Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste aufgeführten Vorlagen ergänzt werden:1. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregieiung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes— Drucksache 7/531 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemaß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 7/685 —Berichterstatter: Abgeordneter Haehserb) Bericht und Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit
— Drucksache 7/655 —Berichterstatter: Abgeordneter Braun
2. Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, FDP betr. Beseitigung etwaiger Nachteile bei der Alterssicherung von Personen mit langen Zeiten der Kriegsgefangenschaft— Drucksache 7/668 —Uberweisungsvorschlag:Ausschuß für Arbeit und Sozialordnungzu Punkt 19 TO3. Beratung des Antrags der Abgeordneten Rollmann, KrollSchlüter, Lampersbach, Pohlmann, Frau Schleicher und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Rauschmittel- und Drogenmißbrauch— Drucksache 7/671 —Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheitzu Punkt 42 TOIch höre keinen Widerspruch; das Haus ist damit einverstanden. Die Erweiterung der Tagesordnung ist beschlossen.Der Bundesminister der Finanzen hat gemäß § 37 Abs. 4 BHO die Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben des Haushaltsjahres 1972 — Drucksache 7/623 — übersandt, die dem Haushaltsausschuß überwiesen werden sollen.Das Haus ist damit einverstanden; dann ist so beschlossen.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 25. Mai 1973 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Gesetz zu dem Übereinkommen vom 20. Februar 1957 über die Staatsangehörigkeit verheirateter FrauenGesetz zu dem Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Republik IslandGesetz zu dem Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl einerseits und dem Königreich Schweden andererseitsGesetz zu dem Interimsabkommen vom 22. Juli 1972 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Republik OsterreichGesetz zu dem Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl einerseits und der Republik Osterreich andererseitsGesetz zu dem Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Schweizerischen Eidgenossenschaft nebst Zusatzabkommen vom 22. Juli 1972 über die Geltung dieses Abkommens für das Fürstentum LiechtensteinGesetz zu dem Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl einerseits und der Portugiesischen Republik andererseitsGesetz zum Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Charta der Vereinten NationenGesetz zu dem Vertrag vom 21. Dezember 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen RepublikGesetz über den Beruf des DiätassistentenSechzehntes Gesetz über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung
Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 13. Dezember 1968 über den Schutz von Tieren beim internationalen TransportDer Bundesrat hat in der gleichen Sitzung beschlossen, hinsichtlich der folgenden Gesetze zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird:Steueränderungsgesetz 1973Gesetz zur Reform des GrundsteuerrechtsGesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 und des Gesetzes über das BranntweinmonopolFunfzehntes Gesetz zur Änderung des ZollgesetzesSeine Schreiben sind als Drucksachen 7/640, 7/641, 7/642, 7/643 verteilt.Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom -24. Mai 1973 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgende, bereits verkündete Verordnung keine Bedenken erhoben hat:Verordnung des Rates zur vierten Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1599/71 zur Festsetzung zusätzlicher Bedingungen, denen eingeführter Wein, der zum unmittelbaren menschlichen Verbrauch bestimmt ist, entsprechen muß— Drucksache 7/462 —Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mit Schreiben vom 24. Mai 1973 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgende, bereits verkündete Vorlage keine Bedenken erhoben hat:Verordnung des Ratesbetreffend die Durchführung des Protokolls Nr. 3 über die Begriffsbestimmung über „Erzeugnisse mit Ursprung in" oder „Ursprungserzeugnisse" und über die Zusammenarbeit der Verwaltungen, welches dem Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik üsterreich als Anlage beigefügt ist
Metadaten/Kopzeile:
2084 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973
Vizepräsident Dr. Jaegerbetreffend die Durchführung des Protokolls Nr. 3 über die Begriffsbestimmung für „Erzeugnisse mit Ursprung in" oder „Ursprungserzeugnisse" und über die Zusammenarbeit der Verwaltungen, welches dem Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Portugal als Anlage beigefügt istbetreffend die Durchführung des Protokolls Nr. 3 über die Begriffsbestimmung für „Erzeugnisse mit Ursprung in" oder Ursprungserzeugnisse" und über die Zusammenarbeit der Verwaltungen, welches dem Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Schweden als Anlage beigefügt istbetreffend die Durchführung des Protokolls Nr. 3 über die Begriffsbestimmung für „Erzeugnisse mit Ursprung in" oder „Ursprungserzeugnisse" und über die Zusammenarbeit der Verwaltungen, welches dem Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft als Anlage beigefügt ist— Drucksache 7/211 —Der Parlamentarische Staatssekretar beim Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 29. Mai 1973 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Strauß, Leicht, Hocherl, Dr. Althammer und der Fraktion der CDU/CSU betr. Mehrausgaben gegenüber dem Haushaltsentwurf 1973 und dem Finanzplan 1972 bis 1976 — Drucksache 7/584 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/667 verteilt.Überweisung von EG-VorlagenDer Prasident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen uberwiesen.Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über stetig arbeitende Wägeeinrichtungen mit Summierwerk— Drucksache 7/624 —uberwiesen an den Ausschuß fur Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgultigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates betreffend die Einführung eines Verfahrens zur Genehmigung der Einfuhren von Tonbandgeräten nach Italien mit Herkunft aus Drittländern— Drucksache 7/625 —uberwiesen an den Ausschuß fur Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgultigen Beschlußfassung im RatUberweisung von ZollvorlagenDer Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehende Vorlage uberwiesen:Sechsundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung— Drucksache 7/657 —uberwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig zum Plenum am 19. September 1973Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:Bericht der Bundesregierung aus der KabinettsitzungDas Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Kabinett hat sich in seiner heutigen Sitzung mit der Ausländerbeschäftigung befaßt und dabei ein Aktionsprogramm verabschiedet. Die darin angekündigten Maßnahmen und Entscheidungen sollen zu einer weiteren Konsolidierung der Ausländerbeschäftigung beitragen und dort gezielt Hilfe leisten, wo die sozialen und gesellschaftlichen Probleme 'besonders groß sind.Lassen Sie mich in wenigen Worten die Zusammenhänge aufzeigen, in denen das Aktionsprogramm zu sehen ist.In den letzten Jahren ist die Zahl der ausländischen Arbeitnehmer rasch angestiegen. In nur vier Jahren hat sie sich mehr als verdoppelt. Gegenwärtig sind rund 2,4 Millionen ausländische Arbeitnehmer in unserem Lande tätig. Die Aufenthaltsdauer ist länger geworden, ,der Nachzug der Familienangehörigen hat spürbar zugenommen. Dadurch sind 'die Anforderungen an die soziale Infrastruktur — vor allem im Wohnungs- und Schulbereich — beträchtlich angestiegen. Trotz aller Anstrengungen sind mancherorts fühlbare Engpässe entstanden, so besonders in Verdichtungsgebieten, wo oft jeder vierte Arbeitnehmer ein Ausländer ist und mitunter bereits sozial untragbare Verhältnisse eingetreten sind.Es ist daher dringend geboten, das auch in Zukunft unvermindert große Interesse an der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer mit den Notwendigkeiten ihrer angemessenen Eingliederung in 'Einklang zu bringen. Wir dürfen nicht zulassen, meine Damen und 'Herren, daß diese Bevölkerungsgruppe zunehmend zu einer Randgruppe unserer 'Gesellschaft wird. Die sozialen und gesellschaftlichen Erfordernisse dürfen nicht länger hinter den einzelwirtschaftlichen Überlegungen zurückstehen. Um die 'bestehenden Unzulänglichkeiten in angemessener Zeit zu mildern, kann die Zuwachsrate der ausländischen Arbeitnehmer sicher nicht so weiter steigen, wie das in der Vergangenheit der Fall war.Das Kabinett hat aus dieser Zielsetzung heraus heute folgende Leitlinien zur Ausländerbeschäftigung verabschiedet:1. Vor der Vermittlung eines ausländischen Arbeitnehmers durch die Auslandsdienststellen der Bundesanstalt für Arbeit ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die vom zukünftigen Arbeitgeber bereitzustellenden Unterkünfte den Richtlinien des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 1. April 1971 entsprechen. Dadurch wird eine angemessene Unterbringung der in das Bundesgebiet einreisenden ausländischen Arbeitnehmer sichergestellt.- 2. Die Zulassung ausländischer Arbeitnehmer in überlasteten Siedlungsgebieten soll von der Aufnahmefähigkeit der sozialen Infrastruktur abhängig gemacht werden. Hierzu 'bedarf es einer engen und zielstrebigen Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, aber auch der Bundesanstalt für Arbeit. Vordringlich sollen bundeseinheitliche Zulassungskriterien erarbeitet werden. Eine Arbeitsgruppe, die aus Vertretern des Bundes, der Länder, der Bundesanstalt für Arbeit und Fachleuten aus dem kommunalen Bereich besteht, wird sich in 'Kürze dieser Aufgabe annehmen.3. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Gebühr für die Vermittlung ausländischer Arbeitnehmer spürbar erhöht werden muß. Sie darf nicht weiter nur nach den Aufwendungen für Vermittlung und Anreise ausgerichtet werden. Die für die Entscheidung 'zuständigen Selbstverwaltungsorgane der Bundesanstalt für Arbeit sind bereits hiermit befaßt. Die zu erwartenden Überschüsse aus der Vermittlungsgebühr sollen im Rahmen der Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit zur Finanzierung von Eingliederungshilfen, so zu sprachlichen und beruflichen Bildungsmaßnahmen und zur Förderung einer angemessenen Unterbringung ausländischer Arbeitnehmer, verwendet werden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973 2085
Bundesminister Arendt4. Falls diese Maßnahmen nicht in dem gewünschten Maße zur Konsolidierung der Ausländerbeschäftigung beitragen sollten, wäre an die Einführung einer besonderen Wirtschaftsabgabe für die Beschäftigung von Ausländern zu denken. Aus diesem Aufkommen könnten Infrastruktureinrichtungen finanziert werden.5. Die illegale Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer und die häufig damit verbundenen Mißstände sind wirksamer zu bekämpfen. Es wird geprüft, ob gravierende Fälle der illegalen Ausländerbeschäftigung mit einer Mindestfreiheitsstrafe zu bedrohen sind.6. Aus sozialen und humanitären Erwägungen lehnt es die Bundesregierung ab, den Aufenthalt ausländischer Arbeitnehmer nach Ablauf einer bestimmten Zeit durch behördliche Eingriffe 'zwangsweise -zu beenden. Vielmehr sollte bei längerer Aufenthaltsdauer der aufenthaltsrechtliche Status verbessert werden. Entsprechende Bestimmungen sollen in die Verwaltungsvorschriften zur Ausführung des Ausländergesetzes aufgenommen werden. Einzelheiten sollen mit den Innenministern der Länder abgestimmt werden. Die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften genießen Freizügigkeit und nehmen daher eine Sonderstellung ein.Eine sozial verantwortliche Konsolidierung der Ausländerbeschäftigung muß längerfristig von allen maßgeblichen politischen Bereichen unterstützt werden, insbesondere von der Wirtschafts- und Strukturpolitik, der Raumordnungs- und Wohnungsbaupolitik und der Arbeitsmarkt- und Entwicklungspolitik. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die 'Probleme der Ausländerbeschäftigung nur im europäischen Rahmen dauerhaft zu lösen sind. Aus sozialen, gesellschaftspolitischen und ökonomischen Erwägungen erscheint es sinnvoll, eine Entwicklung zu begünstigen, welche die Produktionsmittel zu den Arbeitskräften bringt, wodurch die einseitige Wanderung der Arbeitnehmer 'zu den Produktionsstätten allmählich abgeschwächt werden könnte.Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich nicht versäumen, den Ausländern unter uns 'für ihren Beitrag zu unser aller Wohl zu 'danken. Die ausländischen Arbeitnehmer sollen wissen, daß wir uns um sie und ihre sozialen Anliegen kümmern.
Das Haus hat den Bericht der Bundesregierung entgegengenommen. Ein weiterer Bericht wird wohl nicht gegeben? — Danke schön!
Wird dazu eine Frage gestellt? — Herr Abgeordneter, bitte!
Herr Bundesminister, Sie haben uns vorgetragen, welche Maßnahmen auf dem Gebiet der Ausländerbeschäftigung, vor allem welche neuen sozialen Aspekte durch die Beschlüsse der Bundesregierung in die Ausländerbeschäftigung hineinkommen sollen. Ich möchte Ihnen jetzt die Frage stellen, ob sich nicht langfristig etwa dadurch Alternativen ergeben könnten, daß mehr Frauen oder ältere Arbeitnehmer oder aber Rehabilitanten beschäftigt würden, oder aber auch dadurch — auch diese Möglichkeit wäre gegeben —, daß die Industrie ermuntert wird, im Ausland mehr zu investieren, um dort und nicht nur hier Arbeitsplätze zu schaffen.
Herr Abgeordneter, ich glaube, daß sich alle Sachverständigen und mit diesen Fragen befaßten Organisationen und Institutionen darüber im klaren sind, daß auf diesem vielschichtigen und komplexen Gebiet der Ausländerbeschäftigung die Probleme nicht mit einer einzigen Maßnahme zu lösen sind. Die Bundesregierung verspricht sich von dieser Kombination von Maßnahmen — beispielsweise Überprüfung der Unterkünfte der ausländischen Arbeitnehmer vor der Einreise, Erhöhung der Anwerbepauschale — einen 'Druck in der Richtung, daß die Arbeitgeber größere Überlegungen vor der Anwerbung anstellen. Außerdem versprechen wir uns von dieser Kombination von Maßnahmen einen Druck auf den noch nicht ausgeschöpften innerdeutschen Arbeitsmarkt; da denken wir insbesondere an die Teilzeitbeschäftigung, an die Beschäftigung von Rehabilitanten und auch an die Frauenerwerbstätigkeit. Wir glauben also, daß mit diesen Maßnahmen ein erster Schritt getan wurde, um den deutschen Arbeitsmarkt noch intensiver in Anspruch zu nehmen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Urbaniak.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, Sie haben ausgeführt, .daß der aufenthaltsrechtliche Status von ausländischen Arbeitnehmern für den Fall längerer Verweildauer verbessert werden soll. Ist das so zu verstehen, daß der Plan einer Zwangsrotation, die von den Landesregierungen in Schleswig-Holstein und in Bayern erwogen wurde; endgültig zu den Akten gelegt worden ist?
Die in der 'Diskussion erörterte Maßnahme der Plafondierung oder .der Zwangsrotation war nach Auffassung der Bundesregierung nie zur Lösung dieser Fragen geeignet.
Wir sind auch heute morgen in der Sitzung nicht zu der Auffassung gekommen, daß das eine Lösung sei. Im Gegenteil. Ich verweise auf die Angehörigen der Gemeinschaftsstaaten. Für diesen Teil gilt die allgemeine Freizügigkeit und die arbeitsrechtliche und sozialrechtliche Gleichstellung mit den deutschen Arbeitnehmern. Aus dieser Sicht erweist sich eine Plafondierung oder eine Rotation mit administrativen Mitteln nicht als durchführbar.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann.
Metadaten/Kopzeile:
2086 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, darf ich Ihre Erklärung so interpretieren, daß auch die Bundesregierung der weiteren Hereinnahme ausländischer Arbeitskräfte gewisse Grenzen setzen will, sowohl mit dem Blick auf die binnenwirtschaftliche Entwicklung als auch mit dem Blick auf die Interessenlage der Länder, aus denen wir laufend Arbeitskräfte in die Bundesrepublik abziehen?
Im Rahmen der Ausgestaltung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu einer Sozialunion haben wir die Absicht, den Fragen der Strukturpolitik und der Beschäftigungspolitik in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft eine größere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Wir gehen davon aus, daß, wenn uns das gelingt, der Drang, auf den deutschen Arbeitsmarkt 711 kommen, nicht mehr so groß sein wird.
Ich gebe Ihnen aber zu, daß diese Fragen nicht von heute auf morgen mit einer Maßnahme zu lösen sind. Dies 'kann allenfalls ein erster Schritt sein, um zu dieser Lösung zu kommen.
Herr Abgeordneter Jaschke.
Herr Minister, wenn ich Sie richtig verstanden habe, sollen Ausländer nur noch dann in der Bundesrepublik zur Arbeit zugelassen werden, wenn nicht nur Wohnungen, sondern auch Kindergärten zur Verfügung stehen und es überhaupt die Infrastruktur zuläßt. Im Gegensatz zu Herrn Kollegen Müller-Hermann lege ich Ihre Ausführungen so aus, daß nicht daran gedacht ist, eine Höchstgrenze für Ausländer festzusetzen. Verstehe ich das richtig?
Herr Kollege, ich habe eben schon gesagt, daß für die 'Bundesregierung eine Zwangsrotation oder Plafondierung nicht in Betracht kommt, daß aber die Kombination von Maßnahmen, die wir vorgesehen haben, sicherlich zu einer etwas nachdenklicheren Haltung bei der Anwerbung von ausländischen Arbeitnehmern führen wird.
Herr Abgeordneter Lutz.
Herr Minister, Sie versprechen sich ganz offenbar einen bremsenden Effekt von der Kontrolle der Unterkünfte ausländischer Arbeitskräfte vor der Weitergabe von Vermittlungsaufträgen. Nun, Sie wissen sicher auch, daß über die Qualität der Unterkünfte in der Vergangenheit beträchtliche Klagen geführt worden sind. Hoffen Sie, daß mit 'dieser effektiven Kontrolle in Verbindung mit dem gerade beschlossenen Gesetz Über die Mindestanforderungen an Unterkünfte solche Mißstände abgebaut werden können?
Herr Kollege, es gibt sicherlich Mißstände auch bei der 'Unterbringung der ausländischen Arbeitnehmer. Aber ich würde nicht generell sagen, daß alle ausländischen Arbeitnehmer schlecht untergebracht sind. Ich habe mich in der Vergangenheit selbst davon überzeugen können, daß Ausländer in guten und qualitativ 'hervorragenden Unterkünften untergebracht sind. Worum es hier geht, ist, daß die Mißstände, die zweifellos vorhanden sind, eingedämmt werden. Da meinen wir, daß von einer Kontrolle der Unterkünfte vor der Anwerbung eine heilsame Wirkung ausgeht.
Herr Abgeordneter Becker.'
Herr Minister, Sie haben erklärt, daß Sie nicht mit einer einzigen Maßnahme, sondern mit einem ganzen Programm diesem Themenkomplex 'zu Leibe gehen. Darf ich Sie fragen, ob Sie die Maßnahmen, die Sie beabsichtigen, mit den Vertretern der Sozialpartner und auch mit anderen relevanten Gruppen der Gesellschaft vorher erörtert haben?
Wir haben uns nicht 'erst seit gestern mit diesen Fragen 'beschäftigt, sondern sind schon seit einiger Zeit dabei, diese Fragen 'zu behandeln. Wir haben in der letzten sozialpolitischen 'Gesprächsrunde beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, an der alle autonomen Gruppen in unserer Gesellschaft teilnehmen, die Frage 'der Ausländerbeschäftigung zu einer 'zentralen Frage gemacht, und wir haben die Zustimmung aller Beteiligten gefunden. ,
Als nächster Herr Abgeordneter Dr. Hirsch.
Herr Minister, ich weiß nicht, ob ich es vielleicht überhört habe; aber haben Sie etwas über die Erleichterung von Einbürgerungsverfahren oder über Möglichkeiten gesagt, ausländische Arbeitnehmer z. B. an kommunalpolitischen Entscheidungen in irgendeiner Weise zu 'beteiligen?
Sie wissen, daß wir schon in der r Vergangenheit in einigen Bereichen Koordinierungskreise eingesetzt haben, in denen die ausländischen Arbeitnehmer vertreten sind und ihre spezifischen Belange vortragen können. Wir haben darüber hinaus in diesem Aktionsprogramm der Bundesregierung — wenn ich es so bezeichnen darf — vorgesehen, daß bei einem längerem Aufenthalt der Aufenthaltsstatus der Ausländer nach einheitlichen Gesichtspunkten verbessert wird.
Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973 2087
Herr Bundesminister, welche Rolle spielt bei Ihren Erwägungen, daß wir in der Bundesrepublik eigene Schwierigkeiten ,des Arbeitsmarktes zum Teil dadurch überwinden, daß wir anderen. Schwierigkeiten schaffen, indem wir ihnen hochqualifizierte Leute nehmen? Ich denke z. B. an das besondere Problem der Ärzte, die draußen oder bei uns ausgebildet sind und in ihrer Heimat an den Menschen Dienst tun sollten, aber in Wirklichkeit hierbleiben, weil sie hier mehr verdienen können.
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat keine Möglichkeit, bestimmte Berufsgruppen zwangsweise in die Bundesrepublik hereinzuholen. Das ist eine freie Entscheidung der betreffenden Arbeitnehmer in den jeweiligen Herkunftsländern.
Die Frage war umgekehrt gestellt, Herr Minister: ob wir nicht zuviel Leute aus diesen qualifizierten Berufen bei uns behalten und damit in anderen Ländern Schwierigkeiten heraufbeschwören.
Herr Abgeordneter, wir sind ein liberales Land. Wir möchten nicht eine zwangsweise Abschiebung dieser Personen vornehmen.
Herr Abgeordneter Vogelsang.
Vogelsang : Herr 'Minister, auf der Gipfelkonferenz der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft im Herbst vergangenen Jahres ist beschlossen worden, im Laufe dieses Jahres ein soziales Aktionsprogramm für die Gemeinschaft zu erarbeiten. Sollen im Rahmen dieses Aktionsprogrammes auch die Fragen der Freizügigkeit behandelt werden, weil doch gerade diese spontane Wanderungsbewegung zu Enttäuschungen führen kann, wenn in dem Land, in das man einwandert, dann kein Arbeitsplatz zur Verfügung steht?
Auf der Grundlage der Erklärungen der Regierungs- und Staatschefs von Paris und Den Haag haben die Arbeitsminister der Gemeinschaft in ihrer letzten Ratssitzung damit begonnen, ein Aktionsprogramm für die soziale Harmonisierung zu erarbeiten. Dabei spielen natürlich auch Fragen eines Wanderarbeitnehmerstatuts für die Gemeinschaft oder einer assistierten Einwanderung eine große Rolle. Die Beratungen sind noch nicht abgeschlossen. Sie werden einige Zeit in Anspruch nehmen. Aber das Thema ist Gegenstand der Beratungen der Sozialminister und der Arbeitsminister.
Herr Abgeordneter Dr. Nölling.
Herr Minister, Sie sprachen davon, daß Sie in Zusammenwirken mit der Bundesanstalt eine spürbare Erhöhung der Vermittlungsgebühr beabsichtigen. Können Sie uns mitteilen, an welche Größenordnungen Sie denken und wie Sie auf die Verwendung der Überschüsse für die Infrastruktur Einfluß nehmen können, nicht nur in dem engen Sinne, in dem die Bundesanstalt das bisher vielleicht verstanden hat, sondern in einem etwas weiteren Sinne, beispielsweise für die Mitfinanzierung von Kindertagesstätten und ähnlicher Maßnahmen?
Die Bundesanstalt für Arbeit war natürlich ebenfalls Mitglied der sozialpolitischen Gesprächsrunde, so daß sie über die Absichten schon im Vorfeld informiert war. Wir haben die Absicht, nach der Verabschiedung dieses Aktionsprogramms durch das Bundeskabinett Verbindung mit der Bundesanstalt aufzunehmen, um die Selbstverwaltungskörperschaften zu veranlassen, entsprechende Beschlüsse zu fassen. Es ist daran gedacht, die Anwerbepauschale, die jetzt 300 DM pro Arbeitskraft beträgt, auf vielleicht 1 000 oder 1 200 DM zu erhöhen. Die Verwendung dieser Mittel — auch das ist erörtert worden — wird nicht eng auf die Unterbringung begrenzt sein, sondern es werden damit auch Kindertagesstätten errichtet werden können; mit einem Satz gesagt: Wir werden die Infrastruktur, die in manchen Ballungsgebieten zu Sorgen Anlaß gibt, dadurch verbessern.
Herr Abgeordneter Lenders.
Herr Minister, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß es im Interesse einer Konsolidierung der Beschäftigung von Ausländern auch notwendig ist, den aufenthaltsrechtlichen Status der ausländischen Arbeitnehmer zu verbessern. Sind Sie mit mir der Meinung, daß es erforderlich ist, in diesem Zusammenhang auch noch einmal die Ausführungsbestimmungen zum Ausländergesetz, die die Familienzusammenführung betreffen, zu prüfen? Meiner Erfahrung nach werden nämlich diese Verwaltungsvorschriften so restriktiv praktiziert, daß selbst bei einem längerfristigen Aufenthalt ausländischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik die Familienzusammenführung über die Maßen erschwert wird, auch wenn z. B. Wohnraum zur Verfügung steht.
Ich teile Ihre Auffassung, und deshalb wird sich die von mir erwähnte Arbeitsgruppe der Innenminister und der Bundesregierung mit dieser Frage beschäftigen und im Rahmen einer Reform dieser Verwaltungsvorschriften Erleichterungen zu schaffen versuchen.
Herr Abgeordneter Biehle.
Metadaten/Kopzeile:
2088 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973
Herr Minister, Sie haben sich gegen das rotierende Verfahren sowie gegen die Festlegung von Plafonds gewandt und dann von den Problemen der Europäischen Gemeinschaft gesprochen. Darf ich dem entnehmen, daß Sie analog dem Ausländerrecht hinsichtlich derjenigen Gastarbeiter, die aus Ländern außerhalb der Gemeinschaft kommen, andere Vorstellungen haben?
Nein. Ich wollte folgendes deutlich machen, und ich bitte um Nachsicht, wenn es mir nicht gelungen ist. Für die Angehörigen der Gemeinschaftsstaaten besteht absolute Freizügigkeit. Es gibt keine einschränkenden Maßnahmen gegenüber Angehörigen der Europäischen Gemeinschaft. Sie sind arbeitsrechtlich und sozialrechtlich den deutschen Arbeitnehmern gleichgestellt. .Das, was mit diesem Aktionsprogramm der Bundesregierung beabsichtigt ist, bezieht sich auf Angehörige aus Drittstaaten, mit denen Anwerbevereinbarungen bestehen.
Darf ich dem entnehmen, daß Sie auch — —
Eine zweite Frage kann leider nicht gestellt werden.
Frau Abgeordnete Schuchardt.
Herr Minister, liegen Zahlen von ausländischen Arbeitnehmern, die sich illegal in der Bundesrepublik befinden, vor, und hat man sich darüber Gedanken gemacht, wie man mit dieser Gruppe verfahren will?
Eine zweite Frage: Bestehen irgendwelche Vorstellungen — —
Sie können leider keine zwei Fragen stellen.
Dem Arbeitsministerium liegen keine Zahlen über illegal eingereiste und hier tätige ausländische Arbeitnehmer vor. Wir sind auf Schätzungen angewiesen.
Keine weiteren Fragen? — Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen damit zur
Fragestunde
— Drucksachen 7/653, 7/665 —
Ich rufe vor den Dringlichkeitsfragen des Abgeordneten Schröder auf Drucksache 7/665 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr die Frage 84 des Abgeordneten Seefeld auf Drucksache 7/653 auf, da sie zum gleichen Thema gehört und vorher eingereicht war. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haar zur Verfügung.
Frage 84 des Abgeordneten Seefeld:
In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung der Ankündigung der Fluglotsen zu begegnen, in den kommenden Urlaubsmonaten erneut einen Bummelstreik durchzufuhren?
Herr Kollege, seit dem 31. Mai 1973 führen die Fluglotsen widerrechtliche Aktionen durch, die zu erheblichen Verzögerungen und Erschwerungen im Flugverkehr geführt haben. Es ist Ihnen sicher bekannt, daß in keiner Betriebsverwaltung des öffentlichen Dienstes in den letzten Jahren so umfangreiche besoldungsmäßige Verbesserungen durchgeführt worden sind wie im Flugsicherungsdienst.
Dennoch hat der Bundesminister für Verkehr im Februar 1972 den Versuch unternommen, eine nochmalige Verbesserung der Situation zu erreichen. Nach Bildung einer interministeriellen Arbeitsgruppe wurden Untersuchungen auch über die Statusfragen eingeleitet. Mehrfache Besprechungen zwischen den zuständigen Ressorts führten zu einem Einvernehmen über eine Zulagenregelung.
Eine sogenannte Erschwerniszulage hat aber den Nachteil, daß sie nur den Lotsen gewährt werden kann. Dies würde das Spannungsverhältnis zur Zentrale und zur Technik vergrößern. Eine derartige Erschwerniszulage, die nur durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates eingeführt werden kann, sollte durch Stellenverbesserungen ergänzt werden, um so ein Gefälle zu den anderen Betriebszweigen der Bundesanstalt für Flugsicherung ausgleichen zu können. Die Folgen derartiger Stellenverbesserungen wären mit weiteren Verbesserungsvorschlägen des Verteidigungsministeriums verbunden gewesen, deren Konsequenzen allein auf Mehrausgaben von rund 40 Millionen DM quantifiziert werden.
Über die Empfehlung einer Zulagenregelung finden gegenwärtig Gespräche zwischen dem Bundesminister des Innern und den zuständigen Gewerkschaften statt. Die Bundesregierung wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten die negativen Auswirkungen so gering wie möglich halten. Die von ihr eingeleiteten sowie beabsichtigten Maßnahmen sind sowohl betrieblicher als auch dienstrechtlicher Art. Besondere Sorge bereitet der Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Sicherstellung eines möglichst ungestörten Urlaubsverkehrs mit Charterflugzeugen. Sie erwartet, daß organisatorische und koordinierende Maßnahmen zur Entlastung des Luftraums beitragen, damit der Charterflugverkehr im Rahmen des Möglichen gesichert wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seefeld.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen Stimmungen in der Bevölkerung bekannt — und wenn ja, wie beurteilen Sie diese? —, die ausdrükken, daß die Fluglotsen ohne Rücksicht auf die Be-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973 2089
Seefelddürfnisse von Tausenden von Flugreisenden ihre Monopolstellung ausnutzen?
Herr Kollege, die Stimmung in diesen Fragen ist unterschiedlich zu bewerten. Viele Berufsgruppen, etwa Steuerbeamte, Lehrer, Richter, Rechtspfleger und Polizeibeamte — um nur einige Gruppen herauszugreifen —, haben in der Vergangenheit auch zum Teil sehr berechtigte aktuelle Forderungen angemeldet. Die Fluglotsen haben in ihrer besonderen Art der Qualifizierung ebenso ihre Forderungen an die Bundesregierung gerichtet und in der Öffentlichkeit dargelegt. Daß sich bei solchen Aktionen fühlbarer Art besondere Wirkungen zeigen, wird sicher manche negative Stimme auch in der Öffentlichkeit auslösen, eben durch die Form einer solchen Stellungnahme und vor allem durch den Nachdruck auf solche Forderungen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seefeld.
Herr Staatssekretär, bei vergangenen Aktionen dieser Art sind, wie behauptet wird, Millionenverluste für die Fluggesellschaften, darunter besonders auch für die Deutsche Lufthansa, entstanden. Können Sie darüber Angaben machen, und zeichnen sich derartige Verluste auch jetzt schon ab?
Im vergangenen Jahr, Herr Kollege, betrugen die Verluste durch Einnahmeausfälle und erhöhte Betriebskosten pro Tag einer solchen Aktion etwa 1 Million DM bei der deutschen Lufthansa. Ich glaube, etwa auf den gleichen Betrag werden sich die Verluste auch in diesem Jahr beziffern lassen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Biehle.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß sich die Fragestunde in eine falsche Richtung entwickelt, indem nach Schäden gefragt wird, ohne daß vorher die Frage gestellt wird, was denn die Bundesregierung in der Vergangenheit versäumt hat, ausgehend von zwei Daten, die Sie genannt haben, daß nämlich im Februar 1972 der Verkehrsminister damit befaßt war und erst jetzt, nachdem eine Kommission eingesetzt war, sogenannte. Gespräche, wie Sie es genannt haben, geführt werden? Meine Frage zielt dahin: Was hat die Bundesregierung getan, um die Versprechungen, die sie in der Vergangenheit gemacht hat, in die Tat umzusetzen und. nicht nur Enttäuschungen herbeizuführen, während für die Polizei von vornherein kein klares Konzept vorlag?
Herr Kollege, zum ersten Teil Ihrer Frage: Ich habe nicht die Berechtigung, Fragestellungen nach ihrem Inhalt zu werten.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage darf ich darauf aufmerksam machen, daß auf die Dringlichkeitsfrage des Kollegen Schröder eine Antwort und Stellungnahme der Regierung erfolgt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Müller-Hermann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, unabhängig davon, wie man die Aktion der Fluglotsen wertet, ist doch die ganz konkrete Frage seitens der Regierung zu beantworten: Hat der damalige Verkehrsminister Leber den Fluglotsen Zusagen für gehaltliche Verbesserungen gemacht, die die Regierung nachher nicht eingehalten hat? Das ist ,die kardinale Frage.
Es sind Zusagen zur Verbesserung der Situation gemacht worden. Ich gehe nachher bei der Beantwortung der Frage Ihres Kollegen Schröder noch ins Detail. Ich kann nur darauf hinweisen, daß eine konkrete Quantifizierung dieser Zusagen weder zeitlich noch in Zahlen erörtert worden ist, da sich im Einvernehmen mit den Beteiligten eine interministerielle Arbeitskommission mit diesen Fragen befaßt hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen die Vorbereitungen bekannt, die für die Weiterführung der Besoldungsneuregelung und -vereinfachung von der Bundesregierung getroffen werden, und werden im Zuge dieser Neuregelung und Vereinfachung der Besoldung neben den Fluglotsen nicht auch alle anderen in Rede stehenden Gruppen in dem Gesetz erfaßt werden?
Herr Kollege, ich darf Ihnen für diese Zusatzfrage danken. Ich kann nur feststellen, daß die Schwierigkeiten, soweit sie sich auch auf Änderungen beziehen, die andere Gruppen innerhalb ,des öffentlichen Dienstes betreffen, allen in den Fachausschüssen tätigen Kollegen dieses Hauses bekannt sind.
Ich komme damit zur Dringlichkeitsfrage 1 des Abgeordneten Schröder :
Welche konkreten Zusagen haben Vertreter der Bundesregierung bei dem letztjährigen Streik der Fluglotsen diesen gegenuber gemacht, welche sind davon in der Zwischenzeit realisiert und welche sind nicht verwirklicht worden?
Ich darf bitten, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, in einer Erörterung zwischen den Bundesministern des Innern und für Verkehr und dem Verband Deutscher Flugleiter am 5. Juli 1972 wurde zugesagt, daß die am 14. Juni 1972 eingesetzte interministerielle Arbeitsgruppe
Parl. Staatssekretär Haar •
bis spätestens 15. September 1972 die Ergebnisse ihrer Untersuchungen über die Möglichkeit einer Überführung der beamteten Fluglotsen -in das Angestelltenverhältnis vorlegen wird. Falls nach dem Ergebnis der Untersuchungen eine Überführung in das Angestelltenverhältnis nur langfristig zu verwirklichen wäre, sollte auch eine Übergangslösung erarbeitet werden. Deren Einführung wurde frühestens mit Einstellung der damals andauernden Aktionen rückwirkend in Aussicht gestellt. Eine materielle Konkretisierung blieb der Arbeitsgruppe und den weiteren Erörterungen vorbehalten.
Die interministerielle Arbeitsgruppe kam sodann zu dem Ergebnis, daß gegen die Überführung in das Angestelltenverhältnis Bedenken bestehen. Diese Bedenken bestehen in folgendem.
Erstens. Im Hinblick auf die luftpolizeilichen Funktionen der Flugverkehrslotsen . müssen die Aufgaben nach Art. 33 des Grundgesetzes in der Regel von Beamten wahrgenommen werden.
Zweitens. Die Übernahme der militärischen Flugsicherung durch den zivilen Flugsicherungsdienst sowie Verpflichtungen im Rahmen der NATO lassen es nicht zu, diese Aufgaben von Personal in privatrechtlichem Arbeitsverhältnis durchzuführen.
Daher wurde von der Arbeitsgruppe eine Lösung der anstehenden Fragen im Rahmen des geltenden Beamten- und Besoldungsrechts empfohlen. Für Fluglotsen wurde eine Zulagenregelung in Höhe von 160 DM bis 200 DM vorgeschlagen. Über diese Empfehlung finden nach eingehenden Ressorterörterungen am heutigen Tage Gespräche zwischen dem Bundesminister des Innern — ich hatte schon darauf hingewiesen — und den zuständigen Gewerkschaften statt.
Bei der in Aussicht gestellten rückwirkenden Einführung einer möglichen Verbesserung handelt es sich um eine im Juli 1972 von der Bundesregierung verfolgte Absicht, die einen ersten Schritt bis zu einer umfassenden Funktionsbewertung aller Bereiche .des öffentlichen 'Dienstes in einem zweiten Besoldungsvereinheitlichungs- und Neuregelungsgesetz darstellen sollte. Ich glaube, diese Schwierigkeiten sind allen Beteiligten bekannt. Die Verwirklichung 'dieser Absicht mußte jedoch inzwischen aus übergeordneten Gesichtspunkten, insbesondere der Stabilität, bis zum Jahre 1974, zurückgestellt werden. Wir können davon keine Gruppe ausnehmen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schröder .
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hause den Inhalt der Vorlage des Herrn Verkehrsminister Leber an das Bundeskabinett vom vorigen Jahr mitteilen? Welche Gründe haben die Bundesregierung seinerzeit veranlaßt, dieser Vorlage nicht zu folgen?
Herr Kollege, dem Verkehrsausschuß ist in diesem Zusammenhang heute vormittag ein
umfassender Bericht zugesichert worden. Er wird allen Mitgliedern dieses Fachausschusses schriftlich erstattet werden. Wenn Sie persönlich an dem Inhalt der Vorlage von Verkehrsminister Leber an das Kabinett interessiert sind, kann er Ihnen zugestellt werden. Im übrigen habe ich dargestellt, welche Gründe für die Verzögerung der Entscheidung der Bundesregierung nach dem Ergebnis der Kommissionsempfehlungen maßgeblich sind.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß nicht nur die Mitglieder des Verkehrsausschusses, sondern die gesamte Öffentlichkeit daran ein Interesse hat? Meine zweite Frage: Sie haben von der Erschwerniszulage in Höhe von 160 DM bis 200 DM gesprochen. Trifft es zu, daß der Bundesinnenminister im Oktober letzten Jahres eine Zusage über 250 DM gegeben hat?
Das erste war also nicht Ihre Frage; denn Sie können nur noch eine Frage stellen.
Das kann ich im Augenblick weder bestätigen noch verneinen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hohen Hause berichten, was in den letzten zehn Monaten an intensiven Verhandlungen mit den Fluglotsen geschehen ist, um zu verhindern, daß es zu dieser makabren Situation kommen konnte?
Heute vormittag haben Ihre Kollegen vom Verkehrsausschuß, bei dem auch Sie stellvertretendes Mitglied sind, Herr Kollege, einen eingehenden Bericht mit Unterlagen über diese ganzen Vorgänge erhalten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie davon nicht Gebrauch machen können.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Becker.
Herr Staatssekretär, könnten Sie dem Hohen Hause mitteilen, daß in der letzten Legislaturperiode in der interfraktionellen Besoldungskommission das Thema Besoldung der Fluglotsen wie das Thema Besoldung aller anderen hier vorhin schon genannten Gruppen ausgiebig, diskutiert worden ist und auch die Beschlüsse, die dort in dieser Richtung gefaßt wurden, einstimmig waren?
Deutscher Bundestag —.7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973 2091
Ich darf folgendes ergänzend dazu sagen. Wenn ich den Wünschen von Herrn Kollegen Müller-Hermann folgen wollte, über den Ablauf der ganzen Bemühungen seit dem vergangenen Jahr zu berichten, dann würde das in der kurzen Berichterstattung mindestens 15 Minuten dauern. Das liegt den Mitgliedern des Fachausschusses vor, und ich kann mir nicht vorstellen, daß das Haus ein Interesse daran hat, daß hier eine solche Verlesung erfolgt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kleinert.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Schwierigkeiten, die nicht nur jetzt, sondern auch in früheren Jahren so deutlich offenbar geworden sind, dadurch entstanden sind, daß zu Zeiten eines von der CDU/CSU gestellten Bundesverkehrsministers die Verbeamtung der ursprünglich im Angestelltenstatus befindlichen Fluglotsen erfolgte, und dies auch noch in der Form, daß die Fluglotsen zu einem Teil Angestellte blieben, zu einem anderen Teil Beamte wurden, und daß dadurch eine solche Verwirrung und Unsicherheit eintrat, daß diese Maßnahme des seinerzeitigen CDU/ CSU-Bundesverkehrsministers als Hauptgrund für die jetzt so schwer zu lösende Situation anzusehen ist?
Herr Kollege, ich möchte mich im Augenblick einer Stellungnahme zu dieser Form der Bewertung deshalb enthalten, weil es der Bundesregierung darauf ankommt, bei der Fortsetzung der Beratungen auch in diesen Einzelfragen bei allen Fraktionen möglichst große Sachlichkeit zu erhalten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kiechle.
Herr Staatssekretär, gedenken Sie, sich zu fast allen Fragen heute einer Stellungnahme zu enthalten?
Es kommt darauf an, ob es Sachfragen sind, die auch sachlich beantwortet werden können, Herr Kollege.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Hoffie.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß ein wesentlicher Teil der Probleme, die wir jedes Jahr in Sachen Bummelstreik wieder auf dem Tisch haben, gelöst wäre, wenn diese Beamten in das Angestelltenverhältnis überführt werden könnten? Vor 1963 waren die Fluglotsen ja Angestellte, und 15 % der Fluglotsen, die hoheitsrechtliche Aufgaben wahrnehmen, sind ja auch heute noch Angestellte.
Wir haben bei der Prüfung, ob eine solche Veränderung auf Grund einer Entscheidung der Betroffenen erfolgen kann, festgestellt, daß die Entscheidungen der Betroffenen nach ihrer Verbeamtung heute sehr schwierig und unterschiedlich zu beurteilen sind. Das hindert uns im Grunde — das ist die Hypothek aus der Vergangenheit; das darf man durchaus feststellen — an einer Regelung, die uns jetzt rascher voranführte.
Vizepräsident Dr. "Jaeger: Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, lag es nur am schlechten Willen der Fluglotsen, daß es zu diesem Dilemma kam?
Das ist eine sehr subjektive Frage, Herr Kollege. Ich möchte sie nicht beantworten.
Herr Abgeordneter Biehle.
Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, daß es eine sachliche Frage ist, wenn man Sie fragt: — —
Sie können nicht davon ausgehen, Sie müssen selbst eine Frage stellen.
Ist es nicht sinnvoll — das frage ich Sie —, nicht nur dem Verkehrsausschuß intern im verschlossenen Kämmerlein, sondern in aller Öffentlichkeit vor Millionen von Fluggästen und der Bevölkerung Auskunft darüber zu geben, was Sie getan haben, und ist es nicht sinnvoll — können Sie das nicht? —, hier in wenigen Minuten ein mehrseitiges Exposé vorzutragen und dabei zu betonen, was am Ende herausgekommen ist?
Herr Abgeordneter, die Fragen und Antworten sollen kurz sein. Vor einem mehrseitigen Exposé muß ich aus Geschäftsordnungsgründen warnen.
Die Bundesregierung hat nachgewiesen, welche Bemühungen sie eingeleitet und unternommen hat, um im vergangenen Jahr zu einer Lösung dieser vielschichtigen Probleme zu kommen. Ich habe von den Schwierigkeiten in den Ressortbesprechungen gesprochen und gleichzeitig darauf hingewiesen, welche Weiterungen sich für andere Gruppen im öffentlichen Dienst ergäben, wenn Einzellösungen, wie sie vorgesehen und im Gespräch
Metadaten/Kopzeile:
2092 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973
Parl. Staatssekretär Haargewesen sind, im letzten Jahr beschlossen worden wären.Ich darf noch eine weitere Zahl nennen. Wenn alle Probleme in der Art, wie sie heute offensichtlich bei den Fragestellern aus Ihrer Fraktion anklingt, im letzten Jahr gelöst worden wären, hätte das einen Dammbruch gegeben, der uns heute mit Mehrbelastungen von jährlich etwa 1,8 Milliarden DM im öffentlichen Dienst zusätzlich belastete. Das war ganz sicher auch nicht Ihre Absicht, meine Damen und Herren.
Ich rufe die zweite dringliche mündliche Frage des Abgeordneten Schröder auf:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um die standige Wiederholung von Fluglotsenstreiks zu verhindern?
Bitte sehr, Herr 'Staatssekretär!
Ich darf bezüglich der Beantwortung der zweiten Frage darauf hinweisen, daß meine - Antwort darauf bereits in der Beantwortung der Frage des Kollegen Seefeld 'enthalten war.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schröder.
Herr Staatssekretär, aus welchen Gründen hat die Bundesregierung bisher keine disziplinarischen Maßnahmen ergriffen?
Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Beantwortung dieser Frage öffentlichkeitsinteressant und -wirksam sein kann. Die Fragen sind heute vormittag im Fachausschuß eingehend erörtert worden, und auch heute nachmittag erfolgt durch den Herrn Bundesinnenminister zu diesen Fragen im Innenausschuß des Deutschen Bundestages eine Berichterstattung. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es dabei bewenden ließen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schröder.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung eine Nachprüfung der überraschend zahlreichen Krankmeldungen durch die Gesundheitsämter erwogen?
Selbstverständlich, Herr Kollege.
Herr Abgeordneter Müller-Hermann.
Herr Staatssekretär, sind Sie sich darüber im klaren, daß die Öffentlichkeit aus Ihrer Antwort auf eine der letzten Fragen ,den Schluß ziehen muß, daß sie den Fluglotsen seinerzeit Zusagen gemacht haben, die Sie nachher — verständlicherweise — aus objektiven Gründen im Vergleich zu anderen Beamten bzw. Besoldungsgruppen für nicht vertretbar gehalten haben, und daß eben aus dieser Tatsache der ganze Unmut der Fluglotsen herrührt?
Herr Kollege, zu diesem Schluß wird die Öffentlichkeit nicht kommen, es sei denn, Sie wählten Formulierungen, die zu solchen Irreführungen beitrügen.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme nunmehr zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Herr Staatssekretär Herold steht zur Verfügung.
Die Frage 90 des Abgeordneten Schröder ist vom Fragesteller 'zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 91 des Abgeordneten Dr. Marx auf:
Welche Antworten haben Stadtverwaltungen in der DDR auf die Bemühungen von Städten in unserem Teil Deutschlands nach Städtepartnerschaften bisher erteilt?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Marx, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Bisher haben sich folgende Städte um eine Kontaktaufnahme und Anbahnung partnerschaftlicher Beziehungen mit Städten der DDR bemüht: St. Ingbert, Neviges, Dörnigheim am Main, Lüneburg, Erlangen, Plochingen, Frankfurt am Main und Dinslaken. Abgesehen von einer Eingangsbestätigung des Städte-und Gemeindetages der DDR an die Stadt Neviges haben die genannten Städte 'bisher keine Antwort aus der DDR erhalten. Wie mir vom Deutschen Städtetag bestätigt wurde, bestehen zur Zeit keine sogenannten Partnerschaften oder ähnliche Beziehungen zwischen Städten in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Die Bundesregierung hofft, daß im Zuge der Normalisierung des Verhältnisses zwischen den beiden deutschen Staaten nach Inkrafttreten des Grundlagenvertrages auch hier eine Änderung eintreten wird und 'kommunale Verbindungen möglich werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, in welcher Weise gedenkt denn die Bundesregierung die Bemühungen von Städten in unserem Teil Deutschlands um Städtepartnerschaften zu unterstützen?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973 2093
Herr Kollege Josten, ich möchte hier nicht nur Städtepartnerschaften ansprechen. Wir unterstützen heute schon Städte, Gemeinden und Landkreise, wenn sie z. B. im Rahmen des kulturellen Austausches Verbindungen in die DDR aufnehmen wollen. Wir sind uns allerdings darüber im klaren, daß Verbindungen von Gebietskörperschaften und Kommunalparlamenten auf beiden Seiten erst dann möglich werden, wenn aus OstBerlin dazu grünes Licht gegeben wird.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Herr Staatssekretär Dr. Bayerl steht zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Lampersbach auf:
Ist die Bundesregierung in der Lage, uber den Stand der Arbeiten in der von ihr am 9. Mai 1972 eingesetzten „Unternehmenskommission" Bericht zu erstatten, insbesondere im Hinblick daraufhin, ob die Kommission bereits „das Bundesministerium der Justiz bei der notwendigen Fortentwicklung des Gesellschaftsrechts zu einem umfassenden Unternehmensrecht beraten hat", und welche Vorschläge für die zu diesem Zweck erforderlichen Änderungen des Gesellschaftsrechts" der Bundesregierung gemacht worden sind?
Herr Präsident, gestatten Sie bitte, daß ich des Sachzusammenhangs wegen beide Fragen gemeinsam beantworte.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe ferner die Frage 23 des Abgeordneten Lampersbach auf:
Falls der Bundesregierung noch keine Vorschläge gemächt worden sind, womit hat sich die Kommission bisher beschaftigt, und zu welchen vorläufigen Schlußfolgerungen wenigstens auf Teilgebieten ist die Kommission gekommen?
Herr Kollege Lampersbach, der Bundesminister der Justiz hat die Unternehmensrechtskommission anläßlich der konstituierenden Sitzung gebeten, die Ergebnisse ihrer Arbeit in Thesen oder Leitsätzen zusammenzufassen. Solche Thesen oder Leitsätze hat die Kommission bisher nicht beschlossen.
Die Unternehmensrechtskommission hat sich zunächst mit einer allgemeinen Analyse der Interessen befaßt, die bei den verschiedenen in Wirtschaftsunternehmen vorkommenden Maßnahmen und Entscheidungen in Betracht zu ziehen sind. Sie hat dann untersucht, inwieweit die von den einzelnen Maßnahmen und Entscheidungen berührten Interessen so stark betroffen werden, daß die entsprechenden Interessengruppen bei der Willensbildung auf Unternehmensebene beteiligt werden sollten. Sie führt diese Untersuchungen nunmehr für die verschiedenen Rechtsformen fort und hat dabei mit der Rechtsform der Aktiengesellschaft begonnen. Mit Empfehlungen der Kommission wird erst zu rechnen sein, wenn sie sich einen Gesamtüberblick über alle Gesellschaftsformen verschafft hat. Solange die Kommission nicht selbst Thesen oder Leitsätze niedergelegt hat, würden Angaben über erörterte Vorschläge, über den Inhalt der Beratungen oder auch, über vorläufige Schlußfolgerungen den Ergebnissen der Kommissionsarbeit vorgreifen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wann rechnen Sie etwa mit der Fertigstellung und mit einem abschließenden Bericht? Würden Sie der Öffentlichkeit die Arbeitsergebnisse der Kommission zugänglich machen?
Herr Kollege Lampersbach, wir sind bei der Konstituierung der Kommission — das war im Jahre 1972 — davon ausgegangen, daß diese ihre Arbeiten in etwa drei bis vier Jahren abschließen wird.
Zu ihrer _zusätzlichen Frage: Wir sind selbstverständlich bereit, die Kommissionsergebnisse der Öffentlichkeit bekanntzugeben.
Wir kommen zur Frage 24 des Abgeordneten Braun:
Sind der Bundesregierung die Schwierigkeiten bekannt, die Mitbürgern entstehen, wenn sie unvorhergesehen einen Platz in einem Pflege- oder Altenheim in Anspruch nehmen müssen, obwohl fur die bisherige Wohnung ein langfristiger Mietvertrag abgeschlossen war, und wie gedenkt sie, Abhilfe zu schaffen?
Gestatten 'Sie mir bitte auch hier, Herr Präsident, daß ich die beiden Fragen gemeinsam beantworte.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe gleichzeitig die Frage 25 des Abgeordneten Braun auf:
Welches Ergebnis hatten die von der Bundesregierung zugesagten Beobachtungen zum Problem der Kündigung von langfristigen Mietverträgen bei Versetzung oder Aufnahme in eine Anstalt oder ein Heim — Anlage 38 des Stenographischen Berichts der 38. Sitzung des 6. Deutschen Bundestages —, und wird sie nunmehr gesetzgeberische Maßnahmen vorschlagen?
Herr Kollege Braun, die in Ihrer Frage geschilderten Probleme sind der Bundesregierung natürlich bekannt. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Antwort des Bundesministers der Justiz vom 12. März 1970 auf eine Frage des Herrn Kollegen Erhard verweisen, auf die Sie ja in Ihrer zweiten Frage selbst Bezug nehmen. Sie wissen, daß wir zur Zeit die Frage prüfen, ob die Vorschriften über die Wohnraummiete in einem Unterabschnitt des Bürgerlichen Gesetzbuchs zusammengefaßt werden sollen. Der Bundesminister der Justiz hat sich kürzlich vor dem Zentralverbandstag der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer in Kiel nachdrücklich dafür ausgesprochen. Dabei werden wir auch prüfen, ob die von Ihnen angesprochene Problematik einer gesetzlichen Regelung bedarf und dieser Regelung auch zugänglich ist.Die lange Kündigungsfrist — die für den Mieter an sich ein Schutzrecht ist — kann sich für ihn, wenn er kündigen will, auch zum Nachteil aus-
Metadaten/Kopzeile:
2094 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973
Parl. Staatssekretär Dr. Bayerlwirken, weil er länger gebunden bleibt. Dem Mieter diesen Nachteil durch Festsetzung einer kürzeren Frist für die Mieterkündigung zu Lasten des Vermieters abzunehmen, erscheint nicht ganz unproblematisch. Werden generell die langen Kündigungsfristen beibehalten, so könnte z. B. in Betracht gezogen werden, gesetzlich zu regeln, daß der Mieter in solchen Fällen einen Ersatzmieter stellen kann, um die Kündigungsfrist auf diese Weise abzukürzen. Es könnte aber auch an eine gesetzliche Regelung gedacht werden, die sicherstellt, daß sich der Vermieter bei einem vorzeitigen Auszug des Mieters um eine Neuvermietung bemühen muß. Auch diese Fragen werden zur Zeit in unserem Hause geprüft.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Braun!
Herr Staatssekretär, die Prüfung war seinerzeit schon einmal zugesagt worden. Können Sie sagen, wann die Prüfung abgeschlossen sein wird?
Herr Kollege, wir sind jetzt damit beschäftigt, die Vorarbeiten zu leisten, um einen Entwurf vorzulegen, nachdem entweder der Termin im sogenannten Kündigungsschutz
31. Dezember 1974 — verlängert oder diese Regelung in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen wird.
In einem zweiten Abschnitt sind wir dabei, das Miet- und Wohnungsrecht insgesamt als Unterabschnitt in das Bürgerliche Gesetzbuch zu übernehmen. Beides wird in dieser Legislaturperiode geschehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Weber.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß diese ganzen Überlegungen dann nicht notwendig wären, wenn wir zu einem Dauermietrecht oder zu einer Verlängerung der Fristen im Artikelgesetz kommen und wenn dadurch der Bestandsschutz des Mieters gesichert ist, so daß sich langfristige Mietverträge auf seiten des Mieters sowieso erübrigen?
Herr Kollege Weber, ich kann Ihnen leider nicht zustimmen, weil die angesprochene Problematik dadurch ja nicht gelöst ist.
Hier handelt es sich um das Problem, daß sich die von uns zum Schutze des Mieters eingeräumten langen Kündigungsfristen bei älteren Menschen, die plötzlich in ein Altersheim eingewiesen werden, zum Nachteil auswirken, weil die Betreffenden dann für die Dauer des Kündigungsschutzes ihre alte Miete weiter zahlen müssen. Das haben wir bisher in unserem sogenannten Artikelgesetz noch nicht
geregelt; das muß in einer weiteren Ergänzung dieses Gesetzes oder in einer eigenen Vorlage erst noch geschehen.
Herr Abgeordneter Erhard, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht möglich, der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung dadurch gerecht zu werden, daß man eine Vorschrift einbaut, wie sie für Beamte im Falle der Versetzung gilt, eine Vorschrift also im Hinblick auf einen außerordentlichen Kündigungsgrund?
Herr Kollege Erhard, auch diese Regelung ist für uns ein Denkmodell, das wir in unsere Überlegungen bereits einbezogen haben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, ist Ihren Ausführungen zu entnehmen, daß das Artikelgesetz keine Befristung enthält? Ich bin der Meinung, das Artikelgesetz mit dem Kündigungsschutz ist bis zum 31. Dezember 1974 befristet.
Etwas anderes ist meinen Ausführungen auch nicht zu entnehmen, Herr Niegel.
Frage 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl wird schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, und komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe zuerst Frage 58 des Abgeordneten Dr. Weber auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich die wirtschaftliche Lage eines großen Teils der Betriebskrankenkassen so verschlechtert hat, daß der Aktivversicherte einen unzumutbar großen Teil der Lasten der Rentner mittragen muß, und welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um entweder den Bundeszuschuß wieder auf 80 % zu erhöhen oder sonst einen Ausgleich unter den Betriebskrankenkassen herbeizuführen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär Rohde!
Ihre Frage nach der Belastung der Betriebskrankenkassen durch die Krankenversicherung der Rentner ist Teil des allgemeinen Problems der Finanzierung der Rentnerkrankenversicherung.Wie ich bereits bei früheren Anfragen erklärt habe, wird die finanzielle Neuordnung der Rentnerkrankenversicherung ein wichtiger Punkt der Weiterentwicklung der sozialen Krankenversicherung in dieser Legislaturperiode sein. Dabei scheint es am wichtigsten zu sein, daß die ungleiche finanzielle Belastung der einzelnen Krankenkassen und ihrer Versicherten durch die Rentnerkrankenversicherung beseitigt wird.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973 2095
Parl. Staatssekretär RohdeIn Zukunft sollte jeder aktive Versicherte einen gleichen Solidarbeitrag zur Finanzierung der Krankenversicherung unserer älteren Mitbürger aufbringen. Angesichts der steigenden Beitragssätze in der Krankenversicherung wird auch der Finanzierungsanteil der Rentenversicherung an der Krankenversicherung der Rentner überprüft werden.Die Sachverständigenkommission zur Weiterentwicklung der sozialen Krankenversicherung erarbeitet auf Bitte unseres Ministeriums zu diesen und anderen Finanzierungsfragen der Rentnerkrankenversicherung Empfehlungen, denen ich, wofür ich um Verständnis bitte, hier nicht vorgreifen möchte.Vizepräsident 'Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage? — Bitte!
Herr Staatssekretär, Sie gehen aber dabei davon aus, daß die Betriebskrankenkassen erhalten bleiben und insoweit dann mit den öffentlich-rechtlichen Krankenkassen gleichbehandelt werden?
Die Existenz der Betriebskrankenkassen wird nicht tangiert. Hier handelt es sich vielmehr darum, für alle Krankenkassen, welcher Art sie im einzelnen auch sind, eine Regelung der Rentnerkrankenversicherung im ganzen zu finden.
Bis wann etwa wird diese Neuregelung Ihrer Meinung nach dem Parlament vorliegen können?
Die Beratungen der Sachverständigenkommission stehen kurz vor dem Abschluß. Wenn die Ergebnisse vorliegen, werden die Prüfungen innerhalb der Ressorts der Bundesregierung beginnen. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Krankenversicherung soll es noch in dieser Legislaturperiode zu veränderten Regelungen kommen.
Ich komme dann zu Frage 59 des Herrn Abgeordneten Hansen:
Trifft es zu, daß ein Hochschullehrer von der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel vor über zweieinhalb Jahren einen Forschungsauftrag zu dem Thema „Aufbereitung von empirischen Befunden zum Freizeitverhalten" übernommen, dafür Geld erhalten, aber trotz vielfältiger Mahnungen bis zum
heutigen Tag keine Leistung erbracht hat?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Hansen, auf Ihre Frage darf ich mit Ja antworten. Das trifft in der Hauptsache zu. Die Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel hat einen Forschungsauftrag zu dem Thema „Aufbereitung von empirischen Befunden zum Freizeitverhalten" vergeben. Der Auftrag sollte Ende 1970 abgeschlossen sein. Er liegt aber bis heute — trotz vieler Mahnungen durch die Kommission — noch nicht vor. Es trifft
allerdings nicht zu, daß dem Projektnehmer die volle Honorarsumme ausgezahlt worden ist. Er erhielt, wie es bei solchen Aufträgen üblich ist, eine anteilige Vorauszahlung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, hat Herr Professor Scheuch, um den es sich ja in diesem Falle handelt, auf die siebzehnmaligen Mahnungen irgendeine Andeutung einer Bereitschaft gezeigt, in allernächster Zeit seinen Verpflichtungen nachzukommen, oder fehlt es ihm nach wie vor an einem Assistenten, damit er auf diese Weise in schöner Unbekümmertheit öffentliche Mittel privat nutzen kann?
Dazu, Herr Kollege, darf ich Ihnen folgendes sagen: Der Projektnehmer ist, wie ich schon anführte, durch die Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel immer wieder, auch in einem, wie mir mitgeteilt wurde, mit Nachdruck geführten Gespräch, gemahnt worden. Da er schließlich gesundheitliche Gründe geltend machte, wurde ihm noch einmal eine weitere Terminverlängerung zugestanden. Dieser Termin ist inzwischen auch verstrichen, und die Kommission prüft deshalb geeignete Schritte, um den vorausgezahlten Teilbetrag — zuzüglich der Zinsen — wieder einzutreiben.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hansen.
Herr Staatssekretär, halten Sie dieses Freizeitverhalten von Herrn Scheuch nicht mit mir für einen eklanten Fall einer völlig falsch verstandenen Auffassung von Freiheit in Forschung und Lehre, die offenbar für den „Bund Freiheit der Wissenschaft" symptomatisch ist, der doch das Leistungsprinzip auf seine Fahnen geschrieben hat?
Herr Kollege, ich will dieses Thema nicht ausweiten, sondern nur hinzufügen: mit der Freiheit der Forschung hat das nichts zu tun, sondern allenfalls mit dem Vertrag oder mit den Bindungen, die der Projektnehmer gegenüber der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel eingegangen ist.
Ich rufe die Frage 60 des Herrn Abgeordneten Immer auf:
Worauf fuhrt die Bundesregierung das enttäuschende Ergebnis der Inanspruchnahme einer kostenlosen Vorsorgeuntersuchung zurück, und wie kann das Ergebnis verbessert werden?
Herr Kollege, ich bitte um Verständnis dafür, daß ich im Zusammenhang mit Ihren Fragen auf den Bericht über die Erfahrungen mit der Einführung von Maßnahmen zur
Metadaten/Kopzeile:
2096 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973
Parl. Staatssekretär RohdeFrüherkennung von Krankheiten als Pflichtleistungen der Krankenkassen sowie den zusätzlich von den Krankenkassen gewährten Maßnahmen der Vorsorgehilfe —Drucksache 7/454 — hinweise, den die Bundesregierung vor kurzem dem Deutschen Bundestag vorgelegt hat. In diesem Bericht wurden die Gründe für die unterschiedliche Inanspruchnahme von Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten eingehend untersucht und auch dargelegt. Dabei hat sich gezeigt, daß eine unterschiedliche Inanspruchnahme sowohl in den verschiedenen Altersgruppen, als auch bei Männern und bei Frauen, aber auch in den einzelnen Regionen vorliegt.Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung nahm die Vorlage des Berichts zum Anlaß, erneut die versicherte Bevölkerung auf die in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehenen Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten hinzuweisen und die beteiligten Organisationen zu bitten, verstärkt über diese neue Chance der Gesundheitssicherung zu informieren und dafür zu werben. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß auf diese Weise in der weiteren Entwicklung der Gedanke der Gesundheitsvorsorge eine größere Verbreitung finden wird.Ich wäre dankbar, Herr Kollege, wenn ich in diesem Zusammenhang auch gleich auf Ihre zweite Frage eingehen dürfte.
Bitte sehr. — Ich rufe die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Immer auf:
Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung seinerzeit darauf verzichtet, gut ausgestattete Diagnosezentren vorrangig für die Vorsorgeuntersuchungen nutzbar zu machen und ihre Verbreitung zu fordern, und statt dessen die Sozialversicherungspflichtigen auf die frei praktizierenden Ärzte mit zum Teil unzureichenden Einrichtungen und Fachkenntnissen verwiesen?
Was Ihre zweite Frage angeht, so möchte ich noch darauf hinweisen, daß die Entscheidung über die Organisation der Früherkennungsmaßnahmen damals von allen Bundestagsfraktionen gebilligt wurde.
Im übrigen wird die Sachverständigenkommission zur Weiterentwicklung der 'sozialen Krankenversicherung bei der Präzisierung der Frage, wie die Vorsorge nunmehr auf andere Krankheitsgruppen ausgeweitet werden soll, auch zu erörtern haben, ob und wie das Angebot an Vorsorgeeinrichtungen verbreitert werden kann. Sie werden verstehen, daß ich insoweit 'den Beratungen der Sachverständigenkommission nicht vorgreifen kann.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Immer.
Herr Staatssekretär, geht aus dieser von Ihnen zitierten Unterlage auch hervor, in wie vielen Fällen nach Vorsorgeuntersuchungen, die ohne Befund geblieben sind, dennoch kurz darauf Krebserkrankungen aufgetreten sind?
Wenn ich mich recht erinnere, ist das, Herr Kollege, nicht im einzelnen dokumentiert; aber das kann man nachlesen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Immer.
Halten Sie es für denkbar, daß wegen .der doch relativ geringen Zahl ,der Inanspruchnahme dieser Möglichkeit — ähnlich wie bei anderen Untersuchungen für einzelne Gruppen des öffentlichen Dienstes — Untersuchungsverpflichtungen ausgesprochen werden?
Rohde, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und 'Sozialordnung: Herr Kollege, eine Untersuchungsverpflichtung einzuführen, würde ich nicht für den richtigen Weg halten. Dieses Problem ist auch bei der Beratung der Vorsorgeuntersuchung erörtert worden, und viele Beteiligten haben dagegen Bedenken geltend gemacht.
Es kommt vielmehr darauf an — ohne daß ich das jetzt hinsichtlich der konkreten Maßnahmen im einzelnen darlegen kann —, durch eine intensive Information, insbesondere bestimmter Schichten und Regionen, die Beteiligung an den Vorsorgeuntersuchungen zu erhöhen. Damit hängt auch eine Veränderung von traditionellen Mentalitäten und Vorstellungen zusammen: daß man also nicht erst den Arzt aufsucht, wenn man krank ist, sondern ihn auch im Sinne der Früherkennungsmaßnahmen zur Erhaltung seiner Gesundheit 'in Anspruch nimmt.
Sie hatten zwei Hauptfragen; also können Sie auch noch zwei Zusatzfragen stellen.
Darf ich Ihren Worten von vorhin entnehmen, daß im Augenblick bzw. bei der weiteren Überlegung tatsächlich geprüft wird, inwieweit auf auf der einen Seite auch Diagnosezentren zu fördern wären ,und auf der anderen Seite in verstärktem Maße die ambulante Benutzung von Einrichtungen für die Diagnose in den Krankenhäusern, die bisher weithin an dem Einspruch der Kassenärztlichen Vereinigungen gescheitert ist, in Zukunft stärker ausgedehnt werden kann?
Herr Kollege, die Frage der Diagnosezentren beschäftigt die fachliche, die öffentliche und die politische Diskussion. Sie ist, wie Sie selbst angedeutet haben, umstritten. Ich gehe aber davon aus, daß die Sachverständigenkommission, in der die verschiedenen an der Krankenversicherung Beteiligten sitzen, bei dem Stande der öffentlichen Diskussion über die Diagnosezentren diese Frage nicht ausklammern wird.
Die Frage 62 des Abgeordneten Meinike wird vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft beantwortet.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973 2097
Vizepräsident Dr. JaegerIch danke Ihnen, Herr Staatssekretär, und komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit.Wir kommen zunächst zur Frage 74 des Abgeordneten Ziegler. Der Abgeordnete Ziegler ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Warum bleibt ab dem 1. Juli 1973 der Konservierungsstoff Diathyldicarbonat für die Herstellung von Limonade weiterhin zugelassen, nachdem dieser krebsverdächtige Zusatz durch eine Verordnung fur Wein verboten worden ist?
Herr Staatssekretär Westphal, bitte sehr!
Herr Präsident, darf ich die beiden Fragen gemeinsam beantworten?
Bitte sehr. Ich rufe auch noch die Frage 76 des Abgeordneten Müller auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit kunftig solche Zusatze auch in Erfrischungsgetränken nicht mehr verwandt werden dürfen, zumal die Verbrauchsmengen wesentlich höher liegen als bei Wein?
Die bisherige Zulassung des Diäthyldicarbonats zur Kellerbehandlung von Wein ist durch die Änderung der Wein-Verordnung mit Wirkung vom 1. Juli 1973 vorsorglich zurückgenommen worden. Für andere Lebensmittel ist Diäthyldicarbonat bisher nicht zugelassen worden. Es ist mir aber bekannt, daß dieser Stoff bei alkoholfreien Erfrischungsgetränken als technischer Hilfsstoff im Sinne des § 4 b Nr. 3 des Lebensmittelgesetzes verwendet wird. Die dabei in diesen Getränken vorkommende Menge des gesundheitlich bedenklichen Umsetzungsproduktes Äthylurethan liegt unter 0,01 Milligramm pro Kilogramm.
In Kenntnis dieser Menge hat das Gemeinsame Expertenkommitee für Lebensmittelzusatzstoffe der Welternährungs- und Weltgesundheitsorganisation, das sich 1972 erneut mit der toxikologischen Beurteilung von Diäthyldicarbonat befaßt hat, die Verwendung von Diäthyldicarbonat in alkoholfreien Erfrischungsgetränken als unbedenklich erachtet, darüber hinaus aber gefordert, daß Untersuchungen über die Bedeutung sehr kleiner Mengen von Äthylurethan in Lebensmitteln fortgesetzt werden sollen. Die Fremdstoffkommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft unter Beteiligung von Vertretern des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg hat sich diesem Votum angeschlossen.
Die Bundesregierung sieht auf Grund dieser Beurteilungen keine Veranlassung, sich gegen die Verwendung von Diäthyldicarbonat als technischer Hilfsstoff bei alkoholfreien Erfrischungsgetränken auszusprechen. Sollten die genannten Gremien zu dem Ergebnis kommen, daß die Verwendung von Diäthyldicarbonat bei diesen Getränken nicht mehr vertreten werden kann, wird die Bundesregierung umgehend erforderliche Maßnahmen ergreifen.
Ich komme zur Frage 77 des Abgeordneten Gallus. Herr Gallus ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich komme zur Frage 78 der Abgeordneten Frau von Bothmer. Die Abgeordnete Frau von Bothmer ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt. -
Ich komme zur Frage 79 des Abgeordneten Josten:
Welche Erfahrungen wurden bisher bei durchgeführten Untersuchungen bezüglich des Drogengebrauchs von Schülern in den einzelnen Bundesländern gemacht?
Herr Kollege, die an Schülern durchgeführten Untersuchungen über den Mißbrauch von Rauschdrogen haben in den einzelnen Bundesländern keine grundsätzlichen Unterschiede erkennen lassen. Es gibt örtliche Besonderheiten, so z. B. derzeit eine Zunahme des Mißbrauchs technischer Lösungsmittel in Berlin oder ein permanent vorhandenes Heroinangebot im Münchener Raum. Insgesamt ist eine „Nord-SüdVerlagerung" zu beobachten mit der Tendenz, daß die zunächst im Norden gemachten Feststellungen sich später auch im Süden einstellen. So wurde beispielsweise der zahlenmäßige Rückgang des Mißbrauchs zunächst in Norddeutschland und Berlin festgestellt, während zum selben Zeitpunkt in BadenWürttemberg und Bayern noch eine steigende Tendenz festzustellen war. Diese zeitliche Verzögerung geht bis in die Einzelheiten des Drogenproblems. So wurden in den genannten Ländern noch steigende Zahlen von Apothekeneinbrüchen im Jahre 1972 festgestellt, während die Tendenz ansonsten stark rückläufig war. Derzeit verlaufen die Haupttrends übereinstimmend, so daß verbindliche Aussagen für die gesamte Bundesrepublik gemacht werden konnten, die der Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zum selben Themenbereich, die wir am Freitag hier behandeln werden, Herr Kollege, zugrunde gelegt worden sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wurden von Ihrem Ministerium die Untersuchungen zum Drogenproblem, die in den Monaten März und April des vergangenen Jahres in Rheinland-Pfalz bei über 4 000 Schülern durchgeführt wurden, mit ausgewertet?
Westphal, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend Familie und Gesundheit Aber selbstverständlich, Herr Kollege Josten wie wir alle diese Forschungsarbeiten in enger Zusammenarbeit mit den Ländern einbeziehen und auswerten.
Ich komme zur Frage 80 des Abgeordneten Josten:Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergrerfen, um den Erwerb und Genuß von Rauschmitteln aller Art bei Schulern zu unterbinden?
Metadaten/Kopzeile:
2098 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973
Herr Kollege Josten, die Bundesregierung wird im Rahmen ihrer begrenzten Zuständigkeit die bewährten Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit und des Schmuggels von Rauschdrogen intensiv fortsetzen. Dazu gehört die fortdauernde Anpassung dieser Maßnahmen an die veränderten Bedingungen, unter denen gehandelt und geschmuggelt wird. Sie wird darüber hinaus, wie bereits bei zwei rezeptfreien Arzneispezialitäten, die in großem Umfange mißbräuchlich verwendet wurden, geschehen, im Einzelfall prüfen, welche Medikamente nachträglich der Rezeptpflicht unterstellt werden müssen. Sie ist außerdem bemüht, in Zusammenarbeit mit anderen eine freiwillige Verkaufsbeschränkung solcher Mittel an Jugendliche zu erreichen, die zum Zwecke der Rauscherzeugung mißbräuchlich verwendet werden.
Das Ausweichen auf „Ersatzdrogen" zeigt, daß eine Lösung des zugrunde liegenden Problems nur erreicht werden kann, wenn es gelingt, das Bedürfnis nach rauschhaften Ersatzbefriedigungen abzufangen. Abgesehen davon, daß eine totale Einschränkung der Verfügbarkeit aller zur Rauscherzeugung benutzten Mittel nicht möglich ist, weil ständig auf neue Stoffgruppen ausgewichen wird, sind diese Maßnahmen immer nur eine begleitende Form der Hilfe. Die Bundesregierung legt deshalb besonderes Gewicht auf die Entwicklung geeigneter Programme zur kausalen Prävention und selbstverständlich auf intensive und altersspezifische Aufklärung über die Gefahren des Drogenmißbrauchs.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, im Hinblick auf Ihren Hinweis, auf die Beantwortung der Großen Anfrage, die am Freitag dieser Woche hier im Hause ansteht, darf ich Sie fragen: Werden Sie bei ,der Gelegenheit darlegen, welche Maßnahmen die Bundesregierung ergreift, um im Rahmen internationaler Verbindungen auch gegen den Rauschmittel- und Drogenhandel anzugehen?
Herr Kollege Josten, in großer Ausführlichkeit hat die Bundesregierung nicht nur jetzt 'bei der Beantwortung dieser Großen Anfrage, sondern auch bei früheren Gelegenheiten parlamentarischer Anfragen — aber auch sonst — zu 'diesen Fragen Stellung genommen. Auch die schriftliche Antwort auf die Große Anfrage enthält ausführliche Darlegungen oder Hinweise auf andere Sachdarstellungen zu den Formen der internationalen 'Zusammenarbeit im Bereich der Verbrechensbekämpfung.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, im Hinblick darauf, daß ich meine Fragen besonders auf Schüler und Jugendlicheabgestellt habe, darf ich
Sie fragen: werden Sie nicht doch 'besonders die Frage beantworten, wie wir unterbinden können, daß die Rauschmittel und Drogen weiter wie bisher selbst an den Schulen zum Verkauf angeboten werden?
Herr Kollege Josten, das Problem des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs ist — leider, muß man hinzufügen — tatsächlich im wesentlichen zur Zeit ein Problem junger Menschen. Es hat schon früher, als wir uns nie darüber unterhalten haben, Drogenabhängige gegeben; sie waren in anderen Altersgruppen zu finden. Da es sich nunmehr wesentlich um junge Menschen handelt, hierbei vornehmlich seit einiger Zeit um Schüler, sind unsere Maßnahmen, ob Aufklärung, ob Hilfen im Bereich der Therapie, des Wiederherausholens aus Abhängigkeiten, auch auf junge Menschen und unter ihnen natürlich auf Schüler ausgerichtet. Das gleiche gilt auch für den Bereich der Verbrechensbekämpfung, also in dem Bereich, auf den Ihre Frage 'besonders abzielte.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich 'des Bundesministers 'für Jugend, Familie und 'Gesundheit erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu 'den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haar 'steht zur Verfügung.
Ich rufe Frage 81 des Herrn Abgeordneten Reiser auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, das Personenbeforderungsgesetz derart zu erweitern, daß auch ein Rauchverbot in Taxis zulässig wird?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, im Entwurf der voraussichtlich im Frühjahr 1975 in Kraft tretenden Neufassung der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr ist vorgesehen, daß sogenannte Nichtraucher-Taxen eingerichtet werden können. Nach diesem Entwurf sind Nichtraucher-Taxen, für die ein absolutes Rauchverbot gilt, durch ein nach außen und innen wirkendes Sinnbild zu kennzeichnen. Der Verkehrsnutzer wird dann in Zukunft zwischen Raucher- und Nichtraucher-Taxen wählen können. Eine solche Regelung dürfte der Aufgabenstellung der Taxis als öffentlicher Verkehrsmittel mit individueller Dienstleistung am zweckmäßigsten Rechnung tragen.
. Wir kommen zu den Fragen 82 und 83 des Herrn Abgeordneten Dr. Wernitz. Er ist nicht anwesend. Die zwei Fragen werden schriftlich beantwortet; die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Frage 84 des Herrn Abgeordneten Seefeld wurde am Beginn der Fragestunde beantwortet.Wir kommen zu Frage 85 des Herrn Abgeordneten Dr. Marx. Er ist nicht mehr im Saale. Die
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973 2099
Vizepräsident Dr. JaegerFrage wird schriftlich beantwortet, und die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Wir kommen nunmehr zu Frage 36 des Herrn Abgeordneten Sick:Wie erklärt die Bundesregierung den auffallend hohen Anteil des Werkverkehrs in revierfernen und wirtschaftsschwachen Räumen?Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Bundesregierung ist der Meinung, daß die Entwicklung des Werkverkehrs in revierfernen und wirtschaftsschwachen Räumen durch die Steuerermäßigungen begünstigt worden ist, die in dem am 31. Dezember 1971 außer Kraft getretenen Gesetz über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs enthalten waren. Mit den Steuerermäßigungen sollten die in diesen Räumen ansässigen Verladerbetriebe der gewerblichen Wirtschaft und der Agrarwirtschaft gefördert werden. Es hat jedoch nicht zu einer mangelnden Verkehrsbedienung durch den öffentlichen Verkehr geführt.
Soweit Ihre Frage aber die Überprüfung der sogenannten grauen Zonen betrifft, darf ich sagen, daß die Bundesregierung und besonders mein Haus bemüht sind, gerade dieses Problem aufzugreifen und zu prüfen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß in diesem Zusammenhang, gerade um die Strukturpolitik auch in den ländlichen Räumen zu fördern, die Entwicklung der Bundesbahn sorgfältig beachtet werden muß hinsichtlich ihres Bestrebens, sich aus der Fläche zurückzuziehen?
Herr Kollege, wenn es in Einzelfällen dazu kommen sollte, daß aus betriebswirtschaftlichen Gründen Entscheidungen auf Vorschlag des Bundesbahnvorstandes in der Richtung fallen, die Sie hier angesprochen haben, bin ich sicher, daß damit eine Verbesserung des Verkehrsangebots in der Fläche durch Lkws verbunden werden kann.
Zweite Zusatzfrage.
Da dieser Verkehr als Strukturelement positiv angesehen wird, frage ich, ob Sie mit mir darin einig sind, daß man ihn fördern muß, und ob Sie mit mir der Meinung sind, daß dann die Belastungen, beispielsweise aus der Mineralölsteuer, dieser Förderung nicht entsprechen?
Herr Kollege, ich habe bislang in den vielfachen Gesprächen auch mit Spediteuren nicht festgestellt, daß die Mineralölsteuererhöhung zu einer unzumutbaren Mehrbelastung dieser Bereiche führt.
Ich komme zur Frage 38 des Abgeordneten Böhm :
In welchem Umfang werden die Mineralölsteuermittel, die dem Straßenbau entzogen werden, zugunsten des öffentlichen Personennahverkehrs eingesetzt?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Die Mehreinnahmen für den Verkehrshaushalt aus der geplanten Mineralölsteueranhebung und ein Betrag von 740 Millionen DM aus dem Aufkommen für den Bundesfernstraßenbau werden im Jahre 1973 zur Verstärkung der Mittel für die Deutsche Bundesbahn verwendet. Damit soll die Finanzierung des für 1973 vorgesehenen Investitionsvolumens der Bundesbahn von 3,9 Milliarden DM sichergestellt werden. Diese Investitionen dienen unter anderem auch der Verbesserung des 'Schienenverkehrs in den Ballungsgebieten. Somit kommen die dem Fernstraßenbau entzogenen Mittel auch dem öffentlichen Personennahverkehr zugute, der in den Ballungsgebieten zu einem erheblichen Teil von der Deutschen Bundesbahn durchgeführt wird. Alle Maßnahmen, die einer Erweiterung des Anschlusses von S-Bahnen dienen, gehen in die gleiche Richtung, Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage 'des Abgeordneten Böhm .
Herr Staatssekretär, sehen Sie in dieser politischen Zielsetzung nicht eine Benachteiligung der strukturschwachen Gebiete zugunsten der Ballungszentren?
Soweit es sich um die Festlegung von Prioritäten handelt, sind sie von der Bundesregierung politisch entschieden und 'dargestellt worden, Herr Kollege.
Ich komme zur Frage 41 des Abgeordneten Niegel:
Wie will die Bundesregierung ihrem mehrfachen Versprechen gerecht werden, daß der Straßenbau in ländlichen Räumen forciert wird?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, bereits bei der Aufstellung des Bedarfsplans für den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 wurden die Belange strukturschwacher Gebiete besonders berücksichtigt. Insbesondere wurden 'für die Zonenrandgebiete die Schwellenwerte für die Kriterien der Einstufung in verschiedene Dringlichkeiten erheblich herabgesetzt. Da der 'Bedarfsplan Grundlage der Fünfjahrespläne und der jährlichen Straßenbaupläne ist, werden die strukturschwachen Räume in diesen Plänen bereits automatisch bevorzugt. Das ist in der Diskussion der 'zurückliegenden Wochen meist vergessen worden.Darüber hinaus wird bei der Aufstellung des Straßenbauplans 1974 zusammen mit den obersten
Metadaten/Kopzeile:
2100 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973
Parl. Staatssekretär HaarStraßbenbaubehörden der Länder geprüft, ob eine noch stärkere Berücksichtigung der strukturschwachen Räume bei Straßenbaumaßnahmen möglich ist. Auch darauf hat der Herr Bundesverkehrsminister schon verschiedentlich hingewiesen, auch hier im Hause.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, in welchem Verhältnis stehen Ihre Aussagen zu den Feststellungen des bayerischen Staatsministers des Innern, Herrn Dr. Merk, daß insbesondere die Mittel für den Straßenbau in Bayern, das ein Flächenstaat ist und das vor allem die ländlichen Räume zu bedienen hat, gekürzt werden?
Herr Kollege, in allen Bundesländern ist bei den Haushaltsmitteln für den Bundesfernstraßenbau in Abstimmung eine Kürzung vorgenommen worden. Bayern liegt nach wie vor an zweiter Stelle im Bundesgebiet. Ich kann mir nicht vorstellen, daß hier im Vergleich zu anderen Ländern ein Grund zur Klage ist. Im übrigen hat der Herr Bundeskanzler auf die Anfragen von Herrn Ministerpräsident Goppel bereits eingehend auf diese Problematik hingewiesen, und zwar in positivem Sinne.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, wie werden nach Ihren Darlegungen vor allem die ländlichen Räume im Zonenrandgebiet entsprechend den Bestimmungen des Zonenrandförderungsgesetzes gefördert?
Ich habe von den Schwellenwerten und den Voraussetzungen für eine verbesserte Einstufung in den Zonenrandgebieten bereits bei der Beantwortung Ihrer ersten Frage gesprochen. Darüber hinaus erfolgen keine wesentlichen Kürzungen für diesen Bereich.
Eine Zusatzfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Feststellung der Auswirkung der von Ihnen eben zitierten Förderung die Aufstellung der Baumaßnahmen vorzulegen, die auf Grund dieser Aufstufung der Schwellenwerte in den Ausbauplan aufgenommen worden sind und die sonst unterlassen worden wären?
Eine solche Berichterstattung ist im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages jedes Jahr vorgesehen. Das wird die Bundesregierung nicht hindern, auch weiterhin Auskunft auch in der Form von Antworten auf Fragen wie die von Ihnen gestellte zu geben.
Keine Zusatzfrage. — Ich komme zur Frage 42 des Abgeordneten Handlos. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, zuerst zur Frage 86 des Abgeordneten Dr. Schneider. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frage 87 des Herrn Abgeordneten Kiechle:
Waren Bundesminister Vogel zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung über Folgewirkungen von Düngungsmaßnahmen in der Zeitschrift „Das Leben" Veröffentlichungen bekannt, die in „Berichte über Landwirtschaft", herausgegeben vom Bundesministerium für Ernahrung, Landwirtschaft und Forsten, Nr. 50/1972, Seite 488 bis 501, erschienen sind, und wie läßt sich die Meinungsäußerung des Bundesministers Vogel mit dem wissenschaftlichen Inhalt dieser amtlichen Dokumentation vereinbaren?
Ich darf Herrn Staatssekretär Dr. Haack bitten.
Herr Kollege Kiechle, bei der Veröffentlichung handelt es sich um den Nachdruck eines Vortrages, den Bundesminister Dr. Vogel bereits im Sommer 1971 gehalten hat. Der in Ihrer Anfrage zitierte Bericht des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten lag damals noch nicht vor.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiechle.
Herr Staatssekretär, darf ich, nachdem dieser Bericht dem Bundesminister bekannt ist, davon ausgehen, daß der Bundesminister nun seine Meinung revidiert?
Davon dürfen Sie nicht ohne weiteresausgehen. Ich darf Sie aber vielleicht auf das verweisen, Herr Kollege Kiechle, was ich Ihnen bereits am 23. März 1973 in der Fragestunde auf eine entsprechende Frage geantwortet habe. Ich habe Ihnen damals verschiedene Quellen angegeben, auf die sich diese Meinung stützen kann.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, wenn 'ich sage, daß ein Mitglied des Kabinetts eine besondere Verpflichtung zur sachlichen Information der Öffentlichkeit hat, insbesondere, wenn es sich um Themen handelt, die leicht zu einer emotionalen Diskussion führen?
Das ist nicht 'zu bestreiten. Ich darf Sie allerdings darauf hinweisen, daß Herr Minister Vogel im Jahre 1971 noch nicht 'Mitglied .des Kabinetts war.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973 2101
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, ist Herr Bundesminister Vogel — Sie bestreiten ja wohl nicht, daß er auch {damals der Herr Vogel war — seinerzeit, wenn auch als Oberbürgermeister, bei seinem Vortrag oder bei .der Ausarbeitung seines Vortrags -von falschen Voraussetzungen und von nicht sehr genauen Kenntnissen über die Düngelehre ausgegangen?
Wer Herrn Minister Vogel kennt, weiß, daß er nie von falschen Voraussetzungen ausgeht.
Wir kommen zur Frage 88 des Abgeordneten Kiechle:
Warum hat Bundesminister Vogel Äußerungen eines Fachmannes fur Petrochemie — wie Professor Pauli und einiger anderer — zur alleinigen Grundlage seiner Behauptungen gemacht, ohne die kompetente Meinung anderer zuständiger Wissenschaftler und wissenschaftlicher Institute, wie Dr. J. Debruck vom Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Justus-LiebigUniversität, Dr. Siegel vom Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten, Bericht im FAO Soils Bulletin 16/1972 von der FAO und Swedish International Development Authority zum Thema „Effects of intensive Fertilizer use an the Human Environment", Professor Dr Willy Wirths, Max-Planck-Institut für Ernährungsphysiologie Dortmund, und vieler anderer, zu berücksichtigen?
Herr Minister Vogel hat sich nicht allein, Herr Kollege Kiechle, auf die Äußerungen von Professor Pauli, sondern auch auf eine Untersuchung ,der Studiengruppe für Biologie und Umwelt GmbH in München gestützt. Diese Studiengruppe hat sich mit den verschiedenen wissenschaftlichen Meinungen auseinandergesetzt. Auch in diesem Zusammenhang darf ich Sie auf die Antwort verweisen, die ich Ihnen bereits am 23. März 1973 in der Fragestunde erteilt habe.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiechle.
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß, unabhängig von den damals genannten vier bis fünf Quellen, die überwiegende Mehrzahl anderer wissenschaftlicher Institute, von denen ich einige genannt habe, eine andere, und zwar abweichende Meinung vertreten?
Das ist nicht zu bestreiten. Wir könnten sicher viel Geld sparen, wenn es in der Wissenschaft nur noch einheitliche Meinungen gäbe.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiechle.
Sollte man sich dann nicht, wenn es abweichende Meinungen gibt, als Minister,
dessen Wort in der Öffentlichkeit anders bewertet wird als die Meinung irgendwelcher anderer Leute, insbesondere wenn er, wie Sie sagen, nie von falschen Voraussetzungen ausgeht,
an die Mehrheit der Wissenschaftler halten?
Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß Herr Minister Vogel diesen Vortrag nicht in seiner Eigenschaft als Minister gehalten hat. Ich könnte mir aber gerade auf Grund der Frage, die Sie auch schon im März in der Fragestunde gestellt haben, vorstellen, daß er sich und in Zukunft mit wissenschaftlichen Erkenntnissen auf allen Gebieten befassen wird.
Nein, mehr als zwei Zusatzfragen haben Sie nicht, Herr Kollege Kiechle.
Wir kommen zur Frage 89 des Abgeordneten Batz:
Trifft die Behauptung zu, der Bund würde sich nur noch mit einem Sechstel an der Forderung des sozialen Wohnungsbaues in Bayern beteiligen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Batz, es trifft nicht zu, daß: sich der Bund nur mit einem Sechstel an der Förderung des sozialen Wohnungsbaues in Bayern beteiligt. Im Jahre 1973 wird der Bund in Bayern zu etwa 39 % an den für den sozialen Wohnungsbau insgesamt bewilligten Mitteln beteiligt sein. Wenn verschiedentlich niedrigere Quoten auch von der bayerischen Staatsregierung genannt werden, so kann dies nur darauf zurückgeführt werden, daß das Regionalprogramm des Bundes, das auch zum sozialen Wohnungsbau gehört, nicht berücksichtigt wird. Der Anteil des Bundes an den für das Land Bayern bereitgestellten Mitteln beträgt also 39 %, wenn man den Anteil an den für den sozialen Wohnungsbau insgesamt bewilligten Mitteln mißt. Geht man von der Summe der öffentlichen Baudarlehen und der mit öffentlichen Aufwandssubventionen mobilisierten Kapitalmarktmitteln aus, so liegt der Anteil sogar bei 47 %.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Batz.
Herr Staatssekretär, können Sie mir, da meine Frage darauf fußt, daß diese Behauptung von der bayerischen Staatsregierung stammt, zur Vervollständigung meiner Informationen über dieses Problem sagen, wie hoch der Prozentsatz der im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues von seiten des Bundes zur Verfügung gestellten Mittel in anderen Bundesländern ist?
Metadaten/Kopzeile:
2102 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1973
Wir sind gern bereit, die entsprechenden Zahlen zusammenzustellen und Ihnen mitzuteilen. Ich kann nur allgemein sagen, daß der Freistaat Bayern ebenso wie die anderen Bundesländer nach einem gewissen Schlüssel berücksichtigt wird.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir stehen am Ende der Fragestunde und damit der heutigen Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 7. Juni, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.