Protokoll:
6196

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 196

  • date_rangeDatum: 23. Juni 1972

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:08 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 196. Sitzung Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 11489 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Schmidt, Bundesminister 11489 B Dr. Wörner (CDU/CSU) 11494 C Jung (FDP) 11500 A Buchstaller (SPD) 11503 A Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär 11505 D Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses über das Weißbuch 1971/72 zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Entwicklung der Bundeswehr (Drucksachen VI/2920, VI/3384) . . 11506 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher, ersatzdienstrechtlicher und anderer Vorschriften (Drucksache VI/3011); Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache VI/3585), Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksachen VI/3558, zu VI/3558) — Zweite und dritte Beratung — Damm (CDU/CSU) . . . . . . 11507 A Würtz (SPD) 11509 B Stahlberg (CDU/CSU) . . . . . 11511 A Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses über den Jahresbericht 1971 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (Drucksachen VI/3232, VI/3499) Schultz, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages . . . . 11511 B Rommerskirchen (CDU/CSU) . . . 11513 A Jung (FDP) . . . . . . . . . 11516 C Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 11517 D Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts (Drucksache VI/1834); Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache VI/3541) — Zweite und dritte Beratung — Dr. Abelein (CDU/CSU) . 11518 C, 11523 B Schmidt, Bundesminister . 11520 C, 11523 D Corterier (SPD) 11521 C Mündlicher Bericht des Petitionsausschusses über seine Tätigkeit gem. § 113 Abs. 1 GO in Verbindung mit Sammelübersicht 39 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Bundestag in der Zeit vom 20. Oktober 1969 bis 31. Mai 1972 eingegangenen Petitionen (Drucksache VI/3502) und mit II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 Sammelübersicht 40 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache VI/3555) Frau Schlei (SPD) 11524 A Antrag betr. Einschränkung der Immunität von Familienangehörigen und Hauspersonal von Diplomaten (Abg. Freiherr Ostman von der Leye, Kleinert, Dürr u. Gen.) (Drucksache N/3587) 11525 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes (Abg. Hauser [Bad Godesberg], Vogel, Dr. Frerichs, Dr. Lenz [Bergstraße], Dr. Kliesing [Honnef], Rösing und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache VI/3604) — Erste Beratung — 11525 A Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Einführung einer eigenständigen Pflichtunfallversicherung für nicht erwerbstätige Frauen bei privater Trägerschaft (Drucksache VI/3581) 11525 B Fragestunde (Drucksachen VI/3546, VI/3603) Fragen des Abg. Dr. Miltner (CDU/CSU) : Gesundheitsschäden durch Verzehr von eingeführten Erdbeeren — Maßnahmen der Bundesregierung zum Schutz der Bevölkerung von gesundheitsschädigenden Einfuhren von Nahrungsmitteln Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär . 11525 C, D, 11526 B, C, D, 11527 A, B, C Dr. Miltner (CDU/CSU) . . . .11525 C, D, 11526 B, C Dr. Früh (CDU/CSU) 11526 C, D Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) . 11527 A Ott (CDU/CSU) . . . . . . . 11527 B Dr. Reinhard (CDU/CSU) 11527 C Dr. Jenninger (CDU/CSU) . . . 11527 C Frage des Abg. Vogt (CDU/CSU) : Dementi des Bundesministers Dr. Ehmke betr. den Bericht der Illustrierten „Stern" über die Vertrauenswürdigkeit des Informanten Disler Dr. Ehmke, Bundesminister . . . . 11527 D, 11528 A, B, C, D, 11529 A, B, C, D, 11530 A, B, C, D, 11531 A Vogt (CDU/CSU) . . . .11527 D, 11528 A Ott (CDU/CSU) . . . . . . . . 11528 B Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 11528 B Dr. Czaja (CDU/CSU) 11528 C Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . 11528 D Reddemann (CDU/CSU) 11529 A Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) 11529 B Baron von Wrangel (CDU/CSU) . . 11529 B Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) . . 11529 C Dr. Miltner (CDU/CSU) 11529 D Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 11529 D von Thadden (CDU/CSU) . . . 11530 A Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . 11530 B Dr. Jenninger (CDU/CSU) . . . 11530 C Dr.-Ing. Bach (CDU/CSU) . . . . 11530 C Dr. Frerichs (CDU/CSU) 11530 D Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . 11530 D Cantzler (CDU/CSU) 11531 A Röhner (CDU/CSU) 11531 A Frage des Abg. Reddemann (CDU/CSU) : Unterrichtung der Bonner Staatsanwaltschaft über den angeblichen Geheimnisverrat Dr. Hupkas durch Bundesminister Dr. Ehmke Dr. Ehmke, Bundesminister . . .11531 B, D, 11532 A, B, C, D Reddemann (CDU/CSU) . . . . 11531 C, D Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . . 11531 C Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) . . 11532 A Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 11532 A Dr. Miltner (CDU/CSU) . . . . . 11532 B Ott (CDU/CSU) . . . . . . . . 11532 C Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . 11532 C Vogt (CDU/CSU) 11532 D Fragen des Abg. Dr. Gruhl (CDU/CSU) : Errichtung einer Müllinsel in der Nordsee — Ratifizierung der Oslo-Konvention über die Verhütung der Verunreinigung der See durch Abfälle Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär 11533 A, B, C Dr. Gruhl (CDU/CSU) 11533 B Dr. Gleissner (CDU/CSU) . . . 11533 C Fragen der Abg. Dr. Riedl (München) und Röhner (CDU/CSU) : Tragen von Sportkleidung mit Markenzeichen deutscher Sportartikelfirmen bei der Olympiade Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . 11533 C, 11534 A, C, D, 11535 A Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) . . 11533 D, 11535 A Röhner (CDU/CSU) 11534 A, C, D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 III Fragen des Abg. Ott (CDU/CSU) : Pressemeldungen betr. Werkverträge ehemaliger Bundesminister und Staatssekretäre Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . 11535 A, B, C, D, 11536 A Ott (CDU/CSU) . . . . . . . . 11535 B Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . . 11535 C Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . . 11535 D Dr. Czaja (CDU/CSU) 11536A Frage des Abg. Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) : Hilfe für Gemeinden in unmittelbarer Nähe von militärischen Flugplätzen bei außerordentlichen Aufwendungen für Schallschutzmaßnahmen in öffentlichen Gebäuden Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . 11536 B, C, D, 11537 A Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) . . 11536 C Dr. Apel (SPD) . . . . . . . . 11536 D Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . 11537 A Frage des Abg. Härzschel (CDU/CSU) : Unterbringung der Aussiedlerfamilien Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . 11537 A, C, D, 11538 A Härzschel (CDU/CSU) 11537 C Dr. Czaja (CDU/CSU) 11537 D Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . . 11537 D Frage des Abg. Storm (CDU/CSU) : Empfehlung zur Behandlung der deutsch-polnischen Beziehungen in den Schulbüchern beider Länder Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 11538 A, B, C, D Storm (CDU/CSU) 11538 B, C Dr. Czaja (CDU/CSU) . . . . . 11538 D Fragen des Abg. Dr. Hupka (CDU/CSU) : Rückgang der Zahl der Aussiedler aus den deutschen Ostgebieten jenseits von Oder und Neiße Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 11539 A, B, C, D, 11540 A, C Dr. Hupka (CDU/CSU) . . . . . 11539 B Ott (CDU/CSU) 11539 C Dr. Czaja (CDU/CSU) 11539 D Pieroth (CDU/CSU) . . . . . . 11539 D Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . 11540 A Nächste Sitzung 11540 D Anlagen Anlage i Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 11541 A Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abg. Stahlberg (CDU/CSU) zu Punkt 37 der Tagesordnung 11541 C Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Hösl (CDU/CSU) betr Pressemeldung über Nichtzulassung des dänischen Films „Lenin takes a train" zu den Berliner Filmfestspielen 11542 D Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Picard (CDU/CSU) betr. Taschenbücher deutscher Verlage als Leitfäden für Bombenleger und Untergrundkämpfer 11543 A Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Werner (CDU/CSU) betr. Äußerung des Bundesinnenministers zu der Einstellung des Disziplinarverfahrens gegen den Politologieprofessor Seifert . 11543 B Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Kiechle (CDU/CSU) betr. Gefährdung der deutschen Strickstrumpf-industrie durch Importe aus Staatshandelsländern 11543 B Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Müller (Mülheim) (SPD) betr. Umweltgefahren der Vergällung des Alkohols 11543 C Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Röhner (CDU/CSU) betr. Harmonisierung der Kfz-Steuervergünstigung für Kriegs- und Zivilbeschädigte . 11543 D Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Storm (CDU/CSU) betr. Bearbeitungsdauer der Anträge auf Lohnsteuer- und Einkommensteuerjahresausgleich 11544 A IV Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Freiherr Ostman von der Leye (SPD) betr. Verabschiedung der Novelle zum Mehrwertsteuergesetz — Gleichstellung der Seenotrettungskreuzer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger mit den Seeschiffen der gewerblichen Schiffahrt . . . . . . . 11544 C Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Struve (CDU/CSU) betr. Gesetzentwurf des Bunderates über die Befreiung der Landwirtschaft vom Lastenausgleich 11544 D Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Ritz (CDU/CSU) betr. Beschluß der Bundesregierung über die Begrenzung der Erhöhung der Vorsteuerpauschale auf 0,5 % . . . . . . . . 11545 B Anlage 13 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU) betr. Übernahme des Fehlbetrags der Bundesbahn 11545 C Anlage 14 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Höcherl (CDU/CSU) betr. Kürzung der Ansätze des Einzelplans 10 11546 A Anlage 15 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Geldner (FDP) betr. Ankündigung des Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Fleischwarenindustrie bezüglich Verteuerung der Fleischwaren infolge Änderung von Zoll- und veterinärmedizinischen Vorschriften 11546 B Anlage 16 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Geldner (FDP) betr. Behauptung der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher über die Vernichtung von Obst und Gemüse in der EWG und deren Kosten 11546 C Anlage 17 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Jenninger (CDU/ CSU) betr. Ausbau der Bundesautobahnstrecken Würzburg–Lindau und Heilbronn–Würzburg 11546 D Anlage 18 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Ollesch (FDP) betr. Auslegung des Verkehrsfinanzgesetzes 1971 durch Kommunal- und Bundesbehörden bezüglich der Kostenentlastung durch Fortfall der Mineralölsteuer 11547 A Anlage 19 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Kempfler (CDU/CSU) betr. Berücksichtigung des Nachholbedarfs verkehrs- und revierferner Bezirke bei der Streichung von Haushaltsmitteln für Straßenbauvorhaben 11547 B Anlage 20 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Horstmeier (CDU/CSU) betr. Verlegung des Bundesbahnzentralamtes nach München — Ausgliederung einzelner Abteilungen 11547 C Anlage 21 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Leicht (CDU/CSU) betr Aussage des Bundesverkehrsministers über die Kürzung von 100 Millionen DM beim Bundesautobahnbau 11547 D Anlage 22 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Schmidt (Krefeld) (SPD) betr. Gefahren für die Bevölkerung durch Toiletten in Eisenbahnwagen . . 11548 A Anlage 23 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Schmidt (Krefeld) (SPD) betr. Reinigung der Toiletten der Eisenbahnwagen 11548 B Anlage 24 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Löher (Dortmund) (CDU/ CSU) betr. Berufung einer Sachverständigenkommission zur Untersuchung der Probleme der Managementlaufbahnen bei der Bahn und der Post . . . . . . . 11548 C Anlage 25 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Lemmrich (CDU/CSU) betr. Beanspruchung des Bundesfernstraßennetzes durch Spikesreifen im Winter 1971/72 11548 D Anlage 26 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Seefeld (SPD) betr. Ver- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 V wendung von Kindersitzen in Kraftfahrzeugen 11549 A Anlage 27 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Josten (CDU/CSU) betr. Einführung des Sprechfunks für die Lokführer der Bundesbahn . . . . . . . 11549 B Anlage 28 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Schmitt (Lockweiler) (CDU/CSU) betr. Wasserstraßenanschluß für das Saarland . . . . . . . . 11549 C Anlage 29 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Gleissner (CDU/CSU) betr. Untersuchungen über wachsende Schäden durch Spikesreifen 11550 A Anlage 30 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage der Abg. Frau Funcke (FDP) betr. Ausgabe von Sondermarken anläßlich des 125. Geburtstags von Helene Lange und des 100. Geburtstags von Gertrud Bäumer 11550 B Anlage 31 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Hellige (CDU/CSU) betr. Vereinfachung der Formulare für Postanweisungen und Zahlkarten . . . 11550 C Anlage 32 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Ahrens (SPD) betr. Entwicklung der Verwaltungskosten bei der Bearbeitung von Anträgen auf Gewährung von Wohngeld-Auswirkungen des verstärkten Einsatzes der elektronischen Datenverarbeitung 11550 D Anlage 33 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Freiherr Ostman von der Leye (SPD) betr. verstärkten Einsatz von ausländischen Bauunternehmen . . . . 11551 A Anlage 34 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) betr. Vergabe von Förderungsmitteln für den Wohnungsbau zugunsten alleinstehender Mütter mit Kindern . . 11551 C Anlage 35 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Warnke (CDU/CSU) betr. Änderung der Bezeichnung „Zonenrandgebiet" 11552 B Anlage 36 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Schedl (CDU/CSU) betr. Visaausstellung für westdeutsche Besucher in Ost-Berlin und Sofortbesuchsregelung für Westberliner 11552 B Anlage 37 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Baier (CDU/CSU) betr. Verstärkung der Bundesmittel für Reisen Jugendlicher nach West-Berlin . . . . 11553 A Anlage 38 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen der Abg. Frau Pieser (CDU/CSU) betr. Dauer der Bearbeitung von Anträgen auf Ausstellung von Aufenthaltsgenehmigungen für Westberliner zum Besuch der DDR . . . . . . . . . . 11553 A Anlage 39 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Wohlrabe (CDU/CSU) betr. Pressemeldungen über Verlegung von Referaten des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen von Berlin nach Bonn 11553 C Anlage 40 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Wohlrabe (CDU/CSU) betr. Bekanntgabe des Erlasses über die Aufgaben und Befugnisse des Bevollmächtigten der Bundesregierung in Berlin 11553 D Anlage 41 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Niegel (CDU/CSU) betr. Pressemeldung über Verlegung von Referaten des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen von Berlin nach Bonn 11553 D Anlage 42 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Engelsberger (CDU/CSU) betr. Pressemeldungen über Verlegung von Referaten der Berlin-Abteilung des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen nach Bonn 11554 A Anlage 43 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Horten (CDU/CSU) betr. Enteignungen und Umwandlungen von gewerblichem Privateigentum in staatliches Eigentum in der DDR 11554 B VI Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 Anlage 44 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Gottesleben (CDU/CSU) betr. Enteignungen und Beschränkungen privaten Wohnungseigentums in der DDR 11554 C Anlage 45 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Reddemann (CDU/CSU) betr. Beurteilung der gegenwärtigen Verstaatlichungsaktion in der DDR . . . . 11554 D Anlage 46 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Lenzer (CDU/CSU) betr. Zusammenarbeit europäischer Firmen auf dem Gebiet des Reaktorbaus und Unterstützung des Exports von Kernkraftwerken deutscher Firmen . . . . . . . 11555 A Anlage 47 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Lenzer (CDU/CSU) betr. Förderung der Mietfinanzierung von Datenverarbeitungsanlagen . . . . . 11555 C Anlage 48 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) betr. Beschlüsse des Landes Bremen über die uneingeschränkte Drittelparität in der Hochschulordnung der Bremer Universität . . . . . . . . 11555 D Anlage 49 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Gölter (CDU/CSU) betr. Institutionalisierung von bundeswehreigenen Hochschulen 11556 A Anlage 50 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Gleissner (CDU/CSU) betr. Gefahr einer wachsenden Zahl von stellungslosen oder unterbezahlten Akademikern in bestimmten Studienbereichen 11556 B Anlage 51 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) betr. Pressemeldung über entwürdigende Behandlung deutscher Touristen am deutsch-tschechoslowakischen Grenzübergang Mühlbach 11556 C Anlage 52 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Matthöfer (SPD) betr. Ratifizierungsverfahren zum Änderungsvertrag zu Art. 56 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut 11557 A Anlage 53 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Gerlach (Obernau) (CDU/ CSU) betr. Erklärung des polnischen Außenministers Olszowski über das Recht auf die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland 11557 B Anlage 54 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Klinker (CDU/CSU) betr. Änderung des Systems der Ein- und Auslagerungskosten für Getreide . . . 11557 D Anlage 55 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. von Thadden (CDU/CSU) betr. Gefährdung des Warndtwaldes durch vermehrte Immission des lothringischen Werks Carlingen 11558 C Anlage 56 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Biehle (CDU/CSU) betr. nachträgliche Reduzierung der Zinsverbilligung von Darlehen für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung der Gemeinden 11558 D Anlage 57 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Konrad (SPD) betr. Unterscheidung zwischen dem redaktionellen Text und der Werbung in Zeitungen und Zeitschriften 11559 B Anlage 58 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) betr. Enttarnung und Abschiebung von Agenten der sowjetischen Industriespionage . . . . . . . . . 11559 C Anlage 59 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Wuwer (SPD) betr. Prämienbemessung und Kraftfahrzeug-Vollversicherung nach den Kosten der Unfallreparaturen 11559 D Anlage 60 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Varelmann (CDU/CSU) betr. Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Arbeitslosigkeit im nieder- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 VII sächsischen Baugewerbe — Zurverfügungstellung erhöhter Mittel für die wirtschaftliche Förderung in Niedersachsen . 11560 A Anlage 61 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Frehsee (SPD) betr. Gefährdung und Belästigung der Bevölkerung durch Übungen der in Hameln stationierten Truppeneinheiten 11560 B Anlage 62 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. von Thadden (CDU/CSU) betr. Antwort der französischen Regierung zum Problem der Grenzgänger . . 11560 D Anlage 63 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Huys (CDU/CSU) betr. Krankenstand des Panzeraufklärungsbataillons 3 in Lüneburg und Zurückstellung der Arbeiten am Werkstattgebäude 11560 D Anlage 64 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) betr. Wiederaufnahme der Bauarbeiten am Werkstattgebäude des Panzeraufklärungsbataillons 3 in Lüneburg, Werkstatt- und Arbeitsbedingungen 11561 B Anlage 65 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Kater (SPD) betr. kieferorthopädische Behandlung bei Kindern, Höhe der Kosten und Aufbringung der Mittel 11561 C Anlage 66 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Zebisch (SPD) betr. Bemühungen um Verständigung zwischen den Jugendlichen der Bundesrepublik und unserer östlichen Nachbarn . . . . 11561 D Anlage 67 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Lenzer (CDU/CSU) betr. freiberufliche ambulante Tätigkeit der Diätassistentinnen und Übernahme der Kosten der Diätberatung durch die Krankenkassen 11562 B Anlage 68 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Leicht (CDU/CSU) betr. Bau der Umgehungsstraße Lingenfeld . . 11562 C Anlage 69 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) betr. Ausbau der Maintalstraße Obernburg-Miltenberg (B 469) und der B 47/B 27 Miltenberg-AmorbachHardheim-Tauberbischofsheim . . . . 11562 D Anlage 70 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Picard (CDU/CSU) betr. Zahl der Unfalltoten im Straßenverkehr in den USA, England und der Bundesrepublik und Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit 11563 A Anlage 71 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Wichert (SPD) betr. Pläne der Bundesbahn zum Ausbau der Oberwesertrasse — Anschluß Göttingens an das Intercitynetz und das Schnellbahnsystem 11563 B Anlage 72 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) betr. Elektrifizierung der Strecken Heilbronn—Hessental und Marbach—Backnang—Gaildorf—Hessental 11563 C Anlage 73 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Peiter (SPD) betr. Bau der Schnellverbindung Köln—BonnRhein/Main und Verknüpfungsbahnhof mit der Lahnstrecke im Raum Diez —zweigleisiger Wiederaufbau der Lahnstrecke 11563 D Anlage 74 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) betr. Geldbeträge für Bauabschnitte der Bundesautobahn Heilbronn—Nürnberg auf baden-württembergischem Gebiet . . . . . . . 11564 A Anlage 75 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Schwörer (CDU/ CSU) betr. Ausbau der Bundesstraßen 27, 28, 32 und 463 . . . . . . . . . . 11564 B Anlage 76 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Lenzer (CDU/CSU) betr. Auswirkung der geplanten Kürzungen VIII Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 des Haushalts 1972 auf Investitionsmaßnahmen in den Landkreisen Wetzlar und Dillenburg 11564 C Anlage 77 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Pfeifer (CDU/CSU) betr. für die Bundesstraßen 27, 28 und 312 im Raum Reutlingen—Tübingen vorgesehene Beträge 11564 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 11489 196. Sitzung Bonn, den 23. Juni 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Adams * 23. 6. Dr. Aigner * 23. 6. Dr. Arndt (Berlin) * 23. 6. Dr. Artzinger * 23. 6. Dr. Dr. h. c. Bechert (Gau-Algesheim) 23. 6. Behrendt * 23. 6. Biehle 23. 6. Blumenfeld 23. 6. Bremer 23. 6. Dr. Burgbacher * 23. 6. Dasch 23. 6. Dr. Dittrich * 23. 6. Dr. Dollinger 23. 6. Ehnes 23. 6. Engelsberger 23. 6. Fellermaier * 26. 6. Flämig * 23. 6. Gerlach (Emsland) * 23. 6. Frau Griesinger 23. 6. Frau Herklotz 23. 6. Hörmann (Freiburg) 23. 6. Dr. Hubrig 23. 6. Dr. Jahn (Braunschweig) * 23. 6. Dr. Jungmann 24. 6. Kiechle 23. 6. Klinker * 23. 6. Dr. Koch * 23. 6. Kriedemann * 2. 7. Krockert 24. 6. Lange * 23. 6. Lautenschlager * 23. 6. Lenders 23. 6. Dr. Dr. h. c. Löhr * 23. 6. Lücker (München) * 2. 7. Meister * 23. 6. Memmel * 23. 6. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 23. 6. Müller (Aachen-Land) * 23. 6. Neumann 23. 6. Dr. Reischl * 23. 6. Richarts * 23. 6. Riedel (Frankfurt) * 23. 6. Rock 23. 6. Rollmann 23. 6. Schmidt (Würgendorf) 23. 6. Schmidt (Wuppertal) 23. 6. Schneider (Königswinter) 24. 6. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 24. 6. Dr. Schultz (Berlin) 23. 6. Dr. Schwörer * 23. 6. Dr. Starke (Franken) 23. 6. Steiner 24. 6. Strauß 23. 6. Weigl 23. 6. Wendelborn 23. 6. Wolfram * 23. 6. Zebisch 23. 6. *) Für die Teilnahme .an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Stahlberg (CDU/CSU) nach § 59 GO zu Punkt 37 der Tagesordnung. Nach § 59 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gebe ich zur Schlußbestimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher, ersatz-dienstrechtlicher und anderer Vorschriften (Drucksachen VI/3011, V1/3558, zu V1/3558, VI/3585) folgende schriftliche Erklärung ab: Die Forderung nach mehr Wehrgerechtigkeit wurde von der sogenannten Adorno-Kommission aufgegriffen, und es wurden erste Überlegungen auch in Richtung auf eine Wehrdienstzeitverkürzung angestellt. Die am 9. Juli 1970 von dieser Bundesregierung eingesetzte unabhängige Wehrstruktur-Kommission hat am 3. Februar 1971 ihre Vorschläge für mehr Wehrgerechtigkeit vorgelegt. Unter anderem schlug diese Kommission vor, die Zeit des Grundwehrdienstes von 18 auf 16 Monate zu reduzieren und eine zweimonatige Verfügungsbereitschaft anzuschließen. Die notwendigen Maßnahmen, die zur Verkürzung des Grundwehrdienstes führen könnten, sind von der Kommission wie folgt gekennzeichnet: - Erhöhung der Zahl der Ausbilder durch vorherige Vermehrung der Zahl der Zeitfreiwilligen, - zeitliche Verkürzung der Dauer der Grund- und der Spezialausbildung von 6 auf 4 Monate unter Beibehaltung der Dauer der Vollausbildung, - weitere 12 Monate Dienstzeit zwecks Erhaltung der unveränderten Präsenz, - zusätzliche Kosten für den Personalsektor, zusätzliche Einstellung weiterer finanzieller Mittel für infrastrukturelle Maßnahmen infolge erhöhter Personalfluktuation und die Schaffung einer eigenen Ausbildungsorganisation. Der Bundesminister der Verteidigung hat sich der Empfehlung der Wehrstruktur-Kommission hinsichtlich der Verkürzung der Dauer des Grundwehrdienstes von 18 auf 16 Monate nicht angeschlossen, obwohl der damalige Generalinspekteur wie die unabhängige Wehrstruktur-Kommission eine Verkürzung der Grundwehrdienstzeit auf 15 Monate nicht für richtig hielten. Ich schließe mich der Auffassung der Wehrstruktur-Kommission an, die darauf hinweist, daß schon bei einer um 2 Monate verkürzten Grundwehrdienstzeit mehr Verbände des Heeres als bisher gleichzeitig Rekruten ausbilden müssen. Diese Feststellung deckt auch die Auffassung, daß Präsenz und Kampfwert der assignierten Verbände des Heeres absinken. Die Berichte und Diskussionen im Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages haben mich nicht davon überzeugen können, daß eine Verkür- 11542 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 zung des Grundwehrdienstes auf 15 Monate zum jetzigen Zeitpunkt richtig ist. Meine Einwände beziehen sich auf folgende Punkte: 1. Die Harmonisierung von Ausbildung, von Entlassungs- und Einstellungsterminen ist weder bewiesen noch erreicht. Wenn diese erreicht werden soll, dann kann das meines Ermessens nur über eine monatliche Einberufung geschehen. Analog dieser Auffassung müßten monatlich ca. 16 000 Wehrpflichtige einberufen werden. Dann hätten die Kompanien 8 bis 10 Rekruten pro Monat auszubilden und nach einem Jahr Wehrpflichtige mit 12 unterschiedlichen Ausbildungsstufen. Die Harmonisierung wäre also nur über den „Preis" der Verminderung der Kampfkraft zu erreichen. Eine zweite Möglichkeit wäre die, daß die Divisionen einmal im Jahr mit Wehrpflichtigen ganz aufgefülft würden. Dadurch wären aber die Großverbände während der Grundausbildung nicht einsatzbereit. 2. Das bisher für wichtig gehaltene Prinzip der heimatnahen und berufsbezogenen Einberufung und Verwendung von Wehrpflichtigen muß bei einer um 3 Monate verkürzten Grundwehrdienstzeit fast aufgegeben werden. Daher ist der unterschiedliche Bedarf in den Streitkräften nur noch aus größeren und damit heimatferneren Räumen zu decken. Die berufsbezogene Verwendung des Wehrpflichtigen wird schwieriger. 3. Die Reduzierung des Grundwehrdienstes auf 15 Monate wirft darüber hinaus bei der Luftwaffe und bei der Marine noch größere Probleme auf als beim Heer. Das gilt auch für die Freiwilligenwerbung der kleineren Teilstreitkräfte. Eine verkürzte Ausbildung wehrpflichtiger UnteroffizierAnwärter verstärkt das Problem. 4. Nach meine Auffassung kann die Verkürzung der Grundwehrdienstzeit erst eingeleitet werden, wenn das seit langem angekündigte Konzept über die Verwendung von Reservisten die Ungerechtigkeit der Einberufung in diesem Bereich mindert oder aufhebt. Gleichzeitig muß ein Gesetz zum „Dienst an der staatlichen Gemeinschaft" deutlich machen, daß jeder männliche junge Deutsche — insofern er berufstauglich ist — zu einem solchen Dienst herangezogen wird. (Beseitigung der jetzigen Ersatzdienst-Ungerechtigkeit!) 5. Es sind bereits mehr Rekruten zur Zeit in den Kasernen als in den vergangenen Jahren. Die personellen und infrastrukturellen Voraussetzungen für mehr Einberufene sind dafür in vielen Bereichen nicht vorhanden und können aus finanziellen Gründen auch vorerst nicht geschaffen werden. 6. Im Weißbuch 1971/72 heißt es auf Seite 40: „Die Personallage in der Truppe bleibt, obwohl Erleichterungen sich abzeichnen, die Hauptsorge der Bundeswehr." Dieser Satz beweist, daß die personellen Voraussetzungen — als eine wesentliche Grundlage für diese Gesetzesänderungen — noch nicht geschaffen sind. 7. Anfang Dezember 1969 erklärte Verteidigungsminister Schmidt, eine Verkürzung der Grundwehrdienstzeit könne nur dann „erwogen" werden, „wenn die erforderlichen finanziellen Mittel sichergestellt sind, wenn eine ausreichende Zahl der längerdienenden Soldaten gesichert ist und wenn die Kampfkraft der Bundeswehr uneingeschränkt erhalten bleibt." Eben diese vom Verteidigungsminister hervorgehobenen drei Voraussetzungen sind nach meiner Auffassung nicht erfüllt. 8. Die Zeit- und Berufssoldaten sind wegen des Personalmangels seit langem überbeansprucht. Bisher fehlen entsprechende Besoldungs- und Versorgungsregelungen, die den Diensteigentümlichkeiten des Soldaten gerecht werden. Eine Verkürzung der Grundwehrdienstzeit strapaziert jeden Längerdienenden in noch stärkerem Maße. Aus diesen' Gründen kann ich einer Verkürzung der Grundwehrdienstzeit gegenwärtig nicht zustimmen. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Hösl (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 5) : Trifft die Meldung der Zeitung Die Welt" vom 13. Juni 1972 zu, die „Berliner Festspiele GmbH" habe aus politischen Gründen den dänischen Film „Lenin takes a train" nicht in den Wettbewerb der diesjährigen „Berliner Filmfestspiele" aufgenommen, obwohl sie ihm künstlerische Qualität bescheinigte, und wie beurteilt — bejahendenfalls — die Bundesregierung diese aus Rücksicht auf die UdSSR vorgenommene Beeinträchtigung der künstlerischen Freiheit im Hinblick auf die durch Artikel 5 des Grundgesetzes, der auch im Land Berlin gilt, gewährleistete Freiheit der Kunst? Es trifft zu, daß das Auswahlkomitee für die Internationalen Filmfestspiele Berlin 1972 den dänischen Film „Lenin takes a train" nicht in den Wettbewerb aufgenommen hat. Die Entscheidung über die Annahme gemeldeter Filme für den Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele in Berlin obliegt nach den Richtlinien einem unabhängigen und sachkundigen Gremium, das nach einer besonderen Verfahrensordnung tätig wird. Die Bundesregierung, deren Vertreter dem Auswahlkomitee nicht angehören und die deshalb den Film „Lenin takes a train" bei der Auswahl auch nicht gesehen haben, übt auf die Entscheidungen des Komitees keinen Einfluß aus. Der Ablehnung des Filmes durch das Auswahlkomitee stehen nach Auffassung der Bundesregierung keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen, insbesondere auch nicht aus Artikel 5 Abs. 3 GG. Die Freiheit der Kunst wird nicht berührt, wenn eine Jury aus einem Angebot von Festspielbeiträgen nach vorgegebenen Kriterien eine Auswahl trifft und einen Film zur Aufführung bei den Filmfestspielen nicht aufnimmt. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 11543 Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 22. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Picard (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen A 12 und 13) : Sind der Bundesregierung in den deutschen Verlagen erschienene Taschenbücher bekannt, die als „Leitfäden für Bombenleger und Untergrundkämpfer" bezeichnet werden könnten? Welche Bedeutung z. B. mißt die Bundesregierung dem im Rowohlt-Verlag erschienenen Taschenbuch von Carlos Marighera „Handbuch des Stadtguerillo" bei? Zu Frage A 12: Ja, der Bundesregierung sind derartige Taschenbücher bekannt. Die Bundesregierung beobachtet mit Sorge das Erscheinen dieser Schriften, in denen die Anwendung von Gewalt gerechtfertigt oder in denen zur Anwendung von Gewalt aufgefordert wird. Zu Frage A 13: Das „Handbuch des Stadtguerillero" von Carlos Marighela ist auf die Verhältnisse in Brasilien zugeschnitten. Die darin gegebenen strategischen und taktischen Anweisungen für terroristische Anschläge in Städten haben aber zum Teil auch der BaaderMeinhof-Bande als Anleitung gedient. Das zeigen die dieser Bande mit hoher Wahrscheinlichkeit zuzurechnenden Banküberfälle und Terrorakte ebenso wie die Schriften „RAF — Rote Armee Fraktion — Das Konzept Stadtguerilla" und die im April 1972 verbreitete Schrift der RAF mit dem Titel „Stadtguerilla und Klassenkampf". Anlage 5 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 22. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Werner (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 16) : Teilt die Bundesregierung die vom Bundesinnenminister Genscher in der „Welt" vom 1. Juni 1972 erklärte Meinung, daß er kein Verständnis für die Einstellung des Disziplinarverfahrens gegen den hannoverschen Politologieprofessor Jürgen Seifert habe, und daß die Äußerung von Seifert eine beispiellose Diffamierung des demokratischen Rechtsstaats sei? Ja, Herr Abgeordneter. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Rohwedder vom 22. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Kiechle (CDU/CSU) (Drucksache VI/3564 Fragen A 21 und 22) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung der deutschen Strickstrumpfindustrie, daß die Dumpingpreise bei Importen aus den Staatshandelsländern die Existenz dieses Industriezweiges und damit die Arbeitsplätze akut und nachhaltig gefährden? Ist die Bundesregierung bereit, diese Entwicklung durch Schutzmaßnahmen an der Grenze zu verhindern oder gegebenenfalls andere Hilfsmaßnahmen einzuleiten und welche? Zu 21: Die Bundesregierung teilt nicht die Auffassung der deutschen Strickstrumpfindustrie, daß deren Existenz durch Importe aus den Staatshandelsländern akut und nachhaltig gefährdet wird. Ich darf hierbei daran erinnern, daß die Bundesregierung zu dieser Frage bereits im Rahmen der Fragestunden der 185. und 190. Sitzung des Deutschen Bundestages Stellung genommen hat, und verweise auf die Seiten 10856 bzw. 11117 des Protokolls. Zu 22: Die Bundesregierung hält die gegenüber Rumänien als dem mit Abstand bedeutendsten Lieferanten unter den Staatshandelsländern bereits getroffene Schutzmaßnahmen für ausreichend zur Abwehr einer Existenzgefährdung der deutschen Strickstrumpfindustrie. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Müller (Mülheim) (SPD) (Drucksache VI/3546 Frage A 25) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die nach dem Gesetz über das Branntweinmonopol vorgeschriebene Vergällung des Alkohols für Laborzwecke geeignet ist, Umweltgefahren sowohl für die in Laboren beschäftigten Laboranten und Ärzte als auch für die weitere Umwelt herbeizuführen, und ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, Überlegungen anzustellen, wie der steuerliche Zweck der Ungenießbarmachung des Alkohols durch andere, umweltfreundlichere Maßnahmen erreicht werden kann? Alkohol für Laborzwecke wird normalerweise mit Petroläther vergällt. Das Mischungsverhältnis ist 1 l Petroläther auf 1001 Alkohol. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß diese Vergällung besondere Umweltgefahren mit sich bringen könnte. Falls Sie über andere Informationen verfügen, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sie mir mitteilen würden. Ich will dann gern eine Überprüfung veranlassen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Röhner (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 26) : In welcher Form und zu welchem Termin beabsichtigt die Bundesregierung eine Harmonisierung der Kfz-Steuervergünstigung für Kriegsbeschädigte und Zivilbeschädigte? Die Neugestaltung der Kraftfahrzeugsteuer-Vergünstigung für Körperbehinderte ist im Rahmen der Steuerreform vorgesehen. Die Überlegungen hierzu sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Es gibt einen ersten Referentenentwurf eines neuen Kraftfahrzeugsteuergesetzes, der noch der weiteren Erörterung bedarf. Dieser Entwurf sieht vor, daß die 11544 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 Körperbehinderten von der Kraftfahrzeugsteuer unter den gleichen Voraussetzungen befreit werden sollen, die auch für die kostenlose Benutzung der öffentlichen Nahverkehrsmittel gelten. Damit wird der Unterschied in der Behandlung von Kriegs- und Zivilbeschädigten, der im heutigen Kraftfahrzeugsteuerrecht vorhanden ist, abgebaut werden. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Storm (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 27) : - Wie lange ist im Durchschnitt die Bearbeitungsdauer der Anträge auf Lohnsteuer- bzw. Einkommensteuerjahresausgleich, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die zum Teil mehrmonatigen Bearbeitungszeiten abzukürzen, um den Antragsteller frühzeitig in den Genuß des Erstattungsbetrags zu bringen? Von den Finanzämtern müssen jährlich etwa 12 bis 13 Millionen Anträge auf Lohnsteuer-Jahresausgleich bearbeitet werden. Die Bearbeitung dieser Anträge nimmt wegen der zunehmenden Arbeitsbelastung der Finanzämter, hier insbesondere der Lohnsteuerstellen, naturgemäß einige Zeit in Anspruch. Wie lange im Bundesdurchschnitt die Bearbeitungszeit eines Jahresausgleichsantrags ist, läßt sich nach dem vorliegenden statistischen Material nicht feststellen. Es ist jedoch bekannt, daß die Bearbeitungszeit in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ist; die Zeitdauer von der Antragstellung bis zur Auszahlung des Erstattungsbetrags hängt im wesentlichen vom Zeitpunkt der Antragstellung, von der Arbeitsbelastung der einzelnen Finanzämter und von der Organisation der Datenverarbeitung in den einzelnen Ländern ab. Die Bundesregierung bemüht sich in Zusammenarbeit mit den für die Organisation der Finanzämter und der Datenverarbeitung zuständigen obersten Finanzbehörden der Länder seit langem, durch geeignete Maßnahmen die Bearbeitung der Jahresausgleichsanträge zu beschleunigen. Besonders für den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1971 sind Maßnahmen getroffen worden, die zur schnelleren Rückzahlung der zuviel gezahlten Steuern beitragen sollen. So sind z. B. automationsgerechte Antragsvordrucke entwickelt worden, die erstmals einheitlich im ganzen Bundesgebiet Verwendung finden und dazu geführt haben, daß die Anträge wegen ihrer besseren Ausfüllung von den Finanzämtern beschleunigt zur maschinellen Bearbeitung weitergeleitet werden konnten. Außerdem ist durch eine Änderung des Maschinenprogramms erreicht worden, daß bei Arbeitnehmern, die wegen der Höhe ihres Arbeitslohns erstmals zur Einkommensteuer veranlagt werden müssen, die Veranlagung im Rahmen des Jahresausgleichsverfahrens durchgeführt werden kann. Die veranlagten Arbeitnehmer werden hiernach ihre zuviel gezahlten Steuern genauso schnell zurückerhalten wie andere Arbeitnehmer. Im übrigen trägt zur Beschleunigung des Jahresausgleichsverfahrens auch bei, daß nach Ländererlassen seit dem Jahre 1971 bei der Prüfung der vorgebrachten Antragsgründe großzügig verfahren wird. Nach den aus Nordrhein-Westfalen vorliegenden Zahlen waren nach dem Stand vom 31. Mai dieses Jahres von ca. 3,5 Millionen eingegangenen Jahresausgleichsanträgen bereits ca. 95 v. H. von den Lohnsteuerstellen der Finanzämter bearbeitet. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Jahresausgleichsantrags liegt in Nordrhein-Westfalen bei ca. 6 Wochen. Entsprechende Angaben aus den anderen Ländern liegen für 1971 noch nicht vor. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Freiherr Ostman von der Leye (SPD) (Drucksache VI/3546 Frage A 28) : Wann ist mit der Verabschiedung der Novelle zum Mehrwertsteuergesetz zu rechnen, durch die Seenotrettungskreuzer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger mit den Seeschiffen der gewerblichen Schiffahrt gleichgestellt werden sollen? Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag am 11. November 1971 den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vorgelegt (BT-Drucksache VI/2817). Der Gesetzentwurf enthält in Artikel 1 Nr. 3 a und Nr. 4 f Bestimmungen, durch die die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger umsatzsteuerrechtlich der gewerblichen Seeschiffahrt gleichgestellt wird. Lieferungen, Umbauten und Instandsetzungen von Wasserfahrzeugen für die Seeschiffahrt, die der Rettung Schiffbrüchiger zu dienen bestimmt sind, sollen künftig von der Umsatzsteuer befreit werden. Das gleiche gilt für die Lieferung von Gegenständen der Schiffsausrüstung für Seeschiffe an die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Hierdurch hat die Bundesregierung dem berechtigten Anliegen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger voll und ganz entsprochen. Der Gesetzentwurf wird zur Zeit vom Finanzausschuß beraten. Der Zeitpunkt der Verabschiedung hängt von der weiteren Behandlung der Novelle in diesem Hohen Hause ab. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Struve (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 29) : Ist die Bundesregierung bereit, nachdem sie im Einvernehmen mit der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen vereinbart hat, dem Steinkohlenbergbau in Nordrhein-Westfalen die Lastenausgleichsabgabe zeitweilig zu erlassen, dem vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf (Drucksache VI/3059) über die Befreiung der Landwirtschaft vom Lastenausgleich zuzustimmen oder wenigstens eine Regelung herbeizuführen, die der für den Steinkohlenbergbau entspricht? Die Bundesregierung kann dem vom Bundesrat beim Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf, in Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 11545 dem die generelle Freistellung der Land- und Forstwirtschaft von der Vermögensabgabe ab 1. Januar 1972 vorgesehen ist, aus verfassungsrechtlichen, materiell-rechtlichen und finanziellen Gründen nicht zustimmen. Sie hält es insbesondere nicht für vertretbar, einen ganzen Wirtschaftszweig völlig von dieser Abgabe zu befreien. Der zeitweilige Erlaß der Lastenausgleichsabgaben bei der Ruhrkohle AG ist kein Anlaß, diese ablehnende Haltung aufzugeben. Der Ruhrkohle AG sollen die Vermögensabgabe und die Kreditgewinnabgabe für einen Restbetrag 1971 und für 1972 erlassen werden. Diese Maßnahme beruht ausschließlich auf den wirtschaftlichen Verhältnissen dieses einen Unternehmens. Der Erlaß war wegen der wirtschaftlichen Notlage, insbesondere wegen des Vermögensverzehrs infolge hoher Verluste notwendig geworden. Wenn auch die Ruhrkohle AG den überwiegenden Teil des Steinkohlenbergbaues repräsentiert, so handelt es sich hier doch nicht um die generelle Freistellung dieses ganzen Wirtschaftszweiges, sondern eben allein um eine unternehmensbezogene Maßnahme für eine bestimmte einzelne Abgabenschuldnerin, demgegenüber würde die generelle Freistellung der gesamten Land- und Forstwirtschaft sich gleichermaßen auf alle Betriebe ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage im Einzelfall erstrecken. Wenn sich einzelne landwirtschaftliche Betriebe in einer wirtschaftlichen Notlage befinden, die der der Ruhrkohle AG entspricht, kann nach den bestehenden Erlaß- und Stundungsregelungen in ausreichendem Maße geholfen werden. Erleidet z. B. ein landwirtschaftlicher Betrieb nach ständigen Betriebsverlusten eine erhebliche Vermögenseinbuße, so kann im Einzelfall — wie bei der Ruhrkohle AG — ebenfalls ein Erlaß der Vermögensabgabe in Betracht kommen. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Ritz (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 30) : Hält die Bundesregierung es für sachgerecht, wenn sie entgegen einem einstimmigen Beschluß des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Deutschen Bundestag, die Vorsteuerpauschale wegen der stark gestiegenen Betriebsmittelkosten in der Landwirtschaft um 1 % anzuheben, nunmehr beschließt, diese Erhöhung der Vorsteuerpauschale auf 0,5 % zu reduzieren? Ich möchte zunächst darauf hinweisen, daß es einen Beschluß der Bundesregierung über die Erhöhung der Vorsteuerpauschale in der Landwirtschaft noch nicht gibt. Es hat allerdings ein Gespräch zwischen den Ministern Schiller und Ertl stattgefunden, in dem Einigkeit darüber bestand, daß die Vorsteuerpauschale in der Landwirtschaft angehoben und der Mehrwertsteuersatz für landwirtschaftliche Erzeugnisse als Ausgleich für die vorgesehene Senkung des Grenzausgleichs erhöht werden soll. Die Anhebung der Vorsteuerpauschale muß zusammen mit dem vorgesehenen Ausgleich aufwertungsbedingter Preisverluste über die Mehrwertsteuer gesehen werden. Die umsatzsteuerliche Vorbelastung der Landwirtschaft betrug im Wirtschaftsjahr 1970/71 nach marko-ökonomischen Berechnungen rd. 5,65 v. H., so daß zum Ausgleich der angestiegenen Vorsteuerbelastung eine entsprechende Anhebung der Vorsteuerpauschale als sachgerecht zu bezeichnen ist. Hinsichtlich der bevorstehenden Festschreibung des DM-Leitkurses und der in diesem Zusammenhang vorgesehenen Reduzierung des derzeitigen Grenzausgleichs ist zur Vermeidung aufwertungsbedingter Preiseinbußen eine Anhebung des Mehrwertsteuersatzes auf der landwirtschaftlichen Erzeugerstufe um 1,85 Prozentpunkte in Aussicht genommen. Beide Aspekte führen zusammen zu einer Anhebung der Mehrwertsteuer für pauschalierte landwirtschatfliche Betriebe um 2,5 Prozentpunkte, so daß sich künftig für diese Betriebe ein MehrwertSteuersatz von 10,5 v. H. ergibt. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jobst (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen A 31 und 32) : Wann gedenkt die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nachzukommen, den bisher nicht übernommenen Fehlbetrag der Deutschen Bundesbahn aus den Jahren 1969 bis 1971 zu übernehmen, der am 31. Dezember 1971 2,4 Milliarden DM betrug und Ende 1973 etwa 3,2 Milliarden DM betragen wird, da die für 1972 vorgesehene Liquiditätshilfe nicht ausreicht, den Fehlbetrag des Jahres 1972 abzudecken? Trifft es zu, daß die Deutsche Bundesbahn bei Nichtübernahme des Fehlbetrags von 2,4 Milliarden DM durch den Bund im Jahre 1972 etwa 200 Millionen DM an Zinsen selbst aufbringen muß? Zu Frage A 31: Es ist beabsichtigt, der Deutschen Bundesbahn in diesem Jahr rd. 6 Mrd. DM an vermögens- und erfolgswirksamen Leistungen zu gewähren; das sind rd. 2,3 Mrd. DM mehr als im Jahr 1969. Ein Ansteigen der durch die Liquiditätshilfen nicht gedeckten Verlustvorträge wird allerdings selbst damit nicht ganz vermieden werden können. Höhere Zuweisungen an die Bundesbahn sind wegen der Ihnen bekannten angespannten Haushaltslage des Bundes jedoch zur Zeit nicht möglich. Auf jeden Fall ist aber sichergestellt, daß die Kapitalrechnung der Bundesbahn ausgeglichen und damit die Liquidität des Unternehmens erhalten bleibt. Ich darf Ihnen darüber hinaus versichern, daß die Bundesregierung der, wirtschaftlichen Entwicklung der Deutschen Bundesbahn bei der Fortschreibung des mehrjährigen Finanzplans besondere Aufmerksamkeit widmen wird. Zu Frage A 32: Bei einem Zinssatz von etwa 8 % dürfte der von Ihnen genannte Betrag annähernd richtig sein. 11546 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 Anlage 14 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 23. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Höcherl (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen A 33 und 34) : In welchen Positionen des Einzelplans 10 sollen die 100 Millionen DM Kürzungen ausgebracht werden? Welche Gründe waren für die Kürzungen gerade in diesen Haushaltspositionen maßgebend? Zu Frage A 33: In den von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ausgabeverminderungen ist eine Kürzung von Einzelansätzen des Einzelplans 10 nicht enthalten. Wegen der besonderen Bedeutung des Agraretats hat die Bundesregierung in diesem Bereich globale Minderausgaben in Höhe von 75 Millionen DM als Grenze des agrarpolitisch Vertretbaren angesehen. Dieser im Haushaltsvollzug einzusparende Betrag ist nicht auf einzelne Positionen aufgeteilt. Zu Frage A 34: Beim Haushaltsvollzug treten bei jedem größeren Einzelplan am Ende des Haushaltsjahres zwangsläufig unverwendete Restbeträge auf, ohne daß hierzu besondere Bewirtschaftungsmaßnahmen notwendig sind. Ich bin deshalb der festen Überzeugung, daß es auch 1972 gelingen wird, die aus gesamtwirtschaftlichen Gründen notwendige Einsparung in Höhe von 75 Millionen DM im Einzelplan 10 zu erwirtschaften, ohne die agrarpolitischen Ziele zu beeinträchtigen. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Geldner (FDP) (Drucksache VI/3546 Frage A 35) : Welche Stellung nimmt die Bundesregierung zu der Ankündigung des Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Fleischwarenindustrie ein, wonach Fleischwaren in diesem Jahr 12 bis 15 % teurer werden müßten wegen geänderter Zoll- und veterinärmedizinischer Vorschriften, und um welche Vorschriften handelt es sich dabei im einzelnen? Die anläßlich der Verbandstagung der Fleisch-warenindustrie in Bonn am 7. Juni 1972 von Herrn Präsident Schweisfurth abgegebene Erklärung, die Preise für Fleischwaren würden sich 1972 gegenüber dem Vorjahr um 12 bis 15 % verteuern, ist in einigen Presseveröffentlichungen mit einer falschen Begründung wiedergegeben worden. Als Hauptgründe für eine Verteuerung wurden von der Fleischwarenindustrie nicht geänderte Zoll- und Veterinärvorschriften, sondern insbesondere der Anstieg der Rindfleischpreise, die Erhöhung der Lohnkosten sowie eine Strukturverschiebung der Verbrauchernachfrage zu mageren Fleischteilen angegeben. Die Einfuhrzölle und Abschöpfungen für Schlachtrinder und Rindfleisch sind wegen des Anstiegs der Schlachtrinderpreise ab 5. Juni 1972 bis auf weiteres ausgesetzt worden. Die Ankündigung des Wegfalls der Zölle und der Abschöpfung hat bereits in den ersten beiden Wochen zu einer gewissen Preisdämpfung beigetragen. Die Auslandsfleischbeschaugebühren sind zwar wegen der gestiegenen Lohnkosten mit Wirkung vom 1. April 1972 erhöht worden. Die Kostenbelastung des eingeführten Fleisches durch diese Gebührenerhöhung beträgt jedoch im Durchschnitt nicht mehr als 1 bis 2 Pf pro kg. Da der Anteil des eingeführten Fleisches an der Gesamterzeugung von Fleischwaren gering ist, fällt diese zusätzliche Belastung nicht ins Gewicht. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Geldner (FDP) (Drucksache VI/3546 Frage A 36) : Trifft die Behauptung der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher zu, wonach in der EWG auf Kosten des Steuerzahlers bisher 2,5 Milliarden kg Birnen, Äpfel, Pfirsiche und Orangen und mehr als 100 Millionen kg Gemüse mit Kosten von fast 1 Milliarde DM vernichtet worden sind, und was gedenkt die Bundesregierung gegen solche kostspielige Vernichtungsaktionen zu unternehmen? Für die Durchführung der Intervention bei Obst und Gemüse sind in der EG seit 1967 131,8 Millionen RE aufgewendet worden; davon entfallen auf die BRD 0,5 Millionen RE. Die Bundesregierung hat keine zuverlässigen Informationen darüber, in welchem Umfang aus dieser Gesamtintervention Obst und Gemüse vernichtet wurde. Ihr ist aber aus Mitteilungen der Mitgliedstaaten bekannt, daß interveniertes Obst und Gemüse in erheblichen Mengen sozialen Zwecken zugeführt wurde. Die Behauptung der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher dürfte daher in dieser Form nicht zutreffen. In der Bundesrepublik selbst sind nur geringe Interventionen bei Obst (Äpfeln) und Gemüse (Blumenkohl) vorgenommen worden; in der Saison 1971 waren es 8455 t Äpfel, die überwiegend sozialen Zwecken zugeführt worden sind. Die Bundesregierung hat sich von Anfang an entschieden gegen die Vernichtung von Obst und Gemüse gewandt und innerhalb der EWG immer wieder gefordert, nach sinnvollen Lösungen des Problems der Überproduktion zu suchen. Sie wird diese Haltung auch in Zukunft einnehmen. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 23. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jenninger (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen A 68 und 69) : Hat die Bundesregierung die Absicht, zugunsten des vom Parlamentarischen Staatssekretär Haar in der Öffentlichkeit wiederholt als vorrangig bezeichneten Ausbaus der Bundesautobahnstrecke Würzburg—Lindau die Mittel bei anderen Bundesautobahnbauvorhaben zu kürzen? . Aus welchen Gründen besteht für den Ausbau dieser Strecke Vorrang, und welche Auswirkungen hat diese Vorrangigkeit auf die Fertigstellung anderer Bundesautobahnstrecken in diesem Raum, z. B. auf die Strecke Heilbronn—Würzburg? Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, zugunsten des vorrangigen Ausbaues der BAB-Neu- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 11547 baustrecke Würzburg—Ulm—Kempten Mittel von anderen BAB-Neubaustrecken abzuziehen. Es ist vielmehr vorgesehen, aus den durch die Erhöhung der Mineralölsteuer zur Verfügung stehenden Mitteln diese Strecke zusätzlich zu fördern, sobald die Planungs- und Bauvorbereitungen abgeschlossen sind. Die Vorrangigkeit für den Neubau der BAB-Strecke Würzburg—Ulm—Kempten ist dadurch begründet, daß es sich als notwendig herausgestellt hat, neben den BAB-Strecken Nürnberg—Würzburg--München und Würzburg—Stuttgart—München eine weitere Fernverbindung in Nord-Süd-Richtung so bald wie möglich zu schaffen. Die für Ende 1974 vorgesehene Fertigstellung der BAB Würzburg—Heilbronn wird dadurch nicht beeinflußt. Anlage 18 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 23. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Ollesch (FDP) (Drucksache VI/3546 Fragen A 70 und 71): Ist der Bundesregierung bekannt, daß einige Kommunal- und Bundesbehörden das am 28. Februar 1972 verkündete Verkehrsfinanzgesetz 1971 einseitig dahingehend auslegen, daß sie die in ihrem Auftrag fahrenden Privatunternehmer zwingen, auf ihren Anteil aus dieser ersten Maßnahme zur Sanierung des öffentlichen Personennahverkehrs zu verzichten, indem sie den bisher geltenden Kostensatz um das Maß der Kostenentlastung durch Fortfall der Mineralölsteuer vermindern? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß durch diese Forderungen in eigenmächtiger Weise den Absichten des Gesetzgebers zuwidergehandelt wird, und ist sie bereit, entsprechende Konsequenzen zu ziehen? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß die beiden Bundesverkehrsverwaltungen oder kommunale Verkehrsbetriebe in der geschilderten Art verfahren. Bahn und Post haben wegen der Entlastung ihrer Auftragsunternehmer von der Mineralölsteuer bislang keine Vertragskündigung ausgesprochen, um neue, für sie günstigere Vergütungsregelungen zu erreichen. Der Bundesregierung ist auch kein Fall bekannt, in dem ein kommunaler Verkehrsbetrieb aus diesem Grunde einen Beschäftigungsvertrag gekündigt hätte. Es entspricht den Absichten des Gesetzgebers und den Vorstellungen der Bundesregierung, daß die privaten Auftragsunternehmer von der Mineralölsteuer entlastet werden, sobald sie mit ihren Fahrzeugen im öffentlichen Personennahverkehr zum Einsatz gelangen. Anlage 19 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Kempfler (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 72) : Wird die Bundesregierung bei der Streichung von Haushaltsmitteln für Straßenbauvorhaben berücksichtigen, daß die verkehrs- und revierfernen Bezirke, namentlich soweit sie Zonenrand- oder Bundesausbaugebiete an der Grenze der EWG sind, einen erheblichen Nachholbedarf aufweisen, und wird sie dort von Kürzungen absehen? Bei der Aufteilung der im Bundesfernstraßenhaushalt 1972 einzusparenden Beträge auf einzelne Straßenbaumaßnahmen werden sowohl verkehrs- und strukturpolitische Erfordernisse als auch planerische Gegebenheiten sowie Fakten und Möglichkeiten im tatsächlichen Bauablauf berücksichtigt werden. Im übrigen wird auch Bedacht darauf genommen, daß Maßnahmen mit hohem Fertigstellungsgrad möglichst ungestört fortgeführt werden, um bereits getätigte Investitionen bald nutzen zu können. Anlage 20 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 23. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Horstmeier (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen A 73 und 74) : Welches sind die derzeitigen grundsätzlichen Vorstellungen der Bundesregierung zu der Frage der Verlegung des Bundesbahnzentralamts nach München oder seines Verbleibs in Minden? Stellt die Ausgliederung einzelner Abteilungen des Bundesbahnzentralamts nicht auch nach Meinung der Bundesregierung eine Präjudizierung der Verlegung nach München dar oder wirkt sich als Aushöhlung des Mindener Bundesbahnzentralamts aus? Zu Frage A 73: Die Bundesregierung verweist auf ihren Beschluß vom 23. Juli 1970, mit dem dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn aufgegeben worden ist, bei Aufrechterhaltung des Antrages auf Zusammenlegung der Bundesbahnzentralämter Minden und München neue Wirtschaftlichkeitsberechnungen vorzulegen und Alternativlösungen auszuarbeiten. Die Nachprüfung der Deutschen Bundesbahn ist noch nicht abgeschlossen. Nach Mitteilung des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn lassen sich über das Ergebnis und den Zeitpunkt der Beendigung der Arbeiten noch keine Angaben machen. Zu Frage A 74: Nein, Herr Kollege! Die Verlegung der „Oberbauforschung" und „Oberbauentwicklung" hat mit der Frage der Zusammenlegung der Bundesbahnzentralämter nichts zu tun. Sie erfolgt zur Intensivierung der Arbeiten und führt zum Zusammenschluß mit bereits in München auf diesem Gebiet tätigen Fachbereichen. Die Deutsche Bundesbahn hofft, hierdurch die Betriebssicherheit des Oberbaus zu erhöhen. Auch von einer „Aushöhlung" kann nicht gesprochen werden. Das geht bereits daraus hervor, daß nach Angaben des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn der Bestand des Bundesbahnzentralamtes Minden mit rd. 950 Dienstposten auch nach Auslagerung der 72 Dienstposten auf Grund von Neuzugängen in den Jahren 1970 und 1971 noch um 16 Dienstposten höher sein wird als 1969. Anlage 21 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 23. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abge- 11548 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 ordneten Leicht (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen A 75 und 76) : Wie erklärt der Bundesverkehrsminister seine Aussage, daß trotz Kürzung von 100 Millionen DM beim Bundesautobahnbau (neben Kürzungen beim Bau von Bundes- und Gemeindestraßen in Höhe von 290 Millionen DM) in diesem Jahr kein Meter Autobahn weniger gebaut werden soll? Ist der Bundesverkehrsminister bereit, die Maßnahmen und Kalkulationen, durch die er mit Hunderten von Millionen DM weniger an Ausgabemitteln bei weiteren Inflationsraten trotzdem mehr Leistung erbringen kann, seinen Ressortkollegen und allen im deutschen Wirtschaftsprozeß Tätigen mitzuteilen? Die im Haushalt 1972 vorgesehene Kürzung der Mittel für den Neubau von Bundesautobahnen in Höhe von 100 Millionen DM oder rd. 3 % des bisher zur Verfügung stehenden Betrages (einschließlich Finanzierungsbeiträge der Öffa*) und Ausgabereste) wirkt sich auf die Fertigstellungsleistungen im Jahre 1972 nicht aus. Es wird durch Konzentration der Mittel dafür gesorgt werden, daß die Bauziele erreicht werden. Damit dürfte auch die Frage 76 beantwortet sein. Anlage 22 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmidt (Krefeld) (SPD) (Drucksache VI/3546 Frage A 77) : Durch welche Maßnahmen wird sichergestellt, daß von Toiletten in Eisenbahnwagen keine Gefahren für die Bevölkerung ausgehen, und wann ist damit zu rechnen, daß die zur Zeit üblichen Toiletten durch solche mit geschlossenem Toilettenkasten ersetzt werden, die verhindern, daß die Exkremente der Benutzer auf den Gleisen abgelagert werden und dadurch eine Gefährdung der Bevölkerung darstellen können? Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Hirsch, Dichgans, Mertes und Genossen hinweisen (Drucksache VI/2891 vom 2. Dezember 1971). Danach ist auf Grund von ärztlichen Gutachten die bakteriologische und seuchengefährdende Unbedenklichkeit festgestellt und eine Umweltgefährdung somit ausgeschlossen. Die Deutsche Bundesbahn ist dennoch bestrebt, für die Zukunft eine möglichst weitgehende Vernichtung der Fäkalien mit modernen Verfahren zu erreichen. Für den Fernreiseverkehr laufen hierzu noch Untersuchungen auf internationaler Ebene. Im Nahverkehr wird bei den neuen S-Bahn-Triebwagen bewußt auf Toilettenanlagen verzichtet. Statt dessen werden in verstärktem Maße WC-Anlagen auf den Haltestellen vorgehalten. Anlage 23 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abge- *) Offa — Deutsche Gesellschaft für Öffentliche Arbeit AG ordneten Dr. Schmidt (Krefeld) (SPD) (Drucksache VI/3546 Frage A 78) : Geschieht die Reinigung und Spülung der Toiletten der Eisenbahnwagen mit Desinfektionsmitteln noch immer auf Abstellgleisen und nicht über besonderen Gruben, die durch nachfolgende Desinfektion zu reinigen wären? Die Reisezugwagentoiletten werden heute bei der Deutschen Bundesbahn überwiegend auf Waschplatten gereinigt, die in den modernen Wagenwaschanlagen eingebaut sind. Das abfließende Spülwasser durchläuft Neutralisierungsanlagen, bevor es in die Kanalisation eingeleitet wird. Sofern übergangsweise bei der Deutschen Bundesbahn noch Abstellgleise für eine geringe Zahl von Toilettenreinigungen verwendet werden müssen, besteht keine bakteriologische Gefährdung, da nur desinfizierte Abwässer in geringen Mengen in die Gleisanlagen gelangen. Eine Umweltgefährdung wird auch hierdurch nicht hervorgerufen. Anlage 24 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vorn 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Löher (Dortmund) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 79): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es ratsam und nützlich wäre, nach den Untersuchungen im Flugsicherheitsdienst, die im Auftrage des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen von der Schlieker-Kommission durchgeführt wurden, nunmehr eine unabhängige Sachverständigenkommission zu berufen, die die Probleme der Managementlaufbahnen bei den Verkehrsverwaltungen Bahn und Post untersucht, um damit in diesen Bereichen eine ähnliche negative Entwicklung wie im Flugsicherungsbereich zu verhindern? Die Einsetzung von Sonderkommissionen kann nur bei Vorliegen besonders vielschichtiger Sachverhalte mit Ausnahmecharakter angezeigt erscheinen. Grundsätzlich werden Probleme, die sich in den bei der Deutschen Bundespost und Deutschen Bundesbahn eingerichteten Laufbahnen ergeben, zwischen den Verwaltungen, den Personalvertretungen und den für die Bereiche des Verkehrs-, Post- und Fernmeldewesens zuständigen Gewerkschaften ständig erörtert und im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten einer Lösung zugeführt. Diese Handha- bung hat sich bewährt. Anlage 25 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 23. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Lemmrich (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen A 80 und 81) : In welchen Bundesländern wurde das Bundesfernstraßennetz durch Spikesreifen im Winter 1971/1972 am stärksten und in welchen Bundesländern am wenigsten beansprucht? Welche Mittel sind in den einzelnen Bundesländern erforderlich, um die Spikesschäden zu beseitigen? Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 11549 Die stärksten Schäden durch Spikesreifen sind in den süddeutschen Wintersportländern, insbesondere in Bayern, zu verzeichnen, die geringsten in Norddeutschland, relativ gesehen in Schleswig-Holstein. Zur Zeit liegen die Schätzungen über den Mittelbedarf für die Beseitigung der Spikesschäden erst von 6 Ländern vor. Die Teilsumme für diese Länder beläuft sich auf 357,5 Millionen DM. Unter Einbeziehung der noch fehlenden Länder dürfte der Gesamtbedarf größenordnungsmäßig mit rd. 400 Millionen DM zu veranschlagen sein. Diese Zahl bezieht sich nur auf das Netz der Bundesfernstraßen (BAB'en und Bundesstraßen). Anlage 26 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Seefeld (SPD) (Drucksache VI/3546 Frage A 82) : Teilt die Bundesregierung die weitverbreitete Auffassung, zahlreiche Kindersitze in Kraftfahrzeugen entsprächen nicht den heute zu fordernden Sicherheitsgrundsätzen, und ist sie bereit, dafür zu sorgen, daß nur solche Kindersitze verwendet werden dürfen, die auch wirklich sicher und ungefährlich sind? Die Bundesregierung teilt diese Auffassung. Unklar ist allgemein nur, nach welchen Maßstäben die Sicherheitsgrundsätze bewertet werden sollen. Um hierüber Aufschluß zu gewinnen, wurden einem Institut Forschungsaufträge erteilt, die teils von der Bundesregierung, teils vom Allgemeinen Deutschen Automobil Club finanziert werden. Die vollständigen Ergebnisse liegen seit einigen Tagen vor und müssen jetzt erst ausgewertet werden. Anlage 27 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Josten (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 83) : Ist die Bundesregierung bereit, im Interesse der Sicherheit Sprechfunk für die Lokführer der Deutschen Bundesbahn einzuplanen und stufenweise zu verwirklichen? Die vom Bundesminister für Verkehr eingesetzte Kommission „Sicherheit im Eisenbahnbetrieb" hat sich in ihrem Abschlußbericht, der auch dem Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages zugeleitet wurde, für die Einführung des Zugbahnfunks auf allen Strecken der Deutschen Bundesbahn ausgesprochen. Vom Beginn der Geräteauslieferung an sind für die Durchführung etwa 6 Jahre anzusetzen. Die für die Durchführung zuständige Deutsche Bundesbahn hat in ihrem Wirtschaftsplan 1972 dem Zeitplan entsprechend die erforderlichen Mittel eingeplant. Das System Zugbahnfunk wird bereits seit 1971 auf der Strecke Lübeck—Puttgarden im prak- tischen Betrieb angewendet und im Sommer dieses Jahres auch auf der Strecke Köln—Aachen eingeführt. Anlage 28 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 23. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Schmitt (Lockweiler) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen A 84 und 85) : Steht die Bundesregierung auch heute noch zu der Erklärung des Bundesverkehrsministers am 3. September 1969 bei dem ersten Spatenstich zur Saarbegradigung in Saarbrücken: ,Damit ist der Streit um das „Ob" zu Ende. Als erstes Teilstück wird gebaut die Kanalisierung der Saar von Saarbrücken bis Dillingen und sie wird jetzt hier in Angriff genommen. Wir fangen also damit an und verlieren keine Zeit und können dabei trotzdem noch prüfen, wie dieses Teilstück, das in jedem Falle nötig ist, nachher vollendet wird. Es geht also künftig nicht mehr um die Frage „ob ein Wasserstraßenanschluß gebaut wird", sondern allein um die Frage, „wie vollendet wird, was heute hier begonnen wird" '? Wenn ja, ist die Bundesregierung bereit, Meldungen zu dementieren, wonach Vertreter der Bundesregierung sich dahin geäußert haben sollen, daß der Wasserstraßenanschluß u. a. im Hinblick auf die Haushaltsmisere nicht mehr durchgeführt werden soll, und ist sie weiterhin bereit, für den Wasserstraßenanschluß entsprechende Mittel in der mittelfristigen Finanzplanung vorzusehen? Bei den Ausführungen von Bundesminister Leber anläßlich des ersten Spatenstichs beim Saardurchstich Saarbrücken/St. Arnual am 3. September 1969 ging er von dem Beschluß aus, den die Bundesregierung am 11. Februar 1969 gefaßt hat und in dem es heißt, „ein Wasserstraßenanschluß für das Saarland wird gebaut". Dieser Beschluß ist heute noch gültig. Die abschließende Entscheidung steht noch aus. Sie hat sich verzögert, weil nach § 7 der seit dem 1. Januar 1970 geltenden Bundeshaushaltsordnung die Bundesregierung verpflichtet ist, eine NutzenKosten-Untersuchung durchzuführen. Diese Untersuchung liegt inzwischen vor, das Ergebnis ist bekannt. Nach Sacherörterungen über diese Untersuchung, an der die Gutachter und die Vertreter der beteiligten Länder Saarland und Rheinland-Pfalz teilnahmen, hat Minister Leber am 7. Februar 1972 mit den zuständigen Kollegen Minister Dr. Schäfer und Minister Holkenbrink über den anstehenden Gesamtfragenkomplex ein Gespräch geführt, ein weiteres war für den 6. Juni 1972 vorgesehen. Dieses zweite Gespräch mußte dann jedoch wegen der Auseinandersetzungen über den Haushalt 1972 kurzfristig abgesagt werden. Hierzu ist eine Pressemitteilung ergangen, auf die sich die Frage 85 vermutlich bezieht. Ich entnehme der Frage, daß diese Mitteilung nicht richtig ausgelegt worden ist. Es hieß dort, daß insbesondere auch vor dem Hintergrund des von der Opposition ausgeübten Drucks, das Haushaltsvolumen zu kürzen, die Haushaltssituation im Augenblick nicht gestattet, derart aufwendige Projekte zu erörtern. Mit keinem Wort ist gesagt, daß die Bundesregierung den Wasserstraßenanschluß wegen der angespannten Haushaltslage nicht mehr durchführen will. Auch 11550 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 von anderen Kabinettsmitgliedern sind mir diesbezügliche Äußerungen nicht bekannt. Es bleibt bei der Absicht, mit den zuständigen Ministerkollegen Dr. Schäfer und Holkenbrink das begonnene Sachgespräch fortzusetzen. Danach wird eine Kabinettvorlage zu erstellen sein. Schließlich muß sich das Bundeskabinett unter Berücksichtigung des erstellten Gutachtens mit dem Gesamtfragenkomplex Wasserstraßenanschluß für das Saarland nochmals befassen. Erst wenn diese Entscheidung der Bundesregierung getroffen ist, können entsprechende Mittel in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen werden. Anlage 29 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Gleissner (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 86) : Welche Konsequenzen ergeben sich aus den wiederholten Berichten und Untersuchungen des In- und Auslands über die wachsenden Schäden durch Spikesreifen, insbesondere auch auf Grund einer detaillierten Untersuchung des bayerischen Innenministeriums, wonach allein in Bayern während des Winters 1971/1972 auf 1100 km Bundesstraßen und 120 km Bundesautobahnen Fahrbahnschäden in Höhe von 110 Millionen DM verursacht wurden? In Abstimmung mit den Regierungen der Nachbarländer Frankreich, Schweiz, der Beneluxländer und Italiens werden auch im nächsten Winter zumindest wieder ähnliche administrative Maßnahmen zu ergreifen sein, d. h. — Beschränkung des Benutzungszeitraumes — Geschwindigkeitsbegrenzung — Kennzeichnungspflicht, wie im vergangenen Winter. Die Grundlagen für diese Regelungen wurden in einem Erfahrungsaustausch mit den eingangs genannten Ländern festgelegt. Sollten diese Maßnahmen trotz der Bemühungen der Reifenindustrie und der Straßenbauindustrie um eine Verminderung der Verschleißschäden zu keiner fühlbaren Verbesserung führen, werden künftig einschneidendere Maßnahmen zu erwägen sein. Anlage 30 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Funcke (FDP) (Drucksache VI/3546 Frage A 87): Ist die Bundesregierung bereit, sich dafür einzusetzen, daß die Deutsche Bundespost im Jahre 1973 anläßlich des 125. Geburtstags von Helene Lange und des 100. Geburtstags von Gertrud Bäumer eine Sondermarke herausgibt? Bei aller Hochachtung für das Lebenswerk von Helene Lange und Gertrud Bäumer konnte dem Wunsche nach Herausgabe von Sondermarken nicht entsprochen werden. Als der Deutsche Frauenring im August 1971 die Herausgabe der Sonderpostwertzeichen vorschlug, umfaßte die Planung für das Jahr 1973 bereits mehr Neuausgaben als im langjährigen Ausgabendurchschnitt. Eine Erweiterung der Planung war aus postbetrieblichen Gründen und wegen der Notwendigkeit, die Philatelisten finanziell nicht über Gebühr zu belasten, daher leider nicht mehr möglich. Anlage 31 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Hellige (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 88) : Beabsichtigt die Bundesregierung, Formulare für Postanweisungen und Zahlkarten so zu vereinfachen, daß der Postkunde auf der gleichen Karte die Angaben über Absender, Adressat und Geldbetrag nicht dreimal ausfüllen muß? Entgegen Ihrer Annahme sind auf den Formblättern für Zahlkarten und Postanweisungen die Empfänger- und die Absenderangaben jeweils nur zweimal und nicht dreimal anzugeben. Im Zuge der weiteren Automatisierung des Postscheckdienstes ist auch die Umgestaltung der Zahlkartenformblätter und die entsprechende Anpassung der Postanweisungsformblätter beabsichtigt. Dabei werden Erleichterungen für die Postkunden im Rahmen des Möglichen berücksichtigt werden. Anlage 32 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 23. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Ahrens (SPD) (Drucksache VI/3546 Fragen A 89 und 90) : Wie haben sich die Verwaltungskosten bei der Bearbeitung von Anträgen auf Gewährung von Wohngeld entwickelt? Hat der verstärkte Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung bei der Bearbeitung von Wohngeldanträgen zu Einsparungen bei den Verwaltungskosten geführt? Beide Fragen können zur Zeit nicht abschließend beantwortet werden, weil meinem Ministerium ausführliche Unterlagen über die Entwicklung der Verwaltungskosten und die Auswirkungen des Einsatzes elektronischer Datenverarbeitungsanlagen beim Wohngeld noch nicht vorliegen. Das Material hierfür kann nur durch Inanspruchnahme der obersten Landesbehörden von den Wohngeldstellen selbst beschafft werden. Dafür wird eine angemessene Zeit benötigt. Das Ergebnis einer Umfrage bei einigen größeren Verwaltungsbehörden läßt erwarten, daß sich die Verwaltungskosten trotz der erhöhten Zahl von Wohngeldanträgen unter Berücksichtigung gestiegener Personal- und Materialkosten etwa in dem bisherigen Rahmen entwickeln werden. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 11551 Die durch den Einsatz elektronischer Datenverarbeitungsanlagen erzielte Rationalisierung des Wohngeldverfahrens führt nach einhelliger Auffassung der befragten Stellen zu erheblichen Einsparungen an Verwaltungskosten. Anlage 33 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Freiherr Ostman von der Leye (SPD) (Drucksache VI/3546 Frage A 91): Wann ist mit verstärktem Einsatz von ausländischen Bauunternehmen zu rechnen, die in Fertigbauweise Wohnungen für den sozialen Wohnungsbau um etwa ein Drittel billiger herstellen können, und auf wellte Weise kann die Bundesregierung auf die Auftraggeber Einfluß nehmen, damit entsprechend verfahren werden kann? Ausländische Baufirmen sind in der Bundesrepublik am Markt. Von dem verstärkten Einsatz ausländischer Baufirmen erwartet die Bundesregierung eine Erweiterung des Bauleistungsangebotes, eine Intensivierung des Wettbewerbs und damit einen Beitrag zur Stabilisierung der Baupreisentwicklung. Was die Herkunftsländer der ausländischen Baufirmen anbelangt, ist folgendes festzuhalten: 1. Firmen aus EWG-Mitgliedstaaten unterliegen am deutschen Markt keinerlei Beschränkungen. Fertigteile und Fertigteilsysteme aus EWG-Ländern werden in der Bundesrepublik von inländischen Unternehmen angewandt. Baufirmen aus EWG-Mitgliedstaaten sind bisher überwiegend in den westlichen Randgebieten der Bundesrepublik als Anbieter von Wohnungsbauleistungen aufgetreten. 2. Um darüber hinaus auch west- und nordeuropäischen Firmen aus Ländern, die nicht zur EWG gehören, den Zugang zum Markt in der Bundesrepublik zu erleichtern, hat die Bundesregierung im Herbst 1970 bei der Kommission der EG um Zoll-Aussetzung für Fertigteile und Fertigbauten für den Wohnungsbau nachgesucht; diesem Antrage hat die Kommission jedoch nicht entsprochen. Inzwischen ist der Antrag durch die Beitrittsverhandlungen weiterer Staaten zur EG teilweise gegenstandslos geworden. 3. In ihrem Zusatzbericht zum „Artikelgesetz" hat die Bundesregierung angekündigt, in bilaterale Wirtschaftsverhandlungen mit osteuropäischen Ländern auch „Bauleistungen" einzubeziehen. In langfristigen Abkommen über den Warenverkehr und die Zusammenarbeit auf wirtschaftlich-technischem Gebiet mit Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn ist das bereits geschehen. Inzwischen sind osteuropäische Baufirmen aus Rumänien, Jugoslawien und Polen in der Bundesrepublik tätig. 4. Ob ausländische Firmen, wie von Ihnen unterstellt; tatsächlich um 1/3 billiger bauen können, ist nicht erwiesen. Die Bundesregierung geht davon aus, daß ausländische Baufirmen ihre Arbeitnehmer nur unter gleichen Konditionen wie deutsche Arbeitnehmer beschäftigen dürfen. Damit sollen Dumping-Löhne verhindert werden. 5. Die Bundesregierung hat zwar keinen unmittelbaren Einfluß auf die Auftragsvergabe im Wohnungsbau. Gleichwohl ist sie ständig bemüht, die Rationalisierung und Industrialisierung im Bauwesen voranzutreiben. Der von uns erarbeitete Rationalisierungskatalog dürfte dabei eine ganz wesentliche Informationslücke schließen. Darüber hinaus hat mein Ministerium — da in der Bundesrepublik die unterschiedlichsten Fertigbauten und -systeme, auch zu sehr unterschiedlichen Bedingungen, angeboten werden — den Wettbewerb „Elementa 72" ausgeschrieben. Das alles — verstärkter Wettbewerb und verstärkte Rationalisierung bzw. Industrialisierung des Bauwesens — zusammengenommen soll dazu beitragen, die Baupreisentwicklung zu stabilisieren. Anlage 34 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 23. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) (Drucksache VI/3546 Fragen A 92 und 93) : Sieht die Bundesregierung Möalichkeiten, der besonders schwierigen Situation alleinstehender Mütter bei der Vergabe von Förderungsmitteln für den Wohnungsbau bevorzugt Rechnung zu tragen? Sieht die Bundesregierung außerdem noch andere Wege, um das Wohnungsproblem für alleinstehende Mütter und ihre Kinder besser als bisher zu lösen? Es ist der Bundesregierung bekannt, daß die Versorgung alleinstehender Mütter mit angemessenem Wohnraum oft auf Schwierigkeiten stößt. Die Bundesregierung hat deshalb in ihrem langfristigen Wohnungsbauprogramm das Intensivprogramm beschlossen, durch das die Wohnungsversorgung besonders benachteiligter, zumeist auch einkommensschwächerer Personengruppen, zu denen ausdrücklich die alleinstehenden Mütter gehören, verbessert werden soll. Die Bundesregierung stellt hierfür den Ländern jährlich 250 Millionen DM zur Verfügung. Die Mittelhergabe wird mit der Auflage verbunden, einen angemessenen Anteil der Bundesförderung als langfristige Darlehen weiterzugeben, um dem begünstigten Personenkreis eine seinen statischen Einkommensverhältnissen angepaßte Miete zu sichern. Die Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern gehen dahin, daß der Bund den Ländern Darlehensmittel bis zu DM 12 500 je Wohnungseinheit gewährt. Die Länder setzen diese Mittel unter Beachtung der erteilten Auflagen nach ihren eigenen Finanzierungüberlegungen so ein, daß durch Aufstockung oder Umschichtung von Landesmitteln die Länderprogramme insgesamt um mindestens 25 000 11552 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 Wohnungseinheiten für den begünstigten Personenkreis erhöht werden. Die Bundesregierung ist sicher, daß durch diese Maßnahmen auch den alleinstehenden Müttern bei der Wohnungsversorgung in Zukunft wirksam geholfen werden kann. Im Rahmen der dem BMSt gegebenen Möglichkeiten des Haushalts zur Förderung von Versuchs-, Vergleichs- und Demonstrativbauvorhaben sind Projekte durchgeführt worden oder in Durchführung bzw. in Vorbereitung begriffen, deren Wohnungen der zweckmäßigen Unterbringung alleinstehender berufstätiger Frauen mit Kindern und ohne Kinder dienen sollen. Diese Förderungsobjekte sind in der Regel in den Rahmen größerer städtebaulicher Vorhaben eingestreut bzw. eingebettet. Bei diesen Wohnungsbaumaßnahmen sind die Wohnungsgrößen und die Ausstattung der Wohnungen mit arbeitserleichternden Einrichtungen auf die Erfüllung der Bedürfnisse insbesondere berufstätiger Mütter abgestimmt. Diesen Wohnungen soll in der Regel eine Kindertagesstätte unmittelbar zugeordnet sein, wenn nicht im Fußwegnahbereich zu den Wohnungen eine Kindertagesstätte zur Verfügung steht. Lage und Anordnung dieser Projekte ist jeweils so vorgesehen, daß sich alle Einkaufsmöglichkeiten so wie Arztpraxen, Apotheke, Restaurant, Frisör-Geschäft und dergleichen mehr ebenfalls im Fußwegnahbereich befinden. Bei den genannten Förderungsobjekten kann es sich allerdings nur um Beispielobjekte handeln, da der Förderung im Rahmen des vom BMSt durchgeführten Programmes der Versuchs-, Vergleichs- und Demonstrativmaßnahmen wegen der nur beschränkt insgesamt hierfür zur Verfügung stehenden Bundessondermittel des betreffenden Haushaltstitels von vornherein Grenzen gesetzt sind. Diese Bauvorhaben können daher nur als erste Orientierungsmaßnahmen angesehen werden. Anlage 35 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Warnke (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 94) : Beabsichtigt das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, die Bezeichnung „Zonenrandgebiet" für den 40-km-Streifen von Flensburg bis Passau zu ändern? Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, die Bezeichnung „Zonenrandgebiet" für den 40-km-Streifen von Flensburg bis Passau zu ändern. Anlage 36 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom 22. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Schedl (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen A 95 und 96) : Wenn die Bundesregierung immer noch vom Viermächte-Status für Berlin ausgeht, warum nimmt sie es ohne Widerspruch und entsprechende Schritte hin, daß seit letzter Woche westdeutsche Besucher in Ost-Berlin keine Tagesaufenthaltsgenehmigung mehr, sondern Visa, ausgestellt vom DDR-Außenministerium, erhalten? Als die Bundesregierung die getroffene Berlin-Regelung für zufriedenstellend in dem Sinne erklärte, daß sie als Voraussetzung für das Zustandekommen der Ostverträge anzusehen sei, ist sie davon ausgegangen, daß die vereinbarte Sofortbesuchsregelung für Westberliner nur in einem eingeschränkten Umfang stattfinden solle, wie dies aus einem Interview des Regierenden Bürgermeisters mit der „Zeit" hervorgeht, und wie verträgt sich diese Interpretation mit der früher geäußerten Definition von zufriedenstellend in diesem Zusammenhang „Eine Vereinbarung über Besuchsregelung wäre nur dann befriedigend, wenn sie Kurzbesuche in Ost-Berlin unter Bedingungen ermöglicht, die den Regelungen für Besuche von Westdeutschen und Ausländern entsprechen"? Durch die am 4. Juni 1972 in Kraft getretene zehnte Durchführungsbestimmung zum Paßgesetz der DDR vom 3. Juni 1972 ist die fünfte Durchführungsbestimmung dergestalt geändert worden, daß Bewohner der Bundesrepublik Deutschland bei einem Tagesaufenthalt in Ost-Berlin ein Visum an Stelle der bisherigen Tagesaufenhaltsgenehmigung erhalten. An den tatsächlichen Besuchsmöglichkeiten für OstBerlin hat sich durch die Auswechslung des Namens des Genehmigungspapiers nichts geändert. Der Vier-Mächte-Status von Berlin kann durch diese Maßnahme der DDR nicht berührt werden und wird nicht berührt. Aus diesem Grunde ist auch ein Protest der Drei Mächte nicht erfolgt, denen in diesem Zusammenhang als Unterzeichnern des VierMächte-Abkommens vom 9. September 1971 die Wahrung des Vier-Mächte-Status obliegt und die im besonderen Maße die Interessen Berlins und der Bundesrepublik Deutschland wahrnehmen. Der Senat von Berlin strebt in enger Verbindung mit der Bundesregierung eine befriedigende Regelung der Sofortbesuche von Westberlinern in Ost-Berlin auf der Grundlage des Vier-Mächte-Abkommens und der in seiner Ausführung abgeschlossenen Vereinbarung zwischen dem Senat und der Regierung der DDR über Erleichterungen und Verbesserungen des Reise- und Besucherverkehrs an. Die Formulierung der von den Vier Mächten getroffenen Vereinbarungen lassen erkennen, daß die für Besuche von Westberlinern in Ost-Berlin und der DDR zu findenden Regelungen nicht unbedingt identisch mit jenen Regelungen sein müssen, die für Bewohner der Bundesrepublik Deutschland gelten. Den Drei Mächten, der Bundesregierung und dem Senat kommt es vielmehr darauf an, daß das gesamte Volumen der durch die Abkommen eingeführten Erleichterungen für Westberliner nicht hinter den Regelungen zurückbleiben, die für Einwohner der Bundesrepublik Deutschland gelten. Ein Vergleich zwischen der Gesamtheit der Regelungen, wie sie für Einwohner von Berlin (West) getroffen wurden, mit jenen Bestimmungen, die für Einwohner der Bundesrepublik Deutschland gelten, fällt nicht zuungunsten West-Berlins aus. Nichtsdestoweniger wurden zwischen dem Senat und der Regierung der DDR Gespräche auch über eine bessere Regelung für Sofortbesuche Westberliner in Ost-Berlin geführt. Senat und Bundesregierung warten nunmehr ab, wie die Sofortausgabe von Einreisegenehmigungen durch die DDR-Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in den kommenden zwei bis drei Wochen gehandhabt wird, ehe sie eine weitere Entscheidung treffen. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 11553 Anlage 37 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Baier (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 97): Trifft es zu, daß der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen in einer Besprechung am 27. Januar 1972 den Ländern, um sie für die Einführung neuer Richtlinien mit erhöhten Förderungssätzen zu gewinnen, die Aufstockung der Bundesmittel von 3,471 Millionen DM 1971 auf 5,0 Millionen DM 1972 zusicherte und daß nunmehr den Ländern mitgeteilt wurde, die Realisierung dieser Aufstockung sei ungewiß, und daß nunmehr vorbereitete Berlinfahrten von Schulklassen und Jugendgruppen ab Mitte des Jahres von den Bewilligungsbehörden der Länder nicht durchgeführt werden können? Es trifft nicht zu, daß den Ländern in der von Ihnen genannten Besprechung eine Verstärkung der Bundesmittel für Reisen Jugendlicher nach Berlin (West) verbindlich zugesagt worden ist. Die Bundesregierung wird nach Freigabe der gesperrten Haushaltsmittel den Ländern weitere Mittel zuweisen. Anlage 38 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom 23. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Pieser (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen A 98 und 99) : Wird bei den laufenden Beratungen zur Durchführung der Vereinbarungen zwischen Senat und Ost-Berlin wegen der Soforterteilung von Aufenthaltsgenehmigungen für Westberliner zum Besuch des Ostsektors von Berlin auch geprüft, wieso die örtlichen Organe der DDR Antragstellern für Aufenthaltsgenehmigungen für Westberliner zum Besuch der DDR Bearbeitungszeiten von vier bis sechs Wochen angekündigt haben? Ist die Bundesregierung bereit, die Öffentlichkeit über dieses langwierige Bearbeitungsverfahren zu unterrichten, damit Westberliner, die einen Teil ihres Urlaubs zu einem Besuch in der DDR nutzen wollen, entsprechend planen können? Es ist bekannt, daß der Senat von Berlin in engster Koordinierung mit der Bundesregierung Gespräche über Meinungsverschiedenheiten bei der Auslegung der Vereinbarung über Erleichterungen und Verbesserungen des Reise- und Besucherverkehrs geführt hat. Der Schwerpunkt der Gespräche lag auf dem Gebiet der Soforterteilung von Einreisegenehmigungen. Senat und Bundesregierung warten nunmehr ab, wie die Sofortausgabe von Einreisegenehmigungen durch die DDR-Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in den kommenden zwei bis drei Wochen gehandhabt wird, ehe sie eine weitere Entscheidung treffen. Ich bitte um Verständnis, daß ich weitere Informationen nur in den dafür vorgesehenen Gremien dieses Hauses geben möchte. Über die Interna der Bearbeitungsverfahren in den einzelnen örtlichen Organen der DDR ist die Bundesregierung verständlicherweise noch nicht vollständig unterrichtet. Hier werden sich genauere Erkenntnisse erst im Laufe der kommenden Wochen und mit zunehmender Praktizierung des Verfahrens einstellen. Aufgrund dieser Sachlage bin ich gegenwärtig nicht imstande festzustellen, ob es sich bei den von Ihnen in der Fragestellung angeführten Ankündigungen einer Bearbeitungszeit von 4 bis 6 Wochen durch örtliche Organe der DDR um eine allgemeine Erscheinung oder örtliche Besonderheiten handelt. Die Bundesregierung beobachtet diese Frage zusammen mit dem Senat auf das genaueste und ist bereit, zu gegebener Zeit den Senat zu bitten, weitere Informationen zu geben. Anlage 39 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wohlrabe (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 100) : Treffen Meldungen zu, nach denen die Bundesregierung einen weiteren Abbau der Bundespräsenz in Berlin beabsichtigt, indem die drei wichtigsten Referate des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen nach Bonn verlegt werden sollen? Es ist nicht beabsichtigt, die Berlinpräsenz des Bundes zu vermindern. Die personelle Besetzung der Abteilung für innerdeutsche Beziehungen in Berlin soll unverändert bleiben. Die Bundesregierung hat in der Sitzung des Bundestagsausschusses für innerdeutsche Beziehungen am 22. Juni 1972 über die internen Organisationsüberlegungen des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen berichtet. Diese Organisationsüberlegungen sind ausschließlich durch die Zweckmäßigkeit des Geschäftsablaufs bestimmt und haben weder mit dem Inkrafttreten der Berlin-Vereinbarungen noch mit der Frage der Berlinpräsenz des Bundes etwas zu tun. Anlage 40 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wohlrabe (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 101) : Ist die Bundesregierung bereit, den bereits von der Bundesregierung beschlossenen Erlaß über die Aufgaben und Befugnisse des Bevollmächtigten der Bundesregierung in Berlin der Öffentlichkeit bekanntzugeben? Die Bundesregierung weist darauf hin, daß der Erlaß über den Bevollmächtigten der Bundesregierung in Berlin vom 2. Juni 1972 in der Ausgabe des Gemeinsamen Ministerialblattes vom 16. Juni 1972 (Nr. 22) veröffentlicht worden ist. Anlage 41 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 102) : Trifft die Meldung der Zeitung „Die Welt" vom 15. Juni 1972 zu, die Referate „Forschung und Wissenschaft in Deutschland", „menschliche Beziehungen" und „Berlinreisen" des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen würden von Berlin nach Bonn verlegt, und wie vereinbart die Bundesregierung — bejahendenfalls — dies mit ihrer Pflicht, zu der sie sich offiziell bekannt hat, die Bindungen zwischen Bund und Land Berlin zu entwickeln, was das Abkommen der Vier Mächte über Berlin ausdrücklich vorsieht? 11554 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 Er ist nicht beabsichtigt, die Berlinpräsenz des Bundes zu vermindern. Die personelle Besetzung der Abteilung für innerdeutsche Beziehungen in Berlin soll unverändert bleiben. Die Bundesregierung hat in der Sitzung des Bundestagsausschusses für innerdeutsche Beziehungen am 22. Juni 1972 über die internen Organisationsüberlegungen des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen berichtet. Diese Organisationsüberlegungen sind ausschließlich durch die Zweckmäßigkeit des Geschäftsablaufs bestimmt und haben weder mit dem Inkrafttreten der Berlin-Vereinbarungen noch mit der Frage der Berlinpräsenz des Bundes etwas zu tun. Anlage 42 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 103) : Treffen Pressemeldungen zu, wonach die Bundesregierung beabsichtigt, die drei wichtigsten Referate der Berlin-Abteilung des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen nach Bonn zu verlegen, und wie ist diese Meldung mit den Versicherungen der Bundesregierung in Einklang zu bringen, daß nach einer Ratifizierung der Ostverträge ein weiterer Abbau der Bundespräsenz in Berlin nicht geplant sei? Es ist nicht beabsichtigt, die Berlinpräsens des Bundes zu vermindern. Die personelle Besetzung der Abteilung für innerdeutsche Beziehungen in Berlin soll unverändert bleiben. Die Bundesregierung hat in der Sitzung des Bundestagsausschusses für innerdeutsche Beziehungen am 22. Juni 1972 über die internen Organisationsüberlegungen des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen berichtet. Diese Organisationsüberlegungen sind ausschließlich durch die Zweckmäßigkeit des Geschäftsablaufs bestimmt und haben weder mit dem Inkrafttreten der Berlin-Vereinbarungen noch mit der Frage der Berlinpräsenz des Bundes etwas zu tun. Anlage 43 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom 23. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Horten (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen A 104 und 105) : Seit wann hat die Bundesregierung Kenntnis von der laufenden Welle der Enteignung und Umwandlungen von gewerblichem Privateigentum in staatliches Eigentum in der DDR? Welches Ausmaß hat die Übernahme sogenannter halbstaatlicher oder privater Betriebe in den letzten Monaten bisher erreicht? Zu Frage A 104: Erste Hinweise auf die Verstaatlichungsaktion erfolgten im Rahmen der Berichterstattung über den 11. Parteitag der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands in der Zeit vom 17. bis 19. Februar 1972. Einzelheiten wurden jedoch erst wesentlich später bekannt. Ich darf für die Bundesregierung erklären, daß sie die bei den jüngsten Verstaatlichungsaktionen angewandten Methoden soweit sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar sind, insbesondere die Anwendung von Druck- und Zwangsmitteln, bedauert und verurteilt. Zu Frage A 105: Diese Frage ist insofern nur sehr schwer zu beantworten, als die Erkenntnisse der Bundesregierung hierfür vornehmlich auf Presseveröffentlichungen beruhen. Nach einer Meldung im Neuen Deutschland vom 28. April 1972 sollen 94 % der Komplementäre von Betrieben mit staatlicher Beteiligung und 73% der Besitzer privater Industrie- und Baubetriebe ihre Bereitschaftserklärung zur Auszahlung ihrer privaten Anteile bzw. zum Verkauf ihrer Betriebe abgegeben haben. Nach einer anderen Information soll die Aktion bis zum 30. Juni 1972 abgeschlossen sein. Anlage 44 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom 23. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Gottesleben (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen A 106 und 107): Welches Ausmaß haben während der letzten Zeit die Enteignungen und Beschränkungen privaten Wohnungseigentums in der DDR erreicht? Wie beurteilt die Bundesregierung die bei den Maßnahmen gegen gewerbliches und anderes Privateigentum angewendeten Methoden? Zu Frage A 106: Der Bundesregierung sind — wenn man von den bekannten Maßnahmen gegen das Flüchtlingsvermögen absieht — in der letzten Zeit keine neuen Enteignungen und Beschränkungen privaten Wohnungseigentums bekanntgeworden. Zu Frage A 107: Die Bundesregierung bedauert und verurteilt die bei der jüngsten Verstaatlichungsaktion angewandten Methoden, soweit sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar sind, insbesondere die Anwendung von Druck- und Zwangsmitteln. Anlage 45 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Reddemann (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 108) : Wie beurteilt die Bundesregierung die angelaufene Kampagne im Gesamtzusammenhang der SED-Enteignungspolitik der Vergangenheit? Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 11555 Nach den Enteignungen in den ersten Nachkriegsjahren und der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft — um nur die besonders einschneidenden Enteignungsetappen zu nennen — handelt es sich bei der laufenden Verstaatlichungsaktion offenbar um das Ziel der restlosen Beseitigung von Privateigentum an Produktionsmitteln. In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, daß die Öffentlichkeit Anfang 1972 durch eine Dokumentation des Gesamtdeutschen Instituts eingehend über die Enteignungen und Beschränkungen des Eigentums und eigentumsähnlicher Rechte in der DDR seit 1945 unterrichtet worden ist. Naturgemäß ist die jüngste Verstaatlichungsaktion in dieser Dokumentation noch nicht enthalten. Anlage 46 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Raffert vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 109) : Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung im Rahmen ihrer industriepolitischen Zielsetzung über die zukünftige Zusammenarbeit europäischer Firmen (insbesondere im EWG-Bereich) auf dem Gebiet des Reaktorbaus, und wie gedenkt sie den Export von Kernkraftwerken deutscher Firmen zu unterstützen? Die Bundesregierung hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder für eine wirkungsvolle Zusammenarbeit europäischer Firmen auf dem Gebiet des Reaktorbaus eingesetzt. Sie hat in bilateralen und multilateralen Gesprächen mit den Regierungen und mit der Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Zweckmäßigkeit einer solchen Zusammenarbeit betont; sie hat die Unternehmen der anderen Länder aufgefordert, Kontakte mit entsprechenden deutschen Firmen aufzunehmen und die Beteiligung ausländischer Firmen an deutschen Entwicklungsprojekten vorgeschlagen. Aufbauend auf diese Bemühungen konnte der Prototyp eines Schnellbrüterkraftwerks bereits gemeinsam von deutschen, belgischen, niederländischen und luxemburgischen Firmen entwickelt werden. Diese auf Schnelle Brüter beschränkte Zusammenarbeit soll fortgesetzt werden im Rahmen einer umfassenderen Zusammenarbeit, die in den Verträgen von Brüssel, die 1971 zwischen deutschen, britischen, belgischen, niederländischen und italienischen Firmen abgeschlossen wurden und sich auf praktisch alle Reaktortypen und auch auf den Export in Drittländer bezieht, vorgezeichnet ist (deutsche Partner: KWU und Interatom). Die Bundesregierung unterstützt ferner die Bemühungen deutscher Unternehmen, bei der Markteinführung von Hochtemperaturreaktoren mit Firmen aus USA, Frankreich und Großbritannien zusammenzuarbeiten (deutsche Partner: BBC, HRB, Nukem) . Daneben wird der Export von Kernkraftwerken im Rahmen der allgemeinen Exportförderung unterstützt. Anlage 47 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 110) : Welche Auffassung hat die Bundesregierung über die Förderung der Mietfinanzierung von EDV-Anlagen, und welche Vorstellungen hat sie entsprechend den Ankündigungen im 2. Datenverarbeitungsprogramm in der Zwischenzeit hierzu konkret entwickelt? Die Auffassung der Bundesregierung über die Förderung der Mietfinanzierung von Datenverarbeitungsanlagen ergibt sich aus Kapitel 6.1 des 2. Datenverarbeitungsprogramms. Sie hat sich seither nicht geändert. Die Ausführungen in dem erwähnten Kapitel des 2. Datenverarbeitungsprogramms waren dazu bestimmt, -auf einen möglichen Finanzierungsengpaß hinzuweisen, der sich für die Datenverarbeitungsindustrie wachstumshemmend auswirken könnte; sie sollen geeignete Mittel zur Überwindung eines solchen Engpasses aufzeigen. Die Bundesregierung geht von dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit der Unternehmen aus; sie ist der Auffassung, daß die betroffenen Hersteller von Datenverarbeitungsanlagen aus eigener Kraft Mittel und Wege zur Überwindung von Finanzierungsschwierigkeiten finden werden, z. B. dadurch, daß sie unter Beteiligung von Banken und Versicherungen und unter Inanspruchnahme des Kapitalmarktes eigene Mietfinanzierungsgesellschaften gründen und betreiben, wie dies inzwischen z. T. auch schon geschehen ist. Nur für den Fall, daß die Finanzierungsprobleme auf diesem Wege nicht gelöst werden können, wird die Bundesregierung gemäß Kapitel 6.1 des 2. Datenverarbeitungsprogramms prüfen, ob Besicherungsschwierigkeiten die Übernahme von Bundesbürgschaften erforderlich machen. Bisher sind der Bundesregierung derartige Schwierigkeiten nicht vorgetragen worden. Die Bundesregierung hofft, daß auch in Zukunft in diesem Zusammenhang keine unüberwindlichen Probleme bestehen werden. Anlage 48 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Raffert vom 23. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen A 111 und 112) : Entsprechen die Beschlüsse des Landes Bremen über die uneingeschränkte Drittelparität an der Bremer Universität den Vorstellungen der Bundesregierung über eine Hochschulordnung? Was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls zu tun, um Regelungen einer Hochschulordnung zu vermeiden, die im eindeutigen Widerspruch zu ihren eigenen Überlegungen stehen? Zu Frage A 111: Die Bundesregierung hält in Fragen von Forschung und Berufung — anders als Bremen — eine besondere Regelung für die Position der Hochschullehrer in Fragen der Forschung und Berufung für 11556 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 zweckmäßig. Außer Bremen ist übrigens auch Konstanz hier zu einer anderen Lösung gekommen. Zu Frage A 112: Wenn Sie fragen, was getan werden kann, um Regelungen zu vermeiden, die den Auffassungen des Bundes entgegenstehen, so gibt es nur eine Antwort: das Hochschulrahmengesetz möglichst bald verabschieden und in Kraft setzen. Dem hat sich die CDU/CSU im Bundestag widersetzt. Im übrigen wird sich der Bremer Senat, der für die Bestätigung der Universitätsverfassung zuständig ist, an das Hochschulrahmengesetz halten. Eine dahin gehende Erklärung hat — wie Sie wissen — der Präsident des Senats am 15. Juni 1972 abgegeben. Anlage 49 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Raffert vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Gölter (CDU/CSU) (Drucksache VI/ 3546 Frage A 113) : Wie bringt die Bundesregierung die Institutionalisierung von bundeswehreigenen Hochschulen mit ihrer Forderung nach der integrierten Gesamthochschule als einzig sinnvolle Organisation des Gesamthochschulbereichs in Einklang? Die Errichtung von Bundeswehrhochschulen steht mit dem Konzept der Bundesregierung zur Neuordnung des Hochschulwesens, wie es im Entwurf des Hochschulrahmengesetzes niedergelegt ist, voll in Einklang. Durch § 54 sollen Einrichtungen dieser Art gerade ermöglicht und in einen engen Zusammenhang mit dem allgemeinen Hochschulwesen gebracht werden. Die Bundeswehrhochschulen sollen mit den örtlichen öffentlichen Hochschulen so eng zusammenarbeiten, daß eine spätere Einbeziehung in eine Gesamthochschule ermöglicht wird. Anlage 50 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Raffert vom 23. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Gleissner (CDU/CSU) (Drucksache V1/3546 Frage A 114) : Bei welchen Studienbereichen ist schon heute vorausschaubar, daß eine wachsende Überzahl von Akademikern droht, die entweder, entsprechend ihrer Ausbildung, nicht untergebracht werden können oder mit Unterbezahlung rechnen müssen? Die heute vorliegenden Ergebnisse von Bedarfsuntersuchungen lassen nicht den Schluß zu, daß in den kommenden Jahren die Gesamtzahl der Hochschulabsolventen den Gesamtbedarf an akademisch ausgebildeten Absolventen übersteigt. Die Bundesregierung sieht aber für einzelne Bereiche möglicherweise Beschäftigungsprobleme, wenn keine frühzeitige Beratung der Studienanfänger und der Hinweis auf die Bedarfsentwicklung erfolgt; deshalb kommt der Bedarfsuntersuchung und der Studienberatung besondere Bedeutung zu. Das durch die berufliche Tätigkeit erzielbare Einkommen von Akademikern muß den Vereinbarungen der jeweiligen Partner überlassen bleiben. Anlage 51 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 23. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneter Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 123) : Trifft die Meldung in „Die Welt" vom 15. Juni 1972 zu, wonach sich deutsche Touristen am deutsch-tschechoslowakischen Grenzübergang Mühlbach einer entwürdigenden Behandlung durch CSSR-Kontrollbeamte unterziehen mußten, und welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung ggf. zur Vermeidung solcher Vorfälle zu unternehmen? Die bayerische Grenzpolizei hat die in der ,,Welt"-Meldung vom 15. Juni 1972 erwähnten Berichte von aus der CSSR über den Grenzübergang Mühlbach (Pomezi) in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehrenden Reisenden bestätigt. Im einzelnen hat die bayerische Grenzpolizei mitgeteilt, daß sich bei ihr in letzter Zeit mehrere aus der CSSR zurückkehrende Reisende über besonders strenge Kontrollen durch die tschechoslowakischen Abfertigungsorgane am genannten Übergang beklagt haben. Die Reisenden berichteten u. a., es seien Leibesvisitationen bis zur völligen Entkleidung vorgenommen, Handtaschen ohne Vorankündigung entleert sowie verschlossene Briefe geöffnet und gelesen worden. Auch Fahrzeuge seien überaus gründlich kontrolliert worden. In allen diesen Fällen hätten die tschechoslowakischen Kontrollorgane für ihr Verhalten keinerlei Begründungen oder sonstige Erklärungen abgegeben. Die Gründe für die berichteten ungewöhnlichen Kontrollmaßnahmen am Übergang Mühlbach (Pomezi) sind der Bundesregierung unbekannt. Unabhängig hiervon haben zwischen dem 18. und 22. Juni 1972 Reisende aus der CSSR über allgemein schleppende tschechoslowakische Abfertigungsmethoden und teilweise strenge Kontrollen an den Übergängen Mühlbach (Pomezi), Roszhaupt (Rozvadov) und Vollmau (Folmava) berichtet. Nach den vorliegenden Berichten der bayerischen Grenzpolizei sind diese Maßnahmen inzwischen wieder eingestellt worden. Die Gründe für diese Behinderungen sind von tschechoslowakischer Seite ebenfalls nicht angegeben worden. Zwar ist es grundsätzlich eine innere Angelegenheit eines jeden Staates, auf welche Weise er die Einreise in und die Ausreise aus seinem Territorium kontrolliert. Die Bundesregierung wird jedoch vor allem die berichtete ungewöhnliche Form der Kontrollen am Grenzübergang Mühlbach zum Anlaß nehmen, die tschechoslowakische Regierung um Mitteilung der Gründe für diese Art von Kontrollen zu bitten, und darauf hinzuweisen, welche negativen Auswirkungen solche Vorfälle für den Reiseverkehr aus der Bundesrepublik Deutschland in die CSSR sowie für die deutsch-tschechoslowakischen Beziehungen insgesamt haben können. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 11557 Anlage 52 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 23. Juni 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Matthöfer (SPD) (Drucksache VI/3546 Fragen A 124 und 125) : Hat die Bundesregierung das Ratifizierungsverfahren zum Änderungsvertrag zu Artikel 56 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut vom 3. August 1959 eingeleitet? Wann wird nach Meinung der Bundesregierung das Ratifizierungsverfahren beendet sein? Ich darf Ihre Fragen im Zusammenhang beantworten. Die Bundesregierung hat das parlamentarische Zustimmungsverfahren zu den Änderungsabkommen zu Artikel 56 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut eingeleitet. Mit Schreiben vom 5. Mai 1972 ist der Entwurf des Vertragsgesetzes dem Herrn Präsidenten des Bundesrats zugeleitet worden. Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf am vergangenen Freitag — im ersten Durchgang — verabschiedet. Er fordert eine Ergänzung der Eingangsworte, da er anders als die Bundesregierung seine Zustimmung für erforderlich hält; im übrigen hat der Bundesrat keine Einwendungen erhoben. Die Bundesregierung wird den Gesetzentwurf nunmehr mit ihrer Stellungnahme zu dem Beschluß des Bundesrats dem Deutschen Bundestag so schnell wie möglich unterbreiten. Sie hofft, daß die Beratung des Abkommens im Deutschen Bundestag auf ebensowenig Schwierigkeiten stößt wie im Bundesrat. Wenn das Verfahren ohne Verzögerung abgewickelt werden kann, besteht die Aussicht, daß die Bundesrepublik noch bis Spätherbst zur Hinterlegung der Ratifikationsurkunde bereit sein wird. Ich muß aber darauf aufmerksam machen, daß das Abkommen bei unseren Vertragspartnern ebenfalls der Ratifizierung oder der Genehmigung bedarf. Anlage 53 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 22. Juni 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage A 126) : Wie bewertet die Bundesregierung die in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 16. Juni 1972 wiedergegebenen Erklärung des polnischen Außenministers Olszowski vor der österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik in Wien, bei der Normalisierung zwischen Warschau und Bonn sei noch eine Reihe von juristischen Fragen zu klären, die z. T. von grundlegender politischer Bedeutung seien, wobei er als Beispiel erwähnte, daß sich Polen nicht mit dem Anspruch der Bundesrepublik Deutschland einverstanden erklären könne, wonach jeder, der in den Grenzen des Deutschen Reichs des Jahres 1937 geboren wurde, ein Recht auf die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland besitze, und beabsichtigt die Bundesregierung, den gesetzgebenden Körperschaften Entwürfe für die Änderung des geltenden deutschen Rechts vorzulegen? Der Bundesregierung ist die von Ihnen zitierte Äußerung des polnischen Außenministers Olszowski bekannt. Sie überrascht insofern nicht, als für beide Seiten ein Interesse an der Klärung einer Reihe von Rechtsfragen im Verlaufe der Normalisierung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen besteht. Insoweit die Äußerung dahin ging, jeder, der in den Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 geboren wurde, habe automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, geht sie von einem Mißverständnis aus, weil wesentliche Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit grundsätzlich die Abstammung von einem deutschen Vater ist. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Warschauer Vertrages die Vorschriften des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts zu ändern. Im übrigen verweise ich auf die während der deutsch-polnischen Vertragsverhandlungen in der abschließenden Plenarsitzung am 13./14. November 1970 in Warschau abgegebene Erklärung des Bundesministers des Auswärtigen, die sich auch auf die Staatsangehörigkeit bezieht. Diese Erklärung lautete: „Durch den Abschluß dieses Vertrages gehen keiner Person Rechte verloren, die ihr nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetzen zustehen." Anlage 54 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 22. Juni 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Klinker (CDU/CSU) (Drucksache VI/3495 Fragen B 18 und 19) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß in den zuständigen Gremien der Europäischen Gemeinschaften eine Änderung des z. Z. gültigen Systems der Ein- und Auslagerungskosten für Getreide diskutiert wird, die eine Preiseinbuße von etwa 3% für die deutschen Landwirte bedeuten und die Brüsseler Preisbeschlüsse vom 24. März 1972 in wesentlichen Teilen aufheben würde? Ist die Bundesregierung bereit, sich bei den zuständigen Gremien der Europäischen Gemeinschaften dafür einzusetzen, daß das bewährte, jetzt gültige System der Ein- und Auslagerungskosten für Getreide beibehalten wird? Das deutsche Interventionsverfahren wird seit längerer Zeit wegen der umfangreichen Getreideinterventionen in der Bundesrepublik im Verwaltungsausschuß Getreide diskutiert. In den fünf Getreidewirtschaftsjahren seit 1967 (1967/68 bis 1971/72) hat die Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel (EVSt-G) als Interventionsstelle der Bundesrepublik Deutschland rd. 6,1 Millionen t Getreide unter den Feuchtigkteisstandard von 16 % getrocknet und rd. 4,8 Millionen t Interventionsgetreide von Übernahmelägern in Dauerläger umgelagert. Die dadurch entstandenen zusätzlichen Interventionskosten bis August 1972 betragen rd. 140 Millionen DM. Diese Kosten trägt der EAGFL nur, wenn die Kommission im Verwaltungsausschußverfahren die Maßnahme als notwendig anerkennt. 11558 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 Die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten führen die unverhältnismäßig großen Interventionsmengen in der Bundesrepublik Deutschland (im laufenden Getreidewirtschaftsjahr 1,8 Millionen t, d. h. rd. 25 % der vermarkteten Getreidemengen) und die o. g. zusätzlichen Interventionskosten u. a. auf das zu großzügige deutsche Interventionsverfahren zurück. Im Gegensatz zu allen anderen Mitgliedstaaten vergütet die EVSt-G die Einlagerungskosten auch dann, wenn das Getreide bei der Anmeldung zur Intervention bereits auf dem Interventionssilo lagert. Die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten halten das für einen Verstoß gegen Artikel 2 der Getreidemarktordnung (Interventionspreis Preis „auf der Großhandelsstufe bei freier Anlieferung an das Lager, nicht abgeladen") und waren nicht bereit, die zusätzlichen Interventionskosten der Bundesrepublik Deutschland für Trocknung und Umlagerung im laufenden Wirtschaftsjahr (rd. 37 Millionen DM) als notwendig anzuerkennen. In langwierigen und schwierigen Verhandlungen mit den Dienststellen der Kommission ist über folgenden, für die Bundesrepublik tragbaren Kompromiß, verhandelt worden: Die Einlagerungskosten dürfen in Zukunft nur dann vergütet werden, „wenn der Verkäufer die Einlagerung nach Annahme des Interventionsangebots durch die Interventionsstelle vornimmt". Die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sich binnen maximal drei Jahren, ihre Dauerläger durch Kühlaggregate und Belüftungseinrichtungen umzu- rüsten, um Trocknungen und Umlagerungen durch die Interventionsstellen unnötig zu machen. Die Kosten für Trocknung und Umlagerung im laufenden Getreidewirtschaftsjahr von rd. 37 Millionen DM und die noch entstehenden Kosten in den drei folgenden Getreidewirtschaftsjahren werden noch vom Fonds getragen. Ein Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Vertragsverletzung — von den Kommissionsdienststellen erwogen — wird nicht eingeleitet. Die formelle Entscheidung der EG-Kommission ist noch nicht getroffen worden. Über die Auswirkungen einer solchen Regelung für die Erzeugererlöse sind in den letzten Wochen unterschiedliche Meinungen innerhalb der Getreidewirtschaft geäußert worden, die wegen der komplizierten Materie verständlich sind. Aus diesem Grunde haben zur Sachaufklärung auch schon einige Expertengespräche mit der Getreidewirtschaft in meinem Hause stattgefunden. Zu einem abschließenden Gespräch sind die Vertreter der Getreidewirtschaft (DBV, RaiffeisenWarengenossenschaften, ZV-Getreide und Verarbeitungsindustrie) zum 28. Juni d. J. in das BML eingeladen worden. Unabhängig davon kann ich Ihnen schon jetzt versichern, daß die EVSt-G ihr Destinationsrecht im Rahmen der Interventionsregelung für das kommende Wirtschaftsjahr 1972/73 so ausüben wird, daß zusätzliche Kosten für Handel und Genossenschaften, die zu Abzügen für die Erzeuger führen könnten, entweder gänzlich vermieden oder teilweise auf ein sehr geringes Ausmaß herabgedrückt werden. Anlage 55 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 22. Juni 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten von Thadden (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage B 1) : Wird die Gefährdung des Warndtwaldes durch die vermehrte Immission des lothringischen Werks Carlingen zum Gegenstand von Vorstellungen der Bundesregierung bei der französischen Regierung gemacht? Am 26. März 1971 ist vom Ministerausschuß des Europarates die Entschließung (71) 5 über die Luftverunreinigung in Grenzgebieten angenommen worden. Die Entschließung ist am 24. Juli 1971 im Bundesgesetzblatt, Teil II, Nr. 35, Seite 975 veröffentlicht, und ich habe sie den für den Immissionsschutz zuständigen Obersten Landesbehörden bekanntgegeben. In dieser Entschließung wird den Regierungen der Mitgliedstaaten des Europarates empfohlen, für die Bewohner von Gebieten jenseits der Grenze den gleichen Schutz gegen Luftverunreinigung zu gewähren, wie für die Bewohner des eigenen Landes. Die Entschließung sagt weiter, daß zu diesem Zweck insbesondere sicherzustellen ist, daß die zuständigen örtlichen Behörden — diesseits und jenseits der Grenzen — einander rechtzeitig über jedes Vorhaben unterrichten, das zu Luftverunreinigungen jenseits der Grenze führen kann. Bisher hat jedoch die demnach zunächst zuständige Landesregierung des Saarlandes nicht den Wunsch geäußert, daß sich die Bundesregierung hier einschalten möge. Auf dem Gebiet des Immissionsschutzes besteht bereits eine enge deutsch-französische Zusammenarbeit und ein Erfahrungsaustausch in Form von Leitgruppen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit könnte ggf. das hier speziell angesprochene Problem behandelt werden. Anlage 56 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 20. Juni 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Biehle (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen B 2 und 3) : Trifft es zu, daß die Bundesregierung die Bestrebungen der Länder, z. B. Bayerns, zur Neugliederung der kommunalen Bereiche im Rahmen der gemeindlichen Gebietsreformen dadurch erschwert, daß sie bei reformfreudigen Gemeinden die für zehn und mehr Jahre bereits genehmigten sowie teilweise schon einige Zeit gewährten Zinsverbilligungen von Darlehen u. a. für Wasserversorgungen und Abwasserbeseitigungen einfach nachträglich auf höchstens fünf Jahre reduziert? Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die nachträgliche Rücknahme von verbindlich langfristig zugesicherten Zuschüssen bzw. Zinsbeihilfen die Haushalte der betroffenen Gemeinden in Unordnung geraten und die Glaubwürdigkeit an Zuschußversicherungen des Bundes ernsthaft in Zweifel gezogen werden? Es trifft nicht zu, daß die Bundesregierung durch ihre Grundsatzentscheidung über die Einstellung der Zinsverbilligung vom 18. Februar 1970 betreffend Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 11559 Maßnahmen der Wasserwirtschaft die Bestrebungen der Länder im Rahmen der gemeindlichen Gebietsreform erschwert. Die Grundsatzentscheidung stellt vielmehr folgendes klar: Soweit sich bisher selbständige ländliche Gemeinden zu einer neuen einheitlichen Gemeinde zusammenschließen, die keinen überwiegend städtischen oder gewerblichen Charakter hat, kann unabhängig von der Einwohnerzahl die ursprünglich den einzelnen ländlichen Gemeinden für Darlehen zur Finanzierung von Anlagen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung zugesagte Zinsverbilligung in vollem Umfange belassen bleiben. Findet dagegen ein Anschluß an eine Gemeinde mit überwiegend städtischem oder gewerblichem Charakter statt, z. B. die Eingemeindung in eine größere Stadt, so können die bereits bewilligten Zinszuschüsse für die vorgenannten Maßnahmen nur noch für eine Übergangszeit von 5 Jahren der Rechtsnachfolgerin weitergezahlt werden. Eine längere Verbilligungsdauer ist für diesen Begünstigtenkreis wegen seiner wesentlich verbesserten Wirtschaftskraft mit Mitteln, die der Landwirtschaft unmittelbar zugute kommen sollen, nicht zu vertreten. Durch die Einräumung der Übergangszeit von 5 Jahren ist den Rechtsnachfolgern ehemaliger rein ländlicher Gemeinden bereits ein wesentliches und angemessenes Zugeständnis gemacht worden. Es kann daher nicht davon die Rede sein, daß infolge der o. g. Grundsatzentscheidung die Haushalte der betroffenen Gemeinden mit überwiegend städtischem oder gewerblichem Charakter in Unordnung geraten, geschweige denn, daß dadurch die Glaubwürdigkeit an Zuschußversicherungen des Bundes ernsthaft in Zweifel gezogen werden kann. Anlage 57 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 22. Juni 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Konrad (SPD) (Drucksache VI/3546 Frage B 4) : Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, Zeitungen und Zeitschriften im Interesse der Verbraucher zu veranlassen, stärker zwischen dem redaktionellen Text und den gelegentlich auch unterschwelligen, vielfältigen Formen der Werbung zu unterscheiden? Für die Anzeigenwerbung gelten zunächst einmal die Vorschriften des Werberechts, insbesondere die des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung ist es sittenwidrig, wenn unter dem Deckmantel einer angeblich objektiven, von neutraler (z. B. redaktioneller) Seite veranlaßten Presseveröffentlichung in Wahrheit Werbung betrieben wird. Die besondere Kennzeichnungspflicht für Anzeigen- und Reklametexte in periodischen Druckwerken richtet sich nach den Vorschriften der Landespressegesetze, die zum Teil erheblich voneinander abweichen. Die Bundesregierung strebt zwar im Entwurf eines Presserechtsrahmengesetzes eine möglichst weitgehende Angleichung der Vorschriften über die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse an, ihr steht hierfür aber nur die Rahmengesetzgebungskompetenz nach Artikel 75 Nr. 2 des Grundgesetzes zur Verfügung. Die Bundesregierung wird deshalb in erster Linie versuchen, die Länder zu einer Angleichung und Verbesserung der Vorschriften über die Kennzeichnungspflicht für Anzeigen- und Reklametexte in Zeitungen und Zeitschriften zu bewegen. Sie denkt hierbei an eine Regelung, nach der Anzeigen- und Reklametexte nicht nur, wie bisher, dann als solche kenntlich gemacht werden müssen, wenn ein Entgelt für ihren Abdruck bezahlt oder konkret vereinbart worden ist, sondern auch dann, wenn der Abdruck üblicherweise nur gegen Bezahlung erfolgt. Anlage 58 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 22. Juni 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage B 5): Wie viele sowjetische Agenten, die sich vornehmlich mit Industriespionage befaßt hatten, sind in der Bundesrepublik Deutschland seit Unterzeichnung des deutschsowjetischen Vertrags enttarnt, und wie viele sind davon abgeschoben worden? Die Bundesregierung sieht sich nicht in der Lage, Ihre Frage außerhalb des Parlamentarischen Vertrauensmännergremiums für die Nachrichtendienste zu beantworten. Ich bitte für diese Auffassung um Ihr Verständnis und erkläre mich — sofern Sie das wünschen— gern bereit, die erbetene Auskunft in der nächsten Sitzung des Parlamentarischen Vertrauensmännergremiums für die Nachrichtendienste zu erteilen. Anlage 59 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schöllhorn vom 21. Juni 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Wuwer (SPD) (Drucksache VI/3546 Fragen B 6 und 7): Teilt die Bundesregierung die Auffassung des ADAC, daß in der Kraftfahrzeug-Vollversicherung (Kaskoversicherung) die Kosten von häufigen Unfallreparaturen eine bessere Grundlage für die Bemessung der Prämien darstellt als die bisher übliche Staffelung nach der Motorleistung des Fahrzeugs? Wenn ja: Ist die Bundesregierung bereit, einen Antrag von Kraftfahrzeugversicherern an das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen zu unterstützen, wonach künftig die Prämien in der Kaskoversicherung nach dem Unfallreparaturkostenniveau der einzelnen Fahrzeugtypen zu bemessen sind, wie es z. B. der ADAC vorgeschlagen hat; wenn nein: Welche Faktoren sind nach Meinung der Bundesregierung als Basis für die Prämienbemessung in der Kraftfahrzeug-Vollversicherung besser geeignet als die bisher verwendete Motorleistung? Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß in der Kaskoversicherung der bei den einzelnen Fahrzeugtypen unterschiedliche Reparaturkostenaufwand eine bessere Grundlage für die Bemessung der Prämienhöhe darstellt als die bisher übliche Staffelung nach der Motorleistung des Fahrzeugs. Die Vorbereitung für eine derartige Änderung der Tarifstruktur in der Fahrzeugvoll- und Fahrzeugteilversicherung für Personen- und Kombinationskraftwagen laufen bereits seit Ende 1970. Bei den damals erteilten Genehmigungen für die gegenwärtig gel- 11560 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 tenden Tarife hat das Bundesaufsichtsamt den Versicherern zur Auflage gemacht, von der bisherigen Struktur in der Fahrzeugversicherung, die derjenigen in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung angeglichen ist, abzugehen, weil sich bei der Einstufung einzelner Fahrzeugtypen Unstimmigkeiten zeigten. Als Modell für eine neue Tarifstruktur war der schwedische Kaskotarif in Aussicht genommen worden, der — im Gegensatz zum deutschen Tarif —von Fahrzeugtypen und nicht von der Motorenstärke ausgeht. Ein solcher Tarif ermöglicht es, den unterschiedlichen Kostenaufwand für Fahrzeugreparaturen bei den einzelnen Typen unmittelbar zu berücksichtigen. Die Erarbeitung des statistischen Materials, das zur Aufstellung eines solchen Tarifs erforderlich ist, steht kurz vor ihrem Abschluß. Es kann damit gerechnet werden, daß die Versicherer in den nächsten Wochen beim Bundesaufsichtsamt Anträge auf Änderung der Kaskoversicherungsstruktur für Personen- und Kombinationskraftwagen stellen werden. Der früheste Zeitpunkt für das Inkrafttreten solcher Tarife ist der 1. Januar 1973. Anlage 60 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schöllhorn vom 21. Juni 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Varelmann (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen B 8 und 9): Welche Pläne hat die Bundesregierung, um der sich für einen erheblichen Teil des Jahres in Niedersachsen zeigenden Arbeitslosigkeit im Baugewerbe zu begegnen unter Berücksichtigung des Umstands, daß das Land nicht mehr in der Lage ist, Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen? Darf man damit rechnen, daß die Bundesregierung auf Grund der erheblichen wirtschaftlichen Schwächen in Niedersachsen und der fehlenden Überbeschäftigung in anderen Gebieten erhöhte Mittel für die wirtschaftliche Förderung zur Verfügung stellt, die an anderen Stellen zur Einsparung gelangen? Durch das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" ist das Zusammenwirken von Bund und Ländern auf diesem Gebiete geregelt. Dem ersten Rahmenplan dieser Gemeinschaftsaufgabe, der ab 1. Januar 1972 in Kraft und als Drucksache des Deutschen Bundestages VI/2451 abgedruckt ist, können die zahlreichen Hilfen für die Schaffung und Sicherung vorhandener Arbeitsplätze in Niedersachsen entnommen werden. In diesem Rahmenplan sind auch die finanziellen Mittel angegeben, die Bund und Länder zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur in den nächsten 5 Jahren aufwenden werden. Anlage 61 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 22. Juni 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Frehsee (SPD) (Drucksache VI/3546 Fragen B 10 und 11) : Sind der Bundesregierung die Proteste der Hamelner Bevölkerung gegen den Lärm, die Luftverschmutzung und die Verkehrsgefährdung bekannt, die durch die Übungen der in reinem Wohnbereich stationierten Truppeneinheiten verursacht werden? Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, dazu beizutragen, daß trotz der erforderlichen Rücksichtnahme auf die militärischen Notwendigkeiten den Interessen der Hamelner Bevölkerung besser Rechnung getragen wird, eventuell durch Anlegung eines Panzerpfades außerhalb der Wohngebiete sowie durch Beschränkung des Verkehrs von militärischen Kettenfahrzeugen im Stadtbereich auf das unbedingt notwendige Maß? Die Proteste der Hamelner Bevölkerung gegen Geräuschbelästigungen und andere Beeinträchtigungen, die durch den Fahrzeugverkehr der britischen Streitkräfte verursacht werden, sind der Bundesregierung bekannt. Die Bundesregierung ist bereit, mit der britischen Verbindungsstelle in Bonn über eine Beschränkung des Verkehrs mit Kettenfahrzeugen im Stadtbereich auf das unbedingt notwendige Maß zu verhandeln, soweit entsprechende Bemühungen der örtlichen Stellen beim britischen Stadtkommandanten, wie sie sich z. B. für Vereinbarungen über zeitliche Beschränkungen des Militärverkehrs oder die Benutzung anderer Straßen empfehlen, erfolglos bleiben sollten. Falls der Bundesregierung ein entsprechender Antrag zugeht, ist sie auch bereit, die Möglichkeiten einer finanziellen Beteiligung an dem Bau einer städtischen Straße zu prüfen, die den militärischen Verkehr vom Brückenbaugerätelager am Reimerdeskamp an den Wohnbereichen vorbei zum Übungsgelände Pötzen-Welliehausen leitet. Anlage 62 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 20. Juni 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten von Thadden (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage B 12) : Liegt der Bundesregierung 'in dem dringenden Problem der Grenzgängerfrage mittlerweile eine Antwort der Regierung Frankreichs vor (meine Fragen B. 26 und 27 in Drucksache VI/3075), und wann ist spätestens mit einer Stellungnahme des französischen Ministers für öffentliche Gesundheit und soziale Sicherheit, Robert Boulin, zu rechnen? Zu der von Ihnen erwähnten Frage hat der französische Minister für öffentliche Gesundheit und Soziale Sicherheit, Robert Boulin, außer in dem Ihnen bereits genannten Zwischenbescheid noch nicht Stellung genommen. Unter Hinweis auf die Bedeutung der Sache für die saarländischen Grenzgänger hat sich daher inzwischen Herr Minister Arendt in einem persönlichen Schreiben vom 6. Juni 1972 nochmals an den französischen Minister gewandt. Ich hoffe, daß wir alsbald eine Antwort erhalten. Sobald sie vorliegt, werde ich Sie darüber unterrichten. Anlage 63 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 22. Juni 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Huys (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen B 13 und 14) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Krankenstand des Panzeraufklärungsbataillons Lüneburg 3 im Jahresdurchschnitt bei 30 Prozent liegt und dieser Tatbestand auf Heizungs-, Belüftungs- und Geräuschbelästigung zurückgeführt wird? Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 11561 Sind die Arbeiten am Werkstattgebäude des Panzeraufklärungsbataillons 3 in Lüneburg zurückgestellt, um in der Kaserne andere Betreuungseinrichtungen (Hallenschwimmbad) zu bauen, und teilt die Bundesregierung die Meinung, daß der soziale Effekt bei vorrangiger Fertigstellung der Werkshalle erheblich höher gewesen wäre als bei dem bevorzugten Bau des Hallenschwimmbads, weil den Soldaten im erstgenannten Falle angemessene und dienliche Arbeitsbedingungen geschaffen würden, während im letzten Falle die Annehmlichkeiten sich nur auf wenige dienstfreie Stunden während der Woche beschränken würden? Der Krankenstand, d. h. die Krankheitsfälle mit Befreiung von allen Dienstverrichtungen, betrug beim PzAufklBtl 3 im Jahre 1970 3,5 %, im Jahre 1971 1,8 % und von Januar bis Mai 1972 2,0 % der Ist-Stärke. Diese Prozentzahlen liegen unter den Durchschnittszahlen des Heeres. Die Krankmeldungen in diesem Zeitraum liegen bei dieser Einheit geringfügig über den Vergleichswerten der übrigen Einheiten des Heeres. Es ist nicht auszuschließen, daß die höhere Anzahl der Krankmeldungen auf die von Ihnen genannten Gründe zurückzuführen ist. Die Arbeiten am Werkstattgebäude des PzAufklBtl 3, die nicht zugunsten des Neubaus eines Hallenschwimmbades zurückgestellt worden sind, werden in Kürze wieder aufgenommen. Die Erstinstandsetzung der Werkhalle wird voraussichtlich im II. Quartal 1973 abgeschlossen sein. Abschließend darf ich bemerken, daß es ein besonderes Anliegen der Bundesregierung ist, den Soldaten der Bundeswehr gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Sie ist jedoch auch der Auffassung, daß zur Ergänzung dieser Arbeitsbedingungen soziale Betreuungseinrichtungen, wie z. B. Hallenschwimmbäder, gehören. Anlage 64 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 22. Juni 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache V1/3546 Fragen B 15 und 16) : Ist die Bundesregierung bereit, die eingestellten Bauarbeiten am Werkstattgebäude des Panzeraufklärungsbataillons 3 Lüneburg noch in diesem Jahr wiederaufzunehmen? Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Werkstatt- und Arbeitsbedingungen beim Panzeraufklärungsbataillon 3 Lüneburg in bezug auf die materiellen Voraussetzungen (Reinigungsgrube, Batterieaufladungen, Fahrzeugbewegungen, fehlende Krananlage, mangelhafte Beleuchtung, fehlende Waffenwerkstatt, fehlende Fernmeldewerkstatt) und die personellen Belastungen (Lärm, gesundheitsschädliche Abgase usw.) so kritisch sind, daß die Wartung von rund 250 Fahrzeugen nicht gewährleistet ist? Der Bundesregierung ist bekannt, daß infolge der schlechten Werkstatt- und Arbeitsbedingungen beim PzAufklBtl 3 die Wartung der Fahrzeuge beeinträchtigt ist. Aus diesem Grunde werden die zur Zeit eingestellten Bauarbeiten am Werkstattgebäude des PzAufklBtl 3 in Kürze wiederaufgenommen. Die Erstinstandsetzung der Werkhalle wird voraussichtlich im II. Quartal 1973 abgeschlossen sein. Anlage 65 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 22. Juni 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Kater (SPD) (Drucksache VI/3546 Fragen B 17 und 18) : Liegen der Bundesregierung Zahlen darüber vor, wieviel kieferorthopädische Behandlungen bei Kindern notwendig sind, wie hoch dafür die Kosten sind und wie groß dabei der Anteil der Eltern ist, die nicht in der Lage sind, diese Kosten zu übernehmen? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun bzw. zu veranlassen, um in jenen Fällen, in denen die Ubernahme der Kosten für die notwendige kieferorthopädische Behandlung von Kindern den Eltern nicht möglich ist, Abhilfe zu schaffen? Zu Ihren Fragen liegen der Bundesregierung keine genauen Angaben vor. Nach Schätzungen des Bundesverbandes der deutschen Zahnärzte und des Bundesverbandes der Zahnärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst liegt die Zahl der Kiefernanomalien etwa bei 20 bis 25 % aller Kinder, von denen jedoch nur ein kleiner Teil — etwa 5 bis 10 % — einer Behandlung bedarf. Soweit es sich um Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung und deren mitversicherte Familienangehörige handelt, bestimmt das Gesetz, daß bei Behandlung von Krankheiten zahnärztliche Behandlungen auf Krankenschein zu erbringen sind. Diese gesetzliche Regelung gilt auch bei Kiefer- und Zahnfehlstellungen, die Krankheiten im Sinne der Reichsversicherungsordnung sind. Zur Sicherstellung dieser zahnärztlichen Versorgung haben Krankenkassen und Kassenzahnärztliche Vereinigungen entsprechend dem gesetzlichen Auftrag Verträge abzuschließen. Im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ist also bereits nach geltendem Recht sichergestellt, daß der Versicherte und seine mitversicherten Familienangehörigen bei der Behandlung von krankhaften Zuständen im Sinne der Reichsversicherungsordnung nicht mit Kosten belastet werden. Bei Personen, die sich privat bei Krankenversicherungsunternehmen versichert haben, muß davon ausgegangen werden, daß sie bei Abschluß ihre Versicherung ihrer eigenen Leistungskraft angepaßt haben. Sofern eine notwendige kieferorthopädische Behandlung von den Eltern nicht bezahlt werden kann, sind unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensvoraussetzungen die Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes anwendbar. Im übrigen gibt es Behandlungszentren der Jugendzahnpflege im Rahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes — z. B. in Duisburg, Düsseldorf und Stuttgart — bei denen die Kostendeckung unterschiedlich geregelt ist. Anlage 66 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 20. Juni 1972 auf die Schriftliche Frage des Ab- 11562 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 geordneten Zebisch (SPD) (Drucksache VI/3546 Frage B 19) : Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung z. Z., um ihre Bemühungen um eine Verständigung zwischen den Jugendlichen unserer westlichen Verbündeten zu ergänzen durch entsprechende Initiativen gegenüber unseren östlichen Nachbarn? Die internationale Jugendarbeit der zentralen deutschen Jugendorganisationen und Fachverbände wird von der Bundesregierung durch umfangreiche Globalzuwendungen gefördert. Aus diesen Mitteln können im Rahmen der Richtlinien des Bundesjugendplans auch die Begegnungen mit Jugendlichen und Jugendleitern aus osteuropäischen Ländern sowie die Teilnahme von Jugendlichen an Programmen in diesen Ländern gefördert werden. Die Bundesregierung legt Wert darauf, daß sich osteuropäische Jugendliche mit jungen Menschen aus der BRD wie auch aus anderen westeuropäischen Staaten treffen. Eine weitere Möglichkeit der Verständigung wird in bilateralen Absprachen mit osteuropäischen Staaten zur Verstärkung des Jugendaustausches gesehen. Ende des vergangenen Jahres wurde im Rahmen des deutsch-jugoslawischen Kulturabkommens eine Absprache mit Jugoslawien getroffen. Für 1972 sind eine Reihe von Austausch- und Begegnungsprogrammen vorbereitet. Im Juni dieses Jahres wurde eine ähnliche Absprache mit entsprechenden Programmen mit Rumänien innerhalb des geplanten Kulturabkommens erreicht. Weitere bilaterale Absprachen, z. B. mit Polen und der UdSSR, werden zur Zeit vorbereitet. Ferner sieht die Bundesregierung gewisse Beteiligungsmöglichkeiten für osteuropäische Jugendliche an Programmen des Deutsch-Französischen Jugendwerks; die Möglichkeiten werden zur Zeit mit der französischen Regierung erörtert. Darüber hinaus würde es die Bundesregierung begrüßen, wenn osteuropäische Staaten Mitglied des am 15. Mai 1972 vom Ministerkomitee des Europarates beschlossenen „Europäischen Jugendwerkes" werden, um ihrer Jugend nicht nur die Teilnahme an europäisch orientierten Jugendveranstaltungen, die durch das Europäische Jugendwerk gefördert werden sollen, zu erleichtern, sondern auch durch eigene Leistungen an der Gestaltung dieser Förderungseinrichtungen mitzuwirken. Anlage 67 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 20. Juni 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage B 20) : Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher (AGV), daß die Diätassistentinnen freiberuflich ambulant tätig werden können und dadurch den Arzt entlasten und seinen Rat ergänzen, sowie die Anregung, daß die Krankenkassen die Kosten der Diätberatung übernehmen, was zu einer Kostensenkung führen könnte, weil dadurch der Heilungsprozeß beschleunigt und ernährungsabhängigen Krankheiten bereits vorbeugend entgegengetreten würde? Der Vorschlag der Arbeitsgemeinschaften der Verbraucher (AGV), daß Diätassistenten ihre Tätigkeit freiberuflich ausüben sollten, erscheint prüfenswert. Nach geltendem Recht ist eine Diätberatung von Patienten durch freiberufliche Diätassistenten möglich, wenn sie auf Verordnung eines Arztes ausgeübt wird. Dem Arzt muß aber die Diagnose und die Aufstellung des Therapieplanes vorbehalten bleiben. In diesem Rahmen ist auch die Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung möglich, wenn es sich um die Behandlung einer Krankheit im Sinne der Reichsversicherungsordnung handelt. Anlage 68 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 21. Juni 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Leicht (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage B 21) : Nachdem nach Auskunft des Straßenverkehrsamts Speyer der Bau der B 9 zwischen dem Ortsausgang Lingenfeld und dem Güterbahnhof Germersheim nunmehr im Juli beginnen soll, frage ich den Bundesverkehrsminister, wann mit dem Bau der so dringend notwendigen Ortsumgehung der B 9 um Lingenfeld zu rechnen ist. Die Planungsarbeiten für die Umgehungsstraße Lingenfeld sind noch nicht abgeschlossen, so daß das Planfeststellungsverfahren frühestens im Laufe des Jahres 1973 eingeleitet werden kann. Die Maßnahme ist im 1. Fünfjahresplan (1971 bis 1975) nicht enthalten. Über die zeitlichen und finanziellen Dispositionen nach 1975 können jetzt noch keine Angaben gemacht werden. Anlage 69 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 21. Juni 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen B 22 und 23) : Welche Terminvorstellungen hat die Bundesregierung für den Ausbau der Maintalstraße Obernburg-Miltenberg (B 469)? Gedenkt die Bundesregierung, diese Linie fortzusetzen über Hardheim-Tauberbischofsheim? Der Neubau der B 469 Obernburg—Miltenberg wurde in die 1. Dringlichkeit des Bedarfsplanes für den Ausbau der Bundesfernstraßen eingereiht. Der Straßenzug soll einen 4streifigen Querschnitt erhalten. Besonders vordringlich sind die Abschnitte bei Obernburg und bei Laudenbach. Für die Ortsumgehung Obernburg wurden Teilbeträge in den 1. Fünfjahresplan (1971 bis 1975) aufgenommen. Die Verlegung bei Laudenbach konnte wegen des begrenzten Finanzvolumens nicht im 1. Fünfjahresplan berücksichtigt werden. Ein genauer Termin für den Baubeginn der beiden Projekte liegt zur Zeit noch nicht fest. Erst wenn die Teilstrecken bei Obernburg und bei Laudenbach fertiggestellt sind, kann mit den übrigen Teilstrecken zwischen Miltenberg und Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 11563 Obernburg begonnen werden. Dies kann frühestens gegen Ende des 2. Fünfjahresplanes (1976 bis 1980) geschehen. Der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen sieht vor, die B 469 Oberburg—Miltenberg durch den Ausbau der B 47/B 27 Miltenberg—AmorbachHardheim—Tauberbischofsheim fortzuführen. Für diese Strecke ist ein 2streifiger Querschnitt vorgesehen. Dieser Abschnitt ist zum Teil in die 1., zum anderen Teil in die 3. Dringlichkeitsstufe eingereiht worden. Anlage 70 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 21. Juni 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Picard (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Fragen B 24 und 25) : Tritt die Bundesregierung der Auffassung bei, daß die weitaus geringere Zahl von Unfalltoten im Straßenverkehr in den Vereinigten Staaten und England — USA pro 100 Millionen Fahrzeugkilometer 3,3 Verkehrstote, England 3,8 Verkehrstote, Bundesrepublik 7,1 Verkehrstote — auf die Geschwindigkeitsbeschränkung von 112 km pro Stunde zurückzuführen ist? Erwägt die Bundesregierung angesichts der oben angeführten Zahlen auch in der Bundesrepublik Deutschland eine durchgehende Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit? Zu Frage 24: Das in den USA und Großbritannien günstigere Verhältnis von Fahrzeugkilometern und Verkehrstoten gegenüber der Bundesrepublik Deutschland ist nach Auffassung der Bundesregierung zu einem — allerdings nicht meßbaren Teil — auf die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 112 km/h auf allen Straßen zurückzuführen. Zu Frage 25: Im gegenwärtigen Zeitpunkt wird nicht erwogen, eine allgemeine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften auf allen Straßen einzuführen. Der Bundesminister für Verkehr möchte zunächst die Ergebnisse der versuchsweisen Geschwindigkeitsbegrenzung außerhalb geschlossener Ortschaften auf bestimmten Straßen abwarten, die auf Grund der HöchstgeschwindigkeitsVerordnung vom 16. März 1972 vom 1. Oktober 1972 bis 31. Dezember 1975 gilt. Erst nach wissenschaftlicher Auswertung dieser Ergebnisse sieht sich der Bundesminister für Verkehr in der Lage, in dieser Frage weitere Entscheidungen zu treffen. Anlage 71 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 21. Juni 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Wichert (SPD) (Drucksache VI/3546 Frage B 26) : Da aus den Plänen der Deutschen Bundesbahn hervorgeht, daß beabsichtigt ist, zur Entlastung der Nord-Süd-Verbindung (Frankfurt—Hamburg [über Göttingen]) eine sogenannte Oberwesertrasse zum Ausbau vorzuschlagen, die in ihrer Streckenführung über Kassel Göttingen nicht berührt, frage Rh, ob diese Pläne mit dem Land Niedersachsen abgestimmt sind, das in seiner Landesplanung den Ausbau der Stadt Göttingen als Oberzentrum für den südniedersächsischen Raum vorsieht, was es m. E. notwendig macht, daß der Anschluß an das Intercitynetz und das geplante Schnellbahnsystem erhalten bleibt? Die „Oberweser-Trasse" entspricht der geplanten Führung der Ergänzungsstrecke Hannover—KasselGemünden. Sie führt über Holzminden nach Kassel. Diese Trasse ist dem Innenministerium des Landes Niedersachsen als Oberste Raumordnungsbehörde zu einer Vorabstellungnahme zugeleitet worden. Das Land Niedersachsen hat in seiner Stellungnahme die Untersuchung einer Linienführung über Göttingen und die Mitbehandlung im Raumordnungsverfahren empfohlen. Die Deutsche Bundesbahn überprüft z. Z. eine Linienführung über Göttingen in baulicher und verkehrlicher Hinsicht. Die Deutsche Bundesbahn wird die Linienführung sowohl über Holzminden als auch über Göttingen im Raumordnungsverfahren behandeln. Anlage 72 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 21. Juni 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage B 27) : Ist die Bundesregierung bereit, dem Antrag des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn auf Genehmigung der Umstellung der Strecke Heilbronn—Hessental und der Strecke Marbach—Backnang—Gaildorf—Hessental auf elektrische Zugbeförderung zuzustimmen? Der Bundesminister für Verkehr behandelt Elektrifizierungsanträge der Deutschen Bundesbahn (DB) im Rahmen der notwendigen Prioritäten. Nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn ist wegen der ungeklärten Finanzierungsfrage zur Zeit noch kein Termin für die Aufnahme der Elektrifizierungsarbeiten an den Strecken Heilbronn—Hessental und Marbach—Hessental abzusehen. Eine Verwirklichung dieser Planung erfordert Finanzierungshilfen von dritter Seite für die notwendigen Investitionen. Sobald die Finanzierung geklärt ist, wird der Bundesminister für Verkehr rechtzeitig seine Entscheidung treffen. Bei der Beurteilung dieser Frage sollte berücksichtigt werden, daß zunächst die auf Grund gemeinsamer Anstrengungen von DB und Land Baden-Württemberg bereits laufenden umfangreichen Elektrifizierungsvorhaben in diesem Raum fertigzustellen sind. Anlage 73 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 21. Juni 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Peiter (SPD) (Drucksache VI/3546 Fragen B 28 und 29) : Wann ist damit zu rechnen, daß die geplante Schnellverbindung Köln—Bonn—Rhein/Main gebaut wird, und wird ein Verknüpfungsbahnhof mit der Lahnstrecke im Raum Diez eingeplant? Ist der Bundesverkehrsminister bereit, eine erneute Überprüfung der Frage des zweigleisigen Wiederaufbaus der Lahnstrecke zu veranlassen, weil die auf Teilabschnitten bestehende Eingleisigkeit weiteren Verbesserungen in der Verkehrsbedienung Grenzen setzt? Wie die Deutsche Bundesbahn (DB) mir mitteilt, sind ihr bei dem derzeitigen Verkehrsaufkommen 11564 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972 auf der Lahnstrecke noch keine Schwierigkeiten in der Verkehrsbedienung bekanntgeworden. Die DB hat daher vorerst nicht die Absicht, die eingleisigen Teilabschnitte zweigleisig auszubauen. Im Bedarfsfalle würde sie in eine weitere Prüfung dieser Frage eintreten. Bei der geplanten Schnellverbindung KölnBonn—Rhein/Main handelt es sich um die im „Ausbauprogramm für das Netz der DB" vorgesehene Ergänzungsstrecke Köln—Groß Gerau (Riedbahn). Die DB wird das Raumordnungsverfahren für diese Strecke voraussichtlich im kommenden Herbst einleiten. Daraufhin könnten im Jahre 1973 erste Planfeststellungen und weitere Einzelausführungsplanungen eingeleitet und durchgeführt werden. Aus dieser Sicht ergäbe sich ein möglicher Baubeginn im Jahre 1974. Die Frage der Prioritätenfestlegung des Ausbauprogramms und der Finanzierung sind noch nicht geklärt. Die Linienführung der Ergänzungsstrecke würde im Raum Diez/Limburg einen Haltepunkt erlauben. Eine Verbindungskurve zur Lahnstrecke ist vorgesehen. Anlage 74 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 21. Juni 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage B 30) : Welche Geldbeträge sind im Zuge der Autobahnstrecke Heilbronn—Nürnberg in den Jahren 1972, 1973 und 1974 für welche Bauabschnitte auf baden-württembergischem Gebiet vorgesehen? Der Entwurf der Anlage zum Kassenanschlag 1972 enthält für die Bundesautobahn Heilbronn—Nürnberg im Bereich des Landes Baden-Württemberg folgenden Ansatz: Verkehrseinheit Schwabbach-Öhringen 19,5 Millionen DM Nach dem derzeitigen Stand der Vorbereitungen des Straßenbauplanes 1973 ist im Jahre 1973 mit nachstehenden Ansätzen zu rechnen: Verkehrseinheit Schwabbach-Öhringen 8,0 Millionen DM Verkehrseinheit Öhringen-Neuenstein 4,0 Millionen DM Für das Jahr 1974 können noch keine näheren Angaben gemacht werden. Voraussichtlich wird der im 1. Fünfjahresplan 1971 bis 1975 enthaltene Betrag von 12,0 Millionen DM zur Verfügung stehen. Anlage 75 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 21. Juni 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schwörer (CDU/CSU) (Drucksache V1/3546 Fragen B 31 und 32) : Inwieweit gilt angesichts der Kürzungen im Haushalt des Bundesverkehrsministeriums weiterhin die Erklärung des Bundesverkehrsministers, daß kein Meter weniger Straße gebaut werde. für den Ausbau der Bundesstraße 27? Wie stellt sich der Bundesverkehrsminister bei den ihm auferlegten haushaltsmäßigen Beschränkungen die Möglichkeit für eine Einhaltung der bestehenden Terminvorstellungen für den Ausbau der Bundesstraßen B 28, B 32 und B 463 vor? Aus heutiger Sicht läßt sich noch nicht sagen, ob und welche Investitionen im Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Verkehr von Kürzungen im Haushalt 1972 betroffen werden. Dies hängt zunächst von dem Ergebnis der parlamentarischen Behandlung der Einsparungsvorschläge der Bundesregierung ab. Es ist jedoch damit zu rechnen, daß der Ausbau der Bundesstraße 27 planmäßig festgesetzt werden kann. Entsprechendes gilt für die Terminvorstellungen für den Ausbau der Bundesstraßen 28, 32 und 463. Anlage 76 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 21. Juni 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage B 33) : Welche konkreten Investitionsmaßnahmen, insbesondere bei Verkehrsbauten, sind durch die von der Bundesregierung geplanten Kürzungen des Haushalts 1972 in den Landkreisen Wetzlar und Dillenburg betroffen? Ob und welche Investitionsmaßnahmen im Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Verkehr in den Landkreisen Wetzlar und Dillenburg von Kürzungen im Haushalt 1972 betroffen werden, hängt vom Ergebnis der parlamentarischen Behandlung der Einsparungsvorschläge der Regierung ab. Anlage 77 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 21. Juni 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Pfeifer (CDU/CSU) (Drucksache VI/3546 Frage B 34) : Welche Beträge sind nach den derzeitigen Vorstellungen des Bundesverkehrsministeriums im laufenden Jahr und im Jahr 1973 für die B 27, B 28 und B 312 im Raum Reutlingen/Tübingen vorgesehen, und werden von den neuesten Haushaltskürzungen für diese Straßen vorgesehene Beträge betroffen? Im Bundeshaushalt für das laufende Jahr sind für Ausbaumaßnahmen im Zuge der Bundesstraßen 27, 28 und 312 im Raume Reutlingen–Tübingen insgesamt 24 Millionen DM vorgesehen. Ob und inwieweit diese Maßnahmen von den neuen Haushaltskürzungen betroffen werden, läßt sich aus heutiger Sicht noch nicht genau sagen. Es besteht aber die begründete Annahme, daß hier keine Kürzungen vorgenommen werden. Der Haushalt 1973 liegt noch nicht vor. Nach dem vom Land Baden-Württemberg vorgelegten Entwurf sind für die oben genannten Bundesstraßen im Raume Reutlingen–Tübingen insgesamt 22,2 Millionen DM vorgesehen.
Gesamtes Protokol
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0619600000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich gebe zunächst bekannt, daß die Tagesordnung nach einer interfraktionellen Vereinbarung um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen ergänzt wird:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Freiherr Ostman von der Leye, Kleinert, Dürr und Genossen betr. Einschränkung der Immunität von Familienangehörigen und Hauspersonal von Diplomaten
— Drucksache VI/3587 —
Überweisungswunsch: Rechtsausschuß (federführend), Auswärtiger Ausschuß
Erste Beratung des von den Abgeordneten Hauser (Bad Godesberg), Vogel, Dr. Frerichs, Dr. Lenz (Bergstraße), Dr. Kliesing (Honnef), Rösing und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes
— Drucksache VI/3604 —
Überweisungswunsch: Rechtsausschuß (federführend), Auswärtiger Ausschuß
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Einführung einer eigenständigen Pflichtunfallversicherung für nicht erwerbstätige Frauen bei privater Trägerschaft
— Drucksache VI/3581 —
Überweisungswunsch: Ausschuß für Wirtschaft (federführend), Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Das Haus ist damit einverstanden? — Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen. Die Punkte selber werden im weiteren Verlauf der Sitzung nicht sofort behandelt.
Ich rufe daher den Punkt 35 auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung, Herr Schmidt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619600100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das westliche Bündnis hat im vergangenen Monat erneut eine Zwischenbilanz gezogen — und zwar mit positivem Ergebnis. In dieser Epoche, die von Wandlungen der internationalen Beziehungen gekennzeichnet ist, kommt es den Partnern mehr denn je auf politische Geschlossenheit innerhalb des Bündnisses an, zu einem Zeitpunkt, da wir in die große Ost-WestEntspannungsrunde eintreten, politische Geschlossenheit nicht nur in bezug auf die Verhandlungen zwischen Ost und West, sondern auch zur Festigung der eigenen Fundamente. Es war schon bisher realistisch, und es wird in Zukunft realistisch bleiben, daß die Demokratien des Westens zusammenstehen, um die Sicherheit dieser Demokratien zu gewährleisten.
Die Serie von NATO-Konferenzen in diesem Mai hat diese Gemeinsamkeit der Auffassungen erneut bekräftigt. Das gilt für die Tagung der Nuklearen Planungsgruppe in Kopenhagen; das gilt für die EUROGROUP, die in Brüssel tagte; das gilt für die Tagung des Defense Planning Committee — das ist also der NATO-Rat minus französische Beteiligung — ebenfalls kurz vor Pfingsten; das gilt für die NATO-Ratstagung der Außenminister zwei Tage lang nach Pfingsten hier in Bonn gleicherweise.
In dem Kommuniqué der Ministerratstagung vom 31. Mai, d. h. von der Außenministertagung hier in Bonn, haben die Außenminister zum wiederholten Male hervorgehoben, daß es Zweck des Bündnisses ist, die Freiheit und Sicherheit aller seiner Mitglieder zu erhalten, und ferner, daß Verteidigung und Entspannung untrennbar miteinander verbunden sind.
So umfassen beispielsweise die beiden großen Projekte der Jahre 1972 und 1973 — einerseits die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und andererseits das Projekt beiderseitiger gleichgewichtiger Rüstungsverminderung oder, wie man es meistens abgekürzt in den Zeitungen liest, MBFR —, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten, sowohl Aspekte der Kooperation und des Ausgleichs als auch Aspekte und Elemente der Verteidigung und der Sicherheit. Der Zusammenhang der Bemühungen um beiderseitige ausgewogene Truppenverminderungen mit dem Konferenzprojekt ist auf der NATO-Ratssitzung ausdrücklich bestätigt worden. Die Bemühungen zielen bei beiden Projekten in erster Linie auf den Abbau der Gefahren militärischer Konfrontation. MBFR — die beiderseitige Truppenverringerung, im Gleichgewicht und verabredet — soll aber zugleich auch die militärische Sicherheit unvermindert erhalten. Sie soll zugleich auch für keine der beiden Seiten militärische Nachteile entstehen lassen; sie soll zugleich auch den personellen Umfang der Streitkräfte und den finanzwirtschaftlichen Aufwand in Ost und West auf einem niedrigeren Niveau stabilisieren.
In diesem Zusammenhang muß auf die beiden SALT-Vereinbarungen dieses Frühjahrs hingewie-



Bundesminister Schmidt
sen werden: Die zwischen Nixon und Breschnew vereinbarte Begrenzung nuklearstrategischer Rüstung stabilisiert einen wichtigen Teilbereich des Weltgleichgewichts, und zwar — das verdient hervorgehoben zu werden—in voller Übereinstimmung mit unseren eigenen deutschen Sicherheitsinteressen.
Die Minister des Bündnisses haben die Erklärung des Deutschen Bundestages vom 17. Mai begrüßt, mit der die Bundesregierung zum politiven Ergebnis der NATO-Ministerratskonferenz beitragen konnte. Wir denken, das ganze Haus stimmt damit überein, wenn ich erneut die Notwendigkeit des politisch-militärischen Gleichgewichts als notwendige Voraussetzung der Entspannungspolitik hervorhebe. Wir denken ferner, das ganze Haus stimmt mit der Würdigung der Situation überein, wie sie Bundeskanzler Brandt anläßlich der Eröffnungssitzung der NATO-Ministerratstagung hier in diesem Hause gegeben hat — ich zitiere —:
Wenn ich von Gleichgewicht spreche, so meine ich damit ein äußeres und ein inneres Gleichgewicht. Es ist gewiß nicht leicht, die Balance zu halten zwischen Verteidigung und Entspannung. Für die meisten unserer Mitbürger in den verschiedenen Staaten des Bündnisses ist Entspannung verständlicherweise populärer als die andere Komponente. Und dennoch sind diese beiden Komponenten untrennbar miteinander verbunden. Wir dürfen uns keinem Wunschdenken hingeben, uns nicht in trügerischer Sicherheit wiegen. Wir müssen also beides tun: Die Verteidigungsbereitschaft intakt halten und gleichzeitig politisch nach Lösungen suchen für die großen Probleme unserer Zeit, hartnäckig und zielstrebig.
So weit der Bundeskanzler vor dem NATO-Ministerrat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren, die Zeichen der Verständigungsbereitschaft im Ost-West-Verhältnis sind ermutigend. Sie nehmen zu, und wir sind an deren Zunahme durchaus aktiv beteiligt. Dies trübt uns aber nicht den Blick für die anderen Realitäten. So hat die Ministerratstagung auch festgestellt, daß das gegenwärtige Kräfteverhältnis in Europa ein einseitiges Nachlassen der Verteidigungsanstrengungen des Bündnisses angesichts der ständig wachsenden Stärke des Warschauer Pakts nicht zuläßt. Ein weiteres Zunehmen der sowjetischen nuklearen und konventionellen Kampfkraft ist auf mehreren Gebieten deutlich erkennbar. Die weltweite Dislozierung und Verstärkung der Seestreitkräfte der Sowjetunion bieten ihr zunehmende Möglichkeiten, politischen Einfluß mit Hilfe militärischer Stärke auszuüben. Unser gemeinsames Augenmerk im. Bündnis gilt unvermindert der Situation im Mittelmeerraum, der Situation auf der Nordflanke der NATO, aber auch der stetigen Modernisierung der sowjetischen Land- und Luftstreitkräfte in Mitteleuropa.
Die realistische Einschätzung dieser Situation und unserer Möglichkeiten verlangt, daß wir an dem bewährten Zwillingskonzept, der Doppelstrategie der Allianz — Verteidigung und Entspannung —
konsequent festhalten. Sichtbarer Ausdruck des Willens, Freiheit und Sicherheit der Mitgliedsländer zu verteidigen, werden die im Herbst dieses Jahres an der Nordflanke der NATO stattfindenden kombinierten Manöver von Land-, Luft- und Seestreitkräften sein, an denen viele Nationen mit ihren Streitkräften unter dem wie immer — zu phantasiereichen und wenig aussagenden Manövertitel „Strong Express" beteiligt sind. Sicherheit durch Abschreckung ist und bleibt ein wesentliches Element des Friedens. Entspannung, von der wir zusätzliche Sicherheit erwarten, setzt ausreichende Verteidigungsfähigkeit und Aufrechterhaltung eines stabilen militärischen Gleichgewichts voraus. Dabei ist die Wahrung des Gleichgewichts der in Europa wirksamen und der von außen auf Europa wirkenden Kräfte für unser Bündnis gleichermaßen von der Präsenz amerikanischer Truppen in Europa und von angemessenen Verteidigungsanstrengungen der europäischen Bündnispartner selbst abhängig.
Das Bündnis ist sich darüber einig, daß die sicherheitspolitische Qualität des amerikanischen Engagements in Europa auf absehbare Zeit nicht durch irgend etwas anderes ersetzt werden kann, weder politisch noch militärisch noch psychologisch; denn alle Forderungen nach einer zwar von einigen angestrebten, aber doch vorläufig eben nicht realisierbaren eigenständigen westeuropäischen Verteidigungsstruktur bleiben gegenwärtig ausschließlich im Bereich des Theoretischen oder des zu Wünschenden. Verteidigung ist in einem früheren Stadium des europäischen Einigungsprozesses nicht integrierbar. Man braucht nicht erst nach Paris zu reisen, um dies bestätigt zu finden. Frühere Erfahrungen, besonders mit der EVG, haben gezeigt, daß eine europäische Verteidigungsgemeinschaft nur als Folge von und nicht als Schritt auf dem Wege zu einer politischen europäischen Gemeinschaft in Europa verwirklicht wird. Die spätere politische Einigung Europas bliebe allerdings unvollkommen, wenn sie nicht auch den Bereich der Verteidigung einschlösse.
Die Vereinigten Staaten von Amerika drängen schon seit einer Reihe von Jahren auf eine, wie sie es nennen, ,,,,gerechtere" Verteilung der Verteidigungslasten im Bündnis, und die „Nixon-Doktrin" betont auch die regionale Verantwortung der europäischen Staaten für die Sicherheit in Europa. Nixon hat aber dazu in seinem Bericht zur „Amerikanischen Außenpolitik für die Siebziger Jahre" im Februar dieses Jahres gegenüber dem amerikanischen Parlament die zusätzlichen Verteidigungsleistungen der europäischen Bündnispartner nachhaltig gewürdigt, womit im wesentlichen die Ergebnisse der EUROGROUP gemeint waren, an denen wir unsererseits einen erheblichen Anteil hatten. Nixon hat zugleich die Aufrechterhaltung einer substantiell unverminderten Präsenz amerikanischer Truppen in Europa unmißverständlich von auch in Zukunft entsprechenden Leistungen der europäischen Verbündeten abhängig gemacht.
Diese amerikanische Forderung nach erhöhten Verteidigungsleistungen der Europäer trifft die europäischen Staaten in einer Epoche, in der die Ausgaben für die Verteidigung immer mehr mit den



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Anforderungen für andere wichtige Ausgaben konkurrieren; man kann auch sagen: konkurrenziert werden von den Anforderungen für andere wichtiger werdende Aufgaben. Die Zuwachsraten für Investitionen aus den öffentlichen Haushalten der europäischen Staaten beispielsweise für soziale Sicherung, für Bildung, für Verkehr und Gesundheit sind denn auch in diesen Staaten Europas größer als die Wachstumsraten der Verteidigungsausgaben.
Dieser Trend, von dem ich für Westeuropa insgesamt spreche, gilt auch für die Bundesrepublik Deutschland seit einer Reihe von Jahren, Er hat sich unabhängig davon bemerkbar gemacht, welche Partei auf den Regierungs- oder auf den Oppositionsbänken dieses Hauses saßen oder sitzen. Im Vergleich zu den oft sehr reichlich bemessenen Mitteln in den Gründerjahren der Bundeswehr ist der Verteidigungshaushalt seit 1966 in ein immer enger werdendes Korsett geschnürt. 1966 und seither ist der Verteidigungshaushalt denn auch mehrfach zur Ader gelassen worden, hat er zugesagte oder bewilligte Haushaltsmittel, um den Jargon der Finanzbeamten zu benutzen, „erwirtschaftet" — ich kann dieses Wort nur in Gänsefüßchen benutzen —, d. h. Hunderte von Millionen und sogar Milliardengrößenordnungen eingespart. Auch der gegenwärtige Verteidigungsminister hat sich dem nicht entziehen wollen oder können.
Das Hohe Haus muß sich darüber klar sein -- und ich denke, es ist sich eigentlich im klaren, wenngleich das bisher nicht überall ausgesprochen wird —, daß der seit Jahren bestehende Engpaß bei der Finanzierung von Großgerät für unsere Streitkräfte — Schiffe, Flugzeuge, Panzer, Kraftfahrzeuge —, daß diese seit dem Jahre 1966 einschließlich bestehenden Finanzierungsschwierigkeiten keineswegs ein Ende gefunden haben, ja, daß ein Ende dieser Schwierigkeiten bei der Finanzierung oder Ersetzung von Systemen der ersten Generation durch neue, modernere, und das heißt teurere Systeme der zweiten Generation, nicht absehbar ist und sich eher noch verschärfen wird. Die Situation wird sich auch 1973 und in den Jahren danach so darstellen, wie ich es eben prognostiziere. Wir, d. h. die jeweilige Regierung und die jeweilige Opposition, werden deshalb gezwungen sein, der Notwendigkeit zu straffer Rationalisierung der Gesamtstruktur der Bundeswehr zu gehorchen; ich wiederhole den Satz: der Notwendigkeit zu straffer Rationalisierung der Struktur unserer Streitkräfte zu gehorchen.
Dieses Haus wird dabei auch bedenken wollen, daß der investive Teil des Verteidigungshaushalts kein sehr geeignetes Mittel zur Steuerung von Konjunkturen sein kann, weil die sich daraus ergebende Diskontinuität in der Ergänzung und Erneuerung der Ausrüstung eine ordentliche Planung vereiteln würde, den systematischen Fortschritt und die Innehaltung von vorprogrammierten Kosten verhindern würde.
Trotzdem leistet auch der Verteidigungshaushalt unter Aufbietung aller denkbaren betriebswirtschaftlichen Anstrengungen auch in diesem Jahr wieder einen Beitrag zur Minderung der Gesamtausgaben und zur Minderung des Kreditbedürfnisses des
Bundes insgesamt. Nicht genau vorherzuquantifizierende Risiken beim Ablauf werden uns diese gleiche betriebswirtschaftliche Haltung auch weiterhin auferlegen. Ich will jedoch nicht verschweigen, daß der Einzelplan 14 in diesem Jahr weithin ausgenommen ist von finanzpolitischer Steuerung; diejenigen Kürzungen, die wir zur Zeit beispielsweise im Haushaltsausschuß für den Einzelplan 14 zur Debatte anbieten, lassen die Kampfkraft und die Struktur der Streitkräfte intakt.
Was diese heutige Kampfkraft unserer Streitkräfte anlangt, so sollte das Parlament wissen, was auch die militärischen Führungsstäbe wissen und was auch der Verteidigungsminister weiß, daß nämlich die Bundeswehr hinter den vom Bündnis uns gesetzten Zielen in keiner Weise zurückgeblieben ist oder zurückbleibt. Jeder Blick auf die neben uns stehenden verbündeten Streitkräfte zeigt, daß wir keinen Vergleich scheuen müssen. Ich sage das auch mit Bezug auf die Materie, die von der heutigen Novelle zur Wehrdisziplinarordnung, über die heute morgen zu entscheiden sein wird, gedeckt ist.
Zu diesem immer wieder aktuellen Thema Disziplin haben sich in letzter Zeit viele Leute öffentlich geäußert, kompetente Leute und weniger kompetente Leute. Ich möchte eine kompetente Meinung dazu zitieren dürfen, Herr Präsident:
Die Aufträge unseres Staates erreichen uns in der Form von Gesetzen. Wenn im Soldatengesetz festgelegt ist: „Der Soldat hat Disziplin zu wahren", dann besagt dies, daß der Staat nicht irgendeine, sondern eine disziplinierte Truppe will. Die soldatischen Pflichten sind nicht der Marotte militärischer Vorgesetzter entsprungen, sie sind uns von unserem Staat vorgegeben. Das gleiche gilt für die Einschränkungen des Grundrechts der freien Meinungsäußerung und für die politische Betätigung, für Gehorsam und Kameradschaft, für Verschwiegenheit und Wahrhaftigkeit. Geist, Haltung und Form wollen wir festigen, wenn wir als militärische Vorgesetzte getreu dem Auftrag des Gesetzgebers auf eine disziplinierte Truppe hinwirken.
Diese Worte stammen aus einem Vortrag, den der neue Generalinspekteur der Bundeswehr kürzlich vor Lehrgangsteilnehmern an der Schule für Innere Führung in Koblenz so gehalten hat. Ich möchte diesen Sätzen zustimmen. Dieses Hohe Haus hat allerdings durch eine Reihe von Gesetzesbefehlen, vornehmlich im Soldatengesetz, aber keineswegs nur dort, Disziplin in den Streitkräften verlangt. Diesen Befehlen ist zu gehorchen. Tatsächlich wird diesen Gesetzesbefehlen am besten und am weitestgehenden in den Manövern und in den Übungen gehorcht, dann, wenn von der Truppe etwas verlangt wird, und am ehesten passieren Verstöße gegen diese Vorschriften im Zusammenhang mit den dienstfreien Wochenenden. Das letztere kennzeichnet die Gesellschaft insgesamt und nicht nur die Bundeswehr.
Disziplin setzt allerdings auch ein der Zeit entsprechendes und in seinen Mitteln wirksames Disziplinarrecht voraus. Das geltende Disziplinarrecht hat sich in den letzten 16 Jahren gut bewährt. Es muß



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jedoch in einigen Punkten dem Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen und der Erfahrung angepaßt werden. Die heutige Novelle will deshalb die Disziplinargewalt, insbesondere der Kompaniechefs, stärken. Andererseits soll aber auch einem beschuldigten Soldaten mehr Rechtsschutz als bisher eingeräumt werden. Außerdem soll — so sehr im dienstlichen Bereich die strikte Einhaltung der soldatischen Pflichten gefordert werden muß — im außerdienstlichen Bereich die Privatsphäre des Soldaten mehr als bisher respektiert werden.
Weil ich eben den neuen Generalinspekteur zitiert habe, Herr Präsident, ein kurzes Wort zu seiner Berufung. Mit Admiral Armin Zimmermann ist zum ersten Mal ein Offizier der Marine in dieses höchste militärische Amt berufen worden. Ich habe die Frage nach der Motivation für diese erstmalige Entscheidung scherzhaft so gestellt gelesen: „Warum machte die Bundesregierung einen Admiral zum Generalinspekteur?" Die Antwort: „Na, hätte man vielleicht einen Fregattenkapitän nehmen sollen?"

(Heiterkeit.)

Nun ohne Scherz: Ich meine erstens, daß keine der Teilstreitkräfte einen Anspruch darauf hat, den ersten Soldaten der Bundeswehr zu stellen, oder gar den Anspruch, immer und immer wieder den ersten Soldaten der Bundeswehr zu stellen. Zweitens denke ich, daß Admiral Zimmermann in seiner Person hinreichend Gewähr für Umsicht, Tatkraft, Ausdauer und Loyalität bietet, für all das, was man von dem ersten Soldaten der Bundeswehr fordern muß.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei der CDU/CSU.)

Vor Zimmermann war sechs Jahre lang der aus dem Heer hervorgegangene General Ulrich de Maizière Generalinspekteur der Bundeswehr. Ich hatte noch keine Gelegenheit, seit dem Termin seines Ausscheidens einen Satz darüber hier im Parlament zu sagen. Ich denke, das Hohe Haus stimmt mit der Bundesregierung in der Feststellung überein, daß sich General Ulrich de Maizière in diesen sechs Jahren als Generalinspekteur um Staat und Bundeswehr besonders verdient gemacht hat und unseren Dank verdient.

(Beifall auf allen Seiten.)

Meine Damen und Herren, ich komme zu dem Kostenthema noch einmal zurück. In allen westlichen Ländern erleben wir die gleiche Kostenexplosion bei neuen Waffensystemen. Die gleichen Personalsorgen, die gleichen Fragen der Wehrgerechtigkeit und der Wehrdienstdauer beschäftigen alle unsere Bündnispartner in ähnlicher Weise wie uns. Verteidigungsministerien tauschen darüber ihre Erfahrungen und Meinungen aus und kennen die Sorgen des Nachbarn beinahe genauso gut wie ihre eigenen, und man lernt gegenseitig auch ein bißchen voneinander.
Zu den Personalsorgen gehören die Sorgen um die Personalkosten. Ich gebe ein Beispiel: Während die Personalkosten der Bundeswehr bei annähernd gleichbleibendem Personalumfang in den Jahren
1963 bis 1965 noch bei 5 Milliarden DM pro Jahr
gelegen haben, liegen sie heute bei gleichem personellen Umfang bei über 10 Milliarden DM pro Jahr.
Zugleich wird es fast überall in Westeuropa schwieriger, die öffentliche Meinung von der Notwendigkeit angemessener Verteidigungsausgaben zu überzeugen, weil eben vielfach die Neigung besteht, die Bemühung um Entspannung schon mit deren wohltuendem Endergebnis zu verwechseln.
Die Entwicklung zwingt die europäischen Bündnispartner, für manche ihrer Verteidigungsprobleme gemeinsame Lösungen zu finden, um auf diese Weise die verfügbaren finanziellen Mittel so effektiv wie möglich zu nutzen. Die EUROGROUP hat sich als ein wirksames Instrument der militärischen Zusammenarbeit in Europa erwiesen. Sie wird sich in diesem Jahr vorrangig mit der Frage der technischen und wirtschaftlichen Rüstungszusammenarbeit unter den europäischen Partnern befassen.
Die verbindliche Grundlage für die Beiträge der Bündnispartner sind die in dem Ministerratsdokument AD 70 niedergelegten Empfehlungen über die qualitativen Verbesserungen der Streitkräfte bei Erhaltung des quantitativen Rahmens. Diese Empfehlungen sind inzwischen weitgehend in die Zielsetzungen der Streitkräfte des Bündnisses für die Jahre 1973 bis 1978 eingegangen. Diese Zielsetzungen haben wir vor vier Wochen auf der Sitzung des Defense Planning Committee des Bündnisses in Brüssel für die beteiligten Regierungen bestätigt. Die Zielsetzungen sehen einen gleichbleibenden Anteil des wachsenden nationalen Einkommens der Bündnispartner für die Verteidigungsaufgaben vor.
Aus alledem ergibt sich für unser Land auf absehbare Zukunft die Notwendigkeit, am Wehrpflichtprinzip festzuhalten. Angesichts der anhaltenden Voll- und Überbeschäftigung, illustriert u. a. durch über zwei Millionen Gastarbeiter in unserem Land, bleibt die Wehrpflicht die einzige vernünftige Grundlage für die Deckung des personellen Bedarfs unserer Streitkräfte. Die politisch-psychologische Vorbedingung für die Beibehaltung des Wehrpflichtprinzips ist aber ein hohes Maß an tatsächlicher Allgemeinheit der Wehrpflicht oder, wie man auch sagt, ein hohes Maß an Wehrgerechtigkeit. Um dieses hohe Maß zu erreichen, hat die Bundesregierung das sogenannte Artikelgesetz vorgelegt, das heute morgen verabschiedet werden soll. Dieses Gesetz enthält die gesetzliche Grundlegung erstens für die Heranziehung höherer Prozentanteile des wehrpflichtigen Altersjahrgangs, zweitens für die daraus resultierende Verkürzung des Grundwehrdienstes von 18 auf 15 Monate und drittens für die damit nötigen Maßnahmen zur Gewinnung von längerdienenden Freiwilligen. Das Artikelgesetz bedeutet keine Verringerung unserer Verteidigungsanstrengungen, sondern es schafft die Voraussetzung, unsere Bündnisverpflichtungen zukünftig gerechter erfüllen zu können als bisher.
Erst die Bereitschaft der wehrpflichtigen Soldaten und die Bereitschaft eines angemessenen Anteils von längerdienenden freiwilligen Soldaten zum Dienst in den Streitkräften machen unsere Verbände einsatzfähig. Die Bundesregierung wird diesen Zusam-



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menhang auch in Zukunft sehr wohl beachten. Dazu gehört auch, daß Bildung und Ausbildung in den Streitkräften neu gestaltet, Offiziere und Unteroffiziere auf ihre Aufgaben zukünftig besser vorbereitet werden. Solche Zielsetzung entspricht im übrigen auch der allgemeinen bildungspolitischen Entwicklung in unserer Gesellschaft.
Die Neuordnung von Ausbildung und Bildung wird die Bundeswehr in Zukunft effektiver und attraktiver machen. Militärische und möglichst zugleich zivil anerkannte und später zivilnutzbare fachliche Ausbildung wird, wo immer möglich, als Einheit gesehen und als Einheit behandelt. Für die entsprechende Ausbildung unserer Unteroffiziere haben die im Weißbuch 1971/1972 erwähnten Modelllehrgänge inzwischen an mehreren Stellen begonnen. Sie führen zu zivilberuflich anerkannten Abschlüssen, z. B. für technische Berufe oder als Bürokaufmann, als Sozialpädagoge oder Krankenpfleger usw. Mit gleicher Zielsetzung ist an der Pionierschule eine Fachschule für Bautechnik entstanden, und im Herbst dieses Jahres werden an der Fernmeldeschule und an einer Technischen Truppenschule entsprechende Fachschulen ihre Arbeit aufnehmen.
Für die auf mindestens zwölf Jahre oder länger verpflichteten Zeitoffizieranwärter und für die Berufsoffizieranwärter — also für die, die ihr Leben lang dienen wollen und sollen — ist in Zukunft eine insgesamt fünfjährige Offizierausbildung vorgesehen, davon drei Jahre Studium mit Diplomabschluß an einer Bundeswehrhochschule. In der Nähe und in enger Zusammenarbeit mit den großen Universitäten in Hamburg und München, wo wir die vorhandenen Offizierschulen und die vorhandenen anderen Schulen der Bundeswehr unter Wegfall der alten Zwecke für den neuen Zweck umwidmen werden, soll das in drei Studienjahre eingeteilte berufsbezogene Studium von Herbst 1973 an absolviert werden können. Ich unterstreiche das Wort „Studienjahre": Es wird sich um die erste Hochschuleinrichtung der Bundesrepublik handeln, die endlich mit dem „Studienjahr" ernst macht.

(Beifall.)

Als Studiengänge werden vorerst nebeneinander Betriebswirtschaft, Pädagogik, Maschinenbau, Luft- und Raumfahrttechnik, Elektrotechnik, Bauingenieurwesen und Informatik angeboten werden. Weitere Einzelheiten über dieses Projekt werde ich als Antwort auf eine Kleine Anfrage der Opposition dem Hause in Kürze zuleiten.
Die Stabsoffizierprüfung und die Ausbildung der Stabsoffiziere werden ebenfalls neu geordnet. Zu diesem Zweck werden Führungsakademie und Staatsakademie in Hamburg unter einem Dach vereinigt werden
Die Bundesregierung mißt der Reform von Bildung und Ausbildung in den Streitkräften hohe Priorität zu, nicht zuletzt — ich wiederhole das —, um ausreichend viele und ausreichend leistungsfähige junge Männer für einen längeren Dienst bei der Truppe zu gewinnen.
Das Artikelgesetz und diese Neuordnung von Bildung und Ausbildung sind seit Monaten nun auch in der öffentlichen Diskussion. Die Attraktivität dieser Vorhaben läßt sich schon jetzt, ohne daß ich eine langfristige Prognose wagen darf, am Zuwachs der Unteroffizierbewerber und der Offizierbewerber ablesen. Von Januar bis April 1972 einschließlich ist die Zahl der in der Bundeswehr bisher nicht gedient habenden Offizierbewerber, verglichen mit den ersten vier Monaten des Vorjahres, um 40 % gestiegen. Weit überwiegend waren es Bewerber mit mittlerer Reife und mit Fachhochschulreife; bei Abiturienten war der Anstieg nur relativ gering, doch auch bei Abiturienten ist der Anstieg bemerkenswert. Denn es ist das erstemal seit vier oder fünf Jahren, daß ein bisher negativer Trend in eine positive Aufwärtsbewegung umschlägt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Für die Laufbahnen der Mannschaften und der Unteroffiziere haben sich in den ersten vier Monaten des Jahres 1972, verglichen mit den ersten vier Monaten des Jahres 1971, erheblich mehr Bewerber gemeldet. Besonders stark war der Anstieg bei den Soldaten auf Zeit, die sich für drei Jahre oder länger verpflichtet haben; hier gab es nämlich einen Anstieg um 37 %. Auch dies signalisiert uns einen Umschwung der Bewerberzahlen, die seit 1968 rückläufig gewesen waren. Wir werden es vermutlich weiter mit einer günstigen Entwicklung zu tun haben, wenn das Artikelgesetz erst in Kraft sein wird und wenn die Maßnahmen zur Verbesserung von Ausbildung und Bildung innerhalb der Streitkräfte wirksam werden.
Übrigens beabsichtigt die Bundesregierung, auch für 1972/1973 ein Verteidigungsweißbuch vorzulegen. Darin wird auch diesmal die Offenlegung unserer personalwirtschaftlichen Entwicklung einen Schwerpunkt darstellen. Das Weißbuch 1971/1972, das ja heute ebenfalls auf der Tagesordnung steht, hat inzwischen in der westlichen Welt große Anerkennung gefunden; es dient an manchem Ort als Vorbild. Soweit es neue Absichten der Bundesregierung dargelegt hat, werden diese — nicht zuletzt, meine Damen und Herren, durch Ihre heute morgen zu fassenden Beschlüsse — verwirklicht.
In diesem Zusammenhang im übrigen eine einzige antikritische Bemerkung: Auch jedes zukünftige Verteidigungsweißbuch muß dort ausdrücklich Wiederholungen in Kauf nehmen, wo sich die sicherheitspolitische Lage unseres Landes oder die Absichten der Bundesregierung nicht geändert haben, denn Weglassungen genauso wie etwaige Neuerungssucht könnten sonst zu Fehlinterpretationen führen.

(Zustimmung des Abg. Wehner.)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß und fasse zusammen. Die positive Zwischenbilanz unseres Bündnisses wurde dem NATO-Rat möglich nach der Ratifizierung der Ostverträge im Deutschen Bundestag, nach dem politisch damit verbundenen Inkrafttreten des Berlin-Abkommens in allen seinen Elementen, wurde möglich nach dem Ergebnis des Besuchs von Präsident Nixon in Moskau, wurde möglich auf Grund der nach wie vor übereinstimmenden Interessenlage der Bündnispartner und deren weitgehend übereinstimmender Beurteilung.



Bundesminister Schmidt
Die Bundesregierung und unsere Partner gehen danach ohne Euphorie, aber mit der erforderlichen Festigkeit und Flexibilität auf die Verhandlungen zu, die zu einer Konferenz über die Sicherheit und Zusammenarbeit und andererseits zu verabredeten gleichgewichtigen Truppenverringerungen führen sollen. Die multilateralen Vorbereitungen beginnen im Laufe des Herbstes. Der als Voraussetzung dafür nötige innere Zusammenhalt unseres Bündnisses ist im Jahre 1972 noch einmal gewachsen. Die Bundesregierung betont erneut, daß sie eine Konferenz anstrebt, die praktische Ergebnisse im Hinblick auf mehr Stabilität, mehr Sicherheit, mehr Vertrauen in Europa bringt. Unsere Motive bleiben unverändert:
Erstens. Wir haben nicht nur ein moralisches, sondern auf Grund unserer geographischen Lage auch ein vitales Interesse an der Spannungsminderung in Europa.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD.)

Zweitens. Die Bundesregierung unterstützt deshalb weitere Schritte zur Konkretisierung der Entspannung auf diesem Kontinent und zur Überwindung der Konfrontation; und sie beteiligt sich aktiv daran.
Drittens. Dabei bleibt die Aufrechterhaltung des Kräftegleichgewichts in Europa eine unerläßliche Bedingung.
Viertens. Die Bundesregierung wird deshalb auch in Zukunft einen ihren Möglichkeiten angemessenen Verteidigungsbeitrag im Rahmen des Atlantischen Bündnisses leisten. Die Kooperation im Bündnis bleibt die Grundlage unserer Sicherheit.
Herr Präsident, gestatten Sie mir am Schluß als persönlichen Beitrag die Wiedergabe eines Zitats aus der Feder eines großen liberalen Kommentators aus dem südlichen Teil unseres Vaterlandes, eines Zitats, das mir an dieser Stelle angemessen erscheint. Hans Heigert hat am 18. März in der „Süddeutschen Zeitung" in einem bemerkenswerten Aufsatz unter dem Titel „Dienst an diesem Land" u. a. folgendes geschrieben:
Dies Land ist nicht nur des Schweißes der Besten wert. Verglichen mit den meisten anderen Gemeinwesen auf dem gegenwärtigen Globus sind nur wenige Staaten imstande, ihre öffentlichen Dinge ähnlich optimal, nämlich derart freiheitlich, derart sozial und gerecht zu ordnen. Daraus leitet sich durchaus die Legitimation ab, auch von der nachfolgenden Generation einen Dienst abzuverlangen. In Zeiten, in denen nahezu ausschließlich von Rechten geredet wird, mag dies unpopulär sein. Engagement scheint gegenwärtig vor allem dann zu mobilisieren zu sein, wenn es gegen etwas geht. Aber es steht Demokraten, progressiven wie konservativen Demokraten sehr wohl an, auch auf die Notwendigkeit des Dienstes und auf die Notwendigkeit der Pflicht aufmerksam zu machen.
Ich unterstreiche: sowohl progressiven als auch konservativen Demokraten.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0619600200
Das Haus hat die Regierungserklärung des Herrn Bundesministers der Verteidigung entgegengenommen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wörner. Für ihn ist eine Redezeit von 35 Minuten beantragt.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0619600300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Typisch für eine Zeit des Übergangs zeigt sich die Sicherheitslage der Welt in einer eigentümlichen Doppelgesichtigkeit. Einerseits erleben wir das Streben beider Supermächte, der Vereinigten Staaten wie der Sowjetunion, nach einem partiellen Interessenausgleich. Das atomare Patt und die ständig steigenden Rüstungslasten zwingen die beiden Großmächte zu dem Versuch, ihrer Rivalität Grenzen zu setzen und nach gemeinsamen Spielregeln für ihre Auseinandersetzung zu suchen, die im Interesse ihrer Selbsterhaltung liegen. Der erfolgreiche Abschluß der ersten beiden SALT-Abkommen ist Ausdruck dieser Interessengemeinsamkeit.
Auf der anderen Seite — das wird häufig übersehen — besteht der politische und militärische Gegensatz der Supermächte unvermindert fort. Die Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme der demokratischen Staaten des Westens und der totalitären Staaten des Ostens bleiben unvereinbare Gegensätze. Freiheit und Unfreiheit vertragen sich nicht. Noch steht auch die kommunistische Ideologie uns in unversöhnlicher Feindschaft gegenüber. Der ideologische Impuls des kommunistischen Systems ist keineswegs nur Fassade. Koexistenz bedeutet, wie sowjetische Politiker vor allem in letzter Zeit immer und immer wieder betonen, eher Verschärfung denn Verminderung des Kampfes. Wir leben also nicht in einer Welt der Entspannung, sondern weit eher in einer Welt, die versucht, Kontrolle der Spannung zu erzielen.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

Noch stehen die Zeichen eher auf Konfrontation denn auf Kooperation.
Ein Blick auf den unverminderten Ausbau des sowjetischen Militärapparats läßt keinen anderen Schluß zu. Dieser Militärapparat geht weit über das hinaus, was die Sowjetunion zur eigenen Verteidigung und zur Absicherung ihres eigenen Machtbereichs benötigt. Die Sowjetunion hat in den letzten Jahren gewaltige Rüstungsanstrengungen unternommen. Die Landtruppen allein wurden auf 3,5 Millionen Mann aufgestockt, die größte Armee, die es je in Friedenszeiten gab. Die Feuerkraft der Divisionen wurde verstärkt, die Überlegenheit an Panzern und Flugzeugen weiter ausgebaut. Der Aufbau einer weltweit operierenden Flotte war vordringlich, Priorität Nr. 1 da drüben. Die Sowjetunion hat heute die modernste Flotte und steht mit Neubauten im Verhältnis von 8 : 1 gegenüber den Vereinigten Staaten im Vorteil.

(Abg. Dr. Klepsch: Hört! Hört!)

Der Etat für wehrtechnische Forschung und Entwicklung, außerordentlich bedeutsam für die Zukunft,
liegt um 40 bis 50 °/o höher als der amerikanische.



Dr. Wörner
Selbst wenn man die vorhandenen Tarntitel nicht berücksichtigt, betragen die sowjetischen Rüstungsausgaben 11 % des Sozialprodukts gegenüber nur 7,9 % in den Vereinigten Staaten von Amerika. Auch die DDR liegt mit 5,9 % höher als die Bundesrepublik mit 4,5%. Dabei sind die Ausgaben in den Ostblockstaaten für Personalkosten weitaus geringer als im Westen. Die gewaltigen Rüstungsanstrengungen der Sowjetunion können, so meinen wir, nicht anders gedeutet werden als eben nach wie vor mit expansiven Zielsetzungen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Sie dienen eben nicht der Stabilisierung und allein der Erhaltung des Status quo, wie das manche bei uns meinen, sondern ganz eindeutig der Ausweitung der sowjetischen Macht- und Einflußsphäre.
Ich glaube, man muß bei uns etwas stärker über die sehr umfassende sowjetische Strategie nachdenken, in der die Streitkräfte eine Karte, eine sehr bedeutsame Karte im Spiel bilden. Es ist doch unverkennbar, daß sich eine sowjetische Doppelstrategie herausgebildet hat. Auf der einen Seite versucht man, durch Entspannungsoffensiven und Entspannungsbeteuerungen die psychologische Basis für die Verteidigung des Westens zu vermindern, und auf der anderen Seite baut man den militärischen Machtapparat aus, um damit seine politischen Ziele durchsetzen zu können.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Wenn man gerade in den vergangenen Tagen beispielsweise Äußerungen von Breschnew und Honecker liest, fällt einem auf, wie triumphal dort auf das veränderte Kräfteverhältnis, und zwar zugunsten des Sozialismus, hingewiesen wird, um nachzuweisen, daß man in dieser Welt mit guten Chancen für die Zukunft dasteht, und das wird immer mit einer weiteren Kampfansage verknüpft. Das also ist die Doppelgesichtigkeit, von der ich sprach. Welche der beiden Tendenzen sich nun durchsetzen wird, ob die eines weiteren Interessenausgleichs oder aber die einer Verhärtung der Konfrontation, das, meine Damen und Herren, wird in weitem Umfang durch den Westen selbst bestimmt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nur dann, wenn die Sowjetunion einsehen muß, daß es aussichtslos ist, die Parität oder das Gleichgewicht zu ihren Gunsten zu wandeln, nur dann wird sie sich die SALT-Gespräche sind dafür ein klarer Beweis — zu einem echten Interessenausgleich Bereitfinden. Darum sind die sehr deutlichen Warnungen der letzten NATO-Konferenz, von der Sie, Herr Bundesverteidigungsminister, gesprochen haben, nur allzu berechtigt. Einseitige Abrüstungsmaßnahmen und Verringerung der Verteidigungsbereitschaft im Westen würden das Ende jeglicher echten Entspannungspolitik bedeuten.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr wahr!)

Wo das Gleichgewicht auch nicht mehr annähernd gewährleistet ist, droht Unterwerfung an Stelle von Zusammenarbeit.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn der Westen Konfrontation abbauen und auf der Straße der Kooperation vorankommen will — wir alle wollen das —, dann muß er — das ist eine klare Voraussetzung — zu jeder Zeit bereit und in der Lage sein, der Konfrontation standzuhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Darum ist jegliche Entspannungseuphorie so gefährlich. Sie ist kontraproduktiv; sie verhindert gerade das, was sie will, nämlich echte Entspannung.
Wir stimmen mit der Feststellung des Bundesverteidigungsministers überein, daß Verteidigung und Entspannung untrennbar miteinander verbunden sind. Wenn der Herr Bundeskanzler anläßlich der Eröffnungssitzung der NATO-Ministertagung — Sie waren so freundlich, das zu zitieren — davon gesprochen hat, daß wir uns keinem Wunschdenken hingeben dürfen und uns nicht in trügerischer Sicherheit wiegen dürfen, so begrüßen auch wir von der CDU das ausdrücklich.
Wir hätten uns allerdings gewünscht — das sage ich vor allem in Richtung auf den Herrn Bundeskanzler , daß man zu allen Zeiten und nach allen Richtungen hin dies so deutlich gemacht hätte wie bei jener Gelegenheit.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dann wäre es wohl nicht so weit gekommen, daß heute nicht nur Jungsozialisten,

(Lachen und Zurufe bei der SPD)

sondern beispielsweise auch ein so bedeutender und in den Kreisen der SPD einflußreicher Mann wie der neue Vorsitzende der IG Metall, Loderer, die Streichung von Rüstungsausgaben unter Hinweis auf die Friedenspolitik der Regierung Brandt/Scheel fordern.

(Abg. Dr. Klepsch: Hört! Hört!)

Ich meine, daran ist die Regierung nicht ganz unschuldig. Sie trägt ein Stück Verantwortung dafür, daß sich Illusionen über Stand und Voraussetzungen der Entspannung in unserem Volk breit machen,

(Abg. Horn: Das ist eine Philosophie!)

daß es viele gibt, die nicht mehr an die Bedrohung durch die Sowjetunion glauben, daß es viele gibt — und das können Sie sehr leicht feststellen, wenn Sie beispielsweise durch höhere Klassen der Oberschulen gehen —,

(Abg. Horn: Wann waren Sie denn das letzte Mal dort?)

die gar nicht mehr bereit sind, Zahlen über das militärische Kräfteverhältnis in dieser Welt zur Kenntnis zu nehmen.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr richtig!)

Die steigenden Zahlen der Wehrdienstverweigerer in den höheren Schulen legen dafür beredtes Zeugnis ab.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD und Gegenrufe von der CDU/CSU.)

Das einzige, was ich mit diesen Feststellungen sagen will — ich nehme an, daß der Bundesverteidigungsminister mich hierbei versteht —, ist, daß man in Zukunft stärker als in der Vergangenheit bei

Dr. Wörner
seinen Reden, wo auch immer, das Gleichgewicht von Verteidigung auf der einen Seite und Entspannung auf der anderen Seite betont, so wie das heute hier zu Recht geschehen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Horn: Ist noch nie in Frage gestellt worden! — Gegenrufe von der CDU/CSU.)

Deswegen ist eben unsere Forderung, wie gesagt, daß man überall dort Illusionen entgegentritt, wo sie sich breitmachen. Deswegen auch unsere Forderung, die ich bei dieser Gelegenheit erneut vortrage, daß an Schulen und an Lehrerbildungsstätten, und zwar nüchtern und sachlich, über diese Grundvoraussetzungen deutscher Enspannungs- und Sicherheitspolitik aufgeklärt wird. Wir wollen gar keine Schwarzweißmalerei,

(Lachen bei der SPD)

wir wollen auch nicht, daß etwa nur von Bedrohung und nicht mehr von der Chance zur Entspannung gesprochen wird. Es ist sicherlich gut und richtig, wenn Wandlungen in der Interessenlage und in der Politik der Sowjetunion aufmerksam registriert werden.
Es war seit jeher Ziel deutscher Außenpolitik, die politischen und die militärischen Spannungen in Europa abzubauen. Dies kann allerdings nur gelingen, wenn man nicht in bloßer Klimaverbesserung steckenbleibt, sondern konkrete Vereinbarungen über die Beseitigung der Spannungsursachen und Spannungsfaktoren erzielt.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr gut! — Abg. Horn: Sehr richtig!)

Dafür gibt es zwei Voraussetzungen. Erstens. Politische und militärische Schritte sind zu verknüpfen. Eine militärische Entspannung kann man dauerhaft nur auf der Basis des politischen Vertrauens erreichen. Umgekehrt bildet sich politisches Vertrauen nur dort, wo die militärische Bedrohung vermindert wird.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Zweitens. Bei allen Abrüstungsschritten ist darauf zu achten, daß die Grundsätze der Gleichwertigkeit, der Wechselseitigkeit und der Kontrolle beachtet werden, damit das Gleichgewicht der Kräfte zu keinem Zeitpunkt gefährdet wird.
Diese Überlegungen bestimmen die Haltung der CDU/CSU-Fraktion zur Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und zum Projekt einer ausgewogenen Truppenreduzierung. Die Sowjetunion — und das haben Äußerungen Honeckers und Breschnews in den letzten Tagen wieder sehr deutlich gemacht — möchte die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit nach wie vor dazu nützen, ihren Besitzstand in Mitteleuropa politisch und rechtlich zu festigen, der DDR zur internationalen Anerkennung zu verhelfen, die europäische Einigung zu unterlaufen, die Bande zwischen den Vereinigten Staaten und Westeuropa zu lockern und damit die Verteidigungsbereitschaft und die militärischen Anstrengungen der NATO zu schwächen.
Niemand sollte sich über diese Zielsetzungen der Sowjetunion irgendeiner Illusion hingeben. Allerdings sei damit auch gleichzeitig gesagt: Wir haben es nicht nötig, auf eine solche Konferenz etwa in der Haltung ängstlicher Defensive zu gehen. Ganz im Gegenteil, die Staaten der NATO sollten die Chance zu eigenen und vorwärtsweisenden Initiativen auf dem Feld der Entspannung nützen. Dies sollte beispielsweise durch konkrete Vorschläge und Vorstellungen auf dem Gebiet der Freizügigkeit und des ungehinderten Austauschs

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr gut!) von Informationen und Meinungen erfolgen.


(Beifall bei der CDU/CSU.)

Auch Prinzipien des zwischenstaatlichen Verkehrs sollten nicht losgelöst von den konkreten Beziehungen diskutiert werden. Welchen Wert hätte beispielsweise eine unverbindliche Einigung über das Prinzip der Nichteinmischung, über das Prinzip des Gewaltverzichts, wenn dabei nicht auch die Anwendung auf die Beziehungen der Staaten in den Blökken untereinander konkret besprochen würde?

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr gut!)

Nur durch Konzentration auf möglichst konkrete und substantielle Einzelfragen kann man verhindern, daß sich die Sicherheitskonferenz in allgemeinen Deklamationen erschöpft und so zu einem Propagandaforum entartet.
Die Staaten der NATO müssen in nächster Zeit alles daransetzen, zu einer gemeinsamen und geschlossenen Verhandlungsposition zu kommen. Sie dürfen sich vor allen Dingen nicht gegeneinander ausspielen lassen. Sorgfältige Vorbereitung — lassen Sie mich das ganz klar sagen — entscheidet wesentlich über die Erfolgsaussichten einer solchen Konferenz. Darum sollte sich niemand im Westen unter Zeitdruck setzen lassen.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr gut!)

Die Konferenz darf auch in der deutschen Frage nichts vorwegnehmen und nichts zementieren. Darauf muß die Bundesregierung in allen Phasen der Vorbereitung und der Durchführung der Konferenz besonders achten.
Schließlich muß die NATO von Anfang an unzweideutig klarmachen, daß alle Versuche, die atlantische Sicherheitsordnung durch eine europäische Sicherheitsordnung — unter Ausschluß der Vereinigten Staaten von Amerika — abzulösen, auf ihren entschiedenen Widerstand stoßen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die USA sind und bleiben der Garant der europäischen Sicherheit.
Die Verbindungen zwischen KSZE und MBFR, die man in Form paralleler Verhandlungen auf der NATO-Konferenz gefunden hat, finden wir annehmbar. Es bleibt allerdings das dezidierte Interesse der Bundesrepublik, daß Fragen der militärischen Sicherheit nicht ausgeklammert, sondern in die Verhandlungen einbezogen werden.



Dr. Wörner
Noch schuldet die Sowjetunion der Weltöffentlichkeit Antwort auf die Frage, warum sie weit mehr Truppen in Europa unterhält, als sie zu ihrer Verteidigung und zur Absicherung ihres Machtbereichs benötigt.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr gut!)

Wer wirklich Entspannung will, muß jede Form militärischer Bedrohung beseitigen. Darum — und darauf legt die CDU/CSU-Fraktion besonderen Wert — darf die Frage militärischer Sicherheit nicht hinter dem Rauchschleier von Kooperationsbeteuerungen verschwinden.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr gut!)

Wer dies erreichen will, muß darauf achten — und darum bitten wir Sie, Herr Bundesverteidigungsminister —, daß nicht nur ein zeitlicher, sondern auch ein sachlicher Gleichklang und Zusammenhang zwischen KSZE-. und MBFR-Gesprächen hergestellt wird. Als ein formelles und sachliches Bindeglied bieten sich dafür die stabilisierenden und vertrauensbildenden Maßnahmen an wie etwa Bewegungsbeschränkungen, Austausch von Manöverbeobachtern und anderes mehr. Im übrigen gilt auch für MBFR, daß im Rahmen der Allianz nach einem möglichst hohen Maß der Gemeinsamkeit gesucht werden muß, ehe die vorbereitenden Gespräche beginnen.
Unabdingbare Erfolgsvoraussetzung aller Verhandlungen bleibt, daß die Allianz in ihren Verteidigungsanstrengungen nicht nachläßt. Eine weitere Verschiebung der Kräfteverhältnisse zuungunsten der NATO in Europa bedeutet — darüber müssen wir in unserem Volk Klarheit schaffen — eine ernste Gefahr für Sicherheit und Freiheit und für die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Darum müssen wir alles daransetzen, das Kräftegewicht in Mitteleuropa ausgeglichen zu halten, um die Wirksamkeit der Abschreckung nicht zu gefährden.
Drei Voraussetzungen machen die Abschreckung glaubwürdig:
1. die europäisch-atlantische Solidarität,
2. ein klar erkennbarer politischer Behauptungswille unseres Volkes und
3. ein präsentes kampfkräftiges flexibles militärisches Instrumentarium.
Zunächst zur europäisch-atlantischen Solidarität. Dazu gehört: Europa muß sich stärker auf seine sicherheitspolitischen Verpflichtungen besinnen. Wir müssen zukünftig einen größeren Teil unserer Verteidigung selbst bestreiten, als wir das gegenwärtig tun. Es gibt keinen anderen Weg als den einer fort-scheitenden Einigung Europas auch auf verteidigungspolitischem Gebiet.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Rüstungskooperation, Aufgabenteilung und Standardisierung sind erste Schritte auf diesem Weg. Noch ist nicht der Zeitpunkt — hier gebe ich Ihnen recht —, in dem verbindliche Beschlüsse über konkrete Fragen der Organisation einer neuen europäischen Verteidigungsgemeinschaft gefaßt werden könnten. Sicher ist allerdings auch, daß mit dieser Verteidigungsgemeinschaft und mit den Schritten dahin nicht zugewartet werden darf, bis eines Tages die politische Einigung erst einmal verwirklicht wäre. Das eine wie das andere wäre falsch. Man muß darauf achten, daß beides koordiniert und Schritt um Schritt vollzogen wird.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Auch ein vereinigtes Europa bleibt — hier stimmen wir überein — auf das verteidigungspolitische Bündnis mit den Vereinigten Staaten angewiesen. Um das Übergewicht der Sowjetunion und des Warschauer Paktes balancieren zu können, müssen die Vereinigten Staaten von Amerika einerseits mit substantiellen und nicht nur symbolischen Truppenverbänden hier in Europa präsent bleiben und andererseits taktisch-nukleare Waffen in Europa stationiert halten, und zwar nicht nur — wie das meistens gesehen wird — zum Ausgleich des konventionellen Übergewichts des Warschauer Pakts, sondern vor allen Dingen als Bindeglieder zur strategisch-nuklearen Abschreckung durch die Vereinigten Staaten von Amerika.
Zum politischen Behauptungswillen unseres Volkes. Hier, meine Damen und Herren, liegen unsere größten Sorgen.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Wir sehen das sprunghafte Anwachsen der Zahlen der Wehrdienstverweigerer. Unverkennbar ist auch der Rückgang der Verteidigungsbereitschaft in gewissen intellektuellen Schichten und bei der jüngeren Generation, wie Umfrageergebnisse zeigen.

(Abg. Dr. Klepsch: Leider wahr!)

In diesem Zusammenhang, Herr Bundesverteidigungsminister — ich hoffe, das ohne allzu scharfen polemischen Unterton zu sagen —, haben wir eine Bitte an Sie, und zwar nicht so sehr an den Bundesverteidigungsminister als an den stellvertretenden Vorsitzenden der SPD: Sorgen Sie dafür, daß die Aktionen der Jungsozialisten gegen die Bundeswehr aufhören!

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Es ist untragbar, daß zum gleichen Zeitpunkt, in dem Sie eine so gute Rede halten, in dem Sie für eine ungebrochene Kampfkraft der Bundeswehr plädieren, Jungsozialisten, Jungdemokraten, DGB-Jugend und die Wehrdienstverweigerer in Stuttgart einen Kongreß gegen die „innere Militarisierung der Bundesrepublik" organisieren.

(Abg. Dr. Klepsch: Hört! Hört!)

Und es ist untragbar, daß zu der gleichen Zeit, zu der Bundeskanzler und Bundesverteidigungsminister die Kultusminister der Länder auffordern, über die Notwendigkeit der Landesverteidigung im Unterricht stärker aufzuklären, Jungsozialisten und damit Mitglieder der SPD auf lokaler Ebene Kampfmaßnahmen etwa gegen den Erlaß des Kultusministers von Baden-Württemberg durchführen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)




Dr. Wörner
Noch untragbarer, glaube ich, ist es, wenn vor kurzem ein vom Vorstand der SPD Süd-Hessen gebildeter friedenspolitischer Ausschuß unter Vorsitz eines Bundestagskollegen der SPD Empfehlungen zur Unterstützung von Wehrdienstverweigerern herausgegeben hat,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das darf doch nicht wahr sein!)

in denen — ich zitiere — „dem Bestimmungsanspruch des für schon so oft verhängnisvollen Militärs" entgegengetreten

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

und die allgemeine Dienstpflicht als eine — ich zitiere wieder — „längst überschrittene Stufe im Prozeß der Demokratisierung" bezeichnet wird. Ich habe nicht gehört, daß der Parteivorstand der SPD dagegen eingeschritten wäre. Wie, Herr Bundesverteidigungsminister, reimt sich das mit Ihrer Rede und Ihrer Haltung zusammen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich habe es schon einmal gesagt, und ich sage es hier wieder: Hier geht es nicht nur um die Glaubwürdigkeit Ihrer Partei — das ist Ihre Sache —, hier geht es eben um diesen Behauptungswillen unseres Volkes. Denn wir werden es nicht schaffen, Schüler und Lehrer draußen von der Notwendigkeit der Landesverteidigung zu überzeugen, wenn Sie in Ihrer eigenen Partei eine solche Überzeugung nicht durchzusetzen vermögen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Ich komme zum dritten: zur Forderung nach einem präsenten, kampfkräftigen und flexiblen militärischen Instrumentarium. Auch hier haben wir einen Sektor der Übereinstimmung. Auf die allgemeine Wehrpflicht wird in absehbarer Zeit nicht verzichtet werden können — nicht nur aus den von Ihnen genannten Gründen. Verteidigung muß Sache des ganzen Volkes bleiben. Es darf sich nicht der Eindruck festsetzen, daß Verteidigung nur die Sache einiger weniger bezahlter Spezialisten ist.
Wir stimmen dem Artikelgesetz zu. Diese Entscheidung ist uns — ich will das ganz offen bekennen — nicht leichtgefallen. Ihre Argumente und die Argumente auch der militärischen Sachverständigen haben uns nicht voll zu überzeugen vermocht. Ganz sicher wird die Dienstzeitverkürzung nicht ohne Auswirkung auf die Kampfkraft der Bundeswehr bleiben. Die Schwierigkeiten in der Truppe sind unübersehbar. Lassen Sie mich in dem Zusammenhang schon jetzt Dank an all die Unteroffiziere und Offiziere Nagen, die diese Maßnahme in der Übergangszeit durchtragen und sich dafür erheblichen Mehrbelastungen unterziehen müssen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Im einzelnen wird dazu mein Kollege Damm sprechen. Hier sei nur so viel gesagt: die Verkürzung der Unteroffiziers- und Offiziersausbildung ist ein außerordentlich bedenklicher und folgenschwerer Weg.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Die Einziehung beschränkt Tauglicher bringt zahllose Probleme für die Truppe mit sich. Die Wehrgerechtigkeit ist kurzfristig verbessert und hierin liegt der Wert dieser Maßnahme , langfristig aber nicht gelöst. Es bleibt als einziger Ausweg die Alternative der CDU/CSU-Fraktion: Zusammenfassung der Dienste nach Artikel 12 a und Ausbau der Plätze im zivilen Bereich.
In der Debatte zum Bericht des Wehrbeauftragten habe ich gefordert, daß von der politischen und militärischen Führung wieder klar die Bedeutung von Disziplin und soldatischer Ordnung dargestellt und begründet werden muß. Die von Ihnen zitierte Äußerung von Admiral Zimmermann entspricht voll unserer Auffassung.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Auch hier, Herr Kollege Schmidt, eine ganz kleine Spitze — nur eine ganz kleine —: Wir hätten uns diese Äußerung aus Ihrem Mund etwas früher gewünscht. Jetzt kommt es darauf an, den Vorgesetzten Mut zu machen, das als verbindlich anerkannte Maß an Disziplin und ein anständiges Erscheinungsbild auch mit den ihnen verfügbaren disziplinären Mitteln draußen durchzusetzen. Sie müssen wissen, daß Sie sich dabei auf die militärische und politische Führung verlassen können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Ernennung von Admiral Zimmermann findet unsere volle Zustimmung. Wir wissen, daß er alle Voraussetzungen mit sich bringt, um dieses schwierige Amt zu meistern. Für seine Amtsführung darf ich ihm auch im Namen der CDU/CSU-Fraktion alles Gute und viel Erfolg wünschen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Bei dieser Gelegenheit darf ich auch noch einmal für die CDU/CSU-Fraktion dem ausgeschiedenen Generalinspekteur de Maizière unseren Dank für seine vorbildliche Pflichterfüllung sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die CDU-CSU-Fraktion sagt grundsätzlich ja zur Verbesserung des Ausbildungssystems in den Streitkräften. Es fehlt allerdings bis heute eine geschlossene Stellungnahme des Verteidigungsministeriums zum Ellwein-Konzept. Die personellen und finanziellen Konsequenzen der Verwirklichung der Vorschläge sind nicht durchgerechnet. Auch die Koordinierung mit den Vorschlägen der Personalstrukturkommission ist nicht erkennbar. Wir haben den Eindruck ich sage es ganz offen —, daß ohne gesichertes Gesamtkonzept Teilstücke ins Werk gesetzt werden.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr wahr!)

So ist etwa unklar, auf welche Ausbildungsprofile und auf welchen Bedarf hin ausgebildet werden soll. Solange weder Realisierbarkeitsuntersuchungen noch ein abgesichertes Finanzkonzept vorliegen, kann hier nur so viel allgemein zu dem Konzept gesagt werden:
Erstens. Das gesamte Ausbildungskonzept muß stärker verwendungsbezogen und praxisorientiert,



Dr. Wörner
das heißt so ausgerichtet werden, daß die Verbesserung der Kampfkraft im Vordergrund steht.
Zweitens. Die Offiziere und Unteroffiziere müssen zu militärischen Führungspersönlichkeiten ausgebildet werden. Dies darf bei aller fachlicher Ausbildung nicht in den Hintergrund treten.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Drittens. Die Unteroffiziersausbildung darf nicht an die zweite Stelle rücken.
Und schließlich — viertens —: Wenn die akademische Ausbildung des Offizieres verwirklicht wird, geben auch wir in Übereinstimmung mit Ihnen bundeswehreigenen Hochschulen grundsätzlich den Vorzug. Allerdings sollten schon bestehende und bewährte Bildungseinrichtungen der Streitkräfte nicht zerschlagen werden. Ein endültiges Votum wird die CDU/CSU-Fraktion allerdings erst abgeben können, wenn uns nachgewiesen wird, ob, wann und wie die Bundeswehrhochschulen über die Jahre hinweg finanziert werden können, und wenn wir auch wissen, wie die innere Struktur dieser Bundeswehrhochschulen aussehen soll und wie etwa das Berufungsverfahren gehandhabt werden soll. Wenn Sie, Herr Bundesverteidigungsminister, auf unsere Zustimmung Wert legen, dann dürfen Sie hier keine vollendeten Tatsachen schaffen, ohne nicht die Karten voll, offen und rechtzeitig auf den Tisch zu legen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Einige Bemerkungen über den Haushalt. Es verdient Anerkennung — das sage ich Ihnen ausdrücklich , daß Sie es offensichtlich durchzusetzen vermocht haben, daß der Verteidigungsetat bei den Kürzungen verhältnismäßig glimpflich davongekommen ist. Ganz sicher haben Sie recht mit der Feststellung, daß jeder Verteidigungsminister mit der Kostenschere zu kämpfen hatte und zu kämpfen haben wird. Allerdings ist unverkennbar — lassen Sie mich das auch sagen —, daß die inflationäre Gesamtpolitik dieser Bundesregierung zu diesem Zustand erheblich beigetragen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Anteil der für Beschaffung, Entwicklung und Forschung aufgewendeten Mittel am Gesamtetat hat eine fast unvertretbar niedrige Grenze erreicht.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr wahr!)

Sie kann und darf nicht weiter unterschritten werden. Auf diesem Sektor kann nicht uferlos gestreckt und gestrichen werden, ohne daß das langfristig sehr ernsthafte Auswirkungen auf eben die Kampfkraft unserer Streitkräfte hätte. Hier setzen unsere Bedenken ein. Ich will ganz offen reden. Ich habe den Eindruck, als ob Sie — sicher in guter Absicht — gleichzeitig Maßnahmen und Planungen in Gang setzen, deren finanzielle Folgen noch nicht klar überschaubar sind, die mit Sicherheit hohe, wenn nicht gar zu hohe Folgekosten nach sich ziehen. Sie setzen diese Maßnahmen in Gang, ohne daß die Kosten der Einzelmaßnahmen zu Ende gerechnet sind
und ohne daß eine realistische Gesamtschau aller von Ihnen zusätzlich initiierten Kosten vorliegt.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr gut!)

Ich denke etwa an die riesigen Kosten gerade auf dem Bildungssektor. Hier fehlen die Berechnungen. Wie hoch werden die tatsächlichen Kosten für Lehrstab, Schüleretat usw. — nicht nur im nächsten Jahr — sein? Rechnen Sie die Folgekosten des Artikelgesetzes dazu, die sicher höher sind, als uns das im Augenblick gesagt wird. Rechnen Sie all das hinzu, was die zusätzlichen Maßnahmen des Weißbuches kosten. Ist das wirklich alles finanzierbar angesichts einer mittelfristigen Finanzplanung, die immer noch nicht vorliegt und von der wir wissen, wie problematisch sie ist. Herr Bundesverteidigungsminister, hier müssen wir eine nüchterne realistische Berechnung aller direkten und indirekten Kosten verlangen. Erst dann wird sich sagen lassen, ob sich all diese Maßnahmen durchführen lassen, ohne daß Kampfkraft und Struktur unserer Streitkräfte leiden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es darf jedenfalls nicht so weit kommen, daß Ihr Nachfolger — wer immer es sein mag — sich der unangenehmen Aufgabe aus-gesetzt sieht, beschlossene Maßnahmen rückgängig machen zu müssen.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr wahr!)

Vom neuen Weißbuch, das wir mit einiger Spannung erwarten, erhoffen wir uns nicht neue Versprechen, sondern eine solide, realistische und finanziell abgesicherte Bestandsaufnahme.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich komme zum Schluß. Bei allem, was uns sonst trennen mag, draußen in der Welt wie drinnen in unserem Volk soll man wissen: Wir sind uns mit Ihnen in dem Bemühen einig, die Bundeswehr verteidigungskräftig zu halten. Wir sind uns mit Ihnen und Sie sind sicher mit uns in der Überzeugung einig, daß die Verteidigung Sache aller demokratischen Parteien ist. Die Bundeswehr ist nicht die Armee einer Partei, sondern die Armee des ganzen Volkes.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie hat — auch hier stelle ich Übereinstimmung fest — einen guten, wenn nicht gar sehr guten Kern. Sie hat ein leistungskräftiges, ein leistungswilliges Unteroffizierkorps und Offizierkorps. Wenn ich einmal hier stellvertretend für alle gerade die Hauptmannsgeneration erwähnen darf, die wir im Augenblick draußen haben, so kann ich nur sagen: mit der können wir uns sehen lassen, vorausgesetzt, wir machen es möglich, daß der Geist, der diese Leute immer noch beseelt, erhalten bleibt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

So sollte unser einziger Wettstreit der Aufgabe gelten, dieser Bundeswehr in einer schwieriger werdenden Lage die nötigen psychologischen, personellen und materiellen Bedingungen zu geben, derer sie bedarf, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)





Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0619600400
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort ht der Abgeordnete Jung.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0619600500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesminister der Verteidigung, unser Kollege Helmut Schmidt, hat in einer Regierungserklärung die Sicherheitslage der Bundesrepublik Deutschland und den Zustand ihrer Streitkräfte geschildert. Er hat verdeutlicht, wie die Regierung Brandt/Scheel ihre Verantwortung für die Sicherheit unseres Landes verstanden und in politische Praxis umgesetzt hat. Lassen Sie mich aus liberaler Sicht — das dritte Jahr dieser Legislaturperiode geht praktisch heute zu Ende, und es ist gleichzeitig das dritte Jahr dieser sozial-liberalen Regierung im Amt — die Frage untersuchen wie es um die Sicherheit unseres Landes und seiner Bevölkerung bestellt ist.
In seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 betonte Willy Brandt:
Das deutsche Volk braucht den Frieden im vollen Sinne dieses Wortes auch mit den Völkern der Sowjetunion und allen Völkern des europäischen Ostens. Zu einem ehrlichen Versuch der Verständigung sind wir bereit, damit die Folgen des Unheils überwunden werden können, das eine verbrecherische Clique über Europa gebracht hat.
Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Ist in diesem Hohen Hause jemand, der ehrlicherweise bestreiten kann, daß diese Regierung, daß dieser Kanzler und der Vizekanzler diesen ehrlichen Versuch der Verständigung gemacht und ihn mit aller Konsequenz weit vorangetrieben haben? Ist hier jemand, der ernstlich behaupten kann, unsere Politik der Verständigung und Entspannung, unsere ehrlichen Versuche des Abbaus von Konfrontation und Mißtrauen seien vergeblich gewesen? Kann hier jemand aufstehen und sagen, unserer Bevölkerung drohe infolge dieser Politik mehr Gefahr als in vorhergegangenen Etappen unserer Entwicklung seit 1949?
Wie ist denn die Stimmung draußen im Lande wirklich? Meine politische Arbeit, meine Gespräche und Diskussionen lehren mich ganz uneingeschränkt eines: Mag es an diesem oder jenem Kritik an der Regierung geben, an ihrem unverbrüchlichen Friedenswillen und an der Tatsache, daß ihre Politik diesen Friedenswillen auch widerspruchsfrei verkörpert und folglich Gefahren und Bedrohungen verhindert, wird nicht gezweifelt.
Unser Volk weiß und spürt, und unsere Nachbarn rundherum wissen es auch, unsere Sicherheit beruht nicht auf der Haltung eines Bremsers der internationalen Entspannung, sie beruht schon gar nicht auf der Haltung eines letzten Don Quichotte des Kalten Krieges. Sie beruht vielmehr und zunächst und vor allem auf festen, international begründeten politischen Garantien.
Diese sind:
— Feste unverbrückliche Zusammenarbeit im westlichen Verteidigungsbündnis und in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft;
— Abschluß von Gewaltverzichtsverträgen und Herbeiführung eines Modus vivendi, eines durch vertragliche Bestimmungen geregelten Nebeneinanders mit den sozialistischen Ländern, an deren Spitze mit der UdSSR, daneben mit Polen, der Tschechoslowakei und natürlich auch mit der DDR;
— Austrocknung des früheren Krisenherdes Berlin und Verbesserung der Lebens- und Existenzbedingungen der Berliner;
— Sorgfältige Vorbereitung einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, wobei nach unserer Meinung eines der Zentralthemen die sogenannte MBFR sein muß.
Diese gesamte Politik befindet sich im zügigen Vollzug. Sie ist im Rahmen unserer Bündnisverpflichtungen voll integriert. Enger und harmonischer als gegenwärtig war noch keine Außen- und Sicherheitspolitik mit unseren Bündnispartnern abgestimmt; und dies nicht nur deshalb, weil die Partner es so wünschen, sondern vor allem deshalb, weil wir selbst es wollen, weil die Regierung Brandt/ Scheel das will. Die Regierung will das, weil es den elementaren Interessen unseres Volkes entspricht.
Ich möchte mich hier nicht mit innenpolitischen Problemen auseinandersetzen. An diese Stelle meiner Darlegungen gehört jedoch notwendig der Hinweis, daß die erfolgreichen Initiativen des Bundesinnenministers, meines Freundes Hans-Dietrich Genscher,

(Abg. Dr. Barzel: Es scheint doch Neuwahlen zu geben!)

zur Hebung der inneren Sicherheit bei voller Wahrung aller Gebote und Erfordernisse der rechtsstaatlichen Ordnung fugenlos mit der Außen- und Sicherheitspolitik dieser Regierung zusammenpassen.

(Abg. Kiep: Ertl nicht vergessen!)

Was dieser Außenminister, dieser Verteidigungsminister und dieser Innenminister für die Gewährleistung der äußeren und inneren Sicherheit des Landes und seiner Bürger in knapp drei Amtsjahren geschaffen haben, das hält jedem Vergleich stand. Dafür danken wir Liberalen — nicht ohne Urheberstolz — dieser Bundesregierung.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Dr. Barzel: Wann wählen wir?)

Herr Kollege Kiep, dies sage ich uneingeschränkt: Hier brauchen wir unseren Freund Ertl, wie Sie eben sagten, gar nicht zu erwähnen. Der hat nämlich auf anderen Gebieten so viele Erfolge erzielt, daß er draußen selber für sich sprechen kann.

(Abg. Dr. Barzel: Aber, Herr Kollege, vergessen Sie doch bitte Herrn Dorn nicht!)

Aus dem Gesagten, Herr Kollege Barzel, ziehe ich drei Schlußfolgerungen.
Erstens. Frieden und Sicherheit sind in Europa des Jahres 1972 fester begründet als jemals zuvor seit 1945.
Zweitens. Die Regierungspartnerschaft von Sozialdemokraten und Liberalen und die Ablösung der CDU/CSU aus der Regierungsverantwortung seit



Jung
Herbst 1969 waren wesentliche Voraussetzungen zur Durchsetzung dieser Politik für Frieden und Entspannung in Europa.

(Abg. Haase [Kassel] : Ihr wurdet nur immer weniger, immer dünner!)

Drittens. Die gegenwärtige Opposition, Herr Kollege Haase — und dies hat die Rede des Kollegen Wörner wieder sehr deutlich gezeigt — hat weder außen- noch sicherheitspolitisch eine Alternative. Seien Sie doch ehrlich. Sie bekämpfen die Politik dieser Regierung Brandt/Scheel nicht, weil Sie der Bevölkerung etwas Besseres — mehr Sicherheit, mehr Entspannung, noch zuverlässigeren Frieden — anbieten wollen und können, was Ihr gutes Recht und sogar Ihre Pflicht wäre, sondern Sie, die Opposition, bekämpfen Willy Brandt und Walter Scheel doch, weil Sie an die Macht wollen, weil die Oppositionsbänke Ihnen zu hart und die Prärogativen der Macht Ihnen eben angenehmer erscheinen. Diese Motivation, meine Damen und Herren von der Opposition, mag zulässig sein; in der Leistungsgesellschaft mit demokratischer Verfassung reicht sie indes nicht aus. Wer das Parteiwohl dabei höher stellt als das Gemeinwohl, entwertet seinen Anspruch:
Deshalb haben auch gewisse Sirenenklänge aus gewissen südlichen Landeshauptstädten einen so falschen Klang. Im Gegensatz zu den richtigen Sirenen der Sage muß man aber — und das darf ich Ihnen hier doch einmal ins Stammbuch schreiben -
den Steuermann der Liberalen nicht am Mast festbinden oder seinen Gefolgsleuten die Ohren mit Wachs verschließen.
Wenn ich mir die gesamte sicherheitspolitische und wehrpolitische Diskussion der letzten zwei, drei Jahre vergegenwärtige, dann kommt zu den drei Schlußfolgerungen, die ich eben anführte, als vierte eine Erkenntnis hinzu, die wir übrigens in allen demokratischen Ländern feststellen, wie ich auch aus den Diskussionen in der WEU und im NATO-Parlament immer wieder bestätigt bekam. Die Bürger dieses Landes scheinen mindestens das zu denken und zu empfinden, was auch die Bürger in unseren Partnerländern denken und empfinden. Sie haben keine Angst. Sie fürchten nicht, wir hätten zuwenig Militär, zuwenig Verteidigungspotential. Viele meinen es eher umgekehrt: wir hätten angesichts der Erfordernisse auf Gebieten wie Bildung, Verkehr, Umwelt und lebenswertes Leben zuviel militärisches Potential, zuviel Verteidigungsausgaben.
Hierzu stelle ich für die Liberalen eindeutig fest: Eine Regierung, egal, wie sie politisch zusammengesetzt ist, muß sich hüten, sich um populärer Augenblickserfolge und vordergründiger Publikumsgunst willen einfach von der Woge der Volksmeinung forttragen zu lassen.

(Zuruf des Abg. Dr. Barzel.)

Auch ist weder in der Bundesrepublik noch gar in Gesamteuropa die heile Welt ausgebrochen; das bestreiten wir gar nicht, das hat niemand von uns gesagt, Herr Barzel. Für Entspannungseuphorie und pazifistische Gefühlsduselei besteht auch nach unserer Meinung keine Veranlassung. Wir Liberalen teilen voll die Auffassung der Bundesregierung, wie Helmut Schmidt sie einprägsam charakterisierte: An dem bewährten Zwillingskonzept der Allianz — Verteidigung u n d Entspannung — ist festzuhalten.
Worauf kam es mir an? Mögen die Diskussionsthemen Haar- und Barttracht, Wehrkundeerlaß, Innere Führung, Kriegsdienstverweigerung, Verkürzung des Grundwehrdienstes, Wehrgerechtigkeit, Zivildienst, Bildungs- und Ausbildungsreform, Personalstruktur der Bundeswehr, Hauptleute 70 usw. usw. Domänen einiger Politiker, Fachleute und Verbände sein, — durch diese Diskussion kommen sich, so meine ich, Bundeswehr und zivile Gesellschaft letztlich näher. Sie lernen sich kennen, sie durchdringen einander mehr als früher. Die Diskussion ist somit nicht nur eine Fehlerdiskussion mit gegenseitigem Sich-Vorrechnen der Sünden, sondern auch eine Diskussion des Sich-Akzeptierens. Darin liegt viel Positives, trotz mancher schmutzigen Wäsche, die hier und da in Sachen Bundeswehr im einzelnen gewaschen wird.
Ich behaupte also, daß diese ganze kontroverse, manchmal quälende Diskussion einfach unerläßlich ist. Machen wir uns doch nichts über die psychologische Verfassung dieser Gesellschaft vor! Als die Bundesrepublik an die Wiederbewaffnung ging und in die NATO aufgenommen wurde, bejahten viele Bürger diese Schritte, die einen aus einer gewissen Russenfurcht, die anderen, weil sie glaubten, den einstweilen tief drinnen versteckten Nationalismus endlich wieder hervorholen und im politischen Alltag anwenden zu können. Spätestens in den sechziger Jahren ließ die Russenfurcht nach, was gewiß nicht etwa eine Folge lästiger propagandistischer Täuschungsmanöver des Kremls war und ist. Sicher machte und macht auch die Politik Moskaus Wandel durch, aber deshalb braucht man sich durchaus nicht sorglos in Sicherheit zu wiegen.
Die nationale psychologische Variante unserer Wiederbewaffnung war von Anfang an in sich widersprüchlich. Während wir nach Westen hin eine Politik des Abbaus nationaler politischer Vorstellungen teilweise enthusiastisch betrieben, verstärkten wir gegenüber den sozialistischen Ländern Osteuropas die Politik des Appells an nationale Emotionen, ganz zu schweigen davon, wie wir uns drehten und wanden, um das Problem unserer nationalen Spaltung wehrpsychologisch in den Griff zu bekommen. Die Kollegen, die in ihren Wehrübungen die Gelegenheit hatten, mit den Soldaten draußen zu diskutieren, wissen, wie schwierig es war, dieses Problem innerhalb der Bundeswehr darzustellen.
Immerhin, in einer Phase des kalten Krieges, der Chruschtschow-Ultimaten und des Mauerbaus ließen sich diese Widersprüche überdecken. Man mußte nur immer wieder feststellen: „Die Lage ist noch nie so ernst gewesen!" So wurden immer neue Fiktionen genährt. Folge: Zwischen dem „Geist der Truppe" und den Empfindungen des zivilen Teils der Gesellschaft entstand eine Kluft, die es vor



Jung
allem ganz radikalen Kräften von links und rechts geradezu anbot, sich anzusiedeln und sich weit über ihre zahlenmäßige Bedeutung hinaus breit und wichtig zu machen.
Wenn diese Regierung nunmehr statt mit Fiktionen und der Fuchtel der Angst eine Politik mit Realismus und Augenmaß macht, dann müssen natürlich als Konsequenz dieses Wandels einige Tabus gebrochen und einige Lehren gezogen werden, an denen man sich seit 1945 zunächst vorbeimanövrieren zu können glaubte.
Wir Liberalen weigern uns, zu früheren Verdrängungen und Fehlern zurückzukehren, nur weil sich der Verteidigungsetat mit der Angst der Bürger leichter begründen oder erhöhen und weil sich angesichts des vermeintlichen Weißen im Auge des Feindes die Diskussion mit den Radikalen von der hohen Warte des Kenners der feindlichen Streitkräftezahlen so bequem führen läßt. Willy Brandt hat doch den Nobelpreis nicht für eine Politik „Adenauer'scher als Adenauer" erhalten. Die Verleiher wollten eine politische Haltung ermutigen und würdigen, die in der Bundesrepublik noch nicht Allgemeingut ist.

(Zuruf des Abg. Kiep.)

Diese Haltung veranlaßt uns Freie Demokraten z. B. in der Frage der Wehrpsychologie zu dem Versuch, in der Diskussion nach vorn durchzustoßen. Das ist gewiß schwer, doppelt schwer in unserem Volk mit seiner Geschichte und seinem 1945. Wir sind indes überzeugt, eine Chance zu haben.
Mein damaliger Kollege, Fritz-Rudolf Schultz und ich haben hier im Plenum — das wissen Sie schon sehr früh das Thema „Bundeswehr und Schule" angesprochen. Der Bundeskanzler hat dann im November 1970 in einem Brief an den damaligen Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz festgestellt, daß „Fragen der Verteidigung im Rahmen der Friedenssicherung im Sozialkundeunterricht und in den Lehrbüchern in den einzelnen Ländern unterschiedlich, teilweise auch unzureichend behandelt werden." Vor reichlich einem Jahr, am 26. März 1971, schilderte der Kanzler vor diesem Hohen Hause die Besorgnisse der Bundesregierung „über die innere Abwendung eines Teils der heranwachsenden Generation von den Pflichten, die ihr von Staat und Gesellschaft abverlangt werden." Mit diesen Äußerungen des Regierungschefs der Bundesrepublik und einem damit zusammenhängenden Briefwechsel zwischen dem Bundesminister der Verteidigung und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wurde die Diskussion vorangetrieben und vertieft, die so viel fast schon Verdrängtes wieder heraufruft, die scheinbar so viel Ungemach bereitet.
In Wirklichkeit könnten wir vermutlich die Synthese zwischen deutscher Demokratie und deutschen Streitkräften nicht erzielen, wenn diese unbequeme, scheinbar ziellose, ideologie- und traditionsbeladene Diskussion nicht geführt würde.
Unter anderem hat uns die Außen- und Ostpolitik dieser Koalition und dieser Regierung im Überschneidungsbereich von Demokratie- und Wehrbereitschaft Auseinandersetzungen beschert, deren Wahlwirksamkeit wir vielleicht ungenügend einkalkuliert, deren Tendenz wir aber — weil politisch unausweichlich — gewollt haben. Zugleich hat diese Politik uns jedoch auch eine Atempause — hoffentlich mehr als eine Atempause — verschafft, dieses innergesellschaftliche Ringen um ein demokratisch fest gegründetes deutsches Wehrverständnis zu bestehen, ein Wehrverständnis, das sich nicht mehr aus ideologieüberfrachteten Feindbildern und Werteskalen speist, sondern aus so selbstverständlichen Motiven wie Selbstschutz, Notwehr, Souveränitäts- und Demokratieerhalt.
Der Bundesminister der Verteidigung hat in seiner Erklärung mehr die praktischen Aspekte der Sicherheitspolitik der sozialliberalen Regierungskoalition dargelegt. Die Fraktion der Freien Demokraten trägt nicht nur diese Sicherheitspolitik, sondern sie hat wesentliche Elemente mit erarbeitet und definiert. Ich erinnere nur an die Verkürzung des Grundwehrdienstes, die wir hier nachher beschließen wollen, eine Maßnahme, die nach unserer langjährigen Vorstellung unter bestimmten Voraussetzungen und bei strukturellen Veränderungen weiter fortgeführt werden kann.
Sowohl im außen- wie auch im wehrpolitischen Bereich haben sich unsere sicherheitspolitischen Absichten somit als realistisch, durchführbar und ausbaufähig erwiesen. Wir bestärken die Bundesregierung heute in der Absicht, ihre Sicherheitspolitik fortzusetzen und zu vervollkommnen. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich der Gewißheit Ausdruck gebe, daß keine andere politische Kombination in diesem Lande als die gegenwärtige Regierungskoalition die in Gang befindliche Diskussion über unsere Wehrbereitschaft und unser Wehrverständnis politisch bewältigen kann.

(Abg. Kiep: Das ist eine kühne Behauptung! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Dazu bedarf es mit Sicherheit eines längeren Zeitraums als des Restes dieser Legislaturperiode.

(Abg. Kiep: Ja, wir müssen also noch einmal anfangen!)

Mit meinem Dank an alle Soldaten der Bundeswehr verbinde ich die Versicherung, daß Freie Demokraten sich wie seit 1949 uneingeschränkt mit ihnen für die Verteidigung unserer freiheitlichen Demokratie

(Abg. Haase [Kassel] : Von welcher Partei reden Sie?)

gegen jede Bedrohung von außen oder innen einsetzen und die Sicherheits-, Außen- und Verteidigungspolitik dieser sozialliberalen Koalition auch in den kommenden Jahren entscheidend mitprägen werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Kiep.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0619600600
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Buchstaller.




Werner Buchstaller (SPD):
Rede ID: ID0619600700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rede des Oppositionssprechers war ohne Zweifel außerordentlich bemerkenswert. Wer das Vergnügen hat, Herrn Dr. Wörner auch in anderen Veranstaltungen zu hören, muß dem hinzufügen, daß sie in vielen Passagen sogar überraschend war.

(Hört!Hört! bei der SPD.)

Der Sache nach war sie ohne politische Alternative zu dem Konzept, das der Bundesverteidigungsminister hier vorgetragen hat. Und um zur Überraschung zu kommen: Dem Ton nach mußte ich empfinden, daß Herr Dr. Wörner zur Kenntnis nimmt, daß weder die überspitzte Polemik einiger Oppositionskollegen gegen Verteidigungsminister Helmut Schmidt noch die stetige Schwarzmalerei über die Verteidigungskraft des westlichen Bündnisses, das Krisengerede über die Bundeswehr und auch nicht der Versuch, der Bundesregierung unzureichende Verteidigungsanstrengungen zu unterstellen, die Tatsache verwischen können, daß mit der Politik der Regierung der sozialliberalen Koalition und des Bundesverteidigungsministers Helmut Schmidt: erstens die Zusammenarbeit im westlichen Verteidigungsbündnis enger und die Verteidigungskraft der NATO effektiver geworden ist, zweitens die finanziellen Anstrengungen der Bundesrepublik für die Verteidigungsaufgaben gewachsen sind und drittens sich die Lage in der Bundeswehr konsolidiert und gefestigt hat.

(Richtig! bei der SPD.)

Das hat die abgegebene Regierungserklärung ebenso unterstrichen, wie es die heutige zur Abstimmung stehenden Gesetze und die zu behandelnden Vorlagen für den Verteidigungsbereich tun.
Im Namen der SPD-Fraktion möchte ich einzelne Punkte noch einmal herausstellen und unterstreichen.
Erstens. Während der ehemalige Verteidigungsminister Schröder Anfang 1969 im ersten Weißbuch zur Verteidigungspolitik der Bundesregierung über die innere Situation des Bündnisses noch feststellen mußte:
In den vergangenen Jahren wurden innerhalb des Bündnisses zentrifugale Tendenzen und Spannungen sichtbar. Das Machtgefälle zwischen den Verbündeten, ihre unterschiedlichen weltpolitischen Interessen und nationalstaatlichen Tendenzen verursachten Divergenzen im Bündnis.
können wir heute mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen, daß sich während der vergangenen drei Jahre dieser negative Zustand in eine enge Zusammenarbeit und in eine positive Kooperationsbereitschaft verwandelt hat.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]:: Herr Kollege, Vorsicht, Vorsicht! — Abg. Ott: Schönfärber!)

— Herr Kollege Dr. Schröder, selbstverständlich ist
alles in der Politik im Fluß und bleibt im Fluß. Zur
Zeit jedenfalls kann eine positivere Bilanz gezogen
werden, als sie damals in Ihrem Weißbuch festgestellt werden konnte.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]:: Erlauben Sie mir nochmals zu sagen: Vorsicht, Vorsicht!)

— Sie meinen mit „Vorsicht" wohl nicht nur mich als den Sprecher der SPD, sondern zugleich auch den Herrn Verteidigungsminister.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf] : Natürlich!)

Ich glaube, er ist sich bewußt, daß auf dem Gebiet der Sicherheits- und Verteidigungspolitik Vorsicht immer mit angeraten ist.

(Abg. Sieglerschmidt: Vorsicht, aber auch Mut, Herr Kollege Schröder!)

So konnte in der Euro-Group der NATO am 1. Dezember 1970 festgestellt werden, daß das NATO-Verstärkungsprogramm die zehn europäischen NATO-Partner sicherheitspolitisch einander nähergebracht und militärisch glaubwürdiger gemacht hat. Darüber hinaus wurde durch weitgreifende Devisenausgleichsverhandlungen mit den USA und mit England eine Vereinbarung über die Stationierung ausreichender Truppen auf dem Gebiet der Bundesrepublik erzielt. Dies ist ein unerläßlicher Faktor der militärpolitischen Abschreckungsstrategie. Diese Aktivitäten im Bündnisbereich ließen die NATO militärisch effektiver und politisch geschlossener werden. Damit ist das westliche Bündnis nicht nur bereit, sondern auch in der Lage, die möglicherweise weitreichenden Perspektiven einer Konferenz über die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, in die Fragen der Truppen- und Rüstungsreduzierung einbezogen sind, vorzubereiten. Diese Strategie des Bündnisses, die Sicherheitspolitik des militärischen Gleichgewichts in die weltweiten Entspannungsbemühungen einzuordnen, ist ein wirksamer Beitrag zur Friedenssicherung.
Zweitens. Seit Jahren wird das Problem der herrschenden Wehrungerechtigkeit leidenschaftlich erörtert. Es ist einfach unerträglich, daß immer nur ein Teil der jungen Männer zur Dienstleistung in den Streitkräften oder zum Ersatzdienst herangezogen wird.

(Abg. Damm: Sehr richtig!)

Schon 1968 hat sich die sogenannte Adorno-Kommission um die Lösung dieses Problems bemüht. Sie ist über Berichte nie hinausgekommen. Es blieb dieser Regierung und diesem Verteidigungsminister vorbehalten, Schlußfolgerungen aus dieser unhaltbaren Situation zu ziehen und konkrete Maßnahmen einzuleiten. Mit dem vorgestern verabschiedeten Zivildienstgesetz und mit dem heute zur Entscheidung anstehenden Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher und ersatzdienstrechtlicher Vorschriften werden endlich die konkreten Grundlagen für mehr Wehrgerechtigkeit geschaffen.

(Abg. Stahlberg: Das nennt man besser nicht in einem Zuge!)

Ihre Ansicht kenne ich. Dazu möchte ich nicht Stellung nehmen.

(Abg. Stahlberg: Das ist klar!)

Ebenfalls jahrelang haben die CDU/CSU-Verteidigungsminister ein so leidiges, wenn auch in der Ge-



Buchstaller
samtschau kleines Problem wie das Kantinenwesen ungelöst vor sich hergeschoben. Auch hier wurden erst unter Helmut Schmidt konkrete Maßnahmen eingeleitet.
Auch von der Sorge, daß im staatsbürgerlichen Unterricht in den Schulen die Notwendigkeit der Landesverteidigung nicht ausreichend gewürdigt wird, hat man jahrelang gesprochen, man hat sie jahrelang beklagt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und jetzt?)

Es blieb dem Bundeskanzler dieser sozialliberalen Regierung, Willy Brandt, vorbehalten, sich mit Schreiben vom 19. November 1970 an den Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz zu wenden

(Abg. Rommerskirchen: Ja, seine Intervention hängt mit der Jusoaktion gegen entsprechende Bemühungen zusammen!)

und sich dafür einzusetzen, daß an den Schulen in den staatsbürgerlichen Unterricht auch Fragen der Verteidigung im Rahmen der Friedenssicherung und der Auftrag und die Stellung der Bundeswehr in unserer Demokratie einbezogen werden.
Drittens. Sorgen um qualifizierte Führer und Unterführer und um eine zeitgemäße Bildung und Ausbildung in der Bundeswehr begleiten die Bundeswehr seit ihrem Bestehen. Spätestens seit einigen Jahren weiß man, daß dieses Problem nicht mit der Methode, alles beim alten zu belassen, gemeistert werden kann. Gegen den erbitterten, teilweise außerordentlich polemischen Widerstand der Opposition — Herr Kollege Horn kann davon ein Lied singen —, allerdings ohne eine Spur von Gegenkonzeption, wurde vom Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt das Konzept für die Neuordnung der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr entwickelt.

(Abg. Rommerskirchen: Das haben wir nicht diskutiert! Du lieber Gott! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das war aber falsch!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0619600800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch? —Bitte!

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0619600900
Herr Kollege Buchstaller, darf ich Sie daran erinnern, daß sich der Verteidigungsausschuß auf Wunsch des Herrn Ministers der Verteidigung und des Parlamentarischen Staatssekretärs seit vielen Monaten mit dieser Frage nicht beschäftigt, weil die Regierung die Prüfung dieses Punktes noch nicht abgeschlossen hat, und daß der Minister soeben angekündigt hat, er werde auf unsere Kleine Anfrage, die wir deshalb gestellt haben, in den nächsten Tagen antworten?

Werner Buchstaller (SPD):
Rede ID: ID0619601000
Herr Kollege Dr. Klepsch, Ihnen scheint entgangen zu sein, daß ich davon sprach, daß all diese Vorstellungen vom Bundesminister der Verteidigung in einem Konzept zusammengefaßt sind.

(Abg. Rommerskirchen: Sie haben nicht ausführlicher dazu Stellung genommen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Aber Herr Kollege Rommerskirchen, lassen Sie uns doch dieses Plenum nicht in eine Verteidigungsausschußsitzung umfunktionieren!

(Anhaltende erregte Zurufe von der CDU/ CSU. — Abg. Rommerskirchen: Dann sagen Sie doch nicht etwas, was nicht stimmt! Unglaublich!)

Lassen Sie uns doch die Feststellung unterstreichen, daß hier eine Konzeption vorgetragen wurde und daß das Ministerium und wir gehalten sind, dieses Konzept in eine reale Möglichkeit einzubetten und durchzusetzen. Nicht mehr und nicht weniger wollte ich zum Ausdruck gebracht haben.

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.)

Im übrigen gebe ich Ihnen völlig recht; denn mit diesem Konzept wird ja eine der Forderungen, die der damalige Verteidigungsminister Dr. Schröder ebenfalls aufgestellt hat, der Realisierung nähergebracht. Er hat damals im Weißbuch 1969 formuliert, „die Formen und der Inhalt der Ausbildung, Erziehung und Bildung der Soldaten müßten den sich wandelnden Verhältnissen angepaßt werden". Genau das, Kollege Dr. Schröder, wollen wir, und genau zu dem Punkt ist das Konzept des Bundesverteidigungsministers vorgelegt worden.
Viertens. Die beängstigende Personallage in der Bundeswehr, hauptsächlich im Bereich der Unterführer, hat sich weitgehend normalisiert. Allein im Bereich der Unteroffiziere konnte die Verpflichtungsquote im Vergleich zu 1971 um 71,5 % gesteigert werden. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich die Quote der längerdienenden Mannschaften um 35,9 %.
Fünftens möchte ich einen Punkt ansprechen, der heute in Ihrer Rede, hochgeschätzter Kollege Dr. Wörner, keine Rolle gespielt hat, aber in der Öffentlichkeit diskutiert wird, nämlich die Frage der Disziplin. Sie haben sie heute nur am Rande erwähnt, in Ihrer ersten großen Rede aber sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Tatsache ist doch, daß, wenn um den Begriff notwendiger militärischer Ordnung gerungen wird, man bei vielen Sprechern — ich unterstelle dies keinem unserer Kollegen — den Eindruck gewinnt, sie möchten mit diesem Begriff die Zuchtvorstellungen der preußischen Armee wieder einführen.

(Abg. Rommerskirchen: Nein, Selbstzucht meinen wir!)

— Ja, Selbstzucht oder Zuchtvorstellungen. Lesen Sie einmal im Duden nach, was Zucht heißt! Das bedeutet die totale Unterordnung des Menschen, mit der wir in einer modernen Armee nicht mehr das geringste zu tun haben wollen.

(Abg. Dr. Ritz: Wer hat denn davon geredet? Hier war doch von Selbstzucht die Rede! Das ist doch nicht dasselbe!)




Buchstaller
Aber darum geht es bei mir gar nicht, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, sondern mir geht es darum, daß zwar immer sehr viel von Disziplin gesprochen wurde, daß aber den Mut zu konkreten Maßnahmen erstmals wiederum dieser Verteidigungsminister und die Bundesregierung aufgebracht haben.

(Unruhe bei der CDU/CSU.)

Sie haben die heute zur Abstimmung stehende neue Wehrdisziplinarordnung vorgelegt; das schmort doch schon seit fünf Jahren. Niemand kann behaupten, daß es bei Ihnen zügig behandelt worden sei. Sie haben es nicht behandelt.

(Abg. Rommerskirchen: Das sah auch bei uns noch nicht so aus!)

Diese Regierung legt die neuformulierte Wehrdisziplinarordnung zur Abstimmung vor. Das scheint mir das Entscheidende zu sein.
Ein andere Punkt! Einige Kollegen aus der Opposition haben ständig der Öffentlichkeit einzureden versucht, Minister Helmut Schmidt habe sie unzureichend informiert. Wer die Ehre hat, schon länger dem Hause anzugehören, und Abgeordneter in den verschiedenen Episoden und Perioden dieses Parlaments war — von der Oppositionsbank über die Bank der Großen Koalition bis zur jetzigen Koalitionsbank —, der weiß, daß dies einfach nicht zutrifft. Im Zeitraum von 1965 bis 1969 sind dem Ressort des Verteidigungsministeriums 35 Kleine Anfragen gestellt worden. Davon stellte die CDU/CSU 9. Im Zeitraum von November 1969 bis März 1972, also in knapp zweieinhalb Jahren, sind insgesamt 44 Kleine Anfragen gestellt worden; 33, also ein Anteil von drei Vierteln, kamen von der Oppositionsfraktion. Zu diesen Kleinen Anfragen kommen noch zwei Große Anfragen hinzu. Zu diesem Informationsstand trugen die Verteidigungsweißbücher 1970 und 1971/1972, vier Kommissionsberichte und zahlreiche Informationen im Verteidigungsausschuß durch die politische und militärische Leitung des Verteidigungsministeriums bei. Ich behaupte, die Opposition vergangener Jahre ist nie in einen auch nur vergleichbar hohen, ähnlichen Informationsstand versetzt worden und war noch nie so eng in die verteidigungspolitischen Entscheidungsvorgänge einbezogen, wie das heute der Fall ist.

(Abg. Damm: Na, na!)

Die Bundesregierung von Willy Brandt hat in ihrer Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 hauptsächlich acht Reformpakete für die Bundeswehr angekündigt. Neben den Verteidigungsweißbüchern standen u. a. auf dem Programm: 1. Maßnahmen für mehr Wehrgerechtigkeit, 2. Reorganisation des Verteidigungsministeriums, 3. Behebung der Personalmisere und Überprüfung der Personalstruktur, weiter: Neuordnung von Bildung und Ausbildung der Bundeswehr, Verstärkung der Fürsorge für die Truppe, Weiterführung der Inneren Führung, Neuordnung des Rüstungsbereichs, Neuregelung des zivilen Ersatzdienstes. Heute können wir feststellen, daß die in der Regierungserklärung von Bundeskanzler Willy Brandt und in den Erklärungen von Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt angekündigten Reformen entweder bereits verwirklicht, zumindest aber eingeleitet sind. Außerdem sind von den Weißbuch-Maßnahmen der größte Teil realisiert und der Rest in Angriff genommen.
Diese Reformen und Einzelmaßnahmen haben zu einer Konsolidierung der Situation in unseren Streitkräften geführt. Die Bundeswehr ist ein schlagkräftiges Instrument im Rahmen des westlichen Verteidigungsbündnisses. Sie ist für ihren Auftrag, gemeinsam mit den Bündnispartnern den Frieden zu sichern, hervorragend ausgebildet und ausgerüstet. An dieser Bilanz mit ihren positiven Auswirkungen auch für den einzelnen Soldaten in der Truppe kann keiner vorbeisehen und kann keiner vorbeireden.
Angesichts dieser Bilanz nutzt es auch nichts, wenn ständig von Oppositionssprechern Nebenkriegsschauplätze eröffnet werden. Darum lassen Sie mich, Herr Dr. Wörner, nur eine ganz kurze Bemerkung zu einer Passage Ihrer Rede machen. Natürlich ist keine Partei frei von Sorgen wegen des drängenden zum Teil ungestümen Nachwuchses. Das ist in der ganzen Gesellschaft so, das ist in den Parteien so. Natürlich haben auch wir unsere Sorgen damit; die brauchen Sie uns nicht abzunehmen, die machen wir uns selber. Wir werden die Probleme auch selber lösen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sollt ihr ja!)

Aber sprechen Sie doch nicht immer nur und dar-
um möchte ich Sie bitten — von den jungen Leuten, die gegen den Stachel im allgemeinen oder gegen den Stachel der Parteiführung oder der Bundestagsfraktion löcken; reden Sie doch endlich auch einmal von den Hunderttausenden jungen Menschen, die ihre Wehrpflicht ableisten, die ihren Wehrdienst tun!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Reden Sie von den Zehntausenden, die ihren Ersatzdienst leisten.

(Abg. Stahlberg: Sie drehen das aber schön um! — Zuruf des Abg. Dr. Klepsch.)

— Herr Dr. Klepsch, nehmen Sie bitte auch dies zur Kenntnis: Von diesen Hunderttausenden jungen Leuten ist ein ganz großer Teil der SPD sehr verbunden, und ein ganz großer Teil dieser jungen Menschen ist Mitglied der Gewerkschaften.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Klepsch: Das sollten Sie mal dem Loderer sagen! — Gegenruf des Abg. Horn: Sagen Sie es ihm doch!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0619601100
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0619601200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ganz besonders zu begrüßen, daß der Herr Bundesverteidigungsminister die Aufmerksamkeit dieses Hauses an diesem Schnittpunkt der Entwicklung der Ost-WestBeziehungen erneut auf die entspannungspolitische Funktion der militärischen Verteidigung gelenkt hat. Wir müssen in der Öffentlichkeit den Zusam-
11506 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Juni 1972
Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
menhang zwischen Sicherheits- und Entspannungspolitik immer wieder aufs neue erläutern, damit sich nicht der Trugschluß einstellt, man könne nun, da der Entspannungsprozeß im Gange sei, die Basis verlassen, auf der er letztlich beruht.
An unmißverständlichen Erklärungen dieses Hohen Hauses, der Bundesregierung und der NATO über die Vereinbarkeit von Verteidigung und Entspannung sowie über die Einbettung der Entspannungspolitik in unsere Bündnispolitik hat es nicht gefehlt. Wir müssen indessen aus diesen Erkenntnissen und Absichtserklärungen auch dann Konsequenzen ziehen, wenn damit persönliche und finanzielle Opfer des einzelnen und der Gemeinschaft verbunden sind. Mit anderen Worten: was als sicherheitspolitische Notwendigkeit erkannt ist, muß auch innen- und finanzpolitisch Geltung haben.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr wahr!)

Das gilt für uns, das gilt für unsere Verbündeten, ohne deren andauernde Bereitschaft zur militärischen Präsenz in der Bundesrepublik Deutschland der Sicherheitsstruktur Mitteleuropas insgesamt der Boden entzogen wäre. Ganz besonders die Anwesenheit der amerikanischen Truppen in Deutschland — darin ist dem Verteidigungsminister in vollem Umfange zuzustimmen — ist unabdingbar für die Aufrechterhaltung des derzeitigen Kräfteverhältnisses in Europa und für die Fähigkeit unserer deutschen Streitkräfte, ihre Rolle im Bündnis weiterhin zu erfüllen.
Die solidarische Entschlossenheit, an diesen Grundlagen unseres außenpolitischen Spielraumes nicht zu rütteln, muß um so größer sein, je mehr wir uns Ost-West-Verhandlungen über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und über gegenseitige Maßnahmen der Rüstungskontrolle nähern. In diesem Stadium dürfen wir selber auf keinen Fall das bestehende militärische Ost-West-Kräfteverhältnis zu unseren Ungunsten verändern.
Wir wollen unsere äußere Sicherheit gewiß nicht nur auf militärische Verteidigungsvorkehrungen gründen. Diese Bundesregierung hat es immer wieder deutlich gemacht und in der praktischen Politik bewiesen, daß sie die politischen Möglichkeiten der Entspannung außerordentlich hoch einschätzt und vorneanstellt. Aber wir können uns keine Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vorstellen, bei der militärische Maßnahmen zur Stärkung von Vertrauen und Stabilität ausgeklammert würden.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr richtig!)

Ganz gewiß gehört die damit verbundene angestrebte Verminderung der Gefahren einer militärischen Konfrontation zu den Themen einer KSZE; sonst würde sie ihren Namen sicher nicht zu Recht tragen können. Gleichwohl haben wir guten Grund, die in die Zukunft weisende Art der Zusammenarbeit sehr, sehr ernst zu nehmen, denn sie hat ja nicht in dem ursprünglichen, vor Jahren erstellten Konzept einer solchen Konferenz gelegen.
Von diesem umfassenden politisch-militärischen Sicherheitsbegriff werden sich alle NATO-Staaten
schon bei der Vorbereitung einer solchen Konferenz leiten lassen. Das ist im Bündnis unbestritten. Dieser Sicherheitsbegriff wird auch unsere parallelen Bemühungen prägen, durch MBFR-Verhandlungen stufenweise und langfristig bei unverminderter Sicherheit zu einem niedrigeren Niveau des Umfangs der Streitkräfte in Ost und West zu gelangen. Wir sind mit Geduld gewappnet und auf lange, zähe Verhandlungen vorbereitet.
Schon der Prozeß der Verhandlungen selbst kann Vertrauen bilden. Auch das haben wir in jüngster Zeit erfahren dürfen. Wir sollten auf diesem Weg durch vertrauensbildende Verfahren das Kräfteverhältnis stabilisieren, um so die Ausgangslage für beiderseitige und ausgewogene Streitkräfteverminderungen zu verbessern.
Unabdingbare Voraussetzung — auch das darf ich abschließend bemerken — dafür ist aber das Festhalten an den Grundlagen unserer Sicherheitspolitik in diesem Hohen Hause.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0619601300
Weitere Wortmeldungen zu Punkt 35 liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu der abgegebenen Regierungserklärung.
Ich rufe Punkt 36 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verteidigungsausschusses (11. Ausschuß) über das von der Bundesregierung vorgelegte Weißbuch 1971/72 zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Entwicklung der Bundeswehr
— Drucksachen VI/2920, VI/3384 — Berichterstatter: Abgeordneter Jung Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir können wohl alle davon ausgehen, daß wir in der allgemeinen Aussprache über die Regierungserklärung den Inhalt dieses Weißbuchs praktisch miterörtert haben. Da weitere Wortmeldungen dazu nicht vorliegen, verweise ich darauf, daß der Ausschuß empfiehlt, das Weißbuch zur Kenntnis zu nehmen. — Ich sehe keinen Widerspruch. Punkt 36 ist ebenfalls erledigt.
Ich rufe Punkt 37 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher, ersatzdienstrechtlicher und anderer Vorschriften
— Drucksache VI/3011 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (7. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache VI/3585
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Althammer
b) Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (11. Ausschuß)

— Drucksachen VI/3558, zu VI/3558 —
Berichterstatter: Abgordneter Damm (Erste Beratung 165. Sitzung)




Präsident von Hassel
Ich darf den Berichterstattern für ihre Berichte danken und sie fragen, ob sie als Berichterstatter das Wort wünschen. — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache in der zweiten Beratung und erteile dem Abgeordneten Damm das Wort.

(Abg. Damm: Herr Präsident, ich hatte die Absicht, zur dritten Lesung zu sprechen!)

— Ich nehme das zur Kenntnis. — Herr Abgeordneter Würtz, wollen Sie ebenfalls zur dritten Lesung sprechen?

(Abg. Würtz: Ja, Herr Präsident!)

Dann liegen keine Wortmeldungen zur zweiten Lesung vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die Art. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 6 a, 7, 7 a 8, 9 sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wer in zweiter Lesung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Eine Gegenstimme. Enthaltungen ?— Keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Lesung ohne Enthaltungen bei einer Gegenstimme angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
In der dritten Beratung hat der Abgeordnete Damm das Wort erbeten.

Carl Damm (CDU):
Rede ID: ID0619601400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht im wesentlichen um die Verkürzung des Wehrdienstes auf 15 Monate. Sie haben soeben gesehen: Die Opposition stimmt — bis auf einige Stimmen — diesem Gesetzentwurf zu. Wir haben dafür zwei Gründe: einmal das Ziel mehr Wehrgerechtigkeit und zum zweiten — das muß hier natürlich gesagt werden — die Tatsache, daß wir im Grunde in diesem Hause gar nicht mehr frei sind, was diese Materie angeht.

(Abg. Wörner: Sehr richtig!)

Der Minister hat, als er den Gesetzentwurf einbrachte — das war im Herbst des vergangenen Jahres —, in aller Öffentlichkeit gesagt: Diejenigen Wehrpflichtigen, die ab Oktober eingezogen werden, werden nur noch 15 Monate dienen, und wer sich in der Zeit ab 1. Januar dieses Jahres als Zeitfreiwilliger meldet, wird schon etwas von den hohen Prämien haben. Außerdem hat er ja auch angeordnet, daß die Ausbildungsorganisation des Heeres ab 1. Januar 1973 geändert werden soll. Diese Umänderung läuft; man kann sie praktisch gar nicht mehr stoppen. Inzwischen sind bestimmt mehr als 100 000 Wehrpflichtige mit dem Ministerversprechen eingezogen worden, daß sie nur 15 Monate zu dienen haben. Es ist gar nicht vorstellbar, daß wir dieses Ministerwort in diesem Hause nicht honorierten, meine Damen und Herren.

(Lachen bei der SPD. — Zurufe von der SPD: Das ist ein Argument! — Sie können sich ja der Stimme enthalten!)

Dabei kann er von Glück reden, daß dieses Parlament nicht schon vor etwa vier Wochen auseinandergegangen ist und schon aus Zeitgründen gar
nicht mehr über sein Gesetz hätte abgestimmt werden können.
Ich will also sagen, meine Damen und Herren: Hier hat der Minister, seiner persönlichen Natur folgend — wenn die Unterschrift von ihm geleistet ist, dann ist das Thema für ihn vom Tisch —, im Grunde das Haus ein weiteres Mal präjudiziert.
Ich mache keinen Hehl daraus, daß der Hauptgrund für unsere Zustimmung die Tatsache ist, daß wir wie Sie das Ziel „mehr Wehrgerechtigkeit" als ein wichtiges Ziel im Rahmen der Sicherheitspolitik ansehen. Dabei habe ich überhaupt nichts von dem zurückzunehmen, was ich in der ersten Lesung zu diesem Thema gesagt habe. Dieses Gesetz bringt allenfalls die Möglichkeit, von vier Wehrpflichtigen drei einzuziehen. 75 % sind die äußerste Grenze dessen, was wir erreichen werden. Natürlich ist das mehr als 60 %. Ich leugne das nicht; das ist ja der Grund, warum wir dem zustimmen. Nur — machen wir uns nichts vor —: wir behalten ein Problem der Wehrungerechtigkeit, und zwar insbesondere deswegen, weil der Bereich, von dem ich schon in der ersten Lesung gesagt habe, er müsse gleichzeitig ausreichend mitgeregelt werden, nämlich der der Ersatzdienstgerechtigkeit, eben in Wirklichkeit nicht geregelt worden ist. Was Sie vor zwei Tagen hier beschlossen haben, bietet keine Chance, mehr einzuziehen, weil Sie den Schritt nicht gewagt haben, der im Verteidigungsausschuß ja mit Ihrer Zustimmung von uns gefordert und beschlossen worden war,

(Beifall bei der CDU/CSU)

nämlich die Möglichkeit, anerkannte Kriegsdienstverweigerer in Diensten für das allgemeine Wohl und nicht nur im sozialen Bereich einzusetzen. Diese Möglichkeit haben Sie hier im Plenum wieder zerstört, meine Damen und Herren.
Für diese nur relative Wehrgerechtigkeit zahlen wir in der Bundeswehr einen hohen Preis. Nicht nur, daß das beträchtliche Kosten vursacht, nicht nur, daß wir Infrastruktur- und Personalschwierigkeiten mehr als bisher haben werden, sondern wir muten der Bundeswehr auch zu, künftig bisher eingeschränkt Taugliche bei ihr Dienst leisten zu lassen — mit all den Schwierigkeiten, die das zusätzlich bringt.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Schmid.)

Ich meine, wir sollten das hier nicht leugnen und deutlich machen, daß uns das klar ist, und nicht so tun, als würde das für die Truppe nicht zusätzliche Schwierigkeiten bringen.
Mein Eindruck ist, meine Damen und Herren, daß der Verteidigungsminister schon, als er die Vorlage einbrachte und diese zusätzlichen Schwierigkeiten für die Bundeswehr in Kauf nahm und nehmen wollte, sich sicher war, daß seine eigene Fraktion und seine eigene Partei zu durchgreifenden Lösungen auf dem Gebiet des Ersatzdienstes weder fähig noch willens sein würden. Das hat sich ja zu unserem Bedauern hier vor zwei Tagen bewahrheitet.
Ich verstehe deshalb, daß das Ministerium begierig aufgriff, was die Opposition im Ausschuß vorschlug —




Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0619601500
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Carl Damm (CDU):
Rede ID: ID0619601600
— ja, Herr Präsident, wenn ich meinen Satz zu Ende gesprochen habe, gern —, nämlich alles das, was wir hier heute beschließen, nur als einen ersten Schritt zu mehr Wehrgerechtigkeit anzusehen und als einen weiteren Schritt das ins Auge zu fassen und anzusteuern, was die Opposition im Verteidigungsausschuß angeraten hat und was ich auch schon in erster Lesung hier vortragen konnte, nämlich — ich zitiere aus dem Bericht —:
Weitere Schritte, vor allem die als Kriegsdienstverweigerer anerkannten Wehrpflichtigen auch tatsächlich zu einem Ersatzdienst heranzuziehen, sind nötig, um Wehr- bzw. Dienstgerechtigkeit in dem Umfang herzustellen, wie das möglich und notwendig ist.
Herr Präsident, jetzt bin ich gern bereit, eine Zwischenfrage zu beantworten.

Günter Biermann (SPD):
Rede ID: ID0619601700
Herr Kollege Damm, wenn Sie für die Wehrgerechtigkeit oder Dienstgerechtigkeit — wie immer wir es nennen wollen — in diesem Sinne sind, wie ist dann Ihr im Verteidigungsausschuß gestellter Antrag zu verstehen, nach dem für Zivildienstleistungen praktisch nur ein Dienst im sozialpflegerischen Bereich vorgesehen war, was im Endeffekt dazu geführt hätte, daß wir unter Umständen nur insgesamt 2500 Plätze hätten zur Verfügung stellen können?

Carl Damm (CDU):
Rede ID: ID0619601800
Herr Kollege Biermann, diese Frage ist von Herrn Schlaga an mich schon in der Debatte anläßlich der ersten Lesung gestellt worden. Sie beruht ganz sicher auf einem Mißverständnis. Sonst wäre bei der Beratung des Zivildienstgesetzes im Verteidigungsausschuß ja nicht die von uns vorgeschlagene Formulierung „Dienst am allgemeinen Wohl" einstimmig angenommen worden.

(Abg. Biermann meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage.)

— Herr Präsident, ich nehme an, es soll noch eine weitere Frage hierzu gestellt werden. Ich möchte mich dazu aber nicht weiter äußern, weil es tatsächlich so war, wie ich es gesagt habe.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0619601900
Keine weitere Zwischenfrage!

Carl Damm (CDU):
Rede ID: ID0619602000
Meine Damen und Herren, es ist gar nicht zu bestreiten, daß z. B. ich persönlich große Bedenken hatte, der Herabsetzung des Grundwehrdienstes auf 15 Monate zuzustimmen. Meine Bedenken lagen insbesondere in der befürchteten Auswirkung auf das Bündnis einerseits und in der Sorge um die Erhaltung der Kampfkraft der Bundeswehr andererseits. Ich muß berichten, daß vor allen Dingen die zuständigen militärischen Fachleute, der Generalinspekteur und die Inspekteure der Teilstreitkräfte, diese Bedenken sowohl schriftlich als auch mündlich ausgeräumt haben. In
einer schriftlichen Stellungnahme des Ministeriums heißt es — Herr Präsident, ich möchte einen Satz daraus zitieren —:
Die Erhaltung der Kampfkraft und Präsenz, in gewissem Umfange sogar deren Verbesserung wird möglich durch eine grundlegende Änderung der Truppenausbildung.
Hier ist also sogar von einer möglichen Verbesserung der Kampfkraft die Rede. Ich kann für meinen Teil nur sagen, daß wir das so zur Kenntnis zu nehmen haben. Wie sollten wir qualifizierter sein, eine Fachfrage zu beurteilen, als die obersten Fachleute selbst? Immerhin — diese Bemerkung ist sicherlich erlaubt — ist es ein wenig verwunderlich, daß sich die Verkürzung des Grundwehrdienstes auf 15 Monate jetzt sogar in einer Verbesserung der Kampfkraft der Bundeswehr auswirken soll. Anders gefragt: Hätte sich die militärische Führung diese Schritte zu einer Verbesserung der Kampfkraft nicht längst einfallen lassen können, wenn es so auf der Hand lag, daß man den Kampfwert der Bundeswehr so schnell und einfach und auch so stark würde verbessern können?
Man kann es auch noch anders formulieren: Angesichts der notwendigen und vom Bündnis ja einstimmig gewollten ausgewogenen Verringerung der Streitkräfte auf beiden Seiten, also angesichts MBFR sind alle Möglichkeiten qualitativer Verbesserung der Bundeswehr besonders wichtig. Man sollte sie sich — das ist sicherlich ein notwendiger allgemeiner Gesichtspunkt — so lange bewahren wie irgend möglich, damit man in den Verhandlungen mit der anderen Seite überhaupt etwas anzubieten hat. Was diesen Teil betrifft, so haben wir schon ein bißchen aus der Hand gegeben. Darüber kann es gar keinen Streit geben.
Meine Damen und Herren, ich möchte auch deutlich machen, daß der Generalinspekteur bei allem Optimismus hinsichtlich der nicht nur nicht negativen, sondern möglicherweise positiven Auswirkungen der gesamten Maßnahmen nicht zuletzt auf das Heer in der letzten Sitzung des Verteidigungsausschusses auch Vorbehalte gemacht hat. Er hat von der starken Inanspruchnahme der Verbandsführer gesprochen, die die Umorganisation mit sich bringen würde, hat darauf verwiesen, daß man Erfahrungen werde sammeln müssen, und hat dann — und das ist der wesentliche Satz, den ich gerne zitieren möchte, Herr Präsident — gesagt:
Insgesamt halte ich auch nach Verkürzung des Grundwehrdienstes den Auftrag der Bundeswehr im Rahmen des Bündnisses für erfüllbar. Voraussetzung für diese Bewertung ist allerdings, daß die flankierenden Maßnahmen zur Gewinnung von mehr Zeitsoldaten wirksam werden, wie im Artikelgesetz vorgesehen.
Mit anderen Worten, hier sagt der Generalinspekteur das gleiche, was etwa die Opposition schon in der ersten Lesung gesagt hat. Die flankierenden Maßnahmen, die der Verteidigungsminister noch vor anderthalb Jahren als Voraussetzung dafür bezeichnet hat, daß man so etwas überhaupt machen könne, sind eben noch nicht erfüllt. Sie haben noch



Damm
nicht gegriffen, ob sie greifen werden, ist offen, und insoweit kann ich nur begrüßen, daß der neue Generalinspekteur diesen Vorbehalt gemacht hat, damit wir nachher nicht erstaunt sind, daß es eben doch nicht so eintrifft, wie einige Optimisten auf der Hardthöhe vorausgesagt haben.
Meine Damen und Herren, der Minister hat am Schluß seiner Rede — die ja soeben, wenn ich das richtig verstehe, Herr Schmidt, vom Auswärtigen Amt auch noch abgesegnet worden ist — Herrn Heigert zitiert und hat dafür das allgemeine Verständnis in diesem Hause gefunden, insbesondere auch für die Überschrift des Kommentars, der im März in der „Süddeutschen Zeitung" erschienen war, nämlich „Dienst an diesem Land". Daß das ein Tenor ist, über den eigens ein Leitartikel geschrieben werden muß, den man eigens hier in diesem Parlament besonders unterstreichen muß, zeigt die seltsame Situation, die dieses freiheitlichste Land, das es je auf deutschem Boden gegeben hat, in bezug auf seine eigene junge Generation hat. Wir sind uns alle miteinander einig — Herr Minister, Sie, die Koalition und die Opposition —, daß es gemeinsamer Anstrengungen bedarf, um die Bereitschaft zum Dienen zu stärken — nicht nur zu erhalten, zu stärken. Ich bin sicher, daß das, was die Opposition als weiteren Schritt dazu vorschlägt, insbesondere der Aufbau eines Zivilschutzkorps mit den Möglichkeiten ziviler Dienste, die notwendige Voraussetzung dafür ist, daß überhaupt alle dienen können. Mir will immer scheinen, die Tatsache, daß wir höchstens etwas mehr als der Hälfte überhaupt die Möglichkeit geben zu dienen, ist ein Grund, warum die Resignation nicht zuletzt unter jungen Leuten in diesem Lande so groß ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0619602100
Das Wort hat der Abgeordnete Würtz.

Peter Würtz (SPD):
Rede ID: ID0619602200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Koalitionsfraktionen gebe ich heute zur Schlußberatung des Artikelgesetzes folgende Erklärung ab:
Ziel des Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher, ersatzdienstrechtlicher und anderer Vorschriften ist die Schaffung von einem Mehr an Wehrgerechtigkeit und das Erreichen einer besseren Wehrstruktur bei Aufrechterhaltung des Einsatz- und Kampfwertes der Bundeswehr. Die Koalitionsfraktionen sind der Auffassung, daß mit dem Ihnen heute zur Verabschiedung vorgelegten Gesetzentwurf, den wir im Verteidigungsausschuß einer eingehenden Beratung unterzogen haben, ein wesentlicher Schritt zur Verminderung der Ungerechtigkeiten bei der Praktizierung der allgemeinen Wehrpflicht in unserem Lande getan wird. In einer Zeit, in der das Bewußtsein unserer jungen Bürger sehr stark vom Prinzip der Gerechtigkeit geprägt ist, kann sich unser demokratisches Gemeinwesen in diesem wichtigen Bereich auf Dauer den Zustand der absoluten Ungerechtigkeit nicht leisten, ohne Schaden zu nehmen. Ich meine hier nicht nur den Verlust der Glaubwürdigkeit. Ich sehe vielmehr den Unwillen, der beispielsweise bei
den eingezogenen Wehrpflichtigen oder Zivildienstpflichtigen entstehen muß, wenn sie bemerken, daß gerade sie zur Dienstleistung bei der Bundeswehr bzw. im Zivildienst herangezogen werden, während nahezu die Hälfte ihrer Schul- und Arbeitskollegen keine Pflichten zu übernehmen hat, und der das Betriebsklima in der Truppe oder beim Zivildienst empfindlich stört.
Ich freue mich, feststellen zu können, daß die vom Sprecher der Opposition noch in der ersten Lesung geäußerte große Skepsis heute einer etwas nüchterneren Betrachtung gewichen ist, und ich sage hier in Klammern: Natürlich verstehe ich, Herr Kollege Damm, daß Sie in Ihrer soeben abgegebenen Erklärung einige schärfere Formulierungen verwenden mußten, damit Ihre bisher eingenommene Haltung verständlich wird. Es erfüllt mich zudem mit Genugtuung, wenn der Kollege Dr. Klepsch für die CDU/ CSU-Fraktion in seiner Erklärung zum Abschluß der Beratungen im Verteidigungsausschuß feststellen konnte, daß wir dieses Gesetz im Ausschuß zufriedenstellend zu Ende bringen konnten, und damit die Zweifel ausgeräumt wurden, die der Sprecher der Opposition hier im Januar vorgetragen hat und in denen wir eine ganze Reihe von, ich würde einmal sagen: polemischen Bemerkungen gegenüber dem Verteidigungsminister spüren mußten.

(Abg. Dr. Klepsch: So stimmt es nicht!)

— Herr Kollege Dr. Klepsch, ich könnte hier zitieren. Ich habe die Rede da. Darin ist einiges enthalten, was besser fortgefallen wäre.
Das Gesetz sieht die Verkürzung der Wehrdienstzeit von 18 auf 15 Monate vor, um durch eine schnellere Rotation und dadurch erhöhten Personalbedarf künftig möglichst viele wehrdienstfähige Wehrpflichtige zur Bundeswehr oder zu einer vergleichbaren Dienstleistung heranzuziehen. In diesem Zusammenhang war es für die Koalitionsfraktionen von ganz besonderer Bedeutung, die Auffassung der militärischen Sachverständigen zum Problem des Einsatzwertes der Bundeswehr bei einer verkürzten Ausbildung der Wehrpflichtigen zu hören. Sie waren übereinstimmend der Meinung, vom Truppenführer über die Inspekteure der Teilstreitkräfte bis hin zum Generalinspekteur, daß die Bundeswehr unter der Voraussetzung des Wirksamwerdens der mit diesem Gesetz vorgesehenen flankierenden Maßnahmen ihren Auftrag weiter erfüllen könne. Es trifft sicher zu, daß die Umstellung auf 15 Monate Grundwehrdienst Probleme für die Bewältigung der Aufgaben bringt. Aber wir wissen auch — und die im Ausschuß befragten Truppenführer haben dies eindeutig bestätigt —, daß die Bundeswehr auftretende Schwierigkeiten meistern kann und wird. Mehr noch, alle Sachverständigen waren der Auffassung, daß durch eine Straffung und Neuorganisation der Ausbildung erhebliche Vorteile für die Präsenz der Streitkräfte erreicht werden.
Lassen Sie mich noch etwas deutlich aussprechen. Wir können nicht bei jeder Gelegenheit, meist bei Diskussionen um eine gerechte Besoldung oder andere soziale Maßnahmen, die sicher notwendig sind, von der besonderen Situation der in der Bundeswehr Dienst Leistenden sprechen und
11510 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23, Juni 1972
Würtz
umgekehrt immer dann, wenn Belastungen aus übergeordneten gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten notwendig werden, von einer Überforderung der Truppe reden. Das paßt einfach nicht.
Die Einführung einer dreimonatigen Verfügungsbereitschaft nach Ableistung des Grundwehrdienstes ist notwendig, um militärische Nachteile und bündnispolitisch negative Auswirkungen zu vermeiden. Ich darf hier in aller Offenheit hinzufügen, daß die Konsultationen, die wir im Rahmen der NATO vorgenommen haben, frühzeitig begonnen wurden und am 8. September letzten Jahres mit einem für die durch die Bundesregierung vorgesehene Verkürzung der Wehrdienstzeit positiven Ergebnis abgeschlossen wurde.
Die Verkürzung der Dienstzeit von 18 auf 15 Monate wird, wenn wir das Gesetz heute verabschieden, schon für alle die Wehrpflichtigen gelten, die am 1. Oktober 1971 eingezogen wurden und die damit am 1. Januar 1973 aus der Bundeswehr entlassen werden können.
Ich möchte hier eine Anmerkung machen. Wir würden es begrüßen, wenn der Bundesminister der Verteidigung auch diesmal — wie in jedem Jahr -
die Weihnachsdienstbefreiung großzügig handhabte.
Die Fraktionen der FDP und der SPD messen den in dem Gesetzentwurf vorgesehenen flankierenden Maßnahmen, die zu einer größeren Zahl längerdienender Soldaten führen sollen, erhebliche Bedeutung zu. Die Ausbildung von zusätzlich 40 000 bis 50 000 Wehrpflichtigen erfordert zwangsläufig mehr Freiwillige und Längerdienende. Als Maßnahmen sind daher vorgesehen: a) die Einführung einer Mindestdienstzeit von 21 Monaten für Soldaten auf Zeit, b) die Gewährung einer Verpflichtungsprämie für eine Dienstzeit von zwei Jahren, c) die Anhebung der Verpflichtungsprämie für Dienstzeiten von vier und acht Jahren, d) die Wiedereinführung einer Verpflichtungsprämie für die Dienstzeit von zwölf Jahren sowie die Beibehaltung des bisherigen Entlassungsgeldes für einen Grundwehrdienst von bisher 18 und nunmehr 15 Monaten. Diese flankierenden Maßnahmen werden zu einer steigenden Zahl von Längerdienenden führen, wie erste Zahlen es deutlich beweisen und der Herr Verteidigungsminister dies ja eben vorgetragen hat.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah das Inkrafttreten der Verbesserung des Bundesbesoldungsgesetzes rückwirkend zum 1. Januar 1972 vor. Im Verteidigungsausschuß bestand Einigkeit darüber, daß die Änderungen des Bundesbesoldungsgesetzes schon für die Zeitsoldaten wirksam werden sollten, die nach dem 30. September 1971 in die Bundeswehr eingetreten und eine Verpflichtung eingegangen sind. Wir halten diese Regelung für richtig, da seit diesem Zeitpunkt die Wehrpflichtigen nur noch für 15 Monate herangezogen werden.
Gemäß unserem Vorschlag soll erstens die Stellenzulage für Führer und Ausbilder im Außen- und Geländedienst von 50 DM monatlich nicht wie bisher ab dem 19., sondern bereits ab dem 16. Monat der Dienstzeit gezahlt werden. Zweitens soll eine Rückzahlungspflicht der Verpflichtungsprämie für die Zeitsoldaten eingeführt werden, die vorzeitig aus der Bundeswehr entlassen werden. Drittens sollen die vorgesehenen Verbesserungen des Bundesbesoldungsgesetzes auch für Polizeivollzugsbeamte im Bundesgrenzschutz gelten.
Erhöhte Zahlen von Wehrpflichtigen führen zu einem Mehrbedarf an Unterkunftsplätzen. Die Koalitionsfraktionen erwarten von der Bundesregierung, daß sie durch eine zügige Abwicklung der Zubauten und die Bemühungen um frei werdende Kasernen von NATO-Partnern die vorübergehende Überbelegung recht schnell abbaut. Das hierfür vorgesehene Infrastrukturprogramm muß nach unserer Auffassung Vorrang vor allen anderen baulichen Maßnahmen im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung haben.
Bei der Regelung der Dauer des Zivildienstes ist nach unserer Auffassung vom Gleichheitsgrundsatz auszugehen. Sicher wird es aus der subjektiven Sicht eines Verbandes sowie der Streitkräfte immer unterschiedliche Bewertungen über eine gleichmäßige Belastung geben. Wir glauben, daß nur die tatsächliche Inanspruchnahme des Wehrdienst- bzw. Zivildienstleistenden objektives Kriterium bei der Beurteilung dieser Frage sein darf. Der Wehrpflichtige leiset 15 Monate Grundwehrdienst, steht dann unter der dreimonatigen Verfügungsbereitschaft und muß im untersten Mannschaftsdienstgrad für eine Gesamtdauer von neun Monaten für Wehrübungen zur Verfügung stehen. In den Ausschußberatungen haben wir nun für § 24 Abs. 1 des Zivildienstgesetzes eine Formulierung gefunden, die am Regierungsentwurf mit dem Vorschlag von 16 Monaten festhält, sich zugleich aber an der durchschnittlichen tatsächlichen Inanspruchnahme wehrdienstleistender Wehrdienstpflichtiger durch Wehrübungen orientiert. Wir haben zudem Sorge getragen, daß die Bestimmung der Dienstzeit Aufgabe des Parlaments bleiben und nicht der Exekutive sein wird.
Wenn auch der von der Opposition während der ersten Lesung in Aussicht gestellte Gesetzentwurf bis heute nicht hier vorliegt, so stellt die von der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuß eingebrachte und angenommene Entschließung eine interessante Grundlage für die weitere Diskussion im Verteidigungsausschuß dar, die auch die Bundesregierung sorgfältig und unter korrekter Beachtung des geltenden Verfassungsrechts prüfen sollte. Für die Koalitionsfraktionen rege ich deshalb an: Die Bundesregierung möge nach eingehender Prüfung der im Entschließungsantrag vorgesehenen Lösung in einer angemessenen Frist dem Verteidigungsausschuß das Ergebnis mitteilen.
Zusammenfassend darf ich hervorheben, daß die in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 von Bundeskanzler Willy Brandt angekündigten Anstrengungen, ein Maximum an Gerechtigkeit durch Gleichbehandlung der wehrpflichtigen jungen Männer schaffen zu wollen und dabei Wehrdienstausnahmen und -befreiungen abzubauen, mit diesem von der sozialliberalen Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf ein gutes Stück vorankommen



Würtz
werden. Die Koalitionsfraktionen werden deshalb diesem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0619602300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stahlberg.

Hermann Stahlberg (CDU):
Rede ID: ID0619602400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach § 59 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gebe ich zur Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher, ersatzdienstrechtlicher und anderer Vorschriften — Drucksache VI/3011 — eine schriftliche Erklärung ab. *)

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0619602500
Die Erklärung wird zu Protokoll genommen.
Wir kommen jetzt zur Schlußabstimmung. Wer der Vorlage im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Die Vorlage ist bei einer Gegenstimme angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung der Ziff. 2 des Ausschußantrages. Die Bundesregierung wird um Prüfung ersucht, ob die Mindestdienstzeit für Unteroffiziere nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 b des Soldatengesetzes auf neun Monate herabgesetzt werden kann. Wer zustimmt, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Die Ziff. 2 des Ausschußantrages ist einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 38 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verteidigungsausschusses (11. Ausschuß) über den Jahresbericht 1971 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
— Drucksachen VI/3232, VI/3499 —
Berichterstatter: Abgeordneter Rommerskirchen
Wünscht der Berichterstatter das Wort?

(Abg. Rommerskirchen: Als Berichterstatter verzichte ich auf das Wort!)

Das Wort hat der Herr Wehrbeauftragte.
Schultz, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Tätigkeitsbericht des Wehrbeauftragten ist bereits wenige Tage nach seiner Vorlage in diesem Hohen Hause von den Sprechern aller drei Fraktionen gewürdigt worden, und ich darf mich deshalb heute bei der abschließenden Beratung darauf beschränken, die wesentlichen Gesichtspunkte noch einmal kurz zu umreißen, die in diesem Jahresbericht — von mir aus gesehen — von Bedeutung gewesen sind.
Einer dieser Punkte war die Frage der Kompetenz des Wehrbeauftragten und seine Amtsführung — insbesondere als Hilfsorgan dieses Parlaments. Für
*) Siehe Anlage 2
diese Frage und die angesprochenen Probleme hat der Verteidigungsausschuß beschlossen, eine Kommission einzusetzen, die mit dem Wehrbeauftragten diese Fragen erörtern soll. Hoffentlich kommt es dazu, daß diese Kommission nach den Parlamentsferien in Tätigkeit treten kann.

(Abg. Rommerskirchen: Sie hat sich schon konstituiert!)

— Vielen Dank. — Denn ich wünsche mir sehr, darüber ein Gespräch führen zu können, was wegen der Zeitknappheit im Ausschuß selber nicht möglich gewesen ist. Ich glaube, das kommt auch einem Mitglied dieses Hohen Hauses entgegen, das — wie heute in einer Zeitung gesagt wird — dazu auffordert, der Bundestag möge sich gegenüber dem Wehrbeauftragten stärker als bisher engagieren und ihn praktisch wohl — wenn ich das aus dieser Meldung entnehmen darf — überwachen.
Allerdings glaube ich nicht, daß es richtig ist, zu sagen, dieses Amt befinde sich in Degeneration und verzapfe ideologischen Krampf, insbesondere in seinem letzten Jahresbericht. Man könnte vielleicht sagen, daß in ihm etwas zuviel Soziologie enthalten ist. Aber es ist so: Seinerzeit, als es darum ging, ob und was meine Kinder studieren sollen, habe ich gesagt: für das Studium der Soziologie werdet ihr von mir nie Geld bekommen; das ist ein brotloser Beruf, das ist ein brotloses Studium. — Nachdem ich inzwischen das Amt des Wehrbeauftragten fast zweieinhalb Jahre ausüben darf, ist, so muß ich sagen, meine Einstellung zur Soziologie auch eine andere geworden. Ich glaube, sie ist eine Wissenschaft, die aus unserer heutigen Zeit einfach als Entscheidungshilfe gar nicht mehr wegzudenken ist.
Nun, im Berichtsjahr 1971 hat es fast 8000 Eingaben gegeben. Es wurden 74 Truppenbesuche des Wehrbeauftragten durchgeführt, und darüber hinaus hatten die Herren Mitarbeiter in meinem Amt zahlreiche Gelegenheiten, sich mit Angehörigen aller Teile der Bundeswehr zu unterhalten, mit ihnen zu sprechen und Kontakte aufzunehmen.
Mit Hilfe dieser Informationsmöglichkeiten sowie auf Grund jener Informationsmöglichkeiten, die man durch die amtlichen Statistiken auch des Verteidigungsministeriums hat, konnte man, glaube ich, schon zu dem Schluß kommen, daß sich im Berichtsjahr in der Bundeswehr zunehmend Schwierigkeiten auf dem Gebiet der militärischen Ordnung und der Disziplin ergeben hatten. Ich habe versucht, die Ursachen und die Gründe, die meiner Ansicht nach diese Entwicklung hervorgerufen haben, im Jahresbericht einigermaßen deutlich darzustellen.
Bei der Berichterstattung und bei der Wertung des Tätigkeitsberichts ist es sicher hier und da zu Überzeichnungen und zu vorschnellen Verallgemeinerungen gekommen. Das liegt aber ohne Zweifel außerhalb meiner Verantwortung. Auf der anderen Seite ist man sich, glaube ich, heute auch darüber im klaren — und es gibt keinen Streit mehr —, daß die Bemerkungen, der Wehrbeauftragte habe die Bundeswehr in eine Krise hineingeredet oder habe



Wehrbeauftragter Schultz
für die Bundeswehr eine Krise herbeigeredet, sicher auch nicht zutreffend waren,

(Abg. Dr. Wörner: Sehr richtig!)

sondern auch eine momentane Überzeichnung gewesen sind.
Ich habe in meinem Bericht völlig deutlich gemacht, daß die Bundeswehr nicht vor ihrer inneren Auflösung steht. Ich habe vielmehr gerade im Schlußkapitel gesagt, daß die Streitkräfte mit den zahlreichen Schwierigkeiten, die von außen auf sie eindringen, eigentlich verhältnismäßig gut zurechtgekommen sind. Aber man kann dabei natürlich nicht übersehen, daß Infektionen immer in der Luft liegen und daß niemand gegen Infektionen immun ist. Auf solche Erscheinungen hinzuweisen scheint mir die Aufgabe des Wehrbeauftragten zu sein.

(Abg. Dr. Wörner: Jawohl!)

Ich sagte, daß ich mich natürlich auch auf die Unterlagen stützte, die mir aus dem Hause des Bundesverteidigungsministers zugegangen sind. Ich darf in diesem Zusammenhang nur darauf hinweisen, daß schon die 17. Kommandeurstagung der Bundeswehr im November des vergangenen Jahres das Thema „Disziplin" sicher nicht zufällig mit in ihre Überlegungen einbezogen hat. Und auch dieses Jahr fand eine Tagung der Generalstabsoffiziere, der Führungsgehilfen, bei der Schule für Innere Führung in Koblenz statt, die sich wiederum mit diesem Thema beschäftigte. Und wenn ich an die Äußerungen des Beauftragten für Erziehung und Bildung beim Generalinspekteur erinnern darf, dann meine ich, daß auch hier durchaus Parallelen zwischen dem dortigen Bericht und meinem festzustellen sind, wobei es natürlich nicht so ist, daß der Wehrbeauftragte nun inzwischen vielleicht Lobbyist für das Bundesverteidigungsministerium in diesem Hohen Hause geworden wäre.
Nun hat die politische und militärische Führung der Bundeswehr gerade in der jüngsten Zeit einige Maßnahmen in diesem Bereich ergriffen. Ich halte es für außerordentlich nützlich und richtig, daß der Erlaß über das Verhalten von Soldaten bei ihrer Entlassung, den es schon immer gegeben hat, neu überarbeitet worden ist. Ich hoffe sehr, daß er die Grundlage dafür gibt, diese unschönen Bilder und diese der Bundeswehr nicht zuträglichen Szenen in Eisenbahnen oder sonstwo, die wir bei jedem Quartalsentlassungstag wieder erleben müssen, zu vermeiden. Ich halte auch den Kommandeursbrief des Herrn Generalinspekteurs vom 16. Mai für eine außerordentlich nützliche Hilfe für die Führer aller Grade in der Bundeswehr, weil er sagt, daß verstärkt auf Haltung und Auftreten der Soldaten zu achten ist und die vorhandenen erzieherischen und notfalls auch disziplinaren Mittel nachdrücklich eingesetzt werden sollen.
Schließlich ist auch das leidige Thema der Haar-und Barttracht, das ich hier kaum noch einmal in den Mund zu nehmen wage, durch den neuen Erlaß eigentlich vom Tisch, obwohl es für den Wehrbeauftragten leider doch nicht nicht vom Tisch ist. Aber ich hoffe, daß ich Sie damit nicht wieder belästigen muß. Man muß nun feststellen, daß das
Pendel natürlich nach der anderen Seite ausschlägt und leider schwache Vorgesetzte — solche gibt es natürlich auch unter den vielen guten — diesen Erlaß plötzlich sozusagen als Rettungsanker ansehen, um sich entsprechend durchsetzen zu können. Das ist sicher von dem, was getan werden könnte, das völlig Falsche.
Ich halte die disziplinaren Mittel, die den Führern zur Verfügung stehen, für völlig ausreichend, insbesondere auch dann, wenn die Novelle zur Wehrdisziplinarordnung verabschiedet worden ist, was für heute vorgesehen ist. Diese Mittel reichen völlig aus, die notwendige Disziplin und Ordnung aufrechtzuerhalten. Ich möchte also dem entgegentreten, daß man nunmehr das Pendel nach der anderen Seite ausschwingen läßt und vielleicht in die Richtung kommt, die Herr Buchstaller vorhin angedeutet hat, daß man sozusagen alte Zucht und Ordnung von vor 100 oder 200 Jahren wiederaufrichten will. Dies ist in unserer Zeit nicht mehr möglich und, wie ich meine, auch nicht nötig. Im Gegenteil, es würde gerade das Zusammenwachsen von Bundeswehr und Bevölkerung nur zu stören geeignet sein. Wir wissen alle — darüber ist schon genug gesprochen worden —, daß Befehl und Gehorsam das tragende Prinzip für die Streitkräfte sein müssen. Aber ich finde, es ist gerade gut, daß in den vergangenen Jahren die Möglichkeit der Diskussion, der Meinungsbildung und der freien Meinungsäußerung sehr stark Eingang in die Streitkräfte gefunden hat.
Selbstverständlich begrüßt es der Wehrbeauftragte, daß die Grundsätze der Inneren Führung in der nächsten Zeit in einer Vorschrift neu gefaßt werden sollen. Ich bin sehr froh, daß es gelungen ist, auch im Hause des Bundesverteidigungsministers, wie dieses Hohe Haus es schon seinerzeit 1969 beschlossen hatte, in dieser Richtung weiter voranzukommen. Ich bin sicher, daß dann, wenn eine solche Vorschrift vorhanden ist, in Zukunft manche Probleme, die noch im Jahresbericht früherer Zeiten behandelt werden mußten, nicht mehr zur Sprache gebracht werden müssen.
Auch heute wurde wieder darüber gesprochen, daß das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform natürlich nur dann funktionieren kann, wenn es den Staatsbürger in Zivil gibt, eine Binsenweisheit, über die wir schon lange gesprochen haben. Ich begrüße deswegen auch alles das, was in der Richtung der Information der Jugend über Probleme der Landesverteidigung im politischen Raum im vergangenen Jahr in Gang gesetzt worden ist.
Die Veränderungen, die in der Bundeswehr stattfinden durch die Verwirklichung der Reformvorhaben, die zum Teil angekündigt sind, zum Teil sich schon in der Verwirklichung befinden, werden natürlich die Bundeswehr und ihre führenden Leute bis hinunter zum Kompaniechef, bis hinunter zum Gruppenführer vor schwierige Probleme und vor schwierige Zeiten stellen. Ich glaube, daß diese Probleme nur dann zu meistern sind, wenn das erkennbare Engagement der Abgeordneten dieses Hauses und der Mitglieder der Bundesregierung, sich mit den Fragen der Bundeswehr zu beschäftigen und auch mit den Leuten draußen zu sprechen, wei-



Wehrbeauftragter Schultz
ter fortgesetzt wird. Daß dies geschieht, daß die Soldaten das Gefühl haben, daß sie erstens ein Teil der Gesellschaft sind und zweitens dieses Haus sich mit großem Interesse ihren Belangen widmet, das möchte ich als Bitte — in diesem Fall nicht als Kontrollorgan, sondern als Sachwalter für die Soldaten — an Sie richten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0619602600
Ich danke dem Herrn Wehrbeauftragten und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Rommerskirchen. Seine Fraktion hat für ihn eine Redezeit von 20 Minuten angemeldet.

Josef Rommerskirchen (CDU):
Rede ID: ID0619602700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Ihrer Eingangsbemerkung, Herr Wehrbeauftragter, darf ich sagen, daß sich die Kommission, die den Auftrag bekommen hat, die Notwendigkeit einer Novellierung des Wehrbeauftragtengesetzes zu überprüfen, bereits konstituiert hat. Sie hat auch die Beschlüsse gefaßt, die notwendig waren, um die Prüfungsunterlagen zu bekommen; die Aufträge sind erteilt.
Meine Damen und Herren, der Jahresbericht 1971 des Wehrbeauftragten ist, wie schon zum Ausdruck gebracht wurde, vor der Überweisung an den Verteidigungsausschuß hier im Plenum — ich darf betonen: zumal von meinem Kollegen Dr. Wörner — ausführlich gewürdigt worden. Es steht fest, daß die ungeschminkte Kennzeichnung der Situation in der Bundeswehr wie das Verhältnis der freien Gesellschaft zu ihr eine außerordentlich brauchbare Grundlage für sachgerechte Erörterungen der aufgezeigten Probleme und für konsequente Folgerungen ist.
Zugleich im Namen meiner Fraktion darf ich dennoch zu einigen Punkten noch einmal kurz Stellung nehmen. Ich muß mit einem Wort an den Herrn Wehrbeauftragten beginnen. Herr Wehrbeauftragter, Sie hatten sicherlich dafür Verständnis, daß wir uns über Ihre eigene Abschwächung Ihrer Verantwortung für den Jahresbericht vor einiger Zeit einfach wundern mußten.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr richtig!)

Sie taten das nach unserer Auffassung insofern, als Sie — wenn es zutrifft, was wir mitgeteilt bekamen — in einer Pressekonferenz erklärten, daß Sie den Bericht zwar verträten, aber ihn nicht gemacht hätten.

(Abg. Dr. Klepsch: Hört! Hört!)

Wir finden, daß diese Betonung schlechterdings nicht notwendig war und daß sie eine Abschwächung bedeuten kann. Weil wir aber, so wie wir Sie kennen, Herr Wehrbeauftragter, nicht unterstellen, daß Sie Angst vor Ihrer eigenen Courage bekommen haben, werden wir all Ihre Feststellungen bei den jeweils gegebenen Anlässen gebührend heranziehen.
In diesem Zusammenhang ist z. B. interessant, daß der Bundesverteidigungsminister in seiner im übrigen recht eingehenden Stellungnahme zum Wehrbeauftragten-Bericht auf eine — so meinen wir außerordentlich bedeutsame und schwerwiegende Feststellung nicht eingegangen ist, die heute schon des öfteren hier Gegenstand der Erörterungen war, aber im Zusammenhang mit dem Wehrbeauftragten-Bericht sicherlich noch einmal hervorgehoben werden sollte. Immerhin stellt der Wehrbeauftragte in seinem Jahresbericht auch fest, daß bei Bataillonskommandeuren und Kompaniechefs eine gewisse Trotzhaltung gegenüber der Ostpolitik der Bundesregierung herrsche und daß bei vielen Staatsbürgern im Lande der Eindruck bestehe, es gebe keine äußere Bedrohung mehr, und man deswegen die Notwendigkeit der Bundeswehr in Zweifel ziehe. Wenn Sprecher unserer Fraktion das vor dieser Feststellung sagten, wurde uns das von nicht wenigen Gesundbetern in unserem Staat als unverbesserliche „Kalte-Krieger-Einstellung" schwer verübelt.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Herr Wehrbeauftragter, wir sind Ihnen dankbar, daß auch Sie es in Verantwortung festhielten.
Sicherlich ist der Wehrbeauftragte in Übereinstimmung mit uns der Auffassung — wozu sonst diese Feststellung? —, daß sich der Bundesverteidigungsminister von niemandem davon abhalten lassen darf, die Maxime vom unabdingbaren Zusammenhang zwischen Sicherheitsvorkehrungen und Entspannungsbemühungen sowohl seinen Soldaten wie der Öffentlichkeit immer neu zu verdeutlichen. Heute hat der Herr Verteidigungsminister selber das dankenswerterweise ja auch betont. Dazu ist und bleibt er auch verpflichtet einerseits auf Grund des Auftrages an die Bundeswehr, mit uneingeschränkter Anstrengung und Zielstrebigkeit zu einer wirksamen Friedenssicherung beizutragen, andererseits in Anbetracht der fortbestehenden ideologischen Bedrohung durch. das kommunistische System bei wachsendem Potential an Angriffswaffen und bei deutlichen Expansionsbemühungen. Mein Kollege Dr. Wörner hat das ausführlich dargelegt. Aber wir meinen, daß es gewiß zur Klarheit unter den Soldaten noch mehr beitragen würde, wenn zwischen den Aussagen ihres Oberbefehlshabers und des Chefs der Bundesregierung auch jeder scheinbare Widerspruch vermieden würde; leider Gottes war nicht selten das Gegenteil der Fall.
Das, was den Soldaten gegenüber gilt, gilt gleichermaßen gegenüber allen Bürgern unseres Staates. Denn es ist dringend vonnöten, sich unablässig um ein vertieftes Verständnis zu bemühen für den unlösbaren Zusammenhang zwischen dem Streben nach dauerhaftem Frieden und der Notwendigkeit von Streitkräften zu seiner Sicherung.

(Abg. Klepsch: Sehr gut!)

Das wird doch leider von vielen, die die Segnungen der Freiheit allzu selbstverständlich genießen, nicht klar genug erkannt und nicht eindeutig genug anerkannt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Im Hinblick auf das erwähnte Zuordnungsverhältnis von Bundeswehr und Gesellschaft ist es zu begrüßen, daß der Wehrbeauftragte auch mit seinem Jahresbericht 1971 wie zuvor wieder dazu beiträgt, die nicht selten allzu schiefen Erörterungen



Rommerskirchen
des Integrationsproblems zurechtzurücken. Wer immer von Integration spricht, sollte sich selbst klarmachen, daß sie insofern wesentlich auf den Staat abzielt, als sie das Bemühen aller einzelnen wie aller gesellschaftlichen Gruppen zu sein hat, zu einer höchst möglichen Übereinstimmung im Hinblick auf das Wert- und Normensystem der staatlichen Verfassung und zu entsprechendem Verhalten zu kommen. Die Forderung nach Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft ist insofern korrigierbar, als wir eben feststellen müssen, daß Integration wesentlich auf den Staat abzielt und daß es demgegenüber innerhalb der Gesellschaft auf Kommunikation und Solidarität zwischen den gesellschaftlichen Gruppen ankommt, von denen die Bundeswehr eine ist.
Um das zu verdeutlichen: die Bundeswehr ist als Gesamtkörper, als Institution auftrags- und weisungsgebundener Teil der staatlichen Exekutive mit Kontrolle durch die Legislative. Ihre Funktionstüchtigkeit bedingt die Einhaltung bestimmter Ordnungs-
und Gestaltungsprinzipien. Ihre Anpassung an die Lebens- und Verhaltensweisen innerhalb der Gesellschaft ist deshalb nur insoweit möglich, als der Auftrag mit höchstmöglicher Effektivität durchführbar bleibt.
Selbst im Hinblick auf die Bundeswehr als Gemeinschaft von Soldaten und insofern als Großgruppe der Gesellschaft macht die Pluralität dieser Gesellschaft mit der Mannigfaltigkeit an Lebensformen und der Vielheit der Auffassungen, mit dem Widerstreit der Anschauungen und entsprechenden Willensbekundungen die Forderung nach Integration in die Gesellschaft, als sei sie eine homogene Größe, auch sehr fragwürdig. Wann immer also die Bundeswehr in Staat und Gesellschaft zur Debatte steht, muß ihr Doppelcharakter genau beachtet werden, wenn Wertungen oder Forderungen nicht an der Sache vorbeitreffen wollen. Was ihren Standort in der Gesellschaft angeht, so darf die sogenannte Integrationsforderung nur darauf abzielen, im gegenseitigen Verständnis für Eigenheiten und Andersartigkeiten der Gruppen und Kräfte einander nicht nur zu tolerieren, sondern im Interesse des Ganzen einander zu Bestleistungen herauszufordern.
Abgesehen davon, daß die Bundeswehr in ihrem instrumentalen Charakter, von dem ich sprach, als konkreter Bestandteil der Friedenspolitik der Bundesregierung wie des Staates die volle Bejahung aller einsichtigen Bürger finden müßte und ihre Existenzberechtigung insofern selbst nicht auszuweisen hat, verdient auch der Beruf des Soldaten volle Anerkennung im Sinne der Gleichwertigkeit mit allen anderen Berufen, in denen hohe und höchste Leistungen in persönlicher und sachlicher Hinsicht gefordert wird. Ich sage das, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil es sehr zu begrüßen ist, daß die im abschließenden Gutachten der zuständigen Kommission des Verteidigungsministers vorgenommene Begründung für die Neuordnung der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr die im ersten Entwurf enthaltene Diskriminierung des Soldatenberufs aufgehoben und dessen Wertung wesentlich korrigiert hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Damit wir nun nicht sofort wieder mißdeutet werden und damit jede unsachgemäße Polemik ausgeschlossen wird, sei festgestellt: wir wollen keine Sonderstellung des Soldaten, aber eine Gleichwertung gegen über anderen Höchstleistungsgruppen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Wehrbeauftragter, Ihnen ist dafür zu danken, daß Sie zur Klärung der diesbezüglichen Diskussion nicht unerheblich beigetragen haben.
Im Bericht des Wehrbeauftragten wird erneut auf die Tatsache hingewiesen, daß die Bemühungen um Friedenssicherung und Landesverteidigung innerhalb der politischen Bildung an allen in Betracht kommenden Schulen sowohl im Hinblick auf die Lernenden wie die Lehrenden immer noch zu sehr ausgeklammert werden. Was inzwischen in einigen Bundesländern — wofür wir außerordentlich dankbar sind — im Sinne exakter Information über Ziel, Aufgabe und Organisation entsprechender Staatsleistungen zur Erhaltung des Friedens und zur Sicherung der Freiheit geregelt ist, muß — so meinen wir und fordern wir — dringend Allgemeinordnung in den deutschen Bundesländern werden. Die Begründung für die Berechtigung dieser Forderung liegt ganz unmittelbar in unserer Verfassung selbst. Wenn in ihr die Wehrpflicht der männlichen Staatsbürger normiert ist, sollte es sich eigentlich von selbst verstehen, daß dort, wo den jungen Menschen die Einsichten in die Grundlagen der staatlichen Gemeinschaft vermittelt werden, dieser Sachbereich nicht wegen des Widerspruchs Uneinsichtiger ausgeklammert werden darf.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aus aktuellem Anlaß ist in diesem Zusammenhang die Frage aufzuwerfen, ob die Förderung einer Zeitung bzw. Zeitschrift aus öffentlichen Mitteln gerechtfertigt ist, wenn sich in ihr Schreiberlinge offen gegen die verfassungsmäßige Rechtsordnung erklären. Ich greife nicht auf Ladenhüter zurück. Man liest in der Ausgabe Nr. 4 „SMV-Press, Publikationsorgan der Schülermitverwaltung in Nordrhein-Westfalen", Juni 1972, u. a. — ich darf zitieren, Herr Präsident —:
Die meisten Kriegsdienstverweigerer haben den Kampf für eine Veränderung der Gesellschaft, gegen Militarismus, gegen Krieg und Gewalt auf ihre Fahne geschrieben. Diese Ziele sind sicher anerkennenswert; doch wie sollen gesellschaftliche Veränderungen herbeigeführt werden?
Die Kriegsdienstverweigerer — ich zitiere noch —
verfolgen eine Politik, die in höchstem Maße idealistisch ist und mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hat. Wer gesellschaftliche Veränderungen will,
— und nun kommt der entscheidende Satz —
muß bemüht sein, sie ohne Gewalt und Opfer herbeizuführen, aber es ist in höchstem Maße borniert, von vornherein den Gebrauch von Gewalt auszuschließen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)




Rommerskirchen
Soweit das Zitat mit dem unverfrorenen Bekenntnis zur Gewaltanwendung, mit dessen Folgen in diesen Tagen sich die ganze Öffentlichkeit und auch wir in diesem Hohen Hause uns auseinanderzusetzen hatten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn man sich eingehender mit Publikationen innerhalb der Schüler- und Studentenschaft befaßt, kommt man bald zu der Feststellung, daß das Recht der Kriegsdienstverweigerung in zunehmendem Maße — ich möchte sagen: so zunehmend wie die Zahl der Antragsteller auf Kriegs- bzw., richtiger gesagt, Wehrdienstverweigerung — nicht mehr, wie in Art. 4 GG vorgesehen, aus personaler Gewissensentscheidung in Anspruch genommen, sondern als Instrument zur Durchsetzung ideologischer Gruppenvorstellungen und insofern als politisches Kampfmittel benutzt wird.
Abgesehen davon, daß nicht genug an die Gewissenhaftigkeit und an die Mitverantwortung auch des jungen Menschen für die Erhaltung des konkreten Gemeinwohls appelliert werden kann und sie von allen anderen Verantwortlichen aufgefordert werden müssen, sich nicht manipulieren zu lassen, darf der Mißbrauch, so meinen wir, auf gar keinen Fall geduldet oder gar erleichtert werden.
Dem Herrn Verteidigungsminister bzw. Ihnen, Herr Staatssekretär, wären wir dankbar,

(Abg. Dr. Klepsch: Wo ist eigentlich der Minister?)

wenn Sie den zuständigen Ministerkollegen in der Regierung von Nordrhein-Westfalen mit dem konkreten Vorgang, den ich erwähnte, befassen würden, sofern die Mitteilung zutrifft, daß die erwähnte Zeitschrift tatsächlich aus Mitteln des Steuerzahlers gefördert worden ist.
Und nun frage ich mich selbst und frage Sie alle in Anbetracht von gestrigen Ausführungen aus den Reihen der Koalition: Ist das, was ich darstellte, etwa wieder ein unangebrachter Ruf nach Recht und Ordnung? Ich darf in Beantwortung dieser Frage — diese Beantwortung ist nach dem gestrigen Vorfall sicherlich angebracht — mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, den Herrn Bundeskanzler zitieren, der am 26. März 1971 in der 111. Sitzung des Deutschen Bundestages u. a. ausführte:
Wir müssen mit Sorge die innere Abwendung eines Teils der heranwachsenden Generation von den Pflichten sehen, die ihnen von Staat und Gesellschaft abverlangt werden. Ich glaube zwar, daß dies eine vorübergehende Erscheinung ist; aber das Ansteigen der Zahl der Militärdienstverweigerer kann die Regierung nicht unbeteiligt lassen. Wir müssen deshalb die Anstrengungen um mehr Wehrgerechtigkeit verstärken und denjenigen entgegentreten, die das unbestrittene Recht der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen zu ganz anderen Zwecken ausnutzen.
Herr Staatssekretär, dürfen wir Sie bitten, zu veranlassen, daß die jungen Leute, die verantwortlich sind für das, was ich soeben darstellte, zur Verantwortung gezogen werden?
Im Hinblick auf eine sinnvolle Neuordnung des Ersatzdienstes — auch das hängt ja ursächlich mit dem Gesagten zusammen — ist es — ich unterstreiche das, was mein Kollege Damm sagte — auch mir und uns unverständlich, daß selbst der Herr Verteidigungsminister und sein Parlamentarischer Staatssekretär für die eingeengten Möglichkeiten zur Ersatzdienstleistung stimmen konnten.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Wir jedenfalls haben sie in dem Bestreben voll unterstützt, durch ein mögliches Höchstmaß an Dienst-und Leistungsgerechtigkeit das weitverbreitete Ärgernis über die Ungleichheit der Inanspruchnahme zum Dienst an der Allgemeinheit zu beseitigen.

(Abg. Dr. Klepsch: Aber er hat hier mit Nein gestimmt!)

— Das habe ich eben gesagt, Herr Kollege Klepsch. Es wundert uns, daß hier die rote Karte abgegeben wurde, die nämlich die Ausweitung der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Ersatzdienstplätzen weitgehend eingeschränkt hat.

(Abg. Damm: Er hat gegen seinen eigenen Regierungsentwurf gestimmt!)

Wir vermögen einfach kein Verständnis dafür aufzubringen, wie man uns einerseits das Ja zur Heranziehung sogar eingeschränkt tauglicher Wehrpflichtiger abfordern konnte,

(Abg. Dr. Klepsch: Eben, eben!)

während man andererseits die Gefahr, auch weiterhin nicht über genügend Einsatzplätze für gesunde Ersatzdienstpflichtige verfügen zu können, nicht nur bestehen läßt, sondern sogar vergrößert hat.

(Abg. Dr. Klepsch: Genauso ist das!)

Auf jeden Fall halten wir fest, daß zutreffenden-falls die Verantwortung bei denen liegt, die im Hinblick auf die von allen verbal als notwendig erachtete Ausgewogenheit von Rechten und Pflichten unseres Erachtens zu Lasten der Wehrpflichtigen inkonsequent gehandelt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir dürfen doch nicht übersehen, daß in den ersten fünf Monaten dieses Jahres die Zahl der Wehrdienstverweigerer schon wieder um 23,8 % gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres zugenommen hat. In diesem Zusammenhang möchte ich sagen — auch wegen des Sprachgebrauchs von heute morgen —, es muß einfach einmal, so finde ich, um der Klarheit willen festgestellt werden: Wehrdienst wird verweigert, der von den jungen Willigen deswegen geleistet wird, um Kriegsdienst zu verhindern. Das ist der Sachverhalt in diesem Land.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Es gibt noch eine schwerwiegende Feststellung im Wehrbeauftragtenbericht, auf die weder die schriftliche Stellungnahme des Verteidigungsministers eingeht noch in der Beratung im Verteidigungsausschuß eingegangen wurde, obwohl wir auf sie hingewiesen haben. Der Herr Wehrbeauftragte sagte in seinem Bericht bereits in den Vorbemerkungen wörtlich:



Rommerskirchen
Die großen Reformprojekte der Bundesregierung und des Bundesministers der Verteidigung befanden sich im Berichtsjahr noch im Stadium der Planung und Vorbereitung. In der Truppe haben sich in dieser Hinsicht noch keine konkreten Veränderungen ergeben. Bei meinen Truppenbesuchen konnte ich jedoch wiederholt beobachten, daß die Vorschläge der Kommissionen vielerorts bereits als verbindliche Entscheidungen der Bundesregierung und des Bundesministers der Verteidigung gewertet und aufgefaßt wurden. Das hat gelegentlich zu vermeidbarer Unruhe geführt, da manche Soldaten als feststehende Tatsache ansahen und in ihrer Zukunftsplanung berücksichtigten, was das Stadium der Planung und Vorbereitung noch keineswegs überschritten hatte. Zu diesem Eindruch der Endgültigkeit hat die Aufmachung der Kommissionsberichte nach meinem Eindruck nicht unmaßgeblich beigetragen.
Soweit der Wehrbeauftragte.

(Abg. Dr. Klepsch: Ein sehr wichtiges Zitat!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0619602800
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Josef Rommerskirchen (CDU):
Rede ID: ID0619602900
Ich bin sofort zu Ende. Ich darf nur noch folgendes sagen. Als die Opposition die spektakulär aufgemachten Kommissionsberichte wegen ihres Definitivcharakters kritisierte, als sie das Fehlen der Darstellung oder aber wenigstens der Skizzierung von Realisierungsmöglichkeiten in personeller, infrastruktureller und finanzieller Hinsicht beklagte und bedauerte, daß Erwartungen und Hoffnungen stimuliert wurden, die möglicherweise mehr oder weniger schwer enttäuscht werden müßten, wurde sie nach dem üblichen Verfahren des dialektischen Umkehrschlusses der Krisenmache bezichtigt.

(Abg. Dr. Klepsch: Hört! Hört!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren — Herr Präsident ich darf bald den Schlußsatz sprechen , der Jahresbericht 1971 gäbe Veranlassung, noch auf manches näher einzugehen. Ich handele, Herr Präsident, wenn ich noch eine Minute spreche, wohl auch im Sinne des Herrn Verteidigungsministers. Wir von der CDU/CSU-Fraktion können Ihre Befürchtungen, Herr Wehrbeauftragter, im Hinblick auf den „Pendelschlag" des neuen Haar- und Barttrachterlasses nicht teilen. Es besteht bestenfalls die Möglichkeit, daß der Schwarze Peter jetzt in den Sanitätsdienst abwandert. Ihrer Auffasung stimmen wir jedenfalls nicht zu.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Dem Herrn Wehrbeauftragten sagen wir mit dem Dank auch weiterhin unsere volle Unterstützung bei der Wahrnehmung des gewiß nicht leichten Auftrages zu.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0619603000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jung.

(Abg. van Delden: Schon wieder!)


Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0619603100
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sehen, FDP-Abgeordnete sind bereit, sich immer einzusetzen, Herr van Delden.

(Abg. van Delden: Eine Mehrzweckwaffe! — Zuruf von der CDU/CSU: Allzweckwaffe!)

Uns allen ist die lebhafte und umfangreiche Berichterstattung der Massenmedien über den Jahresbericht 1971 des Wehrbeauftragten dieses Hohen Hauses gut in Erinnerung. Wer die Gepflogenheiten der demokratischen Publizistik kennt, versteht, daß nicht jede Zeitung, nicht jeder Rundfunkkommentar sich vollendete Ausgewogenheit zur obersten Richtschnur machten. So entstand hier und da der Eindruck, der Wehrbeauftragte habe ein einseitiges, zu negatives Bild der Bundeswehr gezeichnet. Dieser Eindruck scheint mir schlicht falsch zu sein. Wenn die Institution des Wehrbeauftragten im Sinne der Aufgabenstellung, die wir hier selber konzipiert haben, ihren Wert und Nutzen behalten soll, muß uns an der Nennung konkreter Fakten liegen. Daß daraus ein gewisses, institutionell bedingtes Spannungsverhältnis zum Bundesministerium der Verteidigung resultiert, kann nicht lästige Nebenerscheinung sein, sondern ist gerade das Salz in der Suppe, die wir — das schulden wir, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, als Deutscher Bundestag doch unserer Selbstachtung — nicht unseren Wehrbeauftragten allein auslöffeln lassen sollten. Ich spreche doch wohl eine bare Selbstverständlichkeit aus, wenn ich Fritz-Rudolf Schultz unser aller volle Solidarität bei seiner kritischen Arbeit als einem sozialen Frühwarnsystem der Bundeswehr versichere. Mir scheint es sogar darüber hinaus so zu sein, daß aus der Bundeswehr selbst, gewissermaßen von der Basis her, ebenfalls viel Zustimmung zu den Beispielsammlungen und zu zahlreichen Wertungen des Wehrbeauftragten zu verzeichnen ist.
Jedenfalls scheint sich unser Kontrollorgan, wenn ich auf die bisherige Geschichte zurückblicke, zu festigen und, wie man heute sagt, zu qualifizieren. Das ist eine Entwicklung, die wir nur wünschen können und daher fördern sollten.
Der Wehrbeauftragte beschäftigt sich vorrangig mit den Komplexen der Disziplin in den Streitkräften und der Inneren Führung. Beide Komplexe sind naturgemäß unlösbar miteinander verknüpft.
Das kann man gut an der Frage des eben erwähnten Haar- und Barttrachterlasses erläutern. Führen heißt doch schließlich vor allem Bessermachen und die zu Führenden durch Vorbild überzeugen. Unter diesem Aspekt war der inzwischen überholte Haar- und Barttrachterlaß von 1970/71 ein unklarer Erlaß, der keinen Anhalt für Führungs-, also Überzeugungsarbeit bot. Er bedeutete vielmehr ein Bestreben an, das Problem nach unten weiterzugeben. Damit forderte die oberste Führung von den Einheitsführern mehr als von sich selbst, worin ich unter anderem einen Verstoß gegen Grundregeln der inneren Führung erblicke. Der neue Erlaß hat mit diesen Schwächen aufgeräumt. Das ist zu



Jung
begrüßen und hat sicher zu mancher Klärung beigetragen, und zwar nicht nur hinsichtlich der zulässigen Haarlänge, sondern auch in der Hinsicht, was Innere Führung heißt und will.
Ich glaube, wir können im Zusammenhang mit dem Bericht des Wehrbeauftragten feststellen, daß die Bundesregierung nunmehr das Mögliche getan hat und tut, um den inneren Zustand der Streitkräfte zu verbessern. Hierzu gehören die Wehrdisziplinarordnung, die Wehrbeschwerdeordnung und die schon weit gediehene Beratung der neuen Zentralen Dienstvorschrift 10/1 — Innere Führung — sowie andere Maßnahmen. Der Wehrbeauftragte spricht in seinem Jahresbericht 1971 die Forderung nach einer solchen modernen, verständlichen und praxisbezogenen Führungslehre erneut aus. Er gibt damit aus der Sicht seines Amtes einem seit Jahren von der FDP immer wieder vertretenen Anliegen Ausdruck. Das Motiv ist wiederum das elementare Führungsmodell des Bessermachens. Die politische und oberste militärische Führung kann von den Kommandeuren und Einheitsführern, von den Vorgesetzten und Soldaten nur ein Verhalten erwarten, das sie selbst klar und beispielhaft erfüllt, für das sie selbst die unmißverständlichen Normen festsetzt. Die neue ZDv wird in diesem Sinne eine ernste Lücke in der Menschenführung der Streitkräfte unseres Landes schließen.
Lassen Sie mich indes noch auf einen anderen Aspekt dieser Angelegenheit hinweisen. Die Innere Führung wird natürlich nicht schlagartig
durch das bloße Vorhandensein dieser ZDv 10/1 ausgestaltet und verbessert; anders ausgedrückt, es konnte uns nichts an einem möglichst routinemäßigen, raschen, gar geheimen Entstehungsgang der ZDv liegen; erst die breite Diskussion, die Einarbeitung möglichst vieler Meinungen, die Anhörung vieler Gremien, Praktiker, Einheiten usw. sichert den umfassenden erzieherischen Charakter der geplanten Vorschrift. Nicht der perfekte prozedurale Entstehungsgang sollte unser Anliegen sein, obwohl die ZDv gebraucht wird, sondern die breitestmögliche und mehrfache Diskussion und Abstimmung mit so vielen Betroffenen wie möglich.
Hier danke ich Herrn Minister Schmidt, daß er den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses sehr früh Gelegenheit gegeben hat, sich in diesem Sinne einzuschalten, obwohl — frühere Praktiken zeigen das — ihm dies nicht vorgeschrieben war. Ich weiß in diesem Moment auch nicht, ob und wie man eine noch breitere Diskussion organisatorisch machen kann, aber wenn einmal — und dies als Beispiel — an den Schulen mit jungen kritischen Geistern über den Inhalt dieser ZDv diskutiert würde, könnte eine ganz fruchtbare politische Bildungsarbeit entstehen. Vielleicht gibt es Wege, das zu realisieren.
Ich möchte hier nur mit einem Satz auf das eingehen, was Herr Kollege Rommerskirchen am Schluß sagte. Er erhob nämlich einen kleinen Vorwurf, weil der Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Zusammenhang mit dem Ersatzdienst hier im Hohen Hause keine Zustimmung gefunden habe. Herr Kollege Rommerskirchen, vielleicht hätte man das ein bißchen anders formulieren müssen. Ich meine, wir sind alle der gleichen Auffassung, daß wir eine breitere Palette von Diensten anbieten müssen. Vielleicht herrscht hier auch noch eine gewisse Begriffsverwirrung: Zivildienst und ziviler Ersatzdienst. Hier ist ausdrücklich der Dienst gemeint, der für die Kriegsdienstverweigerer gilt. Wenn man also einen solchen Antrag mit der Zielrichtung formuliert, eine breitere Palette für alle anzubieten, die bereit sind, gleich an welcher Stelle, ihren Dienst am Gesamten zu leisten, ihren Pflichten in einer demokratischen Gesellschaft nachzukommen, gleich, wo dies ist, dann sollte man dies hier so vortragen. Ich bin sicher, daß dies die breite Zustimmung dieses Hohen Hauses findet.

(Abg. Rommerskirchen: Herr Kollege, wir hatten so formuliert wie die Bundesregierung!)

Ich fasse die wichtigsten Lehren aus dem Jahresbericht 1971 zusammen:
1. Aus bald 8000 Eingaben resultierten letzlich zwei Straf- und sieben disziplinarische Verfahren sowie vier Disziplinarstrafen, dagegen 1066 Maßnahmen im Bereich der Fürsorge. Die Bundeswehr ist gesund, sicher gesünder als jeder ähnliche gesellschaftliche Großorganismus.
2. Die Arbeit des Wehrbeauftragten findet unsere volle Billigung; ihr Nutzen und Wert verdient vom Deutschen Bundestag ausdrücklich festgehalten zu werden.
3. Der inneren Führung und dem inneren Zustand der Streitkräfte gilt weiterhin die volle hilfreiche Aufmerksamkeit des Deutschen Bundestages.
4. Die Bundesregierung wird gebeten, die Bundeswehr in die Lage zu versetzen, sich stärker in die öffentliche sicherheits- und wehrpolitische Diskussion einzuschalten und sich selbst offensiver und überzeugender öffentlich darzustellen.
Ich hatte die Ehre, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Namen der Koalitionsfraktionen diese Erklärung zum Jahresbericht 1971 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages abzugeben. Ich wäre Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition dankbar, wenn Sie der Quintessenz meiner Ausführungen zustimmen könnten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0619603200
Das Wort hat Herr Staatssekretär Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0619603300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nur zur Diskussion hier Stellung nehmen. Denn das Ressort hatte ausreichend Gelegenheit, sich in einem schriftlichen Bericht zu äußern.
Ich bedauere außerordentlich, Herr Wehrbeauftragter, daß Sie den Eindruck gewonnen haben, der Verteidigungsminister oder seine Organe seien bei der Regelung des Haar-und-Bart-Erlasses mit einem Pendelschlag nun zu weit nach der anderen Seite



Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
gerutscht. Ich hatte während dieser Ausführungen in Ihrer Rede Gelegenheit, auf die Tribüne zu schauen. Mir saßen dort ein paar junge Soldaten gegenüber, und ich hatte nicht den Eindruck — die haben leider jetzt den Raum verlassen —, daß die jetzt in preußisch kurzer Haartracht den erlauchten Ausführungen des Wehrbeauftragten lauschten. Dies will weder der Minister noch seine Mitarbeiter, noch der Generalinspekteur. Wir möchten nur, daß sich die Soldaten modischen Gegebenheiten so anpassen, daß sie daneben auch ihren Dienst tun können.
Eine zweite Bemerkung, Herr Kollege Rommerskirchen. Lasten Sie doch bitte dem Verteidigungsminister — Sie sind so lange mit mir in Kontakt, daß Sie wissen, daß ich ein fleißiger Mensch bin — nicht noch Arbeiten an, die woanders erledigt werden müssen! Sie sind mit ausreichend Kollegen im Landtag vertreten, und da sind sicher ein paar Damen und Herren dabei, die sich der Sache annehmen werden. Ich möchte mich über die Sache nicht äußern. Aber der Verteidigungsminister sollte sich auf seine außenpolitischen — bitte sehr, in Anführungszeichen —, verteidigungspolitischen und bundeswehrpolitischen Aufgaben beschränken und sollte daneben in der Landespolitik von Nordrhein-Westfalen eine untergeordnete Rolle spielen.

(Abg. van Delden: Aber bei so gravierenden Dingen!)

— Herr Kollege van Delden, „bei so gravierenden Dingen"? Wenn ich nicht zufällig ein paar Jahre in dem Kuratorium dieser Schülermitverwaltung gewesen wäre, dann würde ich die Sache wahrscheinlich ernster nehmen. Aber Sie müssen sich das mal genau betrachten, was das für ein Verein ist und wieviel Mitglieder der hat. Das ist so ähnlich wie — —; na, lassen wir das.

(Abg. Rommerskirchen: Es kommt auf die öffentlichen Mittel an! — Abg. Klepsch: Wir sollten nicht auch noch dafür zahlen!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0619603400
Meine Damen und Herren, wird zu diesem Punkt der Tagesordnung noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Der Antrag des Ausschusses lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
1. Der Jahresbericht 1971 des Wehrbeauftragten — Drucksache VI/3232 — wird zur Kenntnis genommen.
2. Der Bundestag dankt dem Wehrbeauftragten für seine Arbeit im Berichtsjahr.
3. Die in dem Bericht enthaltenen Empfehlungen werden der Bundesregierung zur Prüfung, Erwägung und möglichen Beachtung zur Kenntnis gebracht.
Wer dem zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe Punkt 39 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts
— Drucksache VI/1834 —
Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (11. Ausschuß)

— Drucksache VI/3541 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Abelein (Erste Beratung 103. Sitzung)

Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache zur zweiten Beratung. Ich rufe auf in zweiter Beratung: Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — Art. 5, — Art. 5 a, — Art. 6, — Art. 7, — Art. 8, — Art. 9, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Das Wort in der allgemeinen Aussprache hat der Abgeordnete Dr. Abelein.

Dr. Manfred Abelein (CDU):
Rede ID: ID0619603500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verteidigungsausschuß und die besondere Kommission des -Verteidigungsausschusses, die die Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts vorbereitet haben, haben sich bemüht, in allen wesentlichen Fragen Einmütigkeit zu erzielen. Das ist auch gelungen. In vielen mühsamen Beratungen wurden die zahlreichen Einzelheiten gründlich beraten. Ich verweise hier auf die Drucksache, die Ihnen vorliegt, um dadurch deutlich zu machen, wie viele Stellungnahmen, schriftliche Anhörungen von Sachverständigen wir vorgenommen haben.
Es ist mir ein Bedürfnis, an dieser Stelle allen Kollegen, besonders denen der Regierungskoalition, für die sachliche Mitarbeit in unserem Ausschuß sehr herzlich zu danken.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte aber auch nicht versäumen, den Damen und Herren der Regierung, besonders den Herren des Bundesverteidigungsausschusses, sehr herzlich für die Unterstützung zu danken, die sie unserer Arbeit geleistet haben. Ohne diese Arbeit wäre es nicht möglich gewesen, die umfangreiche Materie so rasch zu einem guten Ende zu führen.
Für meine Fraktion möchte ich hervorheben, daß wir darum bemüht waren, zusammen mit der Koalition und der Regierung nach so vielen Jahren des vergeblichen Versuchs einer Neugestaltung möglichst rasch die Wehrdisziplinarordnung der Verabschiedung zuzuführen, was heute dann auch gelingen wird. Es ging uns darum, die Wehrdisziplinarordnung den modernen Notwendigkeiten anzupassen, die Führung der Bundeswehr auf allen Ebenen in Stand zu setzen, ihrer schwierigen Verantwortung



Dr. Abelein
bei der Aufrechterhaltung der Disziplin besser gerecht zu werden, als das bisher der Fall war.
Ich möchte es mir entgegen meinen ursprünglichen Absichten jetzt ersparen, auf Einzelheiten des Entwurfs einzugehen. Ich erwähne nur einige Grundprinzipien, eigentlich mehr für die Kollegen, die nicht die Gelegenheit hatten, sich mit dem Entwurf zu beschäftgen, um auf diese Weise klarzustellen, worum es ging.
Es waren zwei große Prinzipien, die uns bei der Neugliederung des Wehrdisziplinarrechts bewegt haben. Einmal wollten wir die Disziplinargewalt stärken. Aber wir wollten auch den Rechtsschutz für den Soldaten verbessern.
Einer der wichtigsten Punkte, der uns in der Diskussion sehr intensiv beschäftigt hat, war der Fragenkomplex der sogenannten Doppelbestrafung. Ich glaube, wir haben hier eine gute Lösung gefunden, nach der eine Doppelbestrafung nur dann vorgenommen werden sollte, wenn angesichts der vorangegangenen strafgerichtlichen Bestrafung und trotz dieser Bestrafung aus Gründen der militärischen Ordnung oder der Ansehenswahrung der Bundeswehr noch zusätzlich eine disziplinare Maßnahme notwendig sein sollte. Dieses „zusätzlich" wird künftig einer besonderen Begründung bedürfen.
Eine Forderung der Truppe ging in Richtung einer Stärkung der Disziplinargewalt. Nach der gegenwärtigen Rechtslage kann z. B. Arrest nur vom Bataillonskommandeur verhängt werden. Künftig wird diese Möglichkeit auch für den Kompaniechef eröffnet werden. Auch der Kompaniechef kann gegen Unteroffiziere und Mannschaften Arrest bis zu sieben Tagen verhängen.
Außerdem haben wir Möglichkeiten der sofortigen Vollstreckbarkeit vorgesehen.
Wir haben eine Reihe von Maßnahmen zur Verstärkung des Rechtsschutzes vorgenommen. Künftig soll bei der Beurteilung eines Disziplinarvergehens nur noch herangezogen werden können, was dem Soldaten vorher an Akten und Schriftstücken eröffnet wurde. Er muß auf seine prozessualen Rechte sehr eingehend hingewiesen werden, insbesondere auf ein Aussageverweigerungsrecht.
Das wollte ich nur ganz kurz in diesem Überblick sagen, um Ihnen an einigen Beispielen darzutun, worum es uns ging: im Prinzip um die Stärkung der Disziplinargewalt, aber auch um die Verbesserung des Rechtsschutzes. Im übrigen verweise ich hier auf die Drucksache, die Ihnen vorliegt.
Ich möchte indessen nicht versäumen, noch darauf hinzuweisen, daß es natürlich ein Irrtum wäre, zu glauben, die Frage der inneren Disziplin der Bundeswehr ließe sich allein mit der Änderung einiger Paragraphen lösen; denn die Ursachen dafür liegen viel tiefer und sind sehr viel ernster zu nehmen.
Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages stellte fest, daß die Aufrechterhaltung von Disziplin und Ordnung gegenwärtig ein Kernproblem der Streitkräfte darstellt. Es ist nicht zu übersehen, daß die Zahl der sogenannten „besonderen Vorkommnisse" seit dem Jahre 1969 von Jahr zu Jahr sprunghaft ansteigt, ohne daß ich damit eine direkte Verbindung zwischen dieser Bundesregierung und diesen Ereignissen herstellen möchte. In letzter Zeit nehmen die „besonderen Vorkommnisse" wie Fahnenflucht, Ungehorsam, Tätlichkeit gegenüber Vorgesetzten, Kameradendiebstähle und Diebstähle von Ausrüstungsgegenständen in einer bedenklichen Weise zu, im übrigen auch die Krankmeldungen vor Übungen, Manövern und Truppenplatzaufenthalten, was mich ein Fragezeichen hinter die Ausführungen des Herrn Verteidigungsministers setzen läßt, der meinte, in dieser Situation sei die Disziplin gewahrt. Hier besteht ein Widerspruch zu den Ausführungen des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages.
Angesichts der vorangeschrittenen Zeit möchte ich ganz punktuell auf einige mögliche Ursachen dieser Situation eingehen. Daß die Bundeswehr ein Teil der Gesellschaft ist, ist eigentlich eine pure Selbstverständlichkeit; niemand kann das bestreiten. Man muß sich indessen gegen eine Konzeption der Gesellschaft zur Wehr setzen, die auf ihre Gleichschaltung der Gesellschaft hinausläuft, die beinhaltet, daß alle Bereiche der Gesellschaft unter gleichen Strukturprinzipien zu sehen seien. Denn das stimmt nicht!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich werde noch präzisieren, was ich meine. In engem Zusammenhang damit steht die Frage des Demokratiebegriffes. Wenngleich ich diese Dinge hier gar nicht polemisch behandeln möchte, so gibt es offensichtlich doch einige Meinungsverschiedenheiten zwischen den verschiedenen Seiten des Hauses.

(Abg. Matthöfer: Einige Leute wollen Demokratie auf den Staat beschränken!)

— Ich gehe gleich darauf ein; dort liegt eines der Probleme. — Die Formen der letzten staatlichen Willensbildung für die Leitung des Gesamtstaates in einem demokratisch-parlamentarischen Regierungssystem lassen sich nämlich nicht auf alle Bereiche der Gesellschaft übertragen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Eine Armee — etwa in der Bundesrepublik — ist zwar eine demokratische Institution, doch das heißt nicht, daß alle Soldaten an den Führungsentscheidungen beteiligt sein müßten.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Es gibt auch in einer demokratischen Gesellschaft Bereiche, die nicht durch die Mitbestimmung aller Beteiligten getragen werden, d. h. jede gut funktionierende Armee auch und gerade in einer Demokratie — basiert auf dem Grundsatz der Über- und Unterordnung des Befehls und des Gehorsams sowie der Autorität der Führung.
Ich bin mir darüber im klaren, daß ich damit eigentlich ebenfalls wieder Selbstverständlichkeiten Ausdruck gebe. Dennoch meine ich und habe ich mitunter den Eindruck, daß die gegenwärtige Bundesregierung diese Zusammenhänge klarer herausstellen müßte, als es bisher geschehen ist. Hier sehe ich eine der Ursachen disziplinärer Schwierigkeiten.
Die Aufrechterhaltung — oder besser gesagt: die Wiederherstellung — der Disziplin in der Bundes-



Dr. Abelein
wehr beginnt mit der Erziehung in der Schule. Ich anerkenne, daß diese Zusammenhänge von der gegenwärtigen Bundesregierung klar gesehen wurden und daß ihnen in einem besonderen Erlaß Ausdruck gegeben wurde. Es muß in der jungen Generation wieder klargestellt werden, daß die Verteidigung unserer Freiheit, die Aufrechterhaltung unserer Sicherheit Inhalt einer wichtigen Bürgerpflicht sind, daß man von diesem Staat nicht nur zu fordern hat, sondern daß der einzelne — und auch der junge Mensch — Leistungen und notfalls Opfer zu erbringen hat. Ich werfe der Bundesregierung gar nicht vor, daß sie diese Zusammenhänge nicht klarstellt. Aber hier handelt es sich um eine Aufgabe auch der politischen Parteien, und mitunter gewinnt man den Eindruck, daß hier im Lager der Regierungskoalition auf den verschiedenen Ebenen mit verschiedenen Zungen gesprochen wird.
Die Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft ist eine vielverbreitete Forderung. Wir unterstützen sie auch. Nur: das Besondere des Soldatenberufs darf darüber nicht in den Hintergrund gerückt werden. Der Bürger in Uniform, der Soldat, ist nicht eine Art besonderer Zivilist. Ich möchte diese Dinge angesichts der vorangeschrittenen Zeit nicht vertiefen. Aber vom Soldaten wird in gewissen Situationen als Berufspflicht der höchste Einsatz verlangt, den man einem Menschen überhaupt abfordern kann. Das teilt er nicht mit den in normalen, zivilen Berufen Tätigen.
Ich rede hier gar nicht etwa von der preußischen Zuchtrute; denn die wollen wir alle nicht haben. Ich möchte auch das Thema der Haare nicht weiter vertiefen.

(Zuruf von der SPD: Schade!)

Mir gefällt in diesem Zusammenhang nur eines nicht: lange Haare — kurze Haare; Haarerlaß — Zurücknahme des Haarerlasses; Stärkung der Diskussionsfreudigkeit, Animierung der Kritik — und anschließend Maulkorberlaß. Dieses Hin und Her führt zu einer Verunsicherung der Führung in der Bundeswehr auf den verschiedensten Ebenen. Daher kommt es, daß viele Vorgesetzte sich vor Disziplinareingriffen scheuen und nur noch in schwerwiegenden Fällen eingreifen.
Ich möchte auch darauf hinweisen, daß Kameradschaft und Kameraderie zwei völlig verschiedene Dinge sind.

(Zurufe von der SPD.)

Es stimmt mich bedenklich, wenn heute festgestellt werden muß, daß sich junge Unteroffiziere weithin im Dienst mit Mannschaften duzen und sich arrangiert haben. Dabei habe ich gegen diese Form der Kommunikation generell überhaupt nichts; nur: es wird in der Bundeswehr festgestellt, daß diejenigen, die das nicht tun, die sich nicht arrangieren, Schwierigkeiten im Dienst haben. Deswegen erlaube ich mir, hier auf eine bedenkliche Entwicklung hinzuweisen.
Hier — und damit komme ich zum Schluß — liegen wichtige Aufgaben der Bundeswehr und der Bundesregierung noch außerhalb einer Novellierung der Wehrdisziplinarordnung vor. Diese Dinge müssen
klargestellt werden; sonst reicht auch die beste Wehrdisziplinarordnung für die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und Disziplin in der Bundeswehr, die wir alle wünschen, nicht aus.

(Beifall bei der CDU/CSU.) Diese Anmerkung wollte ich noch machen.

Im übrigen möchte ich dann den Antrag stellen, der Bundestag wolle beschließen, dem Gesetzentwurf in der Drucksache VI/ 1834, wie er Ihnen vorliegt, in der anliegenden Zusammenstellung anzunehmen und die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0619603600
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619603700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Berner-kungen meines Herrn Vorredners veranlassen mich, an ein oder zwei Punkten einen Satz dazu zu sagen. Ich habe es sehr bedauert, daß jemand, der mit einiger fachlicher Präzision zu sprechen sich bemühte und der das auch vorher sorgfältig aufgeschrieben hatte, den Ausdruck „Maulkorberlaß" benutzt hat. Was haben Sie eigentlich damit gemeint, Herr Kollege? Sie können doch wohl nur gemeint haben, daß ich an einer bestimmten Stelle der Entwicklung in einigen Punkten einigen Vorgesetzten in der Bundeswehr ihre gesetzliche Pflichten in Erinnerung gerufen habe. Ich habe jedoch niemandem das Maul verboten, noch einen Maulkorb vorgehalten. Ich habe erinnert — wie Herr Wörner heute, nur etwas früher als er — an Pflichten, an gewisse Gesetzesbefehle im Soldatengesetz. Das Sie den genannten Ausdruck benutzen, finde ich verletzend. Ich finde es verletzend, aber ich sehe an Ihrem Gesicht, daß Sie bereit sind, darüber nachzudenken, ob Sie nicht vielleicht sich von einem Sprachgebrauch, den andere geschaffen haben, haben verleiten lassen.
Sie haben kritisiert, daß es Mannschaften und Unteroffiziere gibt, die sich duzen. Ich verstehe, daß Sie das stört. Ich habe auch schon einmal Kritik von Ihrer Seite erfahren, als im Ausschuß offenbar wurde, daß ich mich mit meinen Staatssekretären duze.

(Heiterkeit.)

Gleichwohl, Herr Kollege, ist das nicht ein Punkt, der die Disziplin gefährden muß.

(Abg. Schwabe: In der NATO-Sprache üblich!)

— Auch unter den Außenministern der Welt ist es üblich, daß sie sich beim Vornamen anreden.

(Abg. Rommerskirchen: Aber den Generalen rieten Sie einmal, es nicht zu tun!)

— Den Generalen würde ich nicht raten, mich zu duzen. Das stimmt.

(Heiterkeit. — Abg. Rommerskirchen: Untereinander!)

- Ich will darüber mittags um halb eins am letzten Tag vor den Ferien keine große philosophische De-



Bundesminister Schmidt
batte. Ich wollte nur ganz gerne, daß diese Berner-kungen, die alle für das Protokoll und für den späteren Abdruck in irgendwelchen Zeitungen gemacht worden sind, nicht ohne Widerspruch im Protokoll stehen.

(Beifall bei der SPD.)

Dann muß ich eine dritte Bemerkung machen dürfen, was den Haarerlaß angeht. Auch der Herr Wehrbeauftragte hat diese seine kaiserliche Werft heute nicht in Ruhe lassen können. Hier ist nicht alles zurückgedreht worden. Auch der erste Haarerlaß, der berühmte, ist uns durch ein Gericht aufgezwungen worden, wie vieles, was ich habe machen müssen, mir durch Gerichte aufgezwungen worden ist. Dann haben wir uns das angeguckt — wir machen ja auch einmal ein falsches Experiment oder eines, das falsch ausgeht — und haben es nicht ganz, sondern zur Hälfte verändert.

(Abg. van Delden: Galt denn der Gerichtsbeschluß nicht auch für den Bundesgrenzschutz?)

— Nein, das tat er nicht, wirklich nicht.

(Abg. van Delden: Zweierlei Recht!)

Die Gerichtsverfassung hat nämlich dafür gesorgt, daß das Bundesverwaltungsgericht zwei besondere Wehrdienstsenate hat, die nicht, wie das übrige Bundesverwaltungsgericht, in Berlin, sondern in München tätig sind. Sie sind für den Bundesgrenzschutz nicht zuständig. Es ist wirklich so, wie ich gesagt habe.
Wir hätten vielleicht eines tun dürfen, auch das will ich öffentlich einräumen. Wir hätten uns vielleicht vom Gericht erst verurteilen lassen und danach handeln sollen. Wir sind einem drohenden Urteil eilfertig zuvorgekommen und haben eilfertig das gemacht, was die von uns gewollt haben. So ist es wirklich gewesen. Vielleicht hätten wir uns verurteilen lassen sollen — der Staat soll sich ruhig einmal verurteilen lassen — und hätten hinterher die Konsequenzen ziehen müssen. Wir haben uns das diesmal lange angesehen und sind auf einer sehr sorgfältig aufgebauten Erfahrung in der Lage gewesen, eine Veränderung zur hygienischen Vernunft hin vorzunehmen, ohne Gefahr zu laufen, daß ein Gericht uns erneut in Schwierigkeiten bringt.
Aus den Worten von Herrn Kollegen Abelein und ein bißchen aus den Worten von Herrn Wörner habe ich das Gefühl bekommen, als ob wir diese Sache damals und vielleicht auch diesmal leichtfertig betrieben hätten. Das ist nicht der Fall. Es hat lange Unterhaltungen und Erörterungen darüber gegeben, viel länger, als Sie sich das vielleicht vorstellen.
Trotzdem bin ich dafür, über das Thema Haare den Humor nicht zu verlieren. Ich muß bei dieser Gelegenheit ein öffentliches Bekenntnis ablegen. Da sitzt Herr Kollege Klepsch. Ich habe in den Zeitungen gelesen, mir sei von einer Karnevalsgesellschaft in Aachen ein Orden wider den tierischen Ernst verliehen worden, weil ich etwas über die „German Hair Force" gesagt hätte. Ich habe den Leuten immer gesagt, lieber Herr Klepsch, daß Sie es waren, der das Wort erfunden hat. Aber sie haben darauf bestanden, ich hätte auch sonst Humor bewiesen.
Ich wäre dafür, daß über das Haar-Thema der Humor weiterhin nicht untergeht, Herr Kollege Abelein.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0619603800
Das Wort hat der Abgeordnete Corterier.

Dr. Peter Corterier (SPD):
Rede ID: ID0619603900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf den Gesetzentwurf eingehe, möchte auch ich noch ganz kurz etwas zu dem, was Herr Kollege Abelein am Schluß gesagt hat, bemerken. Ich glaube nicht, Herr Kollege Abelein, daß Sie uns irgendeinen konkreten Anhaltspunkt dafür nennen können, daß wir die Absicht hätten, den von Ihnen dargestellten falschen Demokratiebegriff in die Bundeswehr hineinzutragen. Niemand bei uns hat diese Absicht geäußert.
Zum Wehrkundeerlaß haben Sie gesagt, daß man bei uns oben anders verfahre als unten. Sicherlich ist es richtig, daß es gegen diesen Erlaß eine ganze Reihe von Protesten von Jugendorganisationen gegeben hat. Darunter waren auch die Jungsozialisten, aber sie waren nur eine unter vielen Organisationen. Aber das Entscheidende ist doch, daß die Mitglieder der Bundesregierung und die Mitglieder der Koalitionsfraktionen in dieser Frage eine ganz eindeutige Haltung, nämlich für diesen Erlaß, eingenommen haben und daß sie keinesfalls oben in Bonn anders gesprochen haben als draußen in den Wahlkreisen.

(Beifall bei der SPD.)

Zum Haarerlaß hat Bundesminister Schmidt schon das Nötige gesagt. Ich möchte nur noch hinzufügen, daß Sie diese Frage im falschen Zusammenhang, in der Debatte über die neue Wehrdisziplinarordnung, aufgeworfen haben; denn nach unserer Auffassung ist die Frage der langen Haare weniger eine Frage der Disziplin als der Medizin.

(Abg. Dr. Klepsch: Na, na! — Abg. Dr. Wörner: Genau das ist nicht der Fall!)

— Ja, dann müssen Sie eben das Gutachten noch einmal durchlesen; es spricht doch eine sehr eindeutige Sprache.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich möchte im Namen der Koalitionsfraktionen noch ein paar Bemerkungen zu dem uns vorliegenden Entwurf anschließen. Wir meinen, daß dieser Entwurf einer neuen Wehrdisziplinarordnung ein wichtiges Instrument für die Truppenführer zur Aufrechterhaltung der Disziplin in der Bundeswehr werden soll. Keine Armee kann auf ein wirksames Disziplinarrecht verzichten; denn mindestens schwere Verstöße gegen die soldatischen Pflichten gefährden das innere Gefüge der Bundeswehr und können, wenn sie überhandnehmen, sogar die Einsatzbereitschaft der Truppe in Frage stellen. Das Disziplinarrecht als Erziehungsmittel in der Hand des Disziplinarvorgesetzten muß allerdings auch den Erfordernissen unserer Zeit entsprechen. Nur dann kann man erwarten, daß der mit einer Disziplinarmaßnahme erstrebte erzieherische Zweck auch erreicht wird.



Corterier
Diesem Anliegen dient der heute zur Beschlußfassung vorliegende Entwurf. Er berücksichtigt die seit der letzten Novellierung der Wehrdisziplinarordnung im Jahre 1961 auf den Gebieten des Strafrechts, des Strafprozeßrechts und des Beamtenrechts eingetretenen Änderungen und will gleichzeitig die bei der praktischen Handhabung des Gesetzes durch die Truppe aufgetretenen Schwierigkeiten beseitigen.
Es ist besonders zu begrüßen, daß bei dieser Novelle auch die Erfahrungen und Wünsche der Disziplinarvorgesetzten berücksichtigt wurden und daß im Rahmen der kritischen Bestandsaufnahme der Bundeswehr Fragen des Disziplinarrechts einen breiten Raum eingenommen haben.
Dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf konnte daher der Verteidigungsausschuß in der Grundkonzeption zustimmen. Nur in einigen Punkten sind allerdings, wie ich meine, nicht unwichtige Ergänzungen und Verbesserungen vorgenommen worden. Herr Kollege Abelein hat Ihnen hier und in seinem Schriftlichen Bericht die wesentlichen Linien des Entwurfs schon dargelegt. Ich will daher nur noch ganz kurz auf einige Einzelpunkte, die mir besonders wichtig erscheinen, eingehen.
Eine der wichtigsten und teilweise auch umstrittenen, jedenfalls in der Vergangenheit umstrittenen Vorschriften des Entwurfs ist die Neuregelung des Verhältnisses zwischen Strafrecht und Disziplinarrecht, d. h. die Regelung der Frage, in welchen Fällen trotz einer strafgerichtlichen Bestrafung noch zusätzlich eine Disziplinarmaßnahme verhängt werden darf. Zu diesem Problemkreis gibt es eine eindeutige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die als Grundlage für die hier von uns zu treffende Regelung herangezogen werden mußte. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, daß in derselben Sache eine strafgerichtliche Strafe und eine Disziplinarmaßnahme nebeneinander verhängt werden können. Nur im Bereich der Freiheitsentziehung muß eine gegenseitige Anrechnung bei der Vollstreckung erfolgen. An diesen vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen orientiert sich der uns heute vorliegende Entwurf.
Es liegt auf der Hand, daß die schweren gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen der Dienstgradherabsetzung und der Dienstentfernung nicht aufgegeben werden konnten. Das gleiche gilt auch für das neu eingeführte Beförderungsverbot, das an die Stelle der wegfallenden Laufbahnstrafen, der Versagung des Aufsteigens im Gehalt und der Herabstufung in eine niedrigere Dienstaltersstufe treten soll; denn in diesen Fällen stellt die strafbare Handlung zugleich einen schweren Verstoß gegen die soldatischen Pflichten dar, der dienstrechtlich nicht ignoriert werden kann. Aber auch im Bereich der einfachen Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Gehaltskürzung sind Fälle denkbar, in denen aus Gründen der Disziplin und der militärischen Ordnung eine zusätzliche disziplinare Reaktion unerläßlich ist. Das Gesetz bestimmt daher, daß auch bei vorausgegangener strafgerichtlicher Bestrafung die Verhängung einer einfachen Disziplinarmaßnahme oder einer Gehaltskürzung zulässig ist. Durch die in § 6 a des Entwurfs gewählte Formulierung, daß die Verhängung solcher Maßnahmen nur zulässig sein soll, „wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um die militärische Ordnung aufrechtzuerhalten, oder wenn das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft beeinträchtigt ist", wird deutlich gemacht, daß Disziplinarmaßnahmen in diesem Bereich keineswegs immer erforderlich sind, sondern nur in den Fällen verhängt werden sollen und dürfen, in denen dies unbedingt notwendig ist.
Eine weitere wichtige Neuerung besteht darin, daß das außerdienstliche Fehlverhalten eines Soldaten einer disziplinaren Bewertung jetzt weitgehend entzogen werden soll. Die jetzige Fassung des Soldatengesetzes, wonach der Soldat sein Verhalten auch außer Dienst so einzurichten hat, daß es dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Dienst als Soldat erfordert, kann allzu weit in die Privatsphäre des Soldaten hineinwirken. Dies läßt sich in der heutigen Zeit in dieser allgemeinen Form nicht mehr vertreten. Eine Disziplinierung des Soldaten für außerdienstliches Fehlverhalten muß vielmehr auf diejenigen Fälle beschränkt werden, bei denen durch den Pflichtenverstoß der dienstliche Bereich erheblich berührt worden ist. Dies kann nur bei schweren Pflichtverletzungen der Fall sein. Der Entwurf trägt dem durch eine Änderung des § 17 des Soldatengesetzes Rechnung. Künftig wird ein Dienstvergehen außer Dienst nur dann noch vorliegen, wenn das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft beeinträchtigt ist.
Ein Wort noch zur Frage der unerlaubten Abwesenheit von der Truppe. Die zahlreichen Fälle von unerlaubter Abwesenheit, die es in letzter Zeit gegeben hat, bereiten der Bundeswehr zunehmend Sorge. Der Ausschuß sah sich daher veranlaßt, dem Disziplinarvorgesetzten neue disziplinare Mittel in die Hand zu geben, damit er diesen Pflichtverstößen wirksam entgegentreten kann. Der federführende Verteidigungsausschuß empfiehlt deshalb eine Erweiterung des Katalogs der einfachen Disziplinarmaßnahmen. Gegen Soldaten, die sich unerlaubt von der Truppe entfernen, soll künftig der Disziplinarvorgesetzte neben Arrest oder neben einer Ausgangsbeschränkung zusätzlich noch eine Disziplinarbuße verhängen können.
Ein weiteres und, wie ich meine, besonders wichtiges Anliegen des Entwurfs besteht darin, die Rechtsstellung des beschuldigten Soldaten im Disziplinarverfahren zu verbessern. Insoweit möchte ich nur noch auf folgende, wie ich meine, wichtige Regelungen des Entwurfs hinweisen. Hat ein Soldat aus Gründen der Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung einen gegen ihn verhängten Disziplinararrest sofort verbüßen müssen und wird diese Disziplinarmaßnahme nachträglich im Beschwerdeverfahren ganz oder teilweise aufgehoben, soll er nun — zum erstenmal — für die zu Unrecht verbüßte Strafe eine Entschädigung erhalten.
Auch die Stellung des Soldaten im Ermittlungsverfahren ist erheblich gestärkt worden. Ihm ist, wie im Strafverfahren, bei Beginn der ersten Vernehmung bereits zu eröffnen, welche Pflichtverlet-



Corterier
zungen ihm zur Last gelegt werden. Gleichzeitig ist er darauf hinzuweisen, daß es ihm freistehe, sich zur Sache zu äußern oder die Aussage zu verweigern. Der Ausschuß hielt es für erforderlich, diese bisher nur durch Erlaß geregelte Belehrungspflicht in das Gesetz selbst aufzunehmen.
Auch gegenüber Maßnahmen der Einleitungsbehörde, die für den Soldaten besonders einschneidend sind, wie z. B. die Einbehaltung seiner Übergangsbeihilfe, ist sein Rechtsschutz erweitert worden. Während er nach geltendem Recht diese Maßnahme nicht gerichtlich nachprüfen lassen konnte, sieht der Entwurf nunmehr in diesen Fällen ein besonderes gerichtliches Antragsverfahren vor.
In diesem Zusammenhang möchte ich zum Schluß noch ein Wort über die Rechtsstellung des Vertrauensmannes sagen. Seine Befugnisse sollen nach dem Entwurf erweitert werden. Während der Vertrauensmann nach geltendem Recht nur zur Person des beschuldigten Soldaten zu hören ist, soll er künftig auch zum Sachverhalt des Dienstvergehens gehört werden. Damit wird er mehr als bisher Gelegenheit erhalten, seine Vorstellungen über die Person des beschuldigten Soldaten und die Beweggründe für dessen Fehlverhalten dem Disziplinarvorgesetzten vorzutragen. Der Entwurf enthält somit, insgesamt gesehen, wie ich meine, ein fortschrittliches Disziplinarrecht, das einerseits die Belange der Truppe berücksichtigt, andererseits aber auch den Soldaten mit allen notwendigen Rechtsgarantien ausstattet. Der Truppe wird ein differenziertes und den praktischen Bedürfnissen besser angepaßtes System von Disziplinarmaßnahmen zur Verfügung gestellt, während gleichzeitig der Rechtsschutz für die Soldaten grundlegend verbessert worden ist.
Die Koalitionsfraktionen empfehlen daher die Annahme dieses Gesetzentwurfs. Mit ihm wird gleichzeitig eine bereits im Weißbuch 1970 angekündigte vordringliche Reform auf dem Gebiet des militärischen Disziplinarrechts verwirklicht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0619604000
Wird zu diesem Punkt der Tagesordnung noch das Wort gewünscht? — Wünschen Sie das Wort, Herr Abelein? — Dann haben Sie das Wort.

Dr. Manfred Abelein (CDU):
Rede ID: ID0619604100
Herr Minister, ich möchte mich hier nicht entschuldigen, aber ich möchte einige Dinge klarstellen.
Ich habe an einigen Beispielen aufgezeigt, daß mir bei wichtigen oder auch weniger wichtigen Dingen ein Vor und Zurück bei Erlassen als eine problematische Haltung der Führung der Bundeswehr erscheint. Das Wort „Maulkorberlaß" habe ich eigentlich gar nicht so verstanden, wie Sie es aufgefaßt haben. Sicher lag mir nicht daran, Sie zu verletzten, auch wenn ich Sie nicht immer als den Allerzimperlichsten in Erinnerung habe.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Buchstaller.)

Ich habe hier eine Rede von etwa 40 Minuten auf 15 Minuten gekürzt. Ich habe gewisse Stichworte herausgenommen. So kam das. In der Sache bleibt es von meiner Seite aus so, wie ich es gesagt habe.
In einem Punkt, Herr Minister, bin ich allerdings ein bißchen bedenklich geworden: Sie haben die Ebene Minister — Staatssekretär auf die Ebene Unteroffizier — Rekrut, Soldat übertragen. Ich nehme an, daß die Staatssekretäre nicht in diesem Ausbildungsverhältnis bei Ihnen stehen.

(Heiterkeit.)

Aber unabhängig davon: mir geht es nicht um die Form allein. Ich meine vielmehr feststellen zu können, daß auf der unteren Führungsebene eine Tendenz besteht, sich mangels der Gewißheit, bei gewissen Disziplinarmaßnahmen von oben abgedeckt zu werden, nach unten zu arrangieren. Was ich hier aufgezeigt habe, waren nur die äußeren Formen dieser Tendenz. Sie gestatten mir die Anmerkung, daß ich hier eine gewisse Tendenz in Richtung auf Aushöhlung der Disziplin sehe. Mehr wollte ich dazu nicht sagen.
Haare hin — Haare her! Ich möchte dieses Thema wirklich nicht vertiefen. Leider komme ich nun doch noch einmal darauf zu sprechen, weil Sie die Frage mit dem Humor angeschnitten haben und mir dazu noch etwas einfiel, was ich in einer Zeitung gelesen habe. Dieser medizinische Grund, den Herr Corterier angesprochen hat, erinnert mich an den Choral: „Ich habe nun den Grund gefunden."

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Da gibt es natürlich noch andere Gründe. Um dieses Thema noch etwas zu erweitern — da die Frage der Länge nun erneut eine Rolle spielt —, möchte ich sagen: vielleicht läßt sich einmal darüber nachdenken, ob man nicht eine Fachoffizierslaufbahn für Friseure einführt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0619604200
Das Wort hat der Bundesverteidigungsminister.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619604300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Abelein, für den Versuch der Andeutung einer Klarstellung in dem Punkt, der mich das zweite Mal hierhergeführt hat, will ich Ihnen Dank sagen. Ich will zweitens auch Dank dafür sagen, daß Sie Ihre vorige Intervention auf 15 Minuten gekürzt haben.

(Heiterkeit.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0619604400
Keine Wortmeldungen mehr? — Dann kommen wir zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen zustimmen will, der möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich habe noch über die Ziffer 2 des Ausschußantrages abstimmen zu lassen, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt Izu erklären. — Das Haus stimmt zu.



Vizepräsident Dr. Schmid
Punkt 56 der Tagesordnung:
a) Mündlicher Bericht des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über seine Tätigkeit gemäß § 113 Abs. 1 der Geschäftsordnung
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Schlei
b) Beratung der Sammelübersicht 39 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 20. Oktober 1969 bis 31. Mai 1972 eingegangenen Petitionen
— Drucksache VI/3502 —
c) Beratung der Sammelübersicht 40 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache VI/3555 —
Das Wort zur Berichterstattung hat die Abgeordnete Frau Schlei.

Marie Schlei (SPD):
Rede ID: ID0619604500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 6. Wahlperiode ist die Zahl der Petitionen, die in der 5. Wahlperiode zurückgegangen war, wieder angestiegen. Bis jetzt sind 20 138 Eingaben eingegangen. Das ist fast so viel wie in der gesamten 5. Wahlperiode.
Die in der Sammelübersicht 39 auf der Drucksache VI/3502 angefügte systematische Übersicht zeigt deutlich die Mühe und Belastung der Mitglieder des Ausschusses und der stets hilfsbereiten Mitarbeiter im Ausschußbüro. Unsere Arbeit wird leider dadurch erschwert, daß die notwendige Erweiterung der Befugnisse des Petitionsausschusses immer noch nicht durchgesetzt werden konnte.
Nach wie vor beziehen sich die meisten Petitionen auf das Gebiet der Sozialversicherung. 4,6 % aller behandelten Beschwerden konnten positiv, d. h. dem Wunsche des Einsenders entsprechend, entschieden werden. Weitere 34% wurden durch Rat, Auskunft, Verweisung oder Materialübersendung erledigt.
Eine Anzahl von Petitionen bezog sich auf die Zusammenfassung der Ausbildungsförderung durch das Ausbildungsförderungsgesetz und danach durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz; denn in bestimmten Fällen hat diese Änderung zu einer Schlechterstellung gegenüber der bisherigen Regelung geführt. So wird beispielsweise Ausbildungshilfe aus dem Lastenausgleich nun nicht mehr an solche Antragsberechtigte gewährt, denen entsprechende Leistungen nach den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zustehen. Für die noch nicht erfaßten weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und Fachoberschulen unterhalb der Klasse 11 bleibt es bei der Ausbildungshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz. Im übrigen wird für Weiter- bzw. Neubewilligungen nach Ablauf des bisherigen Bewilligungszeitraums die Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz als vorrangig angesehen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger.)

In der Regel ist dieser Übergang vorteilhaft, weil die vergleichbaren Sätze in den meisten Fällen höher sind. Es gibt allerdings eine Anzahl von Fällen, bei denen sich auf Grund besonderer Umstände und wegen der abweichenden Berechnungsart bei der Ausbildungshilfe höhere Sätze ergeben. Nach § 65 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ist aber eine Aufstockung aus dem Lastenausgleich nicht möglich. Den von dieser Regelung Benachteiligten kann jedoch empfohlen werden, bei der Beantragung von Ausbildungsförderung Härteumstände geltend zu machen. Sie können beantragen, im Rahmen der geltenden Härteregelung höhere Leistungen bewilligt zu bekommen. Darauf mache ich hier nochmals ausdrücklich aufmerksam. Anscheinend wurde diese Möglichkeit nicht genügend publik gemacht. Es ist auch anzunehmen, daß einzelne Bewilligungsstellen nicht hinreichend aufklärend gewirkt haben.
Eine spezielle Härteregelung ist durch einen Schnellbrief des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen vom 4. April 1972 konkretisiert worden, und zwar durch eine Änderung der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Zweiten Wohngeldgesetz. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nur der Wohnungsbedarf des Auszubildenden selbst, nicht dagegen der Wohnungsbedarf der zu seinem Haushalt rechnenden Familienmitglieder berücksichtigt wird. Da aber der Ehegatte des Studenten nicht als Haushaltungsvorstand gilt, ist er insoweit nach dem Wohngeldgesetz nicht antragsberechtigt. Das führt nun zu einem unbilligen Ergebnis, besonders wenn der Ehegatte kein oder nur ein geringes Einkommen hat und wenn Kinder vorhanden sind. Durch die erwähnte Änderung werden die Auszubildenden, die Haushaltungsvorstand sind und mit dem Ehegatten eine gemeinsame Wohnung bewohnen, jetzt zusätzlich in den Kreis der Wohngeldberechtigten einbezogen.
In den Fällen, in denen beide Ehegatten Studenten sind und keine weiteren zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder die Wohnung bewohnen, besteht allerdings weiterhin kein Wohngeldanspruch. In diesen Fällen bleibt es, falls eine Benachteiligung besteht, bei der vorhin genannten Möglichkeit, Härteumstände geltend zu machen.
Die Möglichkeiten der Hilfe für den einzelnen durch den Petitionsausschuß werden oft unterschätzt. Aus dem Gebiet der Sozialversicherung könnte manches Beispiel, besonders was das Zweite Krankenversicherungsänderungsgesetz anbelangt, gebracht werden. Aus Gründen der Rücksichtnahme auf Ihre Zeit will ich diese Beispiele nicht benennen, sondern Sie lediglich bitten, den Sammelüberschriften 39 und 40 Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619604600
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Meine Damen und Herren, wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall, wir brauchen also nicht in die Aussprache einzutreten.
Es liegt zuerst der Antrag des Ausschusses auf Drucksache VI/3502 vor, die in der nachfolgenden



Vizepräsident Dr. Jaeger
Sammelübersicht enthaltenen Anträge des Petitionsausschusses anzunehmen. Widerspruch erfolgt nicht, es ist so beschlossen.
Auf Drucksache VI/3555 wird der gleiche Antrag gestellt. — Ebenfalls kein Widerspruch; auch hier so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit kommen wir zu den Zusatzpunkten zur heutigen Tagesordnung. Ich rufe den 1. Zusatzpunkt auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Freiherr Ostman von der Leye, Kleinert, Dürr und Genossen betr. Einschränkung der Immunität von Familienangehörigen und Hauspersonal von Diplomaten — Drucksache VI/3587 —
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Nein. Zur Aussprache? — Auch nicht.
Ich schlage Ihnen die Überweisung an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Auswärtigen Ausschuß — mitberatend — vor. — Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.
Ich rufe den 2. Zusatzpunkt auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Hauser (Bad Godesberg), Vogel, Dr. Frerichs, Dr. Lenz (Bergstraße), Dr. Kliesing (Honnef), Rösing und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetze zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes
— Drucksache VI/3604 —
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Zur Aussprache? — Auch nicht.
Ich schlage Ihnen die Überweisung an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Auswärtigen Ausschuß — mitberatend — vor. — Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.
Ich rufe den 3. Zusatzpunkt auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betr. Einführung einer eigenständigen Pflichtunfallversicherung für nicht erwerbstätige Frauen bei privater Trägerschaft
— Drucksache VI/3581 —
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Nein. Zur Aussprache? — Auch nicht.
Ich schlage Ihnen die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft — federführend — und an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — mitberatend — vor. — Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
—Drucksachen VI/3546, VI/3603 —
Zuerst werden die Dringlichen Mündlichen Fragen behandelt, und zwar zunächst aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Dr. Miltner auf:
Treffen Meldungen in der heutigen Presse zu, nach denen durch Verzehr von eingeführten Erdbeeren besorgniserregende Gesundheitsschäden in der Bevölkerung aufgetreten sind?
Zur Beantwortung steht der Herr Staatssekretär Dr. von Manger-Koenig zur Verfügung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619604700
Herr Abgeordneter, so weit wir informiert wurden, sind nach dem Genuß aus Frankreich importierter Erdbeeren bei Verbrauchern vereinzelt Übelkeit und leichte Magenbeschwerden aufgetreten. Die uns zugegangenen Informationen weisen nicht darauf hin, daß es sich dabei um ernsthafte Gesundheitsschäden handelt; eine endgültige toxikologische Beurteilung kann jedoch noch nicht gegeben werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619604800
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Miltner.

Dr. Karl Miltner (CDU):
Rede ID: ID0619604900
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, daß die Erdbeeren, die beanstandet worden sind, aus Frankreich gekommen sind, und können Sie ausschließen, daß solche Erdbeeren nicht aus anderen Ländern eingeführt worden sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619605000
Wir können bestätigen, daß die hier in Frage stehende Sendung aus Frankreich gekommen ist. Gemeinsam mit französischen Stellen werden umfangreiche Untersuchungen vorgenommen. Darüber hinaus sind in den letzten beiden Tagen auch bei anderen Importen Probeziehungen vorgenommen worden. Dabei haben sich jedoch keinerlei Auffälligkeiten gezeigt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619605100
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Karl Miltner (CDU):
Rede ID: ID0619605200
Herr Staatssekretär, besteht nicht bei einer vielleicht weiterhin großzügigen Art der Kontrollen die Gefahr, daß auch aus anderen Ländern solche Einfuhren möglich sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619605300
Ich kann hierauf in meiner Antwort zu Ihrer zweiten Frage eingehen, wenn Sie einverstanden sind.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619605400
Dann rufe ich auch die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Miltner auf:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung an der deutschen Grenze getroffen, um die Möglichkeit gesundheitsschädigender Einfuhren von Nahrungsmitteln, insbesondere von Frischobst, zu verhindern, und wie gedenkt sie durch Sofortmaßnahmen und längerfristige Maßnahmen auf diesem Gebiet die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619605500
Herr Abgeordneter, der Bundesminister für



Staatssekretär Dr. von Manger-Koenig
Jugend, Familie und Gesundheit hat die obersten Landesgesundheitsbehörden fernschriftlich unterrichtet und ersucht, die amtliche Lebensmittelüberwachung allenthalben umgehend zu informieren und ein weiteres Inverkehrbringen derartiger Erdbeeren zu verhindern. Mehrere chemische Untersuchungsanstalten der Länder haben zwischenzeitlich zahlreiche Proben untersucht, die nichts Auffälliges ergeben haben. Die Zolldienststellen sind sofort angewiesen worden, eingehende französische Erdbeerimporte den zuständigen Lebensmitteluntersuchungsanstalten umgehend unter Angabe der Herkunft, des Absenders und des Bestimmungsortes zu melden. Ein Waggon ist an der Grenze inzwischen zurückgewiesen worden. Die zuständigen französischen Stellen sind unterrichtet. Sie bemühen sich, wie ich eben sagte, ihrerseits um Aufklärung. Wir werden — das ist sichergestellt — umgehend über die Untersuchungsergebnisse unterrichtet werden.
Zur wirksameren Kontrolle von eingeführtem Obst und Gemüse schlechthin ist vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit in Übereinstimmung mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen schon vor einiger Zeit eine engere Zusammenarbeit zwischen Zoll und Lebensmittelüberwachung eingeleitet worden. Danach werden bestimmte Lebensmittelüberwachungsstellen durch rasche Benachrichtigung über größere Obst- und Gemüseimporte in die Lage versetzt werden, umgehend Proben zu analysieren.
Schließlich noch ein Letztes, Herr Abgeordneter. Abgesehen von diesen Sofortmaßnahmen sieht der von der Bundesregierung dem Hohen Hause vorgelegte Gesetzentwurf zur Gesamtreform des Lebensmittelrechts eine engere Zusammenarbeit, ein engeres Zusammenwirken zwischen dem Zoll und den Lebensmittelüberwachungsbehörden vor. Dieser Gesetzentwurf enthält auch eine Reihe von Verordnungsermächtigungen, die eine schärfere Ausgestaltung des Einfuhrkontrollverfahrens gestatten. De lege ferenda haben wir also wesentlich mehr Kontrollmittel in der Hand als de lege lata.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619605600
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Karl Miltner (CDU):
Rede ID: ID0619605700
Herr Staatssekretär, wer haftet gegebenenfalls für die gesundheitlichen Schäden? Kommt eventuell auch eine Staatshaftung in Frage?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619605800
Über Haftungsfragen können wir erst sprechen, wenn das hier in Frage kommende Agens ermittelt ist. Es sind umfangreiche chemisch-toxikologische Untersuchungen im Gange, um zu analysieren, um welche Stoffgruppe es sich überhaupt handelt, wie es zu dieser Kontamination gekommen ist, ob etwa über ein Konservierungsmittel oder über die Verpackung oder möglicherweise auch über Einflüsse beim Transport selbst. Erst wenn das geklärt ist, wird sich über mögliche Haftungsfragen Näheres sagen lassen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619605900
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Miltner.

Dr. Karl Miltner (CDU):
Rede ID: ID0619606000
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung die Öffentlichkeit darüber informieren?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619606100
Die Bundesregierung hat schon nach Bekanntwerden dieser Vorgänge informiert und auch entsprechende Warnungen ausgesprochen. Sie wird über das Ergebnis ihrer Recherchen ebenfalls informieren.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619606200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Früh.

Dr. Isidor Früh (CDU):
Rede ID: ID0619606300
Herr Staatssekretär, es handelt sich hier ja nicht um den ersten Fall; so etwas hat sich schon verschiedentlich bei Salaten und anderen Produkten abgespielt. Wie wollen Sie die Gewähr dafür geben, daß die entnommenen Proben so schnell untersucht werden können, daß solche Sendungen zurücklaufen müssen, und das Ergebnis der Untersuchungen nicht erst dann herauskommt, wenn diese Sendungen fast schon verzehrt sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619606400
Wir sind ja im Zusammenwirken mit den wissenschaftlichen Untersuchungsanstalten dabei, in sehr intensiver Arbeit Schnellmethoden und Schnelltests zu entwickeln.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619606500
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Isidor Früh (CDU):
Rede ID: ID0619606600
Herr Staatssekretär, in den „Lüdenscheider Nachrichten" wurde im Februar berichtet, der Chefchemiker eines der maßgeblichen Institute in Offenburg habe erklärt, daß solche Proben zwar sehr schnell entnommen werden könnten, beim Institut aber so viel Proben eingingen, daß sie erst tiefgefroren werden müßten, ehe sie untersucht werden könnten; wenn die Untersuchung dann erfolgt sei, gehe das Ergebnis in der Bürokratie unter. Ist dieser Zustand mittlerweile überwunden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619606700
Ich würde diese Beobachtungen und Aussagen aus einem Amt nicht für verallgemeinerungsfähig halten. Die Länder sind dabei, die Lebensmittelüberwachung erheblich zu intensivieren. Sie haben ihre Anstalten dazu auch schon in wesentlichem Umfang erweitert und ausgebaut.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619606800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hauser.




Dr. Hugo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0619606900
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den in der Bevölkerung entstandenen Schock zu überwinden, um den Absatz deutscher Qualitätswaren auf dem Sektor von Obst und Gemüse nicht zu behindern?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619607000
Herr Abgeordneter, ich glaube, wir dürfen das Verbraucherverhalten nicht unterschätzen. Gleich nach Bekanntwerden dieser Nachricht haben die Verbraucher auf dem Markt — etwa hier in Bonn — sehr wohl zwischen importierter und eigener Produktion zu unterscheiden gewußt. Sie haben sich ganz darauf eingestellt, deutsche Erdbeeren zu konsumieren. Importierte Ware wurde weitgehend zurückgewiesen.

(Abg. Dr. Frerichs: Nach dem Motto: Deutsche, eßt deutsche Erdbeeren!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619607100
Eine weitere Zusatzfrage? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dr. Hauser!

Dr. Hugo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0619607200
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, die Bevölkerung auch darüber aufzuklären, unter welch scharfen Qualitätsbestimmungen in der Bundesreblik Obst und Gemüse erzeugt wird und daß von deutscher Qualitätsware keine gesundheitsschädigenden Auswirkungen ausgehen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619607300
Die Bundesregierung hat bisher schon die Verbraucher weitgehend informiert. Sie wird dies in angemessener Weise auch weiterhin tun. Sie wird sie auch über die Regelungen informieren, die in der EWG zum Verbraucherschutz getroffen worden sind.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619607400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ott.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0619607500
Herr Staatssekretär, was kann die Bundesregierung tun, damit alle importierten Lebens- und Nahrungsmittel genau den gleichen Kontrollvorschriften unterliegen, wie sie innerhalb der Bundesrepublik gelten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619607600
Die Bundesregierung hat sich deshalb im Rahmen der EWG nachdrücklich dafür eingesetzt, daß die für das deutsche Lebensmittelrecht erarbeitete Normen, Standards und Kontrollmaßnahmen auch im Bereich der EWG Platz greifen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619607700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Reinhard.

Dr. Carl Reinhard (CDU):
Rede ID: ID0619607800

(0 würden Sie in der Verbraucheraufklärung darauf hinweisen, daß der Werbeslogan „Aus deutschen Landen frisch auf den Tisch" durchaus seine Berechtigung hat? (Beifall bei der CDU/CSU. — Heiterkeit und Zurufe.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619607900
Obwohl bei der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse auch importierten Lebensmitteln der Zustand der Frische nicht aberkannt werden kann, werden wir immer wieder darauf hinweisen, welche Bedeutung gerade bei Obst und Gemüse der Frische und der unverzüglichen Aufbereitung zukommt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619608000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jenninger.

Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID0619608100
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin erfreulicherweise gesagt, daß sich die deutschen Normen im Bereich der EWG durchsetzen werden. Können Sie sagen, in welchem Zeitraum Sie dieses Ziel zu erreichen hoffen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0619608200
Ich glaube, daß alle Länder dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes auch unter dem Aspekt des Umweltschutzes hohe Priorität einräumen und dabei sind, EWG-einheitliche Richtlinien so schnell wie möglich zu verabschieden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619608300
Keine Zusatzfrage mehr. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.

Wolfgang Vogt (CDU):
Rede ID: ID0619608400

Aus welchen Gründen hat Bundesminister Dr. Ehmke nicht sofort den Bericht der Illustrierten „Stern" dementiert, demzufolge er den Informanten Disler für „vertrauenswürdig" halten soll?
Bitte sehr, Herr Bundesminister!

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619608500
Zu einem Dementi sehe ich keinen Anlaß, Herr Abgeordneter.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619608600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogt.

Wolfgang Vogt (CDU):
Rede ID: ID0619608700
Herr Minister, sind Sie bereit und willens, hier im Hause darzustellen, wie Sie festgestellt haben, daß der Schweizer Journalist Disler als vertrauenswürdig zu gelten hat, und ist Ihnen bekannt, daß es im Berner Außenministerium Material über Disler geben soll, und ist Ihnen dieses Material zugänglich gewesen?




Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619608800
Herr Kollege, es ging nicht darum, festzustellen, welches Material im Berner Außenministeriums ist. Hier hat sich vielmehr ein Zeuge angeboten, und als Vorsitzender des Staatssekretärausschusses für Sicherheit hatte ich mich zu erkundigen, ob es Zweck hat, den Herrn kommen zu lassen, um zu sehen, ob das, was dort angeboten wurde, überhaupt für diese Dinge relevant ist. Ich habe mich über die Person dieses Herrn erkundigt, teils über Pressequellen, teils über die Möglichkeiten, die der Regierung zur Verfügung stehen, und habe keinerlei Grund gesehen, Herrn Disler nicht zu empfangen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619608900
Eine weitere Zusatzfrage.

Wolfgang Vogt (CDU):
Rede ID: ID0619609000
Herr Minister, halten Sie einen Mann für vertrauenswürdig, der von sich selbst behauptet, während seiner Zeit als Fremdenlegionär mit Sonderaufgaben betraut gewesen zu sein, die von ihm „als das Schmutzigste vom Schmutzigen" bezeichnet worden sind?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619609100
Ich sehe nicht, daß diese Frage, die Sie stellen, in irgendeinem Zusammenhang mit meiner Überlegung steht,

(Zurufe von der CDU/CSU: Doch!)

ob ich einen Zeugen, der sich anbietet, anhöre oder nicht.

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619609200
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Ott.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0619609300
Herr Bundesminister, halten Sie einen Mann für vertrauens- und glaubwürdig, von dem bekannt ist — anscheinend aber nicht auf Grund Ihrer Informationen —, daß er in der Schweiz einmal eine Nachricht fabriziert hat, wonach es fünf Tote gegeben habe, die es nicht gegeben hat?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619609400
Herr Kollege Ott, Sie verwechseln offenbar den Chef des Bundeskanzleramtes mit der Strafverfolgungsbehörde. Ich hatte mich zu informieren, ob ich es hier mit jemandem zu tun habe, den ich überhaupt empfange. Nichts weiter hatte ich zu tun. Die Frage der Glaubwürdigkeit der Aussage und der Person werden die Strafverfolgungsbehörden zu beurteilen haben.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619609500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schneider (Nürnberg).

Dr. Oscar Schneider (CSU):
Rede ID: ID0619609600
Herr Bundesminister, halten Sie es nicht für einen guten parlamentarischen Brauch, ehe bei einer derart schweren Anschuldigung gegen einen Abgeordneten des Deutschen Bundestages die Staatsanwaltschaft
bemüht wird, zunächst den Präsidenten des Bundestages zu unterrichten, und welche Gründe waren für Sie maßgeblich, dies in diesem Fall nicht zu tun?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619609700
Das ist keineswegs ein gewöhnliches Verfahren, sondern hier gibt man an die Strafverfolgungsbehörden ab, und die wenden sich dann an den Parlamentspräsidenten in dem Fall, daß sie der Meinung sind, daß die Immunität aufgehoben werden sollte. Es kam hier darauf an, nicht den Eindruck zu erwecken, als ob die Regierung Funktionen der Strafverfolgungsbehörden übernimmt.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619609800
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0619609900
Herr Bundesminister, ist Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß Sie in der Frage nicht gefragt worden sind, ob Sie den Zeugen angehört haben, sondern ob Sie ihn für vertrauenswürdig halten, und würden Sie diese Frage beantworten?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619610000
Herr Kollege Czaja, ist Ihnen entgangen, daß ich gesagt habe, daß die Frage der Vertrauenswürdigkeit für mich nur insofern relevant war, ob ich den Mann überhaupt anhöre?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619610100
Eine Zusatzfrage, Abgeordnteer Wagner.

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0619610200
Herr Bundesminister, auf welche Weise haben Sie die Vorwürfe Ihres Informanten Disler gegen den Kollegen Hupka sachlich auf ihre Richtigkeit und Haltbarkeit überprüft, ehe Sie die Angelegenheit der Staatsanwaltschaft übergeben haben?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619610300
Überhaupt nicht, Herr Kollege Wagner, weil ich schon sagte — —

(Oh-Rufe von der CDU/CSU.)

— Überhaupt nicht, weil auch das geheißen hätte, sich Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden anzumaßen.

(Beifall bei der SPD.)

Da gibt es ein schwebendes Verfahren. Das ist Sache der Staatsanwaltschaft. Ich stand als jemand, der für Sicherheitsfragen zuständig ist, allein vor der Frage, ob ich mir einen Zeugen, der sich in einem Fall anbietet, in dem der Bundesrepublik durch Indiskretion und Geheimnisbruch schwere Nachteile zugefügt worden sind, anhöre, um dann zu entscheiden, ob ich dies der Strafverfolgungsbehörde weitergebe. Über den Inhalt der Aussage hatte ich überhaupt nicht zu entscheiden. Die Nachprüfung ist mir auch gar nicht möglich.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619610400
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Reddemann.




Dr. Gerhard Reddemann (CDU):
Rede ID: ID0619610500
Herr Minister, um Ihre Einlassung, die für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses relevant sein könnte, zu präzisieren: Sie haben, wie der Redakteur des „stern" und langjährige FDP-Spitzenfunktionär Heiner Bremer am 21. Juni im hessischen Rundfunk behauptete, Herrn Disler geprüft, für gut befunden und, konspirierend mit dem „stern", dann dem Herrn Disler beim „stern" einen Persilschein ausgestellt?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619610600
Herr Kollege Reddemann, ich würde es der Würde dieses Hauses angemessener halten, wenn Sie so schwerwiegende Vorwürfe gegen ein Mitglied der Bundesregierung vielleicht doch nicht in den Raum stellten — ich höre, Herr Hupka hat das gestern auch schon getan —, ohne mit diesem Mitglied der Bundesregierung wenigstens zu reden.

(Zurufe von der CDU/CSU: Die Frage beantworten! — Das war keine Antwort!)

Im übrigen darf ich Ihnen sagen, daß in dieser Sache von mir aus nicht der geringste Kontakt mit dem „stern" stattgefunden hat. Ich habe in diesen Tagen überhaupt nicht mit dem „stern" gesprochen. Ich bedaure darum, daß Herr Hupka gestern offenbar das Gegenteil behauptet hat. Ich habe sogar Herrn Disler empfohlen, seinerseits diese Sache nicht journalistisch zu verwerten, sondern abzuwarten, bis die Strafverfolgungsbehörden ihn bitten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619610700
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Dr. Wittmann.

Dr. Fritz Wittmann (CSU):
Rede ID: ID0619610800
Herr Minister, warum haben Sie den Mann denn nicht gleich der Staatsanwaltschaft zugeführt, zumal es sich, wie Sie eben sagten, um ein schwebendes Ermittlungsverfahren handelt und nicht auszuschließen ist, daß es sich um einen Zeugen handelt? Sie haben doch damit in ein Ermittlungsverfahren eingegriffen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619610900
Ich bitte, keine Feststellungen zu treffen, sondern nur Fragen zu stellen.

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619611000
Herr Kollege Wittmann, Sie wissen vielleicht, daß diese Frage Gegenstand der Frage von Herrn Kollegen Reddemann ist. Ich werde sie gern beantworten, wenn die Frage aufgerufen ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619611100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Wrangel.

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0619611200
Herr Minister, können Sie um der Klarstellung willen ausdrücklich dementieren, daß der „stern" behauptet hat, der Artikel habe erst erscheinen können, nachdem Sie die Glaubwürdigkeit des Zeugen bescheinigt haben? Am 21. Juni im „Hessischen Rundfunk" !

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619611300
Mir ist eine solche Aussage des „stern" nicht bekannt. Aber ich wiederhole noch einmal, daß in dieser Sache nicht irgendein Kontakt zwischen mir und dem „stern" bestanden hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Auch kein mittelbarer?)

— Auch kein mittelbarer.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619611400
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Wagner (Trier).

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0619611500
Herr Bundesminister, darf ich den verschiedenen Antworten auf Fragen entnehmen, daß die Meldungen nicht zutreffen, nach denen Sie Herrn Disler nicht nur empfangen, sondern ihm, als Sie ihn empfingen, noch ausdrücklich erklärt haben, er sei von Ihnen geprüft worden, er sei glaubwürdig und er sei für Sie in Ordnung?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619611600
Herr Kollege Wagner, ich kann Ihnen bestätigen, daß es vielmehr so war: Als Herr Disler kam, wollte er sich mit einer Beschreibung seiner Person einführen. Er hat gesagt: „Sie kennen mich nicht. Ich will Ihnen meinen Lebensweg darstellen." Darauf habe ich ihm gesagt: „Herr Disler, darüber habe ich mich schon informiert. Das können Sie sich sparen."

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619611700
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Miltner.

Dr. Karl Miltner (CDU):
Rede ID: ID0619611800
Herr Bundesminister, halten Sie die Erkundigungen, die Sie bezüglich der Vertrauenswürdigkeit des Herrn Disler eingezogen haben, heute noch für zutreffend und richtig?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619611900
Ja.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619612000
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0619612100
Herr Bundesminister, würden Sie es, da Sie die Würde des Hauses angesprochen haben, dem ja auch Sie angehören, nicht für richtig halten, so weitgehende Anschuldigungen, bevor man sie weitergibt, auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen, zumal bei der Person des Informanten gewisse Zweifel auch bei Ihnen doch kaum zu unterdrücken sein dürften?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619612200
Herr Schulze-Vorberg, ich habe hier einen Zeugen, der sich angeboten hat, den Strafverfolgungsbehörden benannt. Dies war meine Pflicht. Wenn ich zu der Überzeugung gekommen wäre, dies alles sei ganz falsch, und angenommen hätte,



Bundesminister Dr. Ehmke
daß ich es mit jemand zu tun hätte, der irgendwelche Märchen erzählt — ich hatte den Eindruck: es kann was dran sein; ich kann es nicht prüfen; ich gebe es ab — —

(Ah-Rufe von der CDU/CSU.)

Hätte ich etwa den Eindruck gehabt, daß es ein krankhafter Mensch sei, hätte ich es nicht weitergegeben. Nachdem ich mich aber vergewissert hatte, daß der Mann diese Überzeugung hat, war es meine Pflicht, es den Strafverfolgungsbehörden zu geben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619612300
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter von Thadden.

Franz-Lorenz von Thadden (CDU):
Rede ID: ID0619612400
Herr Bundesminister, würden Sie es nicht als einen Beweis für einen geraden Charakter ansehen, wenn jemand, der sich schwerwiegende Vorwürfe anhört, wenigstens dieselbe Zeit aufwendet, um mit einem Kollegen im Parlament zu sprechen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619612500
Herr Kollege von Thadden, ich muß mich wundern. Auf der einen Seite werfen Sie mir vor, dadurch, daß ich es nicht schnell genug an die Staatsanwaltschaft gegeben habe, hätte ich in ein schwebendes Ermittlungsverfahren eingegriffen. Es wäre aber gerade ein Eingriff gewesen, wenn ich mir angemaßt hätte, den Betroffenen oder den Zeugen zur Sache irgendwie zu vernehmen. Ich mußte es an die Behörde abgeben — allein das war korrekt —, bei der ein Verfahren in dieser Sache schwebt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619612600
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Freiherr von Fircks.

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0619612700
Herr Minister, war es Ihnen nicht möglich, ebenso schnell, wie es die Journalisten erfahren haben, festzustellen, daß alle drei Presseorgane, denen dieser Brief angeblich zugestellt worden ist, den Brief nicht empfangen haben und dadurch die Unglaubwürdigkeit des Zeugen eindeutig belegt war?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619612800
Nein. Es wäre ja wohl ein hanebüchener Eingriff in die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden gewesen, wenn sich die Regierung angemaßt hätte, hier Recherchen anzustellen, ob die Zeitungen etwas bekommen haben oder nicht.

(Abg. Freiherr von Fircks: Es ging doch um die Glaubwürdigkeit des Zeugen!)

— Aber, Herr Kollege Fircks, Sie machen mir einen widerspruchsvollen Vorwurf. Einerseits sagen Sie, ich hätte es nicht schnell genug an die zuständige Behörde gegeben, andererseits sagen Sie, ich hätte mich selbst an die Stelle der zuständigen Behörde setzen sollen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619612900
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Jenninger.

Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID0619613000
Herr Bundesminister, haben Sie von dem „vertrauenswürdigen" Herrn Disler über das hinaus noch weitere Hinweise über andere Kollegen dieses Hauses bekommen, die sich an solchen Dingen beteiligt haben? Und haben Sie die Absicht, weitere Aktionen dieser Art gegen Kollegen dieses Hauses einzuleiten?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619613100
Ich glaube, Herr Präsident, daß ich diese Frage wegen der Unterstellung, die am Ende gemacht wurde, nicht zu beantworten brauche.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619613200
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Bach.

Dr. Franz Josef Bach (CDU):
Rede ID: ID0619613300
Herr Minister, ist es die normale Aufgabe eines Ministers, einen Zeugen in einem Strafverfolgungsprozeß selber zu empfangen und sich Informationen geben zu lassen?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619613400
Es ist die normale Aufgabe des Chefs eines Amtes, das von den Vorgängen mit betroffen sein kann, und des Vorsitzenden des Staatssekretärausschusses für Sicherheit, allen Hinweisen nachzugehen, die in bezug auf diesen Komplex, der die Arbeit der Bundesregierung gefährdet, Aufschluß geben können. Wäre es z. B. so gewesen, daß die Hinweise nicht in den außerexekutiven Bereich gegangen wären, sondern es sich um Hinweise auf den Exekutivbereich gehandelt hätte, wäre selbstverständlich die Regierung diesen Dingen zunächst im eigenen Bereich nachgegangen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619613500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Frerichs.

Dr. Göke D. Frerichs (CDU):
Rede ID: ID0619613600
Herr Bundesminister, hätten Sie sich genauso verhalten, wenn der betreffende Kollege Mitglied Ihrer Fraktion gewesen wäre und die Fraktion vorher nicht aus guten Gründen verlassen hätte?

(Abg. Dr. Apel: Unerhört ist das! Diese üblen Unterstellungen! — Weitere Zurufe von der SPD.)


Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619613700
Herr Kollege, ich nehme an, daß Sie mir die Frage nur gestellt haben, weil Sie wissen, daß ich sie natürlich bejahe.

(Abg. Dr. Apel: Unerhört ist das! Eine dreckige Frage!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619613800
Den Ausdruck weise ich zurück; er ist unparlamentarisch. — Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cantzler.




Roland Cantzler (CSU):
Rede ID: ID0619613900
Welche Stellen sind konkret eingeschaltet worden, um die Glaubwürdigkeit des Zeugen Disler zu überprüfen?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619614000
Ich hatte Ihnen schon gesagt, daß ich mich zum Teil bei Leuten erkundigt habe, die Herrn Disler von seiner Pressearbeit her kennen, zum Teil habe ich mir auf den normalen Wegen, die der Regierung zur Verfügung stehen, ein Bild über den Lebensweg und die Arbeit dieses Mannes verschafft.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619614100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Röhner.

Paul Röhner (CSU):
Rede ID: ID0619614200
Herr Minister, wären Sie bereit, die Namen der Personen aus dem Pressebereich, die Sie in Anspruch genommen haben, hier bekanntzugeben?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619614300
Falls die Betroffenen ihr Einverständnis geben: ja.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619614400
Ich rufe die Frage 4 — das ist die zweite der an Sie gerichteten Dringlichen Mündlichen Fragen, Herr Bundesminister — des Abgeordneten Reddemann auf:
Trifft es zu, daß Bundesminister Dr. Ehmke erst am 21. Juni 1972, nach Bekanntwerden des Berichts im „Stern", die Bonner Staatsanwaltschaft über den angeblichen Geheimnisverrat Dr. Hupkas unterrichtet hat, obwohl ihm die Information hierüber bereits am 12. Juni 1972 bekanntgewesen ist, und welche Gründe gibt es hierfür gegebenenfalls?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619614500
Herr Kollege Reddemann, zunächst zum Formellen: Der Leitende Oberstaatsanwalt bei dem Landgericht in Bonn ist nicht durch ein persönliches Schreiben von mir oder durch mich persönlich, sondern durch ein Schreiben des zuständigen Beamten im Bundeskanzleramt unterrichtet worden. Den Auftrag zur Unterrichtung der Staatsanwaltschaft habe ich am 19. Juni 1972 erteilt. Das Schreiben des Beamten datiert vom 20. Juni 1972. Es ist dem Leitenden Oberstaatsanwalt durch Boten am 21. Juni 1972 überbracht worden.
Nun zum Inhalt der Unterrichtung: In dem Schreiben an die Staatsanwaltschaft ist nicht — wie in Ihrer Mündlichen Anfrage unterstellt wird — von einem Geheimnisverrat Dr. Hupkas die Rede. Vielmehr wurde der Staatsanwaltschaft lediglich mitgeteilt, Herr Disler habe sich erboten, vor einer deutschen Strafverfolgungsbehörde über die Erkenntnisse auszusagen, die er bei seiner journalistischen Tätigkeit über die Preisgabe von geheimzuhaltenden Schriftstücken und Vorgängen im Zusammenhang mit den Ostverträgen gewonnen habe.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619614600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reddemann.

Dr. Gerhard Reddemann (CDU):
Rede ID: ID0619614700
Herr Minister, nachdem Sie selbst jeden Zusammenhang und jede Zusammenarbeit mit dem „Stern" in dieser Frage geleugnet haben — —

(Abg. Dr. Apel: „Geleugnet", was heißt denn das?! Das wird nicht gerügt! Aber wenn wir etwas sagen, dann wird es gerügt! — Weitere lebhafte Zurufe von der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619614800
Meine Damen und Herren, es ist keine Beleidigung, wenn man jemanden fragt, ob er leugnet oder nicht. „Leugnen" ist keine Beschimpfung.
Widerspruch bei der SPD.)
Ob der Herr Minister geleugnet hat oder nicht, ist seine eigene Angelegenheit; das kann er selbst beurteilen; das ist formal nicht zu beanstanden, während der Zuruf „dreckig" formal zu beanstanden ist.

Dr. Gerhard Reddemann (CDU):
Rede ID: ID0619614900
Nachdem Sie also geleugnet haben, Herr Minister, möchte ich Sie fragen: Wie kam wohl Herr Bremer in dem Interview mit dem „Hessischen Rundfunk" am 21. Juni zu der Feststellung, die ich jetzt wörtlich zitieren darf:
Herr Ehmke hat zuvor
— also unmittelbar vor Erscheinen des Artikels im „Stern" —
dafür gesorgt, daß er genau wußte, mit wem er es zu tun hat. Er hatte sich Unterlagen über den Sekretär von Herrn Habe besorgt, die ihn für vertrauenswürdig erklärt haben.

(Zuruf von der CDU/CSU.)


Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619615000
Herr Kollege Reddemann, ich bitte doch darum, diese Frage Herrn Bremer zu stellen. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich das getan habe, was meine Pflicht war: ich habe mich, bevor ich einen Mann empfangen habe, erkundigt, um wen es sich handelt.
Im übrigen möchte ich für meine Person das Wort „leugnen" zurückweisen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619615100
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reddemann.

Dr. Gerhard Reddemann (CDU):
Rede ID: ID0619615200
Herr Minister, nachdem zumindest in einem Teil des Hauses der Eindruck entstanden ist, daß die Art, wie Sie im Fall Disler mit der Materie umgegangen sind, etwas leichtfertig erscheint, muß ich Sie fragen: War es für Sie nicht einfach eine gute Gelegenheit, nun die Herren Springer, Löwenthal, Habe und Heitzler zusammen ins Zwielicht zu bringen?




Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619615300
Da diese Frage ja wohl nur einer primitiven Stimmungsmache dient, möchte ich sie nicht beantworten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619615400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hauser.

Dr. Hugo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0619615500
Herr Minister, ist es richtig, daß der Herr Bundeskanzler schon am Dienstag einen Vorabdruck des „Stern"-Artikels auf dem Tisch hatte?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619615600
Das ist mir nicht bekannt. Ich halte es aber für unwahrscheinlich.

(Zurufe von der CDU/CSU: Es ist wahr! — Gegenrufe von der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619615700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0619615800
Herr Bundesminister, nach Ihrer Feststellung, daß Sie vorher keinen Kontakt mit dem „Stern" hatten, darf ich fragen: Gab es in dieser Frage womöglich umgekehrt seitens des „Stern" Kontakte zu Ihnen — entweder persönlich oder zum Kanzleramt —, wie das aus dem Interview von Herrn Bremer hervorzugehen scheint?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619615900
Herrn Schulze-Vorberg, Sie sollten eigentlich von mir wissen, daß, wenn ich eine Frage so klar beantworte, wie ich sie beantwortet habe, dann auch keine Hintertüren drin sind.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD. — Lachen und Oho-Rufe bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619616000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Miltner.

Dr. Karl Miltner (CDU):
Rede ID: ID0619616100
Herr Bundesminister, wäre es nach Ihrer Ansicht nicht auch nötig gewesen, angesichts des Geheimnisverrats, der ja schon längst erfolgt war,

(Zuruf von der CDU/CSU: Angeblich!)

dieser Sache in Form eines Verfahrens gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft auf Grund der Genehmigung durch die Bundesregierung nachzugehen? Warum kommen Sie dann jetzt erst?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619616200
Die Strafverfolgungsbehörden sind doch in diesem Bereich tätig! Es sind umfangreiche Untersuchungen und Vernehmungen durchgeführt worden.

(Zurufe von der SPD: Das weiß er doch! — Nein, das kann er nicht wissen! Er schläft ja!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619616300
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Ott.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0619616400
Herr Bundesminister, würden Sie, da Sie sich vorher darauf beriefen, nicht sagen zu können, ob bereits am Dienstag der fraglichen Woche dem Herrn Bundeskanzler ein Probeabzug vorgelegen hat, diesem Hause nach Ihrer Erkundigung noch mitteilen, ob -das der Fall war oder nicht?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619616500
Mit größtem Vergnügen, Herr Kollege Ott.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619616600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kliesing.

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0619616700
Herr Minister, hätte es nicht sehr nahegelegen, in den Kreis der Journalisten, bei denen Sie sich über Ihren Informanten informierten, auch den Chefredakteur der „Kölnischen Rundschau" mit einzubeziehen, oder erscheint Ihnen Ihr Informant vertrauenswürdiger als der Chefredakteur der „Kölnischen Rundschau"?

(Abg. Dr. Apel: Was soll den das? — Weitere Zurufe von der SPD.)


Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619616800
Ich muß offen gestehen, daß ich Ihre Frage nicht ganz verstehe.

(Abg. Dr. Apel: Völlig richtig! Wir auch nicht! — Abg. Matthöfer: Außerdem steht sie in keinem Zusammenhang mit der eingereichten Frage!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619616900
Eine Zusatzfrage.

Wolfgang Vogt (CDU):
Rede ID: ID0619617000
Herr Minister, können Sie Nachrichten bestätigen, nach denen ähnliche Kampagnen wie die gegen den Kollegen Dr. Hupka auch gegen andere Kollegen dieses Hauses in Vorbereitung sind?

(Abg. Dr. Apel: Das ist doch schon gefragt worden! — Zuruf von der SPD: Und kein Zusammenhang mit der Frage!)


Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0619617100
Herr Kollege, ich darf darauf die gleiche Antwort geben, die ich auf die Frage von Herrn Reddemann gegeben habe.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619617200
Meine Damen und Herren, alle diese Fragen standen im Zusammenhang mit der ersten Frage. Im Zusammenhang mit der zweiten Frage allerdings steht natürlich die zuletzt gestellte Frage nicht mehr.

(Aha! bei der SPD.)

Sie zielt auf einen ganz bestimmten Tatbestand.
Ich sehe keine Wortmeldungen mehr und darf Ihnen, Herr Bundesminister, danken.
Wir kommen zu den regulären Fragen in Drucksache VI/3546, zuerst zu denen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dorn zur Verfügung.



Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe Frage 6 des Herrn Abgeordneten Dr.
Gruhl auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung in der Presse erörterte holländische Pläne zur Errichtung einer Müll-Insel in der Nordsee in fachlicher und rechtlicher Sicht, insbesondere im Hinblick auf die Oslo-Konvention über die Verhütung der Verunreinigung der See durch Abfälle?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619617300
Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn der Herr Abgeordnete Gruhl damit einverstanden wäre, daß ich seine beiden Fragen gleichzeitig beantworte, da sie in einem inneren Zusammenhang stehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619617400
Bitte sehr! Ich rufe dann zusätzlich Frage 7 des Abgeordneten Dr. Gruhl auf:
Wann gedenkt die Bundesregierung, dem Parlament den Entwurf des Vertragstextes zu dieser Oslo-Konvention vorzulegen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619617500
Herr Kollege Gruhl, in den hier vorliegenden Pressemeldungen werden Überlegungen angesprochen, die von privater holländischer Seite zur Errichtung einer Müllinsel in der Nordsee angestellt werden. Von derartigen Plänen der holländischen Regierung ist mir nichts bekannt. Soweit die Bundesregierung informiert ist, haben amtliche holländische Stellen auch noch keine Entscheidung über diese Pläne getroffen.
Die Bundesregierung wird mit der holländischen
Regierung in dieser Angelegenheit Kontakt aufnehmen. Dabei wird sie auch die Frage erörtern, inwieweit die in der Presse wiedergegebenen Pläne mit der — im übrigen noch nicht in Kraft getretenen — Oslo-Konvention in Einklang zu bringen sind.
Die Bundesregierung beabsichtigt, den Entwurf des Vertragsgesetzes zur Oslo-Konvention den gesetzgebenden Körperschaften nach Beendigung der Parlamentsferien sofort zuzuleiten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619617600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Gruhl.

Dr. Herbert Gruhl (CDU):
Rede ID: ID0619617700
Herr Staatssekretär, darf ich daraus schließen, daß Sie noch keine näheren Informationen über dieses Projekt vorliegen haben?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619617800
Herr Kollege Dr. Gruhl, wir haben genau wie Sie nur die Pressemeldungen vorliegen. Auf Grund dieser Pressemeldungen, die sich ja auf private Initiativen zur Errichtung einer Müllinsel beziehen, werden wir den Kontakt mit der holländischen Regierung aufnehmen. Es liegen deshalb noch keine konkreten Verhandlungsergebnisse vor.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619617900
Keine Zusatzfrage mehr, Herr Dr. Gruhl?

(Abg. Dr. Gruhl: Nein!)

— Dann Herr Abgeordneter Dr. Gleissner zu einer Zusatzfrage!

Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0619618000
Herr Staatssekretär, sind Ihnen Berichte anderer Länder bekannt, die in die gleiche Richtung gehen, Berichte aus Ländern, die die gleiche Absicht haben?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619618100
Zur Zeit nicht, Herr Kollege.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619618200
Ich komme zur Frage 8 des Abgeordneten Dr. Riedl (München) :
Trifft es zu, daß durch ein Rundschreiben des IOC in Lausanne den Teilnehmern der Spiele der XX. Olympiade München 1972 in München im Gegensatz zur bisherigen Übung das Tragen von Sportkleidung mit bestimmten Markenzeichen deutscher Sport-artikelfirmen verboten wurde, und ist diese Entscheidung nicht zuletzt durch entsprechende Anregungen von deutscher Seite auf dem IOC-Kongreß in Sapporo und der Sitzung des IOC-ExekutivKomitees in Lausanne vom 27. bis 31. März 1972 herbeigeführt worden?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619618300
Herr Kollege Riedl, die Anfrage betrifft Interna von IOC-Sitzungen. Sie werden deshalb Verständnis dafür haben, daß ich auf Auskünfte von Teilnehmern aus diesen Sitzungen angewiesen bin, um Ihre Frage sachlich beantworten zu können. Nach diesen Informationen, die ich erhalten habe, ist Ihre Frage wie folgt zu beantworten:
Das von Ihnen erwähnte Rundschreiben des IOC vom 2. Juni 1972 soll keine neue Situation geschaffen haben. Sein Zweck sei nur, wie dies auch vor früheren Olympischen Spielen geschehen sei, an die IOC-Regeln 26 und 53 zu erinnern und dabei die Regel 53 zu verdeutlichen. Nach der Regel 53 führe das Zurschaustellen von Kleidungsstücken oder Sportartikeln in Olympischen Sportstätten, wenn diese Gegenstände mit auffälligen Werbeemblemen versehen seien, grundsätzlich zur sofortigen Disqualifizierung oder zum Entzug des Delegiertenausweises. Zu Regel 53 habe das IOC-Rundschreiben zum Ausdruck gebracht, daß die Kleidung nur die Farben, den Namen, die Insignien, das Emblem oder die Flagge eines Landes und nicht die Bezeichnung eines Herstellers oder Identifizierungsmerkmale tragen dürfe. Wesentlicher Grund, die Regel 35 zu verdeutlichen, sei das Bestreben, Störungen, wie sie in Sapporo durch übertriebene Wirtschaftswerbung entstanden seien, in München zu vermeiden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619618400
Eine Zusatzfrage? — Bitte sehr!

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID0619618500
Herr Staatssekretär, es muß doch einen Grund geben — ich hätte Sie gerne danach gefragt, ob Sie ihn kennen —, warum ausgerechnet bei den Olympischen Spielen in München Sportanzüge mit drei weißen Streifen verboten sein sollen, Sportanzüge mit drei farbigen Streifen aber erlaubt sein sollen, nachdem bei allen anderen, voraufgegangenen Olympischen Spielen das Tragen dieser jetzt verbotenen Sportkleidung gestattet war.




Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619618600
Kollege Riedl, ich kann Ihnen leider diese Frage nicht konkret beantworten, weil die Bundesregierung, wie Sie wissen, in diesen Gremien nicht vertreten ist, wir also auch bei den speziellen Einzelheiten, über die Sie jetzt in der Zusatzfrage Auskunft haben wollen, uns erst wieder bei den deutschen IOC-Mitgliedern informieren müßten, um diese Frage konkret beantworten zu können.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619618700
Herr Abgeordneter Röhner zu einer Zusatzfrage.

Paul Röhner (CSU):
Rede ID: ID0619618800
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es bei dieser Fragestellung nicht darum geht, die genannte IOC-Entscheidung in Frage zu stellen, sondern daß es vielmehr darum geht, zu erfahren, ob ein deutsches Exekutivmiglied des IOC gegen deutsche Sportartikelhersteller bei dieser IOC-Sitzung in irgendeiner Weise tätig oder initiativ geworden ist?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619618900
Diese Frage, Herr Kollege Röhner, kann von der Bundesregierung ebenfalls so nicht beantwortet werden. Wir kennen nicht den Ablauf der IOC-Sitzungen. Wir wissen nicht, welche Anregungen dort gegeben worden sind, welche Anträge dort gestellt worden sind. Das können nur die Mitglieder des IOC selbst beantworten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619619000
Ich komme zur Frage 9 des Abgeordneten Röhner:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Folgen dieser Entscheidung für die deutsche Sportartikelindustrie, und wie wird sich diese Entscheidung auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Sportartikelhersteller auf dem internationalen Markt auswirken?

(Abg. Dr. Riedl [München] : Ich habe noch eine zweite Zusatzfrage!)

— Sie haben verzichtet, indem Sie sich gesetzt haben. Das kommt gar nicht in Frage.

(Zuruf des Abg. Dr. Riedl [München].)

— Wir sind jetzt bei der Frage 9 des Abgeordneten Röhner. Sie ist ja noch nicht beantwortet. Dazu können Sie wieder eine Zusatzfrage stellen.

(Abg. Dr. Riedl [München] : Ich habe abwarten müssen, bis die Frage von Herrn Röhner beantwortet war!)

— Ich habe entschieden. Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

(Abg. Dr. Riedl [München] : Herr Präsident, das ist nicht korrekt!)

— Die Frage .9 des Abgeordneten Röhner ist jetzt dran.

(Abg. Dr. Riedl [München] : Herr Präsident, ich halte das nicht für richtig!)

— Herr Abgeordneter, ich verweise Sie des Saales, wenn Sie sich meinen Anordnungen nicht fügen.
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619619100
Herr Kollege Röhner, es ist zunächst festzustellen, daß die Regel 53 und die in dem IOC-Rundschreiben vom 2. Juni 1972 gegebene Interpretation nur für den Wirkungsbereich des IOC, also für die Olympischen Spiele, gelten. Damit sind mögliche Auswirkungen auf diesen Bereich begrenzt. Ob es überhaupt zu schwerwiegenden Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Sportartikelhersteller auf dem internationalen Markt kommen kann, läßt sich ohne genaue Kenntnis der Verhältnisse in der Sportartikelbranche nicht beantworten. Wie mir bekannt ist, wird in Kreisen des IOC der Standpunkt vertreten, daß die von Ihnen aufgeworfene Frage kein spezefisches Problem der deutschen Sportartikelhersteller sei, da die Sportartikelindustrie aller Länder davon betroffen sei.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619619200
Herr Abgeordneter Röhner!

Paul Röhner (CSU):
Rede ID: ID0619619300
Herr Staatssekretär, würden Sie mir dann zustimmen, daß diese IOC-Entscheidung eine einseitige Regelung zuungunsten der Sportlerbekleidung darstellt, während andere Bereiche, z. B. der Bereich der Sportgeräte, von dieser Regelung nicht betroffen sind, und wie beurteilen Sie eine solche Unterscheidung?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619619400
Herr Kollege Röhner, ich bin im Grundsatz Ihrer Meinung, daß diese Differenzierung sehr schwer zu ertragen ist. Nur ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, diese Entscheidung zu beurteilen, sondern es handelt sich um eine Entscheidung, die sich der Entscheidungsbefugnis der Bundesregierung völlig entzieht, weil sie auf einer ganz anderen Ebene zustande kommt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619619500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Röhner.

Paul Röhner (CSU):
Rede ID: ID0619619600
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung trotz dieser Zuständigkeitslage, die ich bezahen muß, bereit, sich in die derzeitige Auseinandersetzung, die im Vorfeld der Olympischen Spiele 1972 besonders makaber ist, im Rahmen ihrer Möglichkeiten vermittelnd und abhelfend einzuschalten?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619619700
Herr Kollege Röhner, es gibt nur die eine Möglichkeit, daß sich die Vertreter der Bundesregierung, meinetwegen im Organisationskomitee oder im Vorstand des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele in München, mit den deutschen Vertretern des IOC, die überwiegend ebenfalls Mitglied im Organisationskomitee sind, darüber unterhalten, wie man diese Probleme aus der Welt schaffen kann, um auf diese Weise eventuell auftauchende Schwierigkeiten zu vermeiden. Einen anderen Weg der Einflußnahme sehe ich nicht.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619619800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID0619619900
Herr Staatssekretär, weiß die Bundesregierung, daß durch diese neuerliche Handhabung vor allem Entwicklungsländer in Afrika und in Asien betroffen sind, weil die deutschen Sportartikelhersteller nach einem Verbot von bestimmten Markenzeichen auf den Anzügen keine Veranlassung mehr haben, diesen Ländern entsprechende Gratisausrüstungen zur Verfügung zu stellen, was ja dadurch unterstrichen wird, daß beispielsweise 20 nationale olympische Komitees bereits diese Anzüge als offizielle Kleidung nicht nur bestellt, sondern auch genehmigt haben?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619620000
Herr Kollege Riedl, ich bin mit Ihnen der Meinung, daß schwierige Probleme in München kurzfristig auftreten können. Aber die Bundesregierung hat keinerlei Möglichkeit, von sich aus irgendwie einzugreifen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619620100
Wir kommen zur Frage 10 des Abgeordneten Ott:
Inwieweit entsprechen Nachrichten der Richtigkeit, wonach Mitglieder der Bundesregierung bzw. Staatssekretäre nach ihrem Ausscheiden von der Bundesregierung oder einer ihr verantwortlichen Institution Werkverträge erhalten haben?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619620200
Herr Präsident, auch hier wäre ich dankbar, wenn ich die beiden Fragen des Kollegen Ott wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam behandeln könnte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619620300
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe ferner die Frage 11 auf:
Um welche ehemaligen Mitglieder der Bundesregierung handelt es sich, gegebenenfalls wie lange laufen diese Verträge, und wie hoch sind die jeweiligen Vergütungen für welche Art von Leistungen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619620400
Nach dem Ergebnis einer von meinem Hause durchgeführten Umfrage, Herr Kollege Ott, sind seit dem Ende der vorigen Legislaturperiode von den Bundesministerien oder den Behörden und Einrichtungen ihres Geschäftsbereichs mit vier ehemaligen Staatssekretären Werkverträge abgeschlossen worden. Die entsprechenden Verhandlungen mit einem weiteren ausgeschiedenen Staatssekretär dauern noch an.
Ehemalige Mitglieder der Bundesregierung haben keine Werkverträge erhalten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619620500
Herr Abgeordneter Ott zu einer Zusatzfrage.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0619620600
Herr Staatssekretär, da Sie mir die Frage 10 und 11 nicht präzis beantworten können, darf ich Sie angesichts von zwei Mitteilungen in der „Frankfurter Rundschau" — einer vom 21. Juni, wonach Frau Hamm-Brücher einen Vertrag erhalten habe, und einer weiteren vom 22. Juni 1972, wonach Frau Hamm-Brücher entgegen einer ursprünglichen Erklärung des Bundesministeriums für Wissenschaft nun doch keinen Vertrag erhalten habe und sie angesichts der unsicheren Neuwahlfrage übereingekommen sei, zunächst keinen Vertrag abzuschließen — fragen: Sind Verträge mit Frau Hamm-Brücher und mit Herrn Bundesminister Leussink in Vorbereitung gewesen, ab wann, zu welcher Art von Dienstleistungen und in welcher Höhe?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619620700
Herr Kollege Ott, ich möchte hier feststellen, daß ich Ihre beiden Fragen präzise beantwortet habe. — Entschuldigen Sie, beide Fragen sind von mir ganz präzis beantwortet worden. Das möchte ich in aller Deutlichkeit feststellen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619620800
Meine Damen und Herren, die Beurteilung, ob eine Frage präzis beantwortet ist, steht mir nicht zu. Aber jedenfalls ist es ein Fehler des Herrn Abgeordneten Ott gewesen, daß er die Antwort des Herrn Staatssekretärs kritisiert hat; denn hier dürfen nur Fragen gestellt, aber keine Wertungen vorgenommen werden. Die Wertungen — sie mögen berechtigt oder unberechtigt sein — können Sie in einer Debatte, aber jedenfalls nicht in der Fragestunde im Rahmen einer Fragestellung vornehmen.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619620900
Ich bin aber bereit, Herr Kollege Ott, Ihnen die Namen der Staatssekretäre zu nennen, mit denen Verträge abgeschlossen worden sind.
1. Das Auswärtige Amt hat mit den ehemaligen Staatssekretären Hans Herwarth von Bittenfeld, Georg-Ferdinand Duckwitz und Dr. Günter Harkort Werkverträge abgeschlossen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat im Rahmen eines zeitlich nicht befristeten Werkvertrages seit dem 1. November 1971 den früheren Staatssekretären a. D. Birk-holtz mit Aufgaben betraut, die sich aus der Neuordnung der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr ergeben. Frau Staatssekretär Hamm-Brücher ist gebeten worden, die Bundesregierung auf dem Gebiet der Bildungspolitik zu beraten. Die Besprechungen über den Abschluß eines Werkvertrages sind noch nicht abgeschlossen, und es ist noch nicht geklärt, ob ein Werkvertrag abgeschlossen wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619621000
Herr Abgeordneter Dr. Arndt zu einer Zusatzfrage.

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0619621100
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es eine sinnvolle Praxis des Bundes und der Länder ist, den Erfahrungsschatz so führender Beamter auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt durch Werkverträge für das deutsche Volk nutzbar zu machen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619621200
Ich bin Ihrer Meinung, daß das sinnvoll ist, Herr Abgeordneter Dr. Arndt. Auch frühere Bundesregierungen haben von diesem Institut oft genug Gebrauch gemacht.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619621300
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0619621400
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, über welche Materie mit Herrn Staatssekretr a. D. Duckwitz ein Werkvertrag abgeschlossen ist, wie lange er läuft und welches die Ergebnisse des Werkvertrages sind?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619621500
Ich bin, Herr Kollege Dr. Czaja, in der Lage, Ihnen über alle Werkverträge, die ich vorhin angeführt habe, detaillierte Auskunft zu geben. Sie haben nur nach dem Staatssekretär a. D. Duckwitz gefragt. Er hat die deutsche Delegation bei den deutsch-polnischen Gesprächen geleitet und erhielt diesen Werkvertrag für die Zeit vom 1. Juni 1970 bis zum 31. Dezember 1970.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619621600
Wir kommen zu den Fragen 12 und 13 des Abgeordneten Picard. Der Fragesteller hat um schriftliche Antwort gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.

Dr. Hugo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0619621700

In welch wirksamer, möglichst unbürokratischer Weise wird die Bundesregierung den Gemeinden helfen, die ob ihrer unmittelbaren Nähe von militärischen Flugplätzen seit Jahren laut amtlich durchgeführten Schallmessungen überhöhte Lärmbelästigungen erdulden müssen und allein deshalb zu besonderen Schallschutzmaßnahmen in ihren öffentlichen Gebäuden wie Schulen und damit zu ganz außerordentlichen Mehrkosten gezwungen sind?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619621800
Im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Verteidigung beantworte ich Ihre Frage wie folgt. Den Gemeinden, die wegen des Fluglärms in der Nähe militärischer Flugplätze zu besonderen Schallschutzmaßnahmen an ihren baulichen Anlagen veranlaßt werden, kann im Rahmen des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm vom 30. März 1971 finanziell geholfen werden. Nach diesem Gesetz kann der Eigentümer eines Grundstücks unter bestimmten Voraussetzungen die Erstattung von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen verlangen. Eine Voraussetzung für den Erstattungsanspruch ist, daß sich das Grundstück in Schutzzone 1 eines nach dem Gesetz festgelegten Lärmschutzbereiches befindet. Ferner muß es sich bei den baulichen Anlagen um schutzbedürftige Einrichtungen wie etwa Krankenhäuser, Altenheime, Erholungsheime und Schulen oder um Wohnungen handeln, die bei Festsetzung des Lärmschutzbereiches errichtet sind. Die baulichen Schallschutzmaßnahmen müssen sich außerdem im Rahmen einer Verordnung halten, die zur Zeit von der Bundesregierung erarbeitet wird. Die Festsetzung der Lärmschutzbereiche nach dem Fluglärmgesetz wird zur Zeit von den zuständigen Bundesressorts vorbereitet. Nach Festsetzung der Lärmschutzbereiche dürfen in den Schutzzonen schutzbedürftige Einrichtungen der erwähnten Art grundsätzlich nicht mehr errichtet werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619621900
Herr Abgeordneter Dr. Hauser!

Dr. Hugo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0619622000
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Staatssekretär, sprechen Sie davon, daß Hilfen erst gegeben werden können, wenn die entsprechenden Verordnungen erlassen sind. Darf ich nun fragen: erscheint es nicht geboten, mit Überbrückungshilfen oder zins- und tilgungsfreien Darlehen schon vor Erlaß dieser Ausführungsbestimmungen solchen Gemeinden zu helfen, wo ganz offenkundige Sonderfälle vorliegen, die Streitkräfte Verursacher von nicht mehr zumutbaren Lärmbelästigungen sind, deshalb auch schon früher ein Truppenschaden nach dem NATO-Truppenstatut anerkannt worden ist und zudem der Bund als Grundstückseigerrtümer für die Regulierung solcher zusätzlichen Investitionen verantwortlich bleibt?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619622100
Herr Kollege Hauser, die Bundesregierung kann mit Sicherheit hier nicht im Vorgriff irgendwelche Leistungen erbringen, deren Feststellung und deren Rahmen erst durch die Verordnung geregelt werden muß. Ohne daß diese gesetzliche Regelung vorausgegangen ist, können keinerlei Zahlungen erfolgen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619622200
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hauser.

Dr. Hugo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0619622300
Herr Staatssekretär, wann ist damit zu rechnen, daß diese Verordnungen endlich herauskommen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619622400
Die Bundesregierung wird den Erlaß dieser Verordnungen zügig herbeiführen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619622500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0619622600
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Bevölkerung und insbesondere die Flugplatzanlieger langsam unruhig werden und auch den politischen Willen dieses Hohen Hauses in Zweifel ziehen, weil die Bundesregierung und insbesondere auch die Bundesländer mit dem Erlaß der Verordnung nicht vorankommen, und sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Antwort —„zügig" — zu unpräzise ist?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619622700
Herr Kollege Dr. Apel, die Antwort — „zügig" — mag Ihnen nicht ausreichend erscheinen. Ich kann aber, da diese Frage mit mehreren Ressorts und mit den Landesregierungen erörtert werden muß, von hier aus jetzt kein festes Datum nennen, wann die Verordnungen endgültig veröffentlicht werden können.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619622800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kliesing.




Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0619622900
Herr Staatssekretär, da in der Anfrage des Kollegen Dr. Hauser von militärischen Flughäfen die Rede ist, frage ich: Ist nicht hier — unter dem Begriff „Folgelasten"
wie in vielen anderen Fällen auch der Einzelplan 14 zuständig?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619623000
Herr. Kollege Kliesing, das kann ich jetzt nicht beantworten. Ich bin gern bereit, die Frage schriftlich zu beantworten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619623100
Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Härzschel auf:
Trifft die Meldung der „Nachrichten der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Lagerdienst" zu, daß die Unterbringung der Aussiedlerfamilien in den Übergangsheimen und sonstigen Durchgangsunterkünften der einzelnen Länder unzureichend und die Wohnfrage für Aussiedler völlig unzulänglich gelöst sei?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619623200
Herr Kollege Härzschel, die Erklärung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. über Fragen der Integration von deutschen Aussiedlern, die in den Nachrichten der „Arbeitsgemeinschaft Katholischer Lagerdienst" abgedruckt wurde, befaßt sich u. a. mit der Unterbringung der Aussiedlerfamilien in Übergangswohnheimen und sonstigen Durchgangsunterkünften und ihrer wohnraummäßigen Versorgung. Die Bundesarbeitsgemeinschaft gelangt in diesem Teil ihrer Erklärung zu Schlußfolgerungen, die nach Auffassung und nach den Erkenntnissen der Bundesregierung weitgehend unzutreffend sind.
Die Festellungen der Bundesarbeitsgemeinschaft finden auch in den Untersuchungen der Arbeitsgemeinschaft der Landesflüchtlingsverwaltungen, die für die Aufnahme und vorläufige Unterbringung der Aussiedler in Übergangswohnheimen und ähnlichen Einrichtungen ausschließlich zuständig sind, keine Bestätigung. Deren Memorandum zu Fragen der Eingliederung von Aussiedlern, das in Kürze veröffentlicht werden wird, enthält keinen Hinweis auf Schwierigkeiten, wie sie von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege beklagt bzw. befürchtet werden.
Nach allen bisherigen Erfahrungen der Bundesregierung und vornehmlich der Landesflüchtlingsverwaltungen wird selbst von den Aussiedlern einer vorübergehenden Unterbringung in einem Übergangswohnheim der Vorzug vor einer sofortigen endgültigen Unterbringung in einer familiengerechten Wohnung gegeben. Die Zahl der Ausnahmen ist verschwindend gering.
Zu der Frage der endgültigen wohnungsmäßigen Versorgung darf festgestellt werden, daß auch diese eine Aufgabe der Länder ist. Sie wird durch die Auflegung von Sonderwohnungsbauprogrammen unter erheblicher Beteiligung des Bundes gefördert. Seit 1953 hat der Bund mit 6,8 Milliarden DM 25 Sonderwohnungsbauprogramme zugunsten von Aussiedlern und Flüchtlingen mitfinanziert und die endgültige Unterbringung von mehr als 2,2 Millionen betroffener Personen gesichert. Der Bundesanteil für
das kürzlich aufgelegte 25. Programm für die im Jahre 1971 gekommenen 47 889 Personen, darunter 33 473 Aussiedler, beläuft sich auf rund 202,2 Millionen DM.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619623300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Härzschel.

Kurt Härzschel (CDU):
Rede ID: ID0619623400
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihren Ausführungen entnehmen, daß auch für die noch zu erwartenden Aussiedler die notwendigen finanziellen Mittel vorhanden oder eingeplant sind, damit eine zügige Versorgung dieser Aussiedler mit Wohnraum erfolgen kann?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619623500
Die Bundesregierung hat von sich aus alles getan, um die Voraussetzungen dafür zu schafen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619623600
Eine zweite Zusatzfrage, Her Abgeordneter Härzschel.

Kurt Härzschel (CDU):
Rede ID: ID0619623700
Darf ich nochmals präzise fragen: Sie halten diese Ausführungen der Zeitschrift für unzutreffend?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619623800
Ja, so ist es.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619623900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0619624000
Da Sie die Ausführungen für unzutreffend halten, darf ich Sie fragen, ob Sie Beweismaterial haben — Sie haben ja ein umfassendes statistisches Büro —, das Auskunft darüber gibt, wieviel Familien in solchen Notunterkünften sind, wie lange die Familien längstens in diesen Notunterkünften sind und wie lange im Durchschnitt.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619624100
Herr Kollege Czaja, ich habe bereits in meiner Antwort betont, daß das alles Aufgabe der zuständigen Länderregierungen ist und daß uns die Landesbehörden nach Rückfrage dieses Materials zur Verfügung gestellt haben. Ich kann nur noch einmal bestätigen, daß alle Länder ausnahmslos uns diese Auskunft so bestätigt haben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619624200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Freiherr von Fircks.

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0619624300
Herr Staatssekretär, nachdem sich hier die Ergebnisse der Landesflüchtlingsverwaltung und der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände offensichtlich diametral gegenüberstehen, frage ich Sie: Sind Sie nicht der Auffassung, daß es bei dem Ansehen, das die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände genießt, notwendig wäre, eine Klärung unter parlamentarischer Mitwirkung herbeizuführen?




Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0619624400
Ich habe nichts gegen eine Klärung mit parlamentarischer Hilfe. Es müßte dann in den Parlamenten der Länder eine entsprechende Initiative ergriffen werden, Herr Kollege.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619624500
Die Frage 16 wird auf Wunsch des Fragestellters schriftlich beantwortet. Die Antwort wird in der Anlage abgedruckt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zunächst die Frage 120 des Herrn Abgeordneten Storm:
Betrachtet die Bundesregierung die „Empfehlung zur Behandlung der deutsch-polnischen Beziehungen in den Schulbüchern der beiden Länder" der einschlägigen Konferenzen vom Februar und April 1972 für ausreichend — insbesondere auch zur Behandlung des deutsch-polnischen Verhältnisses in den polnischen Schulbüchern —, und besteht die Absicht, vor Festlegungen bezüglich der Empfehlungen für deutsche Schulbücher und Schulprogramme mit den Kultusministern der Länder Verbindung aufzunehmen, damit nicht bei später geäußerten abweichenden Meinungen der Kultusminister auswärtige Beziehungen belastet werden?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär Moersch!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0619624600
Herr Kollege, zum ersten Teil der Frage wird festgestellt, daß die Besprechungen zwischen der deutschen und der polnischen UNESCO-Kommission noch nicht abgeschlossen sind. Es ist vorgesehen, im Herbst 1972 eine dritte und später möglicherweise eine vierte Tagung abzuhalten. Die bisher vorliegenden Empfehlungen werden von der Bundesreigerung als ein wertvoller Beitrag zur Entspannung und Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern betrachtet. Dem Leiter der deutschen Delegation, Prof. Dr. Eckert, der zugleich Leiter des Internationalen Schulbuchinstituts ist, wurde von polnischer Seite fest zugesagt, daß die Empfehlungen in den polnischen Schulbüchern ihren Niederschlag finden werden.
Zum zweiten Teil der Frage ist zu bemerken, daß in der Bundesrepublik Deutschland die Zuständigkeit für Schulbücher bei den Ländern liegt. Dementsprechend sind die Empfehlungen den Kultusministern zugeleitet worden und werden ihnen auch in Zukunft zugeleitet werden. Einige Länder haben die Empfehlungen bereits veröffentlicht oder werden dies in Kürze tun.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619624700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Storm.

Friedrich-Karl Storm (CDU):
Rede ID: ID0619624800
Ist bei der Beratung dieser Frage, Herr Staatssekretär, auch an eine parlamentarische Mitwirkung, etwa des zuständigen Bundestagsausschusses, gedacht worden?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0619624900
Herr Abgeordneter, das liegt nicht im Ermessen der Bundesregierung. Wir haben eine Länderkulturhoheit. Wenn sich Parlamentarier beteiligen sollten, müßten es wohl die in den Landtagen sein. Ich habe keine Initiative dieser
Art im Bundestag festgestellt. Es ist ja auch keine Aufgabe der Bundesregierung, die sich hier stellt. Selbstverständlich steht es jedem Abgeordneten frei, sich hierfür zu interessieren. Und wenn ich mich nicht sehr täusche, interessieren sich die Kollegen aus dem Wissenschaftsausschuß auch für diese Frage.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619625000
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Storm.

Friedrich-Karl Storm (CDU):
Rede ID: ID0619625100
Darf ich Ihrer Antwort entnehmen, Herr Staatssekretär, daß sichergestellt ist, daß die Kultusminister der Länder zu all diesen Fragen gehört werden und daß Einvernehmen hergestellt werden soll?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0619625200
Herr Abgeordneter, ich habe, glaube ich, in meiner Antwort deutlich gemacht, daß es sich hier um eine recht schwierige Rechtsfrage handelt. Wir sind dabei auf den guten Willen aller Beteiligten angewiesen. Wir haben unsere guten Dienste angeboten. Ich glaube, der Erfolg der ersten Runde läßt hoffen, daß es hier keine Komplikationen geben wird. Die Unterlagen über das Ergebnis, die uns zur Verfügung stehen und die wir gern auch den Parlamentariern zur Verfügung stellen — es gibt ja inzwischen auch gedruckte Empfehlungen dazu —, sind eigentlich doch ein Beweis dafür, daß die Sache positiv verläuft. Ich gehe davon aus, daß die Schulbuchverlage beteiligt sind, ebenso die Lehrerverbände, so daß von dieser Seite her die notwendigen Korrekturen in den Schulbüchern angebracht werden, und auf diese kommt es doch schließlich an.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619625300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0619625400
Herr Staatssekretär, nachdem Sie die guten Dienste der Bundesregierung angeboten haben und dabei auch von dieser Kommission, die von diesen guten Diensten betroffen ist, auch polnische Schulbücher überprüft werden sollen, möchte ich fragen: Wie viele der beteiligten deutschen Wissenschaftler vermögen diese Schulbücher im Original zu lesen?

(Zuruf von der SPD: Kein Zusammenhang!)


Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0619625500
Herr Abgeordneter Dr. Czaja, ich kann diese Frage zweifellos nicht beantworten, weil ich keine Untersuchungen darüber angestellt habe. Aber die Namen der Wissenschaftler und der Beteiligten und auch die Möglichkeit, Geschriebenes zu lesen, die ja allen dort zur Verfügung steht, werden sicher dazu beitragen, daß diese Kommission einen genauen Einblick in den Inhalt polnischer Schulbücher bekommt. Ich zweifle nicht daran, daß die zuständige Kommission der UNESCO, der auch Kollegen dieses Hauses angehören, mit der Sorgfalt vorgeht, die sie bisher immer angewandt hat. Ich glaube nicht, daß irgendein



Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
Grund besteht, anzunehmen, daß die deutschen Mitglieder wie „tumbe Toren" an eine solche Aufgabe herangehen.

(Abg. Dr. Czaja: Aber Sprachkunde gehört dazu!)

— Diese Frage wäre bei Chinesisch eher akut als bei Polnisch.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619625600
Herr Staatssekretär, Sie brauchten darauf nicht zu antworten.
Ich komme zu der Frage 121 des Abgeordneten Dr. Hupka:
Welche Auskunft kann die Bundesregierung über die Gründe erteilen, warum die Zahl der Aussiedler aus den deutschen Ostgebieten jenseits von Oder und Neiße in den ersten fünf Monaten des Jahres 1972 im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Jahres 1971 um die Hälfte zurückgegangen ist, so daß bei gleichbleibender Durchschnittsziffer 1972 nur etwa 10 000 bis 12 000 Aussiedler zu uns kommen dürften, während es 1971 über 25 000 gewesen sind?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0619625700
Es trifft zu, daß die Zahl der Aussiedler in den ersten fünf Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen ist. Die Zahl für die ersten fünf Monate des Jahres 1971 lautet: 8252; die Zahl für die ersten fünf Monate dieses Jahres lautet: 5348. Die Gründe für den Rückgang der Zahl der Aussiedler sind der Bundesregierung nicht in allen Einzelheiten bekannt. Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen werden vor allem von lokalen polnischen Stellen den Aussiedlungswilligen Schwierigkeiten bei der Durchführung des Aussiedlungsverfahrens bereitet. Es gibt ferner Berichte, wonach in den oberschlesischen Woiwodschaften öffentliche Versammlungen durchgeführt werden, in denen den Teilnehmern der Eindruck vermittelt wird, die Umsiedlung sei im wesentlichen abgeschlossen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619625800
Eine Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0619625900
Herr Staatssekretär, ist dieser Rückgang der Zahl der Aussiedler vielleicht bereits darauf zurückzuführen, daß nur noch — ich zitiere jetzt den polnischen Außenminister Olszowski von seiner Pressekonferenz am 15. Juni 1972 in Wien — alle Fälle wirklicher Familienzusammenführung und alle berücksichtigenswerten Fälle geprüft werden und für eine Aussiedlung in Frage kommen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0619626000
Herr Abgeordneter, Sie wissen, daß wir mit der polnischen Seite Gespräche über diese Frage zu führen haben. Bevor diese Gespräche nicht geführt werden konnten, ist es mir nicht möglich, hier die Gründe darzulegen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619626100
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0619626200
Herr Staatssekretär, Sie haben sowohl am 12. November 1971 als auch am 17. Dezember 1971 gleichfalls auf laufende Gespräche verwiesen, ohne daß der Auswärtige Ausschuß, der Bundestag oder die Öffentlichkeit bisher etwas von diesen Gesprächen erfahren haben.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0619626300
Das ist eine Feststellung, der ich beipflichten muß.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619626400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ott.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0619626500
Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung Zahlen darüber bekannt, wie viele frühere deutsche Staatsbürger in Oberschlesien heute noch vorhanden sind und wie hoch die Zahl der gegenwärtig gestellten Anträge auf Familienzusammenführung ist?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0619626600
Uns ist eine Zahl von Anträgen bekannt, die beträchtlich ist. Wie weit die Anträge noch aufrechterhalten oder zurückgezogen worden sind, ist von unserer Seite schwer zu beantworten. Es ist mir erinnerlich das sage ich jetzt aus dem Gedächtnis —, daß kürzlich ein Vertreter des Roten Kreuzes von 280 000 Anträgen gesprochen hatte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619626700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0619626800
Warum haben Sie, Herr Staatssekretär, entgegen Ihrer Ankündigung hier im Hohen Hause vom 12. November 1971 bisher keine näheren Auskünfte über die Schikanen gegenüber den Aussiedlern der Offentlichkeit oder dem Ausschuß gegenüber, Schikanen, die Tausende Familien deutscher Staatsangehöriger betrafen, für die die Bundesrepublik Deutschland auch nach innen und außen eine im Rahmen des Völkerrechts zulässige Schutzpflicht hat, insbesondere über Schikanen wie Entlassung von der Arbeit, Ablehnung von Anträgen, zehn-, zwölf-, fünfzehnmal je Antrag, und öffentliche Diskriminierung dieser Personen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0619626900
Herr Abgeordneter, ohne auf den Inhalt der Frage im einzelnen einzugehen, muß ich Ihnen antworten: wenn im Auswärtigen Ausschuß ein Antrag von Ihnen gestellt worden wäre, diese Frage zu erörtern, hätte ich die Auskünfte selbstverständlich gegeben. Ich hatte das hier angeboten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619627000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pieroth.

Elmar Pieroth (CDU):
Rede ID: ID0619627100
Herr Staatssekretär, befürchten Sie nicht, daß der Rückgang der Zahl der Aussiedler vielleicht auch darauf zurückzuführen ist, daß in der Information der polnischen Regierung schließlich nur von einigen zehntausend möglichen Fällen der Aussiedlung gesprochen worden war und daß diese Zahl mit 25 000 bis 35 000 Aussiedlern nach polnischer Sicht erreicht sein könnte?




Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0619627200
Herr Abgeordneter, es gibt eine Reihe von Vermutungen. Ich glaube, daß es der Sache dienlicher ist, wenn wir, ehe sich die Bundesregierung zu den möglichen Gründen äußert, den Versuch fortsetzen, mit der polnischen Seite hierüber ein politisches Gespräch zu haben. Sie dürfen sicher sein, daß dieser Versuch von unserer Seite gemacht worden ist und weiter gemacht werden wird. Ich darf nur daran erinnern, daß die eigentlichen Beziehungen mit Polen jetzt erst beginnen. Ich hoffe, daß dieser Umstand solche Gespräche erleichtert. Wenn eine Seite ein Interesse daran hat, eine Sache nicht zu beschleunigen, spielen formale Gründe oft eine sehr wichtige Rolle.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619627300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Freiherr von Fircks.

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0619627400
Herr Staatssekretär, besteht bei Ihnen die Hoffnung, daß, abgesehen von den zentralen Gesprächen, es dem Deutschen Roten Kreuz möglich sein wird, zum Teil auch örtlich von denjenigen ihre Anliegen vorgetragen zu bekommen, die aussiedeln wollen und die Genehmigung nicht bekommen? Ist das im Rahmen der Schutzpflicht der Bundesregierung für die deutschen Staatsangehörigen nicht zu erreichen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0619627500
Herr Abgeordneter, zunächst möchte ich einmal grundsätzlich feststellen, daß diese Bundesregierung das getan hat, was überhaupt nur denkbar war, um den betroffenen Menschen zu helfen. Es muß als ein großer Fortschritt betrachtet werden, daß diese Frage überhaupt noch einmal in dieser Form erörtert werden konnte, denn Ihnen, Herr von Fircks, sind der polnische Standpunkt und die polnischen Begründungen aus der Vergangenheit sicherlich sehr wohl bekannt. Das Rote Kreuz hat sich in vielen Einzelfällen mit großem Erfolg bemüht. Ich kann nur hoffen, daß wir durch eine allgemeine Verbesserung der Beziehungen auch ingsesamt eine bessere Position erhalten werden. Je mehr in diesem Hause dazu beigetragen wird, daß diese Beziehungen besser werden, desto eher ist es möglich, zusammen mit der polnischen Seite Ergebnisse zu erzielen, die unseren Interessen entsprechen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist eine These!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619627600
Ich rufe die Frage 122 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Hat sich die Bundesregierung in den jüngsten Gesprächen mit amtlichen polnischen Stellen Gewißheit darüber verschaffen können, daß die Aussiedlung der Deutschen aus den deutschen Ostgebieten jenseits von Oder und Neiße weder quantitativ noch zeitlich limitiert wird?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0619627700
Die polnische Regierung hat der Bundesregierung wiederholt versichert, daß sie die „Information" loyal erfüllen will. Ihnen liegt der Text der „Information" vor, aus dem sich ergibt, daß die Ausreisegenehmigung solchen Personen erteilt werden soll, die bestimmte Kriterien erfüllen, nämlich entweder Familienzusammenführung oder deutsche Volkszugehörigkeit. Eine zahlenmäßige oder zeitliche Limitierung der Umsiedlung, die Ausreisebewerber trotz Erfüllung der Kriterien von der Umsiedlung ausschließen würde, stünde in klarem Widerspruch zu diesen Zusagen.
Staatssekretär Frank hat bei dem aus Anlaß des Austausches der Ratifizierungsurkunden Anfang Juni in Bonn geführten Gespräch mit dem stellvertretenden polnischen Außenminister Czyrek darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung weiterhin von der zugesicherten loyalen Erfüllung der „Information" ausgehe und daß generell der notwendig einzuleitende Prozeß der Schaffung gegenseitigen Vertrauens zwischen Deutschen und Polen davon abhänge, daß beide Seiten gegebene Zusagen einhalten.
Dies ist die Auffassung der Bundesregierung. In diesem Sinne wird sie die mit der Umsiedlung verbundenen Fragen bei den in den kommenden Monaten vorgesehenen deutsch-polnischen Gesprächen weiterhin behandeln.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0619627800
Die Fragen 23 und 24 sind von dem Fragesteller zurückgezogen worden.
Wir stehen am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Die nicht erledigten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Meine Damen und Herren, wir haben nicht nur — wie üblich — ein arbeitsreiches Jahr, sondern auch besonders strapaziöse Wochen hinter uns. Ich wünsche Ihnen allen deshalb in besonderer Weise einen erholsamen und hoffentlich nicht unterbrochenen Urlaub.
Der Termin der nächsten Plenarsitzung wird noch bekanntgegeben werden. Voraussichtlich ist es Mittwoch, der 20. September 1972.
Die Sitzung ist geschlossen.