Protokoll:
7137

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 7

  • date_rangeSitzungsnummer: 137

  • date_rangeDatum: 13. Dezember 1974

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:51 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 137. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 9419 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 9419 B Erklärung der Bundesregierung betr. Maßnahmen zur konjunkturellen Situation in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Investitionen und Beschäftigung (Antrag der Fraktionen der SPD, FDP) — Drucksache 7/2979 — Erste Beratung in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes (Antrag der Fraktionen der SPD, FDP) — Drucksache 7/2980 — Erste Beratung in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über Investitionszuschüsse für gemeinnützige Wohnungs-und Siedlungsunternehmen (Antrag der Fraktionen der SPD, FDP) — Drucksache 7/2981 — Erste Beratung in Verbindung mit Antrag der Bundesregierung betr. zusätzliche Bundesausgaben zur Förderung der Konjunktur — Drucksache 7/2978 — Schmidt, Bundeskanzler 9420 C Strauß (CDU/CSU) . . . . . . 9428 A Dr. Graf Lambsdorff (FDP) . . . 9438 C Dr. Ehrenberg (SPD) 9447 B Dr. Blüm (CDU/CSU) 9452 D Dr. Friderichs, Bundesminister (BMWi) 9459 B Junghans (SPD) 9464 C Fragestunde — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — Fragen A 83 und 84 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Penner (SPD) : Ergebnis von Ermittlungs- und Strafverfahren, die auf Grund von Fahndungsaktionen nach Mitgliedern krimineller Vereinigungen eingeleitet wurden; Strafverfolgung der Unterstutzer und Helfer derartiger Gruppen Dr. de With, PStSekr (BMJ) . . . 9467 B Frage A 82 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Schlaga (SPD) : Festlegung von Mietkautionen auf einem Sonderkonto und Gewährung einer Verzinsung Dr. de With, PStSekr (BMJ) . . 9468 A, D Schlaga (SPD) . . . . . . . 9468 C, D II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 Frage A 87 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 des Abg. Dr. Schweitzer (SPD) : Überprüfung von Haftbedingungen für Angehörige der Baader-Meinhof-Vereinigung durch eine Kommission der Kirchen Dr. de With, PStSekr (BMJ) . . 9469 A, C Dr. Schweitzer (SPD) 9469 B Nächste Sitzung 9469 D Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 9471* A Anlage 2 Antwort des PStSekr Haehser (BMF) auf die Frage A 8 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Thürk (CDU/CSU) : Umsatzsteuerfreiheit für die Vermietung von Campingstellplätzen auch an Kurzcamper 9471* C Anlage 3 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Frage A 12 — Drucksache 7/2927 vorn 6. 12. 74 — des Abg. Milz (CDU/ CSU) : Einfügung von Angaben über den anhaltenden Beschäftigungsrückgang im Bauhauptgewerbe und dessen Folgen in die Konjunkturberichte der Bundesregierung . . . . . . . . . . . 9471* D Anlage 4 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Fragen A 14 und 15 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. von Bockelberg (CDU/CSU) : Anzahl der Fälle, in denen von der Bestimmung des § 9 Abs. 6 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung Gebrauch gemacht wurde; Handhabung dieser Vorschrift durch die zuständigen Organe 9472* B Anlage 5 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Fragen A 16 und 17 — Drucksache 7/2927 vorn 6. 12. 74 — des Abg. Schedl (CDU/CSU) : Zuziehung von Vertretern der mittelständischen Wirtschaft zu internationalen Verhandlungen; Folgen bei einer ausschließlichen Zuziehung von Vertretern der Schwer- und Großindustrie 9472* C Anlage 6 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Fragen A 21 und 22 — Drucksache 7/2927 vorn 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU): Feststellungen des Bundesrechnungshofes hinsichtlich der Notwendigkeit des Ausbaues der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt gemäß dem Fortschritt in Wirtschaft, Technik und Wissenschaft; Konzeption der Bundesregierung hinsichtlich der Berücksichtigung der dringlichsten Personalanforderungen und Bauvorhaben . . 9473*B Anlage 7 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Frage A 37 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — der Abg. Frau Schleicher (CDU/CSU) : Sicherung des Rechts der Vertreter der Naturheilkunde unter den Ärzten zur Herstellung und Anwendung biotherapeutischer Arzneien 9473* D Anlage 8 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Frage A 38 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — der Abg. Frau Dr. Riedel-Martiny (SPD) : Konzeption und Arbeit des „Deutschen Instituts für reines Bier" 9474* A Anlage 9 Antwort des PStSekr Jung (BMV) auf die Frage A 39 — Drucksache 7/2927 vorn 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Verhältnis der Unfallhäufigkeit bei ausländischen und bei deutschen Lastkraftwagen . . . . . . . . . . 9474* B Anlage 10 Antwort des PStSekr Jung (BMV) auf die Fragen A 40 und 41 — Drucksache 7/2927 vorn 6. 12. 74 — des Abg. Seefeld (SPD) : Änderung des Auftrags an die Organisation EUROCONTROL zum Bau und Betrieb der Flugsicherungszentrale Karlsruhe; irrtümlich falsches Einf ah-ren in Bundesautobahnen wegen unbefriedigender Kennzeichnung; Verbesserung dieser Kennzeichnung . . . . 9474* D Deutscher Bundestag --- 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 III Anlage 11 Antwort des PStSekr Jung (BMV) auf die Fragen A 42 und 43 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Ahlers (SPD) : Veröffentlichung des Gutachtens von Professor Mäcke über die Linienführung der geplanten Autobahn A 80 von der belgischen Grenze in das Rhein-Main-Gebiet; Beginn der Bauarbeiten im südlichen Abschnitt 9475* A Anlage 12 Antwort des PStSekr Jung (BMV) auf die Frage A 51 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Niegel (CDU/ CSU) : Verkehrs- und wirtschaftspolitische Bedeutung des Baus von Autobahnen ins Zonenrandgebiet, insbesondere der Maintalautobahn; Baubeginn für diese Autobahn 9475* B Anlage 13 Antwort des PStSekr Jung (BMV) auf die Frage A 52 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Hösl (CDU/ CSU) : Art der Verstöße gegen das Viermächteabkommen über Berlin und seine Ausführungsbestimmungen sowie anderweitige Behinderungen, Verzögerungen und unterlassene Hilfeleistungen auf den Zugangswegen nach Berlin im Monat November 1974 . . . . 9475* C Anlage 14 Antwort des PStSekr Jung (BMV) auf die Fragen A 53 und 54 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 des Abg. Hoffie (FDP) : Gründe für die Zustimmung der Bundesregierung im Rahmen der OECD zu einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung 110 km bis 130 km auf europäischen Autobahnen; Realisierung des OECD-Beschlusses unter Berücksichtigung der laufenden Großversuche zu Höchst- und Richtgeschwindigkeiten auf Autobahnen der Bundesrepublik Deutschland 9476* A Anlage 15 Antwort des PStSekr Jung (BMV) auf die Frage A 56 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Josten (CDU/ CSU) : Kontrolle der Parkplätze für Bürger aus der Bundesrepublik Deutschland an den Transitstrecken in der DDR durch Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR; Maßnahmen gegen den Mißbrauch von Kfz-Kennzeichen der Bundesrepublik 9476* B Anlage 16 Antwort des PStSekr Jung (BMP) auf die Frage A 57 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Haase (Kellinghusen) (SPD) : Ankauf von ausgesonderten Omnibussen des Postreisedienstes durch private Omnibusunternehmer; Einsatz dieser Fahrzeuge im Auftrag der Bundespost im Postreisedienst . . . . . 9476* C Anlage 17 Antwort des PStSekr Dr. Haack (BMBau) auf die Fragen A 58 und 59 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Schneider (CDU/CSU): Auflösung der Abteilung Raumordnung im Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau; Gründe dafür; Organisation der weiteren Arbeit auf diesem Gebiet . . . 9476* D Anlage 18 Antwort des PStSekr Dr. Haack (BMBau) auf die Frage A 60 — Drucksache 7/2927 vorn 6. 12. 74 — des Abg. Niegel (CDU/ CSU) : Ziele der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Einführung von Ausgleichsbeträgen in der Novelle zum Bundesbaugesetz . . . . . . . . 9477 A Anlage 19 Antwort des PStSekr Dr. Haack (BMBau) auf die Fragen A 61 und 62 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Evers (CDU/CSU) : Beurteilung der durch den Wegfall von Zinsverbilligungen veränderten Sozialmieten; Vorschläge der Bundesregierung zur Behebung der dadurch entstandenen Härten . . . . . . . 9477 C Anlage 20 Antwort des PStSekr Baum (BMI) auf die Fragen A 67 und 68 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — der Abg. Frau Grützmann (SPD) : Praktiken der ,,Krishna"-Sekte; Maßnahmen gegen die „Mönche" ; Einstellung der Bundesregierung zu dem von der Sekte vertretenen bedingungslo- IV Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 sen Führergehorsam; Möglichkeiten, widerrechtlich festgehaltene Kinder diesem Einfluß zu entziehen . . . . 9478* A Anlage 21 Antwort des PStSekr Baum (BMI) auf die Fragen A 69 und 70 Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 des Abg. Hansen (SPD) : Zahl der seit dem Beschluß der Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers vom 28. 1. 1972 zurückgewiesenen Bewerber für den öffentlichen Dienst; Zahl der Suspendierungen bzw. Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst; Zahl derjenigen, die davon als „links-" bzw. „rechtsextremistisch" eingestuft wurden 9478* B Anlage 22 Antwort des PStSekr Baum (BMI) auf die Frage A 73 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) : Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung über Erschwerniszulage für Dienst in unterirdischen Einrichtungen 9478* D Anlage 23 Antwort des PStSekr Dr. de With (BMJ) auf die Frage A 78 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 des Abg. Thürk (CDU/ CSU) : Veröffentlichung der den Ländern entstehenden Kosten für die medizinische Betreuung von Straf- und Untersuchungsgefangenen sowie der Zusatzkosten für eine Verhinderung der Selbsttötung durch Hungerstreik . . 9479* A Anlage 24 Antwort des PStSekr Dr. de With (BMJ) auf die Frage A 79 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Bereitschaft der Bundesregierung zur Schaffung eines international einheitlichen und ausreichenden Haftungssystems zugunsten geschädigter Flugpassagiere 9479* B Anlage 25 Antwort des PStSekr Dr. de With (BMJ) auf die Fragen A 80 und 81 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Löffler (SPD) : Zahl der unerledigten Entschädigungsstreitfälle beim Bundesgerichtshof; Aufgliederung der unerledigten Streitfälle nach dem Alter der Betroffenen 9479* D Anlage 26 Antwort des PStSekr Dr. de With (BMJ) auf die Fragen A 88 und 89 Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Spranger (CDU/CSU) : Rechtsgrundlagen für die zwangsweise künstliche Ernährung von hungerstreikenden Untersuchungs- und Strafgefangenen; Zumutbarkeitsgrenze bei der Hilfeleistungspflicht des Staates bei Hungerstreik von Untersuchungs-und Strafgefangenen 9480* B Anlage 27 Antwort des PStSekr Dr. de With (BMJ) auf die Frage A 90 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — der Abg. Frau Pack CDU/CSU) : Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Besuch Sartres bei dem Häftling Andreas Baader 9481* A Anlage 28 Antwort des PStSekr Dr. de With (BMJ) auf die Frage A 91 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) : Ausweisung der vom Bundesjustizminister in einem Preisausschreiben ausgesetzten Gewinne im Bundeshaushalt 9481* B Anlage 29 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Frage A 94 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Rollmann (CDU/CSU) : Konzeption der Bundesregierung für die Neuordnung der studentischen Krankenversicherung 9481* C Anlage 30 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Frage A 95 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Wolf (SPD) : Wartezeit von vier Wochen bis zur Auszahlung des ersten Arbeitslosengeldes 9481* D Anlage 31 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Fragen A 96 und 97 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Schöfberger (SPD) : Schaffung einer regelmäßigen amt- lichen Statistik über die personelle Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 V Einkommens- und Vermögensverteilung; Statistiken über die Verteilung des privaten Eigentums an Grund und Boden in der Bundesrepublik Deutschland auf die Bevölkerung 9482* B Anlage 32 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Fragen A 98 und 99 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Frau Funcke (FDP) : Benachteiligung der Frauen durch unterschiedliche Anrechnung der Ausbildungszeiten für männliche und weibliche Fachschulabsolventen bei der Rentenberechnung; Maßnahmen zur Aufhebung dieser Benachteiligung . . 9482* D Anlage 33 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Fragen A 107 und 108 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Opitz (FDP) : Maßnahmen der Bundesregierung für die Flüchtlinge beider Volksgruppen von Zypern; weitere Möglichkeiten zur Verbesserung des Schicksals der Betroffenen 9483* B Anlage 34 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage B 1 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Möglichkeiten zur Verbesserung der Lage zypriotischer Flüchtlinge . . . 9483* D Anlage 35 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage B 2 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Erhöhung der Gebühren nach dem Auslandsgebührengesetz aus dem Jahre 1936 . . . . . . . . . . 9484* B Anlage 36 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Fragen B 3 und 4 — Drucksache 7/2927 vorn 6. 12. 74 des Abg. Dr. Schwörer (CDU/CSU) : Gefahr für ausländisches Eigentum in Portugal durch Hetzkampagnen, Verunglimpfungen und Drohungen radikaler Kräfte; Unterlassung von wirtschaftlichen und finanziellen Hilfsmaßnahmen und Unterstützungen für Portugal bei Gefährdung des deutschen Eigentums 9484* C Anlage 37 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Fragen B 5 und 6 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Baron von Wrangel (CDU/CSU) : Pressemeldungen über Zusagen von Waffenlieferungen an Syrien und andere arabische Staaten durch DDR-Ministerpräsident Sindermann; Bereitschaft der Bundesregierung, im Rahmen ihrer nationalen, demokratischen und moralischen Vertretungspflicht für die deutsche Nation einer solchen Politik entgegenzuwirken . . . . . 9484* D Anlage 38 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Frage B 7 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU): Entschädigungslose Enteignung des Eigentums von Aussiedlern in Rumänien; Maßnahmen der Bundesregierung gegen diese, insbesondere deutsche Spätaussiedler betreffende Maßnahmen 9485* A Anlage 39 Antwort des StMin Moersch (AA) auf die Fragen B 8 und 9 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 des Abg. Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) : Meldung des „Spiegel" vom 25. November 1974 über Äußerungen des Pressereferenten der deutschen Vertretung bei den Europäischen Gemeinschaften; dienstaufsichtsrechtliche. Konsequenzen 9485* B Anlage 40 Antwort des PStSekr Baum (BMI) auf die Frage B 10 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Biechele (CDU/ CSU) : Erfahrungsbericht des Arbeitskreises für Umweltschutz Konstanz 1974 über Trennung und Verwertung von Papier und Glas aus Hausmüll im Raum Konstanz; Maßnahmen der Bundesregierung zur Nutzbarmachung dieser Erfahrungen 9485* D VI Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 Anlage 41 Antwort des PStSekr Baum (BMI) auf die Frage B 11 — Drucksache 7/2927 vorn 6. 12. 74 — des Abg. Krockert (SPD) : Umgehung von Umweltschutzpflichten durch Ausdehnung der Wochenproduktion eines emittierenden Betriebs auf bisher produktionsfreie Tage . . 9486* A Anlage 42 Antwort des PStSekr Baum (BMI) auf die Frage B 12 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) : Vorrang des Umweltschutzes bei Konflikten zwischen der Energieerzeugung und der Umweltqualität 9486* B Anlage 43 Antwort des PStSekr Dr. de With (BMJ) auf die Frage B 13 Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Evers (CDU/CSU) : Rechtsfolgen für die Unterhaltspflichtigen von unehelichen Kindern und von Kindern aus geschiedenen Ehen durch die generelle Zahlung eines Kindergelds ab 1. Januar 1975 . . . . . 9486* D Anlage 44 Antwort des PStSekr Dr. de With (BMJ) auf die Frage B 14 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Nordlohne (CDU/CSU) : Besuch des französischen Schriftstellers Sartre bei dem Untersuchungshäftling Andreas Baader . . . . . 9487* C Anlage 45 Antwort des PStSekr Dr. de With (BMJ) auf die Frage B 15 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU): Vollstreckungsschutz für Flüchtlinge aus der „DDR" im Hinblick auf Verbindlichkeiten, die nach der Flucht entstanden sind . . . . . . . . . 9488* A Anlage 46 Antwort des PStSekr Haehser (BMF) auf die Frage B 16 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Stavenhagen (CDU/CSU) : Zollfreiheit von nur 50 Litern Dieselöl bei Lastwagen im grenzüberschreitenden Güterfernverkehr; Angleichung an die Vorschriften der übrigen EG-Länder 9488* B Anlage 47 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Fragen B 17 und 18 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Hansen (SPD) : Unternehmen aus der Bundesrepublik, die 1973 und 1974 ihre Produktion ins Ausland verlegt haben; Zunahme des Erwerbs von Industriebeteiligungen durch Ausländer . . . . . . . . 9488* D Anlage 48 Antwort des PStSekr Grüner (BMWi) auf die Frage B 19 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Niegel (CDU/CSU) : Zusammensetzung des für die Berechnungen der Lebenshaltungskosten in der Bundesrepublik Deutschland maßgebenden Warenkorbs . . . . . . 9489* B Anlage 49 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Fragen B 21 und 22 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) : Verbot der Einfuhr von Schweinefleisch aus der Volksrepublik China in die Bundesrepublik Deutschland; Wunsch der Volksrepublik China, hochwertiges und gleichzeitig preisgünstiges Schweinefleisch in die Bundesrepublik Deutschland zu exportieren . . . . . . . . .. . . . . 9489* D Anlage 50 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Fragen B 23 und 24 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Rollmann (CDU/CSU) : Prozentsatz der Kinder im Alter bis zu vier Jahren, die an den gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen; Erhöhung des Prozentsatzes der teilnehmenden Kinder . . . . . . . 9490* C Anlage 51 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Fragen B 25 und 26 - Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Vogt (CDU 'CSU): Zahl der Umschüler, die nach bestandener Prüfung in ihrem neuen Beruf keine Anstellung finden; Maßnahmen zur Verhinderung der Arbeitslosigkeit der Umschüler . . . . . . . . . 9491* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 VII Anlage 52 Antwort des PStSekr Buschfort (BMA) auf die Fragen B 27 und 28 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) : Stellungnahme der Bundesregierung zu Äußerungen des Geschäftsstellenleiters Paul Nuß von der Gewerkschaft Textil/Bekleidung betr. Beschränkung von tarifvertraglichen Verbesserungen der Arbeitsplatz- und Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer auf gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer; Anzahl der der Bundesregierung bekanntgewordenen Fälle einer Beschränkung von tariflichen Sonderleistungen auf gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer 9491* C Anlage 53 Antwort des PStSekr Berkhan (BMVg) auf die Frage B 29 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Eigen (CDU CSU) : Möglichkeiten der Förderung des Parkplatzbaues und des Turnhallenausbaues bei der Bundeswehr mit Mitteln aus dem Konjunkturförderungsprogramm 9492* A Anlage 54 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Fragen B 30 und 31 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Spitzmüller (FDP) : Grund für die Gleichbehandlung von homöopathischen Zubereitungen mit Betäubungsmitteln trotz zurückbleibenden Arzneimittelgehaltes hinter der pharmakologisch wirksamen Dosis; gesundheitspolitische Begründung des Verbots der Herstellung bestimmter homöopathischer Zubereitungen von Pflanzen . . . . . . . . . . 9492* B Anlage 55 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Fragen B 32 und 33 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Pfeifer (CDU/CSU) : Konsequenzen der Bundesregierung auf Grund des Umfangs der schweren Impfschäden bei der Pockenschutzimpfung; Einstellung der Bundesregierung zu dem Vorschlag des Bundesgesundheitsrates, die Pflicht zur Erstimpfung im Hinblick auf das Pockenbekämpfungsprogramm der WHO aufzuheben 9492* D Anlage 56 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Fragen B 34 und 35 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Härzschel (CDU/CSU) : Prüfung der Auswirkungen der neuen Kindergeldregelung für die deutschen Grenzgänger in die Schweiz durch die Bundesregierung und Vorschläge zur Verbesserung; Zeitpunkt der endgültigen Klärung des Problems . . . . 9493* A Anlage 57 Antwort des PStSekr Zander (BMJFG) auf die Fragen B 36 und 37 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU/CSU) : Berücksichtigung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 29. Juni 1966 betreffend die 2. Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Arzneispezialitäten; künftige Haltung der Bundesregierung in dieser Frage . . . . . 9493* B Anlage 58 Antwort des PStSekr Jung (BMV) auf die Frage B 38 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Zebisch (SPD) : Beurteilung der Schweizer Versuche, durch in die Straßendecke gefräste Rillen Aquaplaning zu verhindern . . 9493* D Anlage 59 Antwort des PStSekr Jung (BMV) auf die Fragen B 39 und 40 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Köhler (Duisburg) (CDU/CSU) : Namen der Städte in Nordrhein-Westfalen, die konkrete und realisierbare Pläne zum Stadtbahnbau vorgelegt haben; Gesichtspunkte für die Bereitstellung der Finanzmittel des Bundes für die Durchführung dieser Pläne . . . 9494* A Anlage 60 Antwort des PStSekr Jung (BMV) auf die Fragen B 41 und 42 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Breidbach (CDU/CSU) : Kenntnis der Bundesregierung von Plänen für den Stadtbahnbau in Duisburg; Realisierbarkeit dieser Pläne . . 9494* C VIII Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 Anlage 61 Antwort des PStSekr Jung (BMV) auf die Frage B 43 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Lenzer (CDU/CSU) : Pläne hinsichtlich der Bundesbahnstrecke Stockhausen/Lahn–Beilstein/ Dillkreis zur Erreichung einer entsprechenden Verkehrsbedienung in diesem Gebiet 9494* D Anlage 62 Antwort des PStSekr Jung (BMV) auf die Frage B 44 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) : Entscheidung über die Schließung des Bundesbahnausbesserungswerks Braunschweig und Gründe für das Unterbleiben einer Verlagerung anderer Reparaturkapazitäten nach Braunschweig 9494* D Anlage 63 Antwort des PStSekr Jung (BMV) auf die Frage B 45 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Niegel (CDU/CSU) : Angabe der seit dem 28. September 1969 stillgelegten und zukünftig noch stillzulegenden Eisenbahnstrecken der Deutschen Bundesbahn in Oberfranken 9495* A Anlage 64 Antwort des PStSekr Jung (BMP) auf die Fragen B 46 und 47 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Braun (CDU/ CSU) : Unterbleiben des Zusammenschlusses der Stadt Wermelskirchen mit Dabringhausen zu einem einheitlichen Ortsnetz zur Vermeidung von Gebührenausfällen; Zeitraum für den Zusammenschluß zu einem Ortsnetz nach der Bildung neuer Städte und Gemeinden 9495* C Anlage 65 Antwort des BMin Matthöfer (BMFT) auf die Fragen B 48 und 49 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Engelsberger (CDU/CSU) : Bestätigung der Bundesregierung, daß von den Bundesministerien oder von Zuwendungsempfängern der einzelnen Bundesministerien keine Studien und Gutachten und Forschungsaufträge allgemeiner Art an Mitglieder oder Sympathisanten der Baader-Meinhof-Bande vergeben worden sind; Beurteilung der Vergabe von Studien und Gutachten durch das Bundesforschungsministerium und von Zuwendungsempfängern des Bundesforschungsministeriums durch die Bundesregierung; mögliche Beteiligung des Heidelberger Patienten-Kollektivs an mit öffentlichen Mitteln finanzierten Studien und Gutachten 9495* D Anlage 66 Antwort des PStSekr Dr. Glotz (BMBW) auf die Frage B 50 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Evers CDU/CSU) : Anteil der Ausgaben für die berufliche und für die akademische Bildung im Bildungsbudget von Bund und Ländern in den Jahren 1970 bis 1974 und geschätzter Anteil dieser Ausgaben in den Jahren 1975 bis 1978 . . . . . 9496* B Anlage 67 Antwort des PStSekr Dr. Glotz (BMBW) auf die Frage B 51 und 52 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 des Abg. Reddemann (CDU/CSU) : Beteiligung des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft und anderer aus Steuermitteln finanzierter Institutionen an der Gesamtausgabe und an der Kurzfassung des Kommissionsberichts „Demokratisierung und Mitwirkung in Schule und Hochschule"; Bedenken der Bundesregierung gegen bestimmte Passagen und Empfehlungen dieses Kommissionsberichts 9497* A Anlage 68 Antwort des PStSekr Dr. Glotz (BMBW) auf die Fragen B 53 und 54 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Immer (SPD) : Möglichkeiten der Bundesregierung zur Förderung des Baues und der Einrichtung von Berufsbildungszentren in ländlichen Problemgebieten; Bedingungen für die Förderung des Baues und der Einrichtung des in der Planung befindlichen Berufsbildungszentrums Betzdorf/Kirchen durch die Bundesregierung 9497* C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Born, Freitag, den 13. Dezember 1974 9419 137. Sitzung Bonn, den 13. Dezember 1974 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage i Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 13. 12. Adams * 13. 12. Dr. Aigner * 14. 12. Dr. Artzinger * 14. 12. Dr. Bangemann * 14. 12. Dr. Bayerl * 14. 12. Dr. Becher (Pullach) 13. 12. Behrendt * 13. 12. Frau Berger (Berlin) 13. 12. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 13. 12. Brandt 13. 12. Dr. Burgbacher 14. 12. Dr. Corterier * 14. 12. Conradi 20. 12. Dr. Czaja 13. 12. Frau Däubler-Gmelin 20. 12. Dr. Dregger 20. 12. Dr. Evers 13. 12. Fellermaier * 14. 12. Flämig * 14. 12. Frehsee * 14. 12. Friedrich 13. 12. Dr. Früh * 14. 12. Gerlach (Emsland) * 14. 12. Haase (Kellinghusen) 20. 12. Härzschel * 14. 12. Heyen 13. 12. Dr. Hornhues 22. 12. Dr. Jahn (Braunschweig) * 14. 12. Kater * 14. 12. Katzer 20. 12. Dr. Klepsch * 14. 12. Krall * 14. 12. Dr. Kreile 13. 12. Kroll-Schlüter 13. 12. Lange * 14. 12. Lautenschlager * 14. 12. Lemp 13. 12. Frau Dr. Lepsius 13. 12. Dr. Lohmar 13. 12. Lücker * 14. 12. Mattick 13. 12. Memmel * 14. 12. Milz 13. 12. Müller (Mülheim) * 14. 12. Mursch (Soltau-Harburg) * 14. 12. Offergeld 13. 12. Frau Dr. Orth * 14. 12. Dr. Riedl (München) 13. 12. Rosenthal 13. 12. Roser 20. 12. Schmidt (München) * 14. 12. Schmöle 20. 12. von Schoeler 13. 12. Dr. Schulz (Berlin) * 14. 12. Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schwabe * 14. 12. Dr. Schwörer * 14. 12. Seefeld * 14. 12. Seibert 13. 12. Spranger 13. 12. Springorum * 14. 12. Dr. Starke (Franken) * 14. 12. Graf Stauffenberg 15. 12. Vahlberg 13. 12. Dr. Waigel 13. 12. Walkhoff * 14. 12. Dr. Wallmann 13. 12. Frau Dr. Walz * 13. 12. Dr. Warnke 13. 12. Dr. Freiherr von Weizsäcker 13. 12. Wende 20. 12. Wohlrabe 13. 12. Dr. Zimmermann 13. 12. Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Thürk (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage A 8) : Ist die Bundesregierung bereit, über die mit Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 26. Juni 1970 (Az. IV A/3 - S. 7168-3/70) anerkannte Umsatzsteuerfreiheit für die Vermietung von Campingstellplätzen an Dauermieter hinaus entsprechend dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 4. Dezember 1973 (III 29/73; Sammlung der Entscheidungen der Finanzgerichte 1974 Nr. 247, Heft 5, Seite 238) die Befreiung von der Umsatzsteuer auch für den Bereich der Kurzcamper zu akzeptieren und dies den obersten Finanzbehörden der Länder mitzuteilen? In Ihrer Frage weisen Sie auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 4. Dezember 1973 hin. In dieser Entscheidung hat das Finanzgericht die Überlassung von Campingflächen an Kurz-Camper als umsatzsteuerfreie Grundstücksvermietung angesehen. Diese Entscheidung steht im Gegensatz zu einem Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 1971 (Urteil vom 13. Mai 1971, Bundessteuerblatt II S. 646) . Es handelt sich um eine Frage von allgemeiner Bedeutung, die zunächst mit den obersten Finanzbehörden der Länder erörtert werden muß. Es ist veranlaßt, daß diese Erörterung so bald wie möglich stattfindet. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage A 12) : 9472* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 Ist die Bundesregierung bereit, in ihren offiziellen Konjunkturberichten auch Aussagen über den anhaltenden Beschäftigungsrückgang im Bauhauptgewerbe, die Liquiditätslage der Betriebe, die Investitionsneigung sowie über die Zahl von Insolvenzfällen zu machen? In den monatlich von meinem Hause herausgegebenen Berichten zur wirtschaftlichen Lage in der Bundesrepublik — auf diese Publikation bezieht der Herr Abgeordnete wohl seine Frage — wird die aktuelle konjunkturelle Situation der deutschen Wirtschaft anhand einer systematischen, differenzierenden Analyse bestimmter Indikatoren, wie Nachfrage, Produktion, Beschäftigung, Preise etc. dargelegt. Dabei werden auch augenfällige, für die Gesamtkonjunktur relevante Entwicklungen in einzelnen Sektoren beobachtet und bewertet. Die Bauwirtschaft nimmt innerhalb dieser Analyse eine, ihrer aktuellen Bedeutung wegen, hervorragende Position ein. Daß angesichts des gesetzten Rahmens monatlich nur die jeweils wichtigsten Tendenzen kommentiert werden können, dürfte verständlich sein. So ist denn auch z. B. im jüngsten Monatsbericht meines Hauses (11 74) der starke Beschäftigungsabbau im Bauhauptgewerbe hervorgehoben worden. Im übrigen weise ich darauf hin, daß im „Bundesbaublatt", das vom Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau herausgegeben wird, ebenfalls regelmäßig Berichte zu einzelnen Aspekten der wirtschaftlichen Lage im Bausektor zu finden sind. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten von Bockelberg (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen A 14 und 15) : Ist der Bundesregierung bekannt, ob bisher von der Bestimmung des § 9 Abs. 6 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung Gebrauch gemacht wurde, wenn ja, in wieviel Fällen? Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Handhabung dieser Vorschrift durch die zuständigen Organe dem Willen des Gesetzgebers entspricht, oder welches sind die Gründe, daß nicht im Wege der Dienstaufsicht eingeschritten worden ist? Zu Frage A 14: Der Bundesregierung ist nicht bekannt, in wieviel Fällen bisher eine Ausnahme nach § 9 Abs. 6 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung zugelassen wurde. Über derartige Anträge entscheiden besondere Zulassungsausschüsse, die bei den Länderwirtschaftsministerien bestehen. Die Bundesregierung hat die Länderwirtschaftsminister gebeten, über die Praxis bei der Anwendung von § 9 Abs. 6 Satz 1 Wirtschaftsprüferordnung zu berichten. Die Berichte liegen noch nicht vor. Ich werde Ihnen das Zahlenmaterial übersenden, sobald ich es erhalten habe. Zu Frage A 15: Soweit der Bundesregierung bekannt ist, wurden Ausnahmen dann erteilt, wenn es dem Bewerber nicht zumutbar war, vor der Zulassung zum Wirtschaftsprüferexamen zwei Jahre bei einem Wirtschaftsprüfer tätig zu sein und wenn seine sonstige Berufserfahrung auf dem Gebiet des Prüfungswesens für ausreichend angesehen werden konnte. Diese Praxis entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der eine genügende Prüfungspraxis für unentbehrlich erachtet und der Tätigkeit bei einem Wirtschaftsprüfer besondere Bedeutung beigemessen hat. Ausnahmen sind nur in Härtefällen zulässig. Ob ein solcher Härtefall gegeben ist, läßt sich nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls beurteilen. Der Bundesregierung ist es nicht möglich, die jeweiligen Einzelfallentscheidungen zu überprüfen. Dazu sind die Gerichte berufen, die der Bewerber, der eine Entscheidung des Zulassungsausschusses für mit dem Gesetz nicht vereinbar erachtet, anrufen kann. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Schedl (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen A 16 und 17) : Hält es die Bundesregierung für angebracht, ausschließlich Vertreter der Schwer- und Großindustrie zu internationalen Verhandlungen zuzuziehen und dabei den ganzen Bereich der mittelständischen Wirtschaft und deren Vertreter bzw. die Arbeitnehmer und ihre Vertreter auszuschalten? Glaubt die Bundesregierung, daß ausschließlich ihr Umgang mit Vertretern deutscher Konzerne geeignet ist, sich ein Bild über die wahre Lage der wirtschaftlichen Situation in Unternehmungen zu machen? Zu Frage A 16: Bei internationalen Wirtschaftsverhandlungen werden die Vertreter der deutschen Wirtschaft grundsätzlich beteiligt. Eine vollständige Repräsentation der ganzen Vielfalt deutscher wirtschaftlicher Interessengruppen ist verständlicherweise nicht möglich. Soweit bei derartigen Verhandlungen über konkrete Projekte gesprochen wird, wird die Auswahl der Teilnehmer nicht zuletzt auch durch die erforderliche Fachkenntnis und durch die Überlegung, wer als deutscher Partner dafür in Frage kommt, bestimmt sein. Im allgemeinen vertreten die Teilnehmer jedoch nicht ein bestimmtes Unternehmen, sondern sind Repräsentanten wirtschaftlicher Verbände und Organisationen; die Wahl ihres Repräsentanten ist aber bekanntlich Angelegenheit der jeweiligen Wirtschaftsgruppe selbst. Bei der jüngsten US-Reise des Herrn Bundeskanzlers nahmen beispielsweise 2 Vertreter von Gewerkschaftsseite (einer ist gleichzeitig Mitglied dieses hohen Hauses) sowie 2 Vertreter aus Industrie- und Bankenkreisen teil. Die Beteiligung gerade der mittelständischen Wirtschaft an außenwirtschaftlichen Beziehungen wird von der Bundesregierung, wie z. B. hinsichtlich des Ostgeschäftes, besondes gefördert. Im Geschäft mit kleineren Staatshandelsländern ist der Mittelstand bereits stärker vertreten. Auch bei der Regierung der UdSSR verwendet sich die Bundesregierung für eine stärkere Einschaltung kleinerer und mittlerer Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9473e deutscher Unternehmen; deren Beteiligung am Geschäft mit der UdSSR ist in Artikel 2 des neuen deutsch-sowjetischen Kooperationsabkommen vom 30. Oktober 1974 ausdrücklich verankert. In der deutsch-sowjetischen Wirtschaftskommission und in den Fachgruppen ist die mittelständische Wirtschaft bereits vertreten. Durch Einrichtung einer HandelsFörderungsstelle bei der deutschen Botschaft in Moskau und über die Bundesstelle für Außenhandelsinformation (BfA) bemüht sich die Bundesregierung darüber hinaus um entsprechende Kontakthilfe für unsere mittelständische Wirtschaft. Zu Frage A 17: Die Entwicklung unserer Wirtschaft spiegelt sich einmal in den einschlägigen statistischen Daten wider. Selbstverständlich steht die Bundesregierung darüber hinaus in engem Gedanken- und Informationsaustausch über die aktuelle wirtschaftliche Situation mit allen am Wirtschaftsprozeß beteiligten Gruppen. Einem solchen Austausch dienen beispielsweise die Gesprächsrunden im Rahmen der Konzertierten Aktion. Ich erwähnte bereits, daß die Bundesregierung dabei gerade der mittelständischen Wirtschaft ihre besondere Aufmerksamkeit widmet. So hat sich der Beirat für Fragen des gewerblichen Mittelstandes zuletzt am 6. Dezember dieses Jahres in meinem Hause ausführlich mit den gegenwärtigen Problemen der kleineren und mittleren Unternehmen befaßt. Daneben finden in meinem Hause auf Abteilungsleiterebene laufend Informationsgespräche mit den Fachbereichen der mittelständischen Wirtschaft statt. Mit den bisherigen Lockerungen in den Bereichen der Geld- und Fiskalpolitik sowie den gezielten Hilfsprogrammen der Bundesregierung wurde der gegenwärtigen Lage der mittelständischen Wirtschaft in besonderem Maße Rechnung getragen. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen A 21 und 22) : Welches Konzept hat die Bundesregierung, um der Aufforderung des Bundesrechnungshofes nachzukommen, der in seinem Prüfungsbericht vom September 1973 feststellte, daß der ange- strebte Ausbauzustand der physikalisch-technischen Bundesanstalt (PTB) nicht als Endausbau aufgefaßt werden könne, da die Größe der PTB dem Fortschritt in den verknüpften Bereichen von Wirtschaft, Technik und Wissenschaft angemessen werden müsse, der keine Sättigungserscheinungen zeige, und es vordringlich für die Effizienz der PTB bis zum Jahr 1979 sei, einen notwendigen Nachholbedarf von 159 neuen Stellen zu bewilligen? Welche Konzeption hat die Bundesregierung, um die dringlichsten Personalanforderungen zu bewilligen und die notwendigen Bauvorhaben durchzuführen, damit die PTB ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen kann, da der Bundesrechnungshof einen großen Nachholbedarf an Gebäuden und Personal bei der PTB festgestellt hat? Zu Frage A 21: Die Bundesregierung teilt die Feststellung des Bundesrechnungshofes, daß das im Ausbauplan der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt (PTB) angestrebte Ziel nicht als Endausbaustufe der Anstalt aufgefaßt werden kann. Das Wachstum der PTB muß auch in Zukunft den Fortschritten in Wirtschaft, Technik und Wissenschaft angepaßt sein. Die PTB wird deshalb — auf Vorschlag des Bundesrechnungshofes — ihren Ausbauplan wie die Finanzplanung von 1978 an jährlich fortschreiben und damit ein Steuerungsinstrument für ihre Gesamtaktivitäten gewinnen. Hinsichtlich des Nachholbedarfs auf dem Personalsektor ist es richtig, daß der Bundesrechnungshof im September 1973 für die Zeit bis zum 31. Dezember 1977 159 neue Stellen (von 254 beantragten Stellen) anerkannt hat. Sie kennen jedoch die Bestrebungen der Bundesregierung, die Expansion der Personalausgaben zu bremsen. Von den 159 befürworteten neuen Stellen sind daher bisher lediglich 8 Stellen bewilligt worden; weitere 7 Stellen sind für 1975 vorgesehen. Es ist aus heutiger Sicht nicht damit zu rechnen, daß der Nachholbedarf bereits bis zum 31. Dezember 1977 gedeckt sein wird. In Ihrer Anfrage sprechen Sie das Jahr 1979 an und erweitern damit bereits die vom Bundesrechnungshof genannte Frist für die Durchführung des Ausbauplans. Ich muß es leider offenlassen, ob sich durch zeitliche Streckung der Maßnahmen günstigere Aussichten eröffnen. Zu Frage A 22: Die vordringlichen Personalanforderungen, insbesondere für das Neubauvorhaben „Neutronendosimetrie", werden mit den genannten 14 Stellen bedient. Welche neuen Stellen die Bundesregierung in den kommenden Haushalten befürworten kann, muß von Jahr zu Jahr im Einzelfall geprüft werden. Hinsichtlich der Bauvorhaben ist die Bundesregierung bereits bei Fortschreibung des Finanzplans 1974 bis 1978 auf die Empfehlung des Bundesrechnungshofes eingegangen. Sie hat die Ausgaben für die Baumaßnahmen der Anstalt von 1976 an auf jährlich 7 Millionen DM aufgestockt. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Schleicher (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage A 37) : Wie nimmt die Bundesregierung zu dem von den Vertretern der Naturheilkunde unter den Ärzten in Anspruch genommenen Recht Stellung, biotherapeutische Arzneien individuell für den jeweiligen Patienten selbst herzustellen und anzuwenden, und wird die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren sich darum bemühen, daß Wortlaut und Inhalt des zukünftigen Arzneimittelgesetzes dies sicherstellen? Ärzte und andere Personen, die zur Ausführung der Heilkunde berechtigt sind, können Arzneimittel verschreiben, die in der Apotheke für eine bestimmte Person hergestellt werden. Hierzu bedarf es nach dem geltenden Recht keiner Registrierung des Arzneimittels. Sie können ferner selbst Arznei- 9474* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 mittel zum Zwecke der unmittelbaren Anwendung bei ihren Patienten herstellen, ohne daß sie hierzu nach dem geltenden Recht eine Erlaubnis benötigen. Nach dem von der Bundesregierung am 17. Juli 1974 beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts sollen diese Rechte ungemindert fortbestehen. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Dr. Riedel-Martiny (SPD) (Drucksache 7/2929 Frage A 38) : Wie beurteilt die Bundesregierung Arbeit und Konzeption des „Deutschen Institutes für reines Bier", das im Oktober unter Mitwirkung von Parlamentariern aller Fraktionen gegründet wurde, und ist daran gedacht, diesem Institut Bundeszuschüsse, wenn ja, durch wen und in welcher Höhe, zukommen zu lassen? Die Bundesregierung hat von der Gründung des Deutschen Instituts für reines Bier am 10. Oktober 1974 Kenntnis erhalten. Offiziell sind ihr jedoch Einzelheiten über seine Arbeit und Konzeption nicht mitgeteilt worden. Da das Institut sich in den vergangenen 2 Monaten auch nicht mit ihr in Verbindung gesetzt hat, kann sie zu seiner Arbeit und Konzeption keine Stellungnahme abgeben. Aus diesen Gründen vermag sich die Bundesregierung auch nicht zu der Frage der Gewährung von Bundeszuschüssen an das Institut zu äußern. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 7/2927 Frage A 39) : Gibt es eine allgemeine Erfahrung, daß ausländische Lastkraftwagenfahrer häufiger Unfälle verursachen als die deutschen Fahrer, und welche geeigneten Schritte gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls zu unternehmen, um diesen gefährlichen Zustand zu ändern? Allgemeine Erfahrungen und gesicherte Erkenntnisse darüber, daß ausländische Lkw-Fahrer auf den Straßen der Bundesrepublik Deutschland häufiger Unfälle verursachen als deutsche Fahrer, liegen nicht vor. Statistische Unterlagen über die Unfallbeteiligung von ausländischen Lkw-Fahrern gibt es weder auf Bundes- noch auf Landesebene. Die Bundesregierung ist jedoch um einen erweiterten Aussagegehalt der Straßenverkehrsunfallstatistik bemüht, um insbesondere auch Angaben über Unfälle ausländischer Kraftfahrzeuge zu erhalten. In wissenschaftlichen Untersuchungen, die in den Jahren 1972 bis 1974 von der Bundesanstalt für Straßenwesen in Köln über den Einfluß der Verkehrszusammensetzung auf das Unfallgeschehen auf Autobahnen durchgeführt wurden, konnten keine wesentlichen Unterschiede in dem Verhalten von Lastkraftwagen verschiedener Länder nachgewiesen werden. Auf den Autobahnen des Landes Nordrhein-Westfalen werden Lastkraftwagen in jüngster Zeit in verstärktem Umfang auf die Einhaltung der für sie geltenden Höchstgeschwindigkeiten sowie Lenk-und Ruhezeiten polizeilich überprüft. Nach Mitteilung des Landesinnenministeriums wurde in den Monaten Oktober und November 1974 bei insgesamt 17 738 Lkw die Geschwindigkeit kontrolliert. Von den 1 162 (6,6 °/o) dabei beanstandeten Geschwindigkeitsüberschreitungen entfielen 660 (56,8 °/o) auf deutsche und 502 (43,2 °/o) auf ausländische Lkw-Fahrer. Im gleichen Zeitraum wurden insgesamt 3 396 Lkw-Fahrer auf die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten nach § 15 a StVZO überprüft. Von den 451 (13,3 °/o) Beanstandungen entfielen 301 (66,7 °/o) auf deutsche und 150 (33,3 °/o) auf ausländische Fahrer. Diese Ergebnisse lassen jedoch keine Rückschlüsse auf die Unfallbeteiligung der Lkw-Fahrer zu. Die Bundesregierung wird die Bundesanstalt für Straßenwesen mit der Untersuchung dieses Problembereiches beauftragen, um sichere Erkenntnisse zu gewinnen, auf Grund deren ggf. gezielte Maßnahmen getroffen werden können. Im übrigen wird die Bundesregierung im Benehmen mit den Bundesländern auf die Einhaltung der für Lastkraftwagen geltenden Sicherheitsbestimmungen und Sozialvorschriften hinwirken. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Seefeld (SPD) (Drucksache 7/2927 Fragen A 40 und 41) : Beabsichtigt die Bundesregierung, den im November 1970 an die Organisation EUROCONTROL gegebenen Auftrag zum Bau und Betrieb der Flugsicherungszentrale Karlsruhe zu ändern? Sind Pressemeldungen über irrtümlich falsches Einfahren in Bundesautobahnen wegen unbefriedigender Kennzeichnung zutreffend, und was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls zur Verbesserung der Situation zu tun? Zu Frage A 40: Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Agentur EUROCONTROL in Erfüllung des Auftrags von November 1970 die Kontrollzentrale Karlsruhe auf-, ausbauen und zumindest in technischer Hinsicht betreiben wird. Zur Zeit wird geprüft, ob die Flugverkehrs-Kontrolldienste in dieser Zentrale nicht ähnlich wie in den meisten Mitgliedstaaten der Organisation — beispielsweise in Frankreich und im Vereinigten Königreich — im Auftrage der Organisation EUROCONTROL durch die nationale Flugsicherungsbehörde durchgeführt werden sollten. Diese Überlegungen sind eingebettet in die gegenwärtig stattfindende allgemeine Diskussion innerhalb der Mitgliedstaaten über die zukünftigen Aufgaben EUROCONTROL's. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9475* Zu Frage A 41: Nur in ganz seltenen Einzelfällen ist es bisher vorgekommen, daß ein Kraftfahrer die Autobahnausfahrt mit der Einfahrt verwechselt hat. Die Bundesregierung ist dennoch bereit, gemeinsam mit den obersten Straßenbaubehörden der Länder zu prüfen, ob in Einzelfällen Verbesserungen erforderlich sind. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Ahlers (SPD) (Drucksache 7/2927 Fragen A 42 und 43) : Ist die Bundesregierung in Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Linienführung der geplanten Autobahn A 80 von der belgischen Grenze bis in das Rhein-Main-Gebiet bereit, das von Professor Mäcke verfaßte Gutachten über die Linienführung einschließlich des Teils, der sich mit der Möglichkeit einer Südtrasse im Raum Idar-Oberstein/Bad Kreuznach befaßt und welches ihr vor einiger Zeit von der Landesregierung RheinlandPfalz samt einer Stellungnahme zugeleitet wurde, endlich einschließlich dieser Stellungnahme zu veröffentlichen, damit die zahlreichen Bürgerinitiativen sich ernsthaft mit dieser Linienführung befassen können? Wann ist nach Auffassung der Bundesregierung frühestens mit dem Beginn der Bauarbeiten an dieser Autobahn im Bereich südostwärts der Mosel zu rechnen? Zu Frage A 42: Die verkehrswirtschaftliche Untersuchung der A 60 (bisher A 80) von Professor Mäcke ist sehr umfangreich und reichlich mit Karten und graphischen Darstellungen ausgestattet. Eine Drucklegung und Publikation ist daher verhältnismäßig kostspielig. Aus diesem Grunde ist es nicht vorgesehen, das Gutachten zu veröffentlichen. Selbstverständlich können Interessenten das Gutachten, das in einigen wenigen Exemplaren beim Bund und beim Land vorliegt, einsehen. Zu Frage A 43: Zur Zeit findet für das gesamte Bundesgebiet eine Überprüfung des Bedarfsplanes statt. In diesem Rahmen wird u. a. auch die Zeitplanung für die A 60 (frühere Bezeichnung A 80) miteinbezogen werden. Schon jetzt ist allerdings darauf hinzuweisen, daß die finanziellen Möglichkeiten im Bereich südostwärts der Mosel wenig Aussichten auf eine vorrangige Einstufung der A 60 eröffnen. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage A 51) : Welche verkehrs- und wirtschaftspolitische Bedeutung mißt die Bundesregierung dem Bau von Autobahnen ins Zonenrandgebiet, insbesondere der Maintalautobahn, bei, und wann wäre gegebenenfalls mit dein Bau zu rechnen? Die Bundesregierung sieht im Rahmen der infra- e strukturellen Förderung des Zonenrandgebietes auch die bessere verkehrliche Erschließung und Anbindung als einen wichtigen Beitrag zum Abbau der im Vergleich zum Bundesmittel vorhandenen Strukturschwäche an. Der Bau von Autobahnen dient hierbei in erster Linie dem Anschluß des Zonenrandgebietes an die Wirtschaftsräume, wodurch die Standortgunst verbessert wird. Der Neubau der B 26 zwischen Schweinfurt und Bamberg — auch Maintalautobahn genannt — soll die Anbindung und Erschließung des nord-ostbayerischen Raumes in westlicher Richtung verbessern. Ein 1. Abschnitt dieses Straßenzuges südlich von Schweinfurt ist bereits fertiggestellt; für die Reststrecke laufen zur Zeit noch Trassenuntersuchungen im Raum Bamberg. Von dem Fortgang dieser Untersuchungen und den finanziellen Möglichkeiten wird es abhängen, wann mit dem Bau der Maintalautobahn zwischen Schweinfurt und Bamberg zu rechnen ist. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Hösl (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage A 52) : Welche Verstöße gegen das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin und seine Ausführungsbestimmungen sowie welche anderweitigen Behinderungen, Verzögerungen und unterlassenen Hilfeleistungen haben sich auf den Zugangswegen nach Berlin im Monat November 1974 ereignet, und wie beurteilt die Bundesregierung auf Grund welcher Interventionen die zukünftige Entwicklung auf diesem Gebiet? Das Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) — Transitabkommen — hat sich bewährt. Der Transitverkehr auf den Landwegen verläuft reibungslos. Täglich benutzen 35 000 Reisende die Transitwege. Seit dem Inkrafttreten des Transitabkommens (3. Juni 1972) haben mehr als 30 Millionen Reisende die Transitstrecken befahren. Diese Zahlen beweisen sehr eindrucksvoll, welches Vertrauen die Reisenden dem Transitabkommen entgegenbringen, auch wenn gelegentlich Schwierigkeiten auftreten. Die im Monat November 1974 festgestellten Abfertigungsverzögerungen bei den DDR-Grenzübergängen sind bereits in der letzten Sitzung der Transitkommission (13. November 1974) erörtert worden. Über das Ergebnis dieser Sitzung hat die Bundesregierung in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 14. November 1974 Auskunft erteilt, so daß ich insoweit darauf verweisen darf. Die Bundesregierung ist aufgrund der Erörterung dieses Punktes in der Transitkommission der Ansicht, daß die Grenzorgane der DDR den Transitverkehr von und nach Berlin (West) künftig ohne Verzögerungen abwickeln werden. 9476* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 Einen Fall abkommenswidriger unterlassener Hilfeleistung für einen Transitreisenden hat es im Monat November nicht gegeben. Presseberichte über einen angeblichen Vorfall auf der Fernstraße 5 am 17. November 1974, bei dem einer Transitreisenden die ärztliche Hilfe in der DDR versagt worden sei, sind falsch. Weder die Reisende noch der Reisebegleiter haben einen derartigen Wunsch ausgesprochen. Aufgrund ihres Gesundheitszustandes war der Reisenden auch objektiv mehr damit gedient, daß sie, wie dies geschehen ist, unverzüglich in ein Krankenhaus nach Berlin (West) gebracht wurde. Zu weiteren Einzelfällen im Monat November 1974, die auch in der Presse erwähnt wurden, kann die Bundesregierung im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht Stellung nehmen, da eine öffentliche Erörterung dieser Fälle vor Abschluß der Ermittlungen ihre Behandlung in der Transitkommission erschweren würde. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Hoffie (FDP) (Drucksache 7/2927 Fragen A 53 und 54) : Welche Gründe haben die Bundesregierung veranlaßt, im Rahmen der OECD einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung 110 km bis 130 km auf europäischen Autobahnen zuzustimmen? Ist an eine Realisierung des OECD-Beschlusses in der Bundesrepublik Deutschland auch dann gedacht, wenn die laufenden Großversuche zu Höchst- und Richtgeschwindigkeiten auf Autobahnen der Bundesrepublik Deutschland statistisch und wissenschaftlich gesichert beweisen, daß andere als die von der OECD beschlossenen Geschwindigkeitswerte zu einer optimalen Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen? Die Bundesregierung hat in der Sitzung der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (nicht: der OECD) am 3. Dezember 1974 einer „allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung 110 bis 130 km/h auf europäischen Autobahnen" nicht zugestimmt. Der Bundesminister für Verkehr hat vielmehr erklärt, daß in der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die laufenden Großversuche (empfohlene Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen und auf 750 km Autobahnen eine angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h) eine Entscheidung über diese Frage erst im Jahre 1977 getroffen werden kann. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der beiden Großversuche werden abgewartet und ausgewertet. Eine Aussage über die dann zu treffende verkehrspolitische Entscheidung ist heute nicht möglich, da diesen Ergebnissen nicht vorgegriffen werden kann. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretäres Jung auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Josten (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage A 56) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Parkplätze für Bürger aus der Bundesrepublik Deutschland an den Transitstrecken in der DDR von Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR kontrolliert werden, die Kraftfahrzeuge westlicher Typen mit westlichen Kennzeichen benutzen, und was gedenkt die Bundesregierung gegen diesen Kennzeithenmißbrauch zu unternehmen? Nein. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Haase (Kellinghusen) (SPD) (Drucksache 7/2927 Frage A 57) : Trifft es zu, daß Omnibusse des Postreisedienstes, die ausgesondert werden, von privaten Omnibusunternehmen aufgekauft und dann, nachdem sie mit einer neuen Lackierung versehen sind, von diesen im Auftrag der Deutschen Bundespost im Linienverkehr des Postreisedienstes weiter eingesetzt werden? Es trifft in Einzelfällen zu, daß von der Deutschen Bundespost nach für sie wirtschaftlichen Kriterien ausgemusterte Omnibusse nach Überlackieren der postalischen Hoheitszeichen, notwendiger Überholung und Reparatur durch private Auftragunternehmer bei der Deutschen Bundespost im Linienverkehr des Postreisedienstes weiter eingesetzt werden. Selbstverständlich entsprechen diese wie alle anderen im Auftrag der Deutschen Bundespost fahrenden Omnibusse von privaten Unternehmern den Bestimmungen der Straßenverkehrszulassungsverordnung und der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahr-Unternehmen im Personenverkehr. Diese Fälle gelten besonders für Omnibusunternehmen, die als Familienbetrieb geführt werden und somit über Kostenvorteile auch bei der Instandsetzung der Kraftfahrzeuge verfügen, die für einen Großbetrieb, wie zum Beispiel die Deutsche Bundespost, nicht gegeben sind. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schneider (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen A 58 und 59) : Trifft es zu, daß beabsichtigt ist, im Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau die Abteilung Raumordnung aufzulösen? Welche übergeordneten sachlichen Gründe sind dafür maßgebend, und nach welchen organisatorischen Grundsätzen sollen künftig die Aufgaben der Raumordnung wahrgenommen werden? Zu Frage A 58: Nein. Vielmehr werden zur Zeit Überlegungen angestellt, ob und wie die Aufgaben des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau in der Zukunft durch organisatorische Vorkehrungen verbessert wahrgenommen werden können. In diesem Zusammenhang wird geprüft, die Aufgaben der Raumordnung und des Städtebaus enger zusammenzuführen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9477* Zu Frage A 59: Der Umstand, daß aus den bekannten haushaltspolitischen Gründen, die unter anderem im Beschluß des Haushaltsausschusses vom 9. Oktober 1974 Ausdruck gefunden haben, in Zukunft mit Stellenmehrungen nicht mehr zu rechnen ist, und die Beendigung von mehreren Abordnungen der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung an die Abteilung Raumordnung müssen zu Vorkehrungen führen, um die Erfüllung der gestiegenen raumordnungspolitischen Aufgaben zu gewährleisten und zu verbessern. Daß bei den Überlegungen zu einer möglichen Veränderung der Organisation auch die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung eine wesentliche Rolle spielen, ist selbstverständlich. Ich habe deshalb in diesem Zusammenhang bereits mit dem Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung Kontakt aufgenommen. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage A 60) : Welche konkreten Ziele verfolgt nunmehr die Bundesregierung mit der Einführung der Ausgleichsbeträge in der von ihr vorgelegten Novelle zum Bundesbaugesetz unter Berücksichtigung der Tatsachen, daß die ursprünglich genannten Ziele wie u. a. Finanzierung städtebaulicher Maßnahmen und Niedrighalten der Baulandpreise (Überwälzungsmöglichkeit) durch das Planspiel in Wuppertal und durch das Hearing nicht mehr aufrechterhalten werden können sowie unter Berücksichtigung des veränderten Grundstückmarkts? Die Voraussetzung, von der die Frage ausgeht, trifft nicht zu. Die Ergebnisse des Planspiels in Wuppertal und die gegenwärtige Lage auf dem Grundstücksmarkt geben keine Veranlassung dazu, die Begründung des Regierungsentwurfs einer Novelle zum Bundesbaugesetz für die Erhebung von Ausgleichbeträgen zu ändern und andere Ziele als bisher zu verfolgen. Die Finanzierung städtebaulicher Maßnahmen war — wie auch Kollege Dr. Schneider nach dem Planspiel in Wuppertal vor der Presse erklärt hat — nicht das Hauptziel der Erhebung von Ausgleichsbeträgen. Diese soll nach wie vor vor allem dazu dienen, — eine bestimmte Gruppe besonders gravierender Bodenwertsteigerungen, zu deren Entstehung der Eigentümer keinen Beitrag durch eigene Leistung erbracht hat, zu erfassen, — die unbefriedigende Rechtslage zu ändern, daß Planungsschäden zwar voll entschädigt werden müssen, daß Planungsgewinne jedoch dem Eigentümer voll verbleiben, — das Planungsgeschehen von Wertsteigerungserwartungen unabhängiger zu machen als bisher, — die Bodenpreise dadurch niedrig zu halten, daß die rein spekulative, an den Wertsteigerungserwartungen orientierte Nachfrage geringer wird. Daneben dient die Erhebung von Ausgleichsbeträgen ebenfalls nach wie vor auch der Finanzierung städtebaulicher Maßnahmen. Das Planspiel in Wuppertal hat ergeben, daß der gesamte Verwaltungsmehraufwand für die Erhebung von Ausgleichsbeträgen im Verhältnis 1 : 4 bis 1 : 5 zu den zu erwartenden Mehreinnahmen der Gemeinden steht. Mit einem beträchtlichen, wenn auch von Ort zu Ort verschiedenen Aufkommen in den Gemeinden ist zu rechnen. Eine Überwälzung der Ausgleichsbeträge auf die Erwerber ist unwahrscheinlich. Niemand wird gewillt sein, denselben Betrag einmal an den Veräußerer und nachher noch einmal an die Gemeinde zu bezahlen. Die gegenwärtige Lage auf dem Grundstücksmarkt spricht sehr dafür, daß eine Überwälzung, die bekanntlich zum System der Marktwirtschaft gehört, nicht stattfindet. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Evers (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen A 61 und 62) : Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, daß der Wegfall der Zinsverbilligung für Darlehen, die für öffentlich geförderte Wohnungen zur Verfügung gestellt wurden, zu Sozialmieten führt, die über den anrechenbaren Miethöchstbeträgen nach dem Wohngeldgesetz liegen und daß dadurch gerade die entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers richtig belegten Sozialwohnungen, deren Mieter ein Einkommen innerhalb der Höchstsätze nach den Förderungsbestimmungen haben, besonders hart betroffen sind? Welche Vorschläge beabsichtigt die Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag zu unterbreiten, um die hierdurch entstandenen und noch entstehenden Härten auszuschließen? Zu Frage A 61: Der stufenweise Abbau von Zinszuschüssen und Aufwendungsbeihilfen kann in Einzelfällen dazu führen, daß Sozialmieten die für das Wohngeld geltenden Miethöchstbeträge übersteigen. Solche Fälle können namentlich dann auftreten, wenn dem Wegfall der Zinsverbilligung in größerem Umfang Mietsteigerungen aus anderen Gründen — zum Beispiel der Erhöhung kommunaler Gebühren — vorangegangen sind. Dabei handelt es sich jedoch um Einzelfälle, die nicht verallgemeinert werden können. Zu Frage A 62: Die Bundesregierung ist bemüht, auf zwei Wegen zu einer Lösung zu kommen: 1. Sie verhandelt bereits seit geraumer Zeit mit den für die Wohnungsbauförderung zuständigen Ressorts der Länder über eine Begrenzung des subventionstechnisch bedingten Mietanstiegs. Diese Verhandlungen haben zwar noch zu keiner allgemein verbindlichen Regelung geführt; in einzelnen Ländern ist es aber im Zusammenhang mit den Verhandlungen bereits zu einer Korrektur der entsprechenden Regelungen für die Neubauförderung gekommen. 2. Die Bundesregierung wird dem Deutschen Bundestag zum 1. Juli 1975 den nächsten Wohngeld-und Mietenbericht vorlegen. Dieser Bericht wird 9478* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 — gestützt auf die Stellungnahmen und Erfahrungsberichte der Länder — auch für die Frage nach der Anpassung der Miethöchstbeträge eingehen. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Grützmann (SPD) (Drucksache 7/2927 Fragen A 67 und 68) : Sind der Bundesregierung die häufig in der Presse beschriebenen Praktiken der „Krishna"-Sekte bekannt, und welche Maßnahmen werden gegen die — häufig am Rande der Legalität operierenden — „Mönche" getroffen? Wie ist die Einstellung der Bundesregierung zu dem von der Sekte vertretenen Ideal des bedingungslosen Führergehorsams und der daraus resultierenden Abhängigkeit, vor allem aber in bezug auf minderjährige Kinder, und welche Möglichkeiten bestehen, widerrechtlich festgehaltene Kinder diesem Einfluß zu entziehen? Der Bundesregierung sind die „Krishna"-Sekte und ihre in der Presse beschriebenen Aktivitäten bekannt. Die „Krishna"-Sekte ist Teil einer internationalen Bewegung, die in der Bundesrepublik und in West-Berlin in der Regel in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins auftritt und auf die die Bestimmung des Grundgesetzes Anwendung finden dürfte, wonach Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ihre Angelegenheiten selbst ordnen und verwalten. Dieses Selbstbestimmungsrecht, auch über organisatorische Fragen, findet seine Schranken in den für alle geltenden Gesetzen. In der letzten Zeit hat das Verhalten von Mitgliedern der „Krishna"-Sekte, etwa wegen Geldsammlungen oder wegen des Festhaltens von Kindern, zu einer Reihe strafrechtlicher Ermittlungsverfahren geführt. In einer freien Gesellschaft kann es nicht Aufgabe der Regierung sein, Ziele und „Ideale" von gesellschaftlichen Organisationen und Gruppen zu beurteilen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die in der letzten Zeit in der Presse erschienenen Informationen über Ziele und Praktiken der „Krishna"-Sekte zu einer Aufklärung der Öffentlichkeit wesentlich beigetragen haben. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Hansen (SPD) (Drucksache 7/2927 Fragen A 69 und 70): Wie vielen Bewerbern für den öffentlichen Dienst wurde seit dem Beschluß der Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers vom 28. Januar 1972 im Bund und in den Ländern die Einstellung verweigert, und wie viele Angehörige des öffentlichen Dienstes wurden vom Dienst suspendiert bzw. entlassen? Wie viele davon wurden von den jeweiligen Dienstherren als „links-" bzw. „rechtsextremistisch" eingestuft? Die Innenminister und Innensenatoren des Bundes und der Länder haben sich am 9. Dezember 1974 auf ein Verfahren geeinigt, das einen umfassenden Austausch von Informationen über solche Entscheidungen sicherstellen wird. Diese Vereinbarung war notwendig, weil alle bisher unternommenen Anfragen oder Erhebungen nur zu höchst lückenhaften und ungenauen Ergebnissen geführt haben. Nach dem neuen Verfahren sollen die Einstellungsbehörden alle Verwaltungsentscheidungen über die Ablehnung eines Bewerbers für den öffentlichen Dienst aus den im Beschluß der Regierungschefs des Bundes und der Länder vom 28. Januar 1972 angesprochenen Gründen sowie die damit in Zusammenhang stehenden gerichtlichen Entscheidungen den für Verfassungsschutz zuständigen Behörden mitteilen. Die Verfassungsschutzbehörden werden die so erhaltenen Informationen untereinander austauschen und insbesondere über jede ablehnende Entscheidung das Bundesamt für Verfassungsschutz unterrichten. Es wird dann möglich sein, dort einen Gesamtüberblick über die ergangenen Entscheidungen abzurufen. Dieses Verfahren wird auch auf Entlassungen und Suspendierungen aus dem öffentlichen Dienst entsprechend anzuwenden sein. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage A 73): Wann ist mit dem Erlaß der in der Fragestunde vom 16. Februar 1973 (Frage 26) angekündigten Verordnung über Erschwerniszulage für Dienst in unterirdischen Einrichtungen zu rechnen (vgl. auch Frage 21 in der Fragestunde vom 5. Dezember 1973)? Die im Februar 1973 angekündigte Verordnung über Erschwerniszulagen (Verordnung zur vorläufigen Regelung der Erschwerniszulagen vom 19. Dezember 1973 — BGBl I S. 1947 —) konnte für den Dienst in unterirdischen Einrichtungen keine Verbesserungen bringen. Mit ihr ist eine Festschreibung bestehender Regelungen über Erschwerniszulagen in Bund und Ländern, nicht jedoch eine abschließende Kodifikation erfolgt. In der Verordnung konnten im wesentlichen nur die in Bund und Ländern bestehenden sehr unterschiedlichen Zulagenregelungen vereinheitlicht werden. Wegen der finanziellen Auswirkungen war eine Einbeziehung neuer Tatbestände nicht zu erreichen. Inzwischen ist jedoch für einige besonders herausgehobene Fälle dieser Tätigkeiten in unterirdischen Anlagen auf dem Wege des Tarifvertrages eine verbesserte Regelung getroffen worden. Für Beamte und Soldaten wird in Kürze eine entspre. chende Regelung ergehen, die jedoch wiederum nur für einige herausgehobene Fälle gilt. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9479* Bei der Vorbereitung des 2. BesVNG ist gemeinsam mit den Bundesländern die Frage der Einführung einer Bunkerzulage behandelt worden. Im Hinblick auf die derzeitige konjunkturelle Lage haben Bund und Länder gemeinsam davon Abstand genommen, diese, wie auch weitere kostenwirksame Maßnahmen, in die Wege zu leiten. Bund und Länder zielen darauf ab, vorerst keine strukturellen Verbesserungen (Veränderungen) in die Wege zu leiten. Die gemeinsame Konferenz der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler wird darüber am 19. Dezember 1974 erneut beraten. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Thürk (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage A 78) : Ist die Bundesregierung bereit und in der Lage, zur Vorbereitung der Beratung des Strafvollzugsgesetes im Bundesdurchschnitt die den Ländern entstehenden Kosten für die allgemeine und übliche medizinische Betreuung von Straf- und Untersuchungsgefangenen pro Mann und Tag und — getrennt davon — die Zusatzkosten für die Verhinderung der beabsichtigten Selbsttötung durch Hungerstreik auszuweisen und mitzuteilen? Zur Vorbereitung der parlamentarischen Beratungen des Strafvollzugsgesetzes hat die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern die einmaligen und laufenden Mehrausgaben errechnet, die den Ländern aufgrund der geplanten gesetzlichen Regelungen zusätzlich zu den bisherigen Kosten des Strafvollzuges entstehen werden. Die Kosten der üblichen medizinischen Versorgung und der Zwangsernährung sind in der Kostenberechnung nicht enthalten, weil das Strafvollzugsgesetz in diesen Bereichen keine wesentlichen Mehrausgaben verursachen wird. Die Ausweisung dieser Kosten, die vor allem den Landesjustizverwaltungen erhebliche zusätzliche Arbeit bereiten würde, ist nach Auffassung der Bundesregierung zur Vorbereitung der Beratung des Strafvollzugsgesetzes nicht notwendig. Die Bundesregierung ist jedoch bereit, die Landesjustizverwaltungen um entsprechende Auskünfte zu bitten, sofern dies gewünscht wird. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 7/2927 Frage A 79) : Ist die Bundesregierung unter dem Eindruck des Absturzes eines Lufthansa-Jumbos in Nairobi bereit, darauf hinzuwirken, daß ein einheitliches und ausreichend ausgestattetes Haftungssystem auf internationaler Basis zugunsten der betroffenen Flugzeugpassagiere geschaffen wird? Die Bundesregierung bemüht sich seit längerem darum, das Haftungssystem im internationalen Luftverkehr zu verbessern. Zur Zeit richtet sich die Haftung für Schäden, die bei der internationalen Beförderung von Personen und Sachen entstehen, nach dem Warschauer Abkommen i. d. F. des Haager Protokolls von 1955, das von der Bundesrepublik Deutschland durch Gesetz vom 7. August 1958 (Bundesgesetzbl. II S. 291) ratifiziert worden ist. Die darin vorgesehenen Haftungshöchstgrenzen können seit längerem nicht mehr als ausreichend angesehen werden. Da sie am Goldwert orientiert sind, haben sie sich für die Bundesrepublik Deutschland durch die Aufwertungen der D-Mark zudem im Ergebnis verringert, und zwar bei Personenschäden auf 53 500 DM gegenüber jedem Reisenden. Die langjährigen Bemühungen um die Revision des Warschauer Abkommens haben zu dem Protokoll von Guatemala (1971) geführt, wodurch das Haftungssystem verbessert und die Haftungshöchstgrenzen entscheidend, d. h. auf umgerechnet etwa 320 000 DM heraufgesetzt worden sind. Darüber hinaus kann eine ergänzende Schadensersatzregelung getroffen werden. Das Protokoll ist von einer Reihe von Staaten, darunter auch von der Bundesrepublik Deutschland, gezeichnet worden. Es tritt jedoch erst in Kraft, wenn es von Staaten ratifiziert ist, deren Anteil am Luftverkehr mindestens 40 °/o des gesamten internationalen planmäßigen Luftverkehrs ausmacht. Diese Voraussetzung ist praktisch nur zu erfüllen, wenn die USA das Protokoll ratifizieren. Eine entsprechende Prüfung durch die USA ist, wie kürzliche Erkundigungen ergeben haben, noch nicht abgeschlossen. Die westeuropäischen Staaten haben sich dahin verständigt, das Protokoll zu ratifizieren, sobald die Ratifikation durch die USA vorliegt. Ergänzend ist zu bemerken, daß für Flüge von und nach den USA bereits seit mehreren Jahren aufgrund des sog. Montrealer Agreement ein Haftungshöchstbetrag von 58 000 Dollar - etwa 150 000 DM gilt. Um darüber hinaus für die Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des Protokolls von Guatemala eine günstigere Haftungssituation zu schaffen, werden zur Zeit entsprechend einer Absprache unter den westeuropäischen Staaten Verhandlungen mit den Luftfahrtgesellschaften mit dem Ziel geführt, Haftungshöchstgrenzen zu übernehmen, die dem Montrealer Agreement entsprechen. Es ist damit zu rechnen, daß diese Verhandlungen in den nächsten Monaten abgeschlossen werden. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Löffler (SPD) (Drucksache 7/2927 Fragen A 80 und 81): Wieviel unerledigte Entschädigungsstreittälle sind noch beim Bundesgerichtshof anhängig, und wieviel Zeit wird die Erledigung dieser Fälle in Anspruch nehmen? Wie gliedern sich diese unerledigten Streitfälle nach dem Alter der Betroffenen auf? 9480* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 Zu Frage A 80: Nach der Geschäftsübersicht des Bundesgerichtshofes — Stand vom 30. November 1974 — bleiben beim IX. Zivilsenat, dem Entschädigungssenat, anhängig: 401 Revisionen 1913 Nichtzulassungsbeschwerden 1 sonstige Beschwerde Insgesamt: 2315 Sachen. Jährlich erledigt werden im Durchschnitt insgesamt ca. 770 Sachen. Die Erledigung der Rückstände würde mithin einen Zeitraum von ca. 3 Jahren in Anspruch nehmen. Zu Frage A 81: Es gibt keine Statistik darüber, wie sich diese unerledigten Verfahren nach dem Alter der Betroffenen aufgliedern. Das jeweilige Alter müßte in allen anhängigen Verfahren einzeln ermittelt werden. Es kann jedoch gesagt werden, daß der Vorsitzende des Senats vorrangig diejenigen Verfahren terminiert, in denen der oder die Betroffene 70 Jahre oder älter ist oder eine 80prozentige oder höhere Erwerbsminderung besteht oder geltend gemacht wird. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Spranger (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen A 88 und 89) : Auf welchen rechtlichen Grundlagen beruht die zwangsweise vorgenommene künstliche Ernährung von hungerstreikenden Untersuchungs- und Strafgefangenen, und entsprechen diese Grundlagen den Vorschriften der Verfassung? Umfaßt die im Strafgesetzbuch normierte Hilfeleistungspflicht auch die Pflicht des Staates, den Selbstmord eines Untersuchungs- oder Strafgefangenen durch Hungerstreik mit allen Mitteln zu verhindern, und wo ist gegebenenfalls die Zumutbarkeitsgrenze zu ziehen? Zu Frage A 88: Rechtliche Grundlagen für die Zwangsernährung von Untersuchungs- und Strafgefangenen enthalten Nr. 58 der Untersuchungshaftvollzugsordnung und Nr. 193 der Dienst- und Vollzugsordnung, die ihrer Rechtsnatur nach Verwaltungsvorschriften sind und von den Justizministern und Justizsenatoren der Länder bundeseinheitlich vereinbart worden sind. Aus diesen Regelungen ergibt sich ausdrücklich nur ein Recht und keine Verpflichtung zur Zwangsernährung. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen obliegt dem Staat gegenüber dem in seinem Gewahrsam befindlichen Gefangenen eine besondere Fürsorge. Die sich daraus ergebende Pflicht zur ärztlichen Versorgung schließt die zwangsweise künstliche Ernährung eines die Nahrungsaufnahme verweigernden Häftlings ein, wenn Lebensgefahr nicht auszuschließen ist. Dies gilt auch für jene Fälle, in denen der Entschluß zum Hungerstreik nicht auf einem krankhaften Zustand des Betroffenen beruht. Diese Rechtslage steht nicht nur mit den Vorschriften der Verfassung in Einklang, sondern sie ist von ihnen geradezu geboten. Der Rechtsstaat darf sich nicht von einem Gefangenen erpressen lassen. Andernfalls würde er sich selber aufgeben. Darüber sind wir uns in diesem Hohen Hause gewiß alle einig. Kommt danach eine Entlassung des Betreffenden aus der Haft nicht in Betracht, muß der Staat, der ja die Ursache für den Freiheitsentzug gesetzt hat, sich bemühen, unverhältnismäßige Folgen der Freiheitsentziehung zu verhindern. Hier greifen in gleicher Weise das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip wie die in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltene Wertentscheidung für das Leben ein. Diese Grundsätze verpflichten die zuständigen Behörden, mit allen zumutbaren und vertretbaren Mitteln zu verhindern, daß sich ein Gefangener durch Hungerstreik in einen lebensbedrohenden Zustand versetzt. Wird dabei die Anwendung von Gewalt gegenüber dem Häftling erforderlich, so verstößt dies weder gegen das Recht auf freie Selbstbestimmung noch gegen dessen Menschenwürde. Diese Grundrechte des Gefangenen treten hier zugunsten der eben genannten anderen Verfassungsprinzipien zurück, wobei auch zu berücksichtigen ist, daß der bei der künstlichen Ernährung gegenüber dem Gefangenen ausgeübte Zwang letztlich eine Folge der auf gesetzlichen Vorschriften und richterlicher Entscheidung beruhenden und in ihrer Durchführung der Verfassung entsprechenden Haft ist. — Ich habe allerdings in der Fragestunde am 5. Dezember 1974 (Stenographisches Protokoll S. 9106 C) in meiner Antwort auf die Fragen des Kollegen Dr. Hirsch schon darauf hingewiesen, daß sich in diesem Zusammenhang bei einem nachhaltig Widerstand leistenden Gefangenen unter Umständen die Situation ergeben kann, daß eine zwangsweise Ernährung im Hinblick auf den Betroffenen und aus der Sicht des Arztes hinsichtlich der Art und Weise ihrer Durchführung auf die Grenze der Zumutbarkeit stößt. Wieweit dabei der Kernbereich der Menschenwürde tangiert wird, hängt von den tatsächlichen Umständen des einzelnen Falles ab. Zu Frage A 89: Die Frage betrifft die Auslegung des § 330 c StGB. Schon in der Fragestunde vom 5. Dezember 1974 (Stenographisches Protokoll S. 9107 A) habe ich auf eine Frage des Kollegen Dr. Hirsch darauf hingewiesen, daß die Anwendbarkeit des § 330 c StGB auf Fälle der unterlassenen Hilfeleistung in Selbstmordfällen umstritten ist. Entsprechende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind in der Literatur auf Kritik gestoßen. Es ist Aufgabe der Gerichte, diese Auslegungsfrage zu klären. Dies gilt auch für Ihre weitere Frage, in welchen Fällen eine Hilfe dem zur Hilfeleistung Verpflichteten nicht zuzumuten ist. Insoweit kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, so daß eine generelle Antwort nicht gegeben werden kann. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9481* Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Pack (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage A 90) : Wie stellt sich die Bundesregierung zu dem Besuch des Herrn Jean-Paul Sartre am 4. Dezember 1974 bei dem Häftling Andreas Baader in der Strafanstalt in Stuttgart und seinen anschließenden Äußerungen? Der Besuch des französischen Philosophen JeanPaul Sartre bei Andreas Baader am 4. Dezember 1974 in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim wurde von dem dafür zuständigen Oberlandesgericht Stuttgart nach Anhörung des Generalbundesanwalts gestattet. Diese Entscheidung eines unabhängigen Gerichts, in ordnungsgemäßem Verfahren nach Gesetz und Recht ergangen, ist von der Bundesregierung wie von allen Bürgern dieses Landes zu respektieren. Die wiederholten Erklärungen der Bundesregierung und der Justizminister der Länder zu der von Sympathisanten und Verteidigern der kriminellen Baader-Meinhof-Vereinigung gegen Organe der Justiz inszenierte Kampagne sind bekannt. Es gibt in unseren Haftanstalten keine Isolationsfolter. Die öffentlichen Äußerungen von Jean-Parl Sartre geben der Bundesregierung keine Veranlassung, diese Stellungnahmen zu überprüfen oder gar zu ändern. Die Reaktion auf diese Äußerungen hat im übrigen gezeigt, daß die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik sehr wohl zwischen Dichtung und Wahrheit zu unterscheiden weiß. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage A 91) : In welcher Höhe und in welchem Haushaltstitel sind Mittel u. a. für den französischen Personenwagen und die Reise zu zweit nach Ibiza vorgesehen, sowie für die anderen Preise, die der Bundesjustizminister unter Ausschluß des Rechtswegs im nächsten Jahr an die Gewinner eines Preisausschreibens verlosen will? Ihre Frage bezieht sich auf ein Preisausschreiben in dem vom Bundesminister der Justiz herausgegebenen Faltblatt „Mit 18 volljährig", das der Aufklärung der 18- bis 21jährigen jungen Bürger über die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters dient. Für die in diesem Preisausschreiben aufgeführten Gewinne sind keine Mittel aus einem Haushaltstitel bereitgestellt worden. Vielmehr wurde alle Preise (1 Personenwagen, 1 Reise nach Ibiza, 1 KassettenRecorder, 27 Langspielplatten) von Firmen gestiftet. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Rollmann (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage A 94) : Welche sachliche und zeitliche Konzeption hat die Bundesregierung für die dringend notwendige Neuordnung der studentischen Krankenversicherung? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es einer gesetzlichen Regelung der Krankenversicherung der Studenten bedarf. Sie hat dies auch in ihrer Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes über die Krankenversicherung der Studierenden, den der Bundesrat eingebracht hat, zum Ausdruck gebracht. Sie befürwortet eine Lösung, durch die auch die Studierenden an Hochschulen in den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen werden. Zu diesem Zweck hat die Bundesregierung im Bundeshaushaltsplan 1975 und im Finanzplan bis 1979 die notwendigen Mittel für eine solide Finanzierung einer derartigen Lösung bereitgestellt. Es ist zu erwarten, daß die Fraktionen der Regierungskoalition in Kürze einen eigenen Gesetzentwurf zur Neuregelung der studentischen Krankenversicherung vorlegen werden. Im Hinblick darauf und in Anbetracht der bevorstehenden Beratungen des vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurfs in den gesetzgebenden Körperschaften bitte ich um Ihr Verständnis dafür, daß sich die Bundesregierung gegenwärtig nicht zu Einzelheiten der Neuregelung und den Zeitpunkt ihres Inkraftretens äußern kann. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wolf (SPD) (Drucksache 7/2927 Frage A 95) : Ist der Bundesregierung die Mitteilung der Bundesanstalt für Arbeit bekannt, wonach ein arbeitsloser Arbeitnehmer im Durchschnitt vier Wochen auf die Auszahlung des ersten Arbeitslosengeldes warten muß? Durch eine über dpa verbreitete Meldung ist der Bundesregierung bekanntgeworden, daß die Bundesanstalt für Arbeit gegenwärtig die von Ihnen genannte durchschnittliche Bearbeitungsdauer festgestellt hat. Die Bundesregierung hält diese Bearbeitungsdauer der Anträge auf Arbeitslosengeld für zu lang. Bundesminister Arendt hat die Bundesanstalt für Arbeit verschiedentlich, zuletzt am 27. November 1974, darauf hingewiesen, daß eine zu lange Bearbeitungsdauer aus sozialen Gründen nicht hingenommen werden kann. Die Bundesanstalt für Arbeit hat in den Jahren 1968 bis 1974 ihr Personal von ca. 32 500 auf 42 700 erhöht. Das bedeutet also eine Steigerung um über 10 000 Stellen. Allein im Jahre 1974 wurden ca. 3 100 Kräfte eingestellt. Für das Jahr 1975 werden 9482* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 voraussichtlich Stellenmehrungen um 1915 Kräfte allein für die Durchführung der Aufgaben nach dem Arbeitsförderungsgesetz genehmigt werden. Hierzu kommen noch rd. 4 400 Kindergeldfachkräfte. Darüber hinaus hat Bundesminister Arendt die Bundesanstalt für Arbeit ermächtigt, Aushilfskräfte ohne Begrenzung hinsichtlich der Personenzahl und der Personalausgaben einzustellen. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit ist erst kürzlich wieder gebeten worden, Umsetzungen von der Hauptstelle oder den Landesarbeitsämtern zu den Arbeitsämtern vorzunehmen, um dort eingestellte Zusatzkräfte anzuleiten und anzulernen. Ferner soll geprüft werden, ob durch Heimarbeit bzw. durch Überstundenleistung eine Beschleunigung erreicht werden kann. Des weiteren ist der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit gebeten worden zu prüfen, ob eine Verlagerung und Bearbeitung der Akten aus den Großstädten in die Gebiete in Frage kommt, in denen das erforderliche zusätzliche Personal noch zur Verfügung steht. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß eine Behörde mit dem Potential der Bundesanstalt für Arbeit trotz der Vielfalt ihrer Aufgaben so flexibel sein muß, um plötzlich auftretende Rückstände in einem Leistungsbereich in kurzer Zeit abzubauen. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) (Drucksache 7/2927 Fragen A 96 und 97) : Ist die Bundesregierung bereit, eine regelmäßige, amtliche Statistik der Einkommens- und Vermögensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland zu schaffen, aus der nicht nur die funktionelle Verteilung zwischen Einkommen aus unselbständiger Arbeit und Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen, sondern u. a. eine differenzierte personelle Einkommens-und Vermögensverteilung hervorgeht und das Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen nicht nur wie bisher als Restgröße mit allen Fehlerquellen ermittelt wird? Verfügt die Bundesregierung über zuverlässige amtliche oder wissenschaftliche Statistiken, aus denen differenziert hervorgeht, wie sich das private Eigentum an Grund und Boden in der Bundesrepublik Deutschland quotenmäßig auf die Bevölkerung verteilt? Zu Ihren Fragen möchte ich vorab bemerken, daß es mehrere Statistiken über die Einkommens- und Vermögensverteilung gibt, je nach dem Sachzusammenhang, über den diese Informationen Aufklärung geben sollen, zum Beispiel die Steuerstatistiken, die Wohnungsstichproben oder auch die Mikrozensuserhebungen. Soweit Probleme der Verteilung von Einkommen und Vermögen der privaten Haushalte angesprochen sind, möchte ich Ihre Fragen wie folgt beantworten: Die Bundesregierung arbeitet ständig an der Verbesserung der Einkommens- und Vermögensstatistiken. Insbesondere bemüht sie sich, die regelmäßig veröffentlichte funktionale Aufgliederung der Einkommensverteilung im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung durch eine differenzierte personelle Einkommensverteilung im Sektor private Haushalte zu ergänzen und zu verfeinern. So ist es seit kurzem möglich, die Einkommen aus Unternehmertätigkeit getrennt von den Einkommen aus Vermögen nachzuweisen. Ich weise in diesem Zusammenhang auf die Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes im Mai dieses Jahres hin. Die Aufgliederung des in privaten Haushalten verfügbaren Einkommens nach sozialen Gruppen und nach Einkommensgrößenklassen ist als nächster Schritt vorgesehen. Über die personelle Verteilung des Vermögens der privaten Haushalte liegen Angaben u. a. aus den Einkommens- und Verbrauchsstichproben sowie aus den Vermögenssteuerstatistiken vor. Hierbei kommt es darauf an, daß für die Gewinnung eines Gesamtbildes der Vermögensverteilung die Verknüpfung vor allem dieser beiden Statistiken gelingt. Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich folgendes bemerken: Über die Verteilung des privaten Eigentums an Grund und Boden werden im Bereich der amtlichen Statistik u. a. Angaben über die Einheitswerte des Grundbesitzes erhoben. Die Ergebnisse der Einheitswertstatistik des Grundbesitzes 1964 können über die vorrangig finanz- und steuerpolitischen Zielsetzungen dieser Statistik hinaus u. a. zur Beurteilung der Eigentumsverhältnisse in sozioökonomischer Hinsicht beitragen. Für die nächste Zeit ist außerdem eine Erhebung des gesamten Gebäudebestandes einschließlich der dazugehörigen Grundstücke, gegliedert nach Eigentümergruppen in Vorbereitung. Ferner liefern die Einkommens- und Verbrauchsstichproben Angaben über den Haus- und Grundbesitz der privaten Haushalte nach Einheitswertgrößenklassen des Grundbesitzes. An wissenschaftlichen Untersuchungen über diesen Komplex sind insbesondere die Arbeiten von Krelle, Duwendag und Euler bekanntgeworden. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Funcke (FDP) (Drucksache 7/2927 Fragen A 98 und 99) : Trifft es zu, daß bei der Rentenberechnung die Ausbildungszeiten für einen männlichen Fachschulabsolventen mit einer persönlichen Bemessungsgrundlage von 145,4 %, für einen weiblichen Fachschulabsolventen gleicher Ausbildung aber nur mit 106,6 % angesetzt werden? Wenn ja, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese unbegründete Benachteiligung der Frauen bei gleichen Berufsvoraussetzungen im Sinne des Artikels 3 Abs. 2 des Grundgesetzes aufzuheben? Der Ihrer Frage zu Grunde liegende Sachverhalt ist zutreffend. Die Bewertung von Zeiten der weiteren Schul-, Fachschul- und Hochschulausbildung in der gesetzlichen Rentenversicherung richtet sich nach den Arbeitsverdiensten, wie sie von männlichen und weiblichen Versicherten im Durchschnitt tatsächlich Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9483* erzielt werden. Die Unterschiede in der Bewertung sind also das Ergebnis der unterschiedlichen Einkommenssituation bei Männern und Frauen. Daraus ersehen Sie, daß es sich hier um ein allgemeines gesellschaftliches Problem handelt, das nicht allein im Rahmen der Rentenversicherung gelöst werden kann. Die Bundesregierung hat auf diese unterschiedliche Einkommenssituation mehrfach hingewiesen und ist hierüber im Gespräch mit den relevanten Gruppen unserer Gesellschaft. Einen wichtigen Beitrag zum Ausgleich von Benachteiligung der Frauen in der Vergangenheit brachte die Rentenreform von 1972. Die damals eingeführte Rente nach Mindesteinkommen, die in fast 90 Prozent der Fälle Frauen zugute kommt, beseitigt oder mildert gerade solche Nachteile einer unterschiedlichen Entlohnung in der Vergangenheit. Was Ihre zweite Frage angeht, so möchte ich darauf hinweisen, daß vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verfahren anhängig ist, daß die für Männer und Frauen unterschiedlich hohen Entgeltwerte für Beitragszeiten nach dein Fremdrentengesetz zum Inhalt hat. Da die Werte für die Ausbildungszeiten den Tabellen zum Fremdrentengesetz entnommen sind, sollten wir den Ausgang dieses Verfahrens abwarten. Anlage 33 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Opitz (FDP) (Drucksache 7/2927 Fragen A 107 und 108) : Welche bilateral und multilateral abgestimmten Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um das Los der Flüchtlinge beider Volksgruppen von Zypern zu erleichtern? Sieht die Bundesregierung weitere Möglichkeiten, um das Schicksal der Betroffenen in Anbetracht des bevorstehenden Winters schnell zu verbessern? Zu Frage A 107: Die Bundesregierung hat sich bereits sehr früh erboten (Anfang August), humanitäre Hilfsmaßnahmen für die Opfer der kriegerischen Ereignisse auf Zypern zu unterstützen. Gemäß einer Vereinbarung der drei Garantiemächte (Großbritannien, Griechenland, die Türkei) konnte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK, Genf) seit dem 22. Juli eine Hilfstätigkeit entfalten. Diese erstreckte sich sowohl auf die zyperngriechische als auch auf die zyperntürkische Bevölkerung. Die Durchführung der humanitären Hilfe für die Flüchtlinge beider Volksgruppen liegt seitdem in Händen des IKRK. Die Wirksamkeit dieser Hilfe wird allseits anerkannt. Die Bundesregierung hat dementsprechend alle bisherigen Hilfssendungen über diese Organisation geleitet. Für Hilfsgüter, die auf Antrag des IKRK geliefert wurden, sind bisher 3 Millionen DM aufgewandt worden (einschließlich Transport). Die Koordinierung der Hilfsmaßnahmen erfolgt durch die Delegation des IKRK und die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Zusammenarbeit mit der örtlichen Administration bzw. den örtlichen Hilfsorganisationen (nationales Rotes Kreuz und Roter Halbmond). Als multilateraler Beitrag der Bundesregierung für die Zypernhilfe wurden direkte finanzielle Zuschüsse an das IKRK und den Hohen Flüchtlingskommissar in Genf gezahlt (je DM 500 000,—). Zu Frage A 108: Wegen der Ungewißheit über die Fortdauer der Flüchtlingslage auf Zypern und in Anbetracht des bevorstehenden Winters hat die Bundesregierung eine Delegation nach Zypern entsandt, um an Ort und Stelle den Hilfsbedarf für die nächsten Monate zu ermitteln. Der Delegation, die unter Leitung des Herrn PStS G. Baum (BMI) stand, gehörten auch die Abgeordneten G. Köster und Dr. B. Hirsch an. Sie hatte Gelegenheit, Gespräche mit Vertretern des zyperngriechischen und zyperntürkischen Bevölkerungsteils zu führen. Mit den nationalen und internationalen Hilfsorganisationen wurde die Fortführung der humanitären Hilfe erörtert. Die Delegation konnte auch Flüchtlingslager besuchen. Als Ergebnis der Erkundungsmission ergab sich ein Bedarf an Schuhwerk und Matratzen, Öfen für die Zeltbeheizung und Nahrungsmittel. Für diese Hilfsgüter wird die Bundesregierung bis zu 2 Millionen DM zusätzlich bereitstellen. Dem Unterausschuß für humanitäre Hilfe wurde am 4. Dezember über die Delegationsreise Bericht erstattet. Anlage 34 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 7/2927 Frage B 1) : Ist die Bundesregierung weiterhin bemüht, im Interesse des Schicksals der zypriotischen Flüchtlinge alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die bedrängte Lage der Menschen zu verbessern? Die Bundesregierung leistet seit August 1974 in beträchtlichem Umfang humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge beider Volksgruppen auf Zypern. Bisher wurden für etwa 3 Millionen DM Hilfssendungen, im wesentlichen auf dem Luftwege versandt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (Genf) und der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (Genf) haben für ihre Zypernhilfe je einen finanziellen Zuschuß in Höhe von 500 000 DM erhalten. Die Bundesrepublik Deutschland steht damit im internationalen Vergleich an hervorragender Stelle. Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß nur eine politische Lösung der Zypernfrage die Flüchtlingsnot beenden kann. Sie bemüht sich daher, in engem Zusammenwirken mit den europäischen Partnern im Sinne einer Verhandlungslösung auf die Beteiligten einzuwirken. Dementsprechend hat sie direkte Gespräche zwischen den Repräsentanten der beiden Volksgruppen, Clerides und Denktash befürwortet. Durch die Rückkehr des verfassungsmäßigen Staats- 9484* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 präsidenten Markarios nach Zypern ist die Lage z. Z. allerdings unübersichtlich geworden. Obwohl exakte Angaben fehlen, ist mit etwa 190 00 Flüchtlingen in den jeweiligen Gebieten der beiden Volksgruppen zu rechnen. Hinzu kommen etwa 15 000 Zyperntürken, die sich in der Obhut der britischen Militärbasen aufhalten. Da im Augenblick zumindest ungewiß ist, ob in naher Zukunft mit einer politischen Lösung der Zypernfrage zu rechnen ist, hat die Bundesregierung eine Delegation nach Zypern entsandt. Ihr Auftrag war es, angesichts des bevorstehenden Winters den Hilfsbedarf zu ermitteln und Hilfsmöglichkeiten zu prüfen. Der Delegation, die unter der Leitung des Herrn PStS G. Baum (BMI) stand, gehörten auch die Herren Abgeordneten G. Köster und Dr. B. Hirsch an. Die Regierungsdelegation wurde vom amtierenden Präsidenten Clerides und dem Vizepräsidenten Denktash empfangen. Die Delegation hatte die Möglichkeit, in beiden Inselteilen Flüchtlingslager zu besuchen. In Gesprächen mit den zuständigen Regierungsstellen, dem IKRK und dem VN-Flüchtlingskommissar und örtlichen Hilfsorganisationen (zyprisches Rotes Kreuz, Roter Halbmond) wurden Einzelheiten möglicher Hilfeleistungen besprochen. Als Ergebnis der Reise wurde ein Hilfsprogramm festgestellt, das folgende Schwerpunkte hat: — Lieferung von Schuhwerk und Matratzen — Lieferung von Öfen für Zeltbeheizung — Nahrungsmittel (Proteinnahrung, Babynahrung) Als Finanzrahmen für diese zusätzlichen Maßnahmen ist ein Beitrag von bis zu 2 Millionen DM vorgesehen. Die Bundesregierung wird im übrigen dem Unterausschuß für humanitäre Hilfe über den Fortgang der Zypernhilfe berichten. Anlage 35 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 7/2927 Frage B 2) : Wann wird die Bundesregierung die Gebühren, die auf Grund des Auslandsgebührengesetzes aus dem Jahr 1936 erhoben werden und die wegen des inzwischen erheblich gestiegenen Verwaltungsaufwands nicht mehr angemessen sind, in gebotenem Maße erhöhen bzw. Voraussetzungen für Erhöhungen schaffen? Das Auswärtige Amt hat den Entwurf eines neuen Auslandsgebührengesetzes bereits ausgearbeitet. Er wird zur Zeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Die enge Verbindung mit dem neuen Konsulargesetz, das erst am 11. September 1974 verkündet wurde und am 15. Dezember 1974 in Kraft treten wird, hat eine frühere Vorlage eines neuen Auslandskostengesetzes nicht möglich gemacht. Es kann davon ausgegangen werden, daß das neue Gesetz dem Bundestag im Jahre 1975 vorgelegt wird. Bei der Erhebung der Gebühren nach dem Auslandsgebührengesetz von 1936 hat das Auswärtige Amt aber auch bisher die gestiegenen Kosten des Verwaltungsaufwandes teilweise berücksichtigen können. Es hat nämlich die im Gesetz gegebenen Möglichkeiten der Anhebung der Gebühren ausgenutzt, indem es Zuschläge nach § 1 (2) festgesetzt hat. Im übrigen hat die Ausschöpfung von Rahmengebühren dazu beigetragen, daß ein Kostenausausgleich weitgehend erreicht wurde. Anlage 36 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schwörer (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen B 3 und 4) : Sind der Bundesregierung Vorgänge bekannt, daß zur Zeit in Portugal ausländisches Eigentum, im besonderen aber Eigentum deutscher Bürger und Unternehmer, durch Hetzkampagnen, Verunglimpfungen und Drohungen radikaler Kräfte in Gefahr ist? Wäre die Bundesregierung bereit, von neuen wirtschaftlichen und finanziellen Hilfsmaßnahmen und Unterstützungen für Portugal abzusehen, wenn nicht der Schutz deutschen Eigentums gewährleistet Ist? Der Bundesregierung sind solche Vorgänge in Portugal bekannt. Es handelt sich um Fälle, wo es hauptsächlich über erhöhte Lohnforderungen nach dem Umsturz in Portugal zu Schwierigkeiten in einzelnen Betrieben kam. Die Bundesregierung hat die portugiesische Regierung nachdrücklich auf diese Vorfälle hingewiesen, zuletzt beim Besuch des Ministers Major Alves in Bonn am 5. und 6. November 1974. Sie hat gleichzeitig die portugiesische Regierung wissen lassen, daß Schutz ausländischen, in diesem Fall des deutschen Eigentums, Voraussetzung für den ungestörten Fortgang ausländischer Investitionen in Portugal sei, die ihrerseits einen wesentlichen Beitrag nicht nur für die wirtschaftspolitische Zusammenarbeit mit Portugal, sondern auch für die notwendige Weiterentwicklung der portugiesischen Wirtschaft darstelle. Die portugiesische Regierung hat der Bundesregierung mehrfach ausdrücklich versichert, daß sich an ihrer positiven Haltung gegenüber ausländischen Investoren nichts geändert habe und daß sie alles tun werde, um den Schutz ausländischen, und damit auch deutschen Eigentums zu gewährleisten. Die Bundesregierung hat zur Zeit keinen Grund, an dem Ernst dieser Zusicherung der portugiesischen Regierung zu zweifeln. Anlage 37 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Baron von Wrangel (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen B 5 und 6) : Kann die Bundesregierung Pressemeldungen bestätigen, denen zufolge der DDR-Ministerpräsident Sindermann anläßlich seiner Nahost-Reise Waffenlieferungen an Syrien und andere arabische Staaten zugesagt hat? Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9485* Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen ihrer nationalen, demokratischen und moralischen Vertretungspflicht für die deutsche Nation, einer solchen Politik entschieden entgegenzuwirken? Zu Frage B 5: Der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, denen zufolge der DDR-Ministerpräsident Sindermann anläßlich seiner Nahost-Reise Waffenlieferungen an Syrien und andere arabische Staaten zugesagt haben soll. Zu Frage B 6: Es besteht, schon aufgrund der Antwort zur vorhergehenden Frage kein Anlaß, seitens der Bundesregierung zu diesem Thema Stellung zu nehmen. Anlage 38 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage B 7): Ist es richtig, daß die Volksrepublik Rumänien neuerdings ein Gesetz erlassen hat, wonach Eigentum von Aussiedlern entschädigungslos enteignet wird, und was hat die Bundesregierung gegebenenfalls gegen diese, insbesondere deutsche Spätaussiedler betreffende, Maßnahme unternommen? Nach den Feststellungen des Auswärtigen Amts ist es nicht zutreffend, daß Rumänien ein Gesetz erlassen hat, wonach das Eigentum von Aussiedlern entschädigungslos enteignet wird. Richtig ist allerdings, daß die rumänische Nationalversammlung am 28. Oktober 1974 ein bereits am 5. November 1974 in Kraft getretenes Gesetz betreffend den Bodenfonds verabschiedete. Danach bilden alle Bodenflächen auf dem Territorium Rumäniens ungeachtet der Eigentumsverhältnisse einen „einheitlichen Bodenfonds". Ein Katalog verschiedener Maßnahmen soll den Schutz, die Verbesserung und die optimale Nutzung des Bodenfonds gewährleisten. Ferner sieht das Gesetz vor, daß Böden, die Personen gehören, die Rumänien endgültig verlassen haben, unentgeltlich in Staatseigentum übergehen. Die Botschaft Bukarest ist nach einer Analyse des Gesetzeswortlautes der Auffassung, daß sich die o. g. Maßnahme, insbesondere die Enteignung, nur auf unbebaute Bodenflächen und nicht auch auf bebauten Grundbesitz bezieht. Die Botschaft Bukarest ist angewiesen worden, über die Praxis dieses Gesetzes bei der Aussiedlung von Rumänien-Deutschen zu berichten. Die Bundesregierung behält sich daher eine abschließende Prüfung vor. Anlage 39 Antwort des Staatsministers Moersch auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen B 8 und 9) : Billigt die Bundesregierung die Äußerungen des Pressereferenten der deutschen Vertretung bei den Europäischen Gemeinschaften, die im „Spiegel" vom 25. November 1974 zu lesen sind, nach Form und Inhalt, oder erblickt sie zumindest in einem Teil der Äußerungen schwere Pflichtverletzungen eines öffentlichen Bediensteten? Welche dienstaufsichtsrechtlichen Konsequenzen wurden gezogen oder sind beabsichtigt? Zu Frage B 8: Die Bundesregierung erblickt in den Äußerungen des Pressereferenten bei den Europäischen Gemeinschaften keine Pflichtverletzung eines öffentlichen Bediensteten. Sie sieht in ihnen vielmehr die private Äußerung eines Mitarbeiters des Auswärtigen Amts in einer Angelegenheit, die seine Tätigkeit vor Eintritt in den Auswärtigen Dienst betrifft. Es ist in diesem Zusammenhang hervorzuheben, daß der Bedienstete seinen Leserbrief an den „Spiegel" per Fernschreiben ohne die am 25. November veröffentlichte Funktionsbezeichnung „Pressereferent bei der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Europäischen Gemeinschaften" zugeleitet hat. Zu Frage B 9: Aus meiner Antwort auf die vorhergehende Frage ergibt sich, daß für dienstaufsichtsrechtliche Konsequenzen kein Anlaß besteht. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Biechele (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage B 10) : Wie beurteilt die Bundesregierung den ersten Erfahrungsbericht des Arbeitskreises für Umweltschutz Konstanz 1974 über Trennung und Verwertung von Papier und Glas aus Hausmüll im Raum Konstanz, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Erfahrungen dieses Modellversuchs mit richtungsweisendem Charakter für das gesamte Bundesgebiet und vor allem auch für Bereiche der Bundesverwaltung im Sinne der Forderungen des Arbeitskreises nutzbar zu machen? Der erste Erfahrungsbericht des Arbeitskreises für Umweltschutz Konstanz 1974 über „Trennung und Verwertung von Papier und Glas aus Hausmüll im Raum Konstanz" wird von der Bundesregierung begrüßt und positiv beurteilt. Die von der Bundesregierung im Rahmen der Erstellung des Abfallwirtschaftsprogramms u. a. angestrebte Wiedernutzbarmachung von bestimmten Abfällen setzt die Entwicklung wirtschaftlicher Verfahren zur Abtrennung bestimmter Abfälle aus dem Hausmüll voraus. Hierfür bieten sich folgende Möglichkeiten an: — Sortierung mit Hilfe aufbereitungstechnischer Verfahren — getrennte Erfassung bei der Sammlung. Die zuerst genannte Methode wird bereits seit 1972 auf Initiative und mit Mitteln des Bundesministers des Innern im Rahmen eines Forschungsvorhabens untersucht. Wegen der Bedeutung, die der zweiten Möglichkeit im Hinblick auf vorzu- 9486* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 schlagende Maßnahmen im Abfallwirtschaftsprogramm zukommt, ist vom Bundesminister des Innern die Vergabe eines Untersuchungsauftrages mit dem Thema „Trennung und Verwertung von Papier und Glas aus Hausmüll, dargestellt am Beispiel Konstanz" eingeleitet worden. Bei der Festlegung des Leistungsumfanges für diesen Auftrag sind auch Vertreter dieses Arbeitskreises für Umweltschutz gehört worden. Das Ziel der Untersuchung besteht darin, mit Hilfe eines Modellversuches die für die Stadt Konstanz nach technischen und organisatorischen Gesichtspunkten günstigste Form der getrennten Sammlung von Altpapier und Altglas zu ermitteln. Es ist anzunehmen, daß die Ergebnisse dieses Modellversuches, für dessen Vorbereitung und Durchführung der Arbeitskreis für Umweltschutz Konstanz seine Unterstützung angeboten hat, richtungsweisenden Charakter für das gesamte Bundesgebiet haben werden. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Krockert (SPD) (Drucksache 7/2927 Frage B 11): Kann durch Ausdehnung der Wochenproduktion eines emittierenden Betriebs auf bisher produktionsfreie Tage, um trotz gleichbleibender Wochenmenge die täglichen oder stündlichen Emissionswerte durch Streckung den behördlichen Auflagen anzupassen, der Umweltschutz umgangen werden, und wenn ja, was beabsichtigt die Bundesregierung dagegen zu tun? Solange der Betreiber die in einer Genehmigung festgelegten Bedingungen und Auflagen einhält, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß der Umweltschutz nicht umgangen wird. Die wesentliche Änderung des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage bedarf der Genehmigung nach § 15 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Aus Gründen der Luftreinhaltung und der Lärmbekämpfung ist eine Änderung dann als wesentlich anzusehen, wenn sie zu einer erheblichen Abweichung von den bisherigen Emissions- und Immissionsverhältnissen führen kann. Die Bundesregierung hat in den Technischen Anleitungen zur Reinhaltung der Luft und zum Schutz gegen Lärm festgelegt, wie die zuständigen Behörden zu verfahren haben. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage B 12) : Wird die Bundesregierung dem Schutz der Umwelt den Vorrang einräumen, wo immer ernste Konflikte zwischen der Energieerzeugung und der Umweltqualität entstehen, und wenn ja, welche Kriterien wird sie zugrunde legen? Die Bundesregierung hat sowohl in ihrem Energieprogramm vom 26. September 1973 als auch in der ersten Fortschreibung vom 23. Oktober 1974 eindeutig klargestellt, daß nach ihrer Auffassung das Erfordernis einer sicheren und ausreichenden Versorgung mit Energie mit den Anforderungen des Umweltschutzes so in Einklang gebracht werden muß, daß beide Ziele erfüllt werden können. Diese Auffassung der Bundesregierung beruht auf der Erkenntnis, daß Energie- und Umweltpolitik nicht in Widerspruch zueinander stehen müssen. So wie die Maßnahmen zum Schutz der Umwelt den Bürger vor Gefahren und Beeinträchtigungen schützen, die aus der Nutzung der verschiedenen Energiearten und der daraus resultierenden Schädigung seiner Umwelt herrühren, so dienen auch die Maßnahmen zur Sicherung einer ausreichenden Energieversorgung nicht allein der wirtschaftlichen Entwicklung, sondern vor allem der Erhaltung bzw. Verbesserung der Lebensqualität eines jeden einzelnen von uns. Bei der Nutzung der Kernenergie hält die Bundesregierung gemäß § 1 des Atomgesetzes auch unter den veränderten energiewirtschaftlichen Daten daran fest, daß der Schutz der Bevölkerung vor möglichen Schädigungen absolute Priorität genießt. Es ist sicher nicht immer leicht, diese beiden Ziele miteinander in Einklang zu bringen, und es wird in Zukunft mehr denn je großer Anstrengungen bedürfen, um eine optimale Lösung der im Einzelfall sich aufzeigenden Zielkonkurrenz zu erreichen. Die Bundesregierung hat bei der Fortschreibung des Energieprogramms ausdrücklich ihre Auffassung bekräftigt, daß die zwischenzeitliche Entwicklung im Energiebereich keinen Anlaß gibt, das Verhältnis von Energiepolitik und Umweltschutz neu zu bestimmen. Sie ist nicht bereit und hält es auch nicht für erforderlich, den mit ihren Energieprogrammen verfolgten Weg, die Energieversorgung insgesamt sicherer zu machen, durch Abstriche an den Zielen der Umweltpolitik der Bundesregierung zu erkaufen. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Evers (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage B 13) : Welche Rechtsfolgen ergeben sich für die Unterhaltspflichtigen von unehelichen Kindern und von Kindern aus geschiedenen Ehen durch die generelle Zahlung eines Kindergelds am 1. Januar 1975 im Hinblick auf die Höhen der bisher gezahlten Unterhaltsleistungen, und bis wann kann damit gerechnet werden, daß die gegenwärtig bestehende Rechtsunsicherheit durch entsprechende Verordnungen geregelt wird, und welchen materiellen Inhalt wird eine derartige Regelung haben? Nach § 1615 g Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist das für ein nichteheliches Kind der Mutter ausgezahlte Kindergeld auf den vom Vater zu dekkenden Regelbedarf zur Hälfte anzurechnen, wenn auch der Vater die Kindergeldanspruchsvoraussetzungen erfüllt, ihm aber Kindergeld nicht gewährt wird, weil die Mutter vorrangig berechtigt ist. Das wird — wenn man von der für Angehörige des öf- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9487* fentlichen Dienstes während einer Übergangszeit geltenden Sonderregelung absieht — künftig allgemein der Fall sein, d. h. der vom Vater zu zahlende Regelunterhalt wird sich entsprechend vermindern. Dies erscheint auch nicht ungerechtfertigt; denn das Kindergeld soll auch den Elternteil entlasten, der für die Unterhaltskosten des Kindes aufkommt und der die Möglichkeit verliert, die Unterhaltsaufwendungen für sein Kind bei der Lohn- und Einkommensteuer steuermindern geltend zu machen. Für eheliche Kinder getrennt lebender oder geschiedener Ehegatten besteht keine ausdrückliche gesetzliche Regelung über die Berücksichtigung von Kindergeld. Schon nach geltendem Recht wird aber von einer Reihe von Gerichten der der Regelung des § 1615 g Abs. 1 BGB zugrunde liegende Rechtsgedanke entsprechend angewandt, so daß dem Unterhaltspflichtigen durch entsprechende Minderung seiner Zahlungspflicht Kindergeld zur Hälfte zugute kommt. Von einer gegenwärtig bestehenden Rechtsunsicherheit kann nicht gesprochen werden, zumal da das Problem der Anrechnung von Leistungen für Kinder unabhängig von der Reform des Familienlastenausgleichs schon immer bestanden hat und von der Rechtsprechung befriedigend gelöst zu werden scheint. Es erscheint weder geboten noch ratsam, im Zusammenhang mit der Reform des Familienlastenausgleichs Rechtsänderungen auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts, die die Anrechnung von Kindergeld und vergleichbaren Leistungen betreffen, vorzunehmen. In Fällen, in denen der nicht sorgeberechtigte Elternteil von dem die Kinder betreuenden Elternteil als Bezugsberechtigter „verdrängt" wird, liegt zwar nahe, den § 1615 g Abs. 1 Satz 2 BGB sinngemäß anzuwenden und eine hälftige Anrechnung vorzunehmen. Die Dinge können aber im Einzelfall anders liegen, z. B. wenn die sorgeberechtigte Mutter mehrere Kinder ohne jede Hilfe versorgt und der Vater nur wenig Unterhalt zahlt. In diesem Fall mag der Wert der Betreuungsleistungen höher anzusetzen sein als der vom Vater gedeckte Kostenbedarf der Kinder; dies könnte es rechtfertigen, weniger als die Hälfte des Kindergeldes oder ähnlicher Leistungen auf den Kostenbedarf der Kinder anzurechnen. Hinzu kommt, daß die Frage der Anrechnung von Kindergeld auf Unterhaltsansprüche nicht isoliert geregelt werden kann, sondern nur im Zusammenhang mit der Anrechnung vergleichbarer Leistungen, z. B. der Kinderzuschläge in der Rentenversicherung und zahlreicher anderer gesetzlich oder tarifvertraglich geregelter Leistungen. Dies setzt aber eine umfassende Überprüfung aller einschlägigen Bestimmungen voraus. Eine solche längere Zeit erfordernde Überprüfung wird im Zusammenhang mit der Reform des Unterhaltsrechts, die für die nächste Legislaturperiode vorgesehen ist, vorgenommen werden. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretär Dr. de With auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Nordlohne (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2927 Frage B 14) : Wie beurteilt die Bundesregierung den Besuch des französischen Schriftstellers Sartre bei dem Untersuchungshäftling Andreas Baader, die von ihm auf Grund dieses Besuches gemachten Äußerungen sowie seinen Aufruf zur Gründung eines Komitees zur Rettung der Baader-Meinhof-Häftlinge? Die Begegnung des französischen Philosophen Jean-Paul Sartre mit dem Mitglied der kriminellen Vereinigung Baader-Meinhof, Andreas Baader, konnte stattfinden, weil das mit der Sache befaßte unabhängige Oberlandesgericht Stuttgart nach Anhörung des Generalbundesanwalts keine Bedenken gegen ein solches Treffen hatte und daher die erforderliche Erlaubnis erteilte. Sie zeigt erneut, daß der gegen die Justiz- und Vollzugsbehörden von den Verteidigern und Sympathisanten der kriminellen Vereinigung Baader-Meinhof erhobene Vorwurf, die inhaftierten Mitglieder würden mit Maßnahmen überzogen, die nicht mehr auf dem Boden des Rechtsstaates stünden, nicht zutrifft. Die Bundesregierung und die Justizminister der Länder haben wiederholt — in teils gemeinsamen Erklärungen — die unwahren Behauptungen zu den Haftbedingungen zurückgewiesen, die aus Kreisen der Sympathisanten und Anwälte dieser kriminellen Vereinigung im Rahmen der von ihnen betriebenen Kampagne gegen die Organe der Justiz immer wieder vorgebracht werden. Die Äußerungen von JeanPaul Sartre geben keinen Anlaß, diese Stellungnahmen zu überprüfen oder zu ändern. Es gibt in unseren Haftanstalten keine Isolationsfolter. Dementsprechend ist auch die Ernsthaftigkeit von Sartres Aufruf zur Gründung eines Komitees zu beurteilen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß es bisher schon Praxis der für die Entscheidungen über den Vollzug der Untersuchungshaft zuständigen Gerichte war, Besuche von Repräsentanten der Kirchen und caritativer Stellen, Journalisten und Medizinern bei diesen Häftlingen zu erlauben, wenn Sicherheitsbelange und der Zweck der Untersuchungshaft dem nicht entgegenstehen. Es kann davon ausgegangen werden, daß es bisher schon durchaus eine Reihe von neutralen Beobachtern der praktizierten Haftbedingungen gegeben hat. Bezeichnenderweise sind bislang aus dieser Richtung keineswegs solche Vorwürfe erhoben worden, wie sie von einzelnen Anwälten, Sympathisanten und Jean-Paul Sartre vorgebracht werden. In Übereinstimmung mit den Justizministern der Länder kann daher gesagt werden, daß die Vollzugsorgane der Bundesrepublik den Besuch von seriösen, objektiven und sachkundigen Personen und Kommissionen in den Haftanstalten nicht zu scheuen brauchen, wenn diese Besuche durch das zuständige Gericht nach ordnungsgemäßem Verfahren zugelassen werden. Die Bundesregierung hat die Bürger dieses Landes zur Solidarität mit den Organen des Staates aufgerufen. Zu dieser Solidarität sollte auch gehören, daß 9488* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 die Personen, die Gelegenheit erhalten, sich von den wirklichen Haftbedingungen zu überzeugen, mehr, als das bisher geschehen ist, die breite Öffentlichkeit objektiv über die von ihnen gemachten Erfahrungen unterrichten. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage B 15): Wird die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung vorschlagen, wonach ein Vollstreckungsschutz für Flüchtlinge aus der „DDR" auch dann gegeben ist, wenn Verbindlichkeiten nach der Flucht, z. B. aus der „Verwaltung" zurückgelassenen Vermögens, entstanden sind? Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, eine gesetzliche Regelung mit dem von Ihnen angesprochenen Inhalt vorzuschlagen. Über die in § 88 BVFG genannten Fälle hinaus prüfen die hiesigen Gerichte in allen Fällen, in denen die Zwangsvollstreckung gegen einen Flüchtling aus der Deutschen Demokratischen Republik aus Verbindlichkeiten begehrt wird, die in der Deutschen Demokratischen Republik entstanden sind, ob die Zwangsvollstreckung mit dem ordre public der Bundesrepublik Deutschland vereinbar wäre. Es ist bisher kein Fall bekanntgeworden, in dem ein Gericht zu Unrecht das Vorliegen dieser Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil aus der Deutschen Demokratischen Republik bejaht hätte. Diese derzeitige Rechtslage ist auch sachgerechter als ein grundsätzliches gesetzliches Verbot, Flüchtlinge aus der Deutschen Demokratischen Republik für Verbindlichkeiten in Anspruch zu nehmen, die nach ihrer Flucht entstanden sind. Ein solches Verbot würde beispielsweise auch Vollstreckungen wegen Aufwendungen unmöglich machen, die zur Erhaltung des Vermögenswertes und mit Zustimmung des Eigentümers gemacht wurden. Auch würde eine solche Regelung Flüchtlinge aus der Deutschen Demokratischen Republik gegenüber anderen Bewohnern der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West), deren in der Deutschen Demokratischen Republik belegenes Vermögen mit Verbindlichkeiten belastet ist, in nicht einleuchtender Weise besserstellen. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haehser auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Stavenhagen (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage B 16): Warum läßt die Bundesregierung beim grenzüberschreitenden Güterfernverkehr bei Lastkraftwagen nur einen Tankinhalt von 50 Litern Dieselöl zollfrei zu, während die entsprechende Menge bei anderen EG-Ländern 100 Liter beträgt, und ist mit einer Angleichung an die Vorschriften der übrigen EG-Länder in absehbarer Zeit zu rechnen? Durch die Beschränkung der abgabenfreien Treibstoffmenge auf 50 1 Dieselkraftstoff für Lastkraftwagen werden die grenzüberschreitenden Benutzer des deutschen Straßennetzes möglichst weitgehend zu den Wegekosten und zur Finanzierung der Infrastrukturinvestitionen herangezogen. Eine Erhöhung der Freimenge würde außerdem die Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der deutschen Seehäfen weiter verschärfen. Die EG-Kommission hat am 19. Juli 1974 im Rahmen der Harmonisierung der Mineralölsteuer einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der ab 1. Januar 1975 eine Erhöhung der abgabenfreien Mindestmenge für Lastkraftwagen auf 100 1 Dieselkraftstoff vorsieht. Die mitgeführten Dieselkraftstoffmengen werden im ganzen erst freigestellt werden können (Steuerfreiheit für den vollen serienmäßigen Tankinhalt; ca. 400 bis 600 Liter Dieselkraftstoff bei Lkws), wenn ein einheitlicher Steuersatz für Dieselkraftstoff in der EWG eingeführt ist. Solange andere EWG-Staaten Dieselkraftstoff gar nicht oder nur niedrig besteuern, gleichzeitig aber stark an einer Erleichterung und Liberalisierung des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs interessiert sind, würde eine unbeschränkte Freimenge das Interesse dieser Staaten an einer Angleichung der Mineralölsteuersätze vermindern. Die Bundesregierung hat deswegen immer die Auffassung vertreten, daß Fortschritte bei der Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen, d. h. der Steuersätze, erzielt werden müssen, bevor sie weiteren Liberalisierungsmaßnahmen bei den Freimengen im grenzüberschreitenden Verkehr zustimmen kann. Mit Beschluß vom 18. Oktober 1974 (Drucksache 569/74) hat der Bundesrat die Haltung der Bundesregierung gebilligt. Auch der Verkehrsausschuß des Bundestages befürwortet die Beibehaltung der 50-1-Freimenge. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Hansen (SPD) (Drucksache 7/2927 Fragen B 17 und 18) : Wieviel und welche bundesrepublikanischen Unternehmen haben in den Jahren 1973 und 1974 ihre Produktion ganz oder teilweise ins Ausland verlegt und in welche Länder? Wie beurteilt die Bundesregierung die Zunahme des Erwerbs von Industriebeteiligungen durch Ausländer? Zu Frage B 17: Zu Ihrer Frage, wieviele und welche deutschen Unternehmen 1973 und 1974 ihre Produktion ganz oder teilweise in das Ausland verlegt haben und Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9489' in welche Länder: 1973 und im ersten Halbjahr 1974 haben in der Bundesrepublik Deutschland Ansässige — „Gebietsansässige" — insgesamt 8 156 Millionen DM (Nettobeträge) im Zusammenhang mit Direktinvestitionen ins Ausland transferiert; davon entfallen entsprechend der bisherigen Tendenz rd. 70 °/o auf Industrieländer, rd. 30 °/o auf Entwicklungsländer. Erläuternd ist dazu zu sagen: Die Meldepflicht nach § 56 Absatz 1 der Außenwirtschaftsverordnung erfaßt alle Leistungen Gebietsansässiger, welche die Anlage von Vermögen zur Schaffung dauerhafter Wirtschaftsverbindungen bezwecken; darunter fallen nicht nur Neuinvestitionen, sondern u. a. Leistungen für Zusatz- oder Erweiterungsinvestitionen, Darlehen, die in einem Zusammenhang mit einer bereits bestehenden oder neu errichteten Investition gegeben werden, und Mittel zur Ausstattung von Unternehmen. Das Motiv der Leistung wird nicht erfaßt. Zu Frage B 18: Zum Erwerb von Industriebeteiligungen durch Ausländer: Ganz allgemein liegen keine Anhaltspunkte für eine außergewöhnliche Entwicklung bei einem derartigen Erwerb vor. Spektakuläre Einzelfälle sollten weder verallgemeinert noch dramatisiert werden. Die Bundesregierung hält wie bisher an ihrer positiven Beurteilung einer intensiven internationalen Kapitalverflechtung und eines möglichst freizügigen internationalen Kapitalverkehrs fest. Es ist dies u. a. eine wesentliche Voraussetzung für die reibungslos funktionierende internationale Arbeitsteilung, auf die die weltwirtschaftlich stark verflochtene Bundesrepublik in besonderer Weise angewiesen ist. Für sie kann und darf der internationale Kapitalverkehr daher keine Einbahnstraße sein. Bundesregierung und Bundesbank prüfen im übrigen seit einiger Zeit gemeinsam, wie die Erfassung deutscher Auslandsinvestitionen in anderen Ländern und von ausländischen Investitionen in der Bundesrepublik verbessert, insbesondere beschleunigt werden kann, um die Transparenz dieser Kapitaltransferierungen zu erhöhen. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage B 19) : Wie setzt sich der Warenkorb, der für die Bundesrepublik Deutschland zur Berechnung der Lebenshaltungskosten herangezogen wird, zusammen, und in welcher Form weicht er von vergleichbaren Ländern des Auslands ah? Zur Darstellung der Verbraucherpreisentwicklung wird in der Bundesrepublik im allgemeinen der „Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte" Basis 1970 herangezogen, für den monatlich etwa 220 000 Einzelpreise erfragt werden. Damit besitzt dieser Index im internationalen Vergleich eine der breitesten statistischen Fundierungen. Das Wägungsschema für den Preisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte wurde mit Einverständnis des zuständigen Fachausschusses des Statistischen Beirats, in dem u. a. auch die Sozialpartner vertreten sind, aus den statistischen Ergebnissen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1969 abgeleitet. Das damit auf statistisch nachgewiesenen Angaben über die Käufe privater Haushalte beruhende Schema umfaßt in der Bundesrepublik 9 Hauptgruppen, wobei z. B. auf die Hauptgruppe Nahrungs- und Genußmittel ein Anteil von 33 °/o entfällt. Eine detaillierte Untergliederung des deutschen Wägungsschemas hat das Statistische Bundesamt in „Wirtschaft und Statistik" Heft 12 1973 veröffentlicht. Die z. Z. hier vorliegenden grobgegliederten Wägungsschemata der Konsumentenpreisindices anderer Länder zeigen die unterschiedliche Struktur der verwendeten Warenkörbe. Entsprechend den unterschiedlichen Verbrauchsgewohnheiten in den verschiedenen Staaten weichen die Käufe der privaten Haushalte und dementsprechend auch die Zusammensetzung der Konsumentenpreisindices in vielerlei Hinsicht voneinander ab. Der Anteil der Nahrungsmittel beträgt z. B. in Frankreich 32 °/o, in England 30 °/o und in den USA 22 °/o. Die Indices enthalten jeweils die Produkte, die für die Lebensführung in den einzelnen Ländern von besonderer Bedeutung sind. Diese Strukturunterschiede stehen einer Vergleichbarkeit der Verbraucherpreisentwicklungen im wesentlichen nicht entgegen. Die daraus resultierenden Abweichungen können praktisch vernachlässigt werden. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) (Drucksache 7,'2927 Fragen B 21 und 22) : Aus welchen Gründen ist derzeit die Einfuhr von Schweinefleisch aus der Volksrepublik China in die Bundesrepublik Deutschland nicht gestattet, und trifft es zu, daß über andere EWG-Länder (z. B. Italien und Frankreich) Schweinefleisch aus China in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilt die Bundesrepublik den Wunsch der Volksrepublik China, hochwertiges und gleichzeitig preisgünstiges Schweinefleisch in die Bundesrepublk Deutschland zu exportieren, und kann damit gerechnet werden, daß insbesondere hinsichtlich der veterinärmedizinischen Anforderungen an diesen Import mit einer beide Seiten zufriedenstellenden Regelung gerechnet werden kann? Die Einfuhr von Fleisch unterliegt sowohl tierseuchenrechtlichen als auch fleischbeschaurechtlichen Vorschriften. Hinsichtlich der tierseuchenrechtlichen Seite wurden nach vorausgegangenem Besuch einer deutschen Veterinärdelegation in der Volksrepublik China die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die für das Veterinärwesen zuständigen obersten Landesbehörden in der Lage sind, für die Einfuhr von entbeintem Schweinefleisch aus der Volksrepublik China veterinärpolizeiliche Genehmigungen zu erteilen. Diese Einfuhr wird ledig- 9490e Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 lieh auf bestimmte Fleischkombinate (Nanking, Shanghai, Hangtschou) beschränkt und es wird verlangt, daß jeder Sendung eine amtstierärztliche Gesundheitsbescheinigung beigefügt ist, mit der die zur Verhütung einer Einschleppung von Tierseuchen notwendigen Gesundheitsnachweise gegeben werden. Ob die zuständigen chinesischen Veterinärbehörden die ihnen mitgeteilten tierseuchenrechtlichen Bedingungen für die Einfuhr von entbeintem Schweinefleisch zu erfüllen bereit sind, ist bislang nicht bekanntgeworden. Unter fleischbeschaurechtlichen Gesichtspunkten ist die Einfuhr von Fleisch aus Ländern, die nicht Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft sind, zulässig, sofern die Fleischlieferbetriebe vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit anerkannt und bekanntgegeben worden sind (§§ 12 a-12 c Fleischbeschaugesetz). Die Anerkennung und Bekanntgabe solcher Betriebe setzen voraus, daß die oberste Veterinärbehörde des Versandlandes u. a. bestätigt, daß die in Betracht kommenden Betriebe bestimmte hygienische Mindestanforderungen erfüllen (§ 3 der Mindestanforderungen-Verordnung). Diese Voraussetzung, die für alle Fleischlieferländer außerhalb der Europäischen Gemeinschaft in gleicher Weise gilt, ist jedoch von der obersten Veterinärbehörde der Volksrepublik China noch nicht erfüllt worden. Darüber hinaus ist die Einfuhr entbeinten frischen Fleisches nur dann zulässig, wenn ein vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit beauftragter deutscher Tierarzt bei der Gewinnung und Untersuchung des Fleisches im Versandland mitgewirkt hat (§ 12 f Abs. 2 Fleischbeschaugesetz). Auch diese Voraussetzung wurde chinesischerseits noch nicht akzeptiert. Über Einfuhren von Schweinefleisch aus der Volksrepublik China über andere EG-Länder in die Bundesrepublik Deutschland ist mir nichts bekannt. Schweinefleischeinfuhren aus der Volksrepublik China sind, ebenso wie Einfuhren aus anderen Drittländern, im Rahmen der EWG-Marktorganisation grundsätzlich liberalisiert. Unter Berücksichtigung der Schweinefleischversorgung in der Bundesrepublik Deutschland, die z. Z. durch eine steigende inländische Erzeugung und durch reichliche Zufuhren aus anderen Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist, werden die Einfuhrchancen für Schweinefleisch aus Drittländern in absehbarer Zeit nicht sehr groß sein. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die Gemeinschaft auf dem Schweinefleischsektor einen Selbstversorgungsgrad von über 100 °/o aufweist. Informatorisch möchte ich noch erwähnen, daß im August dieses Jahres eine Schiffsladung Schweinefleisch aus China in den Hamburger Freihafen verbracht worden ist, hier jedoch unter Überwachung der deutschen Veterinärbehörden lediglich zwischengelagert wurde und inzwischen in das Bestimmungsland weitergeleitet worden ist. Es wurde ausdrücklich Sorge getragen dafür, daß von diesem Fleisch nichts in den freien Handel der Bundes- republik Deutschland gelangte, da die tierseuchenrechtlichen und fleischbeschaurechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt waren. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Rollmann (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen B 23 und 24) : Wieviel Prozent der Kinder im Alter bis zu vier Jahren nehmen an den gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen teil? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Teilnahme an diesen Vorsorgeuntersuchungen zu erhöhen? Nach § 369 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung haben die Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen die bei Durchführung von Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten anfallenden Ergebnisse zu sammeln und auszuwerten. Die Beteiligungsquote und die medizinischen Ergebnisse der Früherkennungsuntersuchungen für Kinder im Jahre 1973 liegen noch nicht vor. Damit ist nicht vor Anfang nächstens Jahres zu rechnen. Die Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen für Kinder ist von 33 v. H. (1971) auf 53,55 v. H. (1972) gestiegen. Hierbei lag die Inanspruchnahme der Untersuchungen U 1 bis 5, die im ersten Lebensjahr stattfinden, wesentlich höher als die der Untersuchungen 6 bis 7 (66,87 v. H. gegenüber 25,07 v. H.), die am Ende des 2. Lebensjahres und im 4. Lebensjahr vorgesehen sind. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, daß die beiden ersten Untersuchungen in aller Regel während des Krankenhausaufenthalts der Wöchnerin durchgeführt werden. Ferner dürfte in diesen Zahlen zum Ausdruck kommen, daß aus mannigfachen Gründen Eltern mit Kindern im ersten Lebensjahr leichter zur Inanspruchnahme der Früherkennung suntersuchungen gewonnen werden können als mit Kindern im 3. oder 4. Lebensjahr. Zum zweiten Teil Ihrer Frage ist folgendes zu bemerken: Die Krankenkassen sind verpflichtet, im Zusammenwirken mit den Kassenärztlichen Vereinigungen die Versicherten und ihre anspruchsberechtigten Familienangehörigen mit allen geeigneten Mitteln und in bestimmten Zeitabständen über die zur Sicherung der Gesundheit notwendige und zweckmäßige Inanspruchnahme von Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten aufzuklären (§ 369 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung). Dieser Verpflichtung kommen die Krankenkassen mit unterschiedlicher Intensität nach. Darüber hinaus hat die Bundesregierung wiederholt die versicherte Bevölkerung auf die Wichtigkeit der in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehenen Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten hingewiesen und die beteiligten Organisationen aufgefordert, verstärkt für die Inanspruchnahme der Vorsorgeleistungen zu werben. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß auf diese Weise in der weiteren Entwicklung der Gedanke der Gesundheitsvorsorge eine größere Verbreitung finden wird. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9491* Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Vogt (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen B 25 und 26) : Hat die Bundesregierung Angaben darüber, wie viele der sogenannten „Umschüler", die wegen Krankheit einen anderen Beruf erlernen müssen, nach bestandener Prüfung in ihrem neuen Beruf keine Anstellung finden, und wenn ja, wieviel Prozent der „Umschüler" finden keine Anstellung in ihrem neuen Beruf? Plant die Bundesregierung geeignete Maßnahmen und gegebenenfalls welche, um die Arbeitslosigkeit, die diesen „Umschülern" droht, zu verhindern? Der Bundesregierung liegen keine Zahlen über Umschüler vor, die wegen Krankheit einen anderen Beruf erlernen müssen und nach Abschluß der Umschulung in ihrem neuen Beruf keinen Arbeitsplatz finden können. Die amtlichen Feststellungen, die die Bundesanstalt für Arbeit über arbeits suchende und arbeitslose Schwerbehinderte und arbeitslose Rehabilitanden in regelmäßigen Abständen trifft, enthalten darüber keine Angaben. Insbesondere wird dort nicht danach unterschieden, ob der Arbeitssuche eine Umschulung vorangegangen ist. Exakte Daten hierzu wird jedoch eine gemeinsame Untersuchung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit über den „Erfolg beruflicher Rehabilitation" liefern, die zur Zeit im Gange ist. Erste Ergebnisse dieser Untersuchung sind im Laufe des Jahres 1975 zu erwarten. Die Untersuchung umfaßt über 10 000 Rehabilitanden im gesamten Bundesgebiet nach Abschluß der Umschulungsmaßnahmen; sie kann damit als repräsentativ gelten. Nach den Angaben der im Rahmen des „Aktionsprogramms Rehabilitation" der Bundesregierung aufgebauten Berufsförderungswerke bestehen dort gegenwärtig in der Regel noch keine besonderen Schwierigkeiten, die Rehabilitanden nach dem Abschluß der Umschulung zu vermitteln. Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich zunächst bemerken, daß eine drohende Arbeitslosigkeit bei behinderten Umschülern nicht generell angenommen werden kann. Falls sich besondere und behindertenspezifische Schwierigkeiten zeigen sollten, wird die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesanstalt für Arbeit und den Berufsförderungswerken umgehend prüfen, welche Maßnahmen möglich sind. Bereits jetzt sind die Berufsförderungswerke gebeten worden, frühzeitig vor Abschluß einer Umschulungsmaßnahme Kontakte mit dem zuständigen Arbeitsamt aufzunehmen, um die Arbeitsvermittlung rechtzeitig einzuleiten. Die beste Gewähr für eine dauerhafte Wiedereingliederung sieht die Bundesregierung in einer qualifizierten Ausbildung und Umschulung. Aus diesem Grunde hat sie durch das 1970 verkündete „Aktionsprogramm Rehabilitation" den Ausbau eines bundesweiten Netzes von Berufsförderungswerken initiiert. Dieses gesteckte Ziel ist inzwischen nahezu erreicht. Auch das von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages gebilligte neue Schwerbehindertengesetz, das mit dem Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation das Kernstück eines modernen Rehabilitationsrechts bildet, sieht eine Reihe wirkungsvoller Maßnahmen vor, um den Schwerbehinderten einen Arbeitsplatz zu sichern oder zu erhalten. Die Bundesregierung verfolgt aufmerksam die Auswirkungen dieses Gesetzes und wird mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln darüber wachen, daß seine Vorschriften eingehalten werden. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen B 27 und 28) : Teilt die Bundesregierung die Äußerungen des Geschäftsstellenleiters Paul Nuß von der Gewerkschaft Textil/Bekleidung, veröffentlicht in der Zeitung „Der neue Tag", Weiden, vom 2. Oktober 1974, wonach die Verbesserungen im Tarifvertrag zur Arbeitsplatz- und Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer nur gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern zugute kommen? Wieviel Fälle der Beschränkung von tariflichen Sonderleistungen auf gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer sind der Bundesregierung bekannt? Der Bundesregierung liegt die Äußerung des Geschäftsstellenleiters der Gewerkschaft Textil-Bekleidung, Herrn Paul Nuß, in der Zeitung „Der neue Tag", Weiden, vom 2. Oktober 1974, nicht vor. Sie legt daher ihrer Antwort die Äußerung zugrunde, die Sie in Ihrer Anfrage mitgeteilt haben. Dazu ist folgendes zu sagen: Nach dem Tarifvertragsgesetz (TVG) gelten die tarifvertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen und sonstigen Inhaltsnormen eines Tarifvertrags unmittelbar und zwingend nur für diejenigen Arbeitnehmer, die der tarifvertragschließenden Gewerkschaft angehören (§§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 TVG). Die von Ihnen genannte Äußerung entspricht somit der geltenden Rechtslage: Die Arbeitgeber haben das Recht, die tariflichen Arbeitsbedingungen ohne Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nur den gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern einzuräumen; sie sind andererseits auch nicht gehindert, diese Arbeitsbedingungen im Wege freiwilliger Vereinbarung allen Arbeitnehmern zugute kommen zu lassen. Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich folgendes bemerken: Der Bundesregierung sind keine Tarifverträge bekannt, in denen hinsichtlich der Gewährung tariflicher Leistungen oder Sonderleistungen zwischen gewerkschaftlich organisierten und nicht organisierten Arbeitnehmern differenziert wird. Davon zu unterscheiden sind sog. neutrale Klauseln, die nach Kenntnis der Bundesregierung zuweilen im Text von Tarifverträgen, häufiger in Hinweisen auf Druckstücken der Tarifverträge, also außerhalb des Vertragstextes, vorkommen. Diese neutralen Klauseln wiederholen lediglich die vom Tarifver- 9492* Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 tragsgesetz festgelegte Wirkung tarifvertraglicher Vereinbarungen, wie sie zu Ihrer ersten Frage dargelegt worden ist. Sie hindern also die Arbeitgeber nicht, die tariflichen Arbeitsbedingungen freiwillig auch den gewerkschaftlich nicht organisierten Arbeitnehmern zu gewähren. — Der Tarifvertrag zur Sicherung älterer Arbeitnehmer in der nordbayerischen Textilindustrie vom 10. Mai 1974 enthält keine derartige Klausel. Die Bundesregierung besitzt keine Unterlagen darüber, ob bzw. in welchem Umfang die tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen oder Sonderleistungen entsprechend den Vorschriften des Tarifvertragsgesetzes seitens der Arbeitgeber nur den gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern gewährt werden. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Eigen (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage B 29) : In welcher Weise kann bei der Bundeswehr Parkplatzbau und Turnhallenausbau mit Mitteln aus dem Konjunkturförderungsprogramm gefördert werden? Im Rahmen des Sonderprogramms zur regionalen und lokalen Abstützung der Beschäftigung sind für den Bau von Sport- und Ausbildungshallen in 1975 insgesamt 2,5 Millionen DM vorgesehen. Je nach der Höhe weiterer Konjunkturstützungsmittel im Bereich des Verteidigungsressorts können im Jahre 1975 Parkplätze mit Kosten von rd. 3,1 Millionen DM und weitere Sport-/Ausbildungshallen mit Kosten von rd. 6,6 Millionen DM gebaut werden. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Spitzmüller (FDP) (Drucksache 7/2927 Fragen B 30 und 31) : Trifft es zu, daß homöopathische Zubereitungen von Arzneimitteln, die in allopathischen Konzentrationen bisher unter das Betäubungsmittelgesetz fielen, neuerdings auch dann wie Betäubungsmittel behandelt werden, wenn der Arzneimittelgehalt kleiner als die pharmakologisch wirksame Dosis ist? Trifft es zu, daß bestimmte homöopathische Zubereitungen von Pflanzen wie z. B. Hanf nicht mehr hergestellt werden dürfen, und welchen gesundheitspolitisch relevanten Sinn sollen solche Maßnahmen haben? Zu Frage B 30: Der Rechtszustand, wonach Betäubungsmittel enthaltende homöopathische Verdünnungen (Dilutionen) als Betäubungsmittel angesehen werden (§ 2 Nr. 2 der Betäubungsmittel-Verschreibungs-Verordnung — BtMVV — vom 24. Januar 1974 — Bundesgesetzblatt I S. 110) ist nicht neu. Auch die alte Betäubungsmittel-Verschreibungs-Verordnung von 1930 hatte eine entsprechende Bestimmung. Lediglich der Umstand, daß es bisher für Betäubungsmittel keine Sonderrezepte gab, ließ den Betäubungsmittelcharakter dieser homöopathischen Zubereitungen nicht in Erscheinung treten. Es entsprach seit langem der Absicht des Gesetzgebers, die Möglichkeit eines Mißbrauchs Betäubungsmittel enthaltender homöopathischer Dilutionen — die Anreicherung des Betäubungsmittelgehalts bzw. die Rückgewinnung des Betäubungsmittels wäre leicht möglich — weitgehend auszuschließen. Zu Frage B 31: Auf Grund von § 5 Abs. 1 in Verbindung mit Nr. 19 der Anlage zur Betäubungsmittel-Verschreibungs-Verordnung dürfen Hanf-(Cannabis-)Zubereitungen, auch in Form homöopathischer Zubereitungen, seit dein 1. 4. 1974 nicht mehr verschrieben werden. Das hat dazu geführt, daß diese Zubereitungen in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr hergestellt werden. Bei der Novellierung des Opiumgesetzes 1971 war eine Freistellung von Cannabis und seinen Zubereitungen von den Vorschriften des Betäubungsmittelrechts abgelehnt worden. Ich verweise auf die umfangreiche Begründung in BT-Drucksache VI/1877 S. 6. Die dort genannten Gründe waren auch bestimmend für die gesundheitspolitische Entscheidung im Rahmen der Novellierung der BetäubungsmittelVerschreibungs-Verordnung, Cannabis und seine Zubereitungen in die Liste der nichtverschreibungsfähigen Betäubungsmittel aufzunehmen. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Pfeifer (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen B 32 und 33) : Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung daraus zu ziehen, daß die Zahl der schweren Impfschäden bei der Pockenschutzimpfung inzwischen größer ist als die Zahl der Pockenerkrankungen, mit denen zu rechnen wäre, wenn die Impfpflicht gegen Pocken völlig aufgehoben wäre? Wird die Bundesregierung dein Vorschlag des Bundesgesundheitsrates folgen und die Impfpflicht zur Erstimpfung, insbesondere auch im Hinblick darauf aufheben, daß die WHO für die nächsten Jahre ein großes Programm zur weltweiten Ausrottung der Pocken entwickelt hat? Die Bundesregierung gedenkt dem Votum des Bundesgesundheitsrates zu folgen und dem Bundestag vorzuschlagen, die gesetzliche Pflicht zur Erstimpfung gegen Pocken aufzuheben und dafür die Impfpflicht für einen begrenzten Personenkreis einzuführen. Da der Bundesgesundheitsrat sein Votum jedoch an eine Reihe von Bedingungen geknüpft hat, wird mit den Ländern im einzelnen geprüft werden müssen, wann die Voraussetzungen für einen entsprechenden Gesetzesvorschlag gegeben sind. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9493* Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Härzschel (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen B 34 und 35) : Hat die Bundesregierung — bezugnehmend auf meine schriftliche Anfrage Nr. 40 und 41 vom 18./19. September 1974 —zwischenzeitlich geprüft, ob die neue Kindergeldregelung für die deutschen Grenzgänger in die Schweiz zu einer Verschlechterung ihrer Situation führen wird und falls ja, welche Änderungen schlägt die Bundesregierung vor, oder wann ist mit einer endgültigen Stellungnahme zu rechnen? Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Unruhe bei den Grenzgängern im Blick auf das Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 1975 wächst und eine umgehende Klarung dieser Frage von der Bundesregierung erwartet wird? Zu Frage B 34: Anläßlich der Beratung des Entwurfs eines Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz hat der federführende Finanzausschuß des Bundestages am 6. Dezember 1974 auf Empfehlung des mitberatenden Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung beschlossen, dem Bundestag vorzuschlagen, § 6 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) zum 1. Januar 1975 zu streichen. Die Bundesregierung hat dem aufgrund der von Ihnen erwähnten Prüfung zugestimmt. Die Streichung des § 6 BKGG und der damit verbundene Wegfall der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Bundeskindergeldgesetzes bedeuten, daß es bei der Leistung von Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz keine speziellen Einschränkungen mehr gibt für Personen, die mit ihren Familien in der Bundesrepublik Deutschland leben, aber als Grenzgänger in der Schweiz erwerbstätig sind. Es ist — auch für diese Personen — lediglich die allgemein geltende einschränkende Vorschrift des § 8 BKGG zu beachten. Danach ist Kindergeld nicht für Kinder zu zahlen, für die innerhalb oder außerhalb des Bundesgebietes eine vergleichbare Leistung gewährt wird, die 75 v. H. des Kindergeldes erreicht oder übersteigt; beträgt die vergleichbare Leistung weniger als 75 v. H. des Kindergeldes, ist das Kindergeld zur Hälfte zu zahlen. Diese allgemeine Regelung ist für die deutschen Grenzgänger in die Schweiz günstiger als die für sie z. Z. geltenden Vorschriften, nach denen sie das halbe Kindergeld nur dann erhalten, wenn die in der Schweiz gezahlten Kinderzulagen nicht mehr als 50 v. H. des Kindergeldes betragen. Zu Frage B 35: Mit der somit zu erwartenden Neuregelung dürfte den berechtigten Belangen der deutschen Grenzgänger in die Schweiz Rechnung getragen sein. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen B 36 und 37) : Kann die Bundesregierung bestätigen, daß sie bei den bisherigen Verhandlungen in Brüssel den Beschluß des Deutschen Bundestages vorn 29. Juni 1966 vollinhaltlich berücksichtigt hat, in dem sie ersucht wurde, einer 2. Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Arzneispezialitäten nur dann zuzustimmen, wenn sichergestellt ist, daß die Genehmigung zum Inverkehrbringen von Arzneimitteln gegenseitig automatisch anerkannt wird? Gedenkt die Bundesregierung, diesem Beschluß auch künftig vollinhaltlich Rechnung zu tragen? Die Bundesregierung hat sich mit Entschiedenheit in Brüssel dafür eingesetzt, daß dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 29. Juni 1966 Rechnung getragen wird. Es ist ihr in der Zwischenzeit jedoch nicht gelungen, die anderen Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, daß das Prinzip der automatischen gegenseitigen Anerkennung der Genehmigungen für Arzneispezialitäten zusammen mit der zweiten Pharmazeutischen Richtlinie verwirklicht werden sollte. Die anderen Mitgliedstaaten sind der Auffassung, daß vorerst eine Interimslösung Platz greifen soll. Es ist zunächst beabsichtigt, im Rahmen der zweiten Pharmazeutischen Richtlinie einen Ausschuß zu institutionalisieren, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten und der EG-Kommission zusammensetzt und der die Aufgabe hat, auf eine einheitliche Beurteilung der Arzneispezialitäten innerhalb der Gemeinschaft hinzuwirken. Die Mitgliedstaaten stimmen darin überein, daß mit diesem Ausschuß der gemeinsame europäische Arzneimittelmarkt noch nicht erreicht wird, sondern daß damit erst ein Schritt in diese Richtung getan wäre. Es ist daher vorgesehen, daß die EG-Kommission nach einer angemessenen Beobachtungszeit dem EG-Ministerrat einen Vorschlag unterbreitet, wie dieses Ausschußverfahren in ein europäisches Zulassungssystem überführt werden kann. Die Bundesregierung wird sich weiterhin mit allen Kräften dafür einsetzen, daß das angestrebte Ziel eines europäischen Arzneimittelmarktes, das im Beschluß des Deutschen Bundestages vorn 29. Juni 1966 zum Ausdruck gebracht worden ist, erreicht wird. Die Bundesregierung kann sich nach allem der Notwendigkeit, den europäischen Arzneimittelmarkt schrittweise zu erreichen, nicht verschließen. Ein Beharren auf der Forderung nach einer sofortigen gegenseitigen Anerkennung würde die Verabschiedung der zweiten Pharmazeutischen Richtlinie auf unabsehbare Zeit blockieren. Diese Richtlinie aber bringt uns einem einheitlichen europäischen Arzneimittelrecht ein gutes Stück näher und führt zu Änderungen der ersten Pharmazeutischen Richtlinie, die im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegen. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache 7/2927 Frage B 38) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß in der Schweiz Versuche angestellt werden, Aquaplaning zu verhindern, indem in die Straßendecke Rillen gefräst werden, durch die das Wasser abfließt, und wie beurteilt sie das Ergebnis dieser Versuche? 9494* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 Das Einfräsen von Rillen in Straßendecken, um Griffigkeit und Entwässerungsvermögen von Fahrbahndecken zu verbessern, wird auch in der Bundesrepublik seit einigen Jahren angewendet. Die dadurch bewirkte Verbesserung der Verkehrssicherheit bei Nässe ist bei stark belasteten Straßen jedoch nur relativ kurz, vor allem unter der Einwirkung von Spikesreifen während des Winters. Bei bituminösen Fahrbahndecken werden darüber hinaus die Rillen bei hohen Temperaturen durch den Schwerverkehr wieder zugedrückt. Nachteilig sind auch die durch die Rillen verursachten Rollgeräusche. Aus diesen Gründen wurde die Anwendung des kostspieligen Rillenfräsens bisher auf Stellen mit geringem Quer- und Längsgefälle (Verwindungsstrecken) beschränkt. Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Köhler (Duisburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen B 39 und 40) : Welche Städte in Nordrhein-Westfalen haben bis jetzt konkrete und realisierbare Pläne zum Stadtbahnbau vorgelegt? Wird die Bundesregierung die Finanzmittel des Bundes entsprechend der zeitlichen Reihenfolge der eingereichten Pläne zur Verfügung stellen und wenn nicht, nach welchen anderen Gesichtspunkten? Zu Frage B 39: Von folgenden Städten in Nordrhein-Westfalen liegen dem Bundesminister für Verkehr konkrete und realisierbare Pläne zum Stadtbahnbau vor: Bielefeld Essen Bochum Gelsenkirchen Bonn Hattingen Dortmund Herne Düsseldorf Köln Duisburg Mülheim/Ruhr Zu Frage B 40: Die Zuweisung der Bundesfinanzhilfen für die einzelnen Vorhaben erfolgt auf der Grundlage des jeweils gültigen Programms nach § 6 Abs. 1 Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG). Das Programm wird vom Bundesminister für Verkehr auf Grund von Vorschlägen der Länder und im Benehmen mit ihnen aufgestellt und jährlich fortgeschrieben. Die zeitliche Reihenfolge ergibt sich aus der Dringlichkeit der Vorhaben. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Breidbach (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen B 41 und 42) : Seit wann sind der Bundesregierung Pläne über den Stadtbahnbau in Duisburg bekannt? Hält die Bundesregierung diese Pläne für realisierbar? Zu Frage 41: Die Bundesregierung fördert seit 1967 den Ausbau der Straßenbahnlinie D im Süden der Stadt Duisburg. Diese Strecke wird nach den inzwischen vorliegenden Plänen in das künftige Netz der Stadtbahn Rhein-Ruhr einbezogen. Pläne des Landes Nordrhein-Westfalen über den weiteren Ausbau der Stadtbahn in Duisburg sind der Bundesregierung bereits seit 1969 bekannt. Zu Frage 42: Die Bundesregierung hält diese Pläne im Grundsatz für realisierbar. Über den Zeitraum der Realisierbarkeit können jedoch im gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Aussagen gemacht werden. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage B 43) : Welche Pläne bestehen hinsichtlich der weiteren Zukunft der Bundesbahnstrecke Stockhausen/Lahn—Bcilstein/Dillkreis, um in diesem Gebiet auch für die Zukunft eine entsprechende Verkehrsbedienung zu erreichen? Die Deutsche Bundesbahn (DB) hat sich zum Ziel gesetzt, ihr Leistungsangebot den Erfordernissen des Verkehrsmarktes anzupassen. Dazu gehört auch die Überprüfung der Strecken, deren Verkehrsaufkommen schwach ist. Im Rahmen dieser Untersuchungen wird von der Deutschen Bundesbahn wie diese mir mitgeteilt hat — auch die von Ihnen genannte Strecke überprüft. Ob und inwieweit der Bundesminister für Verkehr mit der Angelegenheit im einzelnen befaßt wird, entscheidet sich nach Abschluß der noch laufenden Untersuchungen. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage B 44) : Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, ob die Entscheidung über die Schließung des Bundesbahnausbesserungswerks Braunschweig bereits getroffen worden ist, und wenn ja, warum es nicht möglich war, andere Reparaturkapazitäten nach Braunschweig (Zonenrandgebiet) zu verlegen, um zu verhindern, daß hier auf die Dauer gesehen 600 Arbeitsplätze verlorengehen? Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9495e Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat bisher weder den Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn noch den Bundesminister für Verkehr mit der Frage der Umwandlung des Ausbesserungswerkes (AW) Braunschweig in eine Werkabteilung befaßt. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Frage B 45) : Welche Eisenbahnstrecken hat die Deutsche Bundesbahn in Oberfranken seit 28. September 1969 stillgelegt, und welche beabsichtigt sie zukünftig noch stillzulegen? 1. Die Deutsche Bundesbahn (DB) hat seit dem 28. 9. 1969 folgende Stillegungsmaßnahmen in Oberfranken durchgeführt: a) Einstellung des Reisezugbetriebes 1. 10. 1972 Stockheim (Oberfr.)–Burggrub–Zonengrenze (Die Einstellung des Güterzugbetriebes wird zum betriebswirtschaftlich günstigsten Zeitpunkt vorgenommen) 28. 5. 1972 Kirchenlamitz Ost–Weißenstadt 3. 6. 1973 Drossenfeld–Thurnau 30. 9. 1973 Falls–Gefrees 30. 9. 1973 Naila–Schwarzenbach a. Wald 26. 5. 1974 (Neuenmarkt–Wirsberg–) Abzw. Schlömen–Bischofsgrün 29. 9. 1974 (Bayreuth–Altstadt–) Abzw. Kreuzstein–Hollfeld (Die Einstellung des Güterzugbetriebes wird zum betriebswirtschaftlich günstigsten Zeitpunkt vorgenommen) b) Einstellung des Gesamtbetriebes 1. 3. 1971 Ludwigsstadt–Zonengrenze 3. 6. 1973 Bayreuth-Altstadt–Drosselfeld 2. Die DB hat folgende Stillegungsmaßnahmen für Strecken in Oberfranken beantragt, nämlich die dauernde Einstellung — des Reisezugbetriebes der Strecke Ebersdorf b. Coburg–Fürth a. Berg sowie zusätzlich des Güterzugbetriebes zwischen Hof-Steinach und Fürth a. Berg. Die Bundesregierung hat dieser Maßnahme zugestimmt, die von der DB zum Sommerfahrplan 1975 durchgeführt wird; — des Reisezugbetriebes der Strecke Kronach–Nordhalben; - des Reisezugbetriebes der Strecke StrullendorfSchlüsselfeld sowie des Gesamtbetriebes der Strecke Ebermannstadt–Behringersmühle. Die Prüfung der zuletzt genannten drei Anträge ist noch nicht abgeschlossen. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Braun (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen B 46 und 47): Trifft es zu, daß in der neuen Stadt Wermelskirchen der Zusammenschluß mit Dabringhausen zu einem einheitlichen Ortsnetz technisch sofort möglich wäre, daß dieser Zusammenschluß aber nicht erfolgt, um Gebührenausfälle zu vermeiden? In welchem Zeitraum wird die Deutsche Bundespost die auf Grund der kommunalen Neugliederung erfolgte Bildung von neuen Städten und Gemeinden auch im Telefonbereich zu einem Ortsnetz zusammenschließen, damit Ferngespräche innerhalb einer Stadt vermieden werden? Die Ortsnetze Wermelskirchen und Dabringhausen werden keinesfalls wegen der möglichen Gebührenausfälle nicht zusammengelegt. Ein Zusammenschluß dieser beiden Ortsnetze zu einem einheitlichen Ortsnetz wäre technisch auch nicht sofort möglich. Die Leitungen des Fernsprechnetzes der Deutschen Bundespost sind in der Erde fest verlegt und auf bestimmte Zentralpunkte — die Vermittlungsstellen — ausgerichtet. Das bestehende Kabelnetz kann also nicht ohne weiteres an die Änderungen der politischen Gebietseinheiten angepaßt werden. Die Umstrukturierung der beiden Leitungsnetze und die Änderungen an den technischen Einrichtungen in den Vermittlungsstellen würden sehr hohe Investitionen verursachen. Mit der am 1. Juli 1971 in Kraft getretenen Fernmeldeordnung ist die Einführung eines neuen großraumorientierten Gesprächstarifs — Nahverkehrs-tarif — angeordnet worden. Mit diesem „Nandienst" werden die Tarifgrenzen von den Ortsnetzgrenzen gelöst und mehrere Ortsnetze zu einem einheitlichen Gesprächsgebührenbereich — Nahverkehrsbereich — zusammengefaßt, so daß Ferngespräche innerhalb einer Stadt oder einer Gemeinde vermieden werden. Die Umstellung auf den Nahverkehrstarif kann wegen der umfangreichen technischen Vorbereitungen nicht kurzfristig vorgenommen werden; die Reihenfolge ist abhängig von den technischen Gegebenheiten in den einzelnen Netzbereichen. Umstellungstermine für einzelne Bereiche können z. Z. noch nicht angegeben werden. Die Deutsche Bundespost wird jedoch alles tun, um die Voraussetzungen für die Einführung des Nahverkehrstarifs so bald wie möglich zu schaffen. Anlage 65 Antwort des Bundesministers Matthöfer auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen B 48 und 49) : Kann die Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag mit absoluter Sicherheit erklären, daß von den Bundesministerien oder von Zuwendungsempfängern der einzelnen Bundesministerien keine Studien und Gutachten und Forschungsaufträge allgemeiner Art an Mitglieder oder Sympathisanten der Baader-Meinhof-Bande vergeben worden sind? 9496* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 Wie beurteilt insbesondere die Bundesregierung die Vergabe von Studien und Gutachten durch das Bundesforschungsministerium und von Zuwendungsempfängern des Bundesforschungsministeriums, und besteht in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, daß Mitglieder des Heidelberger Patienten-Kollektivs an mit öffentlichen Mitteln finanzierten Studien und Gutachten beteiligt waren? Art und Vorgeschichte Ihrer Fragestellung zwingen mich zu einer grundsätzlichen Klarstellung. Es ist für die Bundesregierung selbstverständlich, alle Hinweise auf einen Verdacht den zuständigen Behörden zur Prüfung zu übergeben; sie hält es jedoch für richtig, sich vor der Durchführung rechtsstaatlicher Verfahren öffentlicher Verdächtigungen zu enthalten. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Forschung und Technologie, Herr Dr. Hauff, hat deshalb sofort nach Bekanntwerden des zunächst von Mitarbeitern Ihrer Fraktion geäußerten Verdachts den zuständigen Obmann Ihrer Fraktion, Herrn Lenzer, gebeten, die ihm und seinen Mitarbeitern bekannten Tatsachen mitzuteilen. Als auf telefonische Nachfrage Herr Lenzer erklärte, seines Wissens gebe es keine konkreten Anhaltspunkte, Sie jedoch in Ihrer Presseverlautbarung vom 26. November die nunmehr offiziell am 6. Dezember gestellten Fragen ankündigten, habe ich an Ihren Fraktionsvorsitzenden, Herrn Prof. Dr. Carstens, geschrieben und dringend darum gebeten, mir umgehend die Tatsachen mitzuteilen, die der Anlaß für Ihre Fragen sind, damit bei den für die Sicherheit zuständigen Behörden in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ohne zeitliche Verzögerung geprüft werden kann, ob ein Verdacht besteht. Herr Prof. Dr. Carstens hat daraufhin geschrieben, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion werde konkrete Hinweise oder Verdachtsmomente im Zusammenhang mit dem Komplex Baader-Meinhof, wenn ihr solche bekannt werden, den zuständigen Behörden mitteilen. Ich kann aus diesem Verlauf nur schließen, daß Ihrer Fraktion keine konkreten Verdachtsmomente bekannt sind. Auch mir sind keine Verdachtsmomente bekannt. Es liegt auf der Hand, daß die Bundesregierung nicht bei allen Aufträgen und Zuwendungen, die sie vergibt, alle Beteiligten sicherheitsmäßig überprüfen kann. Selbstverständlich wird sie allen konkreten Hinweisen nachgehen, die ihr zur Kenntnis kommen. Im übrigen haben Sie Ihre Fragen so formuliert, daß sie nicht beantwortbar sind. Ich weise die mit dieser Fragestellung verbreitete Verdächtigung zurück, die Bundesregierung würde „Feinde unseres Rechtsstaates durch öffentliche Mittel unterstützen" (Pressedienst der CDU/CSU-Fraktion vom 26. November 1974). Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Glotz auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Evers (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2927 Frage B 50) : Wie hoch ist der Anteil der Ausgaben für die berufliche und( tur die akademische Bildung im Bildungsbudget von Bund und Ländern in den Jahren 1970 bis 1974 einerseits, und wie hoch ist der geschätzte Anteil dieser Ausgaben voraussichtlich in den Jahren 1975 bis 1978 nach dem Stand der gegenwärtigen Planung? Das Bildungsbudget des Bildungsgesamtplanes enthält ebenso wie die Finanzstatistik keine umfassenden und differenzierenden Berechnungen der Ausgaben von Bund und Ländern für berufliche Bildung. Die Gründe hierfür liegen einmal in statistischen Abgrenzungs- und Zuordnungsschwierigkeiten, zum anderen wäre aber auch der sachliche Aussagewert derartiger Berechnungen fragwürdig. Die angestrebte und zum Teil sich bereits vollziehende Abstimmung und Verzahnung allgemein-und berufsbildender Ausbildung im Sekundarbereich II läßt eine nach Bildungsgängen differenzierende Betrachtung nicht zu. Selbst wenn man aber diese grundsätzliche Schwierigkeit überwinden könnte, stehen statistische Probleme einer Aufteilung der Aufwendungen entgegen, z. B. bei Schularten wie Fachgymnasien und Fachoberschulen, in denen in unterschiedlichem Maße sowohl allgemein- wie auch berufsbildende Ausbildung erfolgt, oder auch bei global veranschlagten Ausgaben wie denen für Ausbildungsförderung und Lehrerfortbildung. Ein Vergleich der staatlichen Ausgaben für berufliche und akademische Ausbildung (wobei auch letztere Berufsausbildung ist) würde, selbst wenn die statistischen Probleme befriedigend lösbar wären, ein unvollständiges Bild der tatsächlichen Aufwendungen vermitteln und die Gefahr falscher Schlußfolgerungen nach sich ziehen. Die duale Form l der Berufsausbildung in Schule und Betrieb führt ja gerade dazu, daß erhebliche Aufwendungen von der Wirtschaft getragen werden, die, ebenso wie die Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz, bei einer Betrachtung der staatlichen Ausgaben für die Berufsbildung bei der Abgrenzung des Bildungsbudgets unberücksichtigt blieben. Es kann — auch unabhängig davon — nicht sinnvoll sein, öffentliche Ausgaben für Ausbildungsgänge zu vergleichen, die sich in Art, Dauer und Intensität der Beanspruchung öffentlicher Einrichtungen derart stark unterscheiden, wie es für den Besuch der Berufsschule einerseits und der Hochschule andererseits zutrifft. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich im Vergleichszeitraum sowohl die Zahl der Auszubildenden in den beiden Bereichen wie die Aufteilung in laufende Kosten und Investitionen wie schließlich innerhalb der Berufsbildung das Verhältnis von Vollzeit- und Teilzeitschülern unterschiedlich entwickelt bzw. verschiebt. Dagegen läßt sich ein Indiz für die qualitative Entwicklung wohl aus denjenigen Zahlen gewinnen, die den personellen, räumlichen und finanziellen Aufwand für den einzelnen Auszubildenden in den verschiedenen Bereichen in seiner Entwicklung über mehrere Jahre angeben. Diese Angaben sind — z. B. als SchülerLehrer-Relation, Sachausgaben je Auszubildenden usw. — als Ist- und als Planwerte in der Bildungsplanung enthalten. Freilich sind auch dabei Unterschiede in der Personal- und Kostenstruktur oder im Umfang des Nachhol- und Ersatzbedarfs zu beachten. Der Mittelfristige Stufenplan für das Bil- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 949T dungswesen bis 1978 (Kosten- und Finanzierungsplan), den die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung am 9. Dezember verabschiedet und damit den Regierungschefs von Bund und Ländern zur Beschlußfassung vorgelegt hat, hat diese Werte aktualisiert und dabei die Priorität der beruflichen Bildung auch unter der sich abzeichnenden Notwendigkeit finanzieller Einschränkung noch verstärkt und konkretisiert. Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Glotz auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Reddemann (CDU/ CSU) (Drucksache 7/2927 Fragen B 51 und 52) : Mit welchen Mitteln haben sich das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft und gegebenenfalls andere aus Steuermitteln finanzierte Institutionen an der Gesamtausgabe und an der Kurzfassung des Kommissionsberichts „Demokratisierung und Mitwirkung in Schule und Hochschule" beteiligt? Gegen welche Passagen und Empfehlungen des Kommissionsberichts hat der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft ernste Bedenken? Zu Frage B 51: Der Georg-Westermann-Verlag, Braunschweig, besorgt Druck und Vertrieb des Kommissionsberichtes und der vier Anlagenbände. Von den erschienenen Exemplaren übernimmt der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft aufgrund eines Verlagsvertrages jeweils 500 Stück zu einem Sonderpreis, der rund 50 °/o des Ladenpreises beträgt. Hierfür wurden in Kap. 31 02, Tit. 686 30 insgesamt bis zu DM 40 000,— bereitgestellt. Für die bereits erschienenen Bände i und 2 wurden DM 21 000,—, für 3 000 Exemplare der Kurzfassung von Band 1 DM 7 800,—, insgesamt also DM 28 800,— gezahlt. Zu Frage B 52: Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft ist als Auftraggegeber auch Adressat der Empfehlungen der Kommission. Er ist aber für die Verwirklichung zahlreicher Vorschläge nicht oder nicht allein zuständig. Daher wurden die Erkenntnisse der Kommissionsarbeit auch nicht als Ganzes kritisch gewürdigt, sondern dort, wo dies sinnvoll und hilfreich erschien, in Überlegungen des BMBW einbezogen. Daher besteht kein Anlaß, Teile des Berichts mit Zensuren zu versehen bzw. sich ausdrücklich mit anderen Teilen zu identifizieren. Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Glotz auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Immer (SPD) (Drucksache 7/2927 Fragen B 53 und 54) : Inwieweit ist die Bundesregierung bereit und in der Lage, den Bau und die Einrichtung von Berufsbildungszentren in ländlichen Problemgebieten zu fördern? Unter welchen Voraussetzungen bzw. Bedingungen ist die Bundesregierung bereit und in der Lage, den Bau und die Einrichtung des in der Planung befindlichen Berufsbildungszentrums Betzdorf/Kirchen (Sieg) im Land Rheinland-Pfalz finanziell zu fördern, damit das Berufsbildungsdefizit dieses Raumes schneller beseitigt werden kann? Zu Frage B 53: Die Bundesregierung ist bereit und in der Lage, den Bau und die Einrichtung von Berufsbildungszentren in ländlichen Problemgebieten und strukturschwachen Regionen zu fördern, soweit in diesen Zentren überbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen zur Ergänzung und Verbesserung der betriebsbedingten unterschiedlichen Ausbildungsleistungen der Ausbildungsbetriebe durchgeführt werden. Dies ergibt sich aus den Richtlinien des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft vom 19. 9. 1973 (Bundesanzeiger Nr. 211 vom 9. 11. 1973). Im Bundeshaushalt 1975 sind für die Förderung derartiger Bildungseinrichtungen 75,0 Millionen DM vorgesehen und in der Planung 1975-1978 insgesamt 345,0 Millionen DM. Die Bundesregierung kann bei angemessener Eigenleistung eines Trägers und neben sonstigen Finanzierungsmitteln Zuschüsse in der Form gewähren, daß ein bestimmter Anteil der Gesamtkosten vom Bund übernommen wird. Zu Frage B 54: Voraussetzungen und Bedingungen einer Förderung sind in den obengenannten Richtlinien geregelt. Da ohne Kenntnis der Einzelheiten des geplanten Berufsbildungszentrums in Betzdorf/Kirchen a. d. Sieg eine Aussage über die Höhe einer Förderung nicht möglich ist, sollte sich der Träger mit der zuständigen obersten Landesbehörde des Landes Rheinland-Pfalz und dem Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft in Verbindung setzen.
Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0713700000
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste aufgeführten Vorlagen ergänzt werden:
1. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Investitionen und Beschäftigung
Drucksache 7/2979 —Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
2. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes
Drucksache 7/2980 — Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
3. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Investitionszuschüsse für gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsunternehmen
— Drucksache 7/2981 — Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend)

Finanzausschuß
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
4. Beratung des Antrags der Bundesregierung
betr. zusätzliche Bundesausgaben zur Förderung der Konjunktur (I 6 Abs. 2 StWG)

— Drucksache 7/2978 -Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft
Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Die Erweiterung der Tagesordnung ist beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 4. Dezember 1974 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgende, bereits verkündete Vorlage keine Bedenken erhoben hat:
Richtlinie des Rates zur 1. Änderung der Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Stoffe mit antioxydierender Wirkung, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen
— Drucksache 7/2356 —
Überweisung von EG-Vorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Entscheidung des Rates zur Verlängerung der Mindestpreisregelung für Kartoffeln und bestimmte Arten von Essig
— Drucksache 7/2910 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der Orientierungspreise für die in Anhang I Abschnitte A und C der Verordnung (EWG) Nr. 2142/70 aufgeführten Fischereierzeugnisse für das Fischwirtschaftsjahr 1975
— Drucksache 7/2911 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für gefrorenes Rindfleisch der Tarifstelle 02.01 A II a) 2 des Gemeinsamen Zolltarifs (Jahr 1975)
— Drucksache 7/2912 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der Orientierungspreise für die in Anhang II der Verordnung (EWG) Nr. 2142/70 aufgeführten Fischereierzeugnisse für das Fischwirtschaftsjahr 1975
— Drucksache 7/2913 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Jahresbericht über die Wirtschaftslage der Gemeinschaft Stellungnahme des EP vom 15. Oktober 1974
— Drucksache 7/2916 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft (federführend), Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung für das Jahr 1975 der mengenmäßigen Ausfuhrkontingente der Gemeinschaft für bestimmte Aschen und Rückstände von Kupfer sowie für bestimmte Bearbeitungsabfälle und bestimmten Schrott aus Kupfer, Aluminium und Blei
— Drucksache 7/2948 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates
betreffend den abgeleiteten Interventionspreis für Weißzucker, den Interventionspreis für Rübenrohrzucker und die Zuckerrübenmindestpreise in Irland und im Vereinigten Königreich für das Zuckerwirtschaftsjahr 1974/75
zur Änderung des in Dänemark geltenden Interventionspreises für Butter
— Drucksache 7/2949 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates
zur Festsetzung des Verzeichnisses der repräsentativen
Märkte für den Schweinefleischsektor in der Gemeinschaft
zur Festlegung der Voraussetzungen für die Anwendung der Schutzmaßnahmen auf dem Sektor Schweinefleisch
9420 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Erzeugnissen des Sektors Schweinefleisch und über die Kriterien für die Festsetzung des Erstattungsbetrags
über die Grundregeln für das sogenannte „System von Leitund Folgeerzeugnissen", das die Festsetzung von Zusatzbeträgen auf dem Schweinefleischsektor ermöglicht
zur Festlegung der Liste der Erzeugnisse, für welche Einschleusungspreise festgesetzt werden, und zur Festlegung der Regeln, nach denen der Einschleusungspreis für geschlachtete Schweine festgesetzt wird
über die gemeinsame Marktorganisation für Schweinefleisch — Drucksache 7/2950 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur jährlichen Überprüfung des Besoldungsniveaus der Beamten und sonstigen Bediensteten
Verordnung (EURATOM, EGKS, EWG) des Rates zur Angleichung der Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften sowie der Berichtigungskoeffizienten, die auf diese Dienst- und Versorgungsbezüge angewandt werden
— Drucksache 7/2951 —
überwiesen an den Innenausschuß (federführend), Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) des Rates
über die gemeinsame Marktorganisation für Eier
über die gemeinsame Marktorganisation für Geflügelfleisch
über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Geflügelfleisch und über die Kriterien für die Festsetzung des Erstattungsbetrags
über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Eiern und über die Kriterien für die Festsetzung des Erstattungsbetrags
— Drucksache 7/2952 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Ich rufe Punkt 38 der Tagesordnung
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung über Maßnahmen zur konjunkturellen Situation
und in Verbindung damit die Zusatzpunkte zur Tagesordnung auf:
1. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Investitionen und Beschäftigung
— Drucksache 7/2979 —
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
2. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes
— Drucksache 7/2980 —
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
3. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Investitionszuschüsse für gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsunternehmen
— Drucksache 7/2981 —Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend)

Finanzausschuß
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
4. Beratung des Antrags der Bundesregierung betr. zusätzliche Bundesausgaben zur Förderung der Konjunktur (§ 6 Abs. 2 StWG)

— Drucksache 7/2978 —
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft
Meine Damen und Herren, die Aussprache über diese Punkte wird verbunden. Wir treten in die Beratungen ein. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713700100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach ausführlichen Beratungen mit unseren engsten Partnern in Amerika und in der Europäischen Gemeinschaft hat die Bundesregierung vorgestern und gestern den wirtschaftspolitischen Kurs dieses Landes angepaßt, um einen stabilitätsgerechten Aufschwung unserer Volkswirtschaft anzusteuern. Die Bundesregierung hat die folgenden Initiativen ergriffen.
1. Der Bund tätigt zusätzliche öffentliche Investitionen in der Höhe von 1 130 Millionen DM.
2. Wer vor dem 1. Mai 1975 einen Arbeitslosen nicht nur vorübergehend einstellt, erhält Lohnzuschüsse in Höhe von 60 % für ein halbes Jahr. Dafür stehen 500 Millionen DM bereit.
3. Arbeitslose, die vor dem 1. Mai 1975 durch Ortswechsel oder durch Berufswechsel eine neue Tätigkeit aufnehmen, erhalten eine einmalige Mobilitätszulage von 100 DM für jeden Monat der Arbeitslosigkeit bis zu einem halben Jahr. Dafür stehen 100 Millionen DM bereit.
4. Durch Änderungen des Arbeitsförderungsgesetzes wird der Bezug von Kurzarbeitergeld von 12 auf 24 Monate verdoppelt.
5. Im Bundeshaushalt werden die Investitionen des Haushaltsjahres 1975 in das erste Halbjahr des neuen Jahres vorgezogen. Die Verpflichtungsermächtigungen für Investitionen werden in voller Höhe freigegeben.
6. Die Haushalte des Bundes und der Länder sollen expansiv gefahren und teilweise — ich komme darauf zurück — durch Auflösung von Rücklagen finanziert werden. Der expansive Effekt der Steuer-und Kindergeldreform allein bewirkt direkte Nettoeinkommenssteigerungen in der Höhe von voraussichtlich 14 Milliarden DM.
7. Unternehmen, große und kleine, Gewerbe und freie Berufe erhalten eine Investitionszulage von 7,5 %, soweit sie in der Zeit vom 30. November dieses Jahres bis zum 30. Juni des nächsten Jahres, also bis zum Sommer des Jahres 1975, neue Anlagen bestellen oder in Angriff nehmen.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9421
Bundeskanzler Schmidt
8. Für bestimmte energiesparende Investitionen wird künftig unbefristet und zusätzlich zu den Urigen Zulagen eine Zulage von 7,5 °/o gewährt.
9. Der nicht körperschaftsteuerpflichtige soziale Wohnungsbau wird ebenfalls für die Zeit vom 30. November 1974 bis zum 30. Juni 1975 mit einer Investitionszulage von 7,5 °/o — zu Lasten des Bundes in diesem Falle — bezuschußt.
10. Die Absatzmöglichkeiten der Wohnungswirtschaft werden durch die Gewährung der Abschreibungsmöglichkeiten nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes auch für Zweiterwerber und durch die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Zwischenerwerb verbessert.
11. Für den Küstenschutz bietet der Bund im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zusätzlich 50 Millionen DM an.
12. Kleinere und mittlere Unternehmen werden durch Bereitstellung von 500 Millionen DM im ERP-Wirtschaftsplan und von mindestens 1 Milliarde DM Finanzierungshilfen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau stärker gefördert.
Soweit die wesentlichen Bestandteile dessen, was die Bundesregierung einleitet.
Im engen Zusammenhang mit diesem Programm begrüßt die Bundesregierung den Willen der Bundesbank, dem angestrebten Aufschwung 1975 den unter Wahrung größtmöglicher Preisstabilität notwendigen Geldspielraum zu geben und die Zentralbankgeldmenge im Jahresschnitt 1975 um etwa 8 °/o auszuweiten. Diesen Beschluß hat die Bundesbank im Benehmen mit der Bundesregierung gefaßt, um für die Beschlüsse der Bundesregierung und alle Entscheidungsprozesse in der Wirtschaft die geldpolitischen Voraussetzungen klar abzustecken und für jedermann im Vorwege erkennbar zu machen.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat diese Beschlüsse in nüchterner Bewertung der weltwirtschaftlichen Lage, in klarer Erkenntnis dessen, was zum gegenwärtigen Zeitpunkt binnenwirtschaftlich erforderlich ist, und im Einklang mit den Notwendigkeiten unserer Handelspartner auf der Welt gefaßt.
Die weltwirtschaftliche Situation gibt uns keinerlei Anlaß zur Zufriedenheit. Im Gegenteil, sie gibt uns bereits seit einiger Zeit Anlaß zur Besorgnis. Ich hatte schon in der Regierungserklärung am 17. Mai hier im Hause in einem eigenen Abschnitt die Risiken aus der Weltwirtschaft und aus der Europäischen Gemeinschaft, die uns in diesem Jahr bedrängen würden, deutlich angekündigt und beschrieben. Dem war vorausgegangen, daß seit mehreren Jahren die weltweite Inflation ein Tempo angenommen hatte, das erschreckend war. Viele Staaten in der Welt, viele Parlamente und Regierungen hatten jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt. Viele Staaten hatten bereits seit längerem unausgeglichene Zahlungsbilanzen. Von 1971 bis 1973 war das Weltwährungssystem von Bretton Woods stückweise zusammengebrochen.
Zu all diesem kamen die gewaltigen Wirkungen der Ölpreise hinzu. Seit der Zeit der Ölpreisexplosion ist ein internationaler Einkommensumschichtungsprozeß von gewaltigem Ausmaß im Gange. Noch 1973 hatten die ölproduzierenden Länder Bruttoeinnahmen in Höhe von 25 Milliarden Dollar erzielt. 1974 werden es bereits 80 Milliarden Dollar sein. Unter der Voraussetzung gleichbleibender, stabiler Ölpreise für die Zukunft werden die ölexportierenden Länder 1975 und in den folgenden Jahren 100 Milliarden Dollar Bruttoeinnahmen erzielen. Das ist gegenüber dem Jahre 1973 eine Vervierfachung.
Diesen zusätzlichen Einkommen — 100 Milliarden Dollar sind 250 000 Milliarden DM, ein Viertel des ganzen Sozialprodukts des 60-Millionen-Volks in unserem Staat; unvorstellbare Einkommensströme! — und Überschüssen der Ölstaaten stehen zwangsläufig entsprechende Einkommensminderungen und entsprechende Defizite aller ölverbrauchenden Staaten gegenüber. Selbst wenn die Ölproduzenten die Importe in ihre eigenen Länder in Zukunft sehr kräftig steigerten, würden sie immer noch jedes Jahr 50 Milliarden Dollar Überschüsse erzielen, die frei verfügbar sind, die sie nicht selber ausgeben können. Das heißt: sie würden immer noch jedes Jahr beinahe 200 Milliarden DM zur völlig freien Verfügung haben, die den Volkswirtschaften, die das Öl bezahlen müssen, fehlen. Damit ist eine ganz neuartige Phase des ständigen, weltumspannenden Verteilungskampfes eingeleitet, und es gibt überhaupt keinen Zweifel, daß hier, abgesehen von Krieg und Frieden, eine tiefgreifende Gefährdung für den Gesamtzusammenhang der bisherigen Weltwirtschaft liegt.
Ich will über die Einzelheiten der hiermit verbundenen internationalen Problematik im Augenblick nicht sprechen, weil es zwar als Rahmenbedingung zu unserem binnenwirtschaftlichen Konjunkturprogramm gehört, wir es aber im Augenblick — weder der Bundestag noch die Bundesregierung — nicht durch eigene Entschlüsse beeinflussen können. Wir spüren gewisse erste Wirkungen auch bei uns, etwa wenn mit Ölüberschußdollars aus dem Ausland deutsche Fabrikationsanlagen gekauft werden, wogegen ja prinzipiell zunächst nichts einzuwenden ist, wenn wir auch meinen, daß andere Staaten vielleicht dringender eine Wiederanlage der Ölüberschußdollars in ihren Volkswirtschaften bräuchten als wir. Wir sehen aber auch, daß Mitbeteiligung derjenigen, die die Öleinkommen erzielen, daß Mitbeteiligung an unseren Volkswirtschaften für sie auch Mitverantwortung bedeutet. Und wer z. B. an der Daimler Benz AG beteiligt ist, kriegt dann hoffentlich im Laufe der Zeit auch ein Gefühl dafür — vielleicht in seinem Portemonnaie —, was steigende Olpreise, was steigende Benzinpreise für den Absatz und für die Beschäftigungslage der gesamten Automobilindustrie der ganzen Welt zwangsläufig bedeuten. Wir haben allerdings etwas dagegen, wenn sich solche Transaktionen im Dunkel der Geheimnistuerei abwickeln.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir werden auch nicht zulassen, daß unter Umständen etwa größere oder politisch oder strategisch entscheidende Teile unserer Volkswirtschaft,
9422 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974
Bundeskanzler Schmidt
unseres Produktionsapparats einseitig unter Fremdbestimmung geraten.

(Erneuter Beifall bei allen Fraktionen)

Die Bundesregierung ist dabei, diesen Komplex zu prüfen, und ich will der weiteren Prüfung und der Entscheidung im Augenblick nicht vorgreifen. Auf jeden Fall werden wir dafür sorgen, daß die ganze Sache sehr schnell sehr viel durchsichtiger wird.
Die einseitige, kartellartige Preispolitik der Ölerzeuger hat — ich zähle es noch einmal auf — für die ganze Weltwirtschaft zu folgenden schwerwiegenden Tatbeständen geführt:
Erstens. Die Vervierfachung der Ölpreise in wenigen Wochen hat einen Kostensprung bewirkt, den kein Land durch Produktivitätserhöhung oder durch Einsparung in diesem Maß hat abfangen können.
Zweitens. Zusammen mit einem weltweiten Anstieg der Preise für Nahrungsmittelrohstoffe und industrielle Rohstoffe haben sich, über den ganzen Erdball verteilt, in den Ländern Inflationsraten ergeben, in einer kleinen Gruppe von Ländern in Höhe von etwas über 10 °/o, in einer sehr viel größeren Gruppe in Höhe von bis zu 20 °/o und in einer größeren Zahl von Staaten in Höhe von über 30 °/o. — Ich rede hier nicht von Südamerika; da sind die Raten noch ganz anders. — Allein in der Europäischen Gemeinschaft ist die Inflationsrate im Durchschnitt mehr als doppelt so hoch wie in unserem Lande. Wir sind seit langer Zeit, wie jedermann weiß, absolut an der Spitze, was die Preisdämpfung angeht.
Drittens. Die Konsumgewohnheiten der Menschen in den Staaten haben sich auf Grund all dieser Ereignisse verändert. Es wird weltweit sehr viel mehr gespart. Man könnte sagen: Der Weltsparprozeß ist zum Teil ein Zwangssparprozeß auf Grund der Öleinkommen und Ölüberschüsse. Ihm steht ein sich enorm beschleunigender Prozeß der kurzfristigen Verschuldung einer großen Zahl von Staaten gegenüber.
Viertens. Es sind schwere Strukturprobleme entstanden. Ganze Wirtschaftszweige in allen industriellen Volkswirtschaften stehen vor der Notwendigkeit beschleunigter Anpassung.
Fünftens. Dadurch wird mindestens vorübergehend oder in Teilen dieser Volkswirtschaften Stagnation und Arbeitslosigkeit bewirkt. Wenn Sie sich die Zahlen in Amerika, in Kanada, um uns herum in Europa anschauen, sehen Sie, daß dieser Prozeß die ganze industrielle Welt ergriffen hat, so daß infolgedessen in vielen Staaten die Realeinkommen der Arbeitnehmerschaft stagnieren und inzwischen in einer ganzen Reihe von Staaten die Bürger tatsächlich geringere Realeinkommen zur Verfügung haben. Ich erwähne, daß in den Vereinigten Staaten von Amerika in den letzten zwölf Monaten allein die Masseneinkommen real um 4 1/2 °/o gefallen sind.
Sechstens. Viele Volkswirtschaften haben eine schnell wachsende, gefährlich kurzfristige Auslandsverschuldung hinnehmen müssen, um ihre Defizite finanzieren zu können. Einige dieser Staaten sind an der Grenze ihrer Kreditwürdigkeit angekommen, bedürfen fremder Garantien.
Siebtens. Vor allem die Entwicklungsländer sind von diesem Prozeß existenzgefährend betroffen einige können nicht einmal mehr ihre bisherigen Nahrungsmittelimporte bezahlen. Viele Millionen Menschen hungern.
Achtens. Es wächst die Gefahr heran, daß die Defizitländer ihr Heil in handelsbeschränkenden Maßnahmen suchen.
Neuntens. In vielen Staaten — ich glaube, ich sagte es schon — ist auf Grund all dessen die Arbeitslosigkeit auf ein allzu hohes Niveau geklettert, auch hier in Europa, in unserer unmittelbaren Nachbarschaft.
Dies, meine Damen und Herren, ist die nüchterne Lage der Weltwirtschaft, die von allen verstanden werden muß, auch von denen, die sich selbst einreden möchten, der Herr Ministerpräsident in Mainz oder der Herr Ministerpräsident in Kiel hätte eigentlich die Weltwirtschaft besser steuern können.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Das ist wirklich das letzte! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Der deutsche Einfluß auf die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der anderen Weltwirtschaftspartner ist begrenzt. Um so mehr müssen wir durch eine richtige Politik im eigenen Lande die Folgen abfangen, die von draußen nicht auf uns durchschlagen dürfen. Dieses Abfangen der Wirkungen von draußen aus der Weltwirtschaft auf unsere eigene Volkswirtschaft haben wir 1972 und 1973 währungspolitisch mit großem Erfolg zustande gebracht. Wir haben diese Wirkungen 1973 und 1974 preispolitisch abfangen können, und wir werden auch 1975 erfolgreich sein im Beschäftigungsaufschwung in Preisstabilität.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Mit Versprechungen müssen Sie sehr viel vorsichtiger werden!)

Die Regierungen der sozialliberalen Koalition haben seit langem dem zunehmendem Problemdruck aus der weltwirtschaftlichen Entwicklung eine umsichtige Stabilitätspolitik entgegengesetzt.

(Oh!-Rufe bei der CDU/CSU)

Dabei sind sie allerdings von der Überzeugung ausgegangen, daß unser Land sich aus seiner eigenen weltwirtschaftlichen Verflechtung nicht lösen kann und auch nicht lösen darf. Wir verdanken ja unseren Wohlstand zu einem großen Teil unserem erfolgreichen internationalen Wirtschaftsaustausch.
Nun kämpfen wir bei alledem nicht nur um die Stabilität des Geldwertes, wir kämpfen ebenso um die Stabilität der Beschäftigung, der Arbeitsplätze, damit die Menschen ihr Brot selbst verdienen können, was sie ja doch wollen. Wir kämpfen letzten Endes um gesellschaftliche Stabilität, d. h. um die Kontinuität des demokratischen Prozesses.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Im November haben bei uns in Deutschland die Kosten der Lebenshaltung aller privaten Haushalte um 6 1/2 % über dem Vorjahresniveau gelegen.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9423
Bundeskanzler Schmidt
Ich wiederhole, auch auf die Zwischenrufe vorhin aus der Oppositionsfraktion hin: Es gibt kein anderes Land in der Welt, das dies geschafft hat.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die Lebenshaltungskosten werden auch im Dezember nochmals sinken.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Dann geht es wieder nach oben!)

Noch vor wenigen Monaten haben uns viele dies alles nicht glauben wollen und haben uns auch in diesem Hause öffentlich zweistellige Preissteigerungsraten vorhergesagt.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr! — Dr. MüllerHermann [CDU/CSU] : Monatlicher Anstieg 0,7 %!)

Jeder kann heute sehen, daß diese damaligen Prophezeiungen falsch gewesen sind und daß die Vorhersagen der Bundesregierung richtig gewesen sind.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

Es hat zu den gegenwärtigen Schwierigkeiten in der Wirtschaft beigetragen, daß viele Menschen im ersten Halbjahr 1974, zu Beginn des Jahres, in ihren wirtschaftlichen Entscheidungen auf jene falschen Prognosen und jene falschen Erwartungen des Preisanstieges gesetzt haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Dadurch sind z. B. im Bauwesen, aber auch an der Lohnfront zum Teil Fehler gemacht worden, die sich heute auswirken, zum Teil bitter auswirken. Heute ist diese sogenannte Inflationsmentalität, wie man es genannt hat, sehr weitgehend verflogen; es wird sehr viel mehr gespart, und die Zinsen fallen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Zwangssparen!)

Die deutschen Arbeitnehmer hatten auch 1974 bei alledem netto und real, d. h. nach Abzügen, nach der Steigerung bei den Lebenshaltungskosten, einen Einkommenszuwachs. Die Bundesregierung würde es als einen ganz großen Erfolg ansehen, wenn wir, was den realen Einkommensstand angeht, 1975 das halten könnten, das bewahren könnten, was wir 1974 erreicht haben,

(Beifall bei der SPD und der FDP)

mit anderen Worten: wenn wir anders als in vielen anderen Gegenden der Welt unseren realen Lebensstandard aufrechterhalten könnten.
Jeder versteht, daß ich damit von den bevorstehenden Lohnbewegungen spreche. Ich habe in letzter Zeit und noch gestern abend mit vielen Gewerkschaftsvorständen aber auch ebenso wie meine Kollegen in der Bundesregierung mit den Vorständen großer Unternehmen gesprochen, ebenso wie mit der Bundesbank, mit den Vorständen privater Banken, und dabei gespürt, daß in unserem Land eigentlich jeder weiß, daß er zu einem wichtigen Teil mitwirken muß, wenn das Ganze gelingen soll. Das gilt für den Zins, das gilt für den Lohn, es gilt für die Preisentscheidungen der Unternehmen, ebenso gilt
es aber für die Entschlüsse des Parlaments und der Regierung.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich möchte hier einfügen, was ich gerade in jüngster Zeit erneut sehr deutlich gehört habe: In Amerika, in Frankreich, in England, in Italien, überall in diesen Industriestaaten werden wir um unsere Gewerkschaftsbewegung beneidet.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ohne diese Gewerkschaftsbewegung in unserem Land und ohne ihr Verantwortungsbewußtsein

(Zuruf von der CDU/CSU: Kluncker!)

hätten wir den hohen Realeinkommensstand niemals erreichen können, der uns aus den Trümmern des Krieges an die vierthöchste Stelle des Realeinkommens pro Kopf der ganzen Welt geführt hat.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die Bundesregierung vertraut auch in dieser gegenwärtigen, wirklich schwierigen Lage erneut auf die Urteilskraft der deutschen Gewerkschaften.

(Seiters [CDU/CSU] : Was sagt Brandt zu Kluncker?)

Mit der Steuer- und Kindergeldreform steht den Tarifpartnern ab 1. Januar, d. h. heute in drei Wochen, eine hervorragende Grundlage zur Verfügung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nur die Hälfte ist bezugsberechtigt!)

Sie hat für 1975 für die allermeisten Arbeitnehmer auch die Steuerprogression ausgeschaltet. Im übrigen, meine Damen und Herren von der Opposition, die Sie das alle schon ein Jahr früher machen wollten: diese Steuer- und Kindergeldreform kommt konjunkturpolitisch — und das sollte sie ja auch — akkurat zum richtigen, zum notwendigen Zeitpunkt.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU]: Eine tolle Regierung!)

— Ich werde mich durch die Heiterkeit auf den Bänken der Opposition nicht hinreißen lassen, meine Damen und Herren, nicht heute morgen.

(Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP)

Der Gegenstand, von dem jetzt geredet wird, sollte vielleicht die Heiterkeit 10 oder 15 Minuten an eine andere Stelle verschieben lassen.
Ich möchte eines sehr deutlich sagen. Die Tarifpartner müssen sich diesmal besser über die Preisentwicklung des kommenden Jahres vergewissern, als dies im vorigen Winter getan wurde.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Der falsche Preispessimismus bei den Lohnrunden
damals vor 12 Monaten darf sich nicht wiederholen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei der FDP — Wehner [SPD] : Sehr richtig! — Zurufe und Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Warten wir es mal ab!)

9424 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974
Bundeskanzler Schmidt
— Sie haben zu dem damaligen falschen Preispessimismus durch die Reden beigetragen, die Sie hier gehalten haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

Sie haben dazu beigetragen, Prognosen zu verbreiten, die in keiner Weise Wahrheit geworden sind, die aber viele dazu verleitet haben, damals zu glauben, man müsse vorhalten.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Die CDU hat schuld! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt geht es Willy Schmidt wie Helmut Brandt! — Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Nicht die Regierung, sondern die Opposition hat schuld! — Dr. Ehrenberg [SPD] : Das war die vorläufige Alternative bei der CDU! —Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU)

— Diese Opposition, Herr Kollege Müller-Hermann, hatte ihre Unschuld schon verloren an dem Tag, an dem sie angefangen ist. Die war nie unschuldig!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Wieviel Schuld kriegt der ehemalige Finanzminister Schmidt? — Zuruf des Abg. Haase [CDU/CSU] — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Ich darf wohl den Faden wieder aufnehmen. Ich möchte annehmen, daß das ganze Haus mir zustimmt, wenn ich sage — —

(Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

— Ich möchte annehmen, daß das ganze Haus — vielleicht auch der Kasseler CDU-Abgeordnete Haase — mir zustimmt, wenn ich sage: es kommt ganz entscheidend darauf an, daß die Tarifpartner ihre Rolle in diesem Winter erkennen, damit die Investitionstätigkeit sich wieder beleben kann in unserer Volkswirtschaft. Nebenbei gesagt, unsere Ölrechnung und unsere Zahlungsbilanz insgesamt bereiten uns keine Sorgen. Wir sind eines der wenigen Länder, die ihre Auslandsrechnungen auch in Zukunft voll aus der eigenen Tasche bezahlen können.
Bundestagsmehrheit und Bundesregierung haben bei diesem Kurs ihrer Stabilitätspolitik, die ja übrigens erst vor wenigen Wochen, Herr Haase, vom Sachverständigenrat als grundsätzlich richtig gewertet und im einzelnen noch einmal rekapituliert worden ist, auch vermeintlich Unpopuläres nicht gescheut. Dem Interesse der arbeitenden Menschen kann nämlich langfristig nur durch eine offene und redliche, d. h. notfalls auch harte Politik gedient werden. Die Regierung hat dann aber auch nicht gezögert, als es galt, die Auswirkungen der Ölpreisexplosion in den Griff zu bekommen. Wir haben deshalb die harte Restriktionspolitik schon im Dezember 1973 erstmals gelockert und haben in diesem Jahr mit zwei Konjunktursonderprogrammen öffentliche Investitionen in Höhe von 2 Milliarden DM eingeleitet, haben regional und sektoral auch
den Branchen, die besonders hart betroffen waren, mit Stützung geholfen.
Wir haben aber damals, als die ölpreisbedingten Nachfrageverschiebungen spürbar wurden, nicht den großen Geldhahn geöffnet. Hätten wir die Restriktionspolitik vorzeitig und global gelockert, hätten wir keines der Probleme gelöst, sondern nur alle Probleme vor uns hergeschoben.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Wir hätten allenfalls kurzfristige Beschäftigung geschaffen, ohne sie langfristig sichern zu können. Ich denke, Sie sollten uns eigentlich für diese Nervenkraft, die wir bewahrt haben, nicht schelten.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Nun kann sich die deutsche Wirtschaft diesem weltweiten Zwang zur Anpassung und zur Umstellung nicht entziehen. Daran kann auch kein falscher Ratgeber etwas ändern. Ich möchte ausdrücklich begrüßen, daß Altbundeskanzler Professor Erhard gestern öffentlich die Zustimmung der Opposition zu unseren Vorlagen angekündigt hat.
Die notwendige Strukturanpassung wird auch in der deutschen Volkswirtschaft noch manchem eine bittere Stunde bescheren. Das hohe Maß an sozialer Stabilität, das wir erreicht haben, läßt uns diese Schwierigkeit besser überstehen als andere.
Übrigens wird ja, wenn wir auch einen Blick auf das Netz der sozialen Sicherheit, das wir in unserem Lande geknüpft haben, werfen wollen, das Arbeitslosengeld am 1. Januar auf 68 % des Nettoeinkommens angehoben werden; dazu kommt das neue Kindergeld. Man sollte das in seinen Hinterkopf nehmen: Es wird dann insgesamt, je nach Familienstand, etwa auf 75 % des Nettoeinkommens hinauslaufen.
Meine Damen und Herren, es muß offen und redlich gesagt werden, daß die Übernachfrage jetzt weitgehend abgebaut ist, daß die Nachfrage im Inland stark gedämpft worden ist und die Nachfrage aus dem Ausland nachläßt; häufig sind auch gesunde Unternehmen in Bedrängnis geraten, besonders im mittelständischen Bereich. Das hat dazu geführt, daß die Entwicklung des Beschäftigungsstandes in der Wirtschaft nun einen bedenklichen Punkt erreicht. Wir haben rund 800 000 Arbeitslose und 450 000 Kurzarbeiter.

(Zuruf von der CDU/CSU: Mehr als je zuvor!)

Die Zahl der offenen Stellen ist beträchtlich zurückgegangen. Allerdings geben wir auch immer noch 2 300 000 ausländischen Arbeitnehmern Lohn und Brot und leisten damit einen großen Beitrag für unsere Nachbarvölker.
Wir können auf der anderen Seite nicht erwarten, daß aus der Weltwirtschaft bald belebende Konjunkturimpulse kämen. Und wir würden ja andere, befreundete Partnerländer zum Offenbarungseid zwingen, wenn wir bei schwacher Binnenkonjunktur unseren eigenen Import nicht steigerten.
In einer solchen Lage muß ein so zahlungsbilanzstarkes, devisenstarkes Land wie die Bundesrepublik in der Abwehr der rezessiven Kräfte in der
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137, Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9425
Bundeskanzler Schmidt
Weltwirtschaft und in der Einleitung einer Wirtschaftsbelebung anderen Staaten vorangehen. Stabilität, so wie ich sie immer verstanden habe, im umfassenden Sinne

(Seiters [CDU/CSU] : So ein Modewort!)

— ein Modewort dann, Herr Kollege, wenn es von einigen im Gegensatz zum Text des Gesetzes immer nur auf die Preise bezogen wird; dann ist es ein Modewort, jawohl —,

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Stabilität wie das Gesetz sie auch meint, verlangt jetzt nach vielstrebigen Bemühungen zur Sicherung der Arbeitsplätze, verlangt nach einem neuen wirtschaftlichen Aufschwung und nach einem stabilitätsgerechten Aufschwung.
Deswegen handeln wir jetzt mit einem festen Blick

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Auf die Wahlen!)

auf dieses Ziel, weil wir und nachdem wir den Preisauftrieb fühlbar und sichtbar eingedämmt haben, weil wir die weitere Entwicklung genügend sicher überschauen können und weil wir unseren Part leisten wollen im Rahmen der europäischen und der weltwirtschaftlichen Konjunkturpolitik.
Ich komme zurück auf die Investitionszulage. Die Bundesregierung verspricht sich von dieser Zulage in Höhe von 7 1/2 °/o einen nachhaltigen Anreiz der Investitionsneigung im ersten Halbjahr. Größere Investitionen — größere Investitionsneigung schon — bedeuten neue Nachfrage, damit Beschäftigung freier Kapazitäten, neue Arbeitsplätze, größere Produktion und in der weiteren Zukunft auch höhere Einkommen.
Wir haben uns für eine Investitionszulage entschieden, weil sie gegenüber der im Stabilitätsgesetz vorgesehenen Investitionsprämie das wirksamere Mittel darstellt. Die Zulage kommt nämlich auch denjenigen Unternehmern zugute, die 1975 mangels eigener Erträge — und das sind ja gar nicht so ganz wenige Unternehmen zur Zeit keine Einkommen- oder Körperschaftsteuer zu zahlen haben. Die Investitionszulage bedeutet allerdings gleichzeitig, daß Bundestag und Bundesrat, den ich heute morgen nicht vertreten sehe,

(Zuruf von der SPD: Stoltenberg!)

ein Gesetz verabschieden müssen, daß sie selber gesetzgeberisch mitwirken müssen.
Ich hoffe, daß der Bundesrat, den ich heute morgen leider nicht ansprechen kann, zu dieser Kooperation bereit ist,

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU]: Weil Sie ihn zu schlecht behandeln!)

ohne den Bund und ohne den Bundeshaushalt allein finanziell mit den Kosten der Zulage zu belasten. Bei der Investitionsprämie, wie sie im Stabilitätsgesetz griffbereit und verordnungsbereit zur Verfügung stünde, würden ja die Steuerausfälle entsprechend der Verteilung der Einkommen- und
Körperschaftsteuer von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam zu tragen sein.
Ich will aber auch keinen Hehl daraus machen, daß wir ein etwa im Gesetzgebungsverfahren verändertes Investitionszulagengesetz, das etwa in der Verteilung der Finanzierungslast von der geltenden Steuerverteilung abwiche — ich sage das zugleich im Namen der beiden Koalitionsfraktionen —, nicht akzeptieren würden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die Bundesratsmehrheit muß wissen, daß sie uns mit solchem Verhalten zwänge,

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Na?)

auf das konjunkturpolitisch schwächere Instrument der Investitionsprämie auszuweichen, bei der dann niemand eine Manipulationsmöglichkeit für die Kostentragung offenbehielte.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Falls es so käme, würde dann allerdings auch die politische Verantwortung für eine so geschwächte konjunkturpolitische Wirksamkeit eindeutig und klar zugeordnet sein.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr! — Strauß [CDU/CSU] : Jetzt baut er schon vor! — Zuruf von der CDU/CSU: Immer die anderm!)

Es mag sich mancher fragen, ob denn nun diese Investitionszulage nicht nur auf die notleidenden Unternehmen beschränkt werden sollte. Ich halte die Frage für verständlich, aber die darin zum Ausdruck kommende Meinung halten wir für falsch. Denn wir wollen die Gesamtinvestitionstätigkeil beleben, wir wollen ja a 11 e Investoren anreizen ihre Aufträge zeitlich nach vorn zu ziehen, damit sich die Auftragsbücher der Lieferfirmen schnelle] wieder auffüllen und damit die gesamte Wirt schaftstätigkeit angereizt wird.
Selbstverständlich bedeutet die Investitionszu lage auch eine Ertragsverbesserung für die Unter nehmen; das soll auch so sein. Denn schließlict hatten wir doch im Boom den Unternehmen vor übergehend auch eine 11%ige Investitionsbesteue rung aufgelastet. Und — wichtiger noch —: Schor am 17. Mai hatten wir in der damaligen Regierungs erklärung im Vorwege klar und deutlich auf den Notwendigkeit der Ertragssteigerung bei den Unter nehmen hingewiesen.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr! — Dr. MüllerHermann [CDU/CSU] : Was sagen die Jusos dazu?)

Bei der Frage, ob die Investitionszulage mit eine Vermögensbildung verbunden werden kann, Her Kollege Pieroth, halten wir nach eingehender Prü fung keine bejahende Antwort für möglich. Die In vestitionszulage muß schnell und nachhaltig wir ken, sie soll und darf auch nur für einen befristete] Zeitraum gelten. Ein Vermögensbildungskonzep kann sich nun allerdings nicht auf eine sieben Mo nate dauernde Konjunkturmaßnahme stützen wol len.
9426 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974
Bundeskanzler Schmidt
Im übrigen — damit es nicht mißverstanden wird —: Die Zulage erhält nur der, der wirklich investiert. Wir gewähren also im Ergebnis den Unternehmen diesen zeitweiligen Vorteil nur für die Gegenleistung der Auslösung zusätzlicher Beschäftigung. In die gleiche Richtung zielen die Lohnkostenzuschüsse für bis zu 90 000 zusätzliche Arbeitsplätze. Sie werden auch nur gezahlt, wenn sich die Belegschaft dort wirklich vergrößert. Damit dienen auch sie dem Abbau von Arbeitslosigkeit.
Von der Mobilitätszulage, deren Betrag ausreicht, um bis zu 200 000 Wiedereingliederungen vorzunehmen, versprechen wir uns eine wachsende Bereitschaft bei den Arbeitnehmern, umzuschulen oder dorthin zu fahren, wo Arbeitsplätze frei sind; es sind eine ganze Menge Arbeitsplätze frei. Diese Beweglichkeit — oder wie man heute sagt: Mobilität, horizontale Mobilität — ist eine grundlegende Voraussetzung für die Steigerung der Produktivität der ganzen Volkswirtschaft. Es muß jetzt umstrukturiert werden. Gerade jetzt also ist die Bereitschaft zur Mobilität bei den Arbeitnehmern noch wichtiger als bisher. Jede Mark für die Mobilitätszulage erspart Arbeitslosengeld und verbessert zugleich die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft.
Im übrigen ist für viele Arbeitnehmer, für Millionen von Arbeitnehmern eine solche Umstrukturierung ja nichts Neues. Ich erinnere an die vielen Millionen Arbeitnehmer, die schon in der Vergangenheit z. B. aus der Landwirtschaft oder aus dem Steinkohlenbergbau in andere Berufe oder aus bestimmten Handwerksberufen in die Industrie übergegangen sind. Dies Problem der Umstrukturierung ist also bei uns schon in der Vergangenheit vielfältig bewältigt worden, und die Menschen haben gezeigt, daß sie solche Notwendigkeiten einsehen und mittragen. Ich denke, man muß jedem, der sich so verhält, dankbar sein.

(Beifall bei der SPD und FDP)

Die zusätzlichen öffentlichen Investitionen in Höhe von 1,13 Milliarden DM werden den Aufschwung unterstützen. Zusammen mit den Programmen vom Februar und vom September, die ja in der Wirtschaft zum Teil noch in der Durchführung, in der baulichen oder investitorischen Durchführung begriffen sind, mobilisieren wir damit insgesamt rund 3 Milliarden DM allein vom Bund her. Dabei gehen Konjunktureffekte und Verbesserungen der Infrastruktur, die allen Bürgern dient, Hand in Hand.
Allerdings darf bei alledem nicht übersehen werden, daß die Haushaltsfinanzierung 1975 keinesfalls einfach ist, weder für den Bund, noch für die Länder, noch für die Städte und Gemeinden. Wir werden mit Hilfe einer beweglichen Schuldenpolitik, einer beweglichen Kreditaufnahmepolitik, dafür sorgen, daß der Kapitalmarkt nicht überstrapaziert wird und daß die Zinsen nicht wieder nach oben getrieben werden. Wenn Sie sich den langfristigen Kredit in den letzten Wochen und Monaten angeschaut haben, werden Sie festgestellt haben, daß eine deutliche Abwärtsbewegung eingeleitet wurde. Die letzten Bundesanleihen sind mit 9,5 % erfolgreich emittiert worden; wir waren schon bei 10,5 % Rendite gewesen.
Wir werden nun allerdings zur teilweisen Finanzierung dieser Ausgabenprogramme für den Bund und für die Länder die Rücklagen aus dem Stabilitätszuschlag in Höhe von 3,5 Milliarden DM freigeben. Die sind ja gebildet worden für eine solche Konjunkturlage. Das ist der Zweck dieser Rücklagen gewesen.

(Wehner [SPD] : Sehr gut!)

So, wie ein ordentlicher Kaufmann in seinem Geschäft Rücklagen bildet, so hat die Bundesrepublik Deutschland als Ganzes für den Fall eines solchen Konjunkturverlaufs diese Rücklagen gebildet. Es ist jetzt der Zeitpunkt, um sie einzusetzen und zu verwenden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Das wird bei der bestehenden Unterauslastung vieler Kapazitäten und bei der gegebenen Beschäftigungslage keine negativen Auswirkungen auf die Preisentwicklung auslösen.
Die Bundesregierung hat im Verlauf der Beratungen des Programms auch die Frage des vom Herrn Abgeordneten Strauß schon vor etwa sechs Monaten, wenn ich mich richtig erinnere, in die Debatte geworfenen Vorschlags des Verlustrücktrags sorgfältig geprüft. Wir sind dabei zu der Auffassung gekommen, daß trotz aller Probleme der Umstellung des Steuerrechts — Probleme sowohl für die Finanzämter als auch für die Firmen — und trotz der im Zeitraum der Umstellung zeitweiligen Steuerausfälle im Prinzip mehr für als gegen eine solche systematische Änderung spricht.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Allerdings muß dann natürlich der Zeitraum, für den bisher ein Verlustvortrag erlaubt war, entsprechend gekürzt werden.

(Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

— Ich sehe Kopfnicken.
Unsere Beratung hat allerdings auch ergeben, daß unser jetziges Konjunkturprogramm und daß die Notwendigkeit zu schnellem Handeln gegenwärtig keine geeigneten Voraussetzungen bieten, diese Frage in Angriff zu nehmen. Ich füge ganz freimütig und offen hinzu: So interessant das war, was wir dazu von verschiedenen Seiten gehört haben — von der Opposition, vom Deutschen Industrie- und Handelstag, auch aus Kreisen der eigenen Koalition —, das Feld ist nicht genug beackert, um auch nur abschätzen zu können, wie im Umstellungsjahr die finanziellen Wirkungen sein würden. Dies Feld ist auch nicht genug beackert, um die weiteren Konsequenzen in der Steuersystematik, die das auslösen muß, im Griff zu haben. Es liegen dem Hause bisher ja auch keine Gesetzgebungsanträge von irgendeiner Fraktion oder einer Gruppe vor, weil die Materie bisher wirklich nicht genug durchgearbeitet ist.
Wir wollen aber diesen Problemkreis im Zuge der restlichen Arbeiten an der Steuerreform — da
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9427
Bundeskanzler Schmidt
ist ja noch die Abgabeordnung nach — in den Ausschüssen geprüft und auch entschieden wissen.

(Wehner [SPD] : Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß und möchte ganz deutlich sagen: Wir vertrauen darauf, daß der neue Aufschwung kommt. Wir wissen: Er kommt nicht von heute auf morgen. Gerade ein Aufschwung, der nicht überstürzt und ohne negative Begleiterscheinungen möglich gemacht werden soll, braucht seine Zeit.
Mit Winterarbeitslosigkeit, mit negativen Wirkungen von draußen aus der Welt werden wir auch in den nächsten Monaten rechnen müssen. Es wäre ganz unredlich, dies zu verschweigen. Aber dies wird den Aufschwung nicht 'verhindern können, wenn wir ihn alle gemeinsam in Gang setzen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Und deswegen soll niemand draußen im Lande sich durch etwa noch eingehende negative Meldungen irritieren lassen. Es wird einige geben, die jede —auch wegen des Winters oder des Wetters — steigende Ziffer hier oder dort hochspielen, für ihre Zwecke zu verwenden trachten werden. Aber die Bürger müssen wissen: Dieser Aufschwung kommt; er braucht Zeit. Noch nicht im Frühjahr, aber im Frühsommer werden wir sichtbar über den Berg sein. Ein Aufschwung verträgt keine Panikmache. Wer in Panik machen wollte, der macht den Aufschwung kaputt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Die Opposition hat wieder schuld!)

Wer gewollt oder ungewollt Panik oder auch nur Pessimismus unter diejenigen trägt, die ihrerseits wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen haben,

(Seiters [CDU/CSU] : Was habt Ihr 1966 gemacht!)

der behindert die Investitionsneigung, er verstört auch die Verbraucher. Ich nehme das Wort auf, das mir vorhin zugerufen wurde: der steigert oder erzeugt „Angstsparen", gefährdet damit Aufträge und Arbeitsplätze, beim Einzelhandel genauso wie bei der Verbrauchsgüterindustrie.
Wir sind preispolitisch uns unserer Sache sicher; denn der Aufschwung bedeutet, daß die Kapazitätsauslastung wieder ansteigen wird, und das heißt ökonomisch, daß die Stückkosten — die Kosten pro produzierte Wareneinheit — zunächst einmal eher noch sinken als etwa steigen werden. Das ist ein zusätzlicher stabilisierender Faktor, den die Industrie nutzen und auch in Form stabiler Preise an die Verbraucher weitergeben muß.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich darf dem Hause mitteilen, daß Bundesregierung und Landesregierungen auch als Dienstherren einen Beitrag zur Stabilisierung dadurch leisten wollen, daß sie für zwei Jahre sogenannte Strukturverbesserungen bei der öffentlichen Besoldung aussetzen wollen.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)

In dem Zusammenhang nehme ich an, daß das ganze Haus begrüßt, daß wir gestern abend mit einer gewissen Befriedigung vernommen haben, daß die Tarifpartner im Bereich des öffentlichen Dienstes gestern abend ein Schlichtungsabkommen unterschrieben haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich fasse zusammen: Nachdem wir die Preissteigerungsrate heruntergedrückt haben, legen wir jetzt ein stärkeres Gewicht auf die Sicherung der Arbeitsplätze. Ich erinnere mich gern an ein Wort aus dem Jahre 1972. Zum Wort stehen, heißt, der Sicherung der Arbeitsplätze nunmehr den Vorrang zu geben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Und zum Wort stehen, heißt auch, daß man den Kurs der Beschäftigungsstabilisierung unterstützt. Ich richte diese Erwartung, Herr Professor Carstens, auch an die Opposition. Ich will Ihnen die weit auseinandergehenden widersprüchlichen Vorschläge Ihrer Führungspersonen gegenwärtig keineswegs vorhalten.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Nun seien Sie bloß ruhig! Was in den letzten Wochen passiert ist im Regierungslager!)

Ich will auch keinen Detailstreit anfangen, weil ja statt dessen Weitsicht benötigt wird.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)

Weitsicht muß von den realen Bedürfnissen des Volkes ausgehen und muß reale, konkrete, begehbare Wege in die Zukunft aufzeigen.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Wem sagen Sie das? — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Das hätten Sie mal vor fünf Jahren sagen sollen!)

Es braucht niemand vor unserer realen Zukunft Angst zu haben. Und wenn irgendwo im Lande von Resignation die Rede sein sollte, dann sage ich: Macht Schluß damit!

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)

Und wenn irgendwo von Verunsicherung die Rede ist, dann sage ich: Macht Schluß mit der Verunsicherung!

(Beifall bei der SPD und bei der FDP— Zuruf von der CDU/CSU: Ja, das glaube ich! — Seiters [CDU/CSU] : Meinen Sie die Wähler? — Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Jetzt fehlen nur noch die Sprüche von Kühn! — Weitere anhaltende Zurufe von der CDU/ CSU — Glocke des Präsidenten)

Ich denke, daß mir auch die christlich-demokratische und christlich-soziale Opposition zustimmen wird, wenn ich sage: Wir werden weiterhin bei gesicherter Beschäftigung in Frieden und Wohlstand leben, wenn wir jetzt und wenn wir hier unsere Kräfte zusammenfassen.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

9428 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0713700200
Meine Damen und Herren, nach der Abgabe der Regierungserklärung treten wir in die Aussprache ein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Strauß. Seine Fraktion hat eine Redezeit von 60 Minuten angemeldet.

(Oh-Rufe bei der SPD — Dr. Marx [CDU/ CSU]: Ja und! Der Kanzler hat 58 Minuten gesprochen!)


Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0713700300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat am Ende seiner Regierungserklärung nach einer langen und pannenreichen Vorgeschichte, bei der sehr viele Leute sehr lange Zeit auf sehr wenig gewartet haben, eine Formulierung gebraucht, die für den Stil der bisher sozialdemokratisch geführten Regierungen bezeichnend ist. Er sagte: Wir werden auch weiterhin bei gesicherten Arbeitplätzen in Frieden und Wohlstand leben.
Ich glaube, Helmut Schmidt hat noch genügend Fähigkeit zur Selbstkritik und eine ausreichende Gedächtnisspanne, um zu wissen, was er früher unter gesicherten Arbeitsplätzen verstanden hat. Wenn jedenfalls die Sicherung der Arbeitsplätze so wie bisher weitergeht, dann können wir uns noch auf allerhand gefaßt machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist nur mit Ironie nachzulesen, was die SPD in einem im November 1972 zur Bundestagswahl in Massenauflage verteilten Flugblatt mit dem Bild des heutigen Bundeskanzlers verkündet hat: „Wir haben die sichersten Arbeitsplätze in Europa, Vollbeschäftigung, seit Sozialdemokraten regieren."

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Vorher nicht, was?!)

„So sah 1966 die Rezession aus: 673 572 Arbeitslose, 343 718 Kurzarbeiter, und Millionen Familienväter hatten Angst um ihre Existenz. Dazu darf es nicht mehr kommen."

(Hört! hört! bei der CDU/CSU)

„Sorgen Sie dafür, daß Sozialdemokraten weiter regieren. Dann bleiben die Arbeitsplätze sicher."
Ich könnte noch mehrere Zeugnisse dieser Art anführen. Ich bin überzeugt, mein Kollege Blühm, der als nächster Redner für die CDU/CSU sprechen wird, wird sich dazu noch eingehender äußern.
Nur zwei Jahre später sind die damaligen Horrorzahlen, die der CDU/CSU sowohl für die Vergangenheit als Versagen wie für die Zukunft als Absicht in der bekannten Diffamierungspropaganda unterstellt wurden, weit überschritten worden. Im November 1974 waren es 1 260 000 Erwerbsfähige, davon 800 000 Vollarbeitslose, 460 000 Kurzarbeiter — die Zahl der Umschuler nicht mitgerechnet —, die mit ihren Familien unmittelbar von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit betroffen waren.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Ergebnis dieser Politik!)

Der November weist aber niemals die höchste Rate der Arbeitslosigkeit im Verlaufe des Jahres aus. Das wissen sicherlich sogar die Experten der Bundesregierung. Die Höchstrate ist — durch die Witterung bedingt durchweg, jedenfalls nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, in den Monaten Januar oder Februar zu verzeichnen. Im Vergleichsmonat November hatten wir zuletzt im Jahr 1954 mehr als 800 000 Arbeitslose.
Der stellvertretende Parteivorsitzende der SPD und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Heinz Kühn , hat in seiner skandalösen Rede von Oberhausen vor einigen Tagen dazu noch erklärt:
Mich empört die Gesinnung jener,
— das war an die Adresse der CDU/CSU gerichtet —
die die industrielle Reservearmee der Arbeitslosigkeit als Chance betrachten.
Das war ein Rückfall in die Diffamierungspropaganda,

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : So ist es!)

aus der sowohl ein schlechtes Gewissen über das eigene Versagen als auch die Angst für die Zukunft um das Überleben der Regierungsgewalt der SPD in Nordrhein-Westfalen und in Bonn spricht. Die „industrielle Reservearmee" ist jedenfalls von der heutigen Bundesregierung geschaffen worden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In derselben Rede hat der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen übrigens erklärt: Wenn CDU und CSU Wahlen gewinnen, bedeutet das die Nichtregierbarkeit des Landes.

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Unerhört!)

Ich möchte mich zu diesem Ausspruch hier nicht äußern. Eines möchte ich, weil ich hier auf Kanzler Helmut Schmidt zu antworten habe, allerdings sagen: Man sollte nicht Unregierbarkeit ,des Landes mit der Regierungsunfähigkeit der SPD verwechseln.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Preisanstieg ist noch immer ungebrochen. Herr Bundeskanzler, ich wäre an Ihrer Stelle mit der Auswertung von Monatszahlen im Vergleich zu denen des Vorjahres etwas vorsichtiger, und zwar im eigenen Interesse.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU]: So ist es!)

So viel verstehen Sie sicher von der Materie und so viel Erfahrung haben Sie sicher auch,

(Wehner [SPD] : Na, na!)

um zu wissen, daß diese Bezüge einem zwar rhetorisch kurzfristig über Kalamitäten hinweghelfen, auf die Dauer aber doch den Ruf der Unseriosität einzubringen geeignet sind.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Den hat er schon!)

Zwar beträgt die Preissteigerungsrate im Vergleich
zum Vorjahr — von November 1974 zu November
1973 — weniger als 7 %; aber auch Sie wissen, daß
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9429
Strauß
diese über zwölf Monate angestellte Vergleichsarithmetik doch nur deshalb ein so günstigeres Ergebnis zeigt, weil im November 1973 durch die Folgen des Nahostkrieges und den sogenannten Ölschock, mit der Explosion der Preise für Erdöl eine abnorm hohe Steigerungsrate erreicht wurde. Naturgemäß muß also der Vergleich zwischen November 1973 und November 1974 günstiger ausfallen. Wir wären ja froh, wenn die gesicherten Dauerzahlen so aussähen. Wir können aber nicht immer von einem Grashalm der Regierungsversprechungen zum nächsten hüpfen, um uns damit selbst in trügerischer Illusion zu wiegen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Schmidts Grasshoppers!)

Es sieht ganz anders aus, wenn wir die Steigerungsrate gegenüber dem jeweiligen Vormonat als Grundlage nehmen. Der Vergleich von Oktober 1974 zu November 1974 ergibt einen Anstieg von 0,7 °/o. Auf das Jahr umgerechnet — ich sage dies jetzt nicht im Sinne einer Prognose, weil ich sonst den gleichen Fehler machen würde, den ich vorher kritisiert habe , ergibt das — und zwar nicht saisonbereinigt gerechnet; saisonbereinigt gerechnet, dürfte die Rate sogar noch etwas höher liegen — eine Inflationsrate von über 8 °/o.
Da Sie in Ihren Ausführungen, Herr Bundeskanzler, darauf hingewiesen haben, daß die Inflationsrate in anderen Ländern unterschiedlich höher liege, und in dem Zusammenhang den weltweiten Anstieg der Nahrungsmittelpreise genannt haben, hätten Sie hinzufügen müssen, daß bei uns die Erzeugerpreise für Nahrungsmittel in den letzten zwölf Monaten um 8 Punkte gefallen sind, während die Betriebsmittelpreise im gleichen Zeitraum um 6 bis 7 Punkte gestiegen sind. Das würde nämlich eine Klarheit darüber ergeben, daß dieser Zustand so nicht weiterbestehen kann, weil diese „niedrige" Inflationsrate nicht auf dem Rücken eines Berufsstandes mit Verminderung seines Realeinkommens, zum Teil sogar Nominaleinkommens gegenüber dem Vorjahr ausgetragen werden darf.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich rede hier nicht dramatisch vom Untergang des Bauernstandes oder von ähnlichen Dingen. Aber wenn man von Gerechtigkeit für alle und der Erhaltung der Realeinkommen spricht, dann muß das in einer Zeit der allgemeinen Rohstoffverknappung und der damit verbundenen langfristigen gefährdeten Aspekte für den Bauernstand und die einheimische Nahrungsmittelproduktion genauso gelten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da aber ein Anstieg der Nahrungsmittelpreise auch als Folge der Brüsseler Beschlüsse — die ja auch eine pannenreiche Geschichte hatten, bei der die Bundesregierung zum Schluß zweiter Sieger blieb — nicht zu verhindern ist, werden wir uns nicht lange darüber freuen können, daß bei uns die Inflationsrate zu Lasten eines Sektors niedriger gehalten werden kann, nämlich eines Sektors, der im Warenkorb immerhin fast ein Drittel der zugrunde gelegten Güter ausmacht.
Außerdem ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt durch kein Konjunkturprogramm kurzfristig zu verbessern. Ich teile hier die Auffassung, die offensichtlich — jedenfalls nach vorliegenden Zeitungsmeldungen; siehe den Artikel in der gestrigen „Süddeutschen Zeitung" von Bundeswirtschaftsminister Friderichs — im Laufe der langen Auseinandersetzungen geäußert worden ist, daß nicht etwa der Mangel an Aufträgen, sondern in erster Linie die Investitionsmüdigkeit der Unternehmer der entscheidende Grund für die gegenwärtige konjunkturelle Misere darstellt. Ich komme darauf noch zurück.
Der Sachverständigenrat, auf den sich der Bundeskanzler heute berufen hat — nun, in der Not frißt der Teufel Fliegen oder sucht man seine Bundesgenossen, auch wo sie sich nicht gerade als besonders hilfreich erweisen —, hat ausgeführt — ich zitiere wörtlich —:
Was sich an Fehlentwicklungen über Jahre hinweg angestaut hat, kann nicht binnen kurzem behoben werden.
Von wem stammen denn diese Fehlentwicklungen?

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Von Herrn Strauß, der die Aufwertung verhindert hat! — Lachen bei der CDU/CSU)

— Ach Herr Ehrenberg, Sie sollten wirklich einmal zur Kenntnis nehmen, daß die Wiederholung von dummheitsgeladenen Unwahrheiten Sie auf die Dauer nicht zu berühmten Figuren der Zeitgeschichte macht.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Es ging niemals um die Verhinderung der Aufwertung, Herr Ehrenberg. Aber damals hatten Sie sich vielleicht noch mit Personalproblemen anderer Art beschäftigen müssen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Es ging damals vielmehr darum, keine einseitige Aufwertung der D-Mark, sondern, wenn wir durchgehalten hätten, ein allseitiges „re-alignment" durchzuführen, das uns die Verzerrungen — siehe Agrarmarkt — erspart hätte. Aber das heißt in Zusammenhängen denken zu können, und die Gabe habe ich bei Ihnen noch nie bewundert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Sachverständigengutachten heißt es weiter:
Durch expansive finanzpolitische Sonderprogramme würde sich an der Arbeitslosigkeit im kommenden Winter mit Sicherheit nichts ändern.
Damit darf ich zu dem Thema, das Zielorientierung des Konjunkturprogramms ist, noch einige Bemerkungen machen. Die Bundesregierung hat bei der Inflation ihre eigene Verantwortung und Schuld damit zu vertuschen und zu leugnen versucht, daß sie zuerst den Unternehmen, dann dem Ausland und schließlich den Olmachthabern die Schuld zuschob.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Und jetzt ist noch Winter!)

9430 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974
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Damit wollte sie auch den hausgemachten Teil der Inflation, der nach einer Äußerung des Bundeswirtschaftsministers vor wenigen Monaten in diesem Hause, also nach seiner eigenen Schätzung, etwa die Hälfte ausmacht, anderen anlasten. Bei der Arbeitslosigkeit, Herr Bundeskanzler, kann diese Behauptung, daß das Ausland schuld sei, nicht erhoben werden.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Mit Sicherheit nicht!)

Denn der Exportüberschuß wird 1974 mit 50 Milliarden DM fünfmal so hoch sein wie das gesamte Finanzvolumen des neuen Konjunkturprogramms mit seinen rund 10 Milliarden DM.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

Das Ausland kauft 1974 bei uns für 50 Milliarden DM mehr als wir im Ausland — aus welchen Gründen auch immer. Sie liegen sicherlich nicht so sehr bei unserer ruhmreichen Wirtschaftspolitik als bei der Disziplin unserer Arbeitgeber und Arbeitnehmer und ihrer gesamtwirtschaftlichen Leistung in der Bewältigung dieser Aufgabe.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Man kann sich nur noch mit Ironie daran erinnern, daß frühere Bundesregierungen, denen Sie, Herr Bundeskanzler ja auch als Konjunkturbremser oder als Konjunkturpolitiker angehört haben, dessen Zug in falscher Richtung fuhr — ich denke nur daran, wie Sie Herrn Minister Schiller in den Arm gefallen sind, als er gerade noch rechtzeitig, vielleicht sogar schon zu spät, eingreifen wollte, und welche Rolle Sie als Bundesminister der Finanzen gespielt haben —, schon einen Exportüberschuß von 25 Milliarden DM als ungesund erklärt und seinen schnellsten Abbau verlangt haben. Bei Vorhaben der Bundesregierung ist es fast immer so, daß jeweils das Gegenteil von dem eintritt, was sie mit Worten als Ziel erstrebt.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Der Exportüberschuß ist in diesem Jahr doppelt so hoch wie damals. Aber auch die Bundesregierung weiß doch, daß dieser Zustand nicht unbegrenzte Zeit anhalten kann. Aber die Tatsache, daß er in diesem Jahre 50 Milliarden DM beträgt, bedeutet, daß wir, während wir jetzt „nur" — ich sage das ironisch — 1,2 Millionen Arbeitslose haben, ohne diesen nach Meinung sozialdemokratischer Bundesregierungen ungesunden Exportüberschuß, also ohne die Tatsache, daß wir zuviel des Produktionspotentials ins Ausland fließen lassen, wir heute mehr als 2 Millionen Arbeitslose hätten. Es läßt sich nicht genau quantifizieren, aber wir müßten mit mehreren Millionen Arbeitslosen rechnen, wenn nicht diese außerordentlich hohe Nachfrage aus dem Ausland bisher zu diesem in der Geschichte der Bundesrepublik abnorm hohen Exportüberschuß geführt hätte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn trotzdem noch 1,2 Millionen Arbeitslose
übrigbleiben, dann könnte man sagen der Exportüberschuß müßte also noch höher sein, wenn diese
1,2 Millionen Arbeitslose nicht vorhanden sein sollten.
Nein, diese Arbeitslosigkeit ist die Folge einer fehlerhaften Konjunkturpolitik, einer falschen Prognosenstellung und einer Einlullung der Bevölkerung, aber auch des eigenen Sachverstandes. Ich erinnere an jene törichte Phrase, als ob man durch ein bißchen Inflation die Arbeitslosigkeit verhindern könne und die Inflation der Preis sei, den man eben in Kauf nehmen müsse, um die Vollbeschäftigung zu erhalten.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Das war der entscheidende Fehler! — Daraufhin Lachen bei der SPD)

— Herr Carstens, trösten Sie sich: Für das Lachen gibt es immer ein Motiv; man darf es nur nicht in der Öffentlichkeit sagen, weil es sonst beleidigend klingt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Zu dem gleichen Fehlerreservoir gehört auch die Tatsache — ich kann meinen Betrachtungen hier nur die Kontinuität sozialdemokratisch geführter Bundesregierungen zugrunde legen —, daß wir im Herbst 1969, als wir vor der heraufziehenden Inflationsgefahr gewarnt und mit einer Reihe von konkreten Vorschlägen, die ich wegen der Kürze der Zeit hier nicht wiederholen kann — ich bin bereit, sie Ihnen in der Debatte ins Gedächtnis zurückzurufen —, Stabilitätspolitik verlangt haben, das damals unsinnige Argument zu hören bekamen, man müsse für die Vollbeschäftigung sorgen. In einer 1 wirtschaftlichen Periode, in der 4 Milliarden DM Kassenüberschuß vorhanden waren und der laufende Haushalt ohne Kredit finanziert werden konnte, in einer Periode, in der wir — mit steigender Tendenz — 2,3 Millionen Gastarbeiter hatten, an die 800 000 offene Stellen bei einer nicht nennenswerten Zahl statistischer Arbeitsloser, von der Notwendigkeit der Erhaltung der Vollbeschäftigung zu reden und denen, die vor der Inflation warnen, den Wunsch zur Arbeitslosigkeit zu unterstellen, gehört zu den Erzsünden und Hauptfehlern sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik in diesem Hause.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

Aber Sie wissen ja auch, Herr Bundeskanzler, daß dieser Zustand, wie erwähnt, dieser hohe Exportüberschuß nur kurze Zeit anhalten kann, Denn die anderen, die bei uns so viel mehr kaufen als wir bei ihnen, können nicht lange von ihren Reserven oder vom Pump leben, auch wenn wir unseren eigenen Export durch Kredite den Kunden zum erheblichen Teil vorher finanzieren — seien es bilaterale Kredite z. B. in Richtung Italien oder in Richtung Osten, Jugoslawien usw., seien es multilaterale Kredite über alle möglichen internationalen Institutionen.
Wodurch ist diese Lage entstanden? Die gegenwärtige wirtschaftliche Lage ist das Ergebnis schwerwiegender politischer Fehler und Versäumnisse der Bundesregierung in den vergangenen Jahren. Ich möchte es nur stichwortartig zitieren.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Da lachen sie nicht!)

Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9431
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Aber wir werden uns nicht immer darauf einlassen, daß gesagt wird: Was würdet ihr jetzt tun, damit die Lage morgen besser wird? Wer für heute diese Frage stellt, muß die Verantwortung für seine Mitwirkung und Schuld der letzten Jahre offen anerkennen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Staatsfinanzen wurden durch eine inflationäre Versprechungspolitik zerrüttet. Darüber wird noch viel zu reden sein, bei dieser Debatte und vor allen Dingen bei der Haushaltsdebatte.
Der zweite Grund: Die Steuerpolitik, zum Teil die Gesellschaftspolitik dieser Bundesregierung erprobte nach dem Rezept von Jochen Steffen die Belastungsfähigkeit der Wirtschaft und schmälerte damit ihre Investitionsfähigkeit und ihre Investitionsbereitschaft. Die Erprobung der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft erweist sich jetzt als leichtfertiges Spiel mit der Sicherheit der Arbeitsplätze, auch wenn es seinerzeit gesellschaftspolitisch getarnt vorgetragen wurde.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

Der Staat lebte doch in seiner Ausgabengestaltung von der Besteuerung nominaler Einkommenszuwächse und von der Substanzbesteuerung auch der Scheingewinne. Die Tatsache, daß die Lohnsteuer im Jahre 1964 16 Milliarden DM erbrachte und in diesem Jahre — trotz zurückgehender Beschäftigung —74 Milliarden DM, zeigt doch, woher die Hauptmasse des Finanzierungsvolumens kam, nämlich von einer inflationär bedingten Steuermehreinnahme. Bei den nur auf das Doppelte gestiegenen Erträgen der veranlagten Einkommensteuer, die nur die Marke 200 erreicht haben, während die Lohnsteuer die Marke 460 in zehn Jahren erreicht hat, mußten auch die Scheingewinne herhalten, um der Regierung die Finanzmasse für ihre leichtfertige Finanzpolitik, die trotzdem zur Zerrüttung der öffentlichen Haushalte geführt hat, zur Verfügung stellen zu können.
Drittens. Der Unternehmer wurde verteufelt. Die zur Aufrechterhaltung der Investitionen und der Arbeitsplätze notwendigen Gewinne wurden als kapitalistische Profite hingestellt. Wir konnten ja nur — mit weniger Schadenfreude als vielmehr mit ironischem Ingrimm — in den letzten Monaten vernehmen, daß vom „kapitalistischen Profit" immer weniger die Rede war. Dieser Begriff wurde nur noch mit Schalldämpfer angewendet.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Man sprach wieder, ohne allzuviel Furcht vor den eigenen Reihen zu haben, von der Notwendigkeit der Erträge. Aber weh dem, der diese Meinung schon immer oder früher als die heutigen Machthaber vertreten hat!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der war selbstverständlich ein „Vertreter des großen Geldes", ein „Kapitalistenknecht", ein „Millionärslakei" und ein „Vertreter einer soziologischen Minderheit", gegen die man als die Schuldigen am eigenen Versagen den Volkszorn zu entfesseln versuchte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Besonders unverantwortlich waren die bösartigen Beschimpfungen aller Unternehmer und Selbständigen im Rahmen der Aktion „Gelber Punkt", hinter der damals der SPD-Parteivorstand stand. Von diesem Appell an niedrigste Neidkomplexe will der Bundeskanzler, der heute wie damals stellvertretender Parteivorsitzender ist, nichts mehr wissen. Denn sein leicht verdunkelter Ruhm würde für die Nachwelt völlig verblassen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Sowieso!)

wenn er bei dieser Einstellung geblieben wäre. Darum handelt er heute nach dem Rezept: Am besten die eigene Partei ignorieren, sie kann ohnehin nicht mehr ohne ihn, weil er das letzte Aufgebot für sie darstellt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Herr Bundeskanzler, Sie haben auch in Ihrer Zeit als Bundesfinanzminister und vorher als Verteidigungsminister ein Langzeitprogramm verabschiedet, das Langzeitprogramm der Langzeitkommission der SPD,

(Zuruf von der CDU/CSU: Davon hört man nichts mehr!)

in dem die Erhöhung der Staatsquote, die heute durch die heimlichen Steuererhöhungen zwischen 24 und 25 °/o liegt, als Zukunftsorientierung auf über 30 °/o verlangt worden ist. Man stelle sich vor, welche zusätzlichen Steuerlasten das bringt. Die Sozialquote kommt ja noch hinzu. Es handelt sich hier ja nur um die Staatsquote. Mit der Sozialquote zusammen ergibt das an die 45 °/o. Das haben Sie seinerzeit mit Ihrem Namen vertreten, federführend ausgearbeitet, haben dafür noch die Prügel aus den eigenen Reihen bekommen und sich zum Schluß noch lebhaft zur Wehr gesetzt, ohne den Blödsinn abzubauen, an dessen Entstehung Sie seinerzeit führend mitgewirkt haben. Man stelle sich vor, was bei einer Staats- und Sozialquote von zusammen 45 °/o, davon 32 % Staatsquote, herauskäme, wenn bei einer Steuerbelastung zwischen 24 und 25 °/o und bei einer abenteuerlich hohen Kreditaufnahme noch zusätzlich weitere Belastungen von der Wirtschaft in Kauf genommen werden müßten.

(Zuruf von der SPD: Sie wollten doch etwas zum Konjunkturprogramm sagen!)

— Ich komme zu allem. Ich weiß, daß Ihnen die Darstellung der Zusammenhänge sehr unangenehm ist.

(Oh-Rufe bei der SPD)

Der Hinweis darauf bestärkt mich, davon nicht abzulassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie wissen doch selbst, daß die Produktion, wenn man das dritte Quartal 1974 mit dem dritten Quartal 1973 vergleicht, rückläufig war, im Hochbau bei 18 °/o, im Fahrzeugbau bei 11 °/o, im Bekleidungssektor bei 16 °/o. Von 20 untersuchten Industriezweigen hatten Papier, Chemie, Eisen und Stahl und ganz gering Elektrotechnik noch einen Zuwachs. Bei 16 Industriezweigen war ein echter Rückgang festzustellen.
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Die Deutschen haben weniger verdient als vorher. Das hätte seinen Niederschlag in einer geringeren Steigerung der Löhne und Gehälter als 1973 finden müssen, meinten die Bundesbank und der Sachverständigenrat. Das wäre auch möglich gewesen, wenn Sie, Herr Bundeskanzler, endlich einmal einsähen, daß die von uns im Jahre 1973 Ihnen ab 1. Januar 1974 angebotene Steuersenkung der geeignete und durchsetzbare Weg gewesen wäre, um eine weniger starke Erhöhung der Löhne und Gehälter sozialpolitisch, gewerkschaftspolitisch vertreten und durchhalten zu können. Hier haben Sie doch kraß versagt!

(Beifall bei der CDU/CSU)

So sind die Löhne und Gehälter im Jahre 1973 um 10 °/o gestiegen, im Jahre 1974 um 12 °/o, und die Lohnstückkosten sind von 1973 auf 1974 um 10 °/o gestiegen. Das ist wieder derselbe Satz gewesen wie im Jahre 1970, der damals doch ohne jeden Zweifel inflationär fördernd gewirkt hat.
Ich gebe Ihnen völlig recht, daß die Ölkrise, oder was man Ölkrise nennt, schwerwiegende Folgen hat. Nur kann man nicht alles in diesen Papierkorb werfen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Die Probleme werden uns noch zusätzlich beschäftigen; sie sind kein Alibi für das, was wir bisher zu verzeichnen haben.
Eine Folge dieses Zustandes sind ja auch die 7 500 Insolvenzen des Jahres 1974. Das sind 30 °/o mehr als im Jahre der meisten Insolvenzen seit dem zweiten Weltkrieg, dem Jahre 1951. Zum Vergleich die Zahlen aus den so oft beschworenen Rezessionsjahren 1966/67: Im Jahre 1966 waren es 3 615 und 1967 4 337. Dabei ist bedauerlicherweise der Mittelstand mit Abstand am stärksten betroffen. Das ergibt eine Strukturänderung unserer Wirtschaft, die in einem geradezu schreienden Gegensatz zu dem steht, was von sozialdemokratischer Seite immer als Förderung selbständiger Existenzen und damit Förderung des Mittelstandes gegen Aufsaugung durch die Großen in verbalen Kraftleistungen herausgestellt wird. In Wirklichkeit geht der Weg umgekehrt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Fünfter Grund: Die Führungsfunktion der Lohnpolitik wurde sträflich vernachlässigt, was 1973 zur Signalwirkung des öffentlichen Dienstes für die konjunkturell unverantwortliche Expansion führte.
Sechstens. Die von der Opposition seit Mitte 1973 geforderte Entlastung von den heimlichen Steuererhöhungen wurde von der Koalition abgelehnt. Die Vorgänge sind dem Hohen Hause bekannt. Ich habe vorhin nur kurz darauf hingewiesen. Ihre Unfähigkeit zur Einsicht, Herr Bundeskanzler, bezüglich der Steuerentlastungen zum Januar 1974 — weil damals bereits der Inflationsgrund in der Hauptsache kostenbedingt und nicht mehr nachfragebedingt war — hätte Ihnen auf der Kostenseite, nämlich an der Tariffront, etwas Entlastung um ein paar Prozentpunkte unter die 10-%-Grenze doch verschaffen können.
Und dann kann ich mir ja eine Bemerkung natürlich hier auch nicht ersparen: Wenn wir nicht durch unseren Druck auf die Bundesregierung, bei dem wir ausnahmsweise mal vom DGB und anderen Gewerkschaften unterstützt wurden, wenigstens die Vorziehung des Termins vom 1. Januar 1976 auf den 1. Januar 1975 erreicht hätten — Sie wissen: die Vorgänge bei der Arbeitnehmerkonferenz der SPD, wo ihr Vorsitzender bei der Konferenz erklärt hat „Runter mit der Lohnsteuer!", um am Freitag darauf im Bundestag gegenteilig zu stimmen —

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Das nennt man politischen Charakter!)

— aber das eine war sozial, das andere war politisch, oder demokratisch —,

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

wenn wir nicht diesen Termin 1. Januar 1975 errungen hätten: wer glaubt denn heute ernsthaft noch, daß bei d e r Entwicklung der Finanzsituation der öffentlichen Haushalte, der parafiskalischen Haushalte, von Bahn und Post, eine Steuersenkung im Jahre 1976 überhaupt noch möglich gewesen wäre? Das Alibi war ja schon bestellt, nämlich daß die „Finanzierung der Reformpolitik", wie ja inflationäre Gestaltung der öffentlichen Haushalte immer öffentlich ausgewiesen wird, es leider nicht erlaube, diese Steuersenkung vorzunehmen. Daß die Arbeitnehmer in den Genuß dieser Steuersenkung kommen, das ist dem Vorstoß der CDU/CSU vom Sommer 1973 zuzuschreiben, nicht den guten Absichten der Bundesregierung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein weiterer Grund ist die Verniedlichung der Inflation und ihrer Folgen. Ein weiterer Grund: der Bundeskanzler versucht ständig den Eindruck zu erwecken, daß die Inflation der Preis für die Vollbeschäftigung sei. Nach dem Motto „Augen zu" hat er —

(Lachen bei der SPD)

— Sie kennen doch den Witz, wo das Kind neben der Mutter sitzt und sagt: „Mami, darfst die Augen aufmachen, der Lastwagen ist schon vorbei!" Nach diesem Motto handelt doch die Bundesregierung seit einiger Zeit.

(Wehner [SPD] : Würden Sie das wiederholen?!)

Denn wenn ich das Interview des Herrn Bundeskanzlers aus der „Zeit" nehme. wo er sagt — —

(Wehner [SPD] : Ich verstehe den Witz nicht, das ist eine Alterserscheinung bei mir!)

— Gerne für Sie, Herr Wehner; Sie scheinen allmählich auch zweimal hören zu müssen, bis Sie etwas begreifen; das war früher besser bei Ihnen!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

„Man wird zur Jahreswende", sagt der Bundeskanzler, „oder zu Beginn des Jahres 1975 noch erkennen sowohl in den Hauptquartieren der konservativen Partei" — wunderbarer Titel, Herr Bundeskanzler, das klingt so markig - „als auch in den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten" — die
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sicher für die Nachhilfe sehr dankbar sein werden, wenn Sie sagen —: „Mein im Mai 1972 geprägtes Wort" — 5 °/o Preissteigerung sind zwar schlimm, aber eher zu ertragen als 5 °/o Arbeitslosigkeit — „war richtig, nicht nur für 72, auch für 75 ein absolut notwendiger Maßstab".
Die 5 °/o Preissteigerung haben wir längst überschritten, und in der Zwischenzeit sind wir auf dem Wege zu 5 % Arbeitslosigkeit. Sie werden, wenn sie erreicht sind, sicherlich in einem weiteren Interview in der „Zeit" zwei oder drei Jahre später, wenn Sie nur könnten, eine neue Begründung der Richtigkeit Ihrer seinerzeitigen Äußerung finden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber das sind nicht nur Versuche zur Irreführung der Arbeitnehmer, sondern das ist nach der Beurteilung des Sachverständigenrates „ein folgeschweres Mißverständnis der Wirtschaftspolitik, das ein rechtzeitiges Gegensteuern verhindert hat". So der Sachverständigenrat, auf den Sie sich in Ihren Ausführungen berufen.
Geradezu grotesk ist die Vorgeschichte des jetzigen Programms. Seit Monaten wird das Ob und Wie eines Konjunkturprogramms im Regierungslager beraten. Am 27. November gab Herr Grünewald bekannt, daß die Regierung sich über das Konjunkturprogramm weitgehend einig sei. Jetzt müssen Bundestag und Bundesrat innerhalb von nur 5 Arbeitstagen über ein Programm entscheiden, das ihnen gestern mittag erst in Umrissen zugeleitet worden ist! Herr Bundeskanzler, hier vermissen wir den
) Respekt vor der Arbeitsfähigkeit des Parlamentes unter Berücksichtigung seiner Rechte und Interessen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Schon am 19. August 1974 erklärte Minister Apel in Berlin, die Regierung werde in den nächsten Wochen ein neues Konjunkturprogramm vorlegen, das sich sehen lassen könne. Das war im August! Nur drei Tage später bezeichnete er in Köln — bezeichnenderweise bei der Eröffnung der Herrenmodemesse — die Konjunkturlage als alles in allem befriedigend. Und der Bundeskanzler sagte Anfang September in einem Interview mit dem Dortmunder Magazin „Bilanz" : Wer zu früh nervös wird oder zu große Spritzen gibt, erzeugt Preisauftrieb. Am 4. September schloß er nach einer Sitzung des SPD-Parteipräsidiums einen generellen Kurswechsel in der Konjunkturpolitik ausdrücklich aus.
Die konjunkturpolitische Argumentation beschränkte sich in den folgenden Wochen auf die ständig wiederholten Hinweise des Kanzlers auf die 10 Milliarden DM im Keller der Bundesbank, die Geheimwaffe. Er versuchte, den falschen Eindruck zu erwecken, damit einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit jederzeit innerhalb kürzester Zeit stoppen zu können. — Das Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute sagte in der zweiten Oktoberhälfte voraus, eine Million Arbeitslose seien unvermeidlich. Regierungspartei und Helfershelfer zeigten sofort große Entrüstung; Herr Grünewald kritisierte das Fehlen einer Begründung. Staatssekretär Schlecht vom Bundeswirtschaftsministerium
nannte die Prognose fragwürdig; ich gebe zu, es war eine schwierige Situation für ihn. DGB-Chef Vetter ging weiter: unseriös. Er sprach auf einem Kongreß der Deutschen Postgewerkschaft am 22. Oktober in Hamburg von einem Geschäft mit der Angst und warf den Instituten vor, mit ihrer Prognose einen Beitrag zum Wahlkampf in Hessen und Bayern liefern zu wollen. Zugleich ließ der DGB eine Meldung bekanntgeben — und später wieder dementieren —, sein Institut erwarte höchsten 700 000 Arbeitslose.
Noch auf dem Deutschen Genossenschaftstag in Hamburg stellte Minister Friderichs Ende Oktober die Prognose über eine Million Arbeitslose in Zweifel und lehnte eine allgemeine Konjunkturbelebung ausdrücklich ab. In der ersten Novemberwoche erklärte der Kanzler in der „Zeit" :
Je nachdem, wie sich der weltwirtschaftliche Prozeß auf unsere eigene Wirtschaft auswirkt, gehe ich davon aus, daß wir gegen Ende des Jahres 1974 oder zu Beginn 1975 in eine bewußte Umsteuerung unserer eigenen Konjunkturpolitik eintreten werden.
Jeder konnte sich aus diesem sibyllinischen Katalog das herauslesen, was er wollte. Am 13. November las man, daß der Bundeskanzler vor seiner Fraktion konjunkturstützende Maßnahmen in der zweiten Dezemberhälfte angekündigt hätte — der Termin ist jetzt sogar unterschritten worden —, was allerdings am nächsten Tag von Regierungssprecher Grünewald dementiert wurde. Nach Vorlage des Gutachtens des Sachverständigenrates, das die Prognose der Wirtschaftsforschungsinstitute bestätigte, verlangte die SPD am 22. November durch Herrn Ehrenberg im Gegensatz zu den Vorschlägen des Sachverständigenrates zügig weitere konjunkturell expansiv wirkende Investitionen unter Einsatz der Konjunkturreserven. Diese Forderung wies Finanzminister Apel in Stuttgart zurück; er sprach sich dort gegen allgemeines Durchstarten aus.
Der Kollege Kirst von der FDP beharrte noch Anfang Dezember auf der Durchhalteparole: keine dringende Notwendigkeit für zusätzliche Programme zur Konjunkturbelebung. Anfang Dezember! Der Bundeskanzler kündigte zur gleichen Zeit — am 3. Dezember — an, jetzt sei die Zeit des Umsteuerns gekommen. Die FDP am Tage danach: Wir treten allen Spekulationen entgegen, der Zeitpunkt des Umsteuerns in der Konjunkturpolitik sei gekommen.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Gleichzeitig wurden fast täglich neue Meldungen über die Beratung der Konjunkturlage innerhalb der Regierung herausgegeben, Meldungen über Gespräche im Kabinett -- 27. November: angeblich volle Einigkeit, wie immer —, über Gespräche zwischen einzelnen Ministern mit dem Bundesbankpräsidenten und wiederum zwischen Bundeskanzler und einzelnen Ministern.
Was uns hier besonders stört, ist die völlig zweckwidrige und sachfremde Orientierung an Wahlterminen. Konjunkturpolitik darf nicht nach Landtags-
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wahlterminen — auch nicht nach Bundestagswahlterminen — gemacht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie wissen, was die „Frankfurter Allgemeine" dazu schrieb:
Werden in Wahlzeiten konjunkturpolitische Entscheidungen dringend, müssen sie getroffen werden. Fällt man sie aber nur deswegen, weil gerade eine Wahl ins Haus steht, hat der Wahlkampf nicht das Wohl, sondern die Bestechung der Wähler im Sinne.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Bezeichnend für den Führungsstil des Herrn Bundeskanzlers ist ja das, was laut „Süddeutsche Zeitung" Herr Bundeswirtschaftsminister Friderichs gesagt haben soll, als Herr Schmidt ankündigte, daß zur Jahreswende die Zeit zum Umsteuern gekommen sein müsse. Da meinte der Bundeswirtschaftsminister, durch mehrere Auslandsreisen den Kampfplatz aus der Ferne beobachtend — so heißt es —, zu Schmidts Vorpreschen: „Noch haben wir ja wohl keine Präsidialverfassung."

(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! — Noch nicht! — Lenzer [CDU/CSU] : Nur eine Frage der Zeit!)

Ob er den Standpunkt durchhalten wird, wird der Zukunft vorbehalten bleiben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Der Bundeskanz ler geht zu ihm! — Dr. Müller-Hermann[CDU/CSU] : Er wird zur Ordnung gerufen!)

— Manchmal läßt sich auch der Monarch huldvoll zu Untertanen herab.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Am 17. November 1974 warnte Minister Friderichs vor Hektik in der Konjunkturpolitik. Vor fünf Tagen forderte die FDP zum wiederholten Male eine Konjunkturpolitik der ruhigen Hand. Im Gegensatz dazu wird dem Parlament jetzt eine Frist bis zum kommenden Donnerstag gesetzt. Das ist ein Skandal, Herr Bundeskanzler!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Regierung hat Monate und Wochen gebraucht, um die Umrisse zu erarbeiten, und jetzt sollen die erste, zweite und dritte Beratung im Plenum, die Vorberatungen in Fraktionen und Arbeitskreisen, die Ausschußsitzungen und die abschließende Entscheidung des Bundesrates im Laufe von sage und schreibe sechs Tagen erfolgen. Unter diesem Zeitdruck ist eine sachliche und ausgewogene Beratung unmöglich.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Die Regierungsparteien lassen es zu, daß die Regierung den Gesetzgeber zu einer Akklamationsmaschine in beiden Kammern degradiert. Die CDU/ CSU-Fraktion hätte sich ein solches Verhalten in vergleichbarer Lage von einer ihrer Regierungen nicht gefallen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist um so schlimmer, Herr Bundeskanzler, weil, wie sich jetzt herausstellt — was wir gar nicht geglaubt, gar nicht für möglich gehalten haben -, Ihre Umstellung von Investitionsprämie auf Investitionsumlage

(Zurufe von der SPD: Zulage!)

— ich weiß, daß Sie sich an solchen Dingen erheitern können; das spricht für den Horizont, mit dem Sie die Dinge betrachten —,

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) die Umstellung von der Prämie zur Umlage — —


(Zurufe von der SPD: Zulage! — Lachen bei der SPD)

— Meine sehr geehrten Damen und Herren: von der Umlage zur Prämie.

(Abg. Wehner: Sie denken immer an Umlage! — Lachen bei der SPD)

Aber in der Umgebung wird man, na ja, ich möchte sagen: Es besteht immer die Gefahr der Assimilation an die Verwirrung.

(Lachen bei der SPD — Wehner [SPD] : Das ist also der „Wiener Wald" !)

Diese Umstellung, Herr Bundeskanzler, haben Sie heute mit schönen Worten begründet. Das wirke schneller. Sagen Sie doch die Wahrheit: Der Betriebsverlust des Volkswagenwerkes von 700 Millionen DM und mehr in diesem Jahre war entscheidend bei der Überlegung, diese Umstellung auf die Investitionszulage vorzunehmen.

(Lachen auf der Regierungsbank)

Aber hier handelt es sich ja auch um ein Unternehmen, das von der Wirtschaftsführungskunst des zuständigen Landes und des Bundes in besonderer Weise geprägt ist, wie sich im Laufe der letzten Jahre gezeigt hat.
Aber bei dieser Umstellung, Herr Bundeskanzler, hätten Sie doch den Ländern und den Gemeinden vorher sagen müssen, daß die Lasten aus diesem Programm zum größten Teil von ihnen getragen werden. Es ist ein in der Geschichte des Zusammenwirkens von Bundesregierung und Bundesrat einmaliger und unerhörter Vorgang, daß man die Länder und Gemeinden darüber im unklaren läßt. Sie haben erst gestern davon erfahren. Gestern noch wußten die sogenannten Experten in diesem Hause nicht einmal, daß es so gehandhabt werden soll, daß 57 % — 43 plus 14 — bei der Einkommensteuer und 50 % Einnahmeverluste bei der Körperschaftsteuer von den Ländern und Gemeinden zusammen — im ersten Fall, die 57 % — bzw. allein von den Ländern
— im anderen Fall, die 50 % — getragen werden sollen mit dem trostvollen Hinweis, daß ja die steuerbelebenden Wirkungen dieser Maßnahmen sie über diesen Verlust eines Tages wieder hinwegtrösten würden.
Das ist ein Vorgang der Mißachtung der Länder und eine skandalöse Behandlung der Länder, eine Verletzung der notwendigen Formen der Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und dem Bundesrat. Und das, Herr Bundeskanzler, gilt ja
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9435
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nicht nur für die CDU/CSU-regierten Länder. Nur haben die allein noch die Möglichkeit, ihren Unmut zur Geltung zu bringen; die anderen in ihrer Überlebensangst wagen es ohnehin kaum mehr, sich zu äußern.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

Das sogenannte Konjunkturprogramm der Bundesregierung läßt sich dahin kennzeichnen: zu spät und zuviel für zuwenig. Die Folgen der jahrelangen Mißwirtschaft bei den Staatsfinanzen können ohnehin nicht allein mit einer vorübergehenden Konjunkturspritze beseitigt werden. Durch diese Mißwirtschaft ist ein Vertrauensschwund eingetreten, ein negatives Investitionsklima entstanden, das nur durch eine grundsätzliche Änderung der gesamten Politik, durch einen Neubeginn wiederbelebt werden kann. Dazu ist diese Regierung nicht mehr fähig; Sie haben den Vertrauenskredit verspielt. Es sind nicht nur materielle Gründe, wie Sie es darstellen, es sind in erster Linie Vertrauensgründe — neben den materiellen —, die zu der heutigen Situation geführt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und jetzt sagen Sie ja nicht, wie am Ende Ihrer Darlegung: „Wenn irgendwo von Verunsicherung die Rede ist, dann sage ich, macht Schluß mit der Verunsicherung!" Das ist doch die Reihenfolge der Parole: Haltet den Dieb! Wer hat denn die deutsche Wirtschaft verunsichert, wer hat denn von der Vergesellschaftung der Produktionsmittel gesprochen, wer hat denn vom Nutzungseigentum beim Boden gesprochen, wer hat denn die Unternehmer laufend beschimpft, wer hat denn Investitionskontrolle verlangt, und wer hat die Verstaatlichung von Banken und Versicherungen verlangt!? — Doch die Kreise!

(Wehner [SPD] : Wer hat denn die Brieftasche weggenommen?!)

— Das spricht für Ihr Niveau, lieber Herr Wehner. Ich heiße aber nicht Gscheidle, bloß damit sie es wissen.

(Lachen bei der SPD)

Das zeigt doch, wie tief Sie getroffen sind und wie unendlich tief Sie gesunken sind, Herr Wehner.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie sich so äußern, haben diejenigen recht, die der Meinung waren, daß Sie nie in ein demokratisches Parlament gehört hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer hat denn diese Panikmache betrieben? Darf eine Opposition nicht mehr das sagen, was sie für richtig hält? Darf eine Opposition nicht mehr für die Zukunft sagen, was dann tatsächlich eintritt? Darf eine Opposition nicht mehr warnen? Betrachten Sie uns als Gesangverein, der immer Ja und Heil schreien soll, wenn Sie falsche Prognosen ausgeben?!

(Wehner [SPD] : Deutschland braucht Bayern! — Weitere Zurufe von der SPD)

So kann man die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Bundesrat nicht wahrnehmen, wie es hier
aus diesem Stil sichtbar ist. Das muß einmal von dieser Stelle aus gesagt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Oder glauben Sie auch, daß der Unternehmer, der diesen dramatischen Leserbrief — vielleicht überspitzt —, wie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" veröffentlicht, geschrieben hat: „Ich gebe auf", von der CDU/CSU dazu angestiftet war?

(Huonker [SPD] : Wer schließt das aus?!)

Glauben Sie, daß die Tausende von Mittelständlern, die nicht mehr weitermachen wollen — zum Teil, weil sie nicht mehr können, zum Teil, weil sie entmutigt sind —, Agenten der CDU/CSU sind? Das sind die Folgen der jahrelangen gesellschaftspolitischen Drohungen, die von Ihrer Seite und Ihren Freunden hier ausgestoßen worden sind.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

Trotz der Schärfe meiner Kritik, Herr Bundeskanzler, sage ich: Die Situation ist so unangenehm und so ernst, daß wir die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung in dieser Lage nicht schlechterdings ablehnen, daß wir nicht ein Nein zu diesem Programm schlechthin sagen.

(Wehner [SPD] : Vorläufig! — Weitere Zurufe von der SPD)

Wir sagen, daß wir gegenüber diesem Programm schwerste Bedenken haben.

(Wehner [SPD]: Vorläufig, ja! — Zuruf von der SPD: Ihre Vorschläge?! — Weitere Zurufe von der SPD)

— Kommt alles, kommt alles, noch habe ich zwölf Minuten Zeit. — Das deutsche Volk, das diese Debatte heute weitgehend verfolgt, soll wissen, daß hier ein einmaliger Versuch der Vernebelung, der Vertuschung und Verwischung von Schuld und Verantwortung geschieht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir lassen uns nicht zu Komplizen für den Zustand machen, der heute durch dieses Konjunkturprogramm angeblich behoben werden soll.

(Wehner [SPD]: Heute ist Freitag, der 13.! — Heiterkeit bei der SPD)

— Der Freitag, der 13., wird für Sie noch oft ein unangenehmes Datum werden, Herr Wehner. Ich glaube, daß die Götterdämmerung auch für Sie angebrochen ist, auch ohne Freitag, den 13.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Warum sind Sie denn so aufgeregt, Herr Strauß?)

Stehen wir denn nicht vor der Zerrüttung der Staatsfinanzen?

(Wehner [SPD] : Nein, der Redezeit!)

Sind nicht Bahn und Post als Folge der inflationären Entwicklung in einer unmöglichen Finanzsituation? Ist Nürnberg nicht unfähig, zu zahlen, wenn der Bund nicht die Kredite gibt? Ist nicht die öffentlich-rechtliche Krankenversicherung heute darauf angewiesen, massive Beitragserhöhungen
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Strauß
und damit Verminderung des Konsumeinkommens der Arbeitnehmer aus der sogenannten Steuerreform verfügen zu müssen? Ist denn das alles nicht wahr?! Wer hat denn die in der Großen Koalition beschlossenen Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzsituation rückgängig gemacht und die Schuld auf die CDU/CSU abwälzen wollen?

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Diese Sünden zahlen sich doch heute aus, wie sich Demagogie in der Finanzpolitik immer auszahlt, und zwar negativ. Das muß hier einmal gesagt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU — Huonker [SPD] : Deswegen sind Sie in der Opposition!)

Wir identifizieren uns nicht mit diesem Programm, aber wir werden die Teile des Programms, die mit Abstand die zweitbeste Lösung möglicher Lösungen darstellen, im Bundestag und im Bundesrat, wenn bestimmte Probleme noch geklärt werden — im Bundesrat nach meiner Kenntnis der dort vorhandenen Zusammenhänge , nicht behindern.

(Wehner [SPD] : Sehr gut!)

Die Bundesregierung ist jetzt wieder bereit, den Wert privater Investitionen anzuerkennen. Aber ob das hier vorgesehene Gießkannenprinzip geeignet ist, die Investitionsbereitschaft bei denen zu heben, die entweder nicht mehr können oder nicht mehr wollen, ist eine andere Frage. Bei den anderen ist es so, daß sie die Investitionsbegünstigung als eine willkommene Vermehrung ihrer Liquidität betrachten, ohne darauf angewiesen zu sein.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : „Die Reichen reicher machen" !)

Sie wissen doch: Wenn ein Unternehmen — ein Konzern oder ein Unternehmen ähnlicher Größenordnung — eine Investitionsplanung vornimmt, ist es eine Planung über eine Reihe von Jahren hinweg. Diese Planung wird oft prozyklisch und antizyklisch durchgeführt. Sie wird meist ohne Rücksicht auf die Konjunkturlage oder auch auf die Steuerbelastung durchgeführt.
Bei den mittleren und kleinen Unternehmen ist es in der Hauptsache anders. Darum besteht doch bei diesem Programm die Gefahr, daß hier Millionen von Steuermitteln denen zugute kommen, die es nicht brauchen, und daß diejenigen, die es brauchen, mit Abstand nicht das erhalten, was zum Überleben und zu einer Ermutigung in ihrer unternehmerischen Existenz notwendig wäre.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist es, was wir, ohne sie abzulehnen, gegen diese Investitionszulage hiermit an Vorbehalten und Bedenken nennen.
Wir halten die Lohnkostenzuschüsse für eine Art produktiver Arbeitslosenfürsorge. Wir werden Sie auch hier nicht behindern. Aber dann muß der Bund zuerst der Bundesanstalt in Nürnberg den Kredit geben, damit Nürnberg zahlen kann. Die Verlängerung zur Zahlung des Kurzarbeitergeldes von 12 auf 24 Monate zeigt doch, was Sie selbst von der wirtschaftlichen Entwicklung in den nächsten zwei Jahren halten. Was hier an Mittelstandsförderung über ERP-Mittel, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, vorgesehen ist, findet unsere Billigung, unterliegt aber der Kritik, die ich vorhin schon geäußert habe.
Hier wird zu spät zuviel für zuwenig ausgegeben. Aber das Ganze ist ein Kompromiß, der nach jahrelangem Hin und Her der Konjunkturbeurteilung und nach monatelangen Kontroversen nun endlich das Licht der Welt erblickt hat. Wir werden uns in den Ausschüssen oder bei anderer Gelegenheit im einzelnen darüber unterhalten. Aber unser Hauptbedenken ist: zu spät zuviel für zuwenig. Das gilt vor allen Dingen für die investitionsfördernden Maßnahmen, die in dieser Form nach dem Gießkannenprinzip wahrlich nicht der Weisheit letzten Schluß darstellen.
Aber Sie sollen sich nicht darauf berufen können, Herr Bundeskanzler, wenn diese Maßnahmen nicht ihr Ziel erreichen.

(Wehner [SPD] : Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert!)

Wir liefern Ihnen hier kein neues Alibi, wie Sie es heute bereits aufzubauen begonnen haben: Wenn die Unternehmer nicht investieren, ist die CDU/ CSU daran schuld. Wenn die Preise erhöht werden, sind es die Unternehmer. Auf dieses Spiel lassen wir uns nicht ein, daß Sie, von der Wirkungslosigkeit Ihrer Maßnahmen oder von der mangelnden Wirksamkeit heute bereits furchtmäßig befallen, von neuem Schuldige suchen, wie es früher bei der Inflation der Fall gewesen ist.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Wir nehmen auch die zweitbeste Lösung nach gründlicher Beratung und hoffentlich einigen Korrekturen in Kauf. Aber wir sagen: Das ist mit Abstand die zweitbeste Lösung.

(Zuruf von der SPD: Herr Strauß, Sie haben noch zwei Minuten!)

— Sie irren; ich habe genau noch acht Minuten.

(Wehner [SPD] : Der Trittbrettfahrer will dem Lokomotivführer klarmachen, daß er auch was hat!)

Was hätte getan werden müssen? Nach unserer Auffassung wären nicht nur kurzfristige, sondern auch Dauermaßnahmen zu treffen, die eine tatsächliche Verbesserung des Investitionsklimas herbeiführen. Ich habe eine Reihe dieser Maßnahmen genannt. Die Erhöhung der vermögensabhängigen Steuern ab 1975 für die Wirkung eines Jahres mit 2,5 Milliarden DM ist doch Gift in dieser wirtschaftlichen Situation.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

Ich wundere mich darüber, wie Herr Kollege Friderichs und Frau Liselotte Funcke dazu kommen, zu sagen, die CDU/CSU hätte dem ja keine Aufmerksamkeit gewidmet, hätte nicht darum gekämpft. Ist es denn nicht so gewesen, daß im Finanzausschuß die Vorschläge der CDU/CSU-Vertreter, diese
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Strauß
Vermögensteueranhebung zu unterlassen, von den Regierungsparteien einschließlich Frau Funcke abgelehnt worden sind?

(Zurufe von der CDU/CSU: So war es!)

Ist es denn nicht so, daß in der Nacht im Bundeskanzleramt, wo wir über den Kompromiß wegen der Behandlung der Sonderausgaben uns gestritten und dann geeinigt haben, der anwesende Herr Genscher kein Wort sagte, als ich das Thema Verzicht auf Vermögensteueranhebung ins Gespräch brachte? Ist es denn nicht wahr, daß mir gesagt worden ist, darüber könne man jetzt nicht mehr reden, der Zug sei abgefahren? Und warum war er abgefahren? Weil Sie, Herr Bundeskanzler mit Recht Angst hatten, in Ihren eigenen Reihen

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU]: So ist es!)

sich gegen diese falsche Ideologie einer ständig stärkeren Vermögensbesteuerung zur Wehr zu setzen. Darum ist das so.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Viel wichtiger als Investitionsspritzen ist die Verbesserung der Ertragslage der Unternehmen und ihrer Liquidität aus sich selbst heraus. Das sind mittelfristige Maßnahmen. Was Sie hier vorlegen, ist eine kurzfristige Maßnahme, die als Spritze sozusagen wie ein plötzliches Aufputschungsmittel wirken soll. Was wir brauchen, ist eine langfristige Verbesserung des Klimas und eine mittelfristige Verbesserung der Liquidität. Über den Rest brauchten Sie sich dann keine Sorgen mehr zu machen. Aber die Gegner Ihres Erfolges, Herr Bundeskanzler, sitzen doch nicht hier, die sitzen doch hier, auf der Seite des Hauses (zur SPD).

(Beifall bei der CDU/CSU)

Man hätte auch — und ich bin froh darüber, daß Sie es wohlwollend erwähnt haben — den Verlustrücktrag wenn nicht für zwei Jahre, dann für ein Jahr einbauen müssen. Das hätte sofort sowohl das Vertrauensklima wie die Liquidität verbessert.
Man kann sehr wohl auch daran denken, die Umstellung der Abschreibung nicht auf einmal vorzunehmen. Ich weiß, daß diese Maßnahmen, die ich nenne, nicht kumuliert auf einmal angewandt werden dürfen: Verbesserung der degressiven Abschreibung auf das Zweieinhalbfache der linearen Abschreibung, die Anpassung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz, um die Besteuerung der Scheingewinne endlich einmal zu beenden, dann die Einführung des Lifo-Verfahrens für die Vorratsvermögen. Und wer eigentlich hat diese Regierungskoalition auf die abwegige Idee gebracht, die von uns seinerzeit eingeführte steuerliche Begünstigung von Investitionen auf dem Gebiete wissenschaftlicher Forschung und technischer Entwicklung ab 1. Januar abzubauen? Das ist ein geradezu schreiender Beweis dafür, wie hier verbale Beteuerungen auf der einen Seite und tatsächliches Handeln in Gesetzgebung und Regierung auf der anderen Seite in einem nicht auflösbaren Gegensatz stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was wir hier vertreten, ist keine obstruktive Opposition. Wir vertreten hier und haben immer vertreten die Stimme der wirtschaftlichen Vernunft, auch wenn wir deshalb diffamiert und denunziert worden sind. Wenn diese Stimme der wirtschaftlichen Vernunft ernstgenommen worden wäre, gäbe es heute nicht 1,2 Millionen Arbeitslose und Kurzarbeiter, wäre die Inflationsrate niedriger, und Sie bräuchten keine solchen Klimmzüge hier zu machen, Herr Bundeskanzler, wie Sie es bei dieser Rede unter völliger Leugnung Ihrer früheren Äußerungen, unter völliger Verwischung von Ursache und Wirkung, unter Vorschiebung neuer Schuldiger schon für die Zukunft bei dieser Regierungserklärung haben tun müssen. Das ist die Wahrheit, und das ist der Zusammenhang, der hier herausgestellt werden muß.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie können nicht sagen, die Steuerausfälle wären dann größer. Erstens weiß das kein Mensch. Sie wissen auch, Herr Bundeskanzler, daß das niemand exakt berechnen kann. Zweitens, unsere Vorschläge sollen nicht alle auf einmal kumulativ sofort durchgeführt werden, sondern der Reihe nach, und die wirksamsten sollen vorgezogen werden. Im übrigen haben wir ja an Hand der Beispiele 1967/68/69 erlebt, daß eine von innen her kommende Belebung der wirtschaftlichen Ertragsfähigkeit durch Verbesserung der Vertrauenssituation, durch Verbesserung der materiellen Faktoren, zu wesentlichen Steuermehreinnahmen führt, die dann das übertreffen, was jetzt meistens durch Zahlungsterminverschiebungen nur an Verlusten vorübergehender Art, z. T. auch an echten Verlusten, eintritt.
Das ist das, was wir an Kritik anzumelden haben, und das ist es, was wir an Gegenvorschlägen anzumelden haben.

(Zurufe von der SPD: Vorschläge — wo denn?)

Die Einkommenspolitik, das Verhalten der Tarifpartner, Herr Bundeskanzler, haben Sie erwähnt. Aber Sie hätten es viel leichter gehabt, wenn Sie bereits im Jahre 1973, wie heute schon erwähnt, darauf eingegangen wären. Jetzt, wo Sie diese Steueränderung am 1. Januar 1975 durchführen, sagt man Ihnen von seiten der Gewerkschaften mit Recht: Hier besteht doch kein Zusammenhang zwischen Steueränderung und Kostenverminderung auf dem Lohn- und Gehaltssektor. Im Jahre 1973 hätte man eine gewisse Verbindung herstellen können und damit den Druck, der bis heute besteht, erheblich vermindern und die Ausgangssituation für langfristige Wirtschaftsbelebung erheblich auch verbessern können.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713700400
Warum sagen Sie nichts darüber, daß die von Ihren Vorgängern und Ihnen herbeigeführte Zerrüttung der Staatsfinanzen und die damit verbundene Nettokreditaufnahme von mindestens 55 Milliarden DM für Gemeinden, Länder, Bund plus Bahn und Post ein Ausmaß erreicht, daß allein diese Kreditnehmer die Hälfte der privaten Geldkapitalbildung des Jahres 1975 in Anspruch nehmen müssen? Eine Inflations-
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Strauß
quelle erster Ordnung! Diese Finanzierung kann verkraftet werden, das gebe ich zu, aber nur, wenn die Bundesbank eine Kreditexpansion ermöglicht. Wir begrüßen die Begrenzung der Zunahme des Zentralbankgeldes auf 8 °/o ausdrücklich. Nicht weil wir das etwa für eine Erleichterung, sondern weil wir das für eine wirksame Grenze halten. Aber auf dieses Konto gehen dann die Kreditexpansionen, die ein Akt der Geldschöpfung sind, auf dieses Konto geht die Freigabe der Konjunkturrücklage, auf dieses Konto geht die Flüssigmachung der Reserven der Sozialversicherung, die im Jahre 1975 erstmals wieder ins Defizit kommt, und auf dieses Konto gehen die Umwechselaktionen bei weiteren Verkäufen sei es von Schuldscheinen des Bundes an die Araber, wie leider zu überhöhten Zinsen geschehen, sei es von deutschen Aktien an die Araber, weil die gezahlten Dollars sofort in D-Mark umgesetzt werden. Wir begrüßen diese 8 N. Aber diese 8 °/o stehen nach aller Wahrscheinlichkeit in einem unauflösbaren Gegensatz zu dem, was Ihre und Ihrer Vorgänger Politik an Kreditexpansion zur Finanzierung der zerrütteten öffentlichen Haushalte einschließlich Bahn, Post, Nürnberg und öffentlich-rechtlicher Krankenversicherung herbeigeführt haben.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Das ist leider richtig!)

Das ist die Situation, und mit dieser Situation, Herr Bundeskanzler, müssen Sie fertig werden. Dafür müssen Sie die Verantwortung übernehmen. Wir sind bereit, Ihnen dabei zu helfen, aber unter ganz klarer Einhaltung der Grenzen, wie heute geschildert.
Herr Bundeskanzler, Sie haben heute eine Regierungserklärung vorgetragen, bei der uns Ihre zwei Welten wieder in Erscheinung getreten sind. Nun, Sie haben ja begonnen, mit Hilfe publizistischer Büchsenspanner ein neues Image aufzubauen - ich sage es humorvoll, nicht gehässig —, so ein Image zwischen Napoleon und Kissinger, andere würden sagen: zwischen Blücher und Bismarck.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Offensichtlich besteht bei Ihnen und den Ihren ein Bedürfnis, nach der mehr seelentröstenden Heilsfigur Ihres Vorgängers, des letzten Kanzlers, nun einen irdischen Helden mit pragmatischem Western-Look aufzubauen.

(Erneute Heiterkeit bei CDU/CSU)

Aber das, was Sie heute vorgetragen haben, und die Darstellung der Vorgeschichte ist kein Heldenstück, auch wenn es manchmal so ein bißchen im Hamlet-stil vorgetragen worden ist. Das ist sozialdemokratische Seelenmassage zur Bewältigung der Vergangenheit, zu einem selbsthypnotischen Vergessen der eigenen Schuld und Verantwortung, und das ist auch wieder ein Stück astrologischer Zukunftsverheißung, und all das auf dem Rücken unserer Wirtschaft. Darum sind wir Ihnen, Herr Bundeskanzler, nicht neidisch. Aber was unser Teil ist, werden wir Ihnen helfen, im Interesse unseres Volkes, unserer Arbeitnehmer und unserer Wirtschaft.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0713700500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf Lambsdorff. Seine Fraktion hat ebenfalls eine Redezeit von 60 Minuten angemeldet.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0713700600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Bis auf die letzten 8 Minuten Ihrer Ausführungen, Herr Kollege Strauß, war ich etwas geneigt, das in Düsseldorf erscheinende „Handelsblatt", jedenfalls seine Ausgabe von vorgestern, für ein Märchenblatt zu halten; denn bis dahin hatten wir von den Vorschlägen, die Sie gemacht haben und die dort im „Handelsblatt" nachzulesen sind, kein Wort gehört.

(Sehr richtig! bei der SPD)

Wir werden uns mit diesen Vorschlägen auseinandersetzen. Wir haben, nachdem wir heute gehört haben, das sei nur so nach und nach einzuführen, das müsse nicht alles auf einmal kommen, den Eindruck, Herr Strauß, daß Ihre Fraktion Sie ein wenig zurückgepfiffen hat. Inzwischen hat offensichtlich auch mal jemand gerechnet, was bei diesen Vorschlägen denn wohl herauskommen könnte.
Im übrigen, Herr Kollege Strauß, haben Sie uns mit dem berühmten und bekannten Rundumschlag auch heute nicht enttäuscht. Wir werden Gelegenheit nehmen, darauf zu antworten.
Zunächst einmal haben Sie hier die Vorbereitung dieses Konjunkturprogramms in der politischen Diskussion sowohl in der Öffentlichkeit wie innerhalb der Koalitionsparteien gerügt. Herr Kollege Strauß, wir werden Sachfragen auch in Zukunft miteinander diskutieren, und wir wollen auch der Öffentlichkeit sagen, daß es eine bare Illusion wäre, zu glauben, man könne eine solche Maßnahme so hinter verschlossenen Türen diskutieren, daß keinerlei Ankündigungseffekt und keinerlei Wirkung nach draußen möglich sind. Dies ist nicht möglich. Solche Wirkungen lassen sich nicht vermeiden. Ich möchte dies insbesondere auch im Interesse all derjenigen sagen, die gedanklich, arbeitsmäßig durch die Vorbereitung von Papieren und Plänen mit einer solchen Aktion beschäftigt sind und immer wieder in den ungerechtfertigten Verdacht geraten, sie könnten nach draußen den Mund nicht halten und würden die Öffentlichkeit informieren. Machen wir uns nichts vor: Anders geht es nicht.
Herr Kollege Strauß, Sie haben zweitens zur Kenntnis zu nehmen, daß die sozialliberale Koalition aus zwei Parteien besteht, die selbständige und unabhängige Partner sind und die durchaus auch mit unterschiedlichen Ideen an ein solches Konjunkturprogramm herangehen.

(Seiters [CDU/CSU] : Blockparteien!)

Meine Damen und Herren, wir waren in einem Punkte, wie wir ja auch gar nicht verschwiegen und bestritten haben, unterschiedlicher Meinung, nämlich in der Frage der Höhe der öffentlichen Investitionsausgaben und des Umfangs der Aufgaben. Wir haben uns selbstverständlich auch in dieser Frage, wie es immer geschieht, in gegenseitiger Unabhän-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9439
Dr. Graf Lambsdorff
gigkeit und gegenseitigem Respekt auf ein Ergebnis geeinigt. Dieses Ergebnis liegt Ihnen heute vor.

(V o r sitz : Vizepräsident Frau Funcke)

Herr Kollege Strauß, ich kann Ihnen versichern — ich bin natürlich überzeugt davon, daß Sie dies nicht glauben und daß Sie es, selbst wenn Sie es glauben, kaum zugeben werden —, daß Überlegungen im Hinblick auf Wahlzeiten und Wahlzeitpunkte bei der Befristung und beim Termin dieses Programms in der Tat keine Rolle gespielt haben.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Na, na!)

Es haben vielmehr andere Überlegungen, die dann auch zu der von uns nicht gerade mit großer Begeisterung aufgenommenen Eile und dem Zeitdruck geführt haben, eine Rolle gespielt, nämlich die im übrigen auch von Ihnen in der öffentlichen Diskussion verlangte notwendige Abstimmung mit unseren Partnern sowohl auf der anderen Seite des Atlantiks als auch in der Europäischen Gemeinschaft. Es ist immer klar gesagt worden — und zwar schon vor Wochen —, daß die Bundesregierung ihre Entscheidung treffen wird, wenn die Gipfelkonferenz Gelegenheit gehabt hat, Stellung zu nehmen, und wenn unsere Partner die Möglichkeit gehabt haben, sich zu diesen Vorschlägen zu äußern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist geschehen. Sie wissen aus der Diskussion von vorgestern, daß die Partner der Bundesrepublik im Bündnis sich zu diesen konjunktur- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen nicht nur zustimmend geäußert haben, sondern daß sie auch ihr eigenes Interesse daran bekundet haben, daß wir konjunkturpolitisch einen neuen Aufschwung ansteuern und ihn hoffentlich auch in absehbarer Zeit erreichen.
Ich frage mich allerdings, Herr Strauß, aus welcher Position heraus Sie über die angeblichen Meinungsbildungsschwierigkeiten innerhalb der Koalition sprechen.

(Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Die hat es gar nicht gegeben?!)

— Herr Kollege Vogel, ich gebe in der Tat zu, daß die Einigkeit der Opposition in Fragen der Konjunkturpolitik in den letzten Wochen deutlich demonstriert worden ist. Alle die zahlreichen wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion haben sich offensichtlich Schweigen geboten. Das war wohl die einzige Möglichkeit, Einigkeit zu demonstrieren. Selbst der Fraktionsvorsitzende hat sich diesmal zu wirtschaftspolitischen Überlegungen nicht geäußert.

(Beifall bei der FDP — Wehner [SPD] : Hört! Hört!)

Die einzigen beiden Ausnahmen sind die Kollegen Pieroth und Blüm mit ihrem sehr sinnreichen Vermögensbildungsvorschlag zu einem Zeitpunkt, in dem wir die Gewinne verbessern wollen.

(Eilers [Wilhelmshaven] [CDU/CSU] : Das paßt Ihnen auch wieder nicht!)

Sie haben dann die passende Antwort von Herrn
Strauß selber bekommen. Ich glaube, wir sollten uns
hierüber nicht noch länger unterhalten. In unserem Namen möchte ich Herrn Pieroth mit Deutlichkeit folgendes sagen. Man kann auch die beste Sache der Welt bei besten Absichten zu Tode reiten, wenn man sie fortgesetzt zum ungeeignetsten Zeitpunkt präsentiert.
Die Uneinigkeit in Ihren Reihen, meine Damen und Herren, ist dann aber erst recht deutlich geworden, als Herr Strauß sich vorgestern im „Handelsblatt" geäußert hat. Man darf doch wohl daran erinnern, daß Sie am 5. November noch erklärt haben, es werde keine zusätzlichen Haushaltsbelastungen geben.

(Abg. Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713700700
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0713700800
Sofort! — Am i i . November hat Herr Strauß einen Katalog von Forderungen aufgestellt, die zu einem zusätzlichen Steuerausfall von rund 6 Milliarden DM führen würden.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Er hat ausdrücklich gesagt: kumulativ!)

— Herr Jenninger, so steht es im „Handelsblatt". Lesen Sie es bitte nach.

(Strauß [CDU/CSU] : Als Alternative, steht da!)

Die Abschwächung heute haben wir wohl gehört. Die Verwirklichung dieser Forderungen bedeutet einen Steuerausfall von — vorsichtig gerechnet und sehr zurückhaltend geschätzt — 6 Miliarden DM.
Bitte, Herr Müller-Hermann!

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0713700900
Herr Kollege, wäre es dann nicht wirklich angemessen, wenn Sie zu den mindestens 50 unterschiedlichen, widersprüchlichen Äußerungen zum Konjunkturprogramm aus dem Lager der Regierung, der Koalition etwas mehr sagen würden? Das ist, glaube ich, viel schlimmer als das, was aus dem Lager der Opposition möglicherweise an unterschiedlichen Auffassungen kommt.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0713701000
Herr Kollege Müller-Hermann, ich habe gerade eben — falls Sie die Geneigtheit gehabt haben zuzuhören — ausgeführt, daß wir natürlich in einzelnen Punkten mit unterschiedlichen Vorstellungen an die Erarbeitung dieses Programms herangegangen sind und daß das auszudiskutieren war.

(Seiters [CDU/CSU] : Wir dürfen das, Sie nicht!)

— Sie machen den einen fehlerhaften Unterschied: wir sind eine Koalition aus zwei Parteien, während Sie, obwohl Sie auch aus zwei Parteien bestehen, eine Fraktion sein wollen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Deswegen können wir doch unterschiedliche Meinungen haben!)

9440 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974
Dr. Graf Lambsdorff
— Meine Damen und Herren, ich glaube, bevor Sie uns Ratschläge über die Einheitlichkeit der Meinungsbildung innerhalb der Koalition geben, sollten wir Ihnen empfehlen, das bei sich selber zu versuchen und uns mit diesem Rat jedenfalls zu verschonen.
Herr Kollege Strauß, Sie haben den Staatsbankrott
- die Wirtschaft ist ruiniert, der Staat ist bankrott;
das kennen wir alles — diesmal wie üblich damit begründet, daß Sie das Defizit der öffentlichen Hände von 55 Millionen DM für 1975 hier kritisiert haben.

(Strauß [CDU/CSU] : Millionen wäre wunderbar!)

— Ja, Milliarden! Entschuldigen Sie vielmals. Ich habe immer etwas Schwierigkeiten mit den Nullen, vor allem wenn sie rechts stehen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP Strauß [CDU/CSU] : Das war ein Offenbarungseid!)

Meine Damen und Herren, die CDU-Vorschläge zur Steuerreform haben das Defizit und den Einnahemausfall ganz beträchtlich erhöht. Wir brauchen wohl nicht im einzelnen daran zu erinnern, was letztlich im Vermittlungsausschuß an zusätzlichem Einnahmeausfall aus der Steuerreform durch das Wirken Ihrer Parteifreunde, insbesondere der Länderministerpräsidenten, herausgekommen ist.
Zum zweiten. Sie haben sich eben, Herr Kollege Strauß hier noch einmal zur Frage der Vermögensteuer geäußert. Ich darf darauf hinweisen, daß sowohl Sie wie der Vorsitzende der CDU beim Kompromiß im Bundesrat der Wiederanhebung der Vermögensteuer für die juristischen Personen um die geht es hier in erster Linie — zugestimmt haben. Sie haben damals als Ergebnis dieses Kompromisses selber festgehalten, es gebe weder Sieger noch Besiegte. Dann wäre es doch sehr dankenswert, wenn Sie sich nicht heute nachträglich als den Besiegten hinstellten.

(Strauß [CDU/CSU] : Weil sonst das Ganze gescheitert wäre! Das wissen Sie doch!)

- Eben. Dieses ganze Steuerreformpaket ist natürlich auch in den Einnahmen und Ausgaben ein Paket.

(Strauß: [CDU/CSU]: Schlechtes Gewissen!)

Wenn Sie es von einer Seite her aufbrechen oder aufdröseln wollen, müssen Sie auf der anderen Seite natürlich auch die Konsequenzen sehen. Diese Problematik ist aber allen, Ihnen ganz besonders, immer wieder bekannt gewesen.

(Strauß [CDU/CSU] : Die Investitionsumlage kostet mehr!)

— Darüber werden wir uns gleich unterhalten, was die Investitionsumlage kostet und wie sie finanziert wird.
Nun, meine Damen und Herren, hier ist vorhin großes Gelächter in der Oppositionsfraktion aufgekommen, als der Bundeskanzler davon sprach, daß die Steuererleichterungen mit der Steuerreform am 1. Januar 1975 zum konjunkturpolitisch richtigen
Zeitpunkt kommen. Ich darf mit Erlaubnis der Frau e Präsident hier kurz aus dem Sachverständigengutachten zitieren:
Auch aus diesem Grunde ist es ein glücklicher Umstand, daß dauerhafte Steuersenkungen gerade Anfang 1975 in Kraft treten, der größere Teil der vorgesehenen expansiven Impulse der Finanzpolitik also über die Einnahmenseite gehen und damit die privaten Ausgaben anregen wird.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch nicht Ihr Verdienst!)

— Habe ich gesagt, daß das unser Verdienst ist? Wir haben die objektive Feststellung getroffen — der Bundeskanzler vorweg —, daß der Zeitpunkt konjunkturpolitisch günstig ist. Dies wurde von Ihnen bestritten. Es wäre gut, wenn Sie Ihre Meinung in diesem Punkt revidierten.

(Beifall bei der FDP)

Im übrigen haben sowohl der Sachverständigenrat — immerhin, ich gebe das zu, mit dem Hinweis auf Virtuosität, die diesem Geschäft dann unterlegt werden müsse — wie auch die Deutsche Bundesbank in ihrem bekannten Beschluß erklärt, daß die Defizitfinanzierung des nächsten Jahres an den Kapitalmärkten möglich ist. Aber, Herr Kollege Strauß, es geht immer ein wenig durcheinander. Mal ist das bei Ihnen Kreditschöpfung, mal ist es bei Ihnen Geldschöpfung. Ich habe versucht, sehr sorgfältig zuzuhören. Wieso die Aufnahme von Krediten Geldschöpfung sein soll und wieso sie per definitionem inflationsfördernd sein muß, das sollten Sie zunächst einmal begründen.
Zweitens weist das Sachverständigengutachten, wenn auch in sehr dezenter Form, darauf hin, daß auch ausländische Kapitalmärkte zur Finanzierung dieses Defizits zur Verfügung stehen. Auch hier geht es um die alte Diskussion, die ich mit Ihnen und mit Ihrer Fraktion vor einigen Wochen geführt habe, daß natürlich auch eine solche Kreditaufnahme in D-Mark keine zusätzliche Geldschöpfung in der Bundesrepublik bedeutet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe die Aufgabe, namens der Fraktion der FDP die Gesetzesinitiative der Koalition zu begründen. Ich will das mit einigen Strichen versuchen und auf die Einzelheiten des heute vorgelegten Programms eingehen, aber nicht ohne vorher mit allem Nachdruck zu betonen, daß wir bei unseren Vorstellungen und Vorschlägen mit der Deutschen Bundesbank in voller Übereinstimmung sind. Die Deutsche Bundesbank, bei den entscheidenden abschließenden Beratungen vertreten durch ihren Präsidenten, hat gegen diese Vorstellungen, gegen dieses Programm keine Einwendungen erhoben, und einer der zentralen Bestandteile dieses Konjunkturprogramms ist die Entscheidung des Zentralbankrates über die Begrenzung der Geldmenge, die ich namens der FDP ausdrücklich begrüße und nur mit der Bitte verbinde, dazu beizutragen, die Definition, was in der Bundesrepublik eigentlich Zentralbankgeldmenge ist, vielleicht etwas zu intensivieren, damit wir hier aus Definitionsunklarheiten herauskommen.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9441
Dr. Graf Lambsdorff
Wir haben uns zu der Investitionszulage entschieden und von der Prämie Abstand genommen. Der Kollege Strauß hat es für richtig gehalten, zu sagen, dies hätten wir wohl wegen des Volkswagenwerks getan. Natürlich ist eines richtig, Herr Strauß: Die Zulage setzt nicht voraus, daß das begünstigte Unternehmen in der Gewinnsituation ist. Es geht uns ja zur Zeit um die Verbesserung der Gewinnsituation, und es hat keinen Sinn, jemandem, wie es der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages ausgedrückt hat, Wasser per Termin zu verkaufen, d. h. ihm eine Prämie anzubieten, wenn er nämlich mangels Gewinn gar keine Gelegenheit hat, sie steuerlich zu verrechnen. Ich wundere mich aber
— ich will hier die generelle Aufwertungsdiskussion nicht fortsetzen —, daß Sie, Herr Strauß, nun ausgerechnet das Volkswagenwerk hier anführen. Denn wenn sich an einem Beispiel falscher wirtschaftspolitischer Entscheidungen deutlich machen läßt, wohin so etwas führen kann, so an der Aufwertungsentscheidung für VW. Denn auf der Basis des falschen Wechselkurses, den Sie lange vertreten haben, den Sie zum Gegenstand eines Wahlkampfes gemacht haben, sind die Exporte getätigt worden, die nun heute bei realistischer Wechselkursbewertung, nicht mehr möglich sind.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich sage Ihnen, Herr Strauß — ich hätte dies nicht gesagt, wenn Sie nicht dieses Beispiel erwähnt hätten —: Ein guter Teil der Leute, die dort, bei den zu exportierenden Käfern, beschäftigt waren und es heute nicht mehr sind, darf sich auch bei Ihnen für Ihre wirtschaftspolitische Entscheidung bedanken.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Strauß [CDU/CSU] : Das ist die Lambsdorff-Legende!)

Herr Kollege Strauß, das gleiche gilt natürlich auch für die Abschreibungen, mit denen Sie hier aufgewartet haben. Was nutzen denn Abschreibungen, wenn ich keinen Gewinn habe? Wenn es richtig ist, daß wir die Gewinnsituation der Unternehmen verbessern sollen, dann können wir doch nicht Methoden ersinnen, die die Gewinnlage und die steuerliche Verrechnungsmöglichkeit bei Gewinnen voraussetzen. Ihre köstliche Formulierung „Bei denen, die nicht wollen, hilft's nichts, und bei denen, die nicht können, hilft's nichts" ist selbstverständlich richtig. Aber selbst die schönsten Anregungsmittel aus japanischen Hafenstädten helfen nicht bei denen, die nicht wollen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD)

Herr Kollege Strauß, Sie erheben dann den Vorwurf, der im übrigen auch von Ihrer Fraktion als Zwischenruf gemacht worden ist, hier handle es sich um „Gießkannen-Politik". — Sind eigentlich Abschreibungen in diesem Zusammenhang keine Gießkannen-Politik? Sind nicht alle Mittel der globalen Konjunktur- und Niveausteuerung, Herr Strauß, irgendwo Gießkannenmittel? Wollen Sie eigentlich
— das müssen Sie uns bitte sagen —, wenn Sie von den globalen Steuerungsmitteln wegkommen, gezielt entscheiden, ob die Aktiengesellschaft Y in den Genuß von Förderungsmaßnahmen kommt, die Aktiengesellschaft X aber nicht? Wichtig in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, ist für uns die Überlegung, daß wir durch die Fristbegrenzung auf ein halbes Jahr den Versuch unternehmen wollen, in der deutschen Wirtschaft durch solche Anreize einen erneuten Investitionsstoß zu produzieren. Allein darauf kommt es uns an.
Natürlich kann man dagegen einwenden, daß hier auch solche Investitionen begünstigt werden, die ohnehin getätigt werden würden. Sie haben schon recht, Herr Strauß, daß Investitionspläne natürlich langfristig aufgestellt werden. Aber dies gilt insbesondere in den großen Unternehmen. Die kleinen und mittleren Unternehmen, auf die diese Maßnahme deswegen hinsichtlich ihrer Wirkung, die wir erhoffen und erwarten, in besonderer Weise zielt, lassen sich durch solche Anreize, weil sie eben schneller in ihren Entscheidungen, weil sie mobiler sind, auch schneller motivieren, zu Investitionen zu kommen.

(Strauß [CDU/CSU] : Damit bestätigen Sie mich ja!)

— Ich habe Ihnen ja gesagt, daß ich in diesem Punkte nicht anderer Meinung bin. Ich ergänze es nur dadurch, da Sie dauernd beklagen — Herr Carstens hat das vor allem auch getan —, daß die mittleren und kleinen Unternehmen hier zu wenig berücksichtigt seien, daß diese Investitionszulage hinsichtlich ihrer Wirkung, Herr Professor Carstens, diesen Bereich der Wirtschaft deutlicher ansprechen soll und wird als nur die großen Unternehmen.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Aber die sind ja gar nicht liquide genug, Graf Lambsdorff! Die Verrechnung mit der Steuer erfolgt erst 1976!)

— Herr Kollege Müller-Hermann, dies ist ja eine Maßnahme, die Liquidität zur Verfügung stellen soll, die Ansprüche zur Verfügung stellt und bei denen sie sich natürlich mit Liquidität versorgen können. Wenn Sie in Ergänzung dazu die Ausweitung
— Herr Strauß hat das begrüßt — des ERP-Programms durch den Bundeswirtschaftsminister nehmen, haben Sie genau die komplementären Maßnahmen, die notwendig sind. Damit möchte ich Ihre Frage beantworten.
Darüber hinaus haben wir — und auch dazu habe ich von Herrn Strauß nichts gehört; ich nehme an, Schweigen bedeutet Zustimmung; das nehme ich nicht immer an, Herr Strauß, damit wir uns nicht mißverstehen — für die Energieinvestitionen, für die energiesparenden Investitionen hier sowohl eine Sonderregelung, was die Fristen anbelangt, getroffen als auch den grundsätzlichen Vorschlag auf den Tisch des Hauses gelegt, die Investitionen in diesem Bereich um 7,5 % dauerhaft im Investitionszulagengesetz anzuheben. Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir nach der Energiedebatte vor 10 oder 14 Tagen darüber grundsätzlich verschiedener Meinung sind.
Sie haben nach der Finanzierung gefragt, meine Damen und Herren. Zunächst einmal, Herr Strauß: Der Finanzplanungsrat ist selbstverständlich eingeschaltet worden, hat sich selbstverständlich dazu
9442 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974
Dr. Graf Lambsdorff
geäußert. Wenn wir nach dem Stabilitätsgesetz, nämlich mit der Investitionsprämie, verfahren wären, so hätte — das wissen Sie — der Bundesrat nur die Möglichkeit gehabt, Einspruch mit Verzögerungswirkung einzulegen. Hier hingegen sieht es ja anders aus. Das heißt also: Wir — wir, die Koalition — haben uns im Grunde genommen in eine Situation gebracht, in der wir von der Zustimmung des Bundesrates in weit größerem Maße abhängig sind. Deswegen der richtige Hinweis des Bundeskanzlers: Wenn wir die Zustimmung nicht bekommen sollten, bleibt uns nichts anderes übrig, als auf das nach unserer Überzeugung zweitbeste Mittel der Investitionsprämie nach § 26 des Stabilitätsgesetzes zurückzugehen.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Dann müssen Sie nur vorher mit dem Bundesrat sprechen, Herr Kollege Lambsdorff!)

— Wir haben uns mit dem Finanzplanungsrat, in dem bekanntlich die Länder vertreten sind, Herr Professor Carstens, ausführlich darüber unterhalten. Dies wird auch weiterhin noch geschehen. Selbstverständlich werden wir uns in dieser Frage mit dem Bundesrat abstimmen. Wir haben bisher allerdings den Eindruck, daß von dorther Kooperation gezeigt werden wird.
Nun aber zu der grundsätzlichen Frage: Wie wird das denn finanziert? Was kostet das? Herr Kollege Strauß, das kostet schätzungsweise zirka 6 bis
7 Milliarden DM. Herr Müller-Hermann, streiten wir
nicht, es können 7,5 Milliarden, es können auch
8 Milliarden DM sein

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Es können auch 10 Milliarden DM sein!)

— nein, 10 Milliarden können es nicht sein —, kassenwirksam 1976, was von Bedeutung ist. Wenn diese Maßnahme funktioniert, wovon wir ausgehen und wovon wir überzeugt sind, dann wird sie natürlich durch Steuermehreinnahmen schon im Jahre 1976, aber erst recht in den Folgejahren in ihrer finanzpolitischen Wirkung kompensiert. Dies ist der entscheidende Punkt. Deswegen sind wir der Meinung, daß eine solche Maßnahme auch bei der gegenwärtigen Haushaltssituation der öffentlichen Hände vertretbar ist.
Die Lohnkostenzuschüsse, meine Damen und Herren, die Mobilitätszulagen und die Verlängerung des Kurzarbeitsgeldes, die bei der Addition nicht den öffentlichen Investitionen hinzugezählt werden sollen und können, sind natürlich ein Kernpunkt dieses Programms. Der Herr Bundeskanzler hat dies hier deutlich gemacht. Da es uns im wesentlichen darum geht, die sehr bedrückenden Erscheinungen auf dem Arbeitsmarkt in den Griff zu bekommen, sind Hilfen, die hier angesetzt werden können, von großer Bedeutung. Es kommt aber hinzu, meine Damen und Herren — und dies ist wichtig zu wissen und zu sehen —, daß diese Beträge nur dann abfließen werden, wenn die Maßnahmen auch unmittelbaren Erfolg haben. Wer keinen Beschäftigungslosen beschäftigt bekommt ja auch keine Lohnkostenzuschüsse. Wir könnten also eigentlich nur hoffen, daß diese 500 Millionen DM für die Lohnkostenzuschüsse voll abfließen, voll in Anspruch genommen werden, weil dann die beschäftigungspolitische Wirkung unmittelbar zustande kommt.
Die zusätzlichen Ausgaben aus dem Bereich der öffentlichen Hand haben wir Ihnen — Schwerpunkte Energie und Bau — vorgelegt. Für meine Freunde und mich ist dies ein wesentlicher Gesichtspunkt: Die Finanzierung erfolgt bis auf eine kleine Spitze aus dem Stabilitätszuschlag, den 1,545 Milliarden DM, die bei der Bundesbank liegen, zuzüglich eines nicht nennenswerten Restes — 13 Millionen DM — aus der Investitionsteuer. Hier müssen wir sehen, Herr Strauß, daß wir eine geldpolitisch unbedenkliche Finanzierung dieser öffentlichen Investitionen zustande bringen und daß diese Vorschläge und diese Finanzierung stabilitätspolitisch neutral sind. Dies halte ich für wichtig, und dies halten wir für wichtig, weil wir eines jedenfalls nicht tun dürfen: wir dürfen nicht Maßnahmen einleiten, die eines der wesentlichen Ergebnisse unserer Stabilitätpolitik, nämlich die Tendenzwende im Preisanstieg, wieder gefährden oder gar in Frage stellen könnten. Da stellt sich eben die Frage, ob wir nach den Erfahrungen der Jahre 1967/1968 heute gleich verfahren können. Wir sind der Meinung: nein. Wir sahen 1967/ 1968 nahezu ausschließlich konjunkturelle Gründe für solche Maßnahmen. Wir sehen heute im wesentlichen strukturelle Gründe, und wir glauben, daß man mit den alten Rezepten des seligen Herrn Keynes der Situation nicht so gerecht werden kann, wie das damals vielleicht noch möglich war, damals vielleicht auch zu schnell und zu früh, wenn man an den Inflationssockel, der noch vorhanden war, und die Inflationswirkung, die später kam, denkt.
Ganz sicher sind die Maßnahmen zu § 7 b des Einkommensteuergesetzes, die den Zweiterwerb möglich machen sollen, angesichts der Situation am Baumarkt wohl kaum großer Erläuterungen bedürftig. Dies gilt in dem Zusammenhang auch für die Vorschläge zur Grunderwerbsteuer. Wir möchten deutlich machen, daß wir nicht vorhaben, die Verluste von Betonspekulanten zu sozialisieren. Dies kann nicht das Ziel unserer Politik sein.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wir wollen vielmehr dem Baumarkt eine gezielte Hilfe geben, aber nicht denjenigen, die durch die Inflation verlockt wurden. Es gibt überhaupt kein besseres Beispiel für die Fehlleitung von Kapital als diese Fehlleitung in das sogenannte Betongold in der Inflation. Wir wollen nicht, daß diese Spekulanten ihre Verluste auf den Steuerzahler abwälzen können. Dazu werden wir unsere Hand nicht geben.
Wir machen allerdings darauf aufmerksam, daß der Herr Bundesfinanzminister zusammen mit den Aufsichtsbehörden eine Initiative ergreifen sollte, um das Problem der Bewertung solcher Investitionen und der Kredite in solchen Objekten zum 31. Dezember dieses Jahres in den Bilanzen der Kreditinstitute zu besprechen und anzupacken, um zu einer einheitlichen und vernünftigen Bewertung zu kommen. Es kann nicht in unserem Interesse sein, daß wir durch einen zeitlichen konjunkturellen Tief-

Dr. Graf Lambsdorff
punkt nachher mit einer Reihe von großen öffentlichen und privaten Kreditinstituten dastehen, die das Kapital auf der falschen Seite stehen haben.
Ich habe auf die Beschlüsse bezüglich der ERP-Mittel hingewiesen; ich wiederhole das hier nicht. Ich sage aber einmal deutlich und mit allem Nachdruck, daß wir dem Herrn Bundeskanzler für seine Stellungnahme zum Verlustrückgang außerordentlich dankbar sind. Sie wissen, Herr Strauß und Herr Professor Carstens, daß wir angeregt haben, dies bis zu einer Größenordnung von 5 Millionen DM zu tun, es also nach oben zu begrenzen, und nicht für zwei Jahre, sondern für ein Jahr vorzusehen. Für zwei Jahre bereitete dies erheblich mehr steuertechnische Schwierigkeiten. Wir kappen dadurch den Verlustvortrag. Sie haben vorhin mit dem Kopf genickt, Herr Strauß. Es hat aber auch seine Probleme, wenn man eine Vergünstigung um 20 °/o zurücknimmt.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Aber wir sind uns darüber klar, Herr Kollege Wehner

(Wehner [SPD] : Und einig!)

— ja, wir sind uns einig —, daß die Technik in dieser Frage und auch die sorgfältigen Schätzungen, was denn nun dabei finanzwirksam, haushaltswirksam herauskommt, zunächst einmal untersucht werden müssen. Dieses Problem kann in dem schnellen Aufgalopp, in dem wir die anderen Dinge behandeln müssen und behandeln wollen, nicht gelöst werden.
Bei all dem, meine Damen und Herren, was wir hier vorzuschlagen und vorzutragen haben — und meine Fraktion hat dies ausdrücklich begrüßt —, stellt sich natürlich die Frage, wo eigentlich die Alternativvorschläge von anderer Seite sind.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich kann mich mit der Opposition kurz fassen: Opposition, Fehlanzeige wie gehabt. Den einzigen, wie mir scheint, wirklich ernst zu nehmenden Diskussionsbeitrag hat der Deutsche Industrie- und Handelstag, den meine Freunde und ich als einen durchaus kompetenten Gesprächspartner in wirtschaftspolitischen Dingen betrachten, geliefert. Er erwartet und schlägt den vollen Verlustrücktrag vor — der kostet nach unserer Schätzung 715 Millionen DM, wohlgemerkt einmalig —, er schlägt das Lifo-Verfahren vor. Darin findet er die Unterstützung der Opposition. Oder ist es Herr Strauß? Ich weiß es nicht ganz genau, Herr Carstens, inwieweit er in diesem Falle für die Opposition spricht.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Vorläufig!)

Und er schlägt Abschreibungsverbesserungen vor.
Meine Damen und Herren, hier gibt es zunächst einmal — das auch zu den Grundvorstellungen, die der Kollege Strauß geäußert hat — den Einwand, daß wir im Rahmen eines konjunkturpolitischen Programms, das allenfalls mittelfristig, eher aber kurzfristig angelegt ist, natürlich keine dauerhaften Änderungen der Steuerstruktur vornehmen können und wollen. Das wäre auch nicht richtig. Es kann sein, daß sich aus einer bestimmten konjunkturpolitischen
Lage heraus die Überlegung ergibt, das eine oder andere zu ändern. Aber wir müssen über den Tag, ja, über die Jahre hinaus denken, wenn wir auf diesem Gebiet etwas ändern wollen.
Heute geht es um Konjunkturpolitik. Das eine ist doch wohl klar: Wer auf der einen Seite das Defizit der öffentlichen Hände beklagt und auf der anderen Seite Vorschläge macht, die dieses Defizit noch um Milliarden erhöhen, der gibt uns wirklich Steine statt Brot, wenn wir an die wirtschaftspolitische Diskussion denken.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Aber messen Sie nicht mit zweierlei Maß? Sie finanzieren dies alles mit der „dynamischen Betrachtung" ! Die Opposition darf das natürlich gar nicht!)

— Herr Kollege Müller-Hermann, so die Opposition zur Dynamik und zu dynamischer Betrachtung findet, steht dem sicherlich nichts im Wege.
Ich möchte noch auf das Thema Lifo-Vorratsbewertung eingehen. Herr Strauß, bei 4 % Preissteigerung kostet Lifo im Jahr 100 Millionen DM. Dafür müssen Sie also erst einmal einen Deckungsvorschlag bringen. Wo soll es denn herkommen? Ist es eigentlich in einer Zeit, in der wir behaupten — Sie bestreiten das auch noch; ich komme noch darauf zurück —, daß die Tendenzwende bei den Preissteigerungsraten erreicht ist, richtig, ein Bewertungsverfahren einzuführen, das eine gewisse Inflationsmentalität und ein gewisses Abheben auf Preissteigerungsentwicklungen — und zwar dauerhafte Preissteigerungsentwicklungen — beinhaltet?

(Strauß [CDU/CSU] : Scheingewinne!)

— Auf die Scheingewinne kommen wir gleich zurück. Ich habe meine Bedenken. Die Scheingewinne haben mit Lifo nichts zu tun, Herr Strauß. Die Scheingewinne spielen natürlich beim Problem der Abschreibungen eine Rolle. Ihr Abschreibungsvorschlag —oder: der Abschreibungsvorschlag des Deutschen Industrie- und Handelstages, den Sie übernommen haben — kostet 1,4 Milliarden DM.
Hier möchte ich ein Wort zu dem sagen, was Sie zu den Abschreibungen und den Scheingewinnen immer wieder vortragen. Herr Kollege Strauß, wir haben uns immer dagegen ausgesprochen, daß die Steuerdiskussion um Abschreibungen auf dieser Basis geführt wird. Es gibt in der Bundesrepublik sehr unterschiedliche Stimmen, auch in der dafür betroffenen Wirtschaft.
Der Deutsche Betriebswirtstag sagt: Vollständige Anpassung an Wiederbeschaffungswerte! In der Stahlindustrie ist zu hören: Einmalige Anhebung! Die chemische Industrie sagt: Bitte nichts dergleichen! Herr Kollege Strauß, wer diesen Vorschlag hier bringt und — wenn ich das vielleicht sagen darf — andere beschuldigt, sie stünden Arm in Arm mit der Großindustrie,

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

der muß auch sagen, wie sehr die Inflation dafür
eine Hilfe ist, sich von den Schulden auf der Passiv-
9444 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137, Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974
Dr. Graf Lambsdorff
seite zu erleichtern. Das muß doch mindestens mit in diese Rechnung einbezogen werden.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Sie können nicht immer nur die eine Seite sehen.

(Strauß [CDU/CSU]: Es ist ja gut, daß Sie zugeben, daß die Inflation von dieser Regierung herbeigeführt worden ist!)

Herr Kollege Strauß, Ihre Interpretationsfähigkeit ist zweifellos groß. Aber wir müssen uns noch einmal darüber unterhalten, daß hier nicht immer nur nach Ihrem Verfahren vorgegangen werden kann: Es gibt nur zwei Meinungen — meine, Strauß' Meinung und die falsche. Es gibt auch noch ein paar andere Meinungen.

(Heiterkeit bei der FDP und der SPD)

Die Alternative, Herr Kollege Strauß, die Sie im „Handelsblatt" vorgeschlagen haben, bedeutet bei dem Steuerausfall von mindestens 6 Milliarden DM bei den Zinsen auf Dauerschulden noch einen weiteren Steuerausfall bei der Gewerbekapitalsteuer von 1,6 Milliarden DM ausschließlich bei den Kommunen. Wie wollen Sie eigentlich die Kommunen, deren Finanzlage Sie fortgesetzt beklagen, entschädigen? Wie wollen Sie das in Ordnung bringen?

(Strauß [CDU/CSU] : Wollen Sie eine Gewerbesteuerreform oder nicht?)

— Wir wollen eine Gewerbesteuerreform im Zusammenhang mit der Harmonisierung der europäischen Steuern; denn irgendwo müssen wir das natürlich hernehmen, was Sie da wollen. Sie können nicht immer nur sagen: Weg mit der Steuer!, ohne zu sagen, wo die Finanzmittel herkommen sollen. Sie können doch dann nicht im gleichen Atemzug erklären, dieser Staat sei durch die Finanzpolitik der sozialliberalen Koalition in den Bankrott getrieben worden. Diese Argumentation ist zu billig.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Solche Vorschläge ohne Deckungsanregungen sind gefährlich, sie sind leichtsinnig, und ich sage ich weiß, was ich sage —: sie sind auch nicht zu verantworten.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wir fragen uns, Herr Kollege Strauß, ob Sie eigentlich den Staatsbankrott, den Sie dauernd beschwören und den Sie uns dauernd vorhalten, selber herbeiführen wollen. Gehen Sie eigentlich so weit, den Staatsbankrott zu wollen, nur um Ihr politisches Ziel, wieder auf dieser Bank zu sitzen, zu erreichen?

(Beifall bei der FDP und der SPD — Strauß [CDU/CSU] : Dazu braucht man uns nicht!)

Herr Kollege Strauß, noch fragen wir Sie! Sie dürfen sich nicht wundern, daß ich Ihnen, wenn Sie gestern abend gesagt haben — darf ich das mit Genenhmigung der Frau Präsidentin zitieren —:
Die Stunde der politischen Abrechnung mit den Kräften, die den Staat und seine Gesellschaft systematisch, und das heißt: vorsätzlich in den Ruin treiben, ist angebrochen,

(Wehner [SPD] : Hört! Hört!)

sage: So wie Sie abends in die Mercatorhalle hineinrufen, so schallt es Ihnen aus dem Plenum des Deutschen Bundestages wieder zurück.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wenn Sie meinen, Herr Strauß, der Bundeskanzler sei das letzte Aufgebot der SPD, dann werden die Sozialdemokraten darauf antworten. Aber Sie sind das allerletzte Aufgebot für Herrn Köppler; der hat's auch nötig.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen diese Diskussion und unser konjunkturpolitisches Programm doch auch vor dem Hintergrund der Weltwirtschft sehen. Ich will diese zwei Zahlen — es mag einen noch so sehr langweilen — wiederholen und muß sie wiederholen: 60 Milliarden Dollar Einkommensübertragung für höhere Ölpreise aus den industrialisierten Ländern in die ölproduzierenden Länder; 20 Milliarden DM im Jahre 1975 für genau dieselbe Menge 01 wie bisher aus der Bundesrepublik in die ölproduzierenden Länder. Dies ist eine massive Wohlstandsübertragung, dies ist eine massive Einkommensübertragung, und das trifft jeden einzelnen von uns. Wir können das nicht — und die Bundesregierung will das auch nicht — durch Inflation, nicht durch Tariferhöhungen, nicht durch irgendwelche Kniffe oder durch irgendwelche Tricks ändern.
Hier liegt natürlich auch — insofern begrüßen wir, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat — die Verantwortung der Tarifpartner; hier liegt die Einsieht begründet, die sie zu dieser Verantwortung führen muß und, wie ich erfreulicherweise sagen kann, zu dieser Einsicht geführt hat. Wir wiederholen von dieser Stelle aus diesen Appell; wir richten ihn besonders an die Verantwortlichen im öffentlichen Dienst. Das Schlichtungsabkommen wird von uns ausdrücklich begrüßt. Und wir begrüßen ebenso die Erklärungen, die hier zum Aussetzen von Strukturverbesserungen im öffentlichen Dienst von der Bundesregierung abgegeben worden sind.
Für die Fraktion der FDP wiederhole ich, was ich hier mehrfach gesagt habe und was wir heute auch in der Rede des Herrn Bundeskanzlers gehört haben: Eine Wirtschaftspolitik kann sich, Herr Bundeswirtschaftsminister, erfolgreich nennen, wenn sie unter den gegebenen weltwirtschaftlichen Umständen am Ende des Jahres 1975 mit derselben realen Situation der Volkswirtschaft — durchschnittlich gesehen — dasteht wie Anfang 1973. Und wir sind dabei, dies zu schaffen. Wir müssen einfach erkennen, meine Damen und Herren, daß die Ölpreise das Gefüge der Weltwirtschaft und damit auch die Rahmenbedingungen, unter denen wir hier arbeiten, verändert haben.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das leugnet niemand!)

Ich liebe und schätze militärische Vergleiche nicht, aber ich glaube, dies ist nur vergleichbar mit dem Einfluß, den die Entwicklung nuklearer Waffen auf strategisches Denken gehabt hat; es ist eine neue Welt.
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Dr. Graf Lambsdorff
Dies ist für uns kein Anlaß, in Pessimismus zu verfallen; es ist eine Aufforderung an unsere Tatkraft sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft. Die deutsche Volkswirtschaft kann mit dieser Herausforderung fertig werden. Meine Damen und Herren, wer soll es denn sonst schaffen, wenn es diese Volkswirtschaft nicht schafft?

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wir müssen uns doch unsere Position in einer so veränderten Welt auch vergleichsweise ansehen. Oder sind denn solche Vergleiche nicht erlaubt? Ich hatte bei den Ausführungen des Kollegen Barzel vorgestern diesen Eindruck. Er hat hier gesagt — ich darf das mit Genehmigung der Frau Präsident zitieren —:
Mit der Ausrede, woanders ist es noch schlimmer, kommt keiner von uns im beruflichen Leben durch. Hier wird von jedem Qualitätsarbeit verlangt, . . .
Ich weiß nicht, ob Herr Barzel dies aus seinen reichen wirtschaftlichen und geschäftlichen Erfahrungen geschöpft hat, aber eines kann ich sagen: diese Feststellung ist falsch. Wenn Sie sich in einer Branche wirtschaftlich betätigen, und die ganze Branche macht Verlust, und Sie schließen noch mit plusminus Null ab, dann ist das Qualitätsarbeit, und dieser Vergleich ist — auch wirtschaftspolitisch — erlaubt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Auch wirtschaftspolitische Erfolge sind doch natürlich relative Erfolge; wir leben nicht auf der berühmten Insel der Seligen.
Für meine Fraktion stelle ich fest: Die vergleichsweise gute Position ist das Verdienst dieser Bundesregierung, und die Opposition hat so gut wie nichts dazu beigetragen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Im Gegenteil, Herr Strauß, ich kann es wirklich nicht anders als eine Dreistigkeit bezeichnen, wenn ich mir das im „Handelsblatt" ansehe und wenn Sie sich heute beklagen, im Tarifstreit 1973 habe politische Führerschaft gefehlt. Wo sind Sie denn gewesen? Sie haben doch diesen Tarifstreit noch angeheizt, Sie, Herr Filbinger und Herr Katzer

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

haben doch dazu beigetragen, diese Forderungen zu erhöhen, vor denen wir heute stehen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Strauß [CDU/CSU] : Hätten Sie damals die Steuern gesenkt, hätten Sie einen anderen Tarif bekommen!)

— Herr Kollege Strauß, die Steuern werden jetzt gesenkt. Ich warne noch einmal — und hier bin ich auch etwas anderer Auffassung als der Bundeskanzler; ich habe das immer gesagt — vor der Kombination von Tarifproblemen und Steuererleichterungen. Wollen Sie das denn jedes Jahr als Lockspeise zur Verfügung stellen? Das können Sie doch gar nicht!

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Meine Damen und Herren, die Politik der Bundesregierung war und ist eine Konjunkturpolitik der ruhigen Hand, und sie ist es auch dann gewesen, als die Energiekrise — und da hat der Bundeswirtschaftsminister vorbildliche Arbeit geleistet — schnelles, entschlossenes Handeln und Zupacken notwendig machte.
Darf ich das noch einmal in Erinnerung zurückrufen? Das Stabilitätsprogramm vom Februar 1973, das zweite Stabilitätsprogramm vom Mai 1973; und noch einmal, Herr Kollege Müller-Hermann, auch wenn Sie das noch so häufig bestreiten wollen: Stabilitätspolitik war vor Mai 1973 wirksam nicht möglich. Das können Sie nun im Sachverständigengutachten nachlesen.
Ich darf noch einmal ein Zitat bringen, und zwar von Professor Niehans:
Manche Nationalökonomen geben dem Wirtschaftspolitiker immer wieder zu verstehen, die Welt sei viel komplizierter, als er sich träumen lasse. Ich glaube,
— so Niehans —
in bezug auf die heutigen Stabilisierungsprobleme ist vielleicht ausnahmsweise das Gegenteil wahr. Durch Übergang zu flexiblen Wechselkursen ist die Welt zwar nicht unbedingt besser, aber sie ist einfacher geworden. Ich glaube, sie ist heute einfacher, als manche Politiker, die vor dem Inflationsproblem die Hände ringen, sich träumen lassen. Wir wissen, was wir tun können. Wir brauchen es nur zu tun.
Ich stelle ganz nüchtern fest: Die Bundesregierung hat das getan, was sie tun konnte bei diesen Problemen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wir haben am 19. Dezember 1973, vor beinahe einem Jahr, mit den Entschlüssen des Kabinetts und der anschließenden Debatte in diesem Hause als Folge auf die Ölpreiskrise die richtige Reaktion gezeigt. Wir haben auch mit den beiden Sonderprogrammen von beinahe zwei Milliarden DM, die der Herr Bundeskanzler erwähnt hat, im Jahre 1974 das Ansteuern eines neuen Aufschwungs, den wir jetzt erreichen müssen, sauber und korrekt vorbereitet. Das geht hin bis zur heutigen Vorlage: eine konsequente konjunkturpolitische Linie dieser Bundesregierung.
Wie sieht denn das Ergebnis aus? Preisstabilität: Wir sind Nummer eins in der Welt. Der Kollege Strauß, der sich bemüht, auch noch dieses Ergebnis zu zerfleddern, weist darauf hin, daß die Nahrungsmittel daran mit einem Rückgang von 0,8 % beteiligt waren. Diese Zahl ist unbestritten. Aber, Herr Strauß, es muß schon etwas mehr Redlichkeit erbeten werden. Sie müssen dann auch sagen, welchen Anteil die Nahrungsmittel bei der Berechnung des Lebenshaltungskostenindex insgesamt ausmachen; sonst erwecken Sie doch falsche Vorstellungen. Das wollen Sie ja auch.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr! — Zuruf des Abg. Strauß [CDU/CSU])

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Dr. Graf Lambsdorff
— Mit 22 °/o, Herr Kollege Strauß. Ich weiß, daß Sie gerne Zahlen in die Welt setzen und dann behaupten, sie seien richtig. Aber sie sind nicht immer richtig, und diese ist falsch.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Der Anteil geht also von 0,8 °/o auf ein Fünftel zurück.
Es ist völlig richtig und unbestritten, daß wir nicht einem Berufsstand eine solche Last auferlegen lassen können. Dieser Bundeslandwirtschaftsminister — das wissen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition — kämpft im Augenblick für die Einkommenssituation der deutschen Landwirtschaft beinahe alleine.

(Kiechle [CDU/CSU] : Ohne Ihre Rückendeckung!)

— Mit unserer Rückendeckung und mit meiner Rückendeckung, wenn Sie mich persönlich meinen, Herr Kollege.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Kiechle [CDU/CSU] : Der Bundesregierung!)

Vielleicht darf ich Ihnen eine Ausfertigung der FDP-Beschlüsse zur Frage des Grenzkostenausgleiches zuleiten.

(Kiechle [CDU/CSU]: Ohne Kabinettsrückendeckung!)

— Auch mit Kabinettsrückendeckung; denn Sie wundern sich darüber und werden sich immer wieder wundern, daß Beschlüsse, die wir in der Fraktion fassen, und Beschlüsse, die in der Fraktion des Koalitionspartners gefaßt werden, merkwürdigerweise mit der Politik des Kabinetts übereinstimmen. Das können Sie, glaube ich, gar nicht verstehen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Es ist unangenehm — das gebe ich der Opposition ja zu —, stabilitätspolitische Erfolge einzuräumen, nachdem man zwei Jahre lang mit Kassandrarufen durch die Welt gezogen ist: Die Sozialliberalen können das überhaupt gar nicht; die können nur Inflation machen, nur Preistreiberei veranstalten. Nun steht man vor einem anderen Ergebnis. Vielleicht, Herr Kollege Strauß, nehmen Sie gelegentlich auch einmal Kenntnis von der Entwicklung der Tatsachen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Außenwirtschaftlich haben wir eine beängstigend gute Position. Ich sage mit Bewußtsein: beängstigend gute Position. Wir sehen die Risiken, die Sie, Herr Strauß, zum Teil auch erwähnt haben. Aber Sie behaupten, das seien nicht die Folgen der Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung. Sie sagen, das helfe bei Arbeitslosigkeit und beim Beschäftigungsproblem. Richtig. Aber nicht die Folgen dieser Wirtschaftspolitik? Warum ist denn eigentlich die deutsche Exportindustrie in der Lage, in alle Märkte der Welt zu liefern, neben der Lieferfähigkeit und dem technischen Standard?

(Strauß [CDU/CSU] : Weil die FDP an der Regierung ist!)

Deswegen, weil hier die Inflationsraten um ein so bedeutendes Maß niedriger sind, daß die Preiserhöhungsspielräume und die Verkaufsmöglichkeiten im Ausland so groß sind; ja beinahe zu groß sind, wenn wir uns unsere Situation ansehen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Trotz dieser energiepolitischen Belastungen haben wir in der Frage des Wachstums der Volkswirtschaft auch in diesem Jahre noch ein reales Wachstum im Bruttosozialprodukt. Wir haben auch in der Einkommenssituation, bei den Einkommenszuwächsen einen realen Zuwachs in 1974. Und Sie werden sich wundern, meine Damen und Herren: Wir bringen ihn auch in 1975 zustande.
Was die Vollbeschäftigung angeht, so ist auch hier die Situation besser als anderswo. Aber kein Wort der Verniedlichung: die Situation ist bedrückend
— auch in unseren Augen —, deswegen diskutieren wir hier dieses Programm.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Das hat aber nichts mit dem Ausland zu tun, wie die Koalition das so gern darstellt! — Dr. Ehrenberg [SPD] : Ich dachte, ein Bremer würde das nun wirklich besser wissen!)

— Herr Müller-Hermann, wenn Sie doch wenigstens zuhören würden! Ich habe soeben Herrn Strauß gesagt, daß wir die Beschäftigung in den Exportindustrien und den Zusammenhang mit der Beschäftigungslage sehen. Das habe ich soeben gesagt, das ist zwei Minuten her.
Meine Damen und Herren, wir sagen noch einmal: Der strukturelle Umstellungsprozeß, der in dieser Wirtschaft notwendig ist — der Bundeskanzler hat darauf hingewiesen, wir haben es hier schon unzählige Male getan —, ist doch erst auf der Basis der sozialen Absicherung möglich, die die sozialliberale Koalition den Arbeitslosen und den von solchen Krisen Betroffenen zur Verfügung gestellt hat und die wir heute verbessern.

(Beifall bei der FDP und SPD)

Dem Ziel der Wiederherstellung der Vollbeschäftigung dienen die heutigen Maßnahmen. Wir wissen
— wir machen niemandem etwas vor —: Es wird keine Soforthilfe geben. Man kann hier nicht auf den Knopf drücken und Zündung erreichen, aber wir werden dieses Ziel lang- und mittelfristig erreichen. Wir haben die klare ökonomische und auch wirtschaftspolitische Erkenntnis — ich gebe zu, dies war nicht immer auf einen Nenner gebracht —, daß die Gewinnsituation der Unternehmen — ich darf ganz deutlich sagen: der Unternehmen, nicht der Unternehmer; wir wollen nicht irgend jemandem Luxusreisen finanzieren — zu verbessern ist, und die Unternehmen bestehen ja wohl nicht zuletzt aus den Beschäftigten. Die Verbesserung der Gewinnsituation der Unternehmen, führt zu Investitionen, und diese Investitionen sichern die Arbeitsplätze; dies ist heute wohl unbestritten. Dazu bedarf es eines besseren Investitionsklimas. Wir können uns im gegenwärtigen Zeitpunkt keine neuen Belastungen für die Wirtschaft leisten, und wir können uns auch
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Dr. Graf Lambsdorff
— ich stimme dem Herrn Bundeskanzler nachdrücklich zu — keine Verunsicherungen leisten.
Unsere Frage ist nur, ob wir die Opposition auffordern sollen, daran mitzuwirken. Meine Damen und Herren, meine Freunde und ich kommen mehr und mehr zu der resignierenden Erkenntnis, daß eine solche Aufforderung vergeblich sein wird. Sie werden, wie Sie es im bayerischen Landtagswahlkampf getan haben, weiter alles tun, um das Klima zu zerstören, weil Sie zunächst einmal Ihre parteipolitische Suppe kochen wollen.

(Beifall bei der FDP und SPD — Dr. MüllerHermann [CDU/CSU] : Das ist eine böse Unterstellung, Herr Lambsdorff, die Ihrer nicht würdig ist!)

— Herr Kollege Müller-Hermann, wenn Sie sich einmal ein bißchen angesehen haben oder ansehen wollten, was so in den bekannten Prospekten, z. B. in dem schönen grünen Prospekt zum bayerischen Wahlkampf alles stand, dann — ich will das hier nicht wiederholen — werden Sie wohl zugeben müssen, daß ich nicht so unrecht habe.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Sie köndie Wahrheit nicht vertragen!)

Wir sind gerne bereit, auf ein solches Angebot und auf solche Möglichkeiten einzugehen. Aber Sie können nicht erwarten, daß wir solchen Versicherungen — in der Tonart, wie es jetzt geschieht — Glauben schenken; dann werden wir uns aber darum bemühen, daß die Suppe, die Sie auf diesem Feuer kochen, Ihnen den Magen verderben wird.

(Beifall bei der FDP und SPD)

Für die Fraktion der Freien Demokraten, meine Damen und Herren, erkläre ich: Wir sind zuversichtlich, daß dieses Konjunkturprogramm wirkt. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung Schmidt/Genscher wird das dargestellte Ziel, nämlich den stabilitätsgerechten Aufschwung, erreichen. Wir stimmen der Überweisung an die Ausschüsse zu.

(Beifall bei der FDP und SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713701100
Das Wort hat der Abgeordnete Ehrenberg.

Dr. Herbert Ehrenberg (SPD):
Rede ID: ID0713701200
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Bundestagsfraktion steht voll hinter dem von der Bundesregierung vorgelegten Programm zur Förderung von Beschäftigung und Wachstum bei Stabilität. Die Regierungsfraktionen werden für eine zügige Realisierung durch Initiativgesetzgebung sorgen.

(Beifall bei der SPD)

Die Bundesregierung setzt mit diesem breitgefächerten und wohlabgewogenen Programm ihre auf eine Verstetigung der wirtschaftlichen Entwicklung gezielte Politik fort,

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Fort?!)

eine Politik der Anpassung an sich sehr schnell ändernde Bedingungen dieser Politik.
So wie vor mehr als einem Jahr beim Ausbruch des Nahost-Konflikts und seinen ökonomischen Folgen die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung dafür gesorgt hat, daß die Bundesrepublik Deutschland, ihre Wirtschaft und ihre Arbeitnehmer die Folgen dieser explosionsartigen Veränderung des Weltmarktes in sehr viel besserer Verfassung überstanden haben als viele andere, so werden wir auch mit dem neuen Programm dafür sorgen, daß dieser hervorragende Standort erhalten wird.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Das erzählen Sie einmal den 800 000 Arbeitslosen, die werden sich freuen!)

— Verehrter Herr Carstens, das mache ich garantiert öfter als Sie. Das dürfen Sie mir aus meiner Wahlkreisarbeit und aus meiner Verbundenheit mit dieser Arbeiterbewegung glauben.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Mit verblüffendem Erfolg tun Sie das!)

Aber, verehrter Herr Carstens, wenn Sie der Bundesregierung und den Regierungsfraktionen nicht glauben, empfehle ich Ihnen, wie Herr Strauß das getan hat, das Sachverständigengutachten zu studieren, allerdings etwas breiter und gründlicher, als es aus den Zitaten von Herrn Strauß zum Ausdruck kam.
Es heißt dort in der Ziffer 32 nach einer sehr deutlichen und drastischen Schilderung der „Nöte der Welt", wie die Sachverständigen das bezeichnet haben — ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren —:
Das Ordnungssystem in der Bundesrepublik und die Autorität ihrer staatlichen Institutionen haben sich als belastbar erwiesen. Durch die gegenwärtigen Schwierigkeiten hindurch kann man sehen, daß die Wirtschaft unseres Landes in einem gute Zustand ist. All dies sollte ausreichen, die Belastungsprobe auch in ihrem Höhepunkt, der im kommenden Winter zu erwarten ist, mit Erfolg zu bestehen.
So der Sachverständigenrat vor wenigen Wochen.
Die Bundesregierung hat mit dem jetzt vorgelegten Programm dieser vom Sachverständigenrat angekündigten Belastungsprobe prophylaktisch entgegengewirkt. Dieses Programm wird dafür sorgen, daß die Prognose über das gute Bestehen dieser Belastungsprobe zu den wenigen wirklich zutreffenden Prognosen, die abgegeben werden, gehört.
Das von der Bundesregierung vorgelegte Programm, diese Kombination aus gezielten Maßnahmen zur Stärkung der Investitionskraft der Unternehmen, direkten Hilfen zur Wiedereinstellung beschäftigungslos gewordener Arbeitnehmer, strukturverbessernden und energiesparenden Investitionen, Hilfen zur Rationalisierung der Bundesbahn, zusätzlichen Maßnahmen zur Modernisierung der Wohnungswirtschaft und zusätzlichen öffentlichen Aufträgen — hier liegt im Gegensatz zu dem oppositionellen Gerede von der Gießkanne eine sehr gezielte Hilfe für die mittelständische Wirtschaft vor, denn
9448 Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974
Dr. Ehrenberg
gerade mittlere und kleine Bauunternehmen werden von diesen Maßnahmen profitieren ,

(Beifall bei der SPD)

entspricht den wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten. Das Programm dient dazu, die Stabilitätserfolge, die unbestreitbar sind und auch von niemandem mehr ernsthaft bestritten werden, zu sichern, die Investitionsneigung zu stärken und die Beschäftigungslage Schritt für Schritt wieder zu verbessern.
Wenn die Opposition der Regierung und den Regierungsfraktionen vorwirft, daß wir zu lange gewartet haben — „zu spät" hat Herr Strauß gesagt, „zuwenig —,

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : „Zuviel für zuwenig" !)

muß man sich doch fragen, ob denn eigentlich, Herr Kollege Strauß, bei Ihrer knappen Redezeit von 60 Minuten, die sie noch überzogen haben, zum Thema wirklich nicht mehr zu sagen war.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713701300
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Strauß?

Dr. Herbert Ehrenberg (SPD):
Rede ID: ID0713701400
Bitte sehr!

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0713701500
Ich hätte mich nicht gemeldet, Herr Kollege Ehrenberg, wenn Sie meine Aussagen nicht gefälscht hätten. Ich habe gesagt: zu spät und zuviel für zuwenig Ergebnis. Ich habe nicht gesagt: zuwenig.

Dr. Herbert Ehrenberg (SPD):
Rede ID: ID0713701600
Jedenfalls haben Sie auch „zu spät" gesagt, und das habe ich angeführt. Wenn schon „zu spät" und „zuwenig", Herr Strauß, muß ich noch einmal wiederholen:

(Strauß [CDU/CSU] : Zuviel für zuwenig!)

Bei mehr als 60 Minuten Redezeit waren acht Minuten zum Thema nun wirklich zuwenig.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf des Abg. Breidbach [CDU/CSU] : Können Sie nicht hören?)

Ich habe sehr gut zugehört, Herr Strauß. Einiges von dem, was ich gehört habe, möchte ich jetzt in diesem Hause noch kommentieren.

(Kiechle [CDU/CSU] : „Zu spät und zuviel" hat er gesagt, nicht „zuwenig" !)

Die Versäumnisse, Herr Strauß, die Sie der Bundesregierung vorwerfen, und die immer wieder vorkommende Vokabel von der Zerrüttung der Staatsfinanzen möchte ich mit der Gegenfrage kommentieren: Wie steht das im Zusammenhang mit Ihren Vorschlägen, die rund sieben Milliarden DM kosten oder, wenn wir die Vorschläge des DIHT hinzunehmen, fast 17 Milliarden DM?

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Und 7 bis 17 Milliarden DM nicht einmalig als befristete, gezielte Konjunkturhilfe, sondern mit der
nun wirklich allerbreitesten Gießkanne übers Land gestreut, für immer und ewig!
Allein diese Tatsache zeigt doch, daß diese Vorschläge mit Konjunkturpolitik überhaupt nichts zu tun haben, sondern daß sie ausschließlich dem Zweck dienen, eine Korrektur der Steuerreform herbeizuführen, das, was an Steuergerechtigkeit ab 1. Januar 1975 eintreten wird, mit konjunkturpolitischer Begründung durch die Hintertür wieder zurücknehmen zu wollen.

(Beifall bei der SPD)

Bei diesen Maßnahmen werden die Fraktionen der sozialliberalen Koalition weder Herrn Strauß noch dem Deutschen Industrie- und Handelstag, noch sonst jemandem folgen.
Und eines, verehrter Herr Kollege Strauß — auch wenn Sie es nicht hören mögen , eines muß hier wiederholt gesagt werden: Von Versäumnissen der sozialliberalen Regierung beim gegenwärtigen Zustand zu sprechen, das heißt doch, die Sozialdemokraten, die sozialliberale Regierung dafür verantwortlich zu machen, daß beispielsweise Großbritannien im ersten Halbjahr 1974 ein Handelsbilanzdefizit von 4,3 Milliarden Dollar hat, daß Japan 3 Milliarden und die USA 2,3 Milliarden Defizit aufweisen, während die Bundesrepublik Deutschland 4,9 Milliarden Handelsbilanzüberschuß in diesem Jahr erzielt hat.
Meine Kollege Graf Lambsdorff hat schon sehr deutlich gesagt, wie eng diese Überschußposition mit der Stabilitätspolitik der Bundesrepublik zusammenhängt, daß nur durch diese Stabilitätspolitik und den damit erreichten größer werdenden Wettbewerbsvorsprung der deutschen Wirtschaft auf dem Weltmarkt diese herausragende Positon der deutschen Wirtschaft erreichbar war. Von allen von der OECD-Statistik erfaßten Staaten haben nur Skandinavien, die Schweiz und die Bundesrepublik k e in Handelsbilanzdefizit; überall anderswo ist es aufgetreten. Bei dieser Sachlage von Versäumnissen der Bundesregierung zu sprechen, das ist nichts anderes als billige Polemik.
Nicht mehr billige Polemik, sondern entweder eine vorsätzlich falsche Darstellung oder aber auch eine Unkenntnis der Zusammenhänge ist festzustellen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Eine sehr schwache Erwiderung!)

wenn Herr Strauß hier, den Orientierungsrahmen der Sozialdemokratischen Partei zitierend, Staatsquote und Steuerquote miteinander verwechselt. Auch Herr Strauß sollte wissen, daß die Staatsquote den Anteil der staatlichen Aufgabenerfüllung am Bruttosozialprodukt enthält und daß das eine völlig andere Größenordnung ist als die Steuerquote; denn auch der öffentlichen Hand sollte es ja inzwischen erlaubt sein, einen Teil ihrer Investitionen über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Nicht nur erlaubt, sondern notwendig ist es im Sinne ökonomischer Vernunft, so zu handeln.

(Zuruf von der SPD: Das hat der in Innsbruck nicht gehört!)

Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9449
Dr. Ehrenberg
Zur Steuerquote kommen Einnahmen aus Gebühren und Beiträgen hinzu. Erst alles zusammen ergibt dann den Gesamtbereich des Anteils der öffentlichen Hand am Sozialprodukt. Herr Strauß polemisiert hier gegen eine Steuerquote und verwechselt sie dabei mit der Staatsquote. Mit solchen Orientierungen könnte man allerdings einen Orientierungsrahmen nicht erarbeiten, und nicht ohne Grund hat sich ja auch die CDU/CSU an eine solche Aufgabe noch nie herangetraut.
Eine letzte Bemerkung zu den acht Minuten, die Herr Strauß zur Sache gesprochen hat.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU]: Das andere ist Ihnen unangenehm! Deswegen hören Sie es nicht!)

— Nein! Das ist nicht unangenehm, sondern belanglos, Herr Carstens,

(Beifall bei der SPD und der FDP)

und mit Belanglosigkeiten sollte man dieses Haus am Freitag um 12 Uhr nicht mehr aufhalten.
Wenn Herr Strauß ,den Umfang der Inanspruchnahme des Kapitalmarktes durch die öffentliche Hand für zu groß hält, so ist vieles nicht zu verstehen, was anderswo gegen das Recycling, gegen die Wiederanlage der von den ölproduzierenden Staaten eingenommenen Gelder, gesagt worden ist. Ich darf für meine Fraktion erklären, daß wir es sehr dankbar empfinden, daß der Bundeskanzler hier von diesem Platz aus eindeutig diese notwendige Wiederanlage von durch die ölproduzierenden Staaten eingenommenen Geldern als positiv bewertet, gleichzeitig aber auch angekündigt hat, daß die Bundesregierung daran arbeitet, gefährliche Tendenzen durch geeignete Maßnahmen abzublocken.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

In dieser nüchternen Beurteilung allein liegt die richtige Behandlung dieses Problems.
Vielleicht eine Bemerkung am Rande für die Öffentlichkeit, aber auch für die Kollegen der Opposition und für das angesehene Wirtschaftsblatt „Frankfurter Allgemeine Zeitung", das bei dem Kauf der Mercedes-Aktien durch Kuwait von der Gefahr der Überfremdung gesprochen hat: Ein sehr wirksames Mittel, sich vor Überfremdung des Einflusses auf den Aufsichtsratsbänken der großen Unternehmen zu bewahren, ist die Einführung der paritätischen Mitbestimmung in allen Großunternehmen.

(Beifall bei der SPD)

Dann ist sichergestellt, daß mindestens 50 % der Aufsichtsratsmandate nationale Interessen vertreten.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, bei der engen Weltmarktverflechtung der Bundesrepublik wird jedes nationale Konjunkturprogramm um so wirksamer werden, je mehr es gelingt, unsere Handelspartner zu einer gleichgerichteten Wirtschaftspolitik zu bewegen. Darum hat der Bundeskanzler sehr richtig gehandelt, als er vor Beschluß dieses Programms die notwendigen, aus europäischer Solidarität und aus
ökonomischer Vernunft gleich notwendigen Abstimmungen in Washington und in Paris gesucht und erst dann die eigenen Entscheidungen hier herbeigeführt hat.

(Beifall bei der SPD)

Wenn auch bei den so großen Unterschieden in der ökonomischen Situation nicht überall eine völlig parallele Politik zu erwarten ist, so ist doch schon die Übereinstimmung in den Grundlinien der Wirtschaftspolitik entscheidend wichtig, und diese ist gefunden worden.
Gestatten Sie mir darum ein Zitat aus dem gemeinsamen Kommuniqué zum Abschluß des Besuchs von Bundeskanzler Helmut Schmidt in den Vereinigten Staaten. Dort heißt es - ich darf mit der Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren —:
Der Präsident und der Bundeskanzler stimmten überein, daß unter den derzeitigen Bedingungen beide ihre Binnenwirtschaftspolitik so gestalten müssen, daß Produktion und Beschäftigung gestärkt und neue inflationäre Impulse vermieden werden. Sie bekräftigen, daß beide Länder die Investitionstätigkeit fördern, die steigende Arbeitslosigkeit bekämpfen und Maßnahmen ergreifen müssen, um das Vertrauen in die kreditpolitische und wirtschaftliche Entwicklung zu stärken.
Meine Damen und Herren, überzeugender kann die Übereinstimmung der Wirtschaftspolitik unseres größten, ökonomisch und politisch mächtigsten Bündnispartners mit der hier betriebenen Politik nicht dargestellt werden. In diesem gemeinsamen Kommuniqué liegt auch ein großes Stück Anerkennung für die bisher durchgeführte und die zukünftige Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik.

(Zustimmung bei der SPD)

Es täte der Opposition sicher gut, wenigstens ein bißchen davon zur Kenntnis zu nehmen.

(Kiechle [CDU/CSU] : Was sagen denn Ihre Umverteilungsspezialisten dazu?)

— Ich weiß nicht, wen Sie damit meinen.

(Kiechle [CDU/CSU] : Die Hälfte Ihrer Fraktion!)

— Vielleicht erkundigen Sie sich einmal. Im übrigen bin ich um die verteilungspolitischen Erfolge der Politik der sozialliberalen Koalition nicht bange. Die Bilanz kann sich sehen lassen.

(Lachen bei der CDU/CSU — Seiters [CDU/ CSU] : Ein überzeugendes Argument!)

— Das ist ein überzeugendes Argument, für mich jedenfalls;

(Seiters [CDU/CSU] : Für die Wähler nicht!)

Sie dürften andere Maßstäbe haben, und Ihre Maßstäbe zu übernehmen, bin ich nicht bereit.
Meine Damen und Herren, dieses Programm entspricht der Konjunkturlage. Es ist die Fortsetzung einer konsequenten Stabilitäts- und Wachstumspolitik gleichermaßen. Diese Politik wurde unmittelbar nach der Ölpreiskrise mit der Aufhebung der
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Dr. Ehrenberg
Investitionsteuer, mit der Wiederzulassung der degressiven Abschreibung, mit der Wiederinkraftsetzung der Sonderabschreibung nach § 7 b und mit der vollen Ausführung des 1973 aus stabilitätspolitischen Gründen gestoppten Mittelstandsprogramms der Kreditanstalt für Wiederaufbau eingeleitet. In Fortführung dieser Beschlüsse sind die beiden Sonderprogramme zur regionalen Abstützung der Konjunktur verabschiedet worden. Mit all diesen wohldosierten Maßnahmen ist es der Bundesrepublik gelungen, auf jener traurigen Weltrangliste der internationalen Preissteigerungen den ehrenvollen letzten Platz unangefochten zu belegen, und wir werden das mit diesem Programm auch weiterhin tun.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Das neue Konjunkturprogramm bringt die Weichenstellung für einen Aufschwung bei Stabilität. Die wichtigsten Eckpunkte dieser Weichenstellung möchte ich hier noch einmal kurz umreißen.
Aus gutem Grund steht zu Beginn des Maßnahmenkatalogs der Bundesregierung der Hinweis auf eine ausreichende Geldversorgung durch die Bundesbank, eine Geldversorgung, die gleichzeitig die Chance gibt, den Preisauftrieb schrittweise weiter abzubauen, aber auch die expansiven Maßnahmen der Zukunft ausreichend zu finanzieren. Vor dem Hintergrund der Zentralbankratsbeschlüsse vom 5. Dezember wird die Bundesbank in der Lage sein, die vom Weltmarktzinsniveau her gebotenen Zinssenkungsspielräume voll auszunutzen, um damit die Liquiditätsversorgung der kommenden wirtschaftlichen Entwicklung sicherzustellen. Dieser geldpolitische Kurs ist die notwendige und inzwischen sichergestellte Basis für die anderen Maßnahmen, die der Belebung der Konjunktur dienen werden.
In diesem Zusammenhang muß auch noch einmal auf die konjunkturellen Wirkungen der Steuerreform hingewiesen werden. Durch die Steuerreform wird ab 1. Januar 1975 die Kaufkraft der Bürger in diesem Lande um mehr als 1 Milliarde DM monatlich gestärkt werden. Von den rund 14 Milliarden jährlicher Steuerentlastung entfallen fast 11 Milliarden DM auf die Arbeitnehmer in diesem Lande. Das war das Ziel dieser Steuerreform.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Diesen Impulsen auf der Nachfrageseite steht die zum 1. Dezember rückwirkend in Kraft tretende Investitionszulage von 7,5 % gegenüber. In der veröffentlichten Meinung, aber auch in den Vorschlägen, die vom DIHT bis hin zu Franz Josef Strauß gereicht haben, wird diese Investitionszulage etwas abträglich als Maßnahme nach dem Gießkannenprinzip behandelt, merkwürdigerweise immer von jenen Leuten, die gleichzeitig eine viel weiterreichende Maßnahme nach dem Gießkannenprinzip, nämlich die degressiven Abschreibungen anbieten. Diesen Widerspruch kann man vielleicht im „Bayernkurier" erklären. In diesem Hause ist das jedenfalls bis jetzt nicht gelungen.
Lassen Sie mich noch ein Wort zur Wirksamkeit der Investitionszulage sagen. Die Investitionszulage ist wirksamer als alle anderen vorgeschlagenen
Maßnahmen. Sie setzt dort an, wo die Arbeitsplätze der Zukunft gesichert werden, nämlich bei den Investitionen. Die Maßnahmen aus dem hier und dort vorgeschlagenen Bündel — beispielsweise die Abschreibungen — könnte nur der in Anspruch nehmen, der auch Gewinne gemacht hat, nicht aber der, der heute bei knapper Liquidität gute Absatzerwartungen in der Zukunft hat, dem es also nur an der Liquidität fehlt, um heute Investitionen durchzuführen. Außerdem gäbe es bei jenen Unternehmen, die noch große Gewinne machen — auch sie gibt es —, keine Gewähr dafür, daß Abschreibungserleichterungen auch für Investitionen genutzt würden. Die dadurch gewonnenen Mittel könnten genauso zur Konsolidierung der Bilanzen oder auch für den privaten Verbrauch verwendet werden. Die Zulage dagegen setzt genau und ausschließlich bei den Investitionen an, und gerade dies ist zur Zeit zur Verbesserung der Ertragskraft der Unternehmen nötig.

(Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller [SPD] : Sehr richtig!)

Man sollte auch damit aufhören, in diesem Zusammenhang über die unterschiedliche Behandlung von Ersatz-, Rationalisierungs- und Neuinvestitionen zu philosophieren. Für die Zulieferindustrie ist es völlig gleichgültig, wie die Volkswirte die einzelnen Investitionen bezeichnen. Jeder Auftrag — ob es sich dabei um Ersatz-, Rationalisierungs- oder Neuinvestitionen handelt — ist ein zusätzlicher Auftrag für die Hersteller von Anlagen. Es spielt gar keine Rolle, ob er sich in die Reihe der Neu- oder Ersatzinvestitionen eingliedert. Bei dem Tempo der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung in der Bundesrepublik gibt es außerdem keine Ersatzinvestitionen, die nicht gleichzeitig auch zur Modernisierung und Rationalisierung des Unternehmens beitrügen. Wenn man neue Maschinen bestellt, kauft man ja keine Maschinen mit dem Produktionstempo von vorgestern, sondern solche mit dem Tempo von heute.
Mit diesen zu erwartenden positiven Impulsen durch die Investitionszulage ist die Entscheidung der Bundesregierung, die in den öffentlichen Haushalten vorgesehenen Investitionen auf das erste Halbjahr vorzuziehen, in engem Zusammenhang zu sehen. Wie die Investitionszulage dem Zweck dient, auch schon geplante Investitionen in ihrer Abfolge zu beschleunigen, so wird dieser Beschluß der Bundesregierung dazu führen, daß die öffentlichen Investitionen so weit wie möglich in das erste Halbjahr verlagert werden. Dieser kumulative Effekt wird so viel positive Impulse auslösen, daß sich die Konjunktur im zweiten Halbjahr 1975 selber trägt.
Unterstützend kommen die direkten Hilfen zur Wiedereinstellung arbeitslos gewordener Arbeitnehmer hinzu. Die Richtlinien des Bundesarbeitsministers stellen sicher, daß dort kein Mißbrauch auftreten wird. Beides zusammen wird dafür sorgen, daß sich — nicht schon in den nächsten Wochen, aber schrittweise zum nächsten Frühjahr hin und über den Sommer hinweg — die Beschäftigungslage nachhaltig bessert und das wirtschaftliche Wachstum auf solider Grundlage wieder einsetzt.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9451
Dr. Ehrenberg
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit ein paar Anmerkungen zur Verteilungsproblematik der Investitionszulage machen. Diese Problematik muß gesehen werden. Es kann gar kein Zweifel daran sein, daß in der Investitionszulage so etwas liegt wie eine Förderung der Vermögensbildung in Unternehmerhand. Aber es ist bei der gegenwärtigen Ertragslage eine notwendige Förderung. Zu dem konjunkturpolitischen Instrumentarium, von dem die Bundesregierung in den letzten Jahren kräftig Gebrauch gemacht hat — die Instrumente der Investitionsteuer und der Stabilitätsabgabe geben ja allein die solide Finanzierungsbasis der gegenwärtigen Maßnahmen ab —, gehört auf der anderen Seite als notwendiges Gegenstück in einer anderen Konjunkturlage die Investitionszulage.

(Wehner [SPD] : Sehr richtig!)

Beides sind Instrumente des gleichen antizyklischen Konjunkturinstrumentariums. Auf keines kann verzichtet werden.
Mein Kollege Lambsdorff hat schon eine Bemerkung zu den Vorschlägen von Herrn Pieroth gemacht. Ich kann mich dem nur anschließen, wenn er gesagt hat, daß man diesem so dringlichen Problem durch eine Verquickung mit der Konjunkturpolitik keinen guten Dienst tut, sondern beide Probleme nur vernebelt und nirgendwo zu einer Lösung kommt. Nicht ohne Grund sind ja Herrn Pieroths Vorschläge auch in seiner eigenen Fraktion nicht ernst genommen worden.
Aber was wird an wirtschaftspolitischen Aussagen der CDU/CSU denn überhaupt noch ernst genommen? Das muß man sich beispielsweise im Hinblick auf Äußerungen von Herrn Stoltenberg ernsthaft fragen, der sich sehr oft zur Wirtschaftspolitik meldet. Ich hatte gehofft, ihn heute hier zu sehen, den wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU/CSU. Aber er ist nicht vorhanden.

(Seiters [CDU/CSU] : Wo ist denn Herr Kühn?)

— Der meldet sich ja nicht so oft zur Wirtschaftspolitik. Der hat sich noch nie als wirtschaftspolitischer Sprecher bezeichnet, wie Herr Stoltenberg das tat. Aber Sie haben viele Sprecher. Entschuldigung!
Jedenfalls hat Herr Stoltenberg, der dieses Recht für sich in Anspruch nimmt, am 24. November in einem Rundfunkinterview erklärt — ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren —:
Ich glaube, daß man ernsthaft prüfen muß, ob man Anfang nächsten Jahres in einer Größenordnung von 1 bis 2 Milliarden DM in strukturpolitischen Bereichen tätig wird.
Anfang nächsten Jahres wollte Herr Stoltenberg prüfen. Herr Strauß sagte: Zu spät, zu spät, was die Regierung tut! Nur wenige Tage später, am 29. November, hat Herr Kohl im „Handelsblatt" eine ganz andere Auffassung vertreten. Herr Kohl sagte nämlich, das Ansteigen der Arbeitslosenzahl in diesem Winter sei nicht mehr zu verhindern; zusätzliche Ausgaben des Staates würden wahrscheinlich eher die Inflation beschleunigen als die Beschäftigung
anheben. Wen wundert es bei dieser Spannweite gegenteiliger Äußerungen noch, daß Herr Strauß in mehr als 60 Minuten konkret zu dem, was jetzt getan werden muß, nichts gesagt hat, abgesehen von dem Steuersegen, den er ausbreiten wollte!
Man braucht sich nicht zu wundern. Man sollte auch auf die sonstigen Ausführungen, die Herr Strauß im Vorfeld der Konjunkturdebatte gemacht hat, nicht mehr eingehen. Wir erinnern uns noch allzu sehr an das, was er auch beim Beginn der Erdölkrise gesagt hat, an den Vorschlag, den halben Mehrwertsteuersatz für die Automobilindustrie einzuführen, und vieles mehr.
Auf alles dies kann sich die sozialliberale Koalition nicht einlassen. Sie hat ein Programm vorgelegt, das mit einer Vielzahl von Maßnahmen Schritt für Schritt die Beschäftigungslage bessern, die Investitionsneigung stärken und damit die Grundlagen für einen stabilitätsgerechten Aufschwung geben wird.
Einen Fehler allerdings hat dieses Programm, nur hat diesen Fehler nicht die Bundesregierung zu vertreten: Dieses Programm bietet keine direkten Hilfen für den Ausbau der kommunalen Infrastruktur. Bei den Kommunen gibt es sehr viele vergabereife Projekte, deren Durchführung positive Impulse für die Bauwirtschaft enthalten würde ebenso wie ein wesentliches Stück Verbesserung der Lebensqualität. Die Bundesregierung hat auch in ihren beiden Sonderprogrammen eine Vielzahl solcher Projekte gefördert. Aber diese Maßnahmen fanden von Bayern bis Schleswig-Holstein bei den Landesregierungen nur wenig Resonanz.

(Wehner [SPD] : Hört! Hört!)

Und das Land Bayern trat wiederum mit einem Erweiterungsantrag den Gang nach Karlsruhe an, um den Städtebauminister dafür zu verklagen, daß er es gewagt hatte, die Wohnungswirtschaft in Bayern zu fördern.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Die Bürger in Bayern werden darüber sicher anders denken.
Der Bundesregierung kann man es nicht verargen, wenn bei dieser Art von formalem Verfassungsverständnis das gegenwärtige Programm ein ausschließliches Bundesprogramm ist und keine Mischfinanzierung mehr enthält. Da gibt es nur wenige Ausnahmen. Ich erwähne nur z. B. die 50 Millionen DM für den Deichschutz. Ich hoffe sehr, daß diese 50 Millionen DM für den Deichschutz von den Ländern, die dafür in Frage kommen, angenommen und mit der notwendigen komplementären Finanzierung versehen werden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Es bleibt für die Gemeinden in diesem Lande eine weitere Hoffnung. Es bleibt die Hoffnung, daß wenigstens die progressiven Länder die Chance dieses Programms nutzen werden. Denn mit der Auflösung der Mittel aus der Stabilitätsabgabe werden für Länder und Gemeinden 1,9 Milliarden DM frei, und wir hoffen sehr, daß sie in der gleichen konjunkturexpansiven und strukturverbessernden Richtung
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Dr. Ehrenberg
ausgegeben werden, wie es die Bundesregierung mit ihren Mitteln aus der Stabilitätsabgabe tun wird.

(Pfeifer [CDU/CSU] : Was ist denn „progressive Länder" für ein Sprachgebrauch?)

— Das können Sie vielleicht selber nachlesen; ein CDU-regiertes Land ist damit von mir sicher nicht gemeint.

(van Delden [CDU/CSU] : Dafür hat man dort ein Wahlergebnis von 62 °/o!)

— Das ist sicher auch ein Indiz, aber nicht für Progressivität.
Eine letzte Bemerkung zu den häufig befürchteten kumulativen Auswirkungen dieses Programms: In allen Rechnungen, die eine Stabilitätsgefährdung von diesem Programm erwarten, die eine kumulative Anhäufung der Nettokreditfinanzierung des Bundes und der Maßnahmen aus diesem Programm unterstellen, wird folgendes übersehen. Die Steuerschätzungen vom November und der sich aus diesen Steuerschätzungen errechnende Nettokreditbedarf gehen von dem gegenwärtigen Stand der Wirtschaftslage aus. Wirkt das Konjunkturprogramm
— und das ist so angelegt, daß es wirken wird —, dann verschieben sich die dort geschätzten Einnahmen zugunsten der Gebietskörperschaften. Mit jedem Beschäftigungserfolg erhöht sich die Einnahme bei der Lohnsteuer. Mit jeder neuen Investitionsbestellung fällt neue Umsatzsteuer an, und der Nettokreditbedarf, wie er heute geschätzt wird, wird um so kleiner, je größer der konjunkturpolitische Erfolg dieses Programms ist. Darum ist es absurd, das kumulativ zusammenzurechnen und daraus Gefahren für die Stabilitätspolitik zu befürchten.
Wer so intensiv wie die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen in den letzten Jahren stabilitätspolitisch gearbeitet hat — mit diesen greifbaren Stabilitätserfolgen —, der ist von dem Verdacht frei, sich jetzt über die Stabilität hinwegzusetzen, sondern legt ein Programm wohlabgewogener Wachstums- und Stabilitätspolitik vor.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Nordlohne [CDU/CSU] : Siehe Jahreswirtschaftsbericht vom 6. Februar 1974!)

— Was steht denn darin?

(Nordlohne [CDU/CSU] : Daß mindestens als erklärtes Ziel eine zweiprozentige Arbeitslosigkeit nicht überschritten, sondern verhindert werden sollte! Schauen Sie sich das einmal an, und sehen Sie, wie das heute aussieht!)

— Den Zusammenhang müssen Sie mir erst klarmachen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das kann man nicht!)

Ich habe von den positiven Stabilitätserfolgen dieser Bundesregierung gesprochen, und zwar vor dem unsicher gewordenen weltwirtschaftlichen Hintergrund. Wenn Sie auch nur einen Teil von diesem Hintergrund in sich aufgenommen hätten, dann hätte Ihr Zwischenruf ebensowenig erfolgen können wie die Ausführungen von Herrn Franz-Josef Strauß, bezogen auf die erste Hälfte oder auch Mitte der sechziger Jahre, wo in der westlichen Welt eine Weltmarktidylle herrschte und nicht die heutige Zerrüttung dieses Weltmarktes gegeben war. Das sollte sich langsam bis nach Südoldenburg herumgesprochen haben, hoffe ich.

(Beifall bei der SPD — Nordlohne [CDU/ CSU] : Wir kommen auf Niedersachsen noch zu sprechen!)

— Ja, das können wir gern tun.
Meine Damen und Herren, dieses Programm, das die Bundesregierung vorgelegt hat, wird seine Wirkungen Schritt für Schritt zeigen. Es wird zu einem stabilitätsgerechten Aufschwung in diesem Lande führen. Darum stimmt die SPD-Bundestagsfraktion der Überweisung an die Ausschüsse zu. Wir hoffen sehr, daß sowohl die Opposition als auch die Bundesratsmehrheit die Mithilfe nicht versagen werden, so daß es möglich sein wird, das Programm noch vor Weihnachten zu verabschieden, damit es voll in Kraft treten kann.

(Beifall bei der SPD)

Wer sich dem entgegenstellt,

(Oh-Rufe bei der CDU/CSU — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Da kommt die Drohung auf uns zu! Das ist ein sehr schlechter Dienst an der Zusammenarbeit, Herr Kollege Ehrenberg!)

der muß sich sagen lassen, daß er den stabilitätsgerechten Aufschwung nicht will. Herr Strauß hat sich vorhin beim Bundeskanzler darüber beklagt, daß dieses Tempo die Arbeitsfähigkeit des Parlaments überfordern würde. Ich kann für meine Fraktion erklären: Wir sind arbeitsfähig genug,

(Strauß [CDU/CSU] : Um ja zu sagen!) um das in der nächsten Woche zu schaffen.


(Beifall bei der SPD und der FDP — Strauß [CDU/CSU] : Zum Kopfnicken braucht man nur drei Sekunden!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713701700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Blüm.

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID0713701800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit Ihrer Erlaubnis mit einem Zitat beginnen:
Erinnern Sie sich noch an die letzte Krise. Es war im Februar 1967. Fast 700 000 Arbeitnehmer hatten ihre Stellung verloren — ohne Aussicht auf neue Arbeit. Fast 350 00 konnten nur noch mit Kurzarbeit das Notwendigste zum Leben verdienen . . . Die Wirtschaftskrise war perfekt.
So der Text einer Wahlanzeige aus dem Jahre 1969. Inzwischen, einige Jahre später, hat die sozialdemokratische Regierungspraxis einen neuen Text geschrieben: 800 000 Arbeitslose und rund 450 000 Kurzarbeiter.
Meine Damen und Herren, um die Arbeitsmarktsituation, die jetzige, zu charakterisieren, braucht
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9453
Dr. Blüm
die Opposition sich gar nicht in geistige Unkosten zu stürzen, sondern sie muß nur die Flugblätter aus dem Keller holen, die Sozialdemokraten 1967 und später verteilt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Nordlohne [CDU/CSU]: Presseund Informationsamt zur Bundestagswahl 1969!)

Wir verhalten uns dabei noch zurückhaltend, denn die Krise war damals, wie die Zahlen beweisen, nicht so hart wie heute.

(Strauß [CDU/CSU] : Kürzer!)

— Und kürzer.
Ich trage dies ohne Schadenfreude vor. Es gibt auch nicht die Spur einer oppositionellen Genugtuung; denn es gibt keine lachenden Dritten der Arbeitslosigkeit, jedenfalls nicht unter Demokraten. Uber das Schicksal von Arbeitslosen und die Not ihrer Familien kann sich niemand freuen und freut sich aus diesem Hause auch niemand.
Aber wie im privaten Leben, so gilt auch für das politische Leben: Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung. Um genau diese ungeschminkte Selbsterkenntnis geht es heute. Nur dann, wenn den Tatsachen nüchtern ins Auge geschaut wird, können die Kräfte mobilisiert werden, die dem Ernst der Situation angemessen sind.
Diese Wirklichkeitsdarstellung ist auch deshalb notwendig, weil sozialdemokratische Nebelwerferkompanien, wie auch heute morgen gezeigt wurde, ja ständig unterwegs sind, um die Sicht zu verhindern.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Seit wann ist Strauß Sozialdemokrat? Das ist etwas ganz Neues!)

— Ich komme gleich auf die einschlägigen Zitate, Herrn Ehrenberg. Sie werden es erwarten können.
Seit einem halben Jahr erzählt der Herr Bundesarbeitsminister mit bewundernswerter Ausdauer, zur Schwarzmalerei bestehe kein Anlaß. Ich habe nicht gezählt, aber ich schätze, so zwanzigmal hat er diesen Selbstberuhigungsslogan inzwischen verwandt. Sein Fraktionskollege, Herr Ehrenberg, wiederholt mit schöner Gleichmäßigkeit, die Arbeitsmarktlage sei nicht alarmierend. So zuletzt am 23. Oktober in der „Bilanz"-Sendung, als bereits 600 Arbeitslose auf der Straße standen.

(Zurufe von der CDU/CSU: 600 000! — Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD])

— Ich finde, eigentlich sollten Sie sich mehr darüber unterhalten, wie angepaßt Sie die Arbeitsmarktlage beschrieben haben, und nicht über meinen Versprecher.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nun, der Herr Bundeskanzler, wie immer seiner Zeit voraus, hält die jeweils erreichte Arbeitslosenzahl für weniger schlimm als die folgende mögliche. 1972: „Wir würden 2 % Arbeitslosigkeit als eine schwere Fehlentwicklung der Wirtschaft ansehen." So am 23. August in „Handelsblatt". Im gleichen Jahr waren es dann schon 3 °/o, die er als unerträglich bezeichnet hat. Inzwischen hat sich seine Toleranzgrenze für Unerträglichkeit immer weiter nach oben verschoben.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : So ist es!)

Er ist inzwischen bei 5 °/o angelangt, jedenfalls nach den neuesten „Spiegel"-Meldungen, jedenfalls nach denen vom 19. August.
Helmut Schmidt ist also mit seinen beruhigenden Voraussagen immer auf der Flucht vor der Wirklichkeit. Es ist wie im Märchen vom Hasen und Igel, nur ist in der sozialdemokratischen Variation die sogenannte Unerträglichkeit immer schon enteilt, wenn sie von der Wirklichkeit eingeholt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Strauß [CDU/CSU] : Dr. Kimble als Bundeskanzler!)

— Immer auf der Flucht.
Als besonders viel verwendeter Trost ist in letzter Zeit der Verweis auf andere Länder und auf die schlimmere Lage dort benutzt worden. Das ist für die Arbeitnehmer ein schwacher Trost, zumal wir, was die Beschäftigungslage angeht, nicht der Spitzenreiter sind, als der wir häufig ausgegeben werden. In Japan, Großbritannien und Frankreich ist die Arbeitslosigkeit geringer als bei uns. Zum anderen erinnert dieser internationale Vergleich an den Zuspruch, das Feuer sei zwar im Nachbarhause bereits im Parterre angelangt, man solle aber ruhig sein, wenn es im eigenen Hause erst den Dachstuhl erfaßt habe.

(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : So ist es!)

Es ist bei uns schlimm genug, und wenn es nicht überall besser wird, wird es auch bei uns noch schlimmer werden. Das ist jedenfalls meine Überzeugung. Wir werden vielleicht die Ruinen etwas später besichtigen können.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Was werden Sie tun, damit es besser wird?)

— Herr Ehrenberg, gedulden Sie sich, ich habe noch etwas Redezeit.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Das hat Herr Strauß auch schon gesagt!)

Die europäischen Nationen werden nur in einer gemeinsamen Anstrengung die wirtschaftliche Misere meistern können. Das gemeinsame Europa wird nicht in spektakulären Spitzengesprächen von Spitzenpolitikern, auch wenn sie Helmut Schmidt heißen, erreicht,

(Wehner [SPD] : Was soll denn das?)

sondern nur durch die Stärkung europäischer Institutionen,

(Wehner [SPD] : Wollen Sie volkstümlich sein?)

und zwar durch die Stärkung europäischer Institutionen, die auch wirklich etwas zu sagen haben.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713701900
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
9454 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID0713702000
Bitte!

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID0713702100
Kollege Blüm, können wir damit rechnen, daß Sie sehr konkrete faßbare Vorschläge zur Bewältigung der Situation machen, die wir und die Arbeitnehmer draußen in den Betrieben begreifen?

(Wehner [SPD] : Der zurechtgemachte Arbeitnehmer vom Dienst?)


Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID0713702200
Herr Kollege Urbaniak, ich kann es verstehen, daß Sie nervös werden, wenn wir etwas ausführlicher von der Arbeitslosigkeit und der wirklichen Lage sprechen. Daß wir von den Fakten sprechen, halte ich aber für die Voraussetzung, wenn sich die Lage bessern soll.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehrenberg [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713702300
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID0713702400
Lassen Sie mich meinen Gedanken zu Ende führen.
Statt aber die Europäische Kommission zu stärken, hat der Herr Bundeskanzler alles getan, ihr Ansehen zu schmälern. Zuviel Bürokratie: ja, freilich, wenn man ihr so wenig Aufgaben gibt. Die Zufriedenheit oder gar der Stolz, der sich auf den Vergleich mit der Situation in den Nachbarländern bezieht, könnte sich sehr schnell als auf Sand gebaut herausstellen, denn ein Teil dieser Unterschiede und ein Teil unserer Vorteile beruht auf dem Exportüberhang, durch den nicht nur das binnenländische Angebot vernachlässigt, sondern auch die internationalen Spannungen vergrößert wurden.

(Wehner [SPD] : Sie haben das Manuskript zu einem anderen Thema!)

— Nein, ich habe das Manuskript zu dem Thema, auch wenn es Ihnen nicht paßt.
Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht ist außer Balance gebracht, und deshalb ist unsere Beschäftigungslage mehr und mehr von der Aufnahmefähigkeit der Exportmärkte abhängig geworden und ist deshalb auch labiler, als es auf den ersten Blick aussieht.

(Moersch [FDP] : So ein konzentrierter Quatsch!)

Die Arbeitslosigkeit ist auch nicht wie ein Wolkenbruch über uns gekommen. Das schlechte Wetter war schon lange erkennbar. Die Anzeichen ließen sich am Horizont schon vor der Ölkrise ausmachen. Seit 1969 stieg die Zahl der beschäftigungslosen Arbeitnehmer von 119 000 im November 1969 über 208 000 im Jahre 1971 auf die Zahl 332 000 im vorigen Jahr. Die jetzige Rekordmarke ist in aller Ohr.
Die Bundesregierung hat sich immer wieder bemüht, den erschreckenden Zahlen sozusagen mildernde Umstände abzugewinnen. Sie hat auf Teilzeitarbeitskräfte hingewiesen, die nur ein Zubrot
verdienen wollten und jetzt arbeitslos geworden seien.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713702500
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rapp?

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID0713702600
Bitte schön!

Heinz Rapp (SPD):
Rede ID: ID0713702700
Herr Kollege Blüm, erinnern Sie sich, daß es eineinhalb Jahre her ist, daß wir genau das umgekehrte Problem, nämlich Überbeschäftigung, hatten und Sie uns damals vorgeworfen haben, daß wir zu wenig gegen die Überbeschäftigung getan hätten?

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID0713702800
Bei 332 000 Arbeitslosen, wie im letzten Jahr, kann ich nicht von Überbeschäftigung reden. Es ist rührend, solche Entlastungsversuche zu sehen; denn auf der Kehrseite der Medaille, dort, wo das ungünstige Licht nicht hinfällt, befinden sich jetzt 450 000 Kurzarbeiter. In 6 600 Betrieben wird kurzgearbeitet. Die Kurzarbeiter sind die Teilarbeitslosen jetzt und, womöglich, die potentiellen Totalarbeitslosen von morgen. Die 3,5 °/o Arbeitslosen, die die Statistik ausweist, sind nur ein Mittelwert. Wie alle Durchschnittswerte lenkt er von Extremfällen ab. Aber auch Extremfälle sind konkrete Fälle, weil lebendige Menschen davon betroffen sind.
In Coesfeld beispielsweise sind bereits 6 °/o der Arbeitnehmer arbeitslos. Jeder sechzehnte Arbeitnehmer ist dort ohne Arbeit. Coesfeld steht aber nicht allein. In Gelsenkirchen sind es 5,6 °/o. Hier entstehen Inseln beschäftigungspolitischer Hoffnungslosigkeit, denn wo jeder sechzehnte Arbeitnehmer ohne Arbeit ist, da gibt es nicht um die Ecke herum eine Möglichkeit, einen Ersatzarbeitsplatz zu bekommen.

(Nordlohne [CDU/CSU] : Da kann man zum Sozialamt gehen!)

Abseits und geradezu verniedlicht von diesen Durchschnittszahlen hat die Arbeitslosigkeit bei Frauen und Jugendlichen eingeschlagen. 69 000 junge Arbeitnehmer unter 20 Jahren waren Ende September dieses Jahres ohne Arbeit. Von Mai bis September ist die Arbeitslosigkeit in diesem Kreis der Arbeitnehmer, also bei den jugendlichen Arbeitnehmern, von 9,6 °/o auf 12,5 °/o hochgeschnellt. Davon war fast die Hälfte, rund 32 000, auf der Suche nach der ersten Stelle. 54 °/o der jungen Arbeitslosen hatten keine abgeschlossene Berufsausbildung. Wo bleibt das Berufsbildungsprogramm der Bundesregierung, frage ich da.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Der Briefwechsel zwischen Herrn Minister Rohde und Herrn Minister Friderichs ist ja noch kein Berufsbildungsprogramm.

(Strauß [CDU/CSU] : Aber ein Beschäftigungsprogramm!)

Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9455
Dr. Blüm
Vorerst spielt die Regierung offenbar noch das Spiel: Wer hat den Schwarzen Peter? Das wäre an sich Ihr Vergnügen, wenn nicht die Leidtragenden dieses in letzter Zeit so beliebten Koalitionsspiels die arbeitslosen Jugendlichen wären.
Im übrigen hat die Opposition schon im März einen Antrag zur Reform der beruflichen Bildung und zur Novellierung des Berufsbildungsgesetzes vorgelegt. Wir können schließlich mit diesem Programm nicht warten, bis der Bundesbildungsminister von seinem alten Arbeitsplatz auf seinen neuen umgeschult ist und das Thema im Griff hat.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU)

In der relativ hohen Frauenarbeitslosigkeit zeigt sich auch, so meine ich, daß die Gleichbehandlung von Mann und Frau in unserer Arbeitswelt noch ein Stück Rhetorik ist. Die fehlende Ausbildung, die vielerorts der Auslöser für Arbeitslosigkeit ist, bildet mit einen Grund für die hohe Zahl der arbeitslosen Frauen. Mangelnde berufliche Qualifikation vieler Frauen ist die Folge eines alten Vorurteils, für das die Frauen zahlen müssen.
Bei den älteren Arbeitnehmern fällt auf, daß sich die Zahl derjenigen, die ohne Arbeit sind, zwar stärker als in der Vergangenheit der Durchschnittszahl genähert hat, daß aber die, die es erwischt hat, länger arbeitslos sind als früher. Das beschäftigungspolitische Programm, das uns heute vorgelegt wird, ist viel zu wenig differenziert, um der unterschiedlichen Lage unterschiedlicher Gruppen der Arbeitslosigkeit angepaßt zu sein. Das ist unsere Forderung. Und, meine Damen und Herren, ein wirksames beschäftigungspolitisches Programm, ein Programm, das tatsächlich Arbeit schafft, wird von der Opposition jederzeit unterstützt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die ausländischen Arbeitnehmer plant die SPD, wie ich der gestrigen Ausgabe des „Handelsblattes" entnommen habe, eine Wirtschaftsabgabe. Sie soll von den Unternehmern gezahlt werden, die ausländische Arbeitnehmer beschäftigen. Ich bewundere die Phantasie der Sozialdemokraten, wie sie Steuererhöhungen mit immer neuen Namen in die Diskussionen einschmuggeln. Eine solche Wirtschaftsabgabe ist ja auch nichts anderes

(Strauß [CDU/CSU] : Verstromungsabgabe, Umweltabgabe usw.!)

als die Einladung zur Entlassung der ausländischen Arbeitnehmer. Die Erfinder solcher Ideen sollten sich wenigstens die Unkosten der Scheinheiligkeit sparen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Diese in Watte gepackte Ausweisung ist eine Deformation der Solidarität und nichts anderes als nationaler Egoismus, der bei unseren europäischen Nachbarn nicht gerade Begeisterung zur Integration wecken wird.
Ich wollte die Lage der Arbeitslosen hier deshalb so ausführlich schildern, weil ich der Meinung bin, daß jede erfolgreiche Therapie auf einer genauen Diagnose beruhen muß. Die Heilung der Arbeitslosigkeit wird jedenfalls nicht mit dem Holzhammer von Globalmaßnahmen, sondern nur durch ein differenziertes Arbeitsbeschaffungsprogramm und durch die Ankurbelung der Investitionen dort, wo sie ohne Hilfen nicht zustande kämen, zu schaffen sein.
Alle Hilfsmaßnahmen können aber nur Initialzündung sein. Die Dauerleistung des Motors Vollbeschäftigung ist von einer gesunden Wirtschaft abhängig, und die gilt es wieder in Fahrt zu bringen.
Das Ergänzungsstück zur Wirtschaftspolitik ist die Sozialpolitik. Unser soziales Sicherungssystem, auf das wir mit Recht so stolz sind und dessen Ausbau nicht erst, wie manche Legendenproduzenten uns weiszumachen versuchen, 1969 begann, verliert angesichts der inflationären Wirtschaft seine Zuverlässigkeit.

(Zuruf von der CDU/CSU: Genau so ist es!)

Es ist nicht sehr beruhigend, daß ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, zu dem auf die Arbeitslosenversicherung die größten Belastungen zukommen, diese Arbeitslosenversicherung nicht mit einem soliden Fundus von Liquidität ausgestattet ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für das Haushaltsjahr 1974 müssen 2,2 bis 2,3 Milliarden DM der Rücklage entnommen werden, und die Bundesregierung muß 1975 wahrscheinlich mit einem Darlehen von 500 Millionen DM einspringen, damit die Bundesanstalt ihren gesetzlichen Verpflichtungen aus dem Arbeitsförderungsgesetz überhaupt noch entsprechen kann.
Diejenigen, die schon vor Jahresfrist auf die Finanzbedürfnisse der Bundesanstalt und auf den reduzierten Beitragssatz aufmerksam gemacht haben, sind leider Gottes durch die Entwicklung bestätigt worden. Aber der Herr Bundesarbeitsminister hat es ja angeblich immer besser gewußt. Noch am 7. Januar 1974 hat er sehr selbstbewußt in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" erklärt, der Beitragssatz von 1,7 O/0 reiche aus, alle Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit zu finanzieren. Jetzt — und zu spät — werden 2 0/o Beitrag, wie ihn das Arbeitsförderungsgesetz vorsieht, unumgänglich. Ich erinnere daran nicht aus irgendeiner Art von Rechthaberei, sondern damit die Chance genutzt wird, aus Erfahrungen klüger zu werden, und damit die sozialdemokratischen Gesellschaftspolitiker endlich vom hohen Roß ihrer Selbstüberschätzung herabsteigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diejenigen jedenfalls, die ausgezogen sind, das Jahr 2000 planerisch zu bewältigen, waren unfähig, das Jahr 1974 richtig einzuschätzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bin nicht gegen Futurologie, aber ein Schuß Gegenwartskunde hätte dieser Regierung gut getan. Im übrigen: Das schönste Arbeitslosengeld — darin stimmen wir sicherlich alle überein – kann nicht das Recht auf Arbeit ersetzen, und die Arbeitslosigkeit ist nicht nur ein materieller Mangel, sondern wird von vielen als eine soziale Deklassierung empfunden.
9456 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974
Dr. Blüm
Um so mehr muß auch von dieser Stelle der Appell an alle Arbeitsämter gehen, auf das manchmal leider angeschlagene Selbstwertgefühl ihrer „Kunden", der Arbeitslosen, Rücksicht zu nehmen. Jeder kann sich die Belastungen des Personals in Arbeitsämtern vorstellen, vor allen Dingen auch deshalb, weil die Anzahl der dort Beschäftigten für ganz andere Zeiten gedacht war, jedenfalls für bessere Zeiten, als wir sie heute haben. Deshalb muß jetzt geprüft werden, wie die Rationalisierung der Arbeitsämter und die Auszahlungen des Arbeitslosengeldes beschleunigt werden können, wie womöglich ein Abschlag im voraus gezahlt werden kann, damit die Arbeitslosen nicht so lange auf ihr Geld warten müssen. Die deprimierend langen Wartezeiten, bis die Hilfe in Gang kommt, müssen jedenfalls verkürzt werden.
In dieser Zeit geraten auch andere Sozialgesetze auf den Prüfstein der Bewährung. Ich denke hier ganz besonders an den sozialen Kündigungsschutz. Arbeitgeber, aber auch Arbeitnehmer dürfen ihre beschäftigungspolitischen Probleme nicht auf Kosten der Schwächsten lösen wollen. Gerade in der Not muß sich soziale Gesinnung beweisen. Unsere behinderten Mitbürger dürfen nicht die ersten sein, die ausgesucht werden, wenn Arbeitskräfte freigesetzt werden sollen. Dennoch ist die Zahl der arbeitslosen Behinderten überdurchschnittlich hoch. Wir haben 130 000 behinderte Arbeitslose; das sind 23 °/o.
Doch jetzt zum Herzstück des regierungsamtlichen Konjunkturprogramms. Über die finanzielle Dekkung macht die Regierung Angaben, die aus nichts anderem als aus vagen Hoffnungen bestehen. Ich zitiere aus der heutigen Vorlage:
Die durch die befristete Gewährung dieser Investitionszulage unmittelbar eintretenden Steuerausfälle werden durch Steuereinnahmen aus der erwarteten Belebung der Wirtschaftstätigkeit voraussichtlich mindest ausgeglichen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU — Nordlohne [CDU/CSU]: Feiner Deckungsvorschlag!)

Eine solche Angabe ist mindestens voraussichtlich, sozusagen vielleicht, unzuverlässig.

(Erneute Heiterkeit bei der CDU/CSU Kiechle [CDU/CSU]: Uns würde man totale Unseriösität vorwerfen!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713702900
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ehrenberg?

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID0713703000
Herr Kollege Ehrenberg, ich darf das noch im Zusammenhang darstellen.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Wenn Sie vor meinen Fragen Angst haben, bitte sehr! Lachen bei der CDU/CSU)

— Sie haben schon bessere Witze gemacht, Herr Dr. Ehrenberg.
Die Investitionszulage — um darauf zu sprechen zu kommen — soll auf Gute und Schlechte, auf Große
und Kleine, auf Arme und Reiche die Sonne der Zuwendung von 7,5 °/o scheinen lassen. Das Vorhaben steht in Gefahr, biblische Dimensionen anzunehmen: Wer hat, dem wird noch gegeben werden; denn in den Genuß dieser Zulagen werden ja überhaupt nur die kommen, die investieren können.
Ich will nur einmal ein paar Zahlen nennen. Veba plant — schon vor der Investitionszulage — für 1975 2,2 Milliarden DM Investitionen, RWE 2 Milliarden DM, BASF 1,7 Milliarden DM — alles vor der Zulage —, Siemens 1,4 Milliarden DM, Daimler-Benz 700 Millionen DM. Wenn die das alle zum richtigen Zeitpunkt einbringen können und daran habe ich keinen Zweifel —, dann wären sie dumm, wenn sie diese Investitionszulage nicht mitnehmen wollten. Nur, für sie war sie eigentlich nicht gedacht;

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: So ist es!)

denn sie war gedacht für die Unternehmen, die von der Pleite bedroht sind. Und das sind eben nicht die großen Flaggschiffe der deutschen Wirtschaft, sondern vornehmlich die mittelständischen Unternehmen. Wir haben 7 500 Pleiten als neue Nachkriegshöchstleistung in dieser Zeit produziert.
Die Investitionszulage ist eine besondere Variante der Erfahrung, die der Volksmund in den Satz gefaßt hat: Die Kleinen hängen und die Großen laufen lassen. Jetzt werden die Großen besonders gefördert und die Kleinen saufen eben ab. Das ist die Variation.

(Dr. Ehrenberg [SPD]: Sie sind ein Witzbold!)

Ist das, so frage ich jedenfalls, Herr Kollege Ehrenberg — um Ihrem Betätigungsdrang Objekte zu geben , die Vorstellung von der Strukturpolitik dieser Regierung? Nach der Rezession werden die Großen wahrscheinlich noch größer und die Starken wahrscheinlich noch stärker sein. Das ist das alte Darwinsche Gesetz, auf die Wirtschaft bezogen: Die großen Fische fressen die kleinen Fische, und das wird zum Muster Ihrer Wirtschaftspolitik. Mit sozialer Marktwirtschaft hat das jedenfalls nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Niemand wehrt sich gegen Strukturpolitik, und niemand wehrt sich gegen notwendige Anpassungen. Nur, wenn die so rabiat und so rücksichtslos durchgeführt werden, wie Sie es tun — denken Sie an die Automobilindustrie —, dann sind die Leidtragenden in erster Linie die Arbeitnehmer, und die werden sich bei Ihnen zu bedanken haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn wir, meine Damen und Herren, aus der Talsohle, in die uns diese Politik geführt hat, mit Investitionszulagen herauskommen sollen — was ja nicht sicher ist , dann wird auch die Vermögensverteilung einen weiteren Verzerrungsimpuls erhalten haben. Mit der Inflation und mit der Überwindung der Rezession ist Vermögensverschiebung verbunden. Es ist also falsch, der Regierung vorzuwerfen, sie betreibe keine Vermögenspolitik. Sie betreibt Vermögenspolitik — eine sehr massive so-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9457
Dr. Blüm
gar —, nur keine soziale Vermögenspolitik. Das ist der Punkt, den wir ihr vorzuwerfen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie können gar nicht soviel soziale Vermögenspolitik betreiben, wie Sie andererseits durch Inflation schon umverteilt haben. Das ist der erste Punkt einer Vermögenspolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unvorbereitet steht die Regierung den sozialen Aufgaben eines möglichen Aufschwungs gegenüber. Sie hat noch nicht einmal für die Unternehmen, die freiwillig Vermögenspolitik betreiben wollen, die ihre Arbeitnehmer an dem Zuwachs freiwillig beteiligen wollen, bessere Möglichkeiten der Beteiligung und bessere Möglichkeiten der Vermögensbildung sozialer Natur geschaffen. Die vielen eigentumspolitischen Pläne, die die Regierung von einer Schublade in die andere geschoben hat, nützen den Arbeitnehmern gar nichts, Null Komma nichts. Sie waren, wie ein Großteil der sozialliberalen Reformpolitik, von papierenem Wert.

(Dr. Ehrenberg [SPD]: . . Franz Josef Blüm!)

- Die Wahrheit werden Sie doch wohl noch ertragen können. —
Doch inzwischen hat sich auch bei den Arbeitnehmern herumgesprochen, daß das sozialliberale Ankündigungsgegacker nichts, aber auch gar nichts über das Zustandekommen der Ankündigung sagt. Klammheimlich hat der Herr Bundesarbeitsminister der „Wirtschaftswoche" am 29. November — ich zitiere — eingestanden:
Mit der Verabschiedung der vermögenspolitischen Gesetze ist in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu rechnen.
Herr Ehrenberg, Sie stehen nicht nur jetzt vermögenspolitisch mit leeren Händen da, sondern Sie stehen für die ganze Legislaturperiode vermögenspolitisch nackt und bloß da.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehrenberg [SPD] : Und Sie, zeigen Sie mal Ihre Hände vor! — Weiterer Zuruf von der SPD: Und Sie stehen mit vollen Hosen da!)

Meine Damen und Herren, es ist mehr als merkwürdig, daß ausgerechnet diejenigen, die der CDU vorwerfen, sie habe in Sachen Vermögenspolitik zuwenig getan, gar nichts machen. Ich meine, die müßten erst einmal vor ihrer eigenen Tür kehren, bevor sie sich die Mühe machen, unsere Türe zu besuchen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Seiters [CDU/ CSU] : Die Flugblätter 1969!)

Vermögenspolitik ist jedenfalls nur noch im Museum sozial- und freidemokratischer Hoffnungen zu besichtigen. Es muß aber — das ist unsere Meinung — Vorsorge getroffen werden, daß der Aufschwung verteilungspolitisch korrigierbar bleibt. Für die Zukunft muß dafür gesorgt werden, daß nicht weniger Kapital gebildet wird, aber mehr Kapitalgeber entstehen. Das ist unser ordnungspolitisches Angebot in der sozialen Marktwirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehrenberg [SPD]: Und wie macht ihr das?)

— Dazu hat die CDU nicht nur einen, sondern schon mehrere Vorschläge, wie Sie wissen, vorgelegt — auch in der letzten Legislaturperiode.

(Dr. Barzel [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

Dank Ihrer Blockade sind den Arbeitnehmern pro Jahr 7 Milliarden DM Vermögen verlorengegangen, das zustande gekommen wäre, wenn der Burgbacher-Plan verwirklicht worden wäre.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das hat der Kollege Ehrenberg vergessen!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713703100
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID0713703200
Ja, bitte!

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0713703300
Herr Kollege Blüm, würden Sie mir recht geben,

(Zuruf von der SPD: Natürlich! — Heiterkeit bei der SPD)

wenn ich sage, daß die Vorlage von Vermögensbildungsplänen in diesem Hause — so gut sie auch sein mögen — überhaupt nicht effektiv werden kann, weil sich die Sozialdemokraten und die Freien Demokraten dazu entschlossen haben, den Arbeitnehmern in Sachen Vermögensbildung in dieser Legislaturperiode überhaupt nichts mehr zu bieten?

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID0713703400
Ja, — —

(Lachen bei der SPD)

- Vielleicht hat der Herr Breidbach nur dafür sorgen wollen, daß Sie die Mitteilungen Ihres Arbeitsministers auch zur Kenntnis nehmen. Denn der hat genau das gesagt, was auch Herr Breidbach hier gerade angeschnitten hat.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Manchmal können Sie die Opposition auch als Briefträger von regierungsamtlichen Mitteilungen benutzen, wenn sie bei Ihnen nicht angekommen sind.
Den Arbeitnehmern wird niemand einen Lohnstopp einreden können, schon gar nicht, wenn nicht auch die Preise gestoppt werden. Das eine wie das andere paßt nicht in die Ordnungsvorstellungen der sozialen Marktwirtschaft und hat sich zudem in den Ländern, in denen es versucht wurde, als unwirksam erwiesen. Aber was haben die Arbeitnehmer von Lohnerhöhungen, die durch höhere Preise wieder aufgefressen werden? Es kommt nicht darauf an, was in der Lohntüte ist, sondern darauf,

(Moersch [FDP] : Wer es hat?!)

was man mit dem machen kann, was in der Lohntüte ist.

(Zuruf von der SPD: Ganz neue Erkenntnis!)

9458 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974
Dr. Blüm
— Vielleicht muß man auch diese Erkenntnisse wiederholen, wenn sie in Vergessenheit geraten sollten.
Die Arbeitnehmer werden darauf achten müssen, daß in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit die Verteilungskämpfe nicht in Wirklichkeit Kämpfe sind zwischen denjenigen, die in Arbeit stehen, und denjenigen, die arbeitslos sind, und sich die tatsächliche Umverteilung nur zwischen diesen beiden Gruppen abspielt und durch die Zahl der Arbeitslosen reguliert wird. Darauf haben die Arbeitnehmer auch in dieser Situation zu achten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Herr Bundeskanzler hat heute morgen die Arbeitnehmer mit der Hoffnung zu trösten versucht, daß ja am 1. Januar Steuer- und Kindergeldreform ins Haus stünden und damit eine — ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin — „hervorragende Grundlage" zur Verfügung stehe. Ich meine, es müßte darauf hingewiesen werden, daß vor einem Jahr, als die Opposition auf den Zusammenhang zwischen steuerpolitischer Entlastung und Lohn hingewiesen hat, der Großteil der Sozialdemokraten — ich kenne gar keinen, der gegenteiliger Meinung war — dies als Ablenkungsmanöver bezeichnet hat und Herr Ehrenberg sogar die Tarifautonomie in Gefahr sah.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich hätte mir gewünscht, daß Sie dies heute morgen in der Debatte Ihrem Herrn Bundeskanzler gesagt hätten. Es kann in diesem Hause ja nicht der Satz gelten: Wenn zwei dasselbe tun, dann ist es nicht dasselbe. Was aus der Sicht der Opposition nicht erlaubt ist, das muß sie auch ihrem Bundeskanzler verbieten.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Sie haben nicht gemerkt, was sich geändert hat!)

— Es hat sich nichts anderes geändert, als daß die Arbeitslosigkeit größer geworden ist. Das ist die einzige Änderung.
Im übrigen: Was durch Steuerentlastung in die eine Tasche hineingegeben wird, ist durch die erhöhten Sozialabgaben in der Gefahr, aus der anderen Tasche wieder herausgeholt zu werden. Allein die Krankenversicherung hat eine Kostenexplosion, die wahrscheinlich im nächsten Jahr die astronomische Summe von 90 Milliarden DM erreichen wird. Wir werden wahrscheinlich, wie die Ortskrankenkassen angegeben haben, durchschnittliche Krankenkassenbeitragssätze von 13 % haben.
Angesichts dieser Lage spricht der Herr Bundesarbeitsminister davon, die Lastquote der Sozialabgaben sei nun erreicht, es dürfe gar nichts mehr verändert werden. In der Rentenversicherung ändert sich tatsächlich nichts; das hält er offenbar fest, auch mit Hilfe eines Sozialbudgets, das die Wachstumsraten mehr im Blindflug als auf Grund der tatsächlichen Wachstumschancen einkalkuliert hat.
Man kann dem Herrn Bundesarbeitsminister nur sagen: Dem Arbeitnehmer ist es relativ gleichgültig, wo die Sozialabgaben steigen, bei der Krankenversicherung oder bei der Rentenversicherung. Der Arbeitnehmer hat nur ein Interesse: daß die Abgaben nicht steigen. Der Arbeitnehmer hat nicht einen Geldbeutel für die Rentenversicherung und einen anderen Geldbeutel für die Krankenversicherung. Er bezahlt alles aus einem Geldbeutel, und der wird durch diese Politik immer schmäler.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es wird in diesen Tagen viel nach der Alternative der Opposition gefragt. Sie haben es ja auch als eiligste Frage getan und uns gleichzeitig eingeladen, mit Ihnen zu handeln. Was wollen Sie jetzt eigentlich? Wollen Sie, daß wir nicht nein sagen, oder wollen Sie das Kontrastprogramm?
Ich kann nur sagen: Wenn jemand einen Herzinfarkt hat, hilft es nichts, auf die Nützlichkeit von Vorsorgeuntersuchungen hinzuweisen. Jetzt gilt es, die Krise zu meistern.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Wie?)

Die eigentliche Alternative der Opposition liegt hinter uns. Die hieß nämlich, diese Krise zu verhindern.

(Lachen bei der SPD)

Das war die Alternative der Opposition.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Sie haben auch schon bessere Witze gemacht! — Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD] — Nordlohne [CDU/CSU] : Im Wahlkampf 1972 war eine Formulierung der SPD: „Wir bauen Fortschritt auf Stabilität"!)

Diese Alternative wurde weder von der SPD noch ihren freidemokratischen Anhängern genutzt.
Wir können jetzt nicht den gesellschaftspolitischen Stillstand reklamieren. Die Entwicklung geht weiter, mit und ohne uns.

(Dr. Ehrenberg [SPD] : Ohne!)

Eine aktive Politik kann sich nicht mit der Zuschauerrolle begnügen. Das Wort „sozial" im Namen unserer Wirtschaftsordnung hat sich gerade jetzt zu erweisen. Ich bin gegen eine Reformpolitik, die in der Hochkonjunktur — dem Wetterfrosch vergleichbar — so hoch auf die Leiter des politischen Ansehens gesetzt wird, daß der Frosch schon keine Sprossen mehr unter sich hat. Und was dann passiert, das haben wir ja gerade erfahren. Und dann, in schlechten Zeiten, wird diese Reformpolitik völlig aus dem Verkehr gezogen. Wenn das jetzige Programm der Regierung nicht mehr ist als ein Krisenmanagement, dann steckt im nächsten Aufschwung schon der Keim zum nächsten Abschwung, und das Ankurbeln ist nur die Vorbereitung für die nächste Krise oder Krisenkette.

(Zuruf von der SPD: Der unaufhaltsame Abstieg des Herrn Blüm!)

Was wir brauchen, ist mehr Kooperation und mehr Partnerschaft, und das nicht nur hierzulande, sondern weltweit. Wir können uns den Luxus brutaler Klassenkämpfe gar nicht mehr leisten, weder den von oben, noch den von unten. Mit dem Mittel des brutalen Machteinsatzes werden die sozialen Konflikte der Zukunft nicht gelöst werden, weder die traditionellen Konflikte zwischen Arbeit und Kapi-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9459
Dr. Blüm
tal noch die neuen, oft unbemerkten, beispielsweise die zwischen Leistungsfähigen und denen, die nicht die Chance zur gleichen Leistung haben und die wir etwas sehr überheblich unter „Randgruppen" rubrizieren und damit unsere eigene Selbstüberschätzung entlarven. Armut, Not und Ungerechtigkeit befinden sich keineswegs dort, wo wir sie in unserem Bewußtsein placiert haben, nämlich am Rande, sondern leben mitten unter uns, sind unser Nachbar. Und der Hunger ist in der Welt kein Randproblem. Zwei Drittel der Menschheit hungern, so daß eher die Satten in dieser Welt eine Randgruppe sind.
Wenn wir uns allein auf Machteinsatz verlassen, so könnten wir noch von unliebsamen Überraschungen eingeholt werden; denn nicht immer werden wir diejenigen sein, die die Stärkeren sind. Es könnte auch sein, daß die armen Habenichtse dieser Erde sich auf das Wenige, was sie exklusiv besitzen, besinnen und es als Monopol gebrauchen. Was den Ölländern recht war, das wird den Kupfer- und anderen Rohstoffländern womöglich billig sein. Im Verlaufe eines solch globalen Freistilringkampfes könnte es sogar passieren, daß wir, die muskelprotzenden Industrienationen, mit dem Rücken auf dem Boden liegen. Vor dem Rückzug in eine politische Eiszeit wird uns nur das Modell der Partnerschaft bewahren, eine Welt, in der jedermann jedermanns Partner sein kann und niemand vor der Tür steht.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0713703500
Das Wort hat der Herr Bundesminister Friderichs.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713703600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf den Blümchen-Strauß, so kann man das, glaube ich, nennen, doch kurz eingehen, möchte aber, bevor ich zur Sache etwas sage, eine Vorbemerkung machen.
Herr Abgeordneter Dr. Strauß, ich komme nicht umhin, eines zu sagen. Ich fand, daß Ihre Bemerkung, die sich auf den Abgeordneten Wehner bezog, in der Sie glaubten, in einer nicht ungeschickten Formulierung darstellen zu sollen — ich habe das Protokoll nicht gelesen, ich muß aus dem Gedächtnis zitieren —, „diejenigen zweifeln, ob er in ein demokratisches Parlament gehöre", eine bedauerliche Entgleisung des heutigen Vormittags war.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich weiß nicht, ob es Stil unter Demokraten ist, so etwas zu sagen, und ich weiß nicht, woher Sie, Herr Dr. Strauß, das Recht nehmen — gerade Sie —, dies hier zu sagen.

(Beifall bei der FDP — Nordlohne [CDU/ CSU] : Haben Sie mal nachgelesen, was Herr Wehner heute morgen hier vorgetragen hat? — Seiters [CDU/CSU] : Sagen Sie mal was zu Herrn Kühn!)

— Ich bitte um Entschuldigung: Ich habe ein bestimmtes Verhältnis zur parlamentarischen Demokratie.

(Strauß [CDU/CSU] : Haben Sie gelesen, was Herr Wehner gesagt hat? — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Er hat nichts gelesen! Hat er selbst zugegeben!)

— Ich habe ausdrücklich gesagt, daß ich — —

(Strauß [CDU/CSU] : Sind Sie der Advokat von Herrn Wehner? Zensuren erteilen!! — Glocke des Präsidenten — Strauß [CDU/ CSU] : Mit solcher unterkühlten Arroganz werden Sie uns kaum behandeln können! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Herr Dr. Strauß, ich hätte niemals den Mut — Sie können es auch anders nennen —, bei irgendeinem Mitglied dieses Hauses zu zweifeln, ob es legitimiert sei, in einem demokratisch gewählten Parlament zu sitzen. Dies ist schlechter Stil, und den sollten wir uns in diesem Hause nicht angewöhnen.

(Breidbach [CDU/CSU] : Danke für die Belehrung, Herr Minister! — Strauß [CDU/CSU]: Daran werden wir Sie noch anderswo erinnern, Herr Friderichs! Ausgerechnet Sie hier als Sittenwächter und Schiedsrichter! — Kiechle [CDU/CSU]: Herr Oberlehrer!)

Die Generation, die die Zeit bis 1945 nicht mit Bewußtsein miterlebt hat — ich gehöre ihr an —, reagiert auf so etwas vielleicht besonders empfindlich.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Nordlohne [CDU/CSU] : Das liegt daran, daß er erst seit 1972 in diesem Hause ist! — Breidbach [CDU/CSU] : Auf die FDP reagiert gar keiner mehr!)

Zu den wirtschaftspolitischen Fragen. Herr Abgeordneter B 1 ü m , ich habe Ihre Ausführungen

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das war nicht gut!)

— das ist Ihre Beurteilung, Herr Mertes, die können Sie machen, wie Sie wollen — nicht in einen klaren Kontext mit den übrigen Ausführungen stellen können, die Ihr wirtschaftspolitischer Sprecher vorgetragen hat. Sie verlangen — ich zitiere aus dem, was ich mitgehört habe — differenzierte Beschäftigungspolitik. Sie sagten: Diese Globalpolitik ist Holzhammerpolitik, wir brauchen gezielte — und, und, und — Maßnahmen. Nun muß ich Ihnen sagen: Es gibt ein Gesetz über Stabilität und Wachstum, und es gibt eine Wirtschaftsordnung, die Marktwirtschaft heißt. Diesen beiden ist nun einmal eigentümlich, daß zur Konjunktur-, zur Prozeßpolitik zunächst und primär die Globalsteuerung gehört. Zu der hat sich Ihre Partei in der Großen Koalition mit der Einführung dieses Gesetzes bekannt.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Immer bekannt!)

Ich bekenne mich auch heute dazu.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Das brauchen Sie uns nicht vorzuhalten!)

9460 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974
Bundesminister Dr. Friderichs
Herr Strauß hat an anderer Stelle die ganz klare, ordnungspolitisch saubere Maßnahme der Investitionszulage abwertend als „diese Gießkanne" bezeichnet, und Sie Herr Blüm, haben mit nicht ungeschickten Worten der Popularitätshascherei gesagt: Das trifft die Großen, die werden immer reicher, usw. - Globalsteuerung ist eben so angelegt!

(Breidbach [CDU/CSU] : Man wird das doch wohl feststellen können!)

Das Tolle ist: Wenn wir selber mittels strukturpolitischer Maßnahmen differenzieren oder wenn das, was Sie hier in Ihrer Kritik vortragen, von anderen vorgeschlagen wird, dann schreien Sie: Investitionslenkung! Was wollen Sie eigentlich?
Zweite Bemerkung. Sie haben die Bundesregierung für die Lage in der deutschen Automobilindustrie verantwortlich gemacht. Zuständig ist sie natürlich für alles. Wir haben einen Rückgang der Zulassungen von Automobilen in der Bundesrepublik von 20 Oh. Ich habe die Liste der relevanten Länder der Welt vor mir liegen. Da gibt es drei Länder mit positivem Vorzeichen, das ist Schweden mit - 26 % Zulassungen, das ist Spanien mit ± 0 -
da steht aber noch ein Plus davor , und das ist Australien mit + 5 °/o. Alle anderen Länder der Welt haben in diesem .Jahr einen Rückgang der Zulassungen von Automobilen. Die Zahlen schwanken zwischen den eben genannten Plus-Zahlen und der höchsten Minus-Zahl, der Zahl Japans, von - 32 °/o. Noch viel wichtiger für Deutschland ist die Zahl der Vereinigten Staaten, - 26 %. Wollen Sie der deutschen Öffentlichkeit etwa ernsthaft weismachen, daß, wenn die Welt nach den energiepolitischen Ereignissen des letzten Winters weniger Automobile kauft — aus sehr wohl erwogenen Gründen weniger Automobile kauft , dann eine Bundesregierung sagen könne: Wir produzieren einfach 20 °/o mehr, damit sichern wir die Arbeitsplätze? So etwas können Sie doch der deutschen Öffentlichkeit nicht verkaufen!

(Beifall bei der FDP und der SPD - Nordlohne [CDU/CSU] : Da kann man nur den Kopf schütteln! Auf die Ursache des eigentlichen Problems sind Sie nicht eingegangen! — Breidbach [CDU/CSU] : Billiger Jakob! Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Das haben Sie hier klipp und klar dargelegt. Ich werde mich gleich zu den anderen Dingen äußern.

(Zuruf von der CDU/CSU: Der alte Trick: einen Sandsack aufbauen und dann zuschlagen!)

Sie haben die Investitionszulage - -

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Ihre Regierung hat das doch gewollt! Die hat doch weniger Autos haben wollen! Das war doch die Politik von Herrn Lauritzen, vier Jahre lang!)

- Sie kämen schneller zum nächsten Redner, wenn
Sie mich ausreden ließen. Aber das ist Ihr Problem. Ich habe Zeit.

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

Herr Blüm, Sie haben die Investitionszulage in Höhe
von 7,5 °/o kritisiert. Dazu ist zweierlei zu sagen.
Erstens: Sie haben die Möglichkeit, sie abzulehnen.

(Vorsitz: Dr. Schmitt-Vockenhausen)

Zweitens: Herr Stoltenberg hat sie nicht kritisiert; er plädiert aber für eine Erhöhung auf 10 %.

(Lachen bei der SPD) Ich muß es einfach so sagen, wie es ist.

Worum es hier geht, ist doch, eine Entwicklung herbeizuführen, die zu verstärkten privaten Investitionen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt des .Jahres 1975 führt. Wenn Sie private Investitionen anreizen wollen, müssen Sie die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Im Stabilitäts- und Wachtumsgesetz ist das Instrument der Prämie vorgesehen. Der Bundeskanzler hat klar gesagt, warum er die Investitionszulage der Prämie vorzieht. Ich teile seine Meinung. Die Anlastungsfragen sind bei beiden Instrumenten die gleichen. Insofern war das Argument von Ihnen, Herr Dr. Strauß, die Länder hätten nicht gewußt, von wem die Investitionszulage aufzubringen ist, unrichtig, denn die Länder wußten dies aus dem Konjunkturrat und dem Finanzplanungsrat natürlich exakt. Im übrigen entspricht dieser Aufbringungsmodus exakt der Regelung des § 26 des Stabilitätsgesetzes. Insofern kann es in dieser Hinsicht überhaupt keinen Irrtum geben.
Herr Blüm, Sie haben hinzugefügt, dieser Aufschwung müsse verteilungspolitisch korrigierbar sein. Sie haben weiter gesagt: Was nutzt es den Arbeitnehmern — dies ist auch so eine beliebte Floskel —(Dr. Blüm [CDU/CSU] : Aber sie stimmt!)

Moment, ich will mit Ihnen jetzt darüber sprechen, ob das stimmt, was Sie gesagt haben —, wenn Ihre Lohnerhöhungen unverzüglich durch die Inflation wieder aufgefressen werden? Mit dieser Fragestellung möchte ich mich jetzt einmal beschäftigen. Sie haben mir eben zugerufen: Das stimmt! Das Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit ist 1969 um 12,7 °/o, 1970 um 17,7 °/o, 1971 um 13,3 °/o, 1972 um 9,7 °/o und 1973 um 13,5 "/o gestiegen. Es wird geschätzt, daß es 1974 um 10,4% steigt. Wollen Sie der deutschen Öffentlichkeit ernsthaft weismachen, die Inflationsraten in den Jahren seit 1969 seien höher gewesen als die von mir eben vorgetragenen Zahlen? Wollen Sie ernsthaft die Statistik korrigieren?

(Breidbach [CDU/CSU] : Plus Steuern, plus Sozialversicherungbeiträge!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0713703700
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Blüm?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713703800
Wenn mir die Opposition gestattet, den Satz zu Ende zu führen, gestatte ich nach dem Satz die Zwischenfrage.
Wollen Sie ernsthaft behaupten, daß es in der Bundesrepublik Deutschland nicht jedes Jahr einen
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Bundesminister Dr. Friderichs
realen, also einen Netto-Einkommenszuwachs der Arbeitnehmer gegeben habe? Wollen Sie die Zahlen aller wissenschaftlichen Institute, des Statistischen Bundesamtes und all derjenigen, die sich mit diesen Fragen befassen, in Zweifel ziehen?
Bitte schön, Herr Blüm!

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID0713703900
Herr Minister, wollen Sie in Abrede stellen, daß die Zahlen, die Sie genannt haben, noch nichts über das reale Einkommen der Arbeitnehmer aussagen? Auf nichts anderes als auf diesen Zusammenhang wollte mein Satz im Blick auf die kommenden Verteilungskämpfe aufmerksam machen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713704000
Nein, ich stelle nicht in Abrede, daß die Realwerte andere sind. Aber ich sage Ihnen: Die Realwerte weisen in der Bundesrepublik Deutschland — im Gegensatz zu den Nachbarländern — in jedem Jahr ein Plus aus. Das können Sie nicht bestreiten, weil es niemand mit gutem Gewissen bestreiten kann, denn es wäre falsch, dies zu bestreiten. Es geht hier um den realen Zuwachs, um ein Netto-Plus. Oder wollen Sie etwa behaupten, die Arbeitnehmereinkommen in diesem Lande seien in einem der letzten Jahre real nicht gestiegen? Eben das mußte ich Ihrer Aussage doch entnehmen.

(Abg. Dr. Blüm [CDU/CSU] meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage)

- Nein, ich lasse jetzt keine Frage mehr zu, bis ich den Gedanken zu Ende geführt habe.
Eine zweite Bemerkung. Ich will auch zu dem verteilungspolitischen Gesichtspunkt etwas sagen. Es gibt eine interessante Zahl, aus der man die verteilungspolitischen Relationen ablesen kann. Ich meine die bereinigte Lohnquote. Ich glaube, dies ist die unbestechlichste Zahl. Die Ökonomen jedenfalls sind sich darüber einig. Die Steigerung der bereinigten Lohnquote seit dem Jahre 1969 — ich nehme bewußt wieder denselben Zeitraum wie vorhin — stellt sich wie folgt dar: 61,0, 61,8, 62,9, 62,9 63,5 65,1. Das bedeutet, daß sich die Verteilungsrelationen in den letzten viereinhalb oder fünf Jahren verändert haben. Wenn nämlich die bereinigte Lohnquote steigt, muß konsequenterweise, da sie sich auf das Volkseinkommen bezieht, die andere Einkommensart um denselben Anteil sinken. Das hat Herr Strauß gar nicht bestritten. Im Gegenteil, Herr Strauß hat auf diesen Zahlen seine ganze Rede aufgebaut und gesagt: Das ist so gestiegen, daß sie nicht mehr investieren können. Wissen Sie, diese Doppelzüngigkeit, daß der eine der Wirtschaft etwas sagt und der andere den Arbeitern

(Beifall bei der FDP und der SPD)

— und das soll geglaubt werden —, dieses Spektakel können Sie nicht vorführen. So einfach geht das nicht.

(Erneuter Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0713704100
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller-Hermann?

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0713704200
Sollte Sie dann nicht aber hinzufügen, daß die Regierung ihre Argumentation genau auf der gleichen Tatsache aufbaut, daß nämlich jetzt zunächst etwas mehr für die Investitionsbelebung getan werden muß?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713704300
Genau dieser Meinung bin ich,

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Dann dürfen Sie uns keinen Vorwurf machen!)

und zwar in Übereinstimmung mit den Bundeskanzler.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Sie sprechen dauernd mit doppelter Zunge!)

- Ich stimme Ihnen insoweit zu, Herr Müller-Hermann: Wenn ich mich in einer und derselben Rede mit Herrn Strauß und Herrn Blüm befassen muß, muß ich mit zwei Zungen sprechen. Das geht leider nicht anders.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wissen Sie, diese Methode — wir kennen doch die Strategie, und wir wissen, was in den letzten Tagen in Ihrer Fraktion gelaufen ist —,

(Nordlohne [CDU/CSU] : Gucken Sie mal an, was in Ihrem Kabinett gelaufen ist! Seiters [CDU/CSU] : Sie werden auch immer arroganter! — Dr. Müller-Hermann [CDU/ CSU] : Ihre Arroganz stinkt zum Himmel! Entschuldigen Sie! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

hier den einen hinzustellen, der den gewerblichen Mittelstand streichelt, während der andere die anderen streichelt, die ist doch geradezu lächerlich.
Herr Blüm hat klar und deutlich gesagt - das war
einer Ihrer Sätze; ich finde sie alle für die Diskussion sehr wichtig , der Verteilungskampf spiele sich nur noch zwischen den Arbeitslosen und den Nichtarbeitslosen ab, und das Regulativ sei am Ende die Höhe der Zahl.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist wieder ein Fehlzitat!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0713704400
Herr Bundesminister gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID0713704500
Herr Minister, ist es Ihnen entgangen, daß ich dies als eine Warnung ausgesprochen habe, damit die bevorstehenden Lohnrunden nicht so geführt werden, daß sie nur Verteilungskämpfe zwischen den Arbeitnehmern, die in Arbeit sind, und denjenigen, die nicht in Arbeit sind, darstellen? Sie dürfen meine Warnungen nicht als Tatsachenbeschreibungen ausgeben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Seiters [CDU/ CSU] : Das hat etwas mit ehrlicher Argumentation zu tun!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0713704600
Ich bitte um Entschuldigung. Wenn es so war, daß es nur eine Warnung war, dann habe ich Sie mißver-
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Bundesminister Dr. Friderichs
standen. Dann würde ich meine Behauptung darauf nicht aufbauen.

(Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Vielleicht gibt es noch ein paar Mißverständnisse mehr! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu der Gesamtsituation noch ein paar Bemerkungen machen. Sie kommen doch, meine Damen und Herren von der Opposition, um einen Tatbestand nicht herum: daß sich diese deutsche Volkswirtschaft, eingebettet in die gesamten weltwirtschaftlichen Beziehungen, davon nicht loslöst. Damit will ich von Problemen im Inland überhaupt nicht ablenken. Aber diese äußeren Rahmenbedingungen müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Ich wundere mich, mit welcher Selbstverständlichkeit heute und hier darüber geredet wird. Als ob sich im letzten Jahr in den Außenbeziehungen, in den „terms of trade", in den Bedingungen des Wirtschaftens dieses Landes nahezu nichts verändert hätte!

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das hat doch keiner gesagt!)

— Aber Sie haben keine Konsequenzen daraus gezogen.
Ich meine damit folgendes. In dem Augenblick, in dem eine Volkswirtschaft plötzlich und ohne eigenes Zutun Milliardentransfers in andere Länder vornehmen muß — ich will jetzt gar nicht werten, warum, ob politisch oder ökonomisch —, ist doch überhaupt eines unbestritten: daß dies auf die innere Substanz der Volkswirtschaft einen gravierenden Einfluß hat.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das ist unbestritten!)

Und es ist völlig unbestritten, daß im letzten Herbst und in diesem Jahr die deutsche Volkswirtschaft diesen abrupten Tatbestand mindestens im Ausmaß nicht zur Kenntnis genommen hat; sonst wäre das Verhalten mehrerer Gruppen unverständlich gewesen.
Was will ich damit sagen? Wir haben alle geglaubt, dies gleiche sich irgendwo sehr fix aus. Das ist eben nicht der Fall. Wir alle haben miteinander so getan, als ob das, was an 20 Milliarden in die Ölländer oder an anderen -zig Milliarden in die Rohstoffländer geht, im Inland verteilungspolitisch noch einmal zur Verfügung stünde. Das ist einfach nicht der Fall, und daran muß man sich dann eben ausrichten.
Und wenn Sie, Herr Blüm, sagen: zu schnell, zu rapide, zu gemein gebremst — und dann kommen diese berühmten Konkursziffern —, dann kann ich nur eines sagen: Hätten wir im Mai, nach Freigabe der Wechselkurse, nicht so gebremst, wäre uns
das ist richtig — möglicherweise — ich würde sogar sagen: wahrscheinlich — die letzte Spitze an Konkursen und die letzte Spitze an Arbeitslosen erspart geblieben. Das ist unbestritten — in diesem Jahr! Es ist aber genauso unbestritten, daß wir dann in eine Inflationsrate hineingelaufen wären, die höher wäre als die jetzige, und damit die beschäftigungspolitischen Risiken aus dem Jahre 1974 in das
Jahr 1975 verlagert und potenziert hätten. Diese Volkswirtschaft hat im Moment doch den einen großen Vorteil — den können Sie doch nicht bestreiten —, daß sie in der Relation zu ihren Wettbewerbsvolkswirtschaften Japan, Frankreich, England, Italien, USA, Schweiz — die derzeit stabilste in der westlichen Welt ist. Das ändert nichts an der Tatsache, daß mir eine niedrigere Preisrate als 6,9 lieber wäre.
Sie wissen doch ganz genau, daß Sie sich in der Frage Preise und Beschäftigung bei einem solchen Schock von außen niemals konzentrieren können und nach meiner Meinung auch nicht konzentrieren dürfen auf die kompromißlose Durchsetzung nur einer Komponente. Ich habe vor diesem Haus x-mal gesagt, daß das ein schmaler Weg ist und daß ständig neu zu definieren ist: Wo ist die erträgliche Rate der Preissteigerung, und wo ist die erträgliche Rate des Beschäftigungsrisikos?

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Hier so zu tun, als ob darüber nicht unablässig diskutiert und danach gehandelt worden wäre, ist doch geradezu — — Na, ich will es nicht bewerten.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Ich verstehe die Argumentation der Opposition in einem Punkt auch nicht. Auf der einen Seite sagen Sie: Hätten wir den Export nicht, hätten wir ja noch mehr Arbeitslose. Ich teile akut und ad hoc diese Meinung. Sie sagen: Durch den Export verschieben, übertragen wir reales Sozialprodukt nach draußen, das eigentlich im Inland zur Verfügung stehen sollte.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Das steht in der Regierungserklärung von 1969!)

— Ja natürlich, das ist auch meine Meinung, Herr Müller-Hermann. Nur müssen Sie sich doch in der akuten Situation des Jahres 1974 entscheiden, was Sie wollen. Sie müssen zu deutsch eine vorübergehend zu hohe außenwirtschaftliche Leistungsbilanz in Kauf nehmen. Das ändert aber doch nichts an der dauerhaften Richtigkeit der Zielsetzung, die Relation des Sozialprodukts zwischen Inland und Ausland zu verändern.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Mein Kollege Graf Lambsdorff hat in der Antwort auf Herrn Strauß am Beispiel VW — ich sage bewußt nur: am Beispiel VW — eine Frage angesprochen. Es ist doch unbestritten, daß die Kämpfe in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre — nicht vorher — um die Frage der richtigen Wechselkurspolitik -- ich meine jetzt nicht nur die simplere Frage, ob aufwerten oder nicht, um wieviel, zu spät oder zu früh; das alles ist doch gar nicht so entscheidend wie die Frage: Freigabe der Wechselkurse, ja oder nein, hält das Währungssystem, ja oder nein? — zu einem geführt haben: daß wir über einen nicht korrekten Wechselkurs, insbesondere zwischen D-Mark und Dollar, zunächst grandiose Exportvorteile auf dem amerikanischen Markt hatten. Nur so war die Eroberung des amerikanischen Marktes allein durch ein Produkt mit 500 000 Ein-
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Bundesminister Dr. Friderichs
heiten pro Jahr vorstellbar: auf der Basis dieses Wechselkurses — mit der Folge, daß Gastarbeiter in dieses Land geströmt sind, um die Autos hier zu fertigen, die wir dann auf der Basis eines falschen — Sie können auch sagen: eines subventionierten — Wechselkurses nach draußen geschickt haben. Nun wird der Wechselkurs korrigiert, nämlich durch Flexibilität. Er pendelt sich frei ein. Der Preis drüben reicht nicht mehr aus, und die Dinge schlagen zurück.
Um Ihnen klar meine Meinung zu sagen: Ich bin der Überzeugung, daß bei einer früheren Freigabe oder richtigeren Aufwertung dieses Unternehmen sich wahrscheinlich nicht entschlossen hätte, die letzten Zusatzkapazitäten hier zu bauen, sondern daß es sie dort gebaut hätte, wo entweder der Markt vorhanden oder der Arbeismarkt verfügbar war.

(Beifall bei der FDP)

Damit hätten wir uns hier natürlich Risiken vom Hals gehalten. Wenn ich das auf dieses Unternehmen beziehe, meine ich nicht nur dieses, sondern das ist ein durchgängiger Trend bei uns gewesen. Das ist doch unbestritten. Das bestreitet kein vernünftiger Volkswirt. Die Zusammenhänge müssen Sie sehen.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Das brauchen Sie uns doch nicht zu sagen!)

— Aber Sie tun doch so, als ob all diese Fakten nicht bestünden, Herr Müller-Hermann.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Nein! Sagen Sie das Ihren eigenen Leuten!)

— Sie persönlich nicht; das gebe ich zu. Aber das, was heute morgen hier geboten wurde, ging doch in die Richtung: Wir sitzen hier in Deutschland; ringsum findet nichts statt; wir machen unsere Politik.
Wenn ich in der Sowjetunion säße, könnte ich diese Politik betreiben, weil dieses Land vom Außenhandel kaum abhängig ist. Selbst wenn Sie in Amerika die Zuständigkeit hätten, könnten Sie wenigstens so reden, weil auch dort der Anteil des Bruttosozialprodukts, der in die Welt geht, unvergleichlich kleiner ist als bei uns und daher die Abhängigkeiten von draußen einfach nicht bestehen.
Bei uns aber ist folgender Tatbestand zu verzeichnen. Wir exportieren im Augenblick ein bißchen Stabilität und importieren Instabilität. Das ist unser Beitrag zur Lösung der Probleme unserer Nachbarn. Ich kann nichts dazu; es ist einfach ein Faktum. Schauen Sie sich doch die Steigerung der Importpreise an: in diesem Jahr über 36 °/o. Die Lebenshaltungskosten steigen in unserem Lande derzeit um 6,5 % und im Jahresdurchschnitt um 713/0. Sie kommen doch nicht um die Tatsache herum, daß wir zum erstenmal seit 1966 mit einem geringeren Preisüberhang in das nächste Jahr gehen, als wir ihn beim vorangegangenen Jahreswechsel hatten. Das ist einfach ein Faktum. Wenn Sie die Statistik im Februar sehen, werden Sie das nicht bestreiten können.
Merkwürdig ist nun wirklich: Als wir den Boom zu bremsen suchten, im Sinne der Stabilisierung des Geldwertes, wurden wir kritisiert: zu spät und zu wenig. Richtig ist eines: Was diese Bundesregierung nicht wußte, war, daß mitten in ihr eigenes Stabilisierungsprogramm mit scharfer Restriktion der Geldmenge und der Kreditkosten eine weltwirtschaftliche Problematik hineinplatzte, ausgelöst am Nahostkrieg, die unsere Volkswirtschaft tief getroffen hat.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!) Dies wußte ich im Mai nicht.


(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Das ist richtig. Wenn wir das alles gewußt hätten, hätten wir unter Umständen sogar die eine oder andere Maßnahme in anderer Form getroffen, vielleicht die eine oder andere Maßnahme unterlassen. Ich gebe das zu.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Wir wußten es auch nicht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Sie haben aber die Vorschläge gemacht!)

— Aber Sie nehmen den Tatbestand häufig nicht zur Kenntnis. Das ist der Unterschied.
Als es im November passiert war, haben wir die eigenen Restriktionsmaßnahmen des Staates im Dezember aufgehoben, übrigens unter der Kritik Ihrerseits, es sei zu früh, wir dürften sie noch nicht aufheben. Wir haben es gleichwohl getan.
Was bestehenblieb, war die Politik der Bundesbank. Diese Politik der Bundesbank hat dazu geführt, daß in diesem Lande eines nicht möglich war, nämlich die Überwälzungsspielräume so zu öffnen, daß wir in zweistellige Raten wie unsere Nachbarn hineinrutschten. Die Bundesbank — und das muß hier klar gesagt werden — hat entscheidend dazu beigetragen, daß die Nachfragedecke nicht groß genug war, um wieder hemmungslos über die Preise überwälzen zu können und am nächsten Wochenende das Spiel von neuem zu beginnen.

(Wehner [SPD] : Sehr wahr!)

Das ist doch ein Tatbestand. Nun jammern Sie draußen — ich war ja auch im Wahlkampf in Bayern und in Hessen —: diese Hochzinspolitik! Hier kritisieren Sie: nicht genügend Stabilitätspolitik. Vor den Betroffenen, den mittelständischen Unternehmern, deren Probleme ich nicht verkenne, sagen Sie, an dieser Hochzinspolitik sei diese Bundesregierung schuld. Sie können nicht beides haben: billige Zinsen und Stabilisierung in einem solchen Zeitraum.
Die Bundesbank — ich sage bewußt etwas zu dieser autonomen Organisation — war bereit, nachdem die äußeren Bedingungen in den letzten Monaten geregelt waren, kontinuierlich etwas dafür zu tun, daß die Zinsen sinken, aber eben erst in einem Zeitpunkt, wo eine Senkung der Zinsen nicht sofort wieder in neue Inflationsraten umschlägt. Die Bundesbank ist bereit, zum erstenmal seit ihrem Bestehen - ein ordnungspolitisches Novum —, im vorhinein die Zuwachsrate der Zentralbankgeldmenge zu nennen. Das bedeutet, daß alle wissen — Staat, Unternehmer, Gewerkschaften, autonome Gruppen —, was im nächsten Jahr finanziert werden kann und was nicht, und daran muß man sich halten. Sie sehen, daß die Rate mit + 8 % an einem realen
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Bundesminister Dr. Friderichs
Wachstum des Sozialprodukts von etwa 2 bis 2 1/2 % und entsprechendem höherem nominalem Wachstum ausgerichtet ist. Bei 8 °/o können Sie das ungefähr finanzieren. Das bedeutet, daß die Bundesregierung bereit ist und das sind doch die Rahmenbedingungen dieses Programms —, einen Aufschwung in Stabilität zu finanzieren, daß sie aber nicht bereit ist, einen Aufschwung zu finanzieren, bei dem das Spiel wieder von vorne losgeht, bei dem sie nämlich — und das war Ihre Unterstellung — wieder in den nächsten Boom hineinsteuern. Genau dies soll nicht geschehen.
Herr Blüm, lassen Sie mich noch ein Wort zu der Investitionszulage sagen. Es gibt eine Reihe anderer Modellvorstellungen, um dasselbe Ziel zu erreichen. Ich frage Sie aber ernsthaft: Können Sie mir in dieser konkreten Lage zur Anregung der Investitionen eine andere realisierbare bessere Maßnahme ohne Nebenwirkungen vorschlagen, die also nicht ähnliche Wirkungen hat? Das ist doch die entscheidende Frage.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wenn Sie sagen, die Reichen bekommen das auch, die Großen bekommen das auch: Glauben Sie wirklich, wenn die Farbenfabriken Bayer oder Hoechst oder BASF oder Siemens oder AEG morgen investieren, daß davon die mittleren Werkzeugmaschinenbauer in Baden-Württemberg, in Nordrhein-Westfalen oder die Elektrohersteller in Berlin nicht profitieren? Wenn Sie kappen und sagen, daß gebe ich nur den Kleinen — ich will die verfassungsrechtlichen Dinge einmal ganz weglassen —, erreichen Sie jedenfalls eines nicht, was Sie hier vorgegeben haben, nämlich einen höheren Beschäftigungsstand. Diese ständige Verwechselung aus Kreisen der Opposition stört mich. Professor Erhard hat ja den heutigen Vormittag miterlebt, und ihm war sicher bei einigen Punkten nicht ganz wohl, daß ausgerechnet Sie nun anfangen, langfristige Dinge, strukturpolitische Dinge, Strukturkomponenten schön mit ein bißchen Prozeßpolitik als „policy mix" zu verkaufen, alles, was Sie jahrelang auf Teufel komm heraus kritisiert haben: Nun machen wir es richtig, und jetzt sind Sie plötzlich anderer Meinung.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich war nach der Rede von Herrn Strauß zu diesem ordnungspolitischen Teil geneigt — Sozialdemokraten mögen mir dies verzeihen -, zu sagen, nun wird er auch noch der Senior-Juso.

(Heiterkeit — Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Sehr geistreich!)

— Aber wirklich! Was da ordnungspolitisch geboten wurde, hatte einfach nichts mehr mit einer Fortentwicklung — ich betone: Fortentwicklung der klassischen Marktwirtschaft zu tun. Natürlich Strukturpolitik!

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Sie müssen Ihre Kollegs an die Koalitionsfraktionen richten, nicht an uns!)

— Herr Müller-Hermann, wenn Sie mir die Frage stellen, will ich sie Ihnen gerne beantworten.

(Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Alles Blabla, alles überflüssig!)

— Wenn Sie keine Antwort haben wollen, brauchen Sie auch keine Fragen zu stellen, aber ich will es Ihnen trotzdem gerne beantworten: Ich bin mir in diesen Fragen mit meinen wirtschaftspolitischen Gesprächspartnern in der sozialdemokratischen Fraktion über Strukturpolitik, Prozeßpolitik, die Unterschiede und die Interdependenzen absolut einig. Und deswegen bin ich um so überraschter, daß hier und das ist doch das, was heute morgen die Debatte nicht gerade befruchtet hat — lauter Reizworte wie Gießkanne, Holzhammer, global, gebraucht worden sind, von denen Sie genau wußten, daß sie gerne gehört werden, und obwohl Sie wissen, daß sie falsch sind. Dies ist kein Beitrag zu einer vernünftigen Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0713704700
Das Wort hat der Abgeordnete Junghans.

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0713704800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Schluß der Debatte möchte ich mich auch noch einmal an die Opposition wenden mit ihrer heute hier vorgeführten, wie ich meine, verhängnisvollen Arbeitsteilung. Auf der einen Seite wird Herr Strauß aufgeboten, um die Arbeitgeber oder die Unternehmen weiter zu verunsichern, auf der anderen Seite wird Herr Blüm hier eingesetzt, um den Arbeitnehmern weiszumachen, es ginge in diesem Jahre mit den Arbeitnehmern bergab. Herr Kollege Blüm, Sie müssen zur Kenntnis nehmen, das reale Einkommen der Arbeitnehmer und der Rentner ist in diesem Jahr immer noch um 2,5 °/o gestiegen und wird auch im nächsten Jahr steigen, insbesondere dank der Steuerreform, die wir gemacht haben.

(Dr. Blüm [CDU/CSU] : 800 000 Arbeitslose!)

Meine Damen und Herren, die Opposition hat uns hier eine Suppe à la Tartuffe mit dem gelben Currypulver von Herrn Blüm vorgeführt. Ich möchte mich dem auch anschließen. Sie tun draußen so, als ob die Marktwirtschaft in Gefahr sei. Hier wird so argumentiert, als ob — ich zitiere das — „die Bundesregierung die industrielle Reservearmee geschaffen habe". Das hat Herr Strauß so gesagt. Des weiteren tun Sie so, als ob die Preise von der Bundesregierung festgesetzt werden. Außerdem argumentieren Sie noch so, als ob die Bundesregierung für die Leitung bestimmter Unternehmen verantwortlich wäre. Sie wecken in diesem Hause den Eindruck, als sei die Marktwirtschaft nicht mehr existent, als hätten wir eine zentrale Planwirtschaft, in der die Bundesregierung alles bestimmte, was in der Wirtschaft draußen passierte.
Sie tun auch so, als gäbe es keine außenwirtschaftlichen Einflüsse. Sie argumentieren so, als könne die Bundesregierung bestimmen oder gar befehlen, wie sich die Amerikaner, die Franzosen, die Briten, die Sowjetrussen, die Polen und die Araber zu verhalten hätten. Im Gegenteil, meine Damen und Herren: Es gibt kein Land der Welt, das so von außenwirtschaftlichen Einflüssen abhängig ist, wie gerade die Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesrepublik Deutschland hat heute einen Anteil am
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9465
Junghans
gesamten Welthandel von rund 12 %. Das ist etwa der gleiche Anteil wie ihn die Vereinigten Staaten von Nordamerika haben. Insgesamt haben diese beiden Länder einen Anteil von 25 % am gesamten Welthandel. Das bedeutet mit anderen Worten, daß wir — die Vereinigten Staaten haben 240 Millionen Einwohner; wir haben 60 Millionen Einwohner
viermal so abhängig sind wie das Land mit einem gleich großen Anteil am Welthandel.
Meine Damen und Herren, Sie tun auch so, als hätte die Bundesregierung Befehlsgewalt über die Arbeitgeberverbände, die Gewerkschaften und nicht zuletzt auch über die Bundesbank. Der Bundeskanzler hat heute morgen mit Recht darauf hingewiesen, daß es bei einem solchen Zusammenwirken vieler auf das verantwortungsbewußte Handeln eines jeden ankomme. Wir können Ihre Auffassung nicht durchgehen lassen. Ich möchte deshalb eindeutig feststellen: Die Bundesregierung hat ein ausgewogenes Programm mit wesentlichen strukturpolitischen Elementen vorgelegt.
Bei genauem Hinsehen stellt sich heraus, daß die Bundesregierung nicht mit der Gießkanne über das Land gegangen ist. Es sind neue sektorale Impulse gegeben worden. Die Infrastruktur hat Anstöße erhalten. Die regionale Wirtschaftsförderung wird zusätzlich ausgebaut. Es ist also eine Reihe von strukturellen Elementen in das vorliegende Programm aufgenommen worden. So wirkt z. B. die Investitionszulage von 7,5 % zusammen mit den bisherigen Vergünstigungen im Zonenrandgebiet, für Berlin und in den übrigen Fördergebieten. Wir geben der Hoffnung Ausdruck, daß hiermit positive Anreize gegeben werden, die Förderungsmöglichkeiten verstärkt auszunutzen, um gerade in diesen Gebieten zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, die Unternehmen zu festigen und zu modernisieren. Dies ist ein wichtiges, gewolltes strukturpolitisches Element, das wir ausdrücklich begrüßen. Die Chancen sollten genutzt werden!
Herr Kollege Blüm, es hat überhaupt keinen Sinn, der Bundesregierung Vorwürfe zu machen, wenn hier und dort regional die Arbeitslosigkeit gestiegen ist. Das können Sie weder durch einen Kabinettsbeschluß noch durch eine andere Regelung verhindern.
Es kommt darauf an, daß die Bundesregierung für diese Gebiete die Chancen schafft und daß sie dann auch genutzt werden. Das ist der Punkt! Das haben Sie nie begriffen.

(Beifall bei der SPD und der FDP Dr. Blüm [CDU/CSU] : Danke schön, Herr Lehrer!)

— Bitte sehr, Sie können noch mehrere kriegen!
In anderen Elementen trägt das Programm dem Problem der zukünftigen Energieversorgung Rechnung. Ich nenne hier die einmaligen Beihilfen für den Steinkohlebergbau, ich nenne hier die Begünstigung der Fernwärmeschiene Ruhr — das ist eine Rohrleitung —, und ich nenne die Demonstrationsanlage Kohlevergasung. Auch das Investitionszulagengesetz mit dem zweiten Teil, wo nämlich bestimmte energiesparende Investitionen als Dauerinstitut eingerichtet werden, dient der besonderen
Förderung und dem besonderen Schwerpunkt der Energievorsorge in diesem Lande.
Weiter werden die Abrechnungszeiträume — das ist auch wichtig für die Energieversorgung — in Zukunft bei Energieanlagen und bei Investitionen für Energieversorgungsunternehmen sogar bis 1977, bis 1978 ausgedehnt. — Insgesamt ist — und das muß man erkennen — der Schwerpunkt „Energievorsorge" unverkennbar.
Als weiteres besonderes strukturpolitisches Instrument ist zu begrüßen, daß dem Verkehr in diesem Programm eine besondere Rolle zugemessen worden ist. Ich erinnere hier an den Beitrag zur Modernisierung und Rationalisierung der Deutschen Bundesbahn — Rangierbahnhöfe, Instandsetzung von Bundesbahnstrecken —; vor allen Dingen aber ist es wichtig, anzumerken, daß hierbei sorgfältig darauf geachtet worden ist, daß sich damit nicht automatisch die Folgekosten erhöhen.
Als weiteres strukturpolitisches Element ist die Verbesserung der Infrastruktur mit der Förderung der überbetrieblichen Ausbildungsstätten anzuführen. Auch ist — in der gleichen Reihe — zu begrüßen, daß der soziale Wohnungsbau durch ein Sondergesetz auch in das vorliegende Programm einbezogen wird. Ich meine, daß die gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen in die Lage versetzt werden, jetzt im sozialen Wohnungsbau mehr zu tun, und dies wird sicherlich über preiswertere Mieten weiten Kreisen der Bevölkerung zugute kommen.
Die besondere Förderung der überbetrieblichen beruflichen Ausbildung habe ich schon erwähnt. Hier wie auch an anderen Stellen sind die Bundesländer und die Gemeinden aufgefordert, in eigener Zuständigkeit und aus eigenen Mitteln für zusätzliche Investitionen, z. B. für Berufsschulen, ihren Anteil beizusteuern. Das Programm der Bundesregierung ist eben ein Angebot an die privaten Unternehmer ebenso wie an die Gebietskörperschaften.
Meine Damen und Herren, Strukturpolitik ist keine Befehlswirtschaft, Strukturpolitik ist ein Angebot des Staates, um bestimmte Veränderungen zu erreichen. Wir haben das damals vor langen Jahren in diesem Hause verteidigt, und ich glaube auch, daß es hier keine Schwierigkeiten gibt, das im Rahmen der Marktwirtschaft einzuführen.
Ich begrüße, was den mittelständischen Teil anbetrifft, in diesem Zusammenhang auch, daß die Bundesregierung erklärt hat, das ERP-Programm derart umzustrukturieren, daß der Förderung des Mittelstandes zusätzliche Mittel zufließen. Die Konstruktion des ERP-Vermögens ist so flexibel, daß Aufstockungen in Teilbereichen jederzeit vertretbar sind. Auch dies ist ein wichtiges strukturpolitisches Element dieses Programms.
Zum Schluß noch einmal: Ich bitte sehr herzlich darum, daß Sie damit aufhören, die wirtschaftliche Lage der Bundesrepublik isoliert zu betrachten. Wir haben bei uns im Vergleich zu anderen Ländern immer noch einen günstigen Standard, der dieser Bundesregierung nicht in den Schoß gefallen ist. Ich
9466 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974
Junghans
weiß, daß das für einen Arbeitslosen kein Trost ist. Aber zwischen Arbeitslosigkeit bei uns und Arbeitslosigkeit in weiten Teilen der übrigen Welt ist dank unseres sozialen Sicherungssystems ein Unterschied wie zwischen Diät und Verhungern. Davon werden in Zukunft Zwänge ausgehen, vor denen wir uns zu bewähren haben.
Meine Damen und Herren, ein alter Hase unter den Bonner Wirtschaftsjournalisten, der wohl nicht dafür bekannt ist, daß er zu Sentimentalitäten neigt, hat dieser Tage bei der Rückkehr aus den Vereinigten Staaten und aus der Dritten Welt folgendes gesagt:
Wenn die Menschen in den europäischen Industrieländern nicht lernen, ihren Alltag am Weltmaßstab zu messen, dann werden sie Nabelschau und Selbstgefälligkeit in gar nicht ferner Zeit teuer bezahlen. Die Verteuerung und Lieferbeschränkung bei Rohöl haben nur einen Vorgeschmack gegeben. Die Welt wird nicht wieder so sein wie vor dem Herbst letzten Jahres. Es besteht die Chance, aus dem sich abzeichnenden Schlamassel herauszukommen, aber nur, wenn wir uns an den Tatsachen dieser Welt orientieren.

(Seiter [CDU/CSU]: Sagten Sie Schlamassel? — Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Eine Wohlstandsvermehrung im gewohnten Stil und ohne größere Anstrengung wird es nicht mehr geben. Damit müssen wir uns abfinden. Die Opposition bringt sich um jede Chance,
- immer noch der Journalist; ich zitiere immer noch —
ernst genommen zu werden, wenn sie die heutige wirtschaftliche Lage aus taktischen Gründen mit der von 1966 in Vergleich setzt. Das hieße Äpfel und Birnen zusammenzählen.
So weit der Journalist.
Ich kann nur feststellen, die Opposition hat die Chance vertan.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Schulze-Vorberg [CDU/CSU] : Wer war das denn? — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Streng vertraulich!)

Ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen. Bundeskanzler Helmut Schmidt und seiner Regierung ist recht zu geben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0713704900
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir haben nun noch die Überweisungen vorzunehmen. Die Überweisungsvorschläge liegen Ihnen vor; ich glaube, ich brauche sie jetzt nicht zu wiederholen. Änderungsanträge dazu werden nicht gestellt? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Damit sind die Überweisungsvorschläge angenommen.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 7/2927 —
Meine Damen und Herren, obwohl unsicher war, zu welchem Zeitpunkt die Fragen heute aufgerufen würden, haben doch noch einige Fragesteller ausgeharrt.
Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf. Die Fragen 51 des Abgeordneten Niegel, 52 des Abgeordneten Hösl, 53 und 54 des Abgeordneten Hoffie, 56 des Abgeordneten Josten und 57 des Abgeordneten Haase (Kellinghusen) werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 55 des Abgeordneten Tillmann ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und Bundeskanzleramts auf. Die Fragen 103 des Abgeordneten Dr. Wittmann (München), 104 des Abgeordneten Dr. Abelein und 105 des Abgeordneten Jäger (Wangen) sind gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde unzulässig, weil die darin angesprochenen Probleme bereits unter dem Tagesordnungspunkt 2 behandelt wurden.
Die Frage 106 des Abgeordneten Nordlohne wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin, für Ihre Anwesenheit.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Die Fragen 107 und 108 des Abgeordneten Opitz, 109 des Abgeordneten Dr. Hupka, 110 und 111 des Abgeordneten Dr. Czaja werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Die Fragen 58 und 59 des Abgeordneten Dr. Schneider und 60 des Abgeordneten Niegel werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Es bleiben aus diesem Geschäftsbereich die Fragen 61 und 62 des Abgeordneten Dr. Evers. — Der Abgeordnete Evers ist nicht im Saal, so daß auch diese beiden Fragen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Die Fragen 63 des Abgeordneten Dr. Holtz, 65 des Abgeordneten Collet und 66 des Abgeordneten Dr. Probst werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 64 des Abgeordneten Stahl (Kempen) ist zurückgezogen worden.
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Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Die Fragen 67 und 68 der Abgeordneten Frau Grützmann, 69 und 70 des Abgeordneten Hansen, 71 des Abgeordneten Dr. Hupka, 72 des Abgeordneten Gansel, 73 des Abgeordneten Dr. Wittmann (München), 74 und 75 der Abgeordneten Frau Berger und 77 des Abgeordneten Jäger (Wangen) werden auf Wunsch der Fragestellerinnen bzw. der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 76 des Abgeordneten Tillmann ist zurückgezogen worden.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Die Fragen 78 des Abgeordneten Thürk, 79 des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen und 80 und 81 des Abgeordneten Löffler werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Jetzt käme die Frage 82 des Abgeordneten Schlaga. - Ich habe Herrn Abgeordneten Dr. Schlaga doch noch vor wenigen Minuten gesehen. Er ist im Augenblick nicht da. Ich stelle die Frage zur Beantwortung zurück.
Ich rufe die Frage 83 des Abgeordneten Dr. Penner auf:
Haben die auf Grund von Fahndungsaktionen nach Mitgliedern krimineller Vereinigungen, wie der Vereinigung Baader-Meinhof, eingeleiteten Ermittlungs- bzw. Strafverfahren bereits zu Verurteilungen geführt und mit welchem Ergebnis?
Herr Staatssekretär de With steht zur Verfügung. Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID0713705000
Gestatten Sie, daß ich die gestellten Fragen im Zusammenhang beantworte?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0713705100
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 84 des Abgeordneten Dr. Penner auf:
Sind auch Unterstutzer und Helfer derartiger Gruppen von der Justiz zur Rechenschaft gezogen worden?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID0713705200
Die Strafverfolgungsbehörden der Länder und des Bundes haben die in ihrem Zuständigkeitsbereich angefallenen Ermittlungs- und Strafverfahren mit dem gebotenen Nachdruck und der vom Umfang und der Schwierigkeit der Ermittlungen her bestimmten Beschleunigung betrieben und zum großen Teil zum Abschluß gebracht.
Von den z. B. von dem Generalbundesanwalt gegen Mitglieder krimineller Vereinigungen geführten Ermittlungsverfahren haben bisher zwei mit einem rechtskräftigen Urteil geendet. Der ehemalige Rechtsanwalt Mahler ist wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung und Banküberfällen durch Urteil des Kammergerichts in Berlin vom 26. Februar 1973 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt worden.
Diese Strafe hat das Landgericht Berlin in das am 29. November 1974 gegen Horst Mahler wegen der
Befreiung Andreas Baaders verkündete Urteil einbezogen und eine Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verhängt.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf erkannte gegen ein weiteres Gruppenmitglied wegen Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung, Banküberfalls und Einbruchdiebstahls in zwei Rathäusern auf eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten.
Zu den Ergebnissen der von den Strafverfolgungsbehörden der Länder geführten Ermittlungsverfahren haben mir die Justizminister der Länder folgendes mitgeteilt.
Bisher sind 16 Personen, die als Gründer bzw. Mitglieder einer kriminellen Vereinigung, wie die der Vereinigung Baader-Meinhof, Rote Armee-Fraktion, der Bewegung 2. Juni und des Sozialistischen Patientenkollektivs Heidelberg, SPK, angesehen werden müssen, rechtskräftig verurteilt worden.
Zu ihnen zählt z. B. Heinrich Jansen, ein Mitglied der kriminellen Vereinigung Baader-Meinhof, welches wegen versuchten Mordes an zwei Polizeibeamten und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Ein Angehöriger der Bewegung 2. Juni, einer der Vereinigung Baader-Meinhof nahestehenden Organisation, Rolf Putnik, erhielt wegen Banküberfalls eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Das Landgericht Karlsruhe hat gegen die Gründer des Sozialistischen Patientenkollektivs Heidelberg, das Arztehepaar Dr. Wolfgang und Dr. Ursula Huber, wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung und Vorbereitung von Sprengstoffverbrechen Freiheitsstrafen von je vier Jahren und sechs Monaten verhängt.
Carmen Roll, die sowohl als Angehörige des Sozialistischen Patientenkollektivs als auch der kriminellen Vereinigung Baader-Meinhof gilt, wurde wegen Vorbereitung von Sprengstoffdelikten und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sowie Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Weitere zehn Personen, die zum Kreis der Helfer und Unterstützer zu rechnen sind, sind zwischenzeitlich rechtskräftig verurteilt worden. Die Strafen bewegen sich — je nach dem Grade des Verschuldens und dem Gewicht der Tat — zwischen Freiheitsstrafen von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung und Geldstrafen von 1 500 DM.
Dieser Personenkreis hat z. B. den Mitgliedern krimineller Vereinigungen Unterkünfte verschafft oder gewährt, Pkws zur Verfügung gestellt, Geldmittel beschafft, Personalpapiere zum Zweck der Herstellung gefälschter Ausweise überlassen und konspiratives Material, z. B. Fälscherwerkzeuge, Waffen, Kleidungsstücke, auch Perücken und ähnliches, für diese aufbewahrt.
Darüber hinaus sind noch nicht rechtskräftige Urteile gegen weitere 14 Mitglieder krimineller Vereinigungen wegen zum Teil schwerster Verbrechen, wie versuchten Mordes, Banküberfällen unter Waffenverwendung und fortgesetzter illegaler Waffen-
9468 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974
Parl. Staatssekretär Dr. de With
besehaffung, zu Freiheitsstrafen zwischen 13 Jahren und 9 Monaten ergangen.
Zu diesem Personenkreis zählen u. a. Ulrike Meinhof und Monika Berberich, Eric Grusdat und HansJürgen Bäcker. Gegen weitere fünf Personen sind wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung durch noch nicht rechtskräftige Urteile Strafen zwischen acht Monaten Freiheitsstrafe und Geldstrafe von 500 DM verhängt worden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0713705300
Haben Sie Zusatzfragen, Herr Kollege? — Nein.
Dann rufe ich — ich hatte doch richtig gesehen, daß der Herr Kollege Schlaga noch im Hause war — die Frage 82 des Herrn Abgeordneten Schlaga auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß nur in den seltensten Fällen Mietkautionen auf einem Sonderkonto festgelegt und verzinst werden und daß statt dessen Kautionen meist als zusätzliche zinslose Finanzierungsquelle benutzt werden, über die der Vermieter nach Gutdünken verfügt, und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung wann ergreifen, um den Mieterschutz auszudehnen und allen Kautionszahlern eine gerechte Verzinsung zu sichern?
Herr Staatssekretär!

Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID0713705400
Der Bundesregierung ist bekannt, daß Vermieter von Wohnraum von den Mietern häufig Mietkautionen fordern. Das ist an sich nicht zu beanstanden, soweit ein Sicherungsbedürfnis für die Ansprüche aus dem Mietverhältnis besteht. Die Kautionen müssen dann aber wie Sicherheitsleistungen behandelt werden, sie müssen insbesondere auf einem Sonderkonto angelegt und zugunsten des Mieters verzinst werden. Das aber geschieht offensichtlich in den meisten Fällen nicht: die Vermieter benutzen das als Sicherheit gegebene Geld als zusätzliche Finanzierungsquelle; das ist nicht gerechtfertigt.
Die Gerichte haben in einigen Fällen entschieden, daß Mietkautionen zu verzinsen sind, sofern im Mietvertrag nichts Gegenteiliges vereinbart worden ist. Das heißt also: Ist über die Verzinsung nichts vereinbart, so ist die Kaution zu verzinsen. Von einer gefestigten Rechtsprechung wird man allerdings nicht sprechen können. Auch die Meinungen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum sind geteilt. Eine Klarstellung im Gesetz scheint daher erwünscht. Bei den Beratungen des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes ist diese Frage ausgeklammert worden, da wegen des Zeitdrucks, unter dem die Beratungen standen, alle Bemühungen darauf konzentriert werden mußten, den Kündigungsschutz und die Regelungen über die Miethöhe als Dauerrecht zu sichern.
Entsprechend der vom Deutschen Bundestag bei der Verabschiedung des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes gefaßten Entschließung ist das Wohnraummietrecht zu bereinigen und für die Betroffenen verständlich und übersichtlich zusammenzufassen. Die Arbeiten hierfür sind nach Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens zum Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz aufgenommen worden. Die Frage einer gesetzlichen Regelung der Mietkautionen wird hierbei, Herr Kollege Schlaga, überprüft werden. Dabei wird allerdings auch zu bedenken sein, daß eine gesetzliche Regelung möglicherweise einen Anreiz geben kann, die gesetzlich zugelassenen Kautionsmöglichkeiten voll auszuschöpfen.
Es läßt sich naturgemäß heute noch nicht sagen, wann die Arbeiten hierüber abgeschlossen sind und ein Gesetzentwurf zur Bereinigung des Wohnraummietrechts vorgelegt werden kann.
Für den Bereich des sozialen Wohnungsbaus darf ich die Antwort im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau noch wie folgt ergänzen. Hier ist die Zulässigkeit von Mietkautionen durch die Neubaumietenverordnung eingeschränkt und, soweit hiernach Sicherheitsleistungen überhaupt erbracht werden dürfen, die Verpflichtung zur Verzinsung zugunsten des Mieters nachdrücklich festgelegt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0713705500
Herr Kollege, Zusatzfrage.

Georg Schlaga (SPD):
Rede ID: ID0713705600
Herr Staatssekretär, ist .der vom ehemaligen Bundesminister der Justiz, Herrn Jahn, in seiner Rede vor dem Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer im Mai 1973 geforderte und angekündigte Mustermietvertrag, der die Verzinsung von Kautionen zwingend vorsehen sollte, inzwischen verwirklicht? Ist mit diesem genannten Zentralverband eine wirksame Vereinbarung getroffen worden?

Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID0713705700
Ich kann Ihnen diese Frage konkret nicht beantworten. Nach meinen Informationen ist insoweit noch einiges an Arbeit erforderlich. Aber ich bin gern bereit, Ihnen diese Frage konkret schriftlich zu beantworten.

Georg Schlaga (SPD):
Rede ID: ID0713705800
Dafür wäre ich Ihnen dankbar. Darf ich eine zweite Zusatzfrage stellen?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0713705900
Bitte, Herr Kollege!

Georg Schlaga (SPD):
Rede ID: ID0713706000
Die Mieterschutzvereine, die ja einen Schutz der Mieter darstellen sollen, haben sich des öfteren mit der Bitte um Bezuschussung ihrer Arbeit an die Öffentlichkeit gewandt. Sehen Sie, wenn schon das Rechtsberatungsmißbrauchgesetz nicht durchlöchert werden soll, kann oder darf, eine Möglichkeit, den Mieterschutzvereinen Zuschüsse in einem bescheidenen, aber doch immerhin wirksamen Rahmen zukommen zu lassen, der es ihnen besser ermöglicht, gerade den kleineren unbedarften bzw. unbemittelten Mietern Rechtsberatung zukommen zu lassen?

Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID0713706100
Soweit ich sehe, ist diese Frage noch nicht entschieden worden. Möglicherweise wird darüber beraten werden, wenn die Beratungen über
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1974 9469
Parl. Staatssekretär Dr. de With
die Frage der Rechtsberatung für die unterbemittelten Kreise zu einem Ende geführt werden. Ich bitte um Verständnis, wenn ich deswegen hier zu diesem Punkt nichts Konkretes sagen kann.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0713706200
Die Fragen 85 und 86 der Frau Abgeordneten Dr. Riede sind von der Fragestellerin zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 87 des Herrn Abgeordneten Dr. Schweitzer auf:
Würde es die Bundesregierung nach Fühlungnahme mit den zuständigen Stellen der Länder begrüßen, wenn gegebenenfalls eine Kommission der Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland an Ort und Stelle die Haftbedingungen für Angehörige der kriminellen Baader-Meinhof-Vereinigung überprüft, damit auf diese Weise vor der inländischen und ausländischen Öffentlichkeit die tatsächlich vorherrschenden Verhältnisse von einem im Vergleich zu gewissen Philosophen sicherlich mit einer unangefochtenen Autorität ausgestatteten Gremium zweifelsfrei klargestellt werden können?
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Herr Staatssekretär!

Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID0713706300
Die Bundesregierung begrüßt jede objektive und unvoreingenommene Information über die Haftbedingungen für Angehörige der kriminellen Baader-Meinhof-Vereinigung. Es ist jedoch darauf zu verweisen, daß die Entscheidungen über Maßnahmen im Vollzug der Untersuchungshaft allein den zuständigen unabhängigen Gerichten obliegen. Diese haben schon bisher großzügig Besuchserlaubnisse für Repräsentanten kirchlicher und karitativer Stellen, für Mediziner und Journalisten erteilt.
Ich gehe deshalb davon aus, daß auch künftig damit gerechnet werden kann, daß solche Besuche kirchlicher Stellen in angemessenem Umfang genehmigt werden würden. Offen bleibt allerdings, ob die Häftlinge ihrerseits jeweils bereit sind, derartige Besucher zu empfangen.
Die Bundesregierung würde es darüber hinaus außerordentlich begrüßen, wenn die Personen, die Gelegenheit hatten, sich über die Haftbedingungen zu informieren, anschließend die Öffentlichkeit über die von ihnen getroffenen Feststellungen mehr, als das bisher geschehen ist, umfassend und objektiv unterrichten würden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0713706400
Sie haben eine Zusatzfrage.

Prof. Dr. Carl-Christoph Schweitzer (SPD):
Rede ID: ID0713706500
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung bereit, in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der Länder recht bald
einmal eine umfassende Dokumentation über die tatsächlichen Haftbedingungen für die hier zur Diskussion stehenden Häftlinge im Bundesgebiet zusammenzustellen und der breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen?

Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID0713706600
Was Berlin anlangt, ist dies, so meine ich, schon umfänglich geschehen. Ich sehe keinen Grund, der eine solche Dokumentation hindern sollte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0713706700
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 88 und 89 des Abgeordneten Spranger sowie die Frage 90 der Abgeordneten Frau Pack werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen damit zur Frage 91 des Abgeordneten Dr. Kunz. Ich sehe den Herrn Fragesteller nicht im Saal. Die Frage wird deshalb schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesminister der Justiz beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Die Fragen 92 und 93 des Abgeordneten Maucher sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Die Fragen 94 des Herrn Abgeordneten Rollmann, 95 des Herrn Abgeordneten Wolf, 96 und 97 des Herrn Abgeordneten Dr. Schöfberger und 98 und 99 der Frau Abgeordneten Funcke werden wunschgemäß schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf.
Herr Abgeordneter Dr. Weber hat die von ihm eingereichte Frage 100 zurückgezogen, ebenso Herr Abgeordneter Dr. Schwencke die Fragen 101 und 102.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 18. Dezember 1974, auf 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.