunächst einmal auf die bereits dargelegten Inhalte der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, darüber hinaus auf die Erfahrungen, die wir in diesem Bereich haben. Ich bin gerne bereit, Ihnen auch einmal andere Umfragen, die es ja in diesem Bereich gibt und die Sie auch kennen, zur Verfügung zu stellen. Ich kann Ihnen im Augenblick nicht sagen, ob es spezielle Umfragen für den Bereich des öffentlichen Dienstes gibt. Aber ich glaube soundso, daß das ein generelles Problem der politischen Bildungsarbeit ist, das hier angesprochen wird.
Zu einer zweiten Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schöfberger.
Nachdem die Umfrageergebnisse nunmehr schon beinahe drei Wochen unbeantwortet im Raum stehen, muß ich davon ausgehen, daß die Bundesregierung keine Antwort darauf in der Öffentlichkeit zu geben vermag. Wie vereinbart sich das mit der allgemeinen Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schöfberger, ich hatte bisher nicht den Eindruck, daß das Letztgenannte der Ansatzpunkt der Fragen war. Wenn ich aber auf die neue Ausgabe der „Quick" von morgen hinweisen darf, dann finden Sie dort ein Interview des Bundesinnenministers Baum, in dem dieser auf die Fragen zu diesem Themenkomplex eingeht. Er sagt dort auch deutlich, daß er starke Zweifel daran hat, ob die zitierte Umfrage ein realitätsbezogenes Bild zeichnet. Wenn Sie also Sorge haben, daß die Fürsorgepflicht der Bundesregierung nicht in ausreichendem Umfang in der Form eines Widerspruchs erfüllt worden sei, darf ich zunächst einmal auf meine heutige Antwort auf Ihre Frage hinweisen, zum anderen auf das morgen in der „Quick" erscheinende Interview.
Vielleicht lassen Sie dieses Interview allen Abgeordneten in die Fächer legen, Herr Staatssekretär. Das wäre vielleicht ganz nützlich.
Haben Sie noch Fragen, Herr Abgeordneter Dr. Schöfberger?
Herr Staatssekretär, sind wir uns einig, daß es sich bei der Frage nach der Verfassungskenntnis der Beamtenschaft, gleich, wie man diese Frage beantworten will oder kann, um ein zentrales Problem unseres Berufsbeamtentums handelt und daß auch unsere Diskussion über die Formel des Gewährbietens wesentlich von der Beantwortung dieser Frage abhängt?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schöfberger, wir sind uns darin einig, daß die Festigung des demokratischen Bewußtseins in der Öffentlichkeit insgesamt und im öffentlichen Dienst insbesondere eine ganz wichtige und eine ganz zentrale Frage ist.
Letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn der ehemalige Ministerpräsident Filbinger vom Podium dieses Hauses aus am 23. Februar 1974 die Existenz des Art. 15 des Grundgesetzes rundweg bestritten hat, wie können Sie dann annehmen, daß die breite Beamtenschaft bessere Kenntnisse hat als der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg?
Ich glaube nicht, daß diese Frage im Zusammenhang mit der von Ihnen eingereichten Frage steht, Herr Schöfberger.
— Nein, das ist meine Auffassung; ich leite die Sitzung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Herr Staatssekretär, obwohl ich mit Ihnen darin übereinstimme, daß ein Beamter auch dann verfassungstreu kein kann, wenn er das Grundgesetz nicht in allen Einzelheiten kennt, möchte ich Sie fragen, ob nicht doch ein peinlicher Widerspruch darin gesehen werden kann, daß der Staatssekretär von den Inhabern von Beamtenstellen nicht erwartet, daß sie alle das Grundgesetz in der Hand gehabt haben, daß aber von einem Personalsachbearbeiter und von einem Bewerber für eine Beamtenstelle verlangt wird, daß er auf dem Boden des Grundgesetzes steht ...
Ich bitte um kurze Fragestellung.
... und dieses oft unter Heranziehung höchstrichterlicher Rechtsprechung ja sogar im Detail.von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gansel, ich fühle mich von Ihnen grundsätzlich mißverstanden. Ich habe nicht gesagt — Sie können das ja im Protokoll des Deutschen Bundestages nachlesen —, daß ich von einem Beamten nicht erwarte, daß er das Grundgesetz in der Hand gehabt hat. Ich habe nur auf die Problematik einzelner veröffentlichter Umfrageergebnisse hingewiesen, indem ich gesagt habe: Was würde es denn bedeuten, wenn eine Umfrage nicht zu dem Ergebnis kommen würde, 30 °/o der Beamten hätten das Grundgesetz als Buch nie in der Hand gehabt, sondern 100 °/o hätten es in der Hand gehabt? Ich wollte damit darauf hinweisen, daß Sie aus einer solchen formalen Frage und deren formalen Beantwortung keinerlei Hinweise auf die Festigung des demokratischen Bewußtseins in der Beamtenschaft und in der Öffentlichkeit ziehen können. Das ist, glaube ich, doch verständlich dargelegt
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Mai 1979 11989
Parl. Staatssekretär von Schoelerworden. Wie Sie dann zu der Schlußfolgerung kommen, ich hätte gesagt, ich erwartete von einem Beamten nicht, daß er das Grundgesetz kennt, ist mir etwas schleierhaft.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage zu den zwei Fragen? -- Bitte schön.
Herr Staatssekretär, ist mein Eindruck richtig, daß bei Ihnen auch das Problem besteht, daß Sie über das Gutachten sprechen, obwohl Sie es nicht in der Hand gehabt haben, und wären Sie bereit, es sich zu besorgen und es gründlich zu studieren?
von Schoeler, Parl. Staatsekretär: Herr Kollege Gansel, ich habe auf das Problem hingewiesen, daß mir die Einzelheiten dieser Umfrage nicht bekannt sind. Ich muß Ihnen aber auch ehrlich sagen, daß ich eine vertiefte Diskussion über die Frage, die wir gemeinsam für wichtig halten, anhand dieses Gutachtens nicht für möglich halte und daß ich deswegen auch keinerlei Anstrengungen in der von Ihnen genannten Art machen werde, die mit Kosten verbunden sind. Auch das habe ich feststellen lassen, Herr Kollege, denn allein die notwendige Vorbereitung auf die wichtigen Fragen, die hier in dieser Fragestunde gestellt worden sind, hätte es natürlich nahegelegt, diese Umfrage zu lesen, wenn das ohne weitere Kostenbelastung des Bundeshaushalts möglich gewesen wäre. Diese Hürde zu überspringen erschien mir angesichts der aufgezeigten Problematik aber nicht erforderlich.
Ich bitte um kurze Fragen und um kurze Antworten. Meine Damen und Herren, sehr viele Fragesteller werden zu kurz kommen, wenn wir uns an einer Frage so lange aufhalten.
Frau Kollegin Simonis, Sie haben eine Zusatzfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, können Sie sich vorstellen, daß der Leser, der diese Meldung vor drei Wochen gelesen hat und dem Ihre Kenntnisse ja nicht vorliegen, auch nach der morgigen Veröffentlichung des Interviews von Herrn Baum noch Zweifel darüber hegt, ob die von ihm bezahlten Beamten tatsächlich die von mir als sehr wichtig erachteten Teile des Grundgesetzes kennen, und wären Sie unter Umständen bereit, Ihrerseits nun ein von Ihnen anerkanntes Gutachten darüber anfertigen zu lassen, ob die Beamten diese Teile des Grundgesetzes kennen oder nicht?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, diese Frage habe ich schon mit Nein beantwortet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.
Herr Staatssekretär, da Ihre vorhin gegebenen Antworten ergeben haben, daß Ihre Antworten heute offensichtlich aus dem endothymen persönlichen Grund geschöpft sind, möchte 1 ich Sie fragen, ob Sie bereit wären, sich auf zuverlässige, empirisch gesicherte und methodologisch einwandfreie Weise in den Erkenntnis- und Kenntnisstand zu versetzen, um die hier gestellten Fragen auch mit Sachkenntnis beantworten zu können?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hansen, ich darf Ihnen einen Rat geben. Sie sollten sich doch auch noch einmal überlegen, ob diese Umfrage ein geeigneter Ansatzpunkt für eine wichtige Diskussion ist. Ich will Ihrer Bewertung meiner Antworten nicht im einzelnen nachgehen. Ich möchte Sie nur einmal fragen, ob Sie jede Umfrage zum Anlaß einer empirischen Untersuchung nehmen, wenn Sie nicht auf Grund anderer Anhaltspunkte den Eindruck haben, daß diese empirische Untersuchung notwendig ist. Vielleicht sollten Sie sich auch noch einmal überlegen, was in Ihren Worten an Mißtrauen gegenüber der Beamtenschaft insgesamt zum Ausdruck kommt. Das möchte ich zurückweisen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Staatssekretär, teilen sie meine Auffassung, daß die deutsche Beamtenschaft, wenn die Bundesregierung, wie Sie dargelegt haben, diese Umfrage nicht zum Anlaß nehmen kann, daraus weitgehende Schlüsse zu ziehen, einen Anspruch darauf hat, gegen Verdächtigungen der Verfassungsuntreue oder. mangelnder Verfassungskenntnis in Schutz genommen zu werden?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ja, und das ist auch geschehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Meinike.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für völlig ausgeschlossen, daß Bewerber für den öffentlichen Dienst auf Grund von Hinweisen auf und Erwähnungen von Verfassungsbestimmungen in den sogenannten Anhörungsverfahren deshalb abgewiesen worden sind, weil der anhörende Beamte dem Personenkreis zuzurechnen ist, der Bestimmungen des Grundgesetzes für Bestimmungen der DDR-Verfassung gehalten hat?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Meinike, ich kann diese Frage nur für den Bundesbereich beantworten. Im Bundesbereich erfolgen Ablehnungen von Bewerbern für den öffentlichen Dienst wegen mangelnder Verfassungstreue nach den Grundsätzen, die die Bundesregierung be-
Parl. Staatssekretär von Schoeler
schlossen hat, durch den politisch verantwortlichen Minister. Ich verhehle aber nicht, daß ich einzelne Beispiele außerhalb des Verantwortungsbereichs der Bundesregierung kenne — die auch in der öffentlichen Diskussion behandelt wurden —, wo sich manche Fragen in dieser Richtung stellen lassen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Althammer.
Herr Staatssekretär, würden Sie einem Abgeordneten, der jahrelang als Dozent in der Ausbildung von Beamten tätig war, bestätigen, daß das Grundgesetz Gegenstand der Ausbildung und der Prüfungen ist und daß sich jeder Kollege vergewissern kann, daß das so ist und das Grundgesetz daher bei den Beamten wohl auch bekannt ist?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe bereits auf die Ausbildungsvorschriften und' Prüfungsordnungen insgesamt hingewiesen. Insoweit kann ich das bestätigen.
Ich lasse noch zwei Zusatzfragen zu.
Frau Matthäus-Maier, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, könnte es sein, daß der Vermerk in einer Akte des Verfassungsschutzes über einen Bewerber für den öffentlichen Dienst, gegen diesen bestünden Zweifel an seiner Verfassungstreue, weil er im Jahre 1968 an einem, wie es heißt, „Umzug" gegen den Vietnamkrieg teilgenommen habe, darauf zurückzuführen ist, daß der Beamte das Grundgesetz noch nicht in der Hand gehabt hatte und daher Art. 8 nicht kannte, nämlich das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wenn es einen Fall gäbe, in • dem das die Begründung für die Ablehnung eines Bewerbers für den öffentlichen Dienst ware, diese also darauf gestützt worden wäre, hätte ich allerdings in dieser Richtung ernsthafte Zweifel.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker .
Herr Staatssekretär, auf dem Hintergrund der Fragen in dieser Fragestunde und der Beschuldigungen, die von Oppositionsvertretern gegen namhafte Vertreter der SPD und der FDP in bezug auf Verfassungsbrüche vorgetragen worden sind: Wären Sie nicht mit mir der Meinung, daß wir in den Prüfungs- und Ausbildungsordnungen des Bundes der Vermittlung des Inhaltes des Grundgesetzes noch mehr Stunden als bisher widmen sollten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Becker, das ist eine ernsthafte Frage. Ich bin durchaus der Meinung — wir haben insoweit auch
schon etwas eingeleitet —, daß wir uns ihr stellen müssen: ob der Anteil verstärkt werden muß, ob es noch zusätzlicher Anforderungen in den Prüfungsordnungen bedarf. Ich werde dieser Frage nachgehen und Sie entsprechend unterrichten.
Die Fragen 8 und 9 des Abgeordneten Dr. Jentsch werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:Welche Schritte hat die Bundesregierung bisher eingeleitet bzw. wird sie einleiten, um zu verhindern, daß in der Bundesrepublik Deutschland rechtskräftig verurteilte Spione oder Personen, die sid durch ihre Flucht einer Aburteilung wegen Spionage entzogen haben, bei Erreichen des Pensionsalters ein Altersruhegeld erhalten werden?von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, meine Antwort auf Ihre Frage bezieht sich auf die Rechtslage bei den Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Hiernach gilt folgendes. Ein Beamter, der wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit strafbar ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wird, verliert seine Beamteneigenschaft mit der Rechtskraft des Urteils nach § 48 des Bundesbeamtengesetzes und dem entsprechenden Landesrecht. Damit erlischt auch seine Anwartschaft auf beamtenrechtliche Versorgung. Jedoch ist der ehemalige Beamte in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern.Bei der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ' von weniger als sechs Monaten wird ein Disziplinarverfahren mit möglichen Folgen auch für das Ruhegehalt durchgeführt.Ein Beamter, der sich der Aburteilung durch die Flucht entzogen hat, verliert wegen schuldhaften Fernbleibens vom Dienst seine Dienstbezüge nach § 9 des Bundesbesoldungsgesetzes. Die Beamtengesetze bestimmen ausdrücklich, daß dadurch eine disziplinarrechtliche Verfolgung nicht ausgeschlossen wird.Wird der Beamte im Disziplinarverfahren aus dem Dienst entfernt, so verliert er ebenfalls damit den Anspruch auf Versorgung nach § 11 der Bundesdisziplinarordnung.Bei Arbeitnehmern liegt in solchen Fällen ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet auch die Pflicht des Arbeitgebers zur zusätzlichen Versicherung des Arbeitnehmers bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder oder bei einer sonstigen zuständigen Zusatzversorgungseinrichtung des öffentlichen Dienstes und damit die Anwartschaft des Arbeitnehmers auf eine künftige dynamische Versorgungsrente aus der Zusatzversorgung.Bei Arbeitnehmern, die sich einer Verurteilung durch Flucht entzogen haben, entfällt der Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge. Auch in diesen Fällen kann das Arbeitsverhältnis mit den erwähnten zu-
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Parl. Staatssekretär von Schoeler satzversorgungsrechtlichen Folgen vorzeitig beendet werden.Auch das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung berücksichtigt den in Ihrer Frage erwähnten Tatbestand. § 18 Abs. 2 Nr. 4 dieses Gesetzes sieht vor, daß ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Zusatzrente erwirbt oder einen bereits erworbenen Anspruch auf eine solche Zusatzrente verliert, wenn er wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit strafbar ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten rechtskräftig verurteilt wurde. Die Satzungen der Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes enthalten weitgehend entsprechende Regelungen.Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, an dieser auf Grund der bestehenden Gesetze gegebenen Rechtslage zur Zeit etwas zu ändern.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten gibt es, Spione, die der Bundesrepublik materiellen Schaden zugefügt haben, wenigstens zu einem teilweisen Schadenersatz heranzuziehen und hierbei auch in das Vermögen und vermögenswerte Rechte zu vollstrecken?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das ist eine Frage, die Sie an meinen Kollegen aus dem Justizministerium stellen müssen.
Das gehört nicht in den Sachzusammenhang. Haben Sie noch eine Frage?
Herr Staatssekretär, erscheint es der Bundesregierung nicht unbillig, daß jemand, der sich den für ihn nachteiligen Auswirkungen des Rechtsstaates durch Flucht entzieht, dennoch so extensiv die Vorteile des Systems in Anspruch nehmen kann?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Niegel, ich habe die Rechtslage dargestellt. Wie Sie anhand dieser Rechtslage zu der Vermutung kommen, die der Anlaß Ihrer jetzigen Frage ist, verstehe ich nicht.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß die Personen, die nach 1949 politische Straftaten begangen haben, in der Altersversorgung wesentlich schlechter gestellt sind als die, die von 1933 bis 1945 politische Straftaten begangen haben?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich würde das gern schriftlich beantworten, weil ich jetzt nicht ganz verstehe, auf welchen Punkt Sie abzielen.
Der Herr Staatssekretär beantwortet die Frage schriftlich.
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Voss auf:
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— Dann muß ich die Frage wie folgt beantworten. Ls finden laufend Messungen in den betreffenden deutschen Gewässern statt, die auch die Gewähr dafür bieten müssen, daß eine solche Frühwarnung, wie Sie sie in Ihrer Frage ansprechen, in dem Fall des Eintritts eines Ereignisses, wie Sie es eben geschildert haben, erfolgen würde.
Ich rufe die Frage 15 der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein auf:Wie beurteilt die Bundesregierung die Sicherheit der internationalen Atommüllager im Nordatlantik, die bisher vorwiegend Atommüll aus den USA und aus Großbritannien aufgenommen haben?
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von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Zur Beurteilung der Sicherheit der in der Iberischen Tiefsee abgelagerten radioaktiven Abfälle kann folgendes festgestellt werden. Die Abfälle liegen in einer Tiefe von mehr als 4 000 m. Das Versenkungsgebiet ist weder zur Gewinnung von Bodenschätzen noch für Fischereizwecke geeignet. Die abgelagerten Abfälle sind verfestigt und nur schwach aktiv. Außerdem ist die Gesamtmenge der Radioaktivität wesentlich geringer, als es die Empfehlungen der Internationalen Atomenergie-Organisation zulassen. Diese Faktoren zusammengenommen lassen nicht erwarten, daß von den abgelagerten Abfällen eine Gefährdung für irgendwelche Bevölkerungsgruppen ausgeht. Der Bundesregierung sind keine Tatsachen bekannt, die unter den gegebenen Umständen gegen die Sicherheit dieser Ablagerungen sprechen würden, auch nicht in ökologischer Hinsicht. Gleichwohl bemüht sich die Bundesregierung als Mitunterzeichnerstaat der Londoner Konvention aus international-ökologischer Rücksichtnahme auch selber um eine restriktive Anwendung der vorgenannten Empfehlungen.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß Geologen seit den 60er Jahren immer wieder darauf aufmerksam machen, daß im Nord- und Mittelatlantik eine rege vulkanische Tätigkeit stattfindet, und sind Sie nicht der Auffassung, daß damit erhebliche Sicherheitsprobleme für diese Atommüllager entstehen können?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ich müßte das nachprüfen lassen und wäre Ihnen auch dankbar, wenn Sie mir angäben, auf welche Stellungnahme Sie sich stützen. Ich bin bereit, meine allgemeine Aussage zu dieser Frage auf schriftlichem Wege zu konkretisieren.
Das kann ich gerne tun. Darf ich meine zweite Zusatzfrage stellen?
Sie können eine zweite Zusatzfrage stellen. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, nicht nur eine verbesserte, sondern eine optimale Sicherheit dieser Lagerung — auch in bezug auf die Korrosionsprobleme, die bei den Abfallbehältern heute bereits aufgetreten sind — zu gewährleisten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wir sehen das Problem im Augenblick hauptsächlich darin, daß man überlegen muß, ob die nach dem Londoner Abkommen zugelassenen Höchstwerte niedriger sein sollten. Diese Werte werden im gegenwärtigen Zeitraum nicht ausgenutzt. Die Frage nach der Höhe hat aber insofern Bedeutung, als man der Versuchung, die Höhe auszunutzen, mit
einer Senkung dieser Zahlen begegnen sollte. Wir meinen, daß man im Augenblick über diesen Punkt in internationalem Rahmen reden muß. Andere Punkte sehen wir im Augenblick unter Sicherheitsgesichtspunkten nicht.
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Laufs auf:
Kann der Antwort der Bundesregierung auf die Frage Nr. B 44 vom 27. April 1979 betreffend die Entwicklung der Schwefeloxidimmissionen entnommen werden, daß die Bundesregierung gegenwärtig nicht in der Lage ist, die Auswirkungen der von ihr geforderten Rauchgasreinigung an Großfeuerungsanlagen auf die vorgegebene Immissionsbelastung in den Ballungsgebieten annähernd zu quantifizieren?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Auswirkung der Abgasendreinigung bei Großemittenten auf die Immissionsbelastung ist im konkreten Einzelfall hinreichend quantifizierbar. Bei pauschaler Betrachtungsweise, wie sie die Fragestellung erfordert, kann davon ausgegangen werden, daß sich die vorgegebene Immissionsbelastung in einem größeren Gebiet in etwa dem Maße verringert, wie die Emissionen in diesem Gebiet abnehmen. Die Ausrüstung von Kohlekraftwerken mit Anlagen zur Abgasendreinigung hätte z. B. im Ballungsraum Rhein-Ruhrgebiet eine etwa 20%ige Minderung der gesamten Schwefeldioxidemissionen zur Folge. In bestimmten Gebieten der Bundesrepublik Deutschland würde der Zubau von Großfeuerungen ohne Abgasendreinigung eine Überschreitung der Immissionswerte verursachen. Bereits aus diesem Grund ist in diesen Fällen der Einbau von Abgasendreinigungsanlagen erforderlich, ganz abgesehen von der im Bundesimmissionsschutzgesetz festgelegten Pflicht zur Vorsorge und den zu erwartenden internationalen Problemen durch den großräumigen Transport von Luftverunreinigungen.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Laufs.
Her Staatssekretär, können Sie es als zutreffend bezeichnen, daß die Großanlagen in den Ballungsgebieten mit weniger als 10 °/o an der Gesamtimmission beteiligt sind und daß man daher bei den zahlreichen kleinen Emittenten ansetzen müßte, um eine nennenswerte Immissionsverminderung zu erzielen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laufs, zunächst einmal ist jeder Schritt, der zu einer Reduzierung der Immissionsbelastung führt, zu begrüßen und angesichts der Situation der Luftbelastung auch notwendig. Deswegen kann es auch — das möchte ich als zweites sagen — kein Entweder-Oder bei den beiden von Ihnen angesprochenen Problemkreisen der neuen Anlagen auf der einen und der Ausrüstung der alten Anlagen auf der anderen Seite geben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
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11996 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Mai 1979
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß auch die nassen Reinigungsverfahren wegen der entstehenden Aerosole keine Verminderung des Feststoffgehaltes an Schadstoffen in der Abluft bringen können?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laufs, das ist schon ein Teil Ihrer nächsten Frage, die ich in diesem Zusammenhang beantworten möchte.
Dann rufe ich auch die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs auf:
Mit welcher Menge an staub- oder gasförmigen Emissionen ist bei der Erzeugung einer Terawattstunde auf Kohlebasis zu rechnen, wenn dabei nasse bzw. Trockenverfahren zur Abgasendreinigung nach dem Stand der Technik eingesetzt werden, und welche Umweltbelastungen ergeben sich daraus durch den von der Bundesregierung geplanten verstärkten Ausbau der Kohlekraftwerkskapazitäten?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, zur Erzeugung von einer Terawattstunde elektrischer Leistung werden bei Einsatz von Kohle mit einem Schwefelgehalt von 1,3 Gewichtsprozent ohne Abgasendreinigung 7 800 t SO2 emittiert. Die Abgasbehandlung verringert diese Emissionen unabhängig vom Verfahren auf höchstens 1 560 t S02. Ohne Abgasbehandlung würden an Clorverbindungen zirka 600 t und an Fluorverbindungen zirka 90 t emittiert werden. Bei Anwendung von Naßverfahren zur Abgasbehandlung werden die Chlorverbindungen auf 90 t, die Fluorverbindungen auf 15 t beschränkt; bei der Wahl von Trockenverfahren sind die entsprechenden Werte 300 t und 45 t. Die Staubemissionen werden durch Abgasendreinigung auf 150 t beschränkt, wobei die besonders gesundheitsgefährdenden Staubinhaltsstoffe, Schwermetalle u. ä., auf insgesamt 3 t verringert werden.
Durch die Abgasendreinigung werden also die Emissionen je nach Verfahren und Schadstoff um mindestens 50 °/o, im allgemeinen um 80 °/o vermindert. Trotz des zu erwartenden Zubaues können daher die Gesamtemissionen von Kohlekraftwerken und die dadurch verursachten Immissionen bis 1990 insgesamt verringert werden, wenn Altanlagen durch moderne, dem Stand der Technik entsprechende Anlagen ersetzt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, können Sie vor diesem Hintergrund die Feststellung des Bundeswirtschaftsministers vor der Energiekommission der IG Chemie am 2. Mai bestätigen, daß der bei Kernenergieverzicht notwendige Bau von bis zu 70 zusätzlichen konventionellen Kraftwerken auf Dauer die Umwelt möglicherweise gefährlich bedrohen würde?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laufs, mir sind diese Äußerungen zwar aus der Zeitung bekannt, aber ich kann im Augenblick nicht zu einer mir nicht im Wortlaut vorliegenden Erklärung Stellung nehmen. Bevor ich eine Stellungnahme abgebe, möchte ich das im Zusammenhang lesen. Ich bin gerne bereit, Ihnen dazu noch etwas zu schreiben.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die vielfach veröffentlichten Untersuchungen, nach denen die Umweltrisiken bei der Erzeugung von Energie auf Kohlebasis selbst bei Verwendung von Abluftendreinigungsanlagen erheblich größer sind als bei der Erzeugung von Energie auf nuklearer Basis?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laufs, ich glaube, das kann ernsthaft nicht bestritten werden. Das ist aber auch gar nicht die Frage, über die hinsichtlich der Kernenergie diskutiert wird. Daß die Umweltbelastung — beispielsweise der Luft —, die von Kohlekraftwerken ausgeht, sehr viel größer ist als die Belastung, die von der Kernenergie ausgeht, ist eine Selbstverständlichkeit.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker .
Herr Staatssekretär, könnten Sie uns einmal darstellen, mit welchen finanziellen Aufwendungen beim Bau die Umweltbelastungen durch Kohlekraftwerke sozusagen auf Null gebracht werden können?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Becker, dazu kann ich Ihnen aus dem Stegreif keine Zahl nennen, zumal wenn Sie formulieren: „auf Null gebracht werden können" . Das wird nach dem Stand der Technik wahrscheinlich überhaupt nicht möglich sein. Aber zu der Abgasendreinigung, die hier zur Diskussion steht, kann ich Ihnen eine konkrete Zahl nennen, was das kostet. Für den Einbau einer solchen Abgasendreinigung ist bei einem Kraftwerk mit einer Kapazität von 700 MW bei 4 000 Vollastbetriebsstunden sowie mit einer 80%igen Entschwefelungsanlage mit Kosten in Höhe von etwa 100 Millionen DM zu rechnen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cronenberg.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Verschmutzungen, die durch Kohlekraftwerke entstehen, unheilbar sind, daß also die Luft nicht wieder regeneriert werden kann?von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Es ist leider bei den meisten Luftbelastungen, Herr Kollege Cronenberg, das Problem, daß sie entweder nicht oder nur sehr schwer und unter Einsatz immenser finanzieller Mittel heilbar sind. Was die S02-Problematik betrifft, so ist allgemein bekannt, daß hier eine Schädigung eintreten kann, die nicht korrigierbar ist.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Mai 1979 11997
Schönen Dank, Herr Staatssekretär. Damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Herr Abgeordneter Hasinger ist nicht im Saal; die Fragen 18 und 19 werden daher schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Frage 20 der Frau Abgeordneten Matthäus-Maier:
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Erfahrungen nach Einführung des § 88 a StGB — insbesondere über die Zahl der Ermittlungsverfahren und deren Ergebnisse — vor?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär Dr. de With.
Nach den dem Bundesminister der Justiz vorliegenden Erkenntnissen sind bislang gegen 103 Personen Ermittlungsverfahren wegen Verdachts von Straftaten nach § 88 a StGB eingeleitet worden. Anklage nach dieser Vorschrift wurde gegen sieben Personen erhoben. Urteile ergingen gegen sieben Personen. Sie setzen sich zusammen aus fünf Verurteilungen, davon eine rechtskräftig, vier nicht rechtskräftig, und zwei Freisprüchen, davon einer rechtskräftig, einer nicht rechtskräftig.
Zusatzfrage? — Bitte, Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.
Bestehen nicht erhebliche Zweifel an der Erforderlichkeit dieser Vorschrift auf Grund der Tatsache, daß, wie mir bekannt ist, in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle zugleich wegen anderer Straftatbestände ermittelt und verfolgt worden ist?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Die Vorschrift ist in erster Linie auf Grund von Vorstellungen der Innenministerkonferenz in das Strafgesetzbuch aufgenommen worden. Sie wird dauernd daraufhin geprüft, ob sie noch notwendig ist. Bisher haben sich keine Erkenntnisse ergeben, nach denen die Vorschrift gestrichen werden sollte.
Zweite Zusatzfrage.
Trifft es zu, daß einer der ersten Verfolgungsbeschlüsse auf Grund des § 88 a gegenüber einer historischen Dokumentation, nämlich einer amerikanischen Anarchistenzeitung, wegen eines Zitats aus dem Jahre 1885 erfolgt ist?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ob dies eine der ersten Maßnahmen nach der Vorschrift des § 88 a StGB war, kann ich nicht sagen. Dies müßte genau nachgeprüft werden. Vom Hörensagen jedoch weiß ich, daß dieser Fall vorgekommen sein soll. Ich weiß aber ebenso, daß diese Maßnahme sofort wieder aufgehoben und klargestellt wurde, daß dies durch § 88 a nicht gedeckt ist.
Herr Gansel zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Sie auf die Frage — —
Ich bitte, die Frage zu stellen, Herr Kollege Gansel, und nicht erst eine Vorbemerkung zu machen.
Ich gehöre zu denen, die beim Fragen überlegen, Frau Präsidentin.
Ich bitte, hier doch keinen Spaß zu machen, sondern in der Fragestunde ernsthaft zu fragen.
Das war ernst gemeint, Frau Präsidentin.
Stellen Sie bitte Ihre Frage!
Herr Staatssekretär, da ich bereits im Oktober 1977 eine der Frage der Kollegin Matthäus-Maier entsprechende Frage gestellt habe — —
Eine Frage fängt nicht mit „da" an.
Das kommt darauf an, wo das Komma ist, Frau Präsidentin.
Herr Abgeordneter, ich entziehe Ihnen die Möglichkeit, weitere Fragen zu stellen, wenn Sie in dieser Art mit dem Präsidenten umgehen.
— Das tut mir furchtbar leid; so kann man nicht miteinander umgehen. Ich versuche wirklich, hier mein Bestes zu tun.
Stellen Sie hier jetzt bitte noch einmal Ihre Frage in der richtigen Form, wie es hier üblich ist.
Herr Staatssekretär, sind Sie, nachdem Sie im Oktober 1977 gesagt haben, es habe zu wenig Zeit bestanden, um den Nutzen dieser Vorschrift zu überprüfen, heute in der Lage, etwas in bezug auf den Nutzen zu sagen, nachdem es wegen Neueinführung dieser strafgesetzlichen Bestimmung in der Bundesrepublik vor allen Dingen unter Schriftstellern harte Kritik gegeben hat, wonach dies eine Verschlechterung des freien Meinungsklimas in der Bundesrepublik bedeuten könnte?Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich meine, die Frage habe ich im Grunde schon dadurch beant-
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11998 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Mai 1979
Parl. Staatssekretär Dr. de Withwortet, daß ich eine entsprechende Antwort an Frau Matthäus-Maier gegeben habe. Aber ich darf es wiederholen: Bisher liegen keine Erkenntnisse vor, die eine andere Beurteilung zuließen als zu der Zeit, als diese Vorschrift vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde.Im übrigen darf ich darauf verweisen, daß von vielen Kritikern dieser Vorschrift offensichtlich nicht klar gesehen wurde, was § 88 a in der Tat sagt. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, daß es eine ganze Reihe von Kritikern gab, die diese Vorschrift offenbar nicht gelesen hatten. Ich gehe davon aus, daß es immer einer gewissen Zeit bedarf, bis verstanden wird, was hinter einer neuen Vorschrift wirklich steht. Ich kann nicht sehen, daß die Meinungsfreiheit durch diese Vorschrift beeinträchtigt worden ist.
Ich rufe die Frage 21 der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier auf:
Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen Hausdurchsuchungen bzw. Beschlagnahmen auf Grund von Ermittlungsverfahren nach § 88 a StGB später zu Anklagen nach anderen Paragraphen des Strafgesetzbuches geführt haben?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: In vier Fällen sind Ermittlungsverfahren nach § 88 a des Strafgesetzbuchs eingeleitet worden, bei denen die rechtliche Bewertung des § 88 a im Laufe des Verfahrens fallengelassen wurde. In einem dieser Fälle erging ein noch nicht rechtskräftiges Urteil nach § 140 des Strafgesetzbuchs, also betreffend Belohnung und Billigung von Straftaten. In anderen Fällen wurde das Verfahren nach den §§ 89, 90 a, 90 b und anderen des Strafgesetzbuchs fortgeführt. Soweit dem Bundesminister der Justiz bekannt ist, hat in einem der hier erwähnten vier Verfahren die Durchsuchung von Geschäftsräumen stattgefunden.
Eine Zusatzfrage, bitte, Frau Abgeordnete.
Herr Staatssekretär, bestehen nicht ganz erhebliche Unsicherheiten über die Auslegung dieser Vorschrift — die mir übrigens vorliegt, so daß Sie unterstellen können, daß ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages, jedenfalls ich als Fragestellerin, den § 88 a kennt, was Sie eben bei vielen Kritikern bezweifelten —, was ich daraus schließe, daß in der ganz überwiegenden Anzahl der Verfolgungsfälle Einstellungen erfolgt sind?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Zunächst muß ich klarstellen, daß ich nicht von Kritikern aus den Reihen des Deutschen Bundestages gesprochen habe, sondern allgemein von Kritikern des § 88 a und von meinen persönlichen Erfahrungen.
Zum zweiten ist folgendes % aller Verfahren eingestellt. Das ist die allgemeine Regel. Es gibt aber gewisse Deliktsgruppen, bei denen die Einstellungsquote höher ist, z. B. bei Diebstahlsdelikten.
Das hängt auch damit zusammen, wie. hoch allgemein die Aufklärungsquote ist. Bisher kann nicht gesagt werden — ich sage das jedenfalls für mich —, daß die Einstellungsquote hier so überdimensional sei, daß man daraus den Rückschluß ziehen könnte, die Vorschrift habe sich überlebt.
Ich darf noch einmal betonen: Bisher liegen keine Erkenntnisse vor, die anders lauteten als die, die damals galten, als diese Vorschrift vornehmlich auf Vorstellung der Innenministerkonferenz vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde.
Zweite Zusatzfrage.
Sieht die Bundesregierung nicht die Gefahr, daß der Schaden dieser Vorschrift — nämlich ganz unbestreitbare Verunsicherung, Mißtrauen und auf Grund dessen eine Art Selbstzensur sowohl bei den Presseorganisationen als auch bei den Verlagen und auch bei den Bibliothekaren, wo man, nebenbei bemerkt, den § 88 a ebenfalls im Wortlaut kennt — größer ist als der, wie ich finde, zweifelhafte Nutzen dieser Vorschrift?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Nach der Bewertung der Bundesregierung trifft das, was von Ihnen in Frageform erklärt wurde, nicht zu. Wir haben versucht, deutlich zu machen, was der Kerngehalt des § 88 a ist. Ich glaube, die Zeitläufe haben gezeigt, daß deutlicher geworden ist, daß der § 88 a keineswegs den großen Erfassungsraum hat, der ihm unterstellt wird. Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, daß es nach wie vor Leute gibt, die eine gewisse Unsicherheit gegenüber diesem Paragraphen haben. Aber das ist durchaus auch bei anderen Vorschriften, die neu ins Strafgesetzbuch kommen, der Fall. Ich jedenfalls kann nicht erkennen, daß auf Grund der bisherigen Erfahrungen davon ausgegangen werden muß, daß wegen dieser Unsicherheit eine Streichung erforderlich ist. Ich betone aber nochmals, daß die Bundesregierung selbstredend wie andere Vorschriften insonderheit diese darauf überprüft, ob sie überhaupt notwendig ist.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Beruht der Umstand, daß es in über drei Jahren wohl nur eine einzige rechtskräftige Verurteilung wegen Befürwortung verfassungswidriger Straftaten gegeben hat, darauf, daß die Zahl dieser Straftaten so enorm abgenommen hat oder so gering ist, oder darauf, daß diese Strafvorschrift nicht das Ziel erreicht hat, das ihre Initiatoren damit zu erreichen versucht haben?Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Es ist schwer, Motivationen zu bewerten. Es gibt andere Vorschriften, die nicht sehr viel mehr Verurteilungen zur Folge gehabt haben. Der Wert einer Vorschrift liegt auch darin, daß sie eine gewisse Abschrekkungswirkung hat. Von Zeit zu Zeit ist das daran ersichtlich, daß entsprechende Delikte abnehmen.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Mai 1979 11999
Parl. Staatssekretär Dr. de WithGleichwohl kann der Wert einer solchen Vorschrift bestehenbleiben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cronenberg.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Haus darüber Auskunft geben, was Ihrer Meinung nach die Ursachen für die überdurchschnittlich hohe Einstellungsquote bei den Verfahren wegen § 88 a sind?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich sagte — ich versuche zusammenzufassen —, daß des Deliktsgruppen gibt, bei denen die Einstellungsquote sehr hoch ist. Bei Delikten, die neu ins Strafgesetzbuch eingefügt werden, ist es durchaus nicht selten, daß es hohe Einstellungsquoten gibt. Für uns, die wir den Wert einer Vorschrift beobachten können, ist wesentlich, ob die Einstellungsquote derart hoch ist, daß die Vorschrift als solche als nutzlos erkannt wird und gestrichen werden muß.
Ich sagte schon und betone nochmals: Bisher liegen — auch von seiten der Innenministerkonferenz, die in erster Linie der Initiator dieser Vorschrift war — keine Erkenntnisse vor, die es rechtfertigen, diese Vorschrift zu streichen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.
Herr Staatssekretär, besteht nicht die Gefahr, daß angesichts der von Ihnen erwähnten Unsicherheiten und der Abschreckungswirkung - für die Gesetze ja nicht gemacht werden - gerade den Strafverfolgungsbehörden dieser Abschreckungseffekt schon reicht, selbst wenn sie sehr unsicher oder sogar gewiß sind, daß der Strafzweck, nämlich eine Verurteilung, gar nicht erreicht werden kann? Ich könnte mindestens einen Fall nennen, wo dieser Verdacht sehr nahe liegt.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihre Frage nicht ganz verstanden. Aber diese Vorschrift ist dazu bestimmt, daß sie zum einen der Strafverfolgung dient und zum andern eine gewisse Abschreckungswirkung zeitigt. Ich wiederhole mich — mir bleibt nichts anderes übrig —, indem ich Ihnen sage, daß bisher keine Erkenntnisse vorliegen, die es rechtfertigen, diese Vorschrift aus den genannten Gründen zu streichen. Ich kann jedenfalls bei den Strafverfolgungsbehörden nicht feststellen, daß sie diese Vorschrift falsch anwendeten oder nicht verstünden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie, da Sie das Wort gebraucht haben, nochmals fragen: Glauben Sie nicht, daß die Abschreckung von Bibliothekaren, Lesern und Schreibern eher ein Unwert ist, der die Streichung dieses Paragraphen nahelegt?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich sage nein, wie vorhin schon erwähnt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Meinike.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, im Hinblick auf die von Ihnen angeführte Abschreckungswirkung einmal schriftlich aufzulisten, in welchen Fällen Sie dieses Argument eigentlich tatsächlich belegen können und bei welchen Vorgängen sich dieses Ihr Prinzip der Abschreckung bestätigt hat?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich könnte Ihnen schriftlich nicht sehr viel mehr sagen als das, was ich in verkürzter Form dargelegt habe, daß sich eine Wertung danach auszurichten hat, in welchem Maß pro Jahr die entsprechenden Verfahren zunehmen oder abnehmen. Daraus kann man eine Bewertung entnehmen.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Die Frage 22 ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Fragen 23 und 24 des Abgeordneten Dr. Häfele, die Frage 25 des Abgeordneten Dr. Langner sowie die Fragen 26 und 27 des Abgeordneten Pfeffermann werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 28 des Herrn Abgeordneten Amling auf. — Er ist nicht im Raum. Die Frage wird daher ebenso wie seine Frage 29 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Frage 34 der Frau Abgeordneten Dr. Martiny-Glotz:
Trifft es zu, daß — wie in der „Welt der Arbeit" vom 26. April auf Seite 1 behauptet — der Volkswagenkonzern ein Sparauto mit einem Kraftstoffverbrauch von 4 Litern je 100 km entwickelt hat, und erwägt die Bundesregierung gegebenenfalls, diesen Autotyp unter Energiespargesichtspunkten besonders herauszustellen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin, „Volkswagen" hat im Rahmen eines Forschungsauftrages des amerikanischen Verkehrsministeriums 1933 ein Fahrzeug hergestellt, das im Sinne eines Idealautos auf die gleichzeitige optimale Erfüllung von Sicherheits-, Verbrauchs- und Umweltanforderungen konzipiert war. Es wurde bisher ein Fahrzeug als Prototyp gebaut, u. a. mit der Eigenschaft eines im amerikanischen Verbrauchstest ermittelten Verbrauchs von 41 je 100 km. Die Erkenntnisse aus diesem reinen Forschungsprojekt werden bei der Weiterentwicklung der jetzigen Fahrzeugmodelle laufend berücksichtigt. Die Bundesregierung würde
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12000 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Mai 1979
Parl. Staatssekretär Haehseres unter Energiespargesichtspunkten begrüßen, wenn von der Industrie bei gleichem Sicherheitsstandard Fahrzeuge mit weiter verringertem Verbrauch angeboten würden.Am 30. April 1979 hat es ein Gespräch des Bundesministers für Wirtschaft mit den Vorstandsvorsitzenden der deutschen Automobilindustrie gegeben, in dem diese zugesagt haben, alles zu unternehmen, um verbrauchsfreundliche Automotoren zu entwickeln und in Serie zu produzieren.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Martiny.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, wenn ein solcher Prototyp bereits existiert, warum wird er dann nicht weiterentwickelt und weitergebaut, so daß er in Serie gehen kann?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich habe Ihnen gesagt, daß es sich um einen Forschungstyp handelt. Die Erkenntnisse, die gewonnen werden, gehen laufend in die Automobile ein, die in Serie gebaut werden. Gestatten Sie mir aber den Hinweis darauf, daß die gleiche genannte Automobilfirma, nämlich „Volkswagen", bereits ein Automobil baut, das den Kraftstoffverbrauchswerten, die ich vorhin nannte, doch erheblich nahekommt, ich denke an den Volkswagen Golf Diesel.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Martiny.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, können Sie sich erklären, wenn beim Volkswagenwerk ein solcher Motor entwickelt worden ist, der eine nennenswerte Kraftstoffersparnis aufweist, wieso die anderen Automobilkonzerne sagen, daß sie noch Jahre brauchen werden, um etwas Entsprechendes herzustellen?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich hoffe, es ist Ihnen nicht entgangen, daß es einen Unterschied macht, ob etwas als Prototyp, als Einzelstück funktioniert oder in Serie funktioniert. Dazwischen, zwischen der Entwicklung des Prototyps und dem Auflegen der Serie, liegen Erfahrungen, die man mit dem Prototyp sammelt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Spöri.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung angesichts der Tatsache, daß der Bund ja Anteilseigner beim VW-Konzern ist, in den entsprechenden Unternehmensgremien darauf dringen, daß dieser Prototyp weiterentwickelt wird bis zur Serienreife?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Sie können sich darauf verlassen, Herr Kollege.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der Sprecher des VW-Werks am 3. Mai 1979 dem SPD-Pressedienst „Wirtschaft" gegenüber erklärt hat, man habe diesen Prototyp mit 3,91 auf 100 km deshalb noch nicht in Serie gegeben, weil es fraglich sei, ob es für ein im Verhältnis zu vergleichbaren Modellen teureres Auto einen ausreichend großen Markt gebe, und außerdem sei das Benzin noch nicht so teuer, daß ein Zwang zum Bau des Sparautos bestehe, und wie verträgt sich das mit den Bemühungen der Bundesregierung zur Einsparung von Treibstoff?
Haehser, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es kann natürlich vorkommen, daß es zwischen den Bemühungen der Bundesregierung und den Auffassungen von Vorstandsmitgliedern von Automobilfirmen Meinungsunterschiede gibt.
Die Frage ist beantwortet. Damit ist Ihr Fragenbereich gleichzeitig erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Grüner steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Fragen 30 und 31 des Herrn Abgeordneten Milz werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Hansen auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die steigenden Preise für Dieseltreibstoffe zu stabilisieren und den damit verbundenen vielfältigen Nachteilen für die verschiedenen Verbraucher zu begegnen?
Herr Kollege, der durchschnittliche Tankstellenpreis für Dieselkraftstoff ist 1979 nach weitgehender Stabilität im Jahre 1978 um etwa 5 bis 6 Pf je Liter gestiegen. Dieselkraftstoff ist weitgehend identisch mit leichtem Heizöl. Beide Produkte werden auf den internationalen Mineralölmärkten wie Rotterdam auch einheitlich als Gasöl gehandelt und notiert. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Wochen im Rahmen der Fragestunde wiederholt, u. a. auf die Fragen des Kollegen Dr. Enders sowie des Kollegen Würtz, zur Heizölpreisentwicklung und den sie bestimmenden Faktoren Stellung genommen und dabei vor allem auf die Verdoppelung von Gasölpreisen in Rotterdam gegenüber den durchschnittlichen Preisen im Jahre 1978 hingewiesen, die bei einem Importanteil von ca. 40 % bei leichtem Heizöl auf dem deutschen Markt wirksam geworden ist und zu erheblichen Preissteigerungen, wenn auch in deutlich geringerem Umfang als in Rotterdam, geführt hat. Bei Die-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Mai 1979 12001
Parl. Staatssekretär Grünerselkraftstoff ist der Importanteil mit ca. 22 °/o deutlich geringer. Dementsprechend ist auch der Preisanstieg bei Dieselkraftstoff geringer als bei Heizöl gewesen. Wie in den erwähnten Antworten betont wurde, sieht die Bundesregierung in verstärkten Appellen an die Verbraucher, Heizöl und auch Dieselkraftstoff sparsam einzusetzen und damit zu einer Begrenzung der Nachfrage beizutragen, die wirkungsvollste Möglichkeit, den Preisauftrieb zu dämpfen. Administrative, auf ein künstliches Niedrighalten der Preise abzielende Eingriffe in den Marktmechanismus würden uns von für die Versorgung notwendigen Importe abschneiden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.
Herr Staatssekretär, besteht nicht ein Konflikt zumindest zwischen dem von Ihnen soeben genannten Appell, Diesel und Heizöl sparsam zu verwenden, und dem als wünschenswert anzusehenden wachsenden Marktanteil von Dieselautomobilen am Automobilmarkt, weil sie umweltfreundlicher und verbrauchsärmer sind?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich kann einen solchen Konflikt, obwohl er für die Zukunft nicht auszuschließen ist, im Augenblick bei der soeben gerade erwähnten Preissteigerung von 5 bis 6 Pf je Liter Dieselöl nicht erkennen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.
Befürchten Sie nicht Nachteile bei wachsenden Dieselpreisen auch in bezug auf steigende Taxipreise und in der Folge davon die Erhöhung der Kosten für Taxifahrten von Kranken, Alteren usw.? Das geht ja dann durch bis in die Krankheitskosten, überhaupt in die Kosten der Krankenversicherung.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ganz generell werden die Preiserhöhungen, die die Ölförderländer initiiert haben, zu einer zusätzlichen Kostenbelastung in all den Bereichen, die Sie angesprochen haben, und weit darüber hinaus führen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cronenberg.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß effektvoller als Appelle zur Sparsamkeit der hohe Preis für Benzin und Diesel ist und daß möglicherweise durch hohe Preise neue Technologien, die eine sparsame Verwertung von Kraftstoff mit sich bringen, wie soeben im Fall des VW-Motors angesprochen, gefördert werden können
Parl. Staatssekretär: Ich teile Ihre Auffassung, wobei wir im Interesse unserer Wirtschaft Wert darauf legen, sprunghafte Entwicklungen möglichst zu vermeiden, weil sie die Strukturen unserer Wirtschaft sehr stark belasten könnten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Spöri.
Herr Staatssekretär, sind nicht die von Ihnen vorher in Ihrer Antwort unterstellten Einsparreaktionen auf höhere Ölpreise angesichts der aktuellen Ölverbrauchsentwicklung und der Zuwachsraten auf diesem Markt fargwürdig geworden?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich bin der Meinung, daß das verstärkte Bewußtsein der Bevölkerung, daß es richtig ist, sparsam mit Energie umzugehen, einen wichtigen Beitrag darstellt, der Verknappung entgegenzuwirken. Selbstverständlich sind ein kalter Winter und eine wirtschaftlich günstige Konjunktur gleichzeitig auch ein Element für höheren Verbrauch.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.
Herr Staatssekretär, teilen Sie nicht meine Auffassung, daß die verteilungspolitischen Wirkungen gerade auf die Konsumenten und Verbraucher mit kleinen Einkommen genauso negativ zu betrachten sind wie die Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Sie gerade erwähnten, bei der Preispolitik, der Sie ja ausdrücklich zugestimmt haben?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wenn ich in diesem Zusammenhang von Wirtschaft spreche, habe ich insbesondere den Verbraucher im Auge, denn alle negativen Wirkungen bei der Wirtschaft landen beim Verbraucher.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Meinike.
Herr Staatssekretär, wenn ich auch durchaus bereit bin, Argumente für eine gewisse Erhöhung des Dieselkraftstoffpreises anzuerkennen, so möchte ich Sie doch fragen: Wie erklären sich die Unterschiede bei den Preisen für Dieselkraftstoff bei uns und in einigen westeuropäischen Ländern, die doch recht erheblich sind?Grüner, Parl. Staatssekretär: Das hängt entscheidend von der Importsituation ab. Wir haben ja einen hohen Eigenanteil und einen relativ geringen Import an Dieselöl. Dadurch ergibt sich eine relativ günstige Entwicklung, die ich eben dargestellt habe.Im übrigen gibt es in anderen Ländern administrierte Preise. Auf diese Probleme möchte ich hier nicht eingehen. Aber das ist natürlich eine Verzerrung des Bildes.
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Ich rufe die Frage 33 der Frau Abgeordneten Dr. Martiny-Glotz auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob und inwieweit die Automobilhersteller von der überarbeiteten Norm zur Kennzeichnung des Treibstoffverbrauchs Gebrauch machen und die Käufer von Automobilen zutreffend und ohne Beschönigungen auf den Kraftstoffverbrauch ihrer Erzeugnisse hinweisen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Vorstandsvorsitzenden der deutschen Automobilunternehmen haben am 30. April dem Bundesminister für Wirtschaft Initiativen der Automobilindustrie zur verstärkten Energieeinsparung zugesagt. Zu diesen Initiativen gehört u. a., daß die deutschen Automobilhersteller ab Beginn der diesjährigen Internationalen Automobilausstellung für alle angebotenen Personenkraftwagen Angaben über Kraftstoffverbrauch nach der DIN-Norm 70 030 vom Juli 1978 jeweils für den Stadtverkehr, konstante Fahrt bei 90 km/h und konstante Fahrt bei 120 km/h nach einheitlicher neuer DIN-Meßmethode veröffentlichen werden. Mit diesen realistischen Verbrauchswerten wird dem Kunden eine deutlich bessere Information über den Kraftstoffverbrauch der verschiedenen Personenkraftwagen als bisher geboten.
Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob Sie die Automobilhersteller getadelt haben, daß sie diese Initiativen erst eineinhalb. Jahre oder mehr nach Inkrafttreten der neuen Norm zugesagt haben?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, wir haben die Automobilhersteller nicht getadelt, weil sie uns glaubhaft nachgewiesen haben, daß die Einführung dieser Normen einen gewissen Aufwand an Zeit und anderem in Anspruch nimmt. Wir konnten den vorgetragenen Argumenten mit guten Gründen nicht widersprechen.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das überzeugt mich nicht ganz. Können sie vielleicht begründen, warum es nicht gelungen ist, in den Werbekampagnen der Automobilhersteller — die ja im Moment Hochkonjunktur haben —, die in der gedruckten Presse erschienen sind, ausdrücklich auf die neue Norm zu rekurrieren und diese dort zu deklarieren?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich kann eigentlich nur darauf verweisen, daß uns die Argumente der Automobilhersteller in der Frage der DIN-Norm überzeugt haben. Wir sind zufrieden, daß das jetzt so in Gang kommt, wie ich Ihnen das dargestellt habe. Daß wir es darüber hinaus sehr begrüßen würden, wenn die Automobilhersteller auch in ihrer Werbung die Frage des sparsamen Verbrauchs
stärker herausstellen würden, kann ich nur unterstreichen. Daß hier Interessengegensätze zwischen den einzelnen Herstellern bestehen, liegt bei der unterschiedlichen Art der Modelle, die sie verkaufen, auf der Hand.
Ich rufe die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Gansel auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung angesichts der Tätigkeit des Bundesverbands für Luftfahrtzubehör- und Raketenindustrie den Vorschlag, auch die Entwicklung von Kriegswaffen und den Handel mit entsprechenden Entwürfen und Patenten durch das Kriegswaffenkontrollgesetz genehmigungspflichtig zu machen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Das Kriegswaffenkontrollgesetz ist ein Ausführungsgesetz zu Art. 26 Abs. 2 des Grundgesetzes. Es regelt demzufolge die in Art. 26 Abs. 2 des Grundgesetzes genannten Tatbestände des Herstellens, Beförderns und Inverkehrbringens von Waffen, die zur Kriegsführung bestimmt sind, d. h. von einsatzfähigen Waffen.
Der Verfassunggeber hat sich damit bewußt auf den eigentlich gefährlichen Tatbestand beschränkt und die Vorstadien, wie das Entwickeln von Kriegswaffen und den Handel mit Entwürfen oder Patenten, nicht einbezogen. Dazu besteht auch kein Anlaß, da die Entwicklung, der Entwurf oder das Patent für sich allein noch keine Gefahr darstellen. Diese entsteht erst, wenn nach Abschluß der Entwicklung oder auf Grund der Entwürfe oder Patente die Herstellung begonnen wird. Dann unterliegt der Vorgang voll der Kontrolle des Kriegswaffenkontrollgesetzes.
Was den von Ihnen genannten Verband angeht, so gibt seine Tätigkeit keinen Anlaß, die dargestellte Auffassung zu ändern. Der Export von Fertigungsunterlagen für Kriegswaffen bedarf der Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsrecht. Da die Erteilung von Lizenzen in aller Regel mit der Überlassung solcher Fertigungsunterlagen einhergeht, ist durch die bestehende Regelung eine Kontrolle sichergestellt. Patente werden allerdings von dieser Regelung nicht erfaßt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht auch die Gefahr, daß sich in der Bundesrepublik dadurch eine Rüstungsindustrie herausbildet — die wir über das für Bundeswehr und NATO erforderliche Maß hinaus nie haben anstreben wollen —, wenn, wie dieses Büro des Industrieverbandes angekündigt hat, auf Grund von Wünschen ausländischer Militärexperten und Regierungen Patente, Patentanmeldung, Patentvorbereitung und Entwürfe für die verschiedensten Waffen und Geräte erstellt und den Mitgliedsfirmen dieses Verbandes zur Verfügung gestellt werden?Grüner, Parl. Staatssekretär: Wenn wir eine Gefahr sähen, würden wir von uns aus auch eine entsprechende Ergänzung unserer Gesetze vorschla-
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Parl. Staatssekretär Grünergen. Aber ich bestätige Ihnen, daß es notwendig ist, diese Entwicklung sehr aufmerksam zu verfolgen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Sie sind also bereit, Herr Staatssekretär, das an Hand der dort zutage getretenen wirtschaftlichen Aktivitäten zu überprüfen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Das ist richtig, Herr Kollege, wobei ich darauf hinweise, daß die Aktivitäten dieses Verbandes nach unseren Informationen keinen Anlaß zu Befürchtungen geben.
Ich rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Gansel.auf:
Inwieweit können Rüstungsunternehmen aus der Bundesrepublik Deutschland durch Kooperationsverträge mit Unternehmen aus anderen Nato-Ländern die restriktiven Bestimmungen des deutschen Waffenexportrechts umgehen, und wie wird die Bundesregierung, dem Auftrag des Artikels 26 des Grundgesetzes folgend, solche Umgehungen unmöglich machen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Rechtlich ist die Beteiligung deutscher Rüstungsproduzenten an der Rüstungskooperation mit ausländischen Unternehmen wie folgt zu sehen. Deutsche Rüstungsproduzenten liefern dem ausländischen Kooperationspartner Teile oder Baugruppen von Kriegswaffen oder sonstigen Rüstungsgütern zu. Diese Teile oder Baugruppen werden von dem ausländischen Partnerunternehmen zusammen mit den von ihm selbst gefertigten Teilen zu einem kompletten Waffensystem verarbeitet, das ursprungsrechtlich als neue Ware mit Ursprung im Lande des Kooperationspartners anzusehen ist.
Für die unter Verwendung der deutschen Zulieferungen im Kooperationspartnerland entstandenen Waffen gilt allein das Recht des Kooperationspartnerlandes. Soweit die Produkte von dort in dritte Länder exportiert werden, geschieht das ausschließlich auf der Grundlage der in dem Kooperationspartnerland bestehenden Ausfuhrbestimmungen.
Soweit deutsche Rüstungsunternehmen auf der Basis von Regierungsvereinbarungen mit ausländischen Rüstungsproduzenten kooperieren, ist eine Aufteilung der jeweiligen Befugnisse zur Rüstungsexportkontrolle zwischen den Partnerländern in diesem Sinne ausdrücklich bestätigt worden. Nach diesen Absprachen fällt der Export von Kooperationsprodukten in die ausschließliche wirtschaftliche und rechtliche Verantwortung desjenigen Kooperationslandes, in dem das Endprodukt hergestellt wird. Diese Zuordnung der Exportverantwortung gilt prinzipiell auch für die private, d. h. nicht auf Regierungsvereinbarungen beruhende, grenzüberschreitende Rüstungskooperation. Diese Handhabung der Kontrollbefugnisse bei den Rüstungskooperationen entspricht zugleich dem politischen Bedürfnis, daß ein Kooperationspartnerland nicht
in den souveränen Exportentscheidungsspielraum des anderen „hineinregiert".
Die deutschen Rechtsvorschriften für die Rüstungsexportkontrolle — das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz — sind allerdings insoweit — aber auch nur mit dieser Reichweite — auf den Kooperationsvorgang anzuwenden, als es um die Teile-Zulieferung in das Kooperationspartnerland geht. Der Zuliefervorgang ist als Ausfuhr in das Partnerland genehmigungsbedürftig. Die Genehmigungen werden nur nach Maßgabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und bei Vorliegen aller formellen und materiellen Voraussetzungen erteilt.
Bei dieser Sachlage erscheint es der Bundesregierung nicht gerechtfertigt, Kooperationsbeiträge der deutschen Rüstungsproduzenten generell als Umgehungen des deutschen Waffenexportrechts anzusehen, und zwar auch dann nicht, wenn die Kriegswaffe als Ganzes eine Ausfuhrgenehmigung in unserem Land nicht erhalten könnte.
Wir sind eigentlich schon am Ende der Fragestunde. Aber ich lasse gleichwohl noch zwei — bitte, kurze — Fragen zu.
Bitte schön, Herr Gansel.
Herr Staatssekretär, wann hat die Bundesregierung ihre Rechtsauffassung geändert — und aus welchen Gründen ist das geschehen —, die noch 1972 in einem Rundschreiben an die deutsche Industrie bezüglich eines Abkommens mit der französischen Regierung so formuliert wurde — das ist ausdrücklich festgelegt worden —, daß nach den deutschen Rechtsvorschriften die Möglichkeit erhalten bleiben muß, die Genehmigung für eine Ausfuhr auch von Komponenten eines Gemeinschaftsprojekts in das Partnerland zu versagen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Diese Rechtsauffassung hat sich nicht geändert. Wir haben diese Vorbehalte, die Sie soeben zitiert haben, in die regierungsamtlichen Vereinbarungen aufgenommen. Wir haben also die Möglichkeit, bei diesem Kooperationsabkommen einem Export zu widersprechen, wenn wir das für notwendig halten.
Zu einer letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Gansel.
Herr Staatssekretär, halten Sie eine Überprüfung der Situation für erforderlich in Anbetracht des — beispielhaft genannten — Umstands, daß in Kooperationen zwischen einem deutschen Unternehmen und einem argentinischen Unternehmen eine Panzerwaffe für die Volksrepublik China entwickelt und über Argentinien exportiert wird, ein Export, der eindeutig allen politischen Erklärungen der Bundesregierung entspricht?Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann auf diesen Fall nicht eingehen, weil ich ihn
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12004 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Mai 1979
Parl. Staatssekretär Grünernicht kenne. Ich will nur grundsätzlich sagen, daß wir die gesamte Problematik der Zulieferung von Rüstungsgüterkomponenten an ausländische Vertragspartner gegenwärtig auf Grund eines Beschlusses des Bundessicherheitsrates näher untersuchen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Die Fragestunde wird morgen um 14 Uhr fortgesetzt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf Donnerstag, den 10. Mai, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.