Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Ich teile zunächst mit, daß der Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften — Drucksache VI/2771 — gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen werden soll. Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen hat am 29. Oktober 1971 die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen betr. Körperschaftsteuer der Sparkassen und Kreditgenossenschaften — Drucksache VI/2662 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/2795 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen hal am 28. Oktober 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Riedl , Stücklen, Wagner (Günzburg), Spilker, Wohlrabe und Genossen betr. Besteuerung der Kreditgenossenschaften, Sparkassen und Realkreditinstitute — Drucksache VI/2693 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/2796 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen hat am 5. November 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Picard, Hussing, Stahlberg, Haase , Baier und Genossen betr. Einkommensteuer-, Lohnsteuerbefreiung für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge — Drucksache VI/2746 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/2799 verteilt.
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat gegen die nachfolgenden Verordnungen keine Bedenken erhoben:
Verordnung Nr. 1578/71 des Rates vom 19. Juli 1971 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 823/68 zur Festlegung der Erzeugnisgruppen und der besonderen Vorschriften für die Berechnung der Abschöpfungen für Milch und Milcherzeugnisse
Verordnung Nr. 1579/71 des Rates vom 20. Juli 1971 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Äpfel
Verordnung Nr. 1559,71 des Rates vorn 20. Juli 1971
zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung einer
Beihilfe für Baumwollsaat für das Wirtschaftsjahr 1971/1972
Verordnung Nr. 1556/71 des Rates vom 19. Juli 1971 über Sondermaßnahmen für das Brennen von Birnen und Pfirsichen, die Gegenstand von Interventionsmaßnahmen waren
Verordnung Nr. 1557/71 des Rates vom 19. Juli 1971 über Sondermaßnahmen für die Vergabe von Aufträgen zur Verarbeitung von Tomaten, Birnen und Pfirsichen, die Gegenstand von Interventionsmaßnahmen waren
Alsdann teile ich vor Eintritt in die Tagesordnung mit, daß mir gestern am späten Nachmittag ein
Antrag zur Tagesordnung dieser Woche zugegangen ist, der folgendermaßen lautet:
Namens der Fraktion der CDU/CSU beantrage ich gemäß § 24 Abs. 2 der Geschäftsordnung, in die Tagesordnung dieser Woche folgenden Punkt neu aufzunehmen: Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. mittelständische Wirtschaft ; die Beratung soll am Donnerstag, dem 11. November 1971, erfolgen.
Zur Begründung dieses geschäftsordnungsmäßigen Antrages Herr Abgeordneter Wagner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat gestern fristgerecht den Antrag eingebracht, die Große Anfrage betreffend mittelständische Wirtschaft neu auf die Tagesordnung dieser Woche zu setzen.Diese Große Anfrage wurde von uns am 7. April 1971 eingebracht, d. h. so rechtzeitig, daß Konsequenzen aus dieser Anfrage noch in dieser Legislaturperiode gezogen werden können. Die Bundesregierung hat daraufhin zweimal um Fristverlängerung gebeten, ehe sie die Anfrage kurz vor der Sommerpause schriftlich beantwortet hat. Deshalb konnte eine der Sache gerecht werdende Beratung erst nach den Parlamentsferien erfolgen. Eine Beratung einer so wichtigen mittelstandspolitischen Vorlage gleichsam zwischen Tür und Angel, also kurz vor der Sommerpause, war nicht zumutbar. Davon sind wir immer ausgegangen.Wir waren auch der Auffassung, daß die Beratung dieser Großen Anfrage in Anwesenheit des Bundeswirtschaftsministers erfolgen sollte. Doch Minister Schiller konnte seither keinen Termin für die parlamentarische Behandlung nennen.
Erst war er nicht in Bonn, dann kam die Beratung des Haushalts, und dann war der Minister erneut verhindert. Ich meine, dieses Beispiel zeigt, wie wenig sinnvoll es ist, die beiden großen Ministerien Finanzen und Wirtschaft in einer Hand zu halten.
— Nein, Herr Wehner, die Geschäftsverteilung, dieHerr Strauß vorgeschlagen hat, hatte einen ganz
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8586 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Wagner
anderen Charakter. — Meine Damen und Herren,wir empfehlen der Bundesregierung erneut, die Geschäftsverteilung in diesem Bereich zu überprüfen.Es ist das Recht der Opposition, von der Regierung zu verlangen, daß sie vier Monate nach der schriftlichen Beantwortung — die auch nur formal eine Antwort war — zur mündlichen Aussprache bereit ist. Wir sind damit einverstanden, daß diese Beratung in dieser Woche in Abwesenheit des Bundeswirtschaftsministers erfolgt. Die Sache, so meine ich, verträgt nämlich angesichts der bedrohlichen Kostenexplosion und der nie gekannten Gewinnkompression, d. h. angesichts der existenzgefährdenden Substanzverluste in der mittelständischen Wirtschaft keinen längeren Aufschub. In der Debatte will die CDU/CSU-Fraktion neben einer nüchternen Situationsanalyse jene Maßnahmen beraten, die jetzt ergriffen werden müssen, um auch für die mittelständische Wirtschaft gleiche Chancen im Wettbewerb sicherzustellen.Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Lenders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Koalitionsfraktionen bitte ich Sie, diesen Antrag, der hier gestellt worden ist, nämlich die Drucksache VI/2284 und die Antwort der Bundesregierung dazu noch in dieser Woche zu behandeln, abzulehnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben bereits bei den Vorüberlegungen zur Tagesordnung dieser Woche darum gebeten, diese Debatte in dieser Woche nicht durchzuführen, und zwar deshalb nicht, weil sie nicht in unsere, d. h. in die zeitlichen Dispositionen der Koalitionsfraktionen dieser Woche hineinpaßt.
Wir haben deshalb darum gebeten, weil in dieser Woche nicht alle Kolleginnen und Kollegen, die von unserer Seite an dieser Debatte beteiligt wären, anwesend sein können.
Nichts anderes ist der Grund für unsere Bitte, die Debatte in dieser Woche nicht auf die Tagesordnung zu setzen.
Meine Damen und Herren, wir haben bei der Vorbereitung der Tagesordnung deutlich gemacht — ich wiederhole das jetzt — und wir werden Ihnen das morgen im Ältestenrat noch einmal sagen, daß diese Debatte in den nächsten drei Sitzungswochen stattfinden kann. Das ist unser eindeutiges Angebot, das wir bereits in der Ältestenratssitzung gemacht haben. Wenn uns andere Motive unterstellt werden, muß ich das eindeutig zurückweisen.
Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß die Debatte, die Sie jetzt erzwingen wollen, vor der Sommerpause hätte stattfinden können, wenn es nach unseren Vorstellungen gegangen wäre.
S i e haben vor der Sommerpause den Antrag auf Vertagung und auf Verschiebung in den Herbst gestellt und nicht wir. Vor der Sommerpause stand auch ausreichend Zeit zur Verfügung, diese Debatte durchzuführen.
Ich bitte Sie deshalb noch einmal, den Antrag abzulehnen. Der Grund, weshalb wir ihn ablehnen, ist ein ganz nüchterner, sachlicher Grund, den man eigentlich auch von seiten der Opposition respektieren sollte: die Kolleginnen und Kollegen, die von unserer Seite an dieser Debatte beteiligt sein werden, können in dieser Woche nicht voll zur Verfügung stehen. Ich glaube, daß man eine solche Einlassung respektieren sollte. Der Antrag der CDU/CSU wird deshalb von uns abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, den ich soeben verlesen habe. Die Sache ist bekannt. Wer für den Antrag auf Erweiterung der Tagesordnung stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Betriebsverfassungsgesetzes— Drucksachen VI/1786, zu VI/ 1786 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
Drucksachen VI/2729, zu VI/2729 Berichterstatter: Abgeordneter Buschfort Abgeordneter Schmidt
Abgeordneter Zink
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Betrieb und Unternehmen— Drucksache VI/1806 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ar-beit und Sozialordnung
— Drucksachen VI/2729, zu VI/2729 —Berichterstatter: Abgeordneter BuschfortAbgeordneter Schmidt
Abgeordneter Zink
Ich darf den Herren Berichterstattern für die Vorlage der Schriftlichen Berichte danken und erteile
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8587
Präsident von Hasseldem Berichterstatter Herrn Abgeordneten Buschfort des Wort zur Ergänzung der schriftlichen Vorlage.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 11. Februar 1971 hat der Bundestag nach erster Lesung die Gesetzentwürfe von Regierung und Opposition zu einem neuen Betriebsverfassungsgesetz an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend —und an den Ausschuß für Wirtschaft und an den Rechtsausschuß — mitberatend — überwiesen.
Als Berichterstatter des Ausschusses für die §§ 1 bis 59 habe ich heute Rechenschaft über ein Dreivierteljahr intensiver Ausschußarbeit an diesen Entwürfen abzulegen. In Anbetracht der Bedeutung dieses Gesetzes für Arbeitnehmer und Arbeitgeber und der unterschiedlichen Auffassungen zu wesentlichen Paragraphen des Gesetzes sah sich der Ausschuß veranlaßt, die vorliegenden Entwürfe der Regierung und der Opposition zunächst einmal zur öffentlichen Diskussion zu stellen. Insbesondere dem Meinungsaustausch mit den betroffenen Interessengruppen gab der Ausschuß breiten Raum. Bei vier öffentlichen Anhörungen konnten 137 Sachverständige aus allen Bereichen des Arbeits- und Wirtschaftslebens ihre Meiungen zu den Entwürfen vortragen und Ergänzungs- oder Abänderungsvorschläge machen.
Um die besonderen Probleme zu studieren, die sich aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht bei der Seeschiffahrt ergeben, unternahm ein eigens hierzu gebildeter Unterausschuß eine Informationsreise, auf der mit Seeleuten, Reedern, Behörden und Gewerkschaften Gespräche geführt wurden. Über die Fragen der Sonderregelungen für Presseunternehmen ini Betriebsverfassungsgesetz diskutierte der Unterausschuß in Hamburg mit dem Gesamtbetriebsrat und der Unternehmensleitung eines großen deutschen Pressekonzerns. Zu den Problemen dieser beiden Sonderbereiche des Betriebsverfassungsgesetzes wird der Herr Kollege Zink nachher eingehend berichten.
Seit Februar dieses Jahres hat der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung in 23, zum Teil ganztägigen Sitzungen auch während der sitzungsfreien Wochen die beiden Gesetzesvorlagen beraten. Nach einem Beschluß der Ausschußmehrheit wurde der Regierungsentwurf als Grundlage für die Beratungen herangezogen. In diesem Rahmen wurden beide Vorlagen Vorschrift für Vorschrift durchdiskutiert und die verschiedenen Lösungsvorschläge zu den anstehenden Problemen gegeneinander abgewogen. Im Laufe der Beratungen konnten viele Einzelvorschriften, die lange Zeit zwischen Koalition und Opposition strittig waren, nach Neuformulierung einstimmig verabschiedet werden.
Darf ich einen Augenblick unterbrechen. — Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, Besprechungen in den hinteren Teil des Saales zu verlegen oder hinauszugehen. Die
Unruhe stört den Vortragenden sehr. Ich darf Sie deshalb bitten, so zu verfahren.
Bitte schön!
Die CDU/CSU-Mitglieder des Ausschusses haben jedoch an der Schlußabstimmung nicht teilgenommen. Sie begründeten dies damit, daß die vorgelegte Ausschußfassung zuerst in ihrer Fraktion beraten werden müsse.
Der Ausschuß hat in seinen Beratungen dem Gesetz eine Fassung gegeben, die materiell und formell am Regierungsentwurf orientiert ist, jedoch auch eine Reihe von Änderungen enthält, zu denen der CDU/CSU-Entwurf Anregungen gegeben hat oder die zwischen den Koalitionspartnern abgesprochen wurden, auf Vorschläge der Gewerkschaften oder der Arbeitgeberverbände zurückgehen oder auch bei der Diskussion aus der Mitte des Ausschusses beantragt wurden. Diese vielfältigen Quellen für Abänderungen sind der deutliche Beweis dafür, daß sich der Ausschuß seine Arbeit nicht leicht gemacht hat.Wir haben die Verhandlungen zwischen den Fraktionen und die Gespräche mit den Interessenvertretungen mit dem ehrlichen Bemühen geführt, alle Probleme bestmöglich zu regeln. Dies werden sicher auch die Kollegen Schmidt und Zink bestätigen können, die nach mir noch ihren Bericht erstatten werden.Der Ausschuß hat sich angesichts der Bedeutung und des Umfanges des vorliegenden Gesetzes zu dieser Dreiteilung der Berichterstattung entschlossen, wobei mir die Aufgabe zugefallen ist, die Neuerungen im Bereich der §§ 1 bis 59 darzulegen. Zur Ergänzung und Verdeutlichung des Schriftlichen Berichts, der Ihnen vorliegt, möchte ich noch zu einigen Schwerpunkten des neuen Betriebsverfassungsrechts Anmerkungen machen, insbesondere zu solchen Paragraphen, bei denen die Ausschußberatungen gegenüber dem Regierungsentwurf Änderungen erbracht haben.Da ist zunächst § 2 Abs. 3 — Zutrittsrecht der Gewerkschaften zum Betrieb. Hier war die ursprüngliche Formulierung des Regierungsentwurfs, die Gewerkschaften könnten den Betrieb „im Benehmen mit dem Arbeitgeber" betreten, auf starke Kritik gestoßen. Die Gewerkschaften sprachen die Befürchtung aus, bei einer arbeitnehmerfeindlichen Auslegung könnte diese Vorschrift zu einer Einschränkung des freien Zutritts zu den Betrieben benützt werden.Der Ausschuß hat diesen Bedenken Rechnung getragen und nunmehr vorgeschlagen, daß die Gewerkschaften den Arbeitgeber von ihrer Absicht, den Betrieb zu betreten, vorher „zu unterrichten" haben. Diese Formulierung stellt klar, daß der Arbeitgeber nur den formellen Anspruch auf Unterrichtung hat und den Zugang der Gewerkschaften in keiner Weise behindern kann, sofern nicht einer der in § 2 Abs. 3 aufgezählten, eng umgrenzten Versagungsgründe vorliegt.
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BuschfortUm zu garantieren, daß bei Abwesenheit des Arbeitgebers das formelle Erfordernis der Unterrichtung ohne Schwierigkeiten erfüllt werden kann, genügt es nach dem Neufassungsvorschlag auch, wenn der Vertreter des Arbeitgebers entsprechend informiert wird.Der § 2 wurde bei Gegenstimmen der CDU/CSU angenommen.Zu § 5 Abs. 3 — leitende Angestellte. Als besonders schwieriger Punkt erwies sich im Zuge der Ausschußberatungen die Abgrenzung der „leitenden Angestellten". Da leitende Angestellte nach dem geltenden Recht und nach dem Regierungsentwurf nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gelten und somit aus dem Wirkungsbereich des Betriebsverfassungsrechts ausgeschlossen sind, ist die Definition des leitenden Angestellten von einschneidender Bedeutung.Nach eingehender Abwägung der bisherigen Regelung und der entsprechenden Regelungen in den Entwürfen von Regierung und Opposition beschloß der Ausschuß, eine an objektiven Kriterien orientierte Änderung des geltenden Rechts zu empfehlen. So wurde aus der Definition des alten § 4 Abs. 2 c das Merkmal „besonderes persönliches Vertrauen des Arbeitgebers" herausgenommen und durch das Erfordernis ersetzt, die leitende Funktion müsse sich aus der Dienststellung und dem Dienstvertrag ergeben. Diese Regelung hat nach Ansicht des Ausschusses den großen Vorzug, daß sie sich einerseits auf Definitionen stützt, die durch langjährige Rechtsprechung geklärt sind, und daß sie andererseits den Unsicherheitsfaktor der subjektiven Merkmale ausschaltet und durch objektive, leichter feststellbare Voraussetzungen ersetzt.Die CDU/CSU schlug in ihrem Entwurf vor, für die leitenden Angestellten eine Sondervertretung in Form eines Sprecherausschusses zu bilden. Dieser Sprecherausschuß sollte Rechte auf Unterrichtung, auf Erörterung bestimmter Fragen mit dem Arbeitgeber und auf Abschluß von kollektiven Vereinbarungen erhalten.Die Ausschußmehrheit lehnte diesen Vorschlag ab, weil sie es für verfrüht hielt, eine so weitreichende Entscheidung über die Einführung einer dritten Kraft neben Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu treffen. Die Ausschußmehrheit hält es für erforderlich, die weitere Entwicklung abzuwarten.Zu § 8— Wählbarkeit. Der Regierungsentwurf sah vor, das passive Wahlrecht an die Volljährigkeit zu binden. Da die jungen Arbeitnehmer aber im heutigen Wirtschaftsleben in Leistung und Verantwortungsbewußtsein ihren älteren Kollegen nicht nachstehen, wollte der Ausschuß sie nicht auf die zu erwartende Vorverlegung des Volljährigkeitsalters verweisen, sondern setzte einstimmig, wie es auch der Entwurf der CDU/CSU vorsah, das passive Wahlalter auf 18 Jahre herab.An dem Vorschlag des Regierungsentwurfs, ausländischen Arbeitnehmern generell neben dem aktiven auch das passive Wahlrecht unter den gleichen Bedingungen wie den deutschen Arbeitnehmern zuzugestehen, hielt der Ausschuß fest. Die bisherigeBeschränkung des Wahlrechts auf deutsche Arbeitnehmer und ihre Kollegen aus der EWG war ungerecht und dazu geeignet, bei den Arbeitnehmern aus Nicht-EWG-Ländern das Gefühl aufkommen zu lassen, sie würden diskriminiert.Die CDU/CSU hatte in ihrem Entwurf vorgesehen, das passive Wahlrecht für Nicht-EWG-Arbeitnelimer von der Zustimmung der Arbeitnehmer im Betrieb und von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig zu machen. Im Zuge der Beratungen ist sie von dieser Vorstellung jedoch abgerückt und hat sich der Meinung der Ausschußmehrheit angeschlossen.Zur Zahl der Betriebsratsmitglieder. Bei der Festlegung der Zahl der Betriebsratsmitglieder hat der Ausschuß den Regierungsentwurf in doppelter Hinsicht geändert. Für mittlere und größere Unternehmen wurde unter besonderer Beachtung der Sachverständigenanhörung die jeweilige Zahl der Betriebsratsmandate herabgesetzt. Für den Bereich der Großbetriebe soll die absolute Höchstzahl von Mandaten abgeschafft werden. Nach Überschreiten einer Belegschaftszahl von 9000 Arbeitnehmern wird je 3000 weitere Arbeitnehmer die Zahl der Mandate um jeweils zwei erhöht. Damit ist gewährleistet, daß in einer Zeit der zunehmenden wirtschaftlichen Konzentration gerade in den Großbetrieben die Arbeitnehmer ausreichend betreut werden können.Die CDU/CSU schlug in ihrem Entwurf eine absolute Höchstzahl von 43 Betriebsratsmandaten vor, die bei einer Belegschaft von 25 000 Arbeitnehmern erreicht werden sollte. Die Ausschußmehrheit vertrat dagegen den Standpunkt, daß angesichts der Tatsache, daß es bereits Betriebe mit 50 000 und mehr Arbeitnehmern gibt, diese Regelung nicht akzeptiert werden kann.Zu den §§ 37, 38 — Freistellungen. Eine umfassende Neuregelung war nach übereinstimmender Meinung der Ausschußmitglieder auch bei den Freistellungen der Betriebsratsmitglieder notwendig. In der Vergangenheit war der Umfang der Freistellungen von Betriebsratsmitgliedern in das Ermessen der Arbeitsgerichte gestellt. Das führte zu den unterschiedlichsten Regelungen. Um Klarheit zu schaffen, hat sich der Ausschuß entschieden, in einer Katalogstaffelung Mindestfreistellungen festzuschreiben. Daraus, daß der Ausschuß für Betriebe mit weniger als 300 Arbeitnehmern keine Zahlen festlegt, ist nicht zu schließen, daß in diesen keine Freistellungen oder Teilfreistellungen möglich sind. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß nach der allgemeinen Vorschrift des § 37 Abs. 2 Mitglieder des Betriebsrats ohnehin von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien sind, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.Man war sich darüber einig, daß den Betriebsratsmitgliedern Möglichkeiten zu verstärkter Aus- und Weiterbildung gewährt werden müssen und daß dieser Personenkreis noch stärker als bisher
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Buschfortgegen berufliche Nachteile zu schützen ist. Gegenüber dem Regierungsentwurf wird ergänzend zum generellen Anspruch der Betriebsratsmitglieder und Jugendsprecher auf drei Wochen bezahlten Bildungsurlaub in der Wahlperiode nach einem Vorschlag der CDU/CSU für erstmals als Betriebsratsmitglieder bzw. Jugendsprecher tätige Arbeitnehmer ein vierwöchiger bezahlter Bildungsurlaub eingeführt.Im Rahmen seiner Bestrebungen, Betriebsratsmitglieder vor beruflichen Nachteilen zu schützen, hat der Ausschuß die Schutzbestimmungen des § 37 Abs. 4 und des § 38 Abs. 3 und 4 noch weiter verstärkt.§§ 42 und 43 — Betriebs- und Abteilungsversammlungen. Bei diesen Paragraphen, die sich mit der Regelung der Betriebs- und Abteilungsversammlungen befassen, hat der Ausschuß gegenüber dem Regierungsentwurf einige Änderungen und Ergänzungen vorgenommen. So wurde die Abhaltung von Abteilungsversammlungen dem Ermessen des Betriebsrats unterstellt, um den jeweiligen Verhältnissen in den einzelnen Betrieben gerecht zu werden. Eine wertvolle Ergänzung stellt die Verpflichtung des Arbeitgebers dar, in jedem Kalenderjahr mindestens einmal auf einer Betriebsversammlung über das Personal- und Sozialwesen des Betriebs sowie über die wirtschaftliche Lage und die Entwicklung des Betriebs zu berichten. Inhaltlich sollen künftig Fragen, die den Betrieb unmittelbar berühren, insbesondere solche tarifpolitischer, sozialpolitischer und wirtschaftlicher Art, behandelt werden können.§ 47 — Gesamtbetriebsrat. Die Vorschriften über die Errichtung von Gesamtbetriebsräten hat der Ausschuß in den wesentlichen Punkten aus dem Regierungsentwurf übernommen. Der CDU/CSU-Entwurf sah vor, daß ein Gesamtbetriebsrat nur auf Antrag eines Betriebsrats oder des Unternehmers gebildet wird. Diesen Vorschlag lehnte die Ausschußmehrheit jedoch ab, weil sie es für unerläßlich hält, daß bei Unternehmen mit zentraler Verwaltung eine zentrale Vertretung der Arbeitnehmer besteht, die in bestimmten Fragen alle Betriebe des Unternehmers repräsentiert.Ein interfraktioneller Antrag, die Zahl der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats nicht festzuschreiben, wurde dagegen angenommen. Es wird danach zulässig sein, daß durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung eine andere Zahl von Mandaten festgelegt wird.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen deutlich gemacht zu haben, wie sachdienlich und konstruktiv die Beratungen im Ausschuß verlaufen sind und welche wesentlichen Neuerungen die Ausschußfassung im Bereich der §§ 1 bis 59 gegenüber den Entwürfen erhalten hat.Zu erwähnen ist sicher auch noch, daß der Ausschuß von den §§ 1 bis 59 54 Paragraphen einstimmig verabschiedete. Nur viermal haben die Vertreter der Opposition gegen eine Vorschrift gestimmt, und in einem Fall haben sie sich der Stimme enthalten. Weitere Einzelheiten können Sie dem umfangreichen, 180 Schreibmaschinenseiten umfassenden Schriftlichen Bericht Drucksache VI/2729 entnehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat der Mitberichterstatter, Herr Abgeordneter Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Berichterstatter für die §§ 60 bis 91 darf ich ebenfalls einige ergänzende Bemerkungen zum Schriftlichen Bericht machen, vor allen Dingen auch deshalb, weil in diesem Bereich eine Reihe von Schwerpunkten der Novelle liegen, die in der Diskussion in der Öffentlichkeit zum Teil so verzerrt worden sind, daß es, glaube ich, richtig ist, die Mehrheitsmeinungen des Ausschusses, die in sehr vielen Fällen einstimmige Meinungen waren, hier vor der Debatte und der Verabschiedung noch einmal klarzustellen.Es geht in diesem Bereich zwischen den §§ 60 und 91 um fünf Schwerpunkte. Es sind erstens die Neueinführung der Jugendvertretung, zweitens die Neueinführung einer Verankerung der Rechte des einzelnen Arbeitnehmers im Betrieb, drittens der Bereich der Zusammenarbeit von Betriebsrat und Arbeitgeber — einer der wichtigsten Punkte des Gesetzes überhaupt —, viertens der Bereich der sozialen Mitbestimmung, fünftens die gerade in der Diskussion sehr häufig unterschiedlich dargestellte Einigungsstelle. Lassen Sie mich zu diesen fünf Punkten einige grundsätzliche Bemerkungen aus der Ausschußarbeit machen, ohne daß ich auf einzelne Paragraphen — auch aus Zeitgründen — ausführlich eingehen will.Zunächst zu den beiden neuen Punkten im Gesetz, zur Jugendvertretung und zu den Rechten des einzelnen Arbeitnehmers. In dem bisher geltenden Recht ist die Jugendvertretung in einem zentralen Sinne überhaupt nicht angesprochen, sondern nur am Rande sind mehrere Male die jugendlichen Arbeitnehmer erwähnt. Der Regierungsentwurf sah bereits eine enge Verankerung, eine Zusammenfassung der für die Jugendvertretung notwendigen Maßnahmen vor. Nunmehr liegt hier in 14 Paragraphen eine genaue parallele Aufstellung zum Betriebsrat für die Jugendvertretung, für ihre Wahl und für ihre Aufgaben vor. Die Jugendvertretung erhält eigene Sitzungen, eigene Stimmrechte im Betriebsrat in Fragen, die jugendliche Arbeitnehmer angehen, und sie erhält Sprechstundenmöglichkeiten, so daß die jugendlichen Arbeitnehmer im Betrieb bei der Annahme dieses Gesetzes nach der einstimmigen Meinung des Ausschusses eine wesentliche Aktivierung ihrer innerbetrieblichen Mitarbeit und Mitwirkung erhalten können.Der zweite neue Punkt im vorliegenden Entwurf, der ebenfalls vom geltenden Recht weit abgeht und neue Zeichen setzt, ist die Verankerung der Rechte des einzelnen Arbeitnehmers im Betrieb. Auch das
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Schmidt
war im geltenden Recht nur sehr vage angesprochen. Hierzu lagen dem Ausschuß zwei unterschiedliche Auffassungen vor. Der Regierungsentwurf hatte klar gegliederte Feststellungen, wo die Rechte des einzelnen Arbeitnehmers, beispielsweise das Anhörrecht, das Unterrichtungsrecht oder das Beschwerderecht, verankert werden, wo sie im Gesetz und durch den Betrieb getragen werden, im Beschwerderecht bis zur endgültigen Entscheidung der Beschwerde. Der Antrag der CDU/CSU schlug einen Katalog von Grundrechten an der Spitze vor, der aber ohne Kodifizierung war, so daß sich der Ausschuß mit Mehrheit dazu entschloß, dem Vorschlag der Bundesregierung zu folgen und die klar gegliederte Rechtsdarstellung der Einzelrechte des Arbeitnehmers zu übernehmen.Von besonderer Bedeutung in der Debatte um dieses Gesetz war der Bereich der Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Ich glaube, es ist notwendig, hier einmal einige Dinge zu korrigieren, die in der Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang entstanden sind. Der vom Ausschuß vorgelegte Bericht zeigt, daß die Meinung der Mehrheit im Ausschuß eindeutig und klar die in § 74 angesprochene Friedenspflicht als eine verbindliche Verpflichtung für Arbeitgeber und Betriebsrat betrachtete. Beide haben den betrieblichen Frieden zu wahren. Damit entspricht die Zusammenarbeitsformel dieses Gesetzes dem geltenden Recht. Alle in der Öffentlichkeit entgegen dieser Mehrheitsmeinung und dieser Fassung des § 74 dargestellten Meinungen entsprechen nicht den Tatsachen.Von ganz besonderer Bedeutung war im Rahmen dieser Diskussion die Frage der politischen Betätigung. Sie wissen aus der ersten Lesung dieses Gesetzes im Bundestag, daß zunächst im Entwurf der Bundesregierung eine beschränkte Öffnung für politische Betätigung im Rahmen des Betriebsrates vorgesehen war und daß hier ein guter Wille bestand, den demokratischen Kräften, den Parteien die Möglichkeit zu geben, gegen radikale Kräfte in den Betrieben besser auftreten zu können.Im Rahmen der Beratungen — insbesondere auch nach dem sehr eingehenden und wohl in seiner Art erstmaligen Hearing; denn wir hatten bei diesem Hearing nicht nur Verbandsvertreter, sondern wir hatten in gleicher Zahl betroffene Betriebsräte, Personalleiter und dergleichen, die aus der eigenen Erfahrung berichten konnten — wurde deutlich, daß es zweckmäßiger ist, den bisherigen Weg des Gesetzes weiter zu verfolgen. So entschloß sich der Ausschuß, die Frage der politischen Betätigung entsprechend dem geltenden Recht zu regeln, d. h. die parteipolitische Betätigung für den Betriebsrat auch weiterhin zu verbieten, und zwar mit einer Ausnahme, die der Ausschuß für richtig hielt, nämlich daß tarifpolitische, sozialpolitische und wirtschaftliche Fragen, die mit den Belangen des Betriebes und der Arbeitnehmer zusammenhängen, im Betriebsrat und ganz besonders in der Betriebsversammlung angesprochen werden können. Alle anderen parteipolitischen Fragen sind wieder aus dem Betrieb verbannt, wie es das geltende Recht vorsah.Der Dritte Abschnitt regelt die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten. Damit liegt Ihnen ein weiterer Bereich von erheblicher neuer Diktion vor. Das bisher geltende Recht hatte hier nur einen verhältnismäßig kleinen Katalog der Mitbestimmung, während jetzt — ich darf die Bereiche kurz aufzählen — nach § 87 die Arbeitszeit, die Urlaubsgrundsätze, die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, die Sozialeinrichtungen, die Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, die Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer Entgelte der sozialen Mitbestimmung unterliegen.Mit der Formulierung „vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren" sind nach der im Ausschuß gefallenen Entscheidung nur generell vergleichbare Entgelte, nicht aber — worüber auch diskutiert wurde — Einzelentgelte oder Einzelvergütungen gemeint.Abschließend ein Wort zu dem wohl am heißesten umstrittenen und in der Öffentlichkeit des öfteren etwas einseitig dargestellten Punkt, dem Thema „Einigungsstelle". Das geltende Recht sieht die Einigungsstelle vor. Der Regierungsentwurf wie auch der CDU/CSU-Entwurf sahen sie in ihrer Gestaltung, Verfahrensweise und Zusammensetzung ebenfalls vor. Nachdem aber in beiden Entwürfen die Ausweitung der sozialen und personellen Mitbestimmung in bestimmten Bereichen angesprochen war, mußte natürlich die Frage der Einigungsstelle dahin gehend überprüft werden, ob ihre bisher und auch im Regierungsentwurf vorgesehene Verbindlichkeit nicht gegebenenfalls zu Schwierigkeiten führen könnte. Der Ausschuß hat sich einstimmig entschlossen, Ihnen eine Einschränkung bzw. Abgrenzung dieser Verbindlichkeit in der Weise zu empfehlen, daß die Einigungsstelle gezwungen ist, nach billigem Ermessen und im Rahmen der betrieblichen Notwendigkeiten ihre Entscheidung abzustimmen. Hält sie dieses billige Ermessen nicht ein, so hat der Arbeitgeber oder der Betriebsrat die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen durch Klage festzustellen, daß das billige Ermessen überschritten ist. Darüber hinaus wird — was zunächst im Entwurf nicht vorgesehen war — klargestellt, daß die Entscheidung der Einigungsstelle keinem der Beteiligten den nach anderen Vorschriften offenstehenden Rechtsweg versperrt.Mit dieser vom Ausschuß getragenen Fassung dürfte eindeutig allen in der Öffentlichkeit vertretenen Meinungen, es handle sich um eine Zwangsschlichtung, um eine Fremdbestimmung und dergleichen, eine Absage erteilt worden sein. Alle Fraktionen haben diese Form der Einigungsstelle und die soeben genannte Einschränkung für richtig und notwendig gehalten.
— Herr Kollege Ruf, im Augenblick spreche ich als Berichterstatter. Wir können uns zu späterer Zeit darüber unterhalten.
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Zu meinem Teil des Berichts darf ich noch sagen, daß es eine gute Sachdiskussion gegeben hat und bei den 32 Paragraphen weitgehend Übereinstimmung erzielt worden ist. Von diesen 32 Paragraphen sind 24 einstimmig angenommen worden, darunter fünf mit gemeinsamen Anträgen, wo sich die Standpunkte der Regierungsfraktionen und der Opposition angenähert haben. Bei fünf der 32 Paragraphen enthielt sich die Opposition der Stimme; nur bei drei Paragraphen gab es Gegenstimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und erteile dem Herrn Mitberichterstatter, dem Abgeordneten Zink das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Berichterstattung beschränkt sich auf die §§ 92 bis 132. Dazu gehören die Themen Personalwirtschaft und Berufsbildung, wirtschaftliche Angelegenheiten, Seeschifffahrt, Luftfahrt, Tendenzbetriebe und Religionsgemeinschaften sowie die Straf- und Bußgeldvorschriften, die Änderung von Gesetzen und die Übergangs- und Schlußvorschriften.Im einzelnen ist dazu schwerpunktmäßig folgendes zu berichten.Beide dem Ausschuß vorliegenden Entwürfe sahen eine Ausweitung der Beteiligung des Betriebsrates im personellen Bereich vor, und zwar sowohl bei generellen Maßnahmen, der Berufsausbildung, wie auch bei Einzelmaßnahmen. Abweichend vom geltenden Recht schreibt der Ausschußentwurf die Beteiligung des Betriebsrates bereits im Stadium der Personalplanung vor. Dazu kommen die Personalführungs- und -beurteilungsmaßnahmen sowie die Erstellung von Personalrichtlinien. Der Arbeitgeber ist gehalten, den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über die Personalplanung zu informieren. Der Betriebsrat seinerseits ist berechtigt, die Einführung einer Personalplanung anzuregen und Vorschläge zu ihrer Durchführung zu machen.Neu eingeführt wird auch das Recht des Betriebsrates, die Ausschreibung von Arbeitsplätzen im Betrieb zu verlangen. Der Antrag der CDU/CSU, diese Ausschreibung im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten und dafür auch für das Unternehmen vorzusehen, wurde von der Koalition abgelehnt. Sie sah darin eine Einschränkung.Gegen die Stimmen der Opposition wurde die Regelung des Regierungsentwurfs übernommen, die dem Betriebsrat ein erzwingbares Initiativrecht vor der Einigungsstelle für die Aufstellung von Grundsätzen über die bei Personalentscheidungen zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkten einräumt. Die Bedenken der Opposition, daß die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers auf die Einigungsstelle und damit auf Betriebsfremde verlagert würde, teilte die Koalition nicht.Bei den personellen Einzelmaßnahmen, d. h. bei Einstellungen, Eingruppierungen, Versetzungen undUmgruppierungen, hat der Ausschuß die Beteiligungsrechte des Betriebsrates erheblich erweitert. Das Recht des Betriebsrates, seine Zustimmung zu verweigern, ist dabei an einen Katalog von Verweigerungsgründen gebunden. Der Arbeitgeber darf in einem solchen Fall der Verweigerung durch den Betriebsrat die Maßnahmen nicht durchführen, sondern muß die Zustimmung des Betriebsrates durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen. Allerdings verkannte der Ausschuß nicht, daß in Ausnahmefällen der Arbeitgeber auch berechtigt sein muß, die personellen Maßnahmen trotz Widerspruchs des Betriebsrates durchzuführen, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. In einem solchen Fall muß er allerdings den Betriebsrat unverzüglich unterrichten.Bei der Kündigung sah der Regierungsentwurf über den Kündigungsschutz hinaus Widerspruchsgründe des Betriebsrates vor. Demgegenüber legte der CDU/CSU-Entwurf seinen Schwerpunkt auf Erhaltung des Arbeitsplatzes bei sozial ungerechtfertigten Kündigungen. Beide Vorstellungen wurden während der Ausschußberatungen zusammengefaßt. Lediglich die Umkehr der Beweislast vor dem Arbeitsgericht aus dem CDU/CSU-Entwurf fand keine Aufnahme.Zur Beteiligung des Betriebsrates in wirtschaftlichen Angelegenheiten kam der Ausschuß zu folgenden wichtigen Entscheidungen. An der Institution des Wirtschaftsausschusses halten beide Entwürfe fest. Die CDU/CSU wollte an dem paritätisch besetzten Gremium aus Gründen der Partnerschaft und der breiteren Information festhalten. Demgegenüber beschloß die Mehrheit der Koalition, daß die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses durch den Betriebsrat bestellt werden, weil dadurch mehr Wirtschaftsausschüsse entständen, das unmittelbare Interesse der Betriebsräte am Bestehen des Wirtschaftsausschusses werde dadurch vergrößert. Insgesamt gingen beide Entwürfe davon aus, daß das Informationsrecht des Wirtschaftsauschusses verbessert werden sollte, wie es auch im vorliegenden Entwurf vorgesehen ist. Seine Zuständigkeiten wurden entsprechend erweitert.Bei Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Arbeitnehmer zur Folge haben, sehen die Beschlüsse des Ausschusses über das geltende Recht hinausgehend abgestufte Mitwirkungsrechte und Mitbestimmungsrechte vor. Der Ausschuß hat die mitbestimmungsverhindernden Halbsätze in § 72 des geltenden Rechts entsprechend dem CDU/CSU-Entwurf gestrichen. Gleichzeitig hat der Ausschuß die im Regierungsentwurf aufgeführten abgestuften Beteiligungsrechte des Betriebsrates aufgegriffen und ebenso dem Betriebsrat ein umfassendes Informations- und Beratungsrecht im Stadium der Planung der unternehmerischen Entscheidung eingeräumt.Bedeutsam ist im Entwurf die Aufstellung eines Sozialplanes für den Fall, daß wirtschaftliche Entscheidungen sich zum Nachteil der Arbeitnehmer auswirken sollten. Dieser Sozialplan hat entsprechend dem Regierungsentwurf die unmittelbare und zwingende Wirkung einer Betriebsvereinba-
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Zinkrung. Für den Fall, daß die Einigungsstelle eingeschaltet wird, hat diese bei ihrer Entscheidung sowohl die sozialen Belange des Arbeitnehmers als auch die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das Unternehmen zu beachten. Die Möglichkeit einer Abweichung vom Sozialplan aus zwingenden Gründen entsprechend dem CDU/CSU-Entwurf wurde von der Mehrheit abgelehnt.Der Ausschuß hat gemäß dem Vorschlag eines Unterausschusses interfraktionell die Seeschiffahrt in das Betriebsverfassungsgesetz einbezogen. Tm Grundsatz folgte man dabei dem Regierungsentwurf. Die von dem Unterausschuß an Ort und Stelle gemachten Erfahrungen führten allerdings zu einigen Veränderungen im Regierungsentwurf. So wurde z. B. der Reedereibetriebsrat gestrichen, weil seine Aufgaben weitestgehend mit den Aufgaben des Gesamtbetriebsrates übereinstimmen.Was den Bereich der Luftfahrt angeht, so folgte der Ausschuß der Regierungsvorlage.In der Frage der Tendenzbetriebe gingen beide Entwürfe vom geltenden Recht aus. Im Verlauf der Beratungen und nach Anhörung von Sachverständigen kam der Ausschuß zu der gemeinsamen Auffassung, daß die Vorschrift über Tendenzbetriebe und -unternehmen einen Ausnahmetatbestand umschreibt. Der Tendenzschutz soll nur Platz greifen, wenn die Betriebe und Unternehmen unmittelbar und überwiegend jener Aufgabe dienen. Im Hinblick auf die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit hielt es der Ausschuß für geboten, im Gesetz aufzuführen, daß als Betriebe in diesem Zusammenhang solche Betriebe gelten, auf die Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Anwendung findet. Der Ausschuß war übereinstimmend der Meinung, daß der Betriebsrat bei der Entscheidung über Betriebsänderungen und damit auch bei der Aufstellung von Sozialplänen für die in Tendenzunternehmen und -betrieben beschäftigten Arbeitnehmer zu beteiligen ist.Im Gegensatz zum Regierungsentwurf enthält der CDU/CSU-Entwurf auch Vorschriften über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat von Kapitalgesellschaften. Dieser Teil wurde von der Regierungsmehrheit abgelehnt. Bis zur Neuregelung sollen nach Auffassung der Koalition die Bestimmungen der §§ 76 ff des geltenden Rechts in Kraft bleiben.Die Straf- und Bußgeldvorschriften, die Änderungen anderer Gesetze und die Schluß- und Übergangsbestimmungen sind im wesentlichen Folgerungen aus dem vorliegenden Ausschußentwurf. Festzuhalten ist lediglich, daß dieses Gesetz, falls es beschlossen wird, an dem Tag seiner Verkündung und nicht etwa bei der Neuwahl des Betriebsrates in Kraft tritt.Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich sagen, daß die Diskussion, wie es diesem Gesetz zukommt, in der Sache hart und umfassend geführt wurde, die Beratungen dabei aber immer in sachlicher Form verlaufen sind.
Meine Damen und Herren, Sie haben die drei mündlichen Ergänzungen seitens der Herren Berichterstatter gehört.
Ich eröffne nunmehr die allgemeine Aussprache in der zweiten Lesung. Das Wort hat der Abgeordnete Ruf. Für ihn sind 40 Minuten Redezeit beantragt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Kollege Zink hat soeben gesagt, daß die Beratungen im Ausschuß ruhig, sachlich und ohne Polemik verlaufen sind. Ich kann das nur bestätigen, Herr Kollege Schellenberg.
Ich würde es begrüßen, wenn die Beratungen in zweiter Lesung hier im Plenarsaal angesichts des Fernsehens, des Rundfunks und der Öffentlichkeit ebenso ruhig und sachlich vor sich gehen würden.
Meine Damen und Herren, wir haben in unserer Geschäftsordnung allerdings keine Bestimmung analog der im Betriebsverfassungsgesetz, die etwa besagt: Die Fraktionen haben vertrauensvoll zusammenzuarbeiten, ich hätte fast noch hinzugefügt: „im Zusammenwirken mit den im Bundestag vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen". Aber das will ich lieber weglassen.
Eine solche Bestimmung gibt es nicht. Hier im Bundestag müssen die Unterschiede klargestellt werden, müssen die Gegensätze offen auf den Tisch gelegt und ausgetragen werden. Das sind wir den Wählern schuldig. Trotzdem sollten wir, die Parteien, deutlich werden lassen, daß wir als Parteien — das ergibt sich aus dem Namen — eben nur Teile des Ganzen sind und daß wir die Aufgabe haben, als Teile dem Ganzen zu dienen.Der Schriftliche Bericht des Ausschusses zeigt, daß der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf in zwei Punkten ergänzt oder geändert worden ist. Die große Mehrzahl der vom Ausschuß vorgenommenen Änderungen bzw. Ergänzungen ist jedoch mehr oder weniger redaktioneller, klarstellender oder rechtstechnischer Natur. Das können Sie leicht selber feststellen. Die Änderungen von wirklich politischer und sachlicher Bedeutung sind relativ wenige.
— Leider wahr, Frau Kalinke. — Wir wollen nicht verkennen, daß wir, die CDU/CSU-Opposition, uns in einigen Punkten mit unseren Anregungen und Vorstellungen durchgesetzt haben. Wir erkennen das sogar mit Genugtuung an. Aber es wäre genauso verkehrt, wenn nunmehr gesagt würde, die Ausschußvorlage entspreche jetzt weitgehend den Vorschlägen und Vorstellungen des CDU/CSU-Entwurfs. Wer den Ausschußbericht oberflächlich liest, könnte allerdings diesen Eindruck gewinnen. Dies hängt wohl damit zusammen, daß der Regierungsentwurfwie auch der CDU/CSU-Entwurf — in zahlreichen
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RufPunkten das geltende Recht oft in vollem Wortlaut übernommen oder die bisherige Rechtsprechung entsprechend eingearbeitet hat. In wesentlichen Punkten ist unser Gesetzentwurf unberücksichtigt geblieben.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst einmal darstellen, welche Punkte nach unserer Auffassung positiv und einigermaßen befriedigend geregelt worden sind. Hier ist an erster Stelle die Wiedereinführung des Verbots der parteipolitischen Betätigung zu erwähnen. In § 74 Abs. 2 heißt es jetzt wörtlich: Arbeitgeber und Betriebsrat haben jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen. Das ist der Wortlaut des § 51 letzter Satz des geltenden Rechtes. Daß Arbeitgeber und Betriebsrat jede parteipolitische Betätigung zu unterlassen haben, bedeutet auch: sie dürfen jede parteipolitische Betätigung auch nicht dulden. In diesem Punkt hatten wir, die CDU/CSU-Opposition, ohne jeden Zweifel einen Erfolg. Ich erinnere nur daran, daß unser Fraktionsvorsitzender, Dr. Barzel, auf dem diesjährigen Wirtschaftstag der CDU erklärt hat: „Die CDU/CSU-Fraktion wird geschlossen, also Mann für Mann, alle Ergänzungen zur Parteipolitisierung der Betriebe bekämpfen". Das haben wir getan, innerhalb des Ausschusses, außerhalb des Ausschusses. Wir freuen uns über den Erfolg.Aber lassen Sie mich wie bei der ersten Lesung noch einmal daran erinnern, daß auch von uns natürlich niemand daran denkt, den Arbeitnehmern in den Betrieben etwa einen Maulkorb umzuhängen und jede politische oder parteipolitische Äußerung am Arbeitsplatz und im Betrieb von Mann zu Mann zu unterbinden. Was gemeint ist, das ist die parteipolitische Betätigung, d. h. die parteipolitische Agitation und Propaganda. Ich glaube, daß der Ausschuß mit der Wiederaufnahme des Verbots der parteipolitischen Betätigung nicht nur den Betrieben, dem Frieden in den Betrieben, sondern auch der Tätigkeit der Betriebsräte, gleichgültig, welcher Partei sie angehören, einen wichtigen Dienst getan hat. Wir wissen ja aus dem Hearing, das wir durchgeführt haben und an dem auch Betriebsräte teilgenommen haben, daß die Betriebsräte wiederum gleichgültig, welcher Partei sie angehören — uns erklärt haben, daß eine Parteipolitisierung ihre betriebsrätliche Tätigkeit stören und beeinträchtigen würde.
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang noch, daß die sogenannte Friedenspflicht des § 74 nicht mehr so aufgeweicht und relativiert ist, wie es im Regierungsentwurf ursprünglich vorgesehen war.Ein weiterer Punkt. Wir haben von Anfang an die im Regierungsentwurf vorgesehenen Mammutgremien der Betriebsvertretungen kritisiert, weil sie uns in dieser Größe schwerfällig und handlungsunfähig erschienen. Die jetzt vorgenommene Reduzierung der Betriebsratsgrößen entspricht in etwa auch unseren Vorschlägen, ebenso die Möglichkeit der Verkleinerung des Gesamtbetriebsrats, insbesondere die Möglichkeit, ihn auch durch Betriebsvereinbarung reduzieren zu können, so wie wir es beantragt haben.Die Bestimmungen über die Jugendvertretungen sind sehr stark entsprechend unseren Vorschlägen geändert worden. Wir freuen uns darüber; denn es muß uns ja allen sehr daran gelegen sein, daß die Belange der jugendlichen Arbeitnehmer ausreichend berücksichtigt werden und daß die jungen Arbeitnehmer möglichst frühzeitig in die Mitverantwortung rücken.Ferner haben wir festzustellen — Sie sehen, ich bemühe mich, die Dinge so objektiv wie möglich darzustellen —, daß die vom Ausschuß abgeänderten Bestimmungen über die Freistellung der Betriebsratsmitglieder, über die Teilnahme von Mitgliedern der verschiedenen Betriebsvertretungen an Bildungs- und Schulungsmaßnahmen, nunmehr weitgehend den Vorschlägen unseres Entwurfs entsprechen. Allerdings hatten wir die verbindliche Entscheidung der Einigungsstelle nicht vorgesehen, wenn sich Betriebsrat und Arbeitgeber über die Teilnehmer an solchen Bildungsveranstaltungen und über die freizustellenden Betriebsratsmitglieder nicht einigen können. Hier haben wir gemeint: Darüber sollen sie sich gefälligst selbst einigen; da sollen sie nicht die Hilfe eines Dritten hinzuziehen.Auf die Erweiterung der Schweige- und Geheimhaltungspflicht der Betriebsräte auch im Bereich der personellen Mitbestimmung sei nur hingewiesen.Die Änderungen von technischen Vorschriften sind ebenfalls nur zu vermerken, so z. B. — damit Sie sehen, welche Bedeutung sie haben — § 18 Abs. 3: Feststellung des Wahlergebnises durch den Wahlvorstand, § 34 Abs. 2 und 3: Bestimmungen über die Sitzungsniederschrift des Betriebsrates — alles sehr wichtige Dinge —, § 43 Abs. 2: Bericht über das Personal- und Sozialwesen — und einige andere Dinge mehr. Es ist z. B. ein Antrag von uns angenommen worden, das Wort „Personalwirtschaft" durch das Wort „Personalwesen" zu ersetzen — eine ganz wichtige Sache.Nun aber, meine Damen und Herren, zu dem, womit wir uns nach wie vor nicht einverstanden erklären können, wo wir uns nach wie vor gravierend unterscheiden. Ich will die einzelnen Punkte jetzt nicht ausführlich darstellen und begründen. Dies werden die Kollegen nachher tun, die die einzelnen Abänderungsanträge zu begründen haben. Ich will mich auf das Wichtigste beschränken.Zunächst ist hervorzuheben, daß wir die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb und Unternehmen in einem einheitlichen Gesetz geregelt wissen wollten, weil wir der Ansicht waren und nach wie vor der Ansicht sind, daß wegen des inneren Sachzusammenhangs die Mitbestimmungsregelungen auf Betriebs- und Unternehmensebene in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Der vorliegende Entwurf beschränkt sich auf die Betriebsverfassung und klammert die Unternehmensmitbestimmung aus. Das ist nach Meinung der CDU/CSU-Fraktion ein großer Fehler.Die Ausklammerung erfolgt, weil sich die Koalitionsfraktionen nicht einigen können. Die SPD will nach wie vor die paritätische Mitbestimmung in den Aufsichtsräten; die FDP behauptet stolz, die Parität
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Rufin dieser Legislaturperiode verhindert zu haben. Aber auf ihrem Parteitag in Freiburg ist vor kurzem ein Modell, das die Überparität vorsah, knapp untergegangen und ein Modell angenommen worden, das auf nichts anderes als auf die Parität hinausläuft. Auch hat die FDP entweder nicht bemerkt oder es bewußt zugelassen, daß mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ein Beschluß des SPD-Parteitags in Saarbrücken verwirklicht wird, wonach die SPD-Bundestagsfraktion beauftragt wurde, die Prinzipien der paritätischen Mitbestimmung noch in dieser Legislaturperiode so weit wie möglich zu verwirklichen.
Diese Prinzipien werden in der jetzigen Vorlage insofern verwirklicht, als die Zuständigkeit der paritätisch besetzten Einigungsstelle mit ihrem neutralen Vorsitzenden, die verbindlich entscheidet, gegenüber dem geltenden Recht extrem ausgeweitet wird. Wir werden darauf im einzelnen im Verlauf der Beratungen zur zweiten Lesung noch zurückkommen.
Zweitens. Wir konnten uns nicht durchsetzen mit unserer Forderung, daß ein ausführlicher Katalog von Rechten der einzelnen Arbeitnehmer am Arbeitsplatz und im Betrieb analog den Grundrechten des Grundgesetzes an den Anfang der Betriebsverfassung gesetzt wird.
Diese unsere Forderung war keine Marotte, keine Äußerlichkeit oder Belanglosigkeit, wie manche behaupten. Wir wollen und wollten damit zum Ausdruck bringen, welchen Rang wir diesen Individualrechten in der Betriebsverfassung geben.
Diese Rechte sind für uns von fundamentaler, d. h. grundlegender Bedeutung.
Professor Oswald von Nell-Breuning, den wir ja alle als einen eifrigen Verfechter der Mitbestimmung der Arbeitnehmer kennen, sagte in einem Aufsatz, Herr Kollege Nölling, den Sie in dem Sammelwerk „Wirtschaft und Gesellschaft", Band 1, finden können, zu diesen Individualrechten folgendes:Nicht die Mitbestimmung der Belegschaft als Kollektiv, sondern die Mitbestimmung jedes einzelnen Betriebsangehörigen je an seinem Arbeitsplatz ist das Entscheidende.
Es soll hier durchaus nichts gegen die Mitbestimmung der Belegschaft oder der Belegschaftsvertretungen noch auch gegen die Beteiligung der Gewerkschaften an dieser Mitbestimmung gesagt sein; es soll nur gesagt sein: Gleichviel was alles zugunsten eines die Alleinbestimmung des Betriebsinhabers oder Betriebsleiters einschränkenden Mitbestimmungsrechts der Belegschaftsvertretungen sprechen mag, von ungleich größerer Wichtigkeit ist die von der obersten Spitze der Betriebsleitung bis zum letzten und unbedeutendsten Arbeitsplatz herabsteigende Mitbestimmung, indem jeder an dem Platz, an dem er steht, so viel selbständige Entscheidungsbefugnis besitzt und Entscheidungsfreiheit genießt, wie nur mit dem geordneten Betriebsablauf eben zu vereinbaren ist, und so viel Verantwortung trägt, wie er ohne Überbürdung seiner körperlichen, geistigen und sittlichen Kräfte zu tragen imstande ist.
So weit nicht ich, so weit Pater Nell-Breuning. Ich wiederhole den wichtigsten Satz:Nicht die Mitbestimmung der Belegschaft als Kollektiv, sondern die Mitbestimmung jedes einzelnen Betriebsangehörigen je an seinem Arbeitsplatz ist das Entscheidende.Das muß durch das Gesetz zum Ausdruck kommen, und das muß das gesamte Betriebsverfassungswesen beherrschen.Als nächste Stufe der Mitbestimmung und Mitwirkung der Arbeitnehmer hatten wir vorgesehen, die Fragen der Arbeitsgruppen und Arbeitsgruppensprecher gesetzlich zu regeln. Unsere diesbezüglichen Anträge sind von der Mehrheit im Ausschuß abgelehnt worden. Ebenso sind die von uns vorgesehenen Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten abgelehnt worden. Abgelehnt worden ist unser Antrag, den Wirtschaftsausschuß zur Förderung der Partnerschaft wie bisher paritätisch zu besetzen. Außerdem sind unsere Anträge abgelehnt worden, den Minderheitenschutz, den Gruppenschutz nach unseren Vorstellungen zu erweitern, zur besseren Repräsentation von demokratischen Minderheiten. Ich brauche auf die Dinge jetzt im einzelnen nicht näher einzugehen; wir kommen bei der Begründung unserer Anträge darauf ausführlicher zurück.Aber lassen Sie mich noch — das sage ich jetzt auch zu den Kollegen in meiner Fraktion — ein Wort zur Stellung der Gewerkschaften in der Ausschußvorlage sagen. In § 2 Abs. 1 ist wie bisher in § 49 des Betriebsverfassungsgesetzes vom Zusammenwirken von Arbeitgeber und Betriebsrat mit den .im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen die Rede. Der im Regierungsentwurf genau wie im CDU/CSU-Entwurf enthaltene Abs. 2, wonach der Betriebsrat das Recht hat, seine Aufgaben in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und ihrer Unterstützung durchzuführen, ist von der Mehrheit des Ausschusses wieder gestrichen worden. Wir bedauern dies, denn gerade dadurch wären das „Zusammenwirken" nach Abs. 1 ausdrücklich interpretiert und die Unabhängigkeit und Neutralität des Betriebsrats unterstrichen worden. Der Betriebsrat hat nämlich nicht nur die organisierten, sondern auch die nichtorganisierten Arbeitnehmer, also die gesamte Belegschaft, zu vertreten.Nun scheint mir wichtig zu sein: an der rechtlichen Stellung des Betriebsrates zu den Gewerkschaften ändert sich — das will ich ausdrücklich sagen — gegenüber dem bisherigen Gesetz durch die Beschlösse des Ausschusses, soweit ich sehe, nichts.
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RufDas ist auch notwendig; denn der Betriebsrat darf weder von der Unternehmensleitung noch von den Gewerkschaften abhängig sein. Er ist ein autonomes Organ zur Vertretung aller Belegschaftsangehörigen. Ob sich dies allerdings, meine Damen und Herren, faktisch nach den neuen Vorschriften ändern wird, mag aus der Sicht von heute dahingestellt bleiben.Möge auch der neue § 74 Abs. 3, wonach Arbeitnehmer, die im Rahmen dieses Gesetzes Aufgaben übernehmen, hierdurch in der Betätigung für ihre Gewerkschaft auch im Betrieb nicht beschränkt werden, nichts daran ändern! Wir hätten nämlich gern gesehen, daß das, was in der Begründung des Gesetzentwurfs gesagt wird, auch im Gesetzestext zum Ausdruck kommt, daß nämlich die Rechte und Pflichten, die sich aus dem Amt des Betriebsrates ergeben, unberührt bleiben. Wir denken dabei an den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Neutralitätspflicht des Betriebsrates nach § 75 der Vorlage, der wiederum wörtlich mit dem § 51 des geltenden Betriebsverfassungsgesetzes übereinstimmt, wonach jede unterschiedliche Behandlung von Personen wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung — oder Einstellung! — zu unterbleiben hat. Ich darf darauf hinweisen; es heißt also nicht nur „gewerkschaftliche Betätigung", sondern auch „gewerkschaftliche Einstellung". Dazu gehört unter Umständen auch die Ablehnung einer Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft. Das muß im Interesse der negativen Koalitionsfreiheit und des individuellen Schutzes der Arbeitnehmer ausdrücklich gesagt werden.Dies ist besonders wichtig für den Bereich der personellen Mitbestimmung. Insbesondere bei personellen Maßnahmen, also bei Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen, Kündigungen, Versetzungen usw. dürfen die in § 75 erwähnten Unterschiede keine Rolle spielen. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluß des Zweiten Senats vom 26. Mai vorigen Jahres zur Neutralitätspflicht des Personalrates — das gleiche gilt natürlich auch für den Betriebsrat — folgendes ausgeführt — ich darf das kurze Zitat mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten bringen —:Die Beteiligung des Personalrates an den personellen und sozialen Angelegenheiten kann nur dann sinnvoll zur Gestaltung des Arbeitslebens beitragen, wenn der Personalrat— sprich: der Betriebsrat —gleichmäßig die Interessen aller Bediensteten vertritt und wenn das Vertrauen der Bediensteten in die Objektivität und Neutralität der Mitglieder des Personalrates nicht erschüttert wird.Ich glaube, man sollte dies besonders ernst nehmen, insbesondere von seiten der Koalitionsfraktionen, wenn man sich erfolgreich gegen den Vorwurf zur Wehr setzen will, der Koalitionsentwurf führe zum „closed shop".Im einzelnen sieht die Ausschußvorlage nachstehende erweiterte Rechte der Gewerkschaften vor:das Recht der Gewerkschaften, zur Wahl des Betriebsrates Wahlvorschläge zu machen, falls in einem Betrieb kein Betriebsrat besteht; das steht in unserem Gesetzentwurf nicht drin, auch nicht im geltenden Recht, aber es ist ja heute schon so, also nichts Neues;das Recht, beim Arbeitsgericht einen Wahlvorstand auch aus betriebsfremden Gewerkschaftsangehörigen zu beantragen; das haben wir nicht für gut befunden;das Recht, bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtung aus diesem Gesetz beim Arbeitsgericht Antrag auf Unterlassung zu stellen;das Recht, den Betriebsrat zu verpflichten, eine Betriebsversammlung einzuberufen, wenn im vorhergegangenen Kalenderhalbjahr keine Betriebsversammlung durchgeführt worden ist;schließlich ein eigenes Strafantragsrecht der Gewerkschaften nach § 120 Abs. 5.Zusammenfassend zu diesem Kapitel ist festzustellen, daß die Gewerkschaften in all diesen Fällen, auch in den zuletzt genannten Fällen, wenigstens formell außerhalb des Betriebes und nur zur Unterstützung des Betriebsrates tätig bleiben. Wir hatten gegen das selbständige Klagerecht der Gewerkschaften gemäß § 23 und § 120 unsere Bedenken vorgebracht und ebenfalls gegen den Wahlvorstand aus Betriebsfremden unsere Einwendungen geltend gemacht, konnten uns aber im Ausschuß nicht durchsetzen.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun zum letzten und wichtigsten Einwand kommen, den wir von unserer Seite aus gegen die Ausschußvorlage zu machen haben. Wir haben bei der Einbringung unseres Gesetzentwurfs erklärt, daß wir mehr Mitbestimmung der einzelnen Arbeitnehmer und ihrer Vertretungen wollen. Wir sind nach wie vor der festen Überzeugung, daß unser Gesetzentwurf in der Tat mehr Mitbestimmung als die nunmehr von der Mehrheit des Ausschusses beschlossene Vorlage bringen würde. Wir sprachen aber bei der ersten Lesung und nicht nur dort von der funktionsgerechten Mitbestimmung. Es ist der Gedanke der sachgerechten Verteilung der unterschiedlichen Funktionen im Betrieb und im Unternehmen. Es ist das alte „suum cuique", jedem das Seine, je nach der ihm auferlegten Verantwortung und, wenn Sie so wollen, je nach der ihm auferlegten Funktion. Funktionsgerechte Mitbestimmung bedeutet für uns, daß die unterschiedlichen Aufgaben und Funktionen in Betrieb und Unternehmen nicht miteinander vermischt werden dürfen.
Wir sind — das darf ich wohl für die Mehrheit dieses Hauses sagen — Verfechter der Prinzipien, der Ideen, der Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft. Dazu gehört für uns wesentlich die funktionsgerechte Mitbestimmung der Arbeitnehmer und mehr Mitbestimmung der von den Arbeitnehmern gewählten Vertretungen. In dem Buch unseres Kollegen Benda — ich sehe ihn nicht — „Industrielle
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RufHerrschaft und sozialer Staat" fand ich aus einer Eingabe des, wie er damals hieß, Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller an den Deutschen Reichstag aus der Zeit um die Jahrhundertwende folgendes Zitat
— vielen Dank! Herr Benda, Sie gestatten, daß ich das zitiere; es hat mir nämlich viel Freude gemacht —:In der Politik und vor dem Gesetz hat der Arbeiter in unserem Vaterland- so um das Jahr 1900 —die volle Gleichberechtigung; in wirtschaftlicher und sozialer Beziehung ist er von ihr durch unsere bestehende Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung unbedingt ausgeschlossen. . . . Als unser Recht nehmen wir in Anspruch, daß der Arbeitgeber Herr in seinem Betriebe sein und bleiben muß . . . Für eine Mitbestimmung bzw. Mitwirkung der Arbeiter gibt es weder Raum noch Recht.Meine Damen und Herren, diese Zeit ist passé; sie ist Gott sei Dank passé. Darüber sind sich heutzutage — das ist unbestritten — Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen einig.Wir wollen uns auch darüber im klaren sein, daß jede Mitbestimmung der Arbeitnehmer zu einer gewissen Beschränkung des Unternehmers, zu einer Verumständlichung, zu einer Bürokratisierung, zu einer Erschwerung und Verlängerung des Entscheidungsprozesses führt. Wer für mehr Mitbestimmung ist — und das sind wir —, der muß all dies in einem gewissen Umfange in Kauf nehmen. Wer allein bestimmt, tut sich leicht. Nicht wahr, Herr Dr. Barzel? Wenn andere mitbestimmen, wird es viel, viel schwieriger. Das liegt in der Natur der Sache.Aber, meine Damen und Herren— jetzt kommt die andere Seite, und das ist die entscheidende —: zur sozialen Marktwirtschaft gehört ebenso wesensbestimmend die unternehmerische Entscheidungs- und Handlungsfreiheit in den Kernfragen der Unternehmens- und Betriebsführung. Eine Regelung der Mitbestimmung, die in wichtigen unternehmerischen Fragen die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit des Unternehmers lähmt oder sie sogar aufhebt, entspricht nicht den Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Dies ist aber der Fall, wenn wesentliche Fragen im personellen und wirtschaftlichen Bereich im Konfliktfall der Entscheidung außenstehender Dritter überantwortet werden. Durch die mögliche Entscheidung eines betriebsfremden Dritten wird die Partnerschaft zugunsten einer Fremdbestimmung aufgehoben. Ich werde darauf bei der Begründung unserer Anträge noch zurückkommen.Lassen Sie mich zum Schluß kommen! Sie sehen, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, daß wir mit der Ausschußvorlage trotz einiger Verbesserungen, die wir mit initiiert haben, nicht zufrieden sind und noch nicht zufrieden sein können. Daher werden wir unsere Änderungsanträge nachher stellen. Wir hoffen, daß Sie sich vernünftigen Argumenten nicht verschließen werden. Wir wünschen ein praktikables Gesetz, das Arbeitnehmern wie Unternehmern und damit unserer Volkswirtschaft gleichermaßen dient. Helfen Sie mit, eine zukunftsgerechte Lösung zu finden, und sagen Sie deshalb nicht wiederum nein!
Sagen Sie, meine Damen und Herren, nicht nein zum Besseren!
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Farthmann. Für ihn hat seine Fraktion eine Redezeit von 45 Minuten beantragt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das neu zu erlassende Betriebsverfassungsgesetz stellt ein wesentliches Stück innerer Reformen dar. Ich glaube, diese Aussage kann von niemandem bestritten weiden. Die Arbeitnehmer in den Betrieben und ihre Betriebsräte werden in den nächsten Monaten und Jahren zu prüfen haben, ob die Aussage richtig ist, daß damit ein erheblicher Fortschritt erzielt worden ist. Dieses Stück innerer Reformen ist ein größerer Schritt voran, als in allen 20 Jahren, die hinter uns liegen, zusammen auf diesem Gebiet getan worden ist.
Ich muß auch noch etwas zum Betriebsverfassungsgesetz von 1952 sagen.
Es ist nicht so, daß diese Gesetzes etwa — das könnten Sie ja sagen — gewissermaßen der erste Schritt war, auf dem die jetzige Novelle aufbaut. Vielmehr war — auch das verdient heute noch einmal in Erinnerung gerufen zu werden — das Betriebsverfassungsgesetz von 1952, das Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, zu vertreten hatten, ein Rückschritt.
Es war ein deutlicher Rückschritt gegenüber einerganzen Reihe von Ländergesetzen. Das ist unstreitig.
Meine Damen und Herren, es ist kein Wunder, daß ein solches Gesetz wie das Betriebsverfassungsgesetz im Schnittpunkt der gegenläufigen Interessen des Wirtschafts- und Arbeitslebens liegt. Es hat sich deswegen — ich glaube, alle Kollegen, die an der Gestaltung dieses Entwurfs mitgearbeitet haben, werden mir das bestätigen — an diesen Gesetzgebungsarbeiten auch gezeigt, welche Widerstände einer wirklichen Reform in unserem Lande entgegengesetzt werden.Ich darf in diesem Zusammenhang nur an die Kolonnen von Gutachtern erinnern, die aufmarschiert sind und die uns haben nachweisen wollen, daß einzelne Vorschriften oder ganze Teile des Be-
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Dr. Farthmanntriebsverfassungsgesetzes verfassungswidrig seien. Diese Gutachten haben viel Geld gekostet, und es hat sich bei vielen von ihnen das bestätigt, was leider meist zu beobachten ist, daß nämlich die Gutachter immer zu den Ergebnissen kommen, die der Auftraggeber gewünscht hatte. Dabei ist auch nicht zu übersehen, daß diese Gutachten teilweise eine derartig katastrophale Qualität hatten, daß sie mehr gegen ihre Verfasser als gegen das Gesetz sprechen.In diesen Gutachten, aber auch in der sonstigen politischen Diskussion ist eine Reihe grundsätzlicher Einwendungen gegen die Neuregelung des Betriebsverfassungsgesetzes erhoben worden. Ich will versuchen, auf die wichtigsten einzugehen.Ein Hauptpunkt bestand in dem Vorwurf, das neue Gesetz bringe eine Konfliktordnung statt einer Friedensordnung, die das alte Gesetz enthalten habe. Zu diesem Vorwurf ist zu sagen, daß das neue Betriebsverfassungsgesetz sowohl an den Mitbestimmungsrechten als auch an dem Verfahren der Einigungsstelle strukturell nichts geändert hat. Sowohl die Besetzung der Einigungsstelle und die Methode ihres Einsatzes als auch die Methode der Beteiligung der Betriebsvertretungen sind nicht geändert. Lediglich die Fälle der Mitberatung des Betriebsrates und der gleichberechtigten Mitbestimmung sind erheblich erweitert worden. Dabei ist auch beachtet worden — ich nehme auf das Bezug, was Herr Ruf soeben schon gesagt hat —, daß in einer marktwirtschaftlichen Ordnung die letzte unternehmerische Entscheidung und Verantwortung unangetastet bleiben mußten. Sie sind auch erhalten geblieben. Dazu bekennen wir uns nachdrücklich. Wenn man diese unternehmerische Freiheit und Entscheidung beeinflussen will, kann das nur über die sogenannte Mitbestimmung auf Unternehmensebene geschehen, d. h. durch die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Legitimation und Kontrolle des Unternehmers, aber nicht durch die Einschränkung der Selbständigkeit der unternehmerischen Funktion als solcher.Wenn wir das Stichwort „Konfliktordnung und Friedensordnung" wieder aufgreifen, so ist der einzige Unterschied der, daß im alten Gesetz von Partnerschaft überwiegend nur gesprochen wurde, während im neuen Gesetz Partnerschaft praktiziert wird, Partnerschaft im Sinne einer echten Mitgestaltung und nicht im Sinne des Angewiesenseins auf den guten Willen des anderen.Ein zweiter Einwand gegen die neue Regelung ist der Vorwurf, durch die Vermehrung der Einigungsstellenkompetenzen trete eine erhebliche Bürokratisierung der Betriebe und damit der Lösung betrieblicher Konflikte ein. Auch Herr Ruf ist auf diesen Punkt eingegangen. Meine Damen und Herren, wer an der Einigungsstelle etwas ändern will, muß sich darüber klar sein, daß jeder Einigungsstellenfall ein Mitbestimmungsfall ist. Denn wenn wir uns zur gleichberechtigten Gestaltung bestimmter Fragen im Betriebsleben durch Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam, beide mit gleich starker Position, bekennen — Sie haben das ausdrücklich getan, Herr Ruf —, dann muß es eine Lösung auch für den Fall geben, in dem sich beide Seiten nicht einigen. Dasist im Tarifleben der Streik, der dann die Entscheidung bringt. Das ist in der Montanindustrie der 21. oder der 11. Mann. Das ist hier die Einigungsstelle. Wir wissen alle, daß das durchaus problematisch ist. Allerdings wissen wir keine bessere Lösung. Deshalb muß sich jeder darüber klar sein: Wer die Kompetenzen der Einigungsstellen einschränkt, schränkt die Mitbestimmung ein. Herr Ruf, von dieser Stelle zu behaupten: Wir wollen die Mitbestimmung erweitern, mehr Mitbestimmung bringen — das haben Sie ja für sich in Anspruch genommen , und gleichzeitig die Kompetenzen der Einigungsstellen einzuschränken, ist ein Widerspruch in sich.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ruf?
Herr Kollege Dr. Farthmann, sind Sie bereit, mir zuzugeben, daß es auf das Ausmaß der Einschaltung der verbindlich entscheidenden Einigungsstelle ankommt, z. B. darauf, ob die Einigungsstelle durch einen außenstehenden Dritten verbindlich entscheiden soll, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat sich nicht darüber einigen können, wann die Sprechstunde stattfinden soll? Das halten wir allerdings für weit übertrieben, auch andere Dinge; darauf werden wir noch zurückkommen.
Herr Ruf, ich bin mit Ihnen der Meinung, daß es auf das Ausmaß der Einschaltung der Einigungsstelle ankommt, genau wie auf das Ausmaß der Mitbestimmung. Das deckt sich nämlich haargenau.Im übrigen will ich gar nicht bestreiten, daß der Hauptwert der Einigungsstelle darin liegt, daß sie möglichst wenig oder überhaupt nicht in Tätigkeit treten muß, d. h., daß der qualifizierte Zwang besteht, zu einer einverständlichen Lösung zu kommen. Ich glaube, die Erfahrungen der bisherigen 20 Jahre bestätigen, daß wir darauf hoffen können. Im übrigen ist im Regierungsentwurf ausdrücklich eine formelle Rechtskontrolle vorgesehen, die zwar nichts Neues bringt, die aber genau das kodifiziert, was schon bisher unstreitig war und durch die Rechtsprechung entwickelt worden war.Ein dritter grundsätzlicher Einwand gegen das neue Recht ist die Behauptung — man hat das sehr plastisch ausgedrückt , dieses Gesetz bedeute den Einmarsch der Gewerkschaften in die Betriebe. Dazu ist zu sagen, daß der Regierungsentwurf an neuen Rechten für die gewerkschaftlichen Organisationen nichts bringt, was nicht schon bisher in einigermaßen fortschrittlichen Betrieben völlig selbstverständlich ist.Wenn behauptet wird — auch Herr Ruf hat sich auf diese Behauptung bezogen , über die personelle Mitbestimmung könne im Betrieb so etwas wie ein „closed shop" hervorgerufen werden, dann kann ich nur sagen: Das ist nichts anderes als eine Diffamierung des Entwurfs. Denn es ist ausdrücklich festgelegt, daß niemand wegen seiner Zugehörigkeit
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Dr. Farthmannzu politischen Parteien, Konfessionen oder Gewerkschaften bevorzugt oder benachteiligt werden darf. Dazu stehen wir voll und ganz.Meine Damen und Herren, wer im übrigen daran interessiert ist, daß die Gewerkschaften eine echte Mitgestaltungsfunktion im Betrieb übernehmen, muß ihnen dieses Minimum einer fairen Arbeitsmöglichkeit in dem Bereich, in dem sie sich nun einmal betätigen müssen, nämlich im Betrieb, auch gestatten.
Von einigen der Vorredner ist schon der hohe Schwierigkeitsgrad der vorliegenden Materie unterstrichen worden. Auch ich möchte das tun. In der Tat ist das Gesetzgebungswerk, das wir vor uns haben, äußerst komplex. Wir werden sicherlich trotz aller Bemühungen in den bisherigen Gesetzgebungsarbeiten feststellen, daß nach einiger Zeit der Praktizierung hier und da Unebenheiten auftauchen werden, die wir übersehen haben und vielleicht auch nicht alle sehen konnten. Ich möchte schon an dieser Stelle die Hoffnung aussprechen, daß eine sachgemäße Rechtsprechung diese Unebenheiten ausbügeln wird.
Sehr nachdrücklich möchte ich aber auch das tun, was ebenfalls schon einige meiner Vorredner getan haben, nämlich das aufrichtige Bemühen aller daran Beteiligten unterstreichen. Dieses Bemühen wird auch durch die Tatsache deutlich, daß in den Ausschußberatungen noch zirka 80 Änderungen verabschiedet worden sind und somit der Regierungsentwurf erheblich verändert worden ist.In diesem Zusammenhang will ich gar nicht verschweigen, daß eine Reihe von Anregungen aus den Reihen der CDU/CSU-Opposition übernommen worden sind und in den neuen Gesetzentwurf Eingang gefunden haben. Aber, meine Damen und Herren, diese Übernahme wichtiger Punkte — Herr Ruf hat das ja sehr nachdrücklich unterstrichen — hat den Effekt, daß der Tag der Wahrheit auch für die CDU/ CSU-Fraktion gekommen ist; das heißt, sie muß bekennen, wie sie sich zu diesem Gesetz insgesamt stellen wird.
Ich darf an dieser Stelle unseren Kollegen Adolf Müller zitieren, der vor der Bundesangestelltenkonferenz des DGB vor einigen Tagen in Mainz folgendes wörtlich erklärt hat:Was jetzt vorliegt, ist also nicht das beste, aber zur Zeit wohl optimale Gesetz . . . Die Tage bis zur Verabschiedung des Gesetzes werden sicher von interessierter Seite noch genutzt, den Abgeordneten mit allen Mitteln die Ablehnung zu empfehlen oder von ihnen die Ablehnung zu fordern.
Meine Damen und Herren, ich kann nur hoffen, daß mit diesen Bemühungen von interessierter Seite nicht Teile der CDU/CSU gemeint sind. Jedenfalls bekennt sich Adolf Müller ausdrücklich zur Empfehlung dieses Gesetzes. Ich hoffe, daß auch alle anderen, denen eine fortschrittliche Gestaltung der Betriebsverfassung am Herzen liegt, diesen Schritt tun; denn ich kann mir nicht denken, daß es für denjenigen, der an einer Verbesserung interessiert ist, noch einen Grund geben soll, dieses Gesetz abzulehnen.
Jetzt werden — das war ja ganz deutlich — Differenzen zwischen dem Regierungsentwurf und den Wünschen der CDU/CSU hochgespielt. Ich kann nur sagen: Der von mir eben bereits zitierte Abgeordnete Adolf Müller hat laut „Generalanzeiger der Stadt Wuppertal" gesagt, das Betriebsverfassungsgesetz — er meinte damit offenbar den Regierungsentwurf — trage eindeutig die Handschrift der Union. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß das ein bißchen zu anspruchsvoll ist. Trotzdem sollte man sehr deutlich sagen, daß der Riß hinsichtlich der Beurteilung dieses Entwurfs nicht zwischen Regierungskoalition einerseits und Opposition andererseits besteht, sondern mitten durch die CDU/ CSU-Fraktion hindurchgeht. Das ist der Tatbestand.
Alle sogenannten Arbeitnehmervertreter der CDU, die im Hinblick auf die Punkte, die jetzt noch different sind, diesen Entwurf ablehnen, müssen sich darüber klar sein — das müssen auch die Betriebsräte in der Öffentlichkeit wissen —, daß sie das Geschäft derjenigen besorgen, die eine Verbesserung des Betriebsverfassungsgesetzes verhindern wollen.
Ich darf in diesem Zusammenhang ferner erwähnen, daß die Arbeit im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sehr konstruktiv war und daß wir, glaube ich, alle bestätigen können, daß dort fruchtbare Arbeit geleistet worden ist. Das Prinzip der totalen Konfrontation hat in diesem Ausschuß jedenfalls keine Anwendung gefunden, und zwar auch nicht zu der Zeit, als dieser Begriff Herrn Barzel noch nicht so unsympathisch war, wie das heute der Fall zu sein scheint.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch, die wichtigsten Punkte, in denen das Gesetz einen Fortschritt bringt, hier ausdrücklich hervorzuheben:Der Regierungsentwurf bringt in dem wichtigen Bereich der sozialen Angelegenheiten weitere Fälle, in denen das gleichberechtigte Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zum Zuge kommt. Ich darf insbesondere die Festsetzung von Kurzarbeit und Überstunden nennen, die künftig der gleichberechtigten Mitbestimmung unterliegen soll, und ich darf den gesamten Bereich der leistungsbezogenen Entlohnung erwähnen, der künftig voll der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen soll, und zwar unabhängig davon, nach welcher Methode der Leistungslohn gefunden wird, ob Akkord, ob Prämie, ob analytische Arbeitsbewertung oder was auch immer.Ein zweiter wichtiger Punkt ist, daß erstmalig — das kannte das bisherige Recht gar nicht — die Fragen der Gestaltung von Arbeitsplatz und Ar-
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Dr. Farthmannbeitsablauf in ein sehr wesentliches Mitberatungsrecht des Betriebsrats einbezogen werden.Zum dritten sind Fragen der Personalplanung, insbesondere die Ausarbeitung von Einstellungsrichtlinien, Auswahlrichtlinien und Einstellungsfragebögen der gleichberechtigten Mitbestimmung des Betriebsrats unterworfen. Wir kennen alle den Unfug, der mit den Fragebögen in der Praxis teilweise getrieben worden ist. Künftig kann kein Personalfragebogen ohne Zustimmung des Betriebsrats mehr ausgegeben werden.Zum vierten sind die personellen Einzelmaßnahmen zu nennen, d. h. insbesondere Einstellungen, Umgruppierungen, Versetzungen und Entlassungen. Hier ist der Katalog der Widerspruchsmöglichkeiten des Betriebsrats erheblich erweitert und präzisiert worden.Fünftens ist in wirtschaftlichen Angelegenheiten— das ist vielleicht der wichtigste Teil — das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verstärkt worden, d. h. insbesondere bei Betriebsstillegungen, Betriebseinschränkungen und Betriebsverlegungen kann der Betriebsrat nach dem Regierungsentwurf künftig den Erlaß eines sogenannten Sozialplans, der die — —
— Natürlich, des Regierungsentwurfs. Lassen Sie mich doch ausreden, Herr Kollege Franke! Nach dem Regierungsentwurf, wie er sich in der jetzigen Form darstellt — wenn Sie das befriedigt —, kann der Betriebsrat künftig bei Betriebsstillegungen, Betriebsverlegungen und Betriebseinschränkungen den Erlaß eines Sozialplans zur Abwendung der schwersten Härten für die Betroffenen erzwingen. Auch das, Herr Kollege Ruf, ist ein Fall für die Einigungsstelle, deren Beseitigung die Beseitigung der Mitbestimmung in diesem Fall zur Folge haben würde.Meine Damen und Herren, in den Fragen der Einbeziehung der leitenden Angestellten — auch das hat Kollege Ruf schon angesprochen — bringt das Gesetz — ich bekenne mich dazu, das zu sagen — eine im Grunde unbefriedigende und vorläufige Regelung, indem es den Status quo erhält. Das liegt daran — das soll gar nicht verschwiegen werden —, daß die Vorstellungen darüber, wie eine fortschrittliche Regelung für die leitenden Angestellten aussehen soll, zur Zeit noch zu kontrovers sind. Ich darf daran erinnern, daß dieses Problem auch kaum zwei Jahre alt ist; vorher haben wir das noch gar nicht gekannt.
— Vielleicht lassen Sie mich ausreden, Herr Stücklen, ich wollte gerade darauf eingehen. Ich wollte sagen, daß die Vorstellungen, was eine fortschrittliche Lösung auf diesem Gebiet ist, noch zu kontrovers sind. Die eine Seite verlangt — dazu gehört Ihr Entwurf —, für die leitenden Angestellten eigene Interessenvertretungen zu bilden, d. h., den Betriebsrat zu einem Organ der „kleinen Leute" herabzuwürdigen und für die „feineren Vertreter" ini Betrieb ein eigenes Organ zu schaffen.
Wir würden es für eine sehr gefährliche Entwicklung halten, wenn jetzt, nachdem endlich die Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten weitgehend eingeebnet sind, neue Gräben in den Belegschaften entstünden. Herr Stücklen, das dient nicht der Integration, von der Sie immer reden, sondern das ist Desintegration.
Die anderen meinen — und dazu gehören wir —, daß irgendeine Form gefunden werden müßte, die diese wichtige Gruppe der Arbeitnehmer, die leitenden Angestellten, in die Mitwirkung des Betriebsrats einbezieht, vielleicht mit einem gewissen Minderheitenschutz, vielleicht sogar mit einer gewissen Autonomie. Jedenfalls sollte sie in die Gesamtsolidarität einbezogen werden.Sie werden mir wohl zustimmen, wenn ich sage, daß eine der wichtigsten Errungenschaften der sozialen Selbstverwaltung in der Bundesrepublik darin besteht, daß sie einen starken integrierenden Effekt hat, nicht integrierend für das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern integrierend bezüglich der partikularen Interessen innerhalb der Arbeitnehmer. Wir alle sehen dort, wo das nicht der Fall ist, die verheerenden Folgen. Jeder, der hier die Hand anlegt, sollte sich das sehr genau überlegen.
Insofern wird also durch den Regierungsvorschlag zwar nichts Neues gebracht, aber für die Zukunft auch nichts verbaut. Der Status quo bleibt erhalten.Nun zu einem wichtigen Punkt, den Herr Ruf mit besonderer Liebe behandelt hat: den Rechten der einzelnen Arbeitnehmer. Ich stimme Ihnen insofern gern zu, Herr Ruf, als der Freiheitsraum und die Rechtsstellung des einzelnen Arbeitnehmers im Betrieb der letzte und wichtigste Maßstab für sämtliche Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes sein müssen. Auf der anderen Seite dürfen allerdings die Rechte einzelner Arbeitnehmer nicht überschätzt werden. Eine hundertjährige Erfahrung lehrt, daß man dem einzelnen nicht hilft, wenn man ihm durch Paragraphen Einzelrechte gibt. Bei realistischer Betrachtungsweise muß man feststellen: entweder kennt er sie nicht oder er kann sie, wenn er sie kennt, nicht ausnutzen, weil er Rückschläge und Diskriminierungen durch den Arbeitgeber befürchtet.
Das ist doch das Problem. Nach einer mehr als hundertjährigen Erfahrung können die Rechte des einzelnen am effektivsten dadurch gestärkt werden, daß man ihm ein kollektives Vertretungsorgan an die Seite stellt, das unabhängig und selbständig dem Arbeitgeber gegenübertreten kann. Alles andere ist mehr oder weniger Theorie oder, was noch schlimmer ist, die Methode des „divide et
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Dr. Farthmannimpera", ist eine Schwächung und nicht eine Stärkung der Rechte der einzelnen Arbeitnehmer.
In diesem Zusammenhang soll allerdings ein wichtiges Recht des einzelnen Arbeitnehmers, das er künftig haben soll, nicht verschwiegen werden: das Recht der Einsicht in seine Personalakten. Was heute im öffentlichen Dienst gesetzlich nur bei den Beamten vorgesehen ist, soll künftig allen Arbeitnehmern zustehen, nämlich jederzeit Einsicht in ihre Personalakten zu nehmen.Zum Abschluß ist aber auch noch dies festzustellen: Jedes Mehr an Mitbestimmung schafft — davor sollten wir die Augen nicht verschließen — auch ein Mehr an Möglichkeiten des sachwidrigen Gebrauchs durch solche, die böswillig das Gesetz ausnutzen. Das muß man mit aller Deutlichkeit sehen. Allerdings — das sage ich ebenso klar — haben die Erfahrungen einer 20jährigen Betriebsratsarbeit jedenfalls in der Bundesrepublik für Befürchtungen dieser Art keinerlei Anlaß gegeben.
Dennoch ist festzustellen, daß dieses Gesetz kein Gesetz zur Mobilisierung von Konflikten ist — jedenfalls nicht, soweit man darunter die künstliche Erzeugung von Konflikten versteht —, sondern ein Gesetz zur Lösung von Konflikten ist.
Ebenso könnte es allerdings auch für die Arbeitgeber verlockend sein, die Tätigkeit der Betriebsräte durch kleinliche und engherzige Auslegung des Gesetzes im Alltag zu erschweren. Das ist eine gewisse Gefahr. Wir wissen, daß schon jetzt Verfassungsbeschwerden vorbereitet werden. Die Arbeitgeber — auch das wissen wir — , jedenfalls ihre offiziellen Interessenverbände, haben selbst mit dem früheren Betriebsverfassungsgesetz, so schwach es war, ihren Frieden eigentlich erst zu einem Zeitpunkt gemacht, als das neue schon in Vorbereitung war.
So gesehen stellt das neue Betriebsverfassungsgesetz ein großes Angebot an beide Seiten des Betriebslebens dar. Ich darf wohl in Ihrer aller Namen die Hoffnung aussprechen, daß dieses Angebot richtig erkannt und richtig genutzt werden möchte.
Meine Damen und Herren, bevor wir in der Aussprache fortfahren, darf ich die sozialistische Fraktion des Europäischen Parlaments begrüßen, die heute vormittag auf der Diplomatentribüne Platz genommen hat. Heute nachmittag werden an der gleichen Stelle die Christlichen Demokraten des Europäischen Parlaments sitzen. Ich darf sie sehr herzlich begrüßen.
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt . 20 Minuten sind für ihn beantragt worden.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befinden uns am Beginn einer zweiten Lesung eines Gesetzes, und es ist eigentlich nicht unbedingt sinnvoll, bereits hier Grundsatzaussprachen zu führen.Ich stimme dem Kollegen Ruf namens der Freien Demokraten völlig zu und erkläre, daß wir gern bereit sind, auch in einer zweiten Lesung in diesem Hohen Hause noch vernünftige Argumente zu akzeptieren. Allerdings habe ich bei Ihren Ausführungen, Herr Kollege Ruf, feststellen müssen, daß keine neuen und vernünftigeren Argumente gekommen sind
als zu den gleichen Anträgen im Ausschuß, wo sich eine Mehrheit des Ausschusses wegen zu wenig Vernunft in der Begründung in vielen Fällen eben nicht in der Lage sah, den Anträgen zu folgen.Ich bin Ihnen allerdings auch sehr dankbar, Herr Kollege Ruf, daß Sie sehr deutlich gemacht haben, wie eingehend im Ausschuß doch beraten wurde, und daß Sie damit einer Presseerklärung entgegengewirkt haben, die, glaube ich, uns alle, die wir im Ausschuß mitgearbeitet haben, etwas überrascht hat. In einer Presseerklärung der CDU/CSU-Fraktion von gestern heißt es — ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren —Der Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich heute u. a. mit der Vorbereitung der Debatte über das Betriebsverfassungsgesetz befaßt.Anschließend heißt es -- ich zitiere wörtlich —:Die Vorgänge und das Verfahren in der Gesetzgebung der letzten Wochen stören mögliche Gemeinsamkeiten. Die Überlegung ist zu durchsichtig, als daß sie Erfolg haben könnte: man läßt — von draußen — behaupten, wir wollten „totale Konfrontation". Hier in den Ausschüssen des Bundestages und hier im Plenum wird alles vorher durch Koalitonsabreden so zementiert, daß Argumente und Anträge der Opposition überwiegend von vornherein, also ohne Nachdenken nach Argumentation, keine Chance haben.
Das wurde gestern erklärt, Herr Kollege Stücklen. Der Herr Kollege Ruf hat an dieser Stelle von den guten Beratungen im Ausschuß gesprochen, und die CDU/CSU-Fraktion hat unter dem Datum des 14. September nach den Beratungen im Ausschuß eine Hymne darauf gesungen, was sie alles im Ausschuß habe durchsetzen können und wieviel von ihren Gedanken im Ausschußentwurf sei. Nun erklären Sie mir mal den Widerspruch zwischen der Behauptung, daß nur Konfrontation war, daß nur heruntergestimmt worden ist und der Behauptung des Kollegen Ruf: Wir haben manches durchsetzen können, und wir haben uns in manchem einigen können, oder dieser wunderbaren Erklärung der CDU/CSU, in der steht, was Sie alles so schön gemacht haben, und der Äußerung, die wir eben von dem Kollegen Müller hörten, der Entwurf trage die
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Schmidt
Handschrift. der CDU. Wie paßt denn das zusammen mit dem, was gestern Ihre Fraktion herausgegeben hat?
— Sie wollten die Stimmung anregen? Das ist auch gut; na schön. Das können Sie haben, Herr Kollege Stücklen.Lassen Sie mich auch gleich noch ein paar Zahlen sagen. Insgesamt sind etwa 20 Anträge der CDU/ CSU — wir können sie ja nachzählen , zum Teil mit kleinen Umformulierungen, im Ausschuß angenommen worden, und etwa 20 Anträge sind gemeinsam zu einem Änderungsantrag zusammengebaut worden. Bei einem Gesetz von rund 130 Paragraphen ist das, glaube ich, eine ganze Menge. Wenn die Opposition an 40 angenommenen Anträgen beteiligt war, dann ist es doch unfair und unglaubwürdig, zu behaupten, man habe im Ausschuß überhaupt keine Gelegenheit gehabt, vernünftige Meinungen mit den Koalitionsfraktionen auszutauschen und vernünftige Anträge durchzubekommen. Genau das aber ist in dieser Ausschußarbeit geschehen. Das muß hier einmal sehr deutlich festgestellt werden.Herr Kollege Ruf, Sie haben weiterhin -- dazu möchte ich doch noch einiges sagen — auf die Tatsache hingewiesen, daß sich der Ausschuß mit Mehrheit und die Koalitionsfraktionen hier schon in der ersten Lesung ganz klar dafür ausgesprochen haben, den Bereich der Unternehmensverfassung auszuklammern. Das ist richtig. Sie haben mit einem kleinen Seitenblick auf die FDP auf unseren Parteitag in Freiburg hingewiesen. Sie haben von Modellen, einem paritätischen und einem überparitätischen Modell und dergleichen mehr, gesprochen. Herr Kollege Ruf, wenn Sie von Modellen und Parteitagen sprechen, so kann ich nur sagen: Sie hatten einen Parteitag in Düsseldorf, und dort gab es auch das eine Modell und das andere Modell.
Das ist das eine.
Zum zweiten haben wir Freien Demokraten gar keine Veranlassung, auf Grund unserer Freiburger Entscheidungen nun etwa das von Ihnen vorgelegte Modell mit großem Wohlwollen zu betrachten und in die Gesetzgebung aufzunehmen.
Wir werden die Weiterentwicklung in der Frage der Mitbestimmung — das habe ich hier von dieser Stelle aus schon in der ersten Lesung gesagt — sehr eingehend prüfen. Wir haben jetzt eigene Entscheidungen unserer Partei. Wir werden sehen, daß auch auf Ihrem nächsten Parteitag in dieser Frage wieder etwas anderes gesagt wird. Ich glaube, es ist richtig, daß wir Freien Demokraten und auch die Sozialdemokraten von vornherein der Meinung waren, bei dieser notwendigen Neuregelung der innerbetrieblichen Mitbestimmung über das Betriebsverfassungsgesetz den Bereich der Unternehmensverfassung zu diesem Zeitpunkt auszuklammern.Herr Kollege Ruf, Sie haben, obwohl ich mich als Berichterstatter bemüht habe, den Bereich „Einigungsstelle" schon etwas in die Objektivität zu rücken, gesagt, die Tätigkeit der Einigungsstelle sei extrem ausgeweitet worden. Ich habe mir heute nacht die Mühe gemacht, schnell noch einmal die Protokolle, Papiere und Unterlagen durchzusehen. Es ist richtig: Nach der Ausschußvorlage kann die Einigungsstelle in 17 Fällen tätig werden, nach dem CDU/CSU-Entwurf nur in 10 Fällen. Nach dem Ausschußentwurf sind für die Tätigkeit dieser Stelle also 7 Fälle mehr vorgesehen. Aber in den entscheidenden Punkten, wo es also wirklich um Fragen von wichtiger Bedeutung geht — Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, Personalfragebogen, Auswahlrichtlinien und alle jene Dinge, hinsichtlich derer Sie draußen immer wieder sagen, hier würde die unternehmerische Entscheidungsfreiheit in irgendeiner Form angegriffen —, greifen Sie in Ihrem Entwurf auch auf die Einigungsstelle zurück.
Gerade deshalb, weil wir hier eben nicht ein Überwuchern oder mißbräuchliche Möglichkeiten der Einigungsstelle wollten, haben wir — Sie haben dem dann ja auch zugestimmt — die Möglichkeiten einer zu starken Ausweitung durch den Rechtsweg, durch das billige Ermessen eingeschränkt — ich glaube, in einer Form, die genau dem entspricht, was notwendig ist, wenn wir nicht, wie das von dem Kollegen Farthmann ja schon angesprochen worden ist, die Mitbestimmung abbauen wollen. Wenn Sie die Einigungsstelle abschaffen oder weiter einschränken wollen, müssen Sie auch sagen, daß Sie die soziale oder personelle Mitbestimmung abbauen wollen. Darüber müssen wir uns klar sein. Zu den Individualrechten wird im Zusammenhang mit Ihrem Antrag noch etwas gesagt werden.Ich habe mir noch einen Punkt aufgeschrieben, zu dem ich etwas sagen möchte. Dann will ich diese grundsätzlichen Ausführungen schon abschließen, denn wir haben in diesem Haus ja gemeinsam gewisse Zeitpläne und wollen noch zu den Anträgen sprechen. Herr Kollege, ich kann es mir aber nicht verkneifen, noch eines zu sagen. Sie haben in Ihren Ausführungen zum Ausdruck gebracht, zur sozialen Marktwirtschaft gehöre die unternehmerische Entscheidungsfreiheit und, durch dieses Gesetz werde nun die unternehmerische Entscheidungsfreiheit angegriffen und tangiert. Zunächst möchte ich für uns Freie Demokraten ganz eindeutig feststellen, daß, wie ich glaube, keine Fraktion in diesem Hause so klar und eindeutig wie wir von sich behaupten kann, daß sie seit 1945 für diese soziale Marktwirtschaft geschlossen eingetreten ist und die dafür notwendige untenehmerische Entscheidungsfreiheit immer sorgsam bewahrt hat.
— Auch in Freiburg. Lesen Sie einmal die Presseberichte, lesen Sie einmal die Protokolle von Freiburg; dann werden Sie vielleicht etwas anders darüber denken, als wenn Sie nur in der „Welt" die Artikel über Freiburg lesen.
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8602 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Schmidt
Herr Kollege Ruf, wenn Sie schon einen Eingriffin die unternehmerische Entscheidungsfreiheit sehen, dann haben Sie zwei Dinge vergessen, dann haben Sie nämlich die beiden Änderungen im Gesetz vergessen, die aus Ihrem Entwurf kamen und die zweifellos — sowohl vom Materiellen her gesehen als auch von der Frage stärkerer Einengung her gesehen wesentlich weiter gehen als all das, was im Entwurf ist. Das ist nämlich die Übernahme Ihrer Kündigungsvorstellungen in das Gesetz. Wir waren darüber gar nicht so glücklich. Aber gut, wir haben uns dann Ihren Vorstellungen angeschlossen. Und das ist die Tatsache, daß in § 111 die Frage der Sozialplanung, der Betriebsänderungen in Ihrem Sinne gelöst wird oder zumindest vorgeschlagen ist und daß damit eine erheblich stärkere Belastung auf die Unternehmen zukommt, als das im Regierungsentwurf der Fall gewesen wäre. Schauen Sie sich einmal an, was aus Ihrem Entwurf hier eingegangen ist und woher die Belastungen wirklich kommen.Von einem Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit allerdings — und das möchte ich für die Freie Demokratische Partei schon an dieser Stelle eindeutig erklären — kann in diesem Gesetz überhaupt nicht die Rede sein. Es ist, wie wir es gewünscht haben, wie wir im 5. Deutschen Bundestag bereits in einigen Passagen in einer eigenen Novelle vorgelegt haben, eine Stärkung der personellen und sozialen Mitbestimmung. Es ist auch eine wesentliche Stärkung des sozialen Schutzes bei Betriebsveränderungen. Aber es greift in die unternehmerische Entscheidung nicht ein, es sei denn, Herr Kollege van Delden, Sie können mir einen Gegenbeweis bringen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten van Delden?
Ich bin zwar fertig, aber bitte schön!
Herr Kollege Schmidt, würden Sie mir zustimmen, daß ein großer Teil derjenigen, die dem Gesetzentwurf kritisch gegenüberstehen, die Gefahr der übertriebenen Bürokratisierung der Betriebe sehen und daß wir dann ein solches Gekungel bei unternehmerischen Entscheidungen bekommen, wie wir es jetzt beim Bundesverfassungsgericht erleben?
Herr Kollege, darf ich Ihre Frage mit einer Gegenfrage beantworten: Würden Sie mir zugestehen, daß diejenigen, die das befürchten, alle Herrn Galperin gelesen haben, aber daß er nicht unbedingt ein objektiver Beurteiler dieses Gesetzes war?
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen für die allgemeine Aussprache vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zu den Einzelberatungen. Ich bitte Sie, die Drucksache VI/2729 zur Hand zu nehmen. Es liegt ein Antrag vor — und zwar der Umdruck 232 *) —, dem Teil I einen Teil 01 voranzustellen. Zur Begründung dieses Änderungsantrags Umdruck 232 hat der Abgeordnete Ziegler das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich darf namens der Fraktion der CDU/CSU den Änderungsantrag Umdruck 232 begründen.Der Kollege Dr. Farthmann hat davon gesprochen, daß das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 einen Rückschritt bedeutet habe. Wir sind hier ganz anderer Meinung. Nach unserer Auffassung hat das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 eine neue Ära der betrieblichen Ordnung eingeleitet. Es setzte an die Stelle überholter klassenkämpferischer Vorstellungen den Gedanken der Partnerschaft. Weil das Gesetz damals aber einer fast hundertjährigen Auseinandersetzung um die Rechte gewählter Arbeitnehmervertretungen Rechnung tragen mußte und deren Ergebnis war, spielen in ihm die Rechte des einzelnen noch keine Rolle. Das Gesetz konzentrierte sich auf die Rechte und die Pflichten gewählter Vertretungen.Heute ist nach unserer Auffassung die Zeit reif, die Rechte und Pflichten des einzelnen ebenso wie die der Arbeitsgruppe zu definieren und damit das Repräsentationssystem des Betriebsrates zu ergänzen. Aus diesem Grunde haben wir in unserem Entwurf über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb und Unternehmen in einer Art Grundrechtskatalog die Rechte des einzelnen an den Anfang gestellt. Herr Kollege Ruf hat schon darauf hingewiesen, daß wir damit die fundamentale Bedeutung dieses Anliegens auch optisch zum Ausdruck bringen wollten.Mit der Festlegung dieser Grundrechte und mit der Festlegung von Rechten der Arbeitsgruppe soll erreicht werden, daß sich der Betriebsrat auf ein entwickeltes System der Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmern, gewissermaßen auf einen Unterbau stützen kann. Wir wollen kein Entweder — Oder kollektiver, gruppenmäßiger oder individueller Wahrnehmung der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte, sondern deren sinnvolle gegenseitige Ergänzung.Die gesellschaftliche und industrielle Entwicklung haben dazu geführt, daß ein immer größer werdender Teil der Arbeitnehmer willens und auch imstande ist, sich stärker am betrieblichen, am wirtschaftlichen Geschehen, am Gestaltungsprozeß zu beteiligen. Diese Entwicklung darf nicht gebremst, sie muß im Gegenteil gefördert werden. Es gilt, den einzelnen zu aktivieren. Er muß bei der Fortentwicklung des Rechts stärker berücksichtigt werden; seiner Eigeninitiative und Eigenverantwortung muß entsprechender Raum gegeben werden. Eine ausschließliche Delegation der Mitbestimmungsrechte auf repräsentative Organe — z. B. den Betriebsrat,*) Siehe Anlage 2
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Zieglerden Wirtschaftsausschuß, den Aufsichtsrat — fördertGleichgültigkeit und Passivität der Repräsentierten.Wie sieht es denn in der Praxis in den Betrieben aus? Mit dem Votum, das der einzelne bei der Bildung des Organs abgibt, trägt er zu dieser Organbildung bei, und dann ist für ihn in aller Regel die Beteiligung am betrieblichen Geschehen erledigt. Es handelt dann nur noch das gewählte Organ, der Betriebsrat. Der einzelne wird in aller Regel nicht mehr gefordert. Er hat vielleicht noch einmal die Möglichkeit, sich bei einer Betriebsversammlung zu Wort zu melden und Anträge zu stellen. Es ist Ihnen aber bekannt, daß diese Anträge ohne jede rechtliche Bedeutung, ohne Verpflichtung für den Betriebsrat sind.Wem es ernst ist mit der Aktivierung des einzelnen, der muß daher für die Erweiterung seines Freiheits- und Entscheidungsraumes eintreten. Ich bin dem Kollegen Farthmann dankbar, daß auch er das ausdrücklich anerkannt hat. Die Konsequenzen, die er daraus gezogen hat, sind allerdings ganz andere als die unseren.Der Freiheitsraum des einzelnen ist sowieso aus technischen und organisatorischen Gründen recht schmal. Wir sollten daher alles tun, um hier von uns aus dafür Sorge zu tragen, daß er erweitert wird. Was der einzelne aus eigener Initiative und mit eigenen Kräften leisten kann, darf nicht kollektiv geregelt werden.Hinzu kommt, daß der Betriebsrat in großen Betrieben sicherlich zu fern ist. In der vom Ausschuß vorgelegten Fassung ist vorgesehen, daß der Betriebsrat bei 3000 bis 4000 Arbeitnehmern aus 23 Mitgliedern besteht; früher waren es 17. Aber auch bei der jetzt vorgesehenen Größe ist der Betriebsrat noch nicht dazu geeignet — Sie wissen, daß Grenzen hinsichtlich der weiteren Ausweitung gesetzt sind —, die Bindung zu den einzelnen Arbeitnehmern enger zu gestalten. Aus diesem Grunde müssen wir Wert darauf legen, daß durch Aktivierung der Rechte des einzelnen und durch die Bildung der Arbeitsgruppen hier Abhilfe bei der Fortentwicklung des Rechts geschaffen wird.Wir haben es sehr bedauert, daß die Regierungskoalition unseren Vorschlag eines umfassenden Katalogs für die Einräumung von Einzelrechten abgelehnt hat. Mit dem vorliegenden Änderungsantrag wollen wir Ihnen Gelegenheit geben, diese Haltung zu revidieren. Der Änderungsantrag enthält in Ziffer 1 mit den §§ 01 bis 014 die §§ 1 bis 16 unseres Entwurfs.Mit ihnen sind a) vorwiegend persönlichkeitsbezogene Rechte, die in besonderer Weise der Anerkennung der Persönlichkeit Rechnung tragen, wie z. B. das Recht auf einen Arbeitsplatz, der seinen Fähigkeiten entspricht, das Recht auf Erörterung der beruflichen Situation und der Leistungsbeurteilung mit den zuständigen Stellen des Betriebes, das Recht auf Stellungnahme zu betrieblichen Angelegenheiten, die den einzelnen betreffen, das Recht, sich mit persönlichen Anliegen und Beschwerden an die zuständigen Stellen des Betriebs zu wenden und von diesen angehört und beschieden zuwerden, das Recht auf Einsicht in die Personalakte, das übrigens auch der Regierungsentwurf enthält und das erstmals in diesem Gesetz nun für die Privatwirtschaft geregelt wird, und b) Rechte, die sich mit der unmittelbaren Arbeitsumwelt und deren Gestaltung, wie z. B. das Recht auf persönliche Entfaltungsfreiheit im Betrieb und am Arbeitsplatz, das Recht auf Mitwirkung bei der Gestaltung des eigenen Arbeitsplatzes, das Recht auf Unterrichtung über wesentliche technische, organisatorische und personelle Änderungen, das Recht auf Unterrichtung über Aufgaben und Verantwortungsbereich, das Recht auf Belehrung über Unfall- und Gesundheitsgefährdung sowie über Maßnahmen zur Abwendung dieser Gefahren, das Recht auf eine angemessene Arbeitszeit und vieles andere festgelegt.Die von Ihnen mit Ihrer knappen Mehrheit im Ausschuß beschlossenen Individualrechte, wie sie in den §§ 81 bis 83 festgelegt sind, nehmen sich dagegen nur sehr mager aus. In einer modernen, auf die Zukunft gerichteten betrieblichen Ordnung, die ein echtes Reformwerk sein will, müssen optimale Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß die Persönlichkeit des einzelnen die gebührende Achtung erfährt und daß sich jeder Arbeitnehmer in seiner Arbeitsumwelt frei entfalten und sie mitgestalten kann.Da nützt auch die Ankündigung nichts, die Verstärkung der Rechtsstellung des einzelnen Arbeitnehmers aus rechtssystematischen Gründen einem kommenden Arbeitsgesetzbuch zu überlassen. Bis dahin vergeht wahrscheinlich noch sehr viel Zeit. Wir sind ja im übrigen hinsichtlich der vielen Ankündigungen dieser Bundesregierung gebrannte Kinder und wissen, daß vieles nicht termingerecht gemacht worden ist. Sie sollten sich daher nicht über rechtssystematische Überlegungen den Kopf zerbrechen, sondern sich mit uns darüber hinwegsetzen und die individuellen Rechte des Arbeitnehmers in dem jetzt zu verabschiedenden Gesetz regeln und damit die Einheitlichkeit der Betriebsverfassung wahren.Sagen Sie auch nicht, ein Grundrechtsteil in diesem Gesetz sei überflüssig. Er ist notwendig als Zusammenfassung und richtungweisender Ausdruck des Geistes, der das heutige Individualrecht innerhalb der Betriebs- und Unternehmensverfassung beherrschen muß. Er ist auch sinnvoll als Bekenntnis zu den Unternehmern und Arbeitnehmern, die betriebliche Partnerschaft bereits bewußt praktizieren. Er ist schließlich berechtigt als Forderung an diejenigen Unternehmer, die, noch verhaftet im autokratischen Führungsstil, ihren Mitarbeitern nicht die ihnen zustehende Subjektstellung gewähren wollen, aber auch an Betriebsräte, die glauben, Einzelrechte könnten nur über sie geltend gemacht werden, und die, statt den einzelnen dort, wo es möglich ist, zu stärken, neue Abhängigkeiten schaffen wollen.
Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, gehen bei Ihrer Ablehnung noch von den Vorstellungen aus, Einzelrechte müßten einen kollektiven Bezugspunkt haben. Herr Kollege Dr. Farthmann
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Zieglerhat es mit Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. Nach Ihrer Meinung können Einzelrechte nur über ein Kollektiv, über die kollektiven Vertretungen wirksam vertreten werden. Ich glaube, Sie haben von der Mündigkeit des Arbeitnehmers und von seinen Fähigkeiten, selbst Verantwortung zu übernehmen, nicht die richtigen Vorstellungen. Wir wollen statt dessen mit der vorgeschlagenen Änderung erreichen, daß das heute zu verabschiedende Gesetz ein wirkliches Betriebsverfassungsgesetz wird und nicht ein Betriebsrätegesetz bleibt.Die Ziffern 2 und 3 unseres Änderungsantrages sind die zwangsläufige Konsequenz einer Annahme des in Ziffer 1 enthaltenen Grundrechtekatalogs. Mit den Ziffern 4 und 5 wollen wir erreichen — wir halten das auch für notwendig und richtig —, daß der Betriebsrat seine Entscheidungen bei personellen Einzelmaßnahmen und bei vorläufigen personellen Einzelmaßnahmen in erster Linie und in besonderem Maße gerade dem betroffenen Arbeitnehmer bekanntgeben muß.Zum Abstimmungsverfahren beantrage ich namens der Fraktion der CDU/CSU, daß mit Ausnahme der §§ 01 und 03, die wir geschlossen zur Abstimmung stellen wollen und für die wir namentliche Abstimmung beantragen — das ist symbolisch für alle anderen Bestimmungen in unserem Antrag —,über die weiteren Paragraphen einzeln abgestimmt wird. Wir wollen Ihnen jede Möglichkeit geben, auch nur einzelnen Bestimmungen unseres Änderungsantrages zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Farthmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin in meinen allgemeinen Ausführungen schon zu den Einzelrechten des Arbeitnehmers Stellung genommen. Ich darf mich darauf beziehen und möchte das hier nicht wiederholen. Nur eins muß hier klargestellt werden: wenn Herr Ziegler so tut, als ob die Individualrechte, die im uns vorliegenden Antrag der Opposition enthalten sind, gewissermaßen heute erst neu geschaffen würden, dann ist das wirklich ein ganz grundlegender Irrtum. Gestatten Sir mir, mit Verlaub zu sagen: zum großen Teil handelt es sich dabei um einen alten Hut, denn das ist weitgehend seit fünfzig Jahren Bestandteil des deutschen Arbeitsvertragsrechts,
allerdings, zugegebenermaßen, wie das gesamte
deutsche Arbeitsvertragsrecht, des ungeschriebenen.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole hier die Behauptung, die ich schon im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung aufgestellt habe und bei der von der Opposition noch nicht einmal der Versuch gemacht worden ist, ihr zu widersprechen: Es gibt in diesem ganzen Antrag nicht ein einziges Recht, das nicht entweder im Regierungsentwurf steht oder im deutschen Arbeitsvertragsrecht absolut unstreitig ist; der Antrag bringt auch nicht den Schimmer einer neuen Bestimmung.
In der Tat könnte man sagen: es kann nicht schaden, wenn wir etwas Selbstverständliches hineinschreiben. Das hat jedoch zwei ganz große Gefahren: erstens die Gefahr, daß in vielen Punkten durch Ihre Formulierung bestehende Rechte eingeschränkt werden, weil Sie eine ganze Fülle von unbestimmten Rechtsbegriffen verwenden, die das, was heute durch die Rechtsprechung sehr viel detaillierter festgelegt ist, verschlechtern. Zumindest besteht diese Gefahr.
Ein zweiter Punkt, der vielleicht noch gravierender ist: Dieser Entwurf gilt nur für Betriebe mit mehr als fünf Beschäftigten. Das bedeutet, daß die Individualrechte, die heute für alle Arbeitnehmer gelten, auch für jene in den Kleinstbetrieben, dann auf den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes beschränkt würden. Weil die Individualrechte nämlich dann in diesem Gesetz ausdrücklich festgelegt wären, würde daraus jeder Jurist den Schluß ziehen: Für die anderen Arbeitnehmer, die nicht unter das Betriebsverfassungsgesetz fallen, gelten sie nicht mehr.
Aus diesen beiden Gründen müssen wir es ablehnen, diese Rechte zu kodifizieren, die tatsächlich nicht den Schimmer von etwas Neuem bringen.
Eine Wortmeldung?
— Ich habe aber zuerst noch Herrn Geldner von der FDP.
— Sie wollen unmittelbar darauf antworten, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf dem Kollegen Farthmann unmittelbar antworten, Herr Kollege Wehner.
Der Herr Präsident hat mir das Wort gegeben, das ist ganz in der Ordnung, das können Sie nicht beanstanden, Herr Kollege Wehner.
— Wann jemand und wer hier spricht, bestimmen nicht Sie, Herr Wehner, sondern der Präsident dieses Hauses.
Meine Damen und Herren, da gerade unser hochverehrter Herr Kollege Professor Carlo Schmid präsidiert, kann ich es mir nicht verkneifen, einmal
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Rufvorzulesen, was Kollege Professor Carlo Schmid im Parlamentarischen Rat am 6. Mai 1949 laut Sitzungsprotokoll zur Begründung der Voranstellung der Grundrechte im Grundgesetz gesagt hat.
Er sagte — und das ist auch unsere Meinung —:Das Grundgesetz selbst beginnt mit dem Abschnitt über die Grundrechte. Diese Grundrechte wurden im Gegensatz zur Weimarer Verfassung an den Anfang des Ganzen gestellt, weil klar zum Ausdruck kommen sollte, daß die Rechte, deren der Einzelmensch bedarf, wenn anders er in Würde und Selbstachtung soll leben können, die Verfassungswirklichkeit bestimmen müßten.Genau das ist es. Wir sind der Meinung, daß diese Einzelrechte auch die Verfassungswirklichkeit der Betriebe bestimmen müssen. Darum geht es uns.
Herr Kollege Dr. Farthmann, in aller Freundschaft: Sie sagen, vieles von dem, was wir hier sagten, sei Theorie -- Sie nicken —,
das seien unbestimmte Rechtsbegriffe. Ihnen ist Art. i Abs. 1 Satz 1 unseres Grundgesetzes bekannt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar." Dazu müßten Sie dann auch sagen: Das ist graue Theorie, das ist ein allgemeiner, unbestimmter Rechtsbegriff, mit dein man nicht viel anfangen kann.Ich habe dazu im Kommentar zum Grundgesetz von Mangoldt-Klein nachgelesen. Dort heißt es:Darüber, daß der Satz von der Würde des Menschen nicht als eine phrasenhafte und nicht nur als eine nur ethische Deklamation, nicht als inhaltsleer oder doch nur als nicht detailliertes Bekenntnis anzusehen ist, daß er vielmehr rechtserheblich ist, besteht weitgehend Einigkeit.Meine Damen und Herren, das gilt auch für die anderen Sätze aus unseren Grundrechten, die wir der Betriebsverfassung voranstellen wollten.
Das Wort hat der Abgeordnete Geldner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Ruf hat sich in seinen rechtspolitischen und rechtssystematischen Ausführungen auf das Grundgesetz berufen. Ich möchte ihn auf das Betriebsverfassungsgesetz aus dem Jahre 1952 hinweisen, in dem es heißt: „§ 1 Grundsatz: In den Betrieben werden Betriebsräte gebildet." Das Gesetz von 1952 ist also mit Ihren Ausführungen, Herr Ruf, nicht in Einklang zu bringen.Lassen Sie mich noch einige Anmerkungen zu den Individualrechten des Betriebsverfassungsgesetzes machen. Der Regierungsentwurf und der Entwurf der Opposition zeichnen sich gegenüber dem alten Gesetz und dem geltenden Recht dadurch aus, daß sie eine Reihe von Individualrechten aufgenommen haben, die die Position der einzelnen Beschäftigten unabhängig davon stärken sollen, ob ein Betriebsrat besteht oder mit welcher Intensität er tätig ist. Im Regierungsentwurf sind diese Individualrechte in drei Paragraphen zusammengefaßt. Die Opposition hat sie in ihrer Substanz praktisch übernommen, wenn man einmal von der Übernahme von Bestimmungen aus dem geltenden Recht und dem Regierungsentwurf außerhalb des Katalogs der Individualrechte absieht. Das bedeutet, daß die Opposition einen Katalog gleichen Inhalts vorgelegt hat. Der Kollege van Delden hat soeben die Zwischenfrage gestellt, ob dieses Betriebsverfassungsgesetz nicht zu einer Bürokratisierung führe.Wenn man aber hier die Unzahl — 14 Paragraphen — der von der Opposition vorgeschlagenen §§ 75 bis 84 betrachtet, dann hält man gerade diese Frage für sehr berechtigt. Denn es ist doch eine Verbürokratisierung des Entwurfs, wenn Sie an die Stelle von 4 bestehenden 14 neue Paragraphen setzen wollen.
— Das sind doch die Tatbestände.Unabhängig davon, Herr Kollege, darf ich vielleicht einmal die Bedeutung des § 08, der Bestimmung über den Informationsaustausch, klarstellen. Hier heißt es in Ihrem Entwurf: „Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind verpflichtet, die innerbetriebliche Information zu fördern." Wenn dies nicht mehr als ein zwar freundlicher, aber unverbindlicher Appell hätte sein sollen, hätten Sie darauf verzichten können. Wenn aber § 08 eine echte Glaubwürdigkeit hätte bekommen sollen, hätte er überzeugender ausgestaltet werden müssen.
Meine Damen und Herren, unabhängig davon ist festzustellen, daß diese Rechte im Regierungsentwurf verbindlicher ausgestaltet sind als im Entwurf der Opposition. Dies zeigt sich z. B. deutlich bei dem Beschwerderecht. Im Regierungsentwurf ist für die Behandlung der Beschwerden ein sehr viel klarerer Weg vorgesehen als in dem Antrag der Opposition auf Umdruck 232. Es ist nicht nur eine Behandlung der Beschwerde, sondern auch eine Abhilfe ermöglicht worden, und das ist wohl der Punkt in dem Gesetz, auf den es dem Betroffenen ankommt.Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten schlagen daher vor, dem Koalitionsentwurf zuzustimmen, da er übersichtlicher im Aufbau, straffer in der inhaltlichen Darstellung und konsequenter in der Durchführung ist. Die Koalitionsvorschläge sind auch ehrlicher als ein langer Katalog von 14 Paragraphen, von denen die Betroffenen in der Sache nichts haben. Deshalb bitten wir Freien Demokra-
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Geldnerten, den Regierungsentwurf anzunehmen, und lehnen den Oppositionsentwurf ab.
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung.Die antragstellende Fraktion hat beantragt, erstens über jeden dieser Paragraphen gesondert abzustimmen und zweitens über die §§ 01 und 03 namentlich abzustimmen. Habe ich Sie richtig verstanden? — Dann schlage ich vor, zunächst mit der namentlichen Abstimmung zu beginnen. Soll über die §§ 01 und 03 einzeln namentlich abgestimmt werden?
— Dann beginnen wir mit der namentlichen Abstimmung über die §§ 01 und 03. —Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. An der Abstimmung haben sich 481 Mitglieder des Hauses und 20 nicht stimmberechtigte Berliner Abgeordnete beteiligt. Mit Ja haben 234 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 247. Was die Berliner Abgeordneten anbetrifft, so haben 8 mit Ja und 12 mit Nein gestimmt. Damit sind die Anträge abgelehnt.Ergebnis:Abgegebene Stimmen 481 und 20 Berliner Abgeordnete. DavonJa: 234 und 8 Berliner AbgeordneteNein: 247 und 12 Berliner AbgeordneteJa CDU/CSUDr. Abelein AdornoDr. Aigner Albervon Alten-NordheimDr. AlthammerDr. Arnold Dr. Artzinger Dr. BachBaierBalkenhol Dr. Barzel Dr. Becher
Dr. Becker
Becker BerberichBerdingBergerBewerunge BiecheleBiehleDr. BirrenbachDr. von Bismarck BittelmannBlankBlumenfeldvon BockelbergDr. BöhmeFrau Brauksiepe Breidbach BremerBremmBrück
Dr. BurgbacherBurgerDr. Czaja Dammvan Delden Dichgans Dr. Dittrich Dr. DollingerDraegervon Eckardt EhnesEngelsbergerDr. ErhardErhard ErnestiErpenbeck Dr. Evers Dr. Eyrich von Fircks Franke
Dr. Franz Dr. Freiwald Dr. Frerichs Dr. FrühDr. Fuchs Dr. Furler Dr. Gatzen GeisenhoferGerlach GewandtGierenstein Dr. Giulini Dr. GleissnerGlüsing Dr. GölterDr. GötzGottesleben Frau GriesingerDr. GruhlFreiherr von und zu GuttenbergHaase
Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. HallsteinDr. HammansHanzvon HasselHauser Dr. Hauser (Sasbach)Dr. Heck Dr. HelligeFrau Dr. HenzeDr. Hermesdorf HöcherlHöslHorstmeierHortenDr. Hubrig Hussing Dr. Huys Dr. JaegerDr. Jahn Dr. JenningerDr. Jobst JostenDr. JungmannFrau KalinkeKatzerDr. KempflerKiechle KiepDr. h. c. KiesingerFrau Klee Dr. KlepschDr. KleyDr. Kliesing KlinkerKösterKrammig Krampe Dr. KraskeFrau Dr. Kuchtner LampersbachLeichtLemmrich LensingLenze
LenzerLinkDr. Löhr Dr. Looft Dr. LudaLücke MajonicaDr. MartinDr. Marx MaucherMeister Memmel Dr. Mende MickDr. Mikat Dr. MiltnerDr. Müller Müller (Niederfischbach) Müller (Remscheid)Dr. Müller-Hermann MurschNiegelDr. von Nordenskjöld OrgaßOttPetersen PfeiferPicardPierothDr. PingerPohlmannDr. Prassler Dr. PreißDr. Probst RainerRaweReddemann Dr. Reinhard RichartsRiedel
Dr. Riedl
Dr. Rinsche Dr. Ritgen Dr. RitzRockRöhnerRösingRollmannRommerskirchenRoserRufPrinz zu Sayn-WittgensteinHohensteinSchleeSchedlDr. Schmid-BurgkDr. Schmidt Schmitt (Lockweiler)Dr. h. c. Schmücker Schneider Dr. Schneider (Nürnberg) Dr. SchoberFrau Schroeder Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Sellstedt) Schröder (Wilhelminenhof) SchulhoffSchulte Dr. Schulze-VorbergDr. Schwörer SeitersDr. Siemer SolkeSpilkerSpringorum Dr. Sprung StahlbergDr. Stark
Stein
SteinerFrau Stommel StormStraußStruveStücklenSussetvon Thadden TobabenFrau Tübler Dr. Unland Varelmann VeharVogelVogtVolmerWagner
Dr. Wagner
Frau Dr. Walz Dr. Warnke WawrzikWeber
WeiglDr. Freiherr von Weizsäcker WendelbornWernerWindelen Winkelheide WissebachDr. Wittmann
Dr. Wörner Frau Dr. WolfBaron von WrangelDr. Wulff
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8607
Vizepräsident Dr. SchmidDr. Zimmermann ZinkZoglmannBerliner AbgeordneteAmrehnBendaFrau BergerDr. GradlDr. Kotowski Müller Frau PieserWohlrabeNein SPDAdamsDr. AhrensAnbuhl Dr. ApelArendt
Dr. Arndt
Baack BaeuchleBäuerleBalsBarcheDr. BardensBatzBauer BayDr. BayerlDr. Bechert Becker (Nienberge) BehrendtBergmannBerkhanBerlin BiermannBöhm Börner Frau von BothmerBrandt
Bredl Brück Brünen BuchstallerBüchnerDr. von BillowBuschfortDr. BußmannCollet CorterierCramerDr. von DohnanyiDürrEckerlandDr. EhmkeFrau EilersDr. EndersEngholmDr. EpplerEsters Faller Dr. FarthmannFellermaierFiebigDr. FischerFlämigFrau Dr. FockeFolgerFranke
FrehseeFrau FreyhFritschGeigerGerlach
GertzenDr. GeßnerGlombig GnädingerGrobeckerDr. HaackHaar
Haase HaehserHalfmeierHansen Hansing Hauck Dr. HauffHenkeFrau HerklotzHermsdorf HeroldHirsch
Hörmann HofmannHornFrau HuberDr. HupkaJahn
Jaschke JunghansJunker Kaffka Kahn-AckermannKaterKernKillat-von CorethDr. Koch Koenig KohlbergerKonradDr. KreutzmannKrockert Kulawig LangeLangebeckDr. Lauritzen LautenschlagerFrau LauterbachLeberLempLemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. LohmarMaibaumMarquardtMarx
Matthes MatthöferFrau MeermannDr. Meinecke Meinicke (Oberhausen) MetzgerMichels MöhringDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller
Dr. Müller Müller (Nordenham)Dr. Müller-EmmertDr. MüthlingNeemannNeumannDr. NöllingDr. OettingOffergeldFrau Dr. OrthFrhr. Ostman von der Leye PawelczykPeiterPenskyPeters
Pöhler Porzner Raffert Ravens Dr. ReischlFrau RengerRichterDr. RinderspacherRohde RosenthalRoßSäcklSander SaxowskiDr. SchachtschabelDr. Schäfer Frau SchanzenbachScheuSchiller
Frau SchimschokSchirmer SchlagaDr. Schmid Schmidt (Braunschweig) Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg)Dr. Schmidt Schmidt (München) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Würgendorf)Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. SchmudeSchoettle SchollmeyerSchonhofenSchulte
Schwabe Seefeld Seibert Seidel Frau SeppiSimonDr, SlottaDr. SperlingSpilleckeStaak
Frau StrobelStrohmayrSuckTallertDr. TambléFrau Dr. TimmTönjes UrbaniakVitWalkhoffDr. Weber
Wehner Welslau Wende Wendt WestphalDr. Wichert Wiefel Wienand Wilhelm WischnewskiDr. de WithWittmann WolfWolfram Wrede WürtzWüster Wuttke Wuwer Zander ZebischBerliner AbgeordneteDr. Arndt
BühlingDr. DübberHeyenFrau KrappeLöffler Mattick Dr. SchellenbergFrau SchleiDr. SeumeSieglerschmidtFDPDr. AchenbachFrau Dr. Diemer-Nicolaus DornErtlFrau FunckeGallusGeldner Genscher GraaffGrüner HelmsJungKienbaumKirstKleinert KrallFrhr. von Kühlmann-Stumm LogemannMertes MischnickMoersch Ollesch Peters
ScheelSchmidt SpitzmüllerWurbsBerliner Abgeordnete BormSollen wir über den Rest des Umdrucks absatzweise abstimmen? Es steht einigermaßen fest, wie es um die Mehrheit bestellt ist. Ich schlage Ihnen dann vor, nicht über die einzelnen Absätze getrennt abzustimmen. Sind Sie damit einverstanden? — Ich schlage also vor, en bloc abzustimmen. Herr Ruf!
Herr Präsident, ich bitte en bloc abstimmen zu lassen, aber später über die Ziffern 4 und 5 einzeln.
8608 Deutscher Bundestag — G. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Meine Damen und Herren, der Antragsteller erklärt sich damit einverstanden, daß über den Rest des Umdrucks en bloc und nicht nach einzelnen Absätzen abgestimmt wird.
Wir stimmen über Ziffer 1, beginnend mit § 02, Ziffer 2 und Ziffer 3 en bloc ab.
— Frau Kollegin, ich spreche so laut ich kann.
Jedoch ist nicht jedermann ein Organ solcher Güte
beschert wie manch anderen Mitgliedern des Hauses.
Ich kann Sie sehr gut verstehen, Frau Kollegin, auch ohne Mikrophon.
— Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe.
Damit kein Irrtum besteht: wir stimmen jetzt über die Änderungsanträge Umdruck 232 Ziffer 1 — die Absätze, über die noch nicht abgestimmt worden ist —, Ziffer 2 und Ziffer 3 en bloc ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! —Enthaltungen? —Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt. Damit ist der Antrag, einen Teil 01 einzufügen, abgelehnt.
§ 2. — Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
§ 3. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 233*) vor. Zur Begründung der Abgeordnete Franke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der § 106 unseres Entwurfs enthält eine Einrichtung, die es im geltenden Recht nicht gegeben hat: die Einrichtung der Arbeitsgruppensprecher. Was sind Arbeitsgruppensprecher und wo sollen sie tätig werden? Die Arbeitsgruppensprecher können — wir wollen das Installieren aber nicht zwingend vorschreiben — nur in Betrieben mit mehr als 2000 Beschäftigten gewählt werden. Sie sollen keine Konkurrenz zu den jeweiligen Betriebsräten sein, sondern ausschließlich zu ihrer Unterstützung tätig werden.
In größeren Betrieben hat ein Betriebsrat — das ist jedem Kundigen klar — oft mit soviel Arbeitnehmern und damit auch mit so vielfachen Problemen zu tun, daß es für ihn einfach unmöglich erscheint, den Interessen der Arbeitnehmer und den betrieblichen Belangen gerecht zu werden. Hier soll nun die Tätigkeit des Arbeitsgruppensprechers einsetzen. Er soll sozusagen der Transmissionsriemen oder noch besser das Transportband für die Probleme der Arbeitnehmer und auch die betrieblichen Probleme sein.
Um einen Vorwurf auszräumen, der uns im Ausschuß häufig gemacht worden ist, will ich hier noch einmal eindeutig klarstellen, daß der Arbeitsgruppensprecher nicht ohne den Betriebsrat mit dem Ar-
*) siehe Anlage 3 beitgeber oder einem seiner Beauftragten verhandein kann. Er ist insoweit nicht ein Instrument gegen den Betriebsrat, sondern ausschließlich zu seiner Unterstützung konzipiert. Daraus ist zu ersehen, daß er eine große Unterstützung für den Betriebsrat darstellt. Um so unverständlicher erscheint es uns, daß die SPD und auch die FDP diese Einrichtung ablehnen. Sie verweisen hierbei auf § 3 Abs. 1 des Regierungsentwurfs, wo in einem Klammervermerk die Möglichkeit der Einrichtung von Arbeitsgruppensprechern erwähnt wird. Diese Einrichtung soli durch tarifvertragliche Regelung überhaupt erst ermöglicht werden. Meine Damen und Herren, wer den Widerstand gegen eine solche Einrichtung aus einer bestimmten Ecke kennt, der weiß, daß es solche tarifvertraglichen Regelungen nicht geben wird. Uns ist auch diese tarifvertragliche Regelung nicht ge-nog. Wir wollen die Stellung des Arbeitsgruppensprechers betriebsverfassungsrechtlich verankern.
Nun kann es sein, meine Damen und Herren, daß Sie unseren Hauptantrag ablehnen, der Ihnen unter Ziffer 1 a des Umdrucks 233 vorgelegt worden ist. Für den Fall der Ablehnung dieses unseres Hauptantrags stellen wir folgenden Ersatzantrag:
In § 3 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:
„In den Fällen der Ziffer 1 kann an die Stelle des Tarifvertrages eine Betriebsvereinbarung treten."
Meine Damen und Herren, es würde uns sehr interessieren, Ihre Begründung für die Ablehnung der Einrichtung einer solchen Betriebsvereinbarung hier zu hören.
Das Wort hat der Abgeordnete Urbaniak.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Ihrem Antrag, Kollege Franke, wollen Sie die Einrichtung der Arbeitsgruppen und der Gruppensprecher. Allgemein soll sich also im Betrieb ein Vorgang ohne Hinzuziehung der Sozialpartner oder gar der Gewerkschaften vollziehen, die mit ihrem Vertrauensmännersystem recht gute betriebliche Erfahrungen gemacht haben. Sie wollen diese Einrichtung auch so in die Nähe des Betriebsrats rücken, daß die Belegschaften verunsichert werden, wer sie denn eigentlich zu vertreten hat. Ich meine, Ihr Antrag würde eine gefährliche Entwicklung für die Arbeitnehmer einleiten und zur Zersplitterung und zu großen Ungereimtheiten führen. Wir lehnen daher diesen Antrag ab.Die Regierungsvorlage sieht in der Frage der Arbeitsgruppensprecher eine andere, zweckmäßigere Regelung vor. Sie gibt cien Tarifpartnern die Möglichkeit, über diesen Teil des Gesetzes Tarifverträge abzuschließen. Damit wird sichergestellt, daß die Zuständigkeit des Betriebsrats für die Belegschaft klargestellt wird, was die Frage der Vertretung angeht. Nur da, wo die Tarifparteien Verträge abschließen, sollten Arbeitsgruppensprecher auf der Grundlage dieser Tarifverträge gewählt werden, um die Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsgruppen-
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Urbaniaksprechern und den Betriebsräten noch zweckmäßiger zu gestalten. Ich meine, den Sachverstand der Tarifvertragsparteien hinsichtlich dieses konkreten Teils des Betriebsverfassungsgesetzes müssen wir nutzen. Hier werden alle Erfahrungen über den Einzelbetrieb hinaus zur Gestaltung der Aufgaben der Arbeitsgruppensprecher Eingang in einen Tarifvertrag finden. Sie gewähren den Tarifvertragsparteien keine Gestaltungsmöglichkeiten. Das lehnen wir ebenso ab wie Ihre ersatzweise beantragte Änderung des § 3 Abs. 1 hinsichtlich der Betriebsvereinbarung. Wir lehnen den gesamten Änderungsantrag Umdruck 233 ab.
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der eben vom Kollegen Franke begründete Antrag Umdruck 233 hat die Frage der Arbeitsgruppensprecher in Betrieben mit über 2000 Arbeitnehmern zum Inhalt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht nach § 3 Abs. i die Möglichkeit vor, auf dem Wege von Tarifverträgen Arbeitsgruppen zu bilden, wenn —so heißt es im Gesetzentwurf —
dies nach den Verhältnissen der vorn Tarifvertrag erfaßten Betriebe der zweckmäßigeren Gestaltung der Zusammenarbeit des Betriebsrats mit den Arbeitnehmern dient.
Meine Damen und Herren, diese Regelung, die der Regierungsentwurf vorsieht, ist ein Kompromiß zwischen den Koalitionsfraktionen. Das ist ein offenes Geheimnis. Wir Freien Demokraten verhehlen nicht, daß wir eine Sympathie für Arbeitsgruppen und Arbeitsgruppensprecher haben. In den Freiburger Thesen haben wir das auch angesprochen.
— Wir haben erreicht, daß nach § 3 Abs. 1 des Regierungsentwurfs — entgegen dem bisher geltenden Recht — Arbeitsgruppensprecher gewählt werden können.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön, Herr Kollege Franke.
Herr Kollege Spitzmüller, ist das nicht eine Beerdigung dritter oder vierter Klasse, da Sie doch eben gerade von dem Kollegen Urbaniak gehört haben und auch aus den anderen Diskussionen wissen, daß z. B. der DGB einer solchen Einrichtung nicht zustimmen wird?
Herr Kollege Franke, das ist keine Beerdigung erster Klasse; lassen Sie mich ruhig erst zu Ende kommen.
— Es ist auch keine Beerdigung dritter oder vierter Klasse. Herr Kollege Franke, es ist vielmehr eine Einigung in der vorgelegten Form zustande gekommen, die über Tarifverträge für die Bildung von Arbeitsgruppen einen Weg eröffnet, wo sie auf andere Weise nicht zustande gekommen sind oder nicht gebildet werden. Meine Damen und Herren, diese Formulierung beschränkt sich eben nicht auf Betriebe mit weniger als 2000 Beschäftigten. Es ist doch so, daß wir bereits positive Beispiele haben, obwohl das geltende Recht Arbeitsgruppen und Arbeitsgruppensprecher nicht vorsieht.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ruf?
Gerne, sofort — aber lassen Sie mich diesen Satz noch zu Ende bringen, Herr Kollege Ruf. Der Regierungsvorschlag ist zwar nicht so weitgehend und so detailliert wie der Vorschlag der Opposition, aber er ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir müssen, wie Herr Kollege Urbaniak auch ausgeführt hat, Erfahrungen sammeln. Wenn diese Erfahrungen vorliegen, müssen wir uns darüber unterhalten, ob das, was hier verankert ist, ausreicht oder nicht.
Meine Kollegen von der CDU/CSU, ich möchte nun noch auf eines eingehen. Es dürfte doch klar sein, daß ein Unterschied besteht zwischen einer programmatischen Zielsetzung und der Möglichkeit, sie im Rahmen einer Koalition zu verwirklichen, wenn der Koalitionspartner eine andere Auffassung vertritt.
— Herr Kollege Barzel, ich höre Ihr „Aha" mit großer Freude. Ich muß Ihnen, um auch das hier ganz klarzulegen, dieses „Aha" jetzt zurückgeben. Sicherlich erinnern auch Sie sich noch, welcher Unterschied zwischen einer programmatischen Zielsetzung und ihrer Realisierung bestehen kann, wenn Sie z. B. an den CDU-Parteitag in Berlin denken, auf dem Sie beschlossen haben, daß die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung nur in Verbindung mit einer Reform der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführen ist.
In der Koalition mit der SPD hat die CDU/CSU sich aber nicht davon abhalten lassen, die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung zu beschließen, ohne auch nur einen einzigen Schritt zu tun, der einen Hauch von Krankenversicherungsreform hätte bedeuten können.
Herr Abgeordneter Spitzmüller, eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Kalinke.
Bitte, Frau Kollegin Kalinke!
Herr Kollege Spitzmüller, gestatten Sie mir zwei Fragen. Die erste —
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Frau Kalinkeich hatte mich schon vorhin gemeldet — bezieht sichauf Ihre Hoffnungen und Erfahrungen bei den Tarifverhandlungen. Halten Sie es für möglich, daß das, was Sie jetzt als Kompromiß und Erfolg bezeichnen, bei den Tarifverhandlungen künftig anders sein wird als bisher?Eine zweite Frage. Halten Sie es für möglich, daß Sie in der Koalition die Kostenerstattung als Folge Ihres damaligen Versprechens hinsichtlich der Lohnfortzahlung für alle Versicherten durchsetzen werden?
Frau Kollegin, auf die erste Frage antworte ich Ihnen wie folgt. Ich bin der Meinung, daß wir alle uns immer in einem Lernprozeß befinden. Ich bin der Meinung, daß auch Arbeitnehmer, Arbeitnehmervertreter und Arbeitgebervertreter durchaus in der Lage sein werden, ihre bisherigen Standpunkte zu überprüfen. § 3 Abs. 1 Ziffer 1 gibt Ihnen hierzu die Möglichkeit, und in einigen Fällen wird davon Gebrauch gemacht werden.
Frau Kollegin Kalinke, davon bin ich allerdings zutiefst überzeugt.
Über das in Ihrer zweiten Frage angeschnittene Thema werden wir mit unserem Koalitionspartner natürlich noch zu sprechen haben. Sehr verehrte Frau Kollegin Kalinke, über die Frage „Kostenerstattung, ja oder nein?" ist sich aber auch die große CDU/CSU nicht einig geworden, als sie im Besitz der absoluten Mehrheit war.
Um wieviel schwieriger wird es dann sein, zwischen zwei Parteien hier zu einer Einigung zu kommen!
Meine Damen und Herren, ich möchte eines noch einmal klar und deutlich herausstellen. Für diese Legislaturperiode sind die Koalitionsvereinbarungen von 1969 und die Übereinkünfte, die zwischen den Koalitionsfraktionen in weiteren Fragen im einzelnen erzielt werden, maßgebend. Diese Koalitionsvereinbarungen sind eine gemeinsame Geschäftsgrundlage, die — im Gegensatz zu 1961 — in ihren Zielsetzungen oder in ihren Details von keinem der Partner in Frage gestellt wird. Ich glaube, auch das muß man einmal klar und deutlich ansprechen.
Ich möchte noch ein Weiteres ansprechen. In diesem Gesetz gibt es Punkte, die die SPD lieber anders geregelt wissen wollte, ebenso wie wir an einigen Punkten andere Regelungen für sinnvoller halten würden. Aber wir haben einen Kompromiß auf der Basis gegenseitiger Zugeständnisse, auf der Basis gegenseitigen Verständnisses gefunden, und die Koalitionspartner werden sich daran halten.
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, Sie können nicht bestreiten, daß in den Ausschußberatungen in vielen Punkten bessere Regelungen gefunden wurden, als sie ursprünglich im Regierungsentwurf enthalten waren, weil im Ausschuß nämlich — ich habe leider an den Ausschußsitzungen nicht teilnehmen können, weil ich immer im anderen Ausschuß festgehalten bin, aber ich habe die Protokolle
sehr aufmerksam gelesen — der Wille zur Zusammenarbeit bestand, um ein gutes, ein richtiges, ein grundlegend neues Gesetz zu schaffen. Was in § 3 Abs. 1 Ziffer 1 enthalten ist, ist ein erster Schritt. Ich gebe zu, er geht nicht so weit, wie Sie ihn wollen. Aber wir sind mit diesem ersten Schritt in dieser Richtung zufrieden, und wir sehen deshalb keine Möglichkeit, Ihrem Antrag zuzustimmen, sondern wir halten an dem fest, was im Ausschuß gefunden worden ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Franke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe durchaus Verständnis dafür, Herr Kollege Spitzmüller, daß man Koalitionsabsprachen halten muß. Man muß Koalitions- und sonstige Absprachen sogar in der eigenen Fraktion eingehen; denn es gibt eine nicht vorprogrammierte Meinung. Aber nachdem wir über 80 Änderungsanträge im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit Mehrheit angenommen haben, wobei wir eine ganze Reihe von Änderungsanträgen zu § 2 usw., insgesamt 23 Änderungsanträge — abgelehnt haben, weil sie unserer Konzeption nicht entsprachen, hätten wir von Ihrer Durchsetzungsmöglichkeit etwas mehr erwartet. Es hat keinen Änderungsantrag von uns gegeben, bei dem Sie Ihre eigene Meinung, die mit unserer völlig identisch war, etwa auch hätten durchsetzen wollen. Sie haben ja nicht einmal den Willen erkennen lassen, Ihren Koalitionspartner zu beeinflussen, in dieser Richtung tätig zu werden.
Ich halte das für einen sehr bedenklichen Stil, wenn vorher irgendwo in einem Kreise außerhalb des Parlaments Dinge so vorprogrammiert werden, daß das Parlament nicht mehr in der Lage ist, hier eine Änderung zu treffen.
Die Korrektivfunktion, die Sie angeblich haben wollen —
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Herr Präsident, ich will erst meinen Satz beenden. — Die Korrektivfunktion, die Sie hier angeblich deutlich machen wollen, haben Sie bei der Beratung des Betriebsverfassungsgesetzes nicht deutlich gemacht.
Herr Kollege Franke, würden Sie mir zustimmen, wenn ich feststelle, daß zur Zeit der Großen Koalition im Kreßbronner Kreis praktisch alles vorgekaut wurde?
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Das ist gar nicht wahr. Ich selbst habe oft genug gegen die Beratungen oder gegen die Beschlüsse, auch in persönlicher Auseinandersetzung mit meinem Fraktionsvorsitzenden, diskutiert und Änderungen erreicht, denen sich der andere Koalitionspartner dann anschließen mußte; ich denke an den Bereich des Lohnfortzahlungsgesetzes. Aber das machen Sie nicht. Das wird nicht sichtbar. Bei den Fragen, die Ihren Parteitagsbeschlüssen entsprechen, haben Sie sich in dieser Koalition nicht durchgesetzt. Das gilt es hier festzustellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke dem Herrn Präsidenten, daß er mir genau wie vorhin dem Kollegen der CDU die Möglichkeit einer sofortigen Erwiderung auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Franke gibt. Erstens. Unsere Freiburger Parteitagsbeschlüsse sind Thesen und Programmmatik. für die Politik, die nach 1973 angestrebt und verwirklicht werden soll.
Zweitens, Herr Kollege Franke, haben wir unsere Korrektivfunktion in diesem Gesetz ausdrücklich manifestiert. Denn diese 40 Änderungen, die durchgeführt wurden, wurden ja mit unseren Stimmen durchgeführt. Die SPD ist ein so fairer Koalitionspartner, daß sie niemals bereit gewesen wäre, Änderungen durchzusetzen, denen wir nicht zustimmen. Genauso stimmen wir Änderungen nicht zu, bei denen die SPD nicht ja sagen kann. Das ist praktische Koalitionspolitik.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Zunächst eine Frage an die Antragsteller. Falls Ziffer 1 a abgelehnt werden sollte, wird dann Ziffer 1 b nicht automatisch gegenstandslos?
— Nach Ziffer 1 a werde ich dann über Ziffer 2 abstimmen lassen.
Wir stimmen über Ziffer 1 a ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit der gleichen Mehrheit wie bei der namentlichen Abstimmung abgelehnt.
Nunmehr Ziffer 2. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dasselbe Ergebnis; abgelehnt.
§ 3. Wer § 3 in der Ausschußfassung zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Zwei Enthaltungen; sonst einstimmige Annahme.
§ 4. Es liegt kein Antrag vor. Wer § 4 zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
§ 5. Hier liegt ein Änderungsantrag vor. Sie finden ihn auf Umdruck 234 *). Ich rufe zunächst Ziffer 1 des Umdrucks 234 (neu) auf. Das Wort hat Herr Abgeordneter Böhme. — Herr Abgeordneter Böhme, Sie haben das Wort, oder wollen Sie es nicht?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich hatte mich eigentlich erst zu § 5 Abs. 3 gemeldet, Herr Professor Schellenberg. Deshalb habe ich etwas gezögert. Ich stehe aber nicht an, den ganzen § 5 zu meinen.Die CDU/CSU-Fraktion beantragt — und zwar in namentlicher Abstimmung — die Ersetzung des § 5 Abs. 3 durch die auf Umdruck 234 unter § 5 Abs. 3 ausgewiesene Definition und die Einfügung der §§ 73 e bis 73 1 und dadurch die Gewährung der geforderten Sprecherausschüsse für die leitenden Angestellten.Gern benutze ich diese Gelegenheit, erneut auf die Problematik und Problemstellung der leitenden Angestellten und auf ihre wachsende und heute schon nicht mehr wegzudenkende Bedeutung für unsere Volkswirtschaft hinzuweisen. Die Funktionen der leitenden Angestellten im Betriebe — nämlich die von ihnen durchgeführten Unternehmeraufgaben, ihre Ausgleichsfunktion zwischen Arbeitnehmern und Unternehmer, ihre Vorgesetztenstellung, ihre Planungsaufgaben — weisen ihre besonderen Aufgaben aus, nicht zu vergessen ihre Eigenverantwortlichkeit in der Tätigkeit, d. h. die Freiheit von fachlich begrenzenden Weisungen und damit die Erarbeitung der Grundlagen für solche Weisungen an andere, wie sie eindeutig im Hearing von den Industriepersonalabteilungsleitern angesprochen worden sind.Bewußt haben wir deshalb in unserer Definition auf die Ausweisung einer handelsrechtlichen Zeichnungsberechtigung wie auch einer Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis verzichtet. Beides kann zwar Teil einer Weisungs- und Leitungsbefugnis sein, muß es aber nicht sein. Wenn es so wäre, dann wäre es immerhin nur ein kleiner Teil der Unternehmeraufgabe und für das Unternehmen nicht einmal die vornehmste dieser Aufgaben.Die wachsende allgemeine Bedeutung der leitenden Angestellten wird heute auch von den Gewerkschaften erkannt, führt die Gewerkschaften allerdings zu dem Schluß, daß die leitenden Angestellten in die Arbeitnehmersolidarität zu integrieren seien. Sie übersehen dabei, daß eine unüberbrückbare Interessenkollision entsteht, in die die leitenden Angestellten geraten würden. Vor diesem Schritt, meine Damen und Herren von der SPD/FDP-Koalition, möchte ich Sie warnen. Denn er würde Sie*) Siehe Anlage 4
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8612 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Dr. Böhmezwingen, die in § 5 Abs. 3 Ihres eigenen Gesetzentwurfs, in der Fassung des Ausschusses nunmehr enthaltene, unserem Gesetzentwurf wesentlich angenäherte und auch vernünftigere Definition und Abgrenzung des Kreises der leitenden Angestellten zu negieren. Oder wie soll ich die vom DGB in Auftrag gegebene Sampel-Untersuchung verstehen, die sowohl die außertariflichen Angestellten wie auch die höheren Tarifgruppen in den Kreis der leitenden Angestellten einbezieht? Abgesehen davon, daß sie bei 362 Befragungen — bei 300 000 leitenden Angestellten —, auch ohne Berücksichtigung der Suggestivfragen, keine repäsentative Aussage hergeben kann. Ich gebe Ihnen recht, Herr Dr. Farthmann, daß dieses Gutachten sicherlich katastrophal schlecht war.Vom DGB und auch von der DAG werden heute den leitenden Angestellten Konzept uni Konzept zu einer möglichst schmackhaften Integrierung angeboten. Es ist die reinste Konzeptkonkurrenz, wie selbst DGB-Mitglieder auf dessen Angestelltentag in Mainz bestätigt haben. Nur die klare Aussage der leitenden Angestellten selbst, die hier mit dem Antrag der CDU/CSU eingebracht wird, wird zwar emotionell aber, wie es scheint, solidarisch abgelehnt.Der Kollege Farthmann hat aus Anlaß der ersten Lesung des Gesetzentwurfs ausgeführt, daß man sich über die Entwicklung der leitenden Angestellten nicht klar sei und daher abwarten wolle, wohin sie tendierten. Herr Farthmann, ich gebe Ihnen recht: vor 19 Jahren war das sicher der Fall. Dementsprechend hat man den leitenden Angestellten damals im Rahmen des § 4 Abs. 2 c eine Objektstellung in der Betriebsverfassung gewährt. Aber in den verflossenen 19 Jahren hat sich klar gezeigt, wohin die leitenden Angestellten tendieren. Mehr als 90 % der leitenden Angestellten in den befragten Betriebenund insbesondere auch in der Einheitskohlegesellschaft trotz der dort stattgefundenen Pressionen — haben für eigene Sprecherausschüsse gestimmt. Durch ihre entsprechend der anwachsenden Produktionskapazität der Bundesrepublik gestiegene Zahl und die daraus entstandene Notwendigkeit einer kollektiven Behandlung durch den Unternehmer hat sich die Notwendigkeit einer kollektiven Vertretung ihrer Interessen, und zwar anderer Interessen als die der anderen Arbeitnehmer, klar gezeigt. Ein Teil der Unternehmer, und zwar die einsichtigen, hat diesem Bedürfnis durch freiwillige Schaffung des Sprecherausschusses Rechnung getragen. Gerade aber das zeigt die Notwendigkeit der gesetzlichen Schaffung solcher Ausschüsse bei den nicht Einsichtigen.Die leitenden Angestellten treffen 80 % aller betrieblichen Entscheidungen. Sie sind zum großen Teil überhaupt der Motor des betrieblichen Geschehens. Die Funktion gibt den Ausschlag und nicht ein von vielen Mißgünstigen oft genanntes Prestige. Es ist einfach nicht mehr vertretbar, sie in einer Objektstellung der Betriebsverfassung zu belassen. Gerade im Zeichen der Demokratisierung der Betriebe gebührt ihnen endlich die Gewährung der Rechte, die den anderen Partnern der Betriebsverfassung seit zwei Jahrzehnten gewährt. werden. Ich wiederhole deshalb meinen Hinweis aus der ersten Lesung auf die Worte des Bundeskanzlers: Wagen Sie mehr Demokratie! Gewähren Sie einer staatstragenden Gruppe endlich ihre eigenen Vertretungsrechte!Es wird vielfach gefragt, welche Aufgaben die Sprecherausschüsse haben sollten; man könne sie aus dem CDU/CSU-Entwurf nicht klar erkennen. Zutreffend ist, daß die Formulierungen vorsichtig und zurückhaltend sind. Das ist auch richtig, denn es gilt, praktische Erfahrungen zu sammeln und sie in einer weiteren Novellierung dieses Gesetzes in neuen Bestimmungen einzufangen. Zu sagen, daß die jetzige Entwurfsbestimmung keine Kompetenzen enthalte, ist jedoch einfach unzutreffend. Selbst die Kompetenz zum Abschluß von normativen Vereinbarungen ist im Entwurf enthalten.Dies alles werden mir die Kollegen von der FDP, die sich ja kürzlich noch intensiv mit dem Schicksal der leitenden Angestellten befaßt haben, bestätigen. Meine Damen und Herren von der FDP, Sie haben die stetig wachsende Bedeutung der Gruppe der leitenden Angestellten innerhalb unserer Bevölkerungsstruktur erkannt und auf Ihrem letzten Parteitag zielstrebig beschlossen, in den leitenden Angestellten Ihr zukünftiges Wählerpotential zu sehen.
I Das ist legitim! Aber es hat zur Folge, daß Sie dann auch die Forderungen der leitenden Angestellten, denen Sie sich ja auf Ihrem Parteitag selbst zugesellt haben, durch Ihre Stimmen in diesem Hohen Hause unterstützen müssen.
Lassen Sie Ihren Worten die Tat folgen. Allein, Sie tun es nicht. Selten hat eine Partei so schnell Gelegenheit bekommen, ihren neuen Akzenten Gewicht zu verleihen, aber selten auch ergab sich für die Wählerschaft so schnell die Möglichkeit, zu prüfen, wie groß der Wahrheitsgehalt der Aussagen einer Partei ist, und diese Prüfung, meine Damen und Herren von der FDP,
werden Sie bei Ihrem Nein zu den geforderten Sprecherausschüssen nicht bestehen.
Es bleibt zu fragen, warum Sie sich der Freiheit der Entscheidung derart begeben haben, daß Sie nicht Ihrem erklärten Willen entsprechend hier und heute abstimmen können. Glauben Sie nicht mehr an Ihre Wählerschaft als Basis für das Überleben Ihrer Partei? Folgen Sie deshalb den Argumenten einer anderen Partei, einer Partei, deren Überzeugungen nicht der Auffassung der Wählerschaft Ihrer Partei entsprechen?
Herr Kollege Böhme, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kleinert?
Deutscher Bundestag — G. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8613
Ich hin sofort fertig, ich bin beim letzten Satz.
Meine Damen und Herren, ein Gesetz, das die demokratischen Rechte einer bedeutenden Gruppe der Gesamtheit vorenthielte, das zu einer Unterdrückung von bedeutenden Minderheiten führen würde, wäre im Rahmen der Fortentwicklung der Betriebsverfassung rückschrittlich, wäre ein schlechtes Gesetz, selbst dann, wenn den Arbeitnehmern in einzelnen Punkten mehr Rechte als im bisher geltenden Gesetz gewährt werden oder gewährt würden. Man sollte es so nicht gutheißen. Ich bitte daher unserem Antrag zuzustimmen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kleinert? — Herr Abgeordneter Kleinert, Sie hatten um eine Zwischenfrage gebeten.
Herr Kollege, glauben Sie nicht, daß es wichtiger ist, das politisch Machbare für eine Gruppe zu erreichen, von der man, wie wir das allerdings tun, glaubt, daß sie den eigenen Ansichten in besonderer Weise verbunden ist? Glauben Sie, daß es wichtiger ist, aus dem sicheren Hort eines Mannes, der weiß, daß er in seiner eigenen Fraktion wegen der unterschiedlichsten Auffassungen zu diesem Thema ohnehin nicht zum Zuge kommt, Forderungen aufzustellen, die sich dann mit Sicherheit nicht durchsetzen lassen?
Herr Kollege, erlauben Sie, daß ich mit einer Gegenfrage antworte: Meinen Sie, daß deshalb namentliche Abstimmung beantragt ist das ist Punkt 1 —, und halten Sie es — Punkt 2 — zur Zeit für nicht machbar, daß die leitenden Angestellten die Sprecherausschüsse bekommen, wenn Ihre Fraktion dem zustimmen würde?
Das Wort hat der Abgeordnete Nölling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben Anlaß zu glauben, daß die Kritik des Kollegen Franke und die Kritik des Kollegen Dr. Böhme aus der Enttäuschung darüber entspringen, daß es der Opposition nicht gelungen ist, in diesen Fragen einen Keil zwischen die Koalitionsfraktionen zu treiben.
Wir haben es im Ausschuß erlebt und werden es auch heute wieder erleben, daß diese Kritik die beiden Koalitionsfraktionen nicht davon abhalten wird, den Gesetzentwurf in allen Teilen so, wie er verabredet ist, zu tragen.
Ich möchte auch an das erinnern, was der Kollege Spitzmüller mit Recht gesagt hat: In diesem Hohen
Hause ist noch niemals ein gesellschaftspolitisch wichtiges Gesetz verabschiedet worden, das gleichzeitig alle drei Fraktionen voll befriedigt hätte. Ich glaube auch, daß der Anspruch der Opposition, dieses Gesetzes müsse ihren Erwartungen in vollem Umfang entsprechen, den Forderungen nicht gerecht wird, die man an ein derart umstrittenes Gesetz normalerweise stellen muß.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gewandt?
Ja, bitte sehr!
Kann ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß es Ihnen in erster Linie darum geht, Verabredungen durchzusetzen, und erst in zweiter Linie darum, sachlich zu argumentieren?
Herr Kollege Gewandt, Sie dürfen unterstellen, daß wir uns, bevor wir solche Abreden treffen, Gedanken darüber machen, was gesetzgeberisch geregelt werden sollte. Sie werden die Geduld haben, meinen Ausführungen zuzuhören, um den Grund dafür zu erfahren.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Nein, im Moment nicht, Herr Kollege Dr. Böhme.
Meine Damen und Herren, wir haben es bei der Frage der Einbeziehung der leitenden Angestellten zweifellos mit einem Problem zu tun, das in den letzten Jahren besonders aktuell geworden ist. Man wird auch sagen können, daß es durch die Beratungen die Betriebsverfassung intensiviert worden ist. Die Ursachen dafür liegen vor allem in der wachsenden Zahl dieser Beschäftigtengruppe und in der Schutzbedürftigkeit, die mit dem Anwachsen ihrer Zahl untrennbar verbunden ist, nämlich der Schutzbedürftigkeit durch kollektivrechtliche Regelungen, weil sich gezeigt hat, daß nicht in allen Fällen, in denen die Interessen dieses Personenkreises auf dem Spiel stehen, einzelvertragliche Absicherungen ausreichend sind. Bisher — das hat der Kollege Farthmann stark betont — geht unsere Betriebsverfassung davon aus, daß der Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit nur dann über eine wirksame Interessenvertretung des Faktors Arbeit gemildert werden kann, wenn diese Interessenvertretung durch ein einheitliches Organ erfolgt. Das ist der bisher generell akpeztierte Grundsatz unseres Betriebsverfassungsrechts. Diesen Grundsatz will die Opposition wegen des Anwachsens dieser Gruppe zum erstenmal in der Geschichte unserer Sozialordnung durchbrechen.
Meine Damen und Herren, wir haben uns nicht darauf verstehen können, diesen Antrag der Opposition zu akzeptieren. Wir gehen dabei von folgenden Überlegungen und Fragen aus. Wir meinen, daß
8614 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Dr. Nölling
es nicht im Interesse der leitenden Angestellten läge, wenn als Konsequenz des CDU-Antrags folgendes geschähe.
Erstens. Eine Konkurrenz zwischen selbständigen Vertretungsorganen könnte insgesamt zu einer Schwächung der Arbeitnehmervertretung führen. Nicht zu Unrecht hat im Dezember 1970 die Zeitschrift „Junge Wirtschaft" zu diesem Problem festgestellt: „Ein zweiter Betriebsrat wäre ein Unding."
Zweitens. Die leitenden Angestellten können kein Interesse daran haben, daß ihre Vertretungen in den Geruch gelber Gewerkschaften oder, hierauf bezogen, gelber Betriebsräte kommen, wie wir sie aus früheren Zeiten kennen.
Drittens. Das berechtigte Anliegen der Gruppe der leitenden Angestellten würde dadurch entwertet, daß ein Verteidigungsorgan geschaffen wird, das ein Organ minderen Rechts ist und praktisch nichts zu sagen hat. Der Kollege Dr. Böhme hat gefragt, warum wir nicht bereit seien, die gleichen Rechte zu gewähren, die die Betriebsräte seit 20 Jahren haben. Diese Frage muß ich zurückgeben: Warum weist der Gesetzentwurf der Opposition keine substantiellen Rechte für die Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten aus? Dort, wo es konkreter werden sollte, heißt es im wesentlichen: das kann geschehen, das soll geschehen. Auch das, was Sie über die normierende Wirkung von Vereinbarungen sagten, Herr Kollege Böhme, geht letzten Endes davon aus, daß man kann, wenn beide Partner wollen. Es ist also kein Zwang vorgesehen.
Meine Damen und Herren, die Inkonsequenz der Opposition auf diesem Gebiet wurde besonders deutlich durch den zunächst beantragten letzten Abschnitt des § 5 Abs. 3, wo die Rede davon war, daß bei Konflikten über die Abgrenzung der leitenden Angestellten der Betriebsrat entscheiden solle, d. h. das Organ, das die leitenden Angestellten nach Ihrem Willen gar nicht bestimmen können. Der Betriebsrat sollte also darüber entscheiden, wer leitender Angestellter ist und wer nicht. Sie haben, wie wir vor etwa einer halben Stunden aus Ihrem neuen Umdruck 234 feststellen konnten, diesen Teil in Ihrem § 5 gestrichen. Ich glaube, Sie haben recht daran getan, ihn hier nicht weiter zur Debatte zu stellen, und zwar vor allem aus den Gründen, die ich genannt habe.
Wir sind auf diesem nach wie vor problematischen Feld aus guten Gründen vorsichtiger als die Opposition und müssen feststellen, daß das Problem in der Tat noch nicht so weit ausdiskutiert ist, daß man es in eine endgültige Gesetzesform gießen könnte.
Die Kernfrage, vor der wir stehen und die wir in den nächsten Jahren zweifellos beantworten müssen, lautet deshalb: Liegt es tatsächlich im wohlverstandenen Interesse der im einzelnen ja sehr heterogenen Gruppe der leitenden Angestellten, ihre Rechte in einer einheitlichen Interessenvertretung im Betrieb unter Betonung gewisser substantieller institutioneller Absicherungen gewahrt zu sehen, oder müssen wir eine Lösung suchen, die bestimmte Konstruktionen von Sprecherausschüssen denkbar erscheinen läßt, die die von mir aufgezeigten wichtigen gesellschaftspolitischen und betriebsverfassungsrechtlichen Einwände vermeidet? Das ist das Kernproblem, mit dem wir uns auch nach dieser Diskussion zu befassen haben. Wir sind der Meinung, daß beim gegenwärtigen Stand der Diskussion die Frage der betriebsverfassungsrechtlichen Verankerung der leitenden Angestellten noch nicht abschließend, d. h. noch nicht auf unabsehbar lange Zeit, in der unzulänglichen Fassung des Oppositionsentwurfs geregelt werden sollte. Deshalb können wir meines Erachtens den leitenden Angestellten zur Zeit auch keinen größeren Gefallen tun, als die Entwicklung offen zu halten und nicht negativ zu präjudizieren, um in absehbarer Zeit zu einer besseren Regelung zu kommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Böhme hat mit sehr bewegten und auch sehr vernünftigen Worten die Position der leitenden Angestellten in unserer Gesellschaft angesprochen. Wir Freien Demokraten stimmen in der Beurteilung der Situation dieser leitenden Angestellten weitgehend mit Ihnen überein.
— Herr Kollege, lassen Sie mich doch einmal ausreden. — Wir stimmen weitgehend darin überein, daß die leitenden Angestellten eine nicht nur stark im Wachstum befindliche Gruppe von besonderer Bedeutung in unserer Gesellschaft sind, sondern in ihrer besonderen Situation in unserer Wirtschaft mit Arbeitgeberfunktion, aber Arbeitnehmereigenschaft auch eine besondere soziologische Gruppe zu werden beginnen, in manchen Bereichen sogar schon sind. Es ist gar keine Frage — das ist von mir an dieser Stelle bereits in der ersten Lesung ausgeführt worden , daß das Problem der leitenden Angestellten, die Vertretung der leitenden Angestellten und ihrer Interessen in Zukunft in einer Form geregelt werden müssen, die ihnen die gleichen Rechte und Möglichkeiten gibt, wie sie zur Zeit für die dem Betriebsrat unterstehenden Arbeitnehmer vorhanden sind. Und jetzt sind wir genau an der Stelle. Nachdem ich nämlich die wunderbare Begründung des Kollegen Böhme gesehen habe, habe ich mir wieder einmal, nachdem ich es schon mehrmals getan hatte, Ihren Antrag angeschaut. Da aber muß ich Ihnen sagen: dafür ist hier zuwenig drin; das ist zu leicht befunden. Das gilt auch dann, Herr Kollege Ruf oder Herr Kollege Dr. Böhme, wenn Sie sich einmal die Mühe machen, das zu lesen, was wir auf unserem Parteitag in Freiburg zur Frage der leitenden Angestellten formuliert haben.
Ich will Ihnen diese These mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten kurz vorlesen:Die leitenden Angestellten haben grundsätzlichdie gleichen sozialen Rechte wie jeder Arbeitnehmer im Betrieb. Ihrer besonderen Stellung
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8615
Schmidt
als Angehörige der Betriebsleitung und der Belegschaft ist entsprechend Rechnung zu tragen. Sie schließen sich zur Vertretung ihrer sozialen und personellen Interessen zusammen und wählen hierfür einen Ausschuß der leitenden Angestellten. Dieser arbeitet mit dem Betriebsrat zusammen.Herr Kollege Ruf, seit gestern haben Sie schon wieder einen Lernprozeß durchgemacht. Bis heute früh in Ihrem Antrag stand ja noch, daß der Betriebsrat und der Arbeitgeber entscheidet, wer nun leitender Angestellter ist, und die von Ihnen so verpönte Einigungsstelle als oberstes Organ, die darüber entscheidet. Inzwischen haben Sie einen Lernprozeß durchgemacht, und Ihr neuer Antrag, der seit einer halben Stunde vorliegt, sieht etwas anders aus, aber nur in diesem Punkt.Aber welche Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte gleicher Art räumen Sie denn schon den leitenden Angestellten im Betrieb ein? Wie weit sind denn die leitenden Angestellten mit ihren Interessen durch den von Ihnen vorgesehenen Sprecherausschuß genauso vertreten? — Herr Kollege Dr. Böhme, das wissen Sie selber ganz genau. Weil Sie sich aber so freuen, was Sie nun vielleicht in Ihrer Verbandszeitung schreiben können, will ich Ihnen einmal etwas anderes sagen. Ihre Vorstellung, jedenfalls was die Einigungsstelle anging — und ich kann mir vorstellen, daran hat sich nichts geändert —, ist bei den Betroffenen auch nicht gerade auf sehr fruchtbaren Boden gefallen.
— Die Thesen, die wir in Freiburg entwickelt haben,
sehen gleiche Rechte der Mitwirkung und Mitbestimmung für die Sprecherausschüsse vor. Bereits in der ersten Lesung haben wir in diesem Haus deutlich gemacht — ich habe es soeben noch einmal erwähnt —, daß wir den Entwicklungsprozeß der leitenden Angestellten zuerst noch durchdenken müssen. Das gilt auch für die dort zum Teil noch unterschiedlichen Auffassungen. Es ist nämlich ein sehr großer Unterschied, ob Sie in einem größeren Betrieb mit größeren Gruppen viele leitende Angestellte oder in einem kleineren Betrieb nur wenige leitende Angestellte haben. All das muß erst durchdacht werden. Das kann man nicht über den Daumen peilen. Deshalb haben wir bereits vom Beginn der Beratung dieses Gesetzes an deutlich gemacht — das steht in völligem Einklang mit unseren Freiburger Thesen —, daß wir den leitenden Angestellten Raum gewähren, zunächst einmal bei den noch vorhandenen Entwicklungsprozessen selbständig solche Sprecherausschüsse mit allen Möglichkeiten zu bilden, auch mit der Möglichkeit, durch Vereinbarung gleiche Rechte durchzusetzen. Dies ist in dem vorliegenden Gesetzentwurf durch die klare Abgrenzung der leitenden Angestellten in § 5 Abs. 3 geschehen. Damit wird klargestellt, daß sie insoweit vom Betriebsrat unabhängig sind. Wir waren uns mit unserem Koalitionspartner einig, daß wir die vorhandenen Entwicklungen abwartenwollen und daß wir im Sinne unserer Thesen und den Vorstellungen, die der Kollege Nölling entwikkelt hat, sehen werden, wie wir den freien Raum in Zukunft ausfüllen, jedenfalls nicht mit einer unzulänglichen Lösung, die die leitenden Angestellten lediglich pro forma befriedigt und mit der Sie, Herr Kollege Böhme, bei Ihren Berufskollegen sicherlich noch manchen Arger haben werden.Wir lehnen diesen Antrag ab.
Das Wort hat der Abgeordnete Franke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Streit um die Definition des leitenden Angestellten ist so alt wie das Betriebsverfassungsgesetz. Nur hat dieses Problem gerade in den letzten zwei Jahren hier eine besondere Aktualisierung erfahren. Das liegt einfach an der großen Zunahme und an der bedeutenden Stellung, die diese soziologische Gruppe in unserer Gesellschaft erworben hat.
Wenn ich den Ausführungen von Herrn Schmidt und von Herrn Nölling folge und wenn ich sie richtig verstanden habe, wollen sie die endgültige Einordnung dieser von uns allen als sehr bedeutend anerkannten Gruppe einer neuen Betriebsräteordnung überlassen. Meine Damen und Herren, das muß nicht unbedingt 19 oder 20 Jahre dauern. Aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dauert der Prozeß der Formulierung eines neuen Betriebsverfassungsgesetzes, insbesondere wenn wir Ihren Denkprozeß und vor allem die Geschwindigkeit, mit der Sie da vorangehen, in Betracht ziehen, mindestens einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dieser Zeit stehen diejenigen, die in unserem Entwurf „leitende Angestellte" genannt werden, als Arbeitnehmer draußen vor. Sie sind weder als Arbeitnehmer nach Ihrem neuen Entwurf im Sinne von § 5 Abs. 3 definiert noch auf der Unternehmensseite richtig eingeordnet. Hier sagen wir: Wir können es einfach nicht verantworten, daß wir diese Gruppe, die für die Arbeit in den Unternehmen, aber auch für den Betriebsrat eine so große Bedeutung hat, von dieser Arbeit länger ausschließen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Sofort, Herr Präsident. — Ich erkläre ganz often, daß wir auch in unserer Fraktion, als wir über unsere Fassung des Betriebsverfassungsgesetzes berieten, lange über diese Fragen diskutiert haben und daß sehr kontroverse Meinungen aufeinandergeprallt sind, bis wir uns zu dieser Formulierung gefunden haben.Ich sage Ihnen als Arbeitnehmer und Gewerkschaftler, daß ich bereit bin, dieses Experiment zu wagen, um das Potential der leitenden Angestellten für die betriebsverfassungsrechtliche Tätigkeit
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8616 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Franke
in den Betrieben zugunsten der Betriebe und der Arbeitnehmer zu mobilisieren.
Aber Sie verschieben das auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Buschfort?
Herr Kollege Franke, darf ich, wenn ich Ihren Denkprozeß von vorhin richtig verfolgt habe, unterstellen, daß Sie davon ausgehen, daß während der nächsten 10 Jahre die Sozialdemokraten regieren werden?
Nein, meine
sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir diesen Gesetzentwurf hier jetzt verabschieden, müssen wir die Dinge weiter abwarten. Es ist sicher,
daß wir, wenn wir 1973 drankommen -- ich habe
mich nur mit Ihren Argumenten auseinandergesetzt
eine Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes vornehmen werden. Dann wird dieses Thema
im Vordergrund der Beratungen stehen. Aber ich
habe mich nur mit Ihrem Argument auseinander-
gesetzt, daß Sie diesen Denkprozeß noch brauchen.
Herr Kollege Nölling sagte, wir hätten mehrfach versucht, einen Keil in die Koalitionsfraktionen zu treiben. Meine Damen und Herren, was für eine Angst müssen Sie haben, wenn in einer Einzelfrage mal ein Teil der Koalition mit der Opposition stimmt, Angst bezüglich des Zusammenhalts der Koalitionsfraktionen!
Was für eine Angst müssen Sie haben! In einer für die FDP — auch nach Ihren Freiburger Beschlüssen — so wichtigen Frage, haben Sie in Ihrer Koalition nicht einmal die Freiheit, sich von Ihren Sie umarmenden Beschlüssen freizuschwimmen, und bringen nicht den Mut auf, mit uns zu stimmen.
Ich sage Ihnen noch einmal: Sie werden dieses Potential der leitenden Angestellten einfach neutralisieren, und zwar, wie Sie sehen werden, zum Schaden der im Betrieb Tätigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Franke, Sie sprachen davon, welche Angst man vor einer Abstimmung haben müsse. Es ist doch genau umgekehrt. Weil Sie sicher sind, daß Ihre Anträge abgelehnt werden, haben Sie sich darauf überhaupt erst einigen können. Das ist doch der Ausgangspunkt der Situation!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Mischnick, ist Ihnen entgangen, daß das, was wir heute vorlegen, schon seit zirka einem Jahr im Hause vorliegt?
Wenn ich davon ausgehen müßte, dann kann ich nur sagen: Es ist sehr merkwürdig, daß Sie erst über Nacht die richtigen Einfälle für Ihre eigenen Anträge haben, um festzustellen, welcher Unsinn in Ihrem eigenen Antrag stand: daß Arbeitgeber und Betriebsrat entscheiden sollen, wer leitender Angestellter ist. Das zeigt, wie wenig durchdacht das Ganze war.
Herr Kollege Franke, nun noch eine Bemerkung zur Sache selbst. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß die Entwicklung der leitenden Angestellten in den letzten fünf, sechs Jahren sehr stürmisch vorangegangen ist. Die CDU/CSU hat das Problem der leitenden Angestellten viel, viel später erkannt als wir. Jetzt versuchen Sie verzweifelt, auf diesen Zug noch aufzuspringen, ohne es bis zum letzten durchdacht zu haben.
Denn unter den leitenden Angestellten selbst ist die Frage, wie ihre eigene Vertretung auf Dauer aussehen soll, nach wie vor umstritten. Es ist nach wie vor in der Diskussion, welche Entwicklung das nehmen soll.
Der Gesetzentwurf, wie er von der Koalition getragen wird und jetzt zur Abstimmung vorliegt, eröffnet die Möglichkeit, jeder Entwicklung in Zukunft durch eine Novellierung Rechnung zu tragen. Man würde mit Ihrem Gesetzentwurf, Ihrem Änderungsvorschlag etwas festschreiben, was nach Meinung der leitenden Angestellten bis zur Stunde noch nicht ausdiskutiert ist.
Sie können sicher sein, daß wir das nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagen, sondern die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse bei der nächsten Koalitionsbildung 1973 zum Gegenstand der Vereinbarung machen werden.
Herr Abgeordneter Böhme, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Fraktionsvorsitzender der SPD, ich bin leitender An-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8617
Dr. Böhmegestellter, da haben Sie recht. Ich bin nicht leidend.Darf ich noch auf einige wenige Punkte eingehen,
und zwar zunächst auf die Ansprache von Herrn Mischnick, der auf den im Regierungsentwurf vorgesehenen Abs. 2 zurückkam. Herr Mischnick, ich möchte dazu feststellen, daß wir uns bereits im Ausschuß der besseren Erkenntnis geöffnet und diesen Absatz weggelassen haben. Wir haben diesen Absatz heute aufgrund eines Büroversehens wiedergefunden. Er wurde dann wieder herausgenommen.Nun zu der zweiten Frage, Herr Mischnick, die Sie angesprochen haben, ob das unter den leitenden Angestellten überhaupt schon ausdiskutiert sei. Vielleicht haben Sie übersehen, daß dieser Gesetzentwurf die Grenzen des Bundestages bereits einmal überschritten hatte und daß dieser Gesetzentwurf von der ULA auch Ihrer Partei zur Einbringung empfohlen worden ist. Insofern würde ich sagen, daß die leitenden Angestellten ihn sicherlich schon mehr diskutiert haben als die FDP, die es auf dem letzten Parteitag zum erstenmal getan hat.
Ich darf noch ein wenig bei Ihrer Partei bleiben. Ich bin sehr erfreut, Herr Schmidt, daß Sie jetzt sagen, die Rechte, die die Sprecherausschüsse bekommen sollen, reichten nicht aus. Ich bin ganz sicher, daß wir gern zustimmen werden, wenn Sie mehr Rechte vorschlagen.
Aber 20 Jahre sind vergangen, und man hat heute Erfahrung, was den leitenden Angestellten zusteht. Deshalb würde ich sagen: Weshalb bis 1973 warten, Herr Schmidt? Vielleicht haben Sie dann gar nicht mehr die Gelegenheit, diesen Antrag zu stellen.
Hic Rhodus, hic salta! Hier ist heute der Tag der Wahrheit!
Herr Professor Schellenberg, der Hinweis von Herrn Dr. Nölling, daß es sich bei den leitenden Angestellten um eine sehr heterogene Gruppe handle, ist meines Erachtens sehr interessant. Nur sehe ich hierin keinen Grund für eine Änderung der Grundeinstellung. Wenn Sie sich nämlich die Arbeitnehmer näher ansehen, so werden Sie erkennen, daß diese genauso heterogen sind.Als Letztes die Frage des Interessengegensatzes, die Herr Dr. Nölting angesprochen hat: daß nun nicht mehr zwei Organe in der Unternehmensverfassung die Verhandelnden sein sollten, sondern drei. Das ist nicht richtig; denn es sind einmal der Betriebsrat und der Unternehmer in der einen Zuständigkeit, und es sind zum anderen der Sprecherausschuß und der Unternehmer in dieser Zuständigkeit. Es handelt sich aber nicht um ein Dreiecksverhältnis, wohl aber um eine intensive Zusammenarbeit. Nur die direkten Interessen der leitenden Angestellten werden durch den Sprecherausschuß vertreten. Deshalb glaube ich, daß die Einheitlichkeit des Organs hier nicht gewahrt zu sein braucht, um die, wie Sie es nannten, Gegensätzlichkeit klar herauszustellen.Allerdings muß ich — das sei mein letztes Wort —
darauf hinweisen, daß es nicht richtig ist, wenn Sie, Herr Dr. Nölling, von „Gegensätzen" sprechen. Das Betriebsverfassungsgesetz von 1952, dem Sie allerdings nicht zugestimmt haben, das Sie aber sehr gern praktiziert haben, war auf dem Gedanken der Partnerschaft aufgebaut, und dabei sollte es auch bleiben.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 234 . Es ist namentliche Abstimmung beantragt.Ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben 236 stimmberechtigte Mitglieder des Hauses gestimmt. Mit Nein haben 248 stimmberechtigte Mitglieder gestimmt. Ein Mitglied des Hauses hat sich der Stimme enthalten. Von den Berliner Abgeordneten haben 8 mit Ja und 12 mit Nein gestimmt.Endgültiges Ergebnis:Abgegebene Stimmen 484 und 20 Berliner Abgeordnete. DavonJa: 236 und 8 Berliner AbgeordneteNein: 246 und 12 Berliner Abgeordnete Enthalten: 1 AbgeordneterUngültig: 1 AbgeordneterJa CDU/CSUDr. Abelein AdornoDr. Aigner Albervon Alten-NordheimDr. AlthammerDr. Arnold Dr. Artzinger Dr. BachBaierBalkenhol Dr. Barzel Dr. Becher
Dr. Becker
Becker BerberichBerdingBergerBewerunge BiecheleBiehleDr. Birrenbach Dr. von Bismarck BittelmannBlankBlumenfeldvon BockelbergDr. BöhmeFrau BrauksiepeBreidbach BremerBremmBrück Dr. BurgbacherBurgerDr. Czaja Dammvan Delden Dichgans Dr. Dittrich Dr. DollingerDraegervon Eckardt EhnesEngelsbergerDr. Erhard ErnestiErpenbeck Dr. Evers Dr. Eyrich von Fircks Franke
Dr. Franz Dr. Freiwald Dr. Frerichs Dr. FrühDr. Fuchs Dr. Furler Dr. Gatzen
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8618 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Vizepräsident Dr. SchmidGeisenhofer Gerlach GewandtGierenstein Dr. GleissnerGlüsing
Dr. Gölter Dr. GötzGottesleben Frau GriesingerDr. Gruhl Haase
Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. HallsteinDr. HammansHanzvon HasselHauser
Dr. Hauser
Dr. Heck Dr. HelligeFrau Dr. HenzeDr. Hermesdorf HöcherlHöslHorstmeier HortenDr. Hubrig Hussing Dr. Huys Dr. Jaeger Dr. Jahn
Dr. JenningerDr. Jobst JostenDr. JungmannFrau KalinkeKatzerDr. KempflerKiechleKiepDr. h. c. KiesingerFrau Klee Dr. Klepsch Dr. KleyDr. Kliesing KlinkerKösterKrammig KrampeDr. Kraske Dr. KreileFrau Dr. Kuchtner LampersbachLeichtLemmrich LensingDr. Lenz Lenze (Attendorn)LenzerLinkDr. Löhr LooftDr. LudaLücke
Majonica Dr. MartinDr. Marx MaucherMeisterMemmel Dr. Mende MickDr. Mikat Dr. MiltnerDr. Müller Müller (Niederfischbach) Müller (Remscheid)Dr. Müller-Hermann MurschNiegelDr. von NordenskjöldOrgaß OttPetersenPfeifer Picard Pieroth Dr. PingerPohlmannDr. PrasslerDr. PreißDr. ProbstRainer Rawe ReddemannDr. ReinhardRichartsRiedel
Dr. Riedl
Dr. RinscheDr. RitgenDr. Ritz RockRöhner Rösing RollmannRommerskirchenRoser RufPrinz zu Sayn-WittgensteinHohensteinSchlee Schedl Dr. Schmid-BurgkDr. Schmidt Schmitt (Lockweiler)Dr. h. c. Schmücker Schneider Dr. Schneider (Nürnberg) Dr. SchoberFrau Schroeder Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Sellstedt) Schröder (Wilhelminenhof) SchulhoffSchulte Dr. Schulze-VorbergDr. SchwörerSeitersDr. SiemerSolke Spilker SpringorumDr. SprungStahlbergDr. Stark
Stein
SteinerFrau StommelStorm Strauß Struve StücklenSussetvon ThaddenTobabenFrau TüblerDr. UnlandVarelmannVehar Vogel VogtVolmerWagner
Dr. Wagner
Frau Dr. WalzDr. WarnkeWawrzikWeber
WeiglDr. Freiherr von WeizsäckerWendelborn WernerWindelen Winkelheide WissebachDr. Wittmann
Dr. Wörner Frau Dr. WolfBaron von WrangelDr. Wulff ZieglerDr. ZimmermannZinkZoglmannBerliner AbgeordneteAmrehnBendaFrau BergerDr. GradlDr. Kotowski Müller Frau PieserWohlrabeNein SPDAdamsDr. Ahrens AnbuhlDr. ApelArendt
Dr. Arndt
BaackBaeuchle BäuerleBalsBarcheDr. Bardens BatzBauer
BayDr. BayerlDr. Bechert Becker (Nienberge) BehrendtBergmann BerkhanBerlinBiermann BöhmBörnerFrau von BothmerBrandt
BredlBrück BrünenBuchstaller BüchnerDr. von BülowBuschfortDr. BußmannColletCorterier CramerDr. von DohnanyiDürrEckerland Dr. Ehmke Frau Eilers Dr. Enders Engholm Dr. Eppler EstersFallerDr. FarthmannFellermaierFiebigDr. FischerFlämigFrau Dr. FockeFolgerFranke
Frehsee Frau FreyhFritschGeigerGerlach
GertzenDr. GeßnerGlombig GnädingerGrobeckerDr. HaackHaar
Haase HaehserHalfmeierHansen Hansing HauckDr. Hauff HenkeFrau HerklotzHermsdorf HeroldHirschHöhmann
Hörmann HofmannHornFrau HuberDr. HupkaJahn
Jaschke Junghans Junker KaffkaKahn-AckermannKaterKernKillat-von CorethDr. Koch Koenig KohlbergerKonradDr. KreutzmannKrockert Kulawig LangeLangebeckDr. Lauritzen LautenschlagerFrau LauterbachLeberLempLemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. LohmarMaibaum MarquardtMarx
Matthes MatthöferFrau MeermannDr. Meinecke Meinicke (Oberhausen) MetzgerMichels MöhringDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller
Dr. Müller Müller (Nordenham)Dr. Müller-EmmertDr. Müthling
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8619
Vizepräsident Dr. SchmidNeumannDr. NöllingDr. OettingOffergeldFrau Dr. OrthFrhr. Ostman von der Leye PawelczykPeiterPenskyPeters
Pöhler Porzner Raffert Ravens Dr. ReischlFrau RengerRichterDr. RinderspacherRohdeRosenthalRoßSäcklSander SaxowskiDr. SchachtschabelDr. Schäfer Frau SchanzenbachScheuSchiller
Frau SchimschokSchirmer SchlagaDr. Schmid Schmidt (Braunschweig)Dr. Schmidt Schmidt (Hamburg)Dr. Schmidt Schmidt (München) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Würgendorf)Dr. Schmidt-Vockenhausen Dr. SchmudeSchoettle SchollmeyerSchonhofenSchulte
Schwabe Seefeld Seibert SeidelFrau SeppiSimonDr. Slotta Dr. SperlingSpilleckeStaak
Frau StrobelStrohmayrSuckTallertDr. TambléFrau Dr. TimmTönjesUrbaniak VitWalkhoffDr. Weber
Wehner Welslau Wende WendtWestphalDr. Wichert.Wielel Wienand Wilhelm WischnewskiDr. de WithWittmann WolfWolfram Wrede WürtzWüster Wuttke Wuwer Zander ZebischBerliner AbgeordneteDr. Arndt
BühlingDr. DübberHeyenFrau KrappeLöffler Mattick Dr. SchellenbergFrau SchleiDr. SeumeSieglerschmidtFDPDr. AchenbachFrau Dr. Diemer-Nicolaus DornErtlFrau FunckeGallusGeldner Genscher GraaffGrüner HelmsJungKirstKleinert KrallFrhr. von Kühlmann-Stumm LogemannMertes Mischnick Moersch Ollesch Peters
ScheelSchmidt SpitzmüllerWurbsBerliner Abgeordnete BormEnthalten FDPKienbaumDamit ist der Änderungsantrag Umdruck 234 abgelehnt.Wir stimmen nunmehr über § 5 in der Ausschußfassung ab. Von der CDU/CSU wurde beantragt, absatzweise abzustimmen.Wir stimmen zunächst über die Absätze 1 und 2 ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. —Gegenprobe! — Enthaltungen? -- Die Absätze 1 und 2 sind einstimmig angenommen.Wir stimmen nunmehr über Absatz 3 in der Fassung der Ausschußvorlage ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie bei der namentlichen Abstimmung angenommen.Ich rufe nun § 6, § 7, § 8, § 9, § 10, § 11, § 12, § 13 auf. Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Meine Damen und Herren, zu § 14 ist eine Reihe von Änderungsanträgen angekündigt. Ich schlage vor, jetzt in die Mittagspause einzutreten. Einverstanden? — Das ist der Fall. Die Sitzung wird bis 14 Uhr unterbrochen. Um 14 Uhr beginnen wir mit der Fragestunde.
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache VI/2792
Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Logemann zur Verfügung.
Ich rufe die Frage Nr. 1 des Herrn Abgeordneten Susset auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den ruinösen Angebotsdruck bei Obst- und Gemüsekonserven aus Drittländern so abzusichern, daß die Konservenindustrie und die von der Konservenindustrie abhängigen Obst- und Gemüseerzeuger nicht nods mehr Marktanteile verlieren?
Bitte schön, Herr Staatssekretär?
Herr Kollege Susset, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die bestehenden Schwierigkeiten nur EWG-einheitlich gelöst werden können. Sie wird sich deshalb in Brüssel für eine alsbaldige Fortsetzung der gemeinschaftlichen Beratungen über eine Drittlandsregelung für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse einsetzen. Dabei wird die Bundesregierung Lösungen unterstützen, die einem berechtigten Schutzbedürfnis der Konservenindustrie und den handelspolitischen Belangen Rechnung tragen. Bis zu einer Lösung auf Gemeinschaftsebene wird die Bundesregierung -soweit dies möglich ist — auch weiterhin im Rahmen einer behutsamen Handelspolitik versuchen, Marktstörungen durch Einfuhren aus Drittländern zu vermeiden.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, trifft die Feststellung des Vorstandes der Fachgruppe Ge-
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Sussetmüsebau zu, daß die Bundesregierung in Brüssel bisher nichts unternommen hat, um zumutbare Wettbewerbsvoraussetzungen für die deutsche Obst- und Gemüsekonservenindustrie durchzusetzen?
Herr Kollege Susset, diese Behauptung trifft nicht zu. Bundesminister Ertl hat schon im Sommer dieses Jahres — am 5. Juni — bei der Beantwortung einer Frage in der Fragestunde auf die Schwierigkeiten auf diesem Gebiete hingewiesen und bereits damals erklärt, daß die Bundesregierung sich bemühe, EWG-einheitliche Regelungen zu finden. Ich kann weiter dazu sagen, daß Bundesminister Ertl gerade in den letzten Tagen Gespräche mit dem holländischen und dem französischen Landwirtschaftsminister geführt hat und übereingekommen ist, diese Probleme vor den Ministerrat zu bringen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, dann teilen Sie also nicht die Ansicht des Mitglieds des geschäftsführenden Vorstandes der Obst- und Gemüseverwertungsindustrie, Herrn Krause, daß die Auslandskonkurrenten in den Genuß von Exportsubventionen kommen, wodurch sowohl die Konservenindustrie als auch die solche Produkte produzierende Landwirtschaft natürlich entsprechend benachteiligt werden?
Das habe ich eben nicht gesagt. Wir wissen durchaus, daß hier Schwierigkeiten für die deutsche Konservenindustrie bestehen, die man aber nach unserer Auffassung EWG-einheitlich lösen muß, besonders hinsichtlich Drittländern. Das habe ich vorhin schon gesagt, als ich davon sprach, daß wir uns bemühen müssen, durch behutsame handelspolitische Maßnahmen Marktstörungen durch Einfuhren aus Drittländern zu vermeiden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Früh.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihren Antworten schließen, daß die Zusagen, die Sie uns am 16. Dezember 1970 in einer Fragestunde gegeben haben — also praktische Lösungen im Rahmen der EWG zu suchen , noch zu keinen Ergebnissen geführt haben?
Ich kann dazu nur sagen, daß wir uns laufend bemühen, diese Probleme erneut anzusprechen. Das zeigt sich ja auch darin, daß wir nun den Ministerrat damit befassen wollen, um hier einheitliche Maßnahmen zu erreichen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Jenninger.
Herr Staatssekretär, dürfen wir Ihre Antworten auf die Frage des Kollegen Susset so auslegen, daß die von der Bundesregierung zugesagte Beihilfe für die Gemüsekonservenindustrie, die noch bis Ende des Jahres verwirklicht werden soll, nicht verwirklicht wird?
Die Beihilfen sind bekanntlich vorgesehen. Es geht hier also um finanzielle Sondermaßnahmen, die Sie sicherlich meinen, und zwar einmal um einen Zinszuschuß zu den Zinslasten der Überbestände von gelagerten Gemüsekonserven — dafür sind 3,6 Millionen DM Bundesmittel 1971 vorgesehen — und zum anderen um die Beteiligung an den Zuwendungen für die Obst- und Gemüsewirtschaft, wobei für den gesamten Bereich, inklusive Erzeuger, 1971 zunächst 12 Millionen DM Bundesmittel zur Verfügung stehen werden.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön!
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß sich die Lage der Konservenindustrie nach Ihren Auskünften vom 16. Dezember 1970 nachhaltig verschlechtert hat und — nachdem Sie damals eine sehr nachhaltige und ins einzelne gehende Nachprüfung zugesagt hatten — daß fast 12 Monate danach doch endlich etwas für die Konservenindustrie geschehen müßte?
Da bin ich völlig mit Ihnen einig. Aber ich möchte ausdrücklich feststellen, daß sich der Angebotsdruck oder der — richtiger gesagt — Einfuhrdruck aus Drittländern, um hier auf eine Besonderheit einzugehen, bei Obst und Konserven im letzten Jahr etwa wie folgt entwickelt hat: Der Anteil der Drittlandsherkünfte an der Gesamteinfuhr ist von 1965 auf 1970 bei Gemüsekonserven von 46, % auf 35,8% und bei Obstkonserven von 89,8 % auf 72 % zurückgegangen. Trotzdem bleiben die Schwierigkeiten bestehen. Darauf habe ich ja eingangs hingewiesen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage Nr. 2 des Herrn Abgeordneten Susset auf:
Ist die Bundesregierung bereit, in Brüssel dafür einzutreten, daß die durch währungspolitische Maßnahmen verursachte Wettbewerbsverzerrung auf dem Konservenmarkt durch einen wirksamen Grenzausgleich wenn nicht beseitigt, so doch verringert wird?
Der EG-Ministerrat hat einen Grenzausgleich für diejenigen Länder beschlossen, die den Wechselkurs ihrer Währungen freigegeben
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Parlamentarischer Staatssekretär Logemannhaben. Ziel dieser Maßnahme ist, Rückwirkungen auf die Erlöse von Agrarprodukten fernzuhalten, deren Preise gemeinschaftlich in Rechnungseinheiten festgelegt sind, und von Folgeerzeugnissen, die solche Produkte enthalten. Für Obst- und Gemüsekonserven gibt es keine in Rechnungseinheiten festgelegten Preise und damit auch keinen Grenzausgleich. Lediglich bei stark zuckerhaltigen Konserven wird die Inzidenz des darin enthaltenen Zuckers ausgeglichen. Die Bundesregierung hat gleichwohl anerkannt, daß sich der Obst- und Gemüsebereich in besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Sie hat deshalb Sondermaßnahmen beschlossen, die auch geeignet sind, die Wettbewerbsverzerrungen in dem genannten Bereich abzumildern. Ich darf auf meine Ausführungen bezüglich finanzieller Sondermaßnahmen hinweisen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Susset.
Herr Staatssekretär, teilen Sie mit mir die Ansicht, daß sowohl die Aufwertung im Jahr 1969 als auch die Wechselkursfreigabe in diesem Jahr und die französische Abwertung dazu geführt haben, daß die Konserveneinfuhren aus Drittländern in die EWG zu 75 % auf den Märkten der Bundesrepublik abgesetzt werden müssen, während Frankreich auf Grund dieser Währungsmaßnahmen nur 12 % der in die EWG eingeführten Waren aus Drittländern auf seinen Märkten zu verkraften hat?
Ich habe vorhin schon hingewiesen auf den Anteil der Drittlandeinfuhren an den Gesamteinfuhren bei Gemüsekonserven und Obstkonserven. Zweifellos — das möchte ich hinzufügen — hatten die DM-Aufwertung und auch das Floating Auswirkungen. Aber, Herr Kollege, man muß bei diesen Auswirkungen unterscheiden zwischen Auswirkungen, die sich aus einer Marktsituation ergeben, und Auswirkungen, die infolge der Währungsveränderungen entstehen. Wir haben ja deshalb auch Sondermaßnahmen vorgesehen und durchgeführt.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, Sie haben meinem Kollegen Dr. Früh und mir im letzten Jahr auf entsprechende Anfragen Prüfungen zugesagt. Wie wir nun an Hand der Situation der Konservenindustrie in diesem Jahr feststellen, haben diese Prüfungen nicht zu den positiven Nutzanwendungen geführt, die wir eigentlich erwartet haben. Deshalb möchte ich Sie fragen: Welche konkreten Schritte gedenkt nun die Bundesregierung im Jahre 1971, also ein Jahr später, zu unternehmen, um hier nun endlich eine Chancen- und Wettbewerbsgleichheit zu ermöglichen?
L
Ich habe an sich die konkreten Schritte, die jetzt bevorstehen, angedeutet. Ich darf aber nochmals wiederholen, daß wir uns im letzten Jahr oder in diesem Jahr laufend bemüht haben, dieses Problem in der EWG einheitlich zu behandeln, daß wir uns bemüht haben, die Verzerrungen festzustellen und durch eine behutsame Handelspolitik gegenüber Drittländern Einwirkungen zu erzielen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt .
Herr Staatssekretär, lassen Ihre Gespräche mit Ihren französischen Kollegen erkennen, daß in absehbarer Zeit auf dieser Ebene für die deutsche Konservenindustrie eine Besserung zu erwarten ist?
Herr Kollege Schmidt, wir haben den Eindruck, daß die französischen Probleme den unseren ähneln, daß also dort vergleichbare Schwierigkeiten auftauchen, daß man also unter EWG-Gesichtspunkten allmählich auch in diesen Ländern Einsicht haben und versuchen wird, bestehende Schwierigkeiten so weit wie möglich zu verringern.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Früh.
Herr Staatssekretär, nachdem die Lage der deutschen Gemüse- und Konservenindustrie auch von Ihnen als sehr kritisch bezeichnet worden ist, habe ich die Frage: Sehen Sie eventuell neue Schwierigkeiten auf diese Industrie zukommen unter dem Aspekt des Beitritts Englands, nämlich im Hinblick darauf, daß gerade die südafrikanische Gemüse- und Obstverwertungsindustrie zu 85 % exportorientiert ist?
Herr Kollege Dr. Früh, die Frage steht nicht in direktem Zusammenhang mit den bisher gestellten Fragen, aber ich will versuchen, sie zu beantworten. Ich sehe eigentlich diese Schwierigkeiten nicht so sehr, denn mit Großbritannien kommt ein zweiter großer Verbrauchermarkt, der, soviel ich unterrichtet bin, eine relativ geringe Erzeugung an Obst und Gemüse hat, in die EWG hinein. Allerdings könnten sich Schwierigkeiten auf Grund der von Ihnen genannten Einfuhrmöglichkeiten ergeben, und vielleicht gibt es zusätzlich noch gewisse Entwicklungen durch Commonwealth-Einfuhren.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Jenninger.
Herr Staatssekretär, sehen Sie auch eine Möglichkeit, der Konservenindustrie beim Abbau ihrer großen Lagerbestände etwa durch zinsgünstige Kredite von seiten der Bundesreigerung Hilfe zu leisten.
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Herr Kollege, darauf bin ich vorhin schon eingegangen. Wir gewähren einen Zuschuß aus Haushaltsmitteln des Bundes in Höhe von 3,6 Millionen DM im Jahre 1971 zu den Zinslasten der Überbestände von gelagerten Gemüsekonserven. Das ist z. B. eine Möglichkeit, die wir nutzen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Bittelmann.
Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, daß Sie bemüht sind, Wettbewerbsverzerrungen zu erkennen. Wären Sie in der Lage, uns mitzuteilen, welche wirklichen Beihilfen in Frankreich und in Belgien der Konservenindustrie gewährt werden?
Die Antwort darauf kann ich Ihnen nicht mündlich geben. Wahrscheinlich wird es so sein, daß wir genaue Untersuchungen zusammentragen müssen, um festzustellen, welche Wettbewerbsverzerrungen da sind. Ich muß mit Äußerungen hierüber zurückhaltend sein, weil ich im Augenblick keine konkreten Angaben darüber habe.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Bremm.
Herr Staatssekretär, was gedenkt die Bundesregierung zur Erleichterung der Situation der deutschen Konservenindustrie zu unternehmen, wenn es in dieser Frage zu keiner europäischen Einigung kommt?
Wir werden uns dann bemühen müssen, die Dinge, die uns im Rahmen der EWG möglich sind, im Alleingang soweit zu verstärken, daß die deutsche Konservenindustrie dabei Erleichterungen bekommt. Ich gehe aber davon aus, daß von diesem Problem nicht nur die Bundesrepublik berührt ist, sondern auch Holland und Frankreich. Ich habe auf die Gespräche hingewiesen, die geführt werden, und meine, daß es doch zu gemeinschaftlichen Lösungen kommen wird.
Keine Zusatzfrage? Schönen Dank, Herr Staatssekretär Logemann!
Wie hoch ist der Wert der Leistungen der Bundeswehr für die Olympischen Spiele 1972 in München zu veranschlagen?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan.
Frau Präsident! Herr Kollege Dr. Riedl, Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich diese Frage mit großer Freude beantworte. Mitunter stehe ich hier und muß Fragen beantworten, die wesentlich unangenehmer sind.
Alle Fachleute in der Bundesrepublik und auch in der übrigen Welt sind sich darüber einig, daß Olympische Spiele heutzutage ohne Mithilfe von Soldaten kaum durchzuführen sind. Der materielle und der personelle Aufwand zur Durchführung derartiger Veranstaltungen ist so groß, daß er von privater Hand, von einem privaten Veranstalter, von einer Organisation mit großer Wahrscheinlichkeit nicht bewältigt werden kann. Die Bundeswehr unterstützt daher das Organisationskomitee für die Olympischen Spiele 1972 in jeder Hinsicht. Der Wert dieser Hilfeleistung wird von Fachleuten auf den Gegenwert von etwa 150 Millionen DM geschätzt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie wenigstens in großen Zügen sagen, mit wieviel Leuten die Bundeswehr bei den Olympischen Spielen in München tätig sein wird und welche großen Maßnahmen von ihr im einzelnen bestritten werden?
Herr Kollege Dr. Riedl, wir gehen davon aus bzw. das Organisationskomitee für die Olympischen Spiele geht davon aus, daß die aktive Mithilfe von 13 000 Soldaten notwendig ist. Da diese 13 000 Soldaten selbst wieder eine große Einheit darstellen und geführt und betreut werden müssen, gehe ich davon aus, daß am Ende alles in allem 15 000 Soldaten eingesetzt werden: 3500 Kraftfahrer, 850 Soldaten mit handwerklichen Berufen, hier insbesondere die Pioniereinheiten, 400 Feldköche; allein im Olympischen Dorf und im Pressezentrum werden 3000 Soldaten als Helfer tätig sein. Bei den Veranstaltungen z. B. des Radsports, der Leichtathletik, bei den Reitern werden als Streckenposten zur Abschirmung der Strecke für den geordneten Ablauf 2 bis 3 Bataillone Soldaten auf der Strecke benötigt— auf einer friedlichen Strecke, Herr Kollege Dr. Riedl. Das alles wird noch erweitert durch die Mithilfe von Sanitätspersonal, von Ärzten, von Flugzeugführern mit Transportflugzeugen für den Transport von olympischen Athleten, von Organisatoren, durch die Bereitstellung von Material und dergleichen mehr. Im ganzen gesehen ist es eine Riesenlast, die die Bundeswehr übernommen hat. Ich glaube — wenn Sie mir die private Meinung gestatten —, daß die Schätzung der Fachleute, nämlich 150 Millionen DM, zu gering ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wagner.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8623
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß sich der Gesamtaufwand für die Olympischen Spiele, der derzeit mit 1,972 Milliarden DM veranschlagt wird, um den von Ihnen genannten Betrag von mindestens 150 Millionen DM erhöhen wird?
Nein, davon gehe ich nicht aus, Herr Kollege, denn ich habe in die Berechnung natürlich auch ein paar Arbeiten einbezogen, die sonst von Firmen gemacht werden müßten, Da die Soldaten ohnehin dort sind und bezahlt und verpflegt werden, gehe ich nicht davon aus, daß ein zusätzlicher Bedarf in dieser Größenordnung entsteht. Aber Kosten werden natürlich entstehen. Wir werden uns alle zusammen große Mühe geben müssen und werden — ich bin froh, daß Sie mir diese Frage stellen — die Gesetze und die Haushaltsordnung und alle Regeln bis an den Rand der Legalität — nicht darüber, aber bis zum Rand — ausschöpfen müssen, um die Kosten möglichst niedrig zu halten. Ich zähle auf Ihre tätige Mithilfe, Herr Kollege.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Wende.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es sich bei dieser erfreulichen Hilfeleistung der Bundeswehr nur um eine einmalige Hilfeleistung dieser Art und dieser Größenordnung — nämlich angesichts des besonderen Anlasses — handeln kann und daß damit nicht von vornherein ein Präzedenzfall für andere und in ihrer Bedeutung nicht gleichrangige Ereignisse gegeben ist?
Herr Kollege, davon gehe ich aus. Ich glaube nämlich, daß wir nur bei einem besonderen Anlaß wie diesem den Einsatz einer so großen Zahl wehrpflichtiger Soldaten verantworten können. Wir haben ja auch die Pflicht, die Soldaten sachgerecht einzusetzen, und wir müssen der Frage eines Wehrpflichtigen, was er dort zu tun habe, begegnen können. Ich gehe davon aus, daß das ein einmaliger Vorgang ist.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, wurde der Einsatz der Bundeswehr, den ich begrüße, von den zuständigen Stellen des Olympischen Komitees von vornherein gutgeheißen, oder gab es Pläne, die Bundeswehr nur in Zivil auftreten zu lassen?
Das ist ein alter Streit. Bei Veranstaltungen, wo Soldaten organisatorische Aufgaben übernehmen, wird immer die Frage gestellt: in welchem Anzug kommen sie? Ich kann mich nicht erinnern, daß darüber Meinungsunterschiede bestanden haben. Wir haben von Anfang an auf eine entsprechende Frage erklärt: Die
Soldaten werden dort als Soldaten tätig sein; sie werden in ihren Uniformen bzw. in ihren uniformähnlichen Arbeitsanzügen dort, wo es erforderlich ist, tätig sein. Wir haben keinen Grund, sie zu verstecken. Denken Sie an andere Olympiaden! Dort sind die Streitkräfte der Länder auch aufgetreten.
Keine weitere Zusatzfrage. Schönen Dank, Herr Staatssekretär Berkhan!
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Für die Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Herold zur Verfügung. Frage 4 des Herrn Abgeordneten Niegel:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorgang beim Grenzübergang Gutenfürst, wonach eine Reisende von ,DDR"-Beamten 14 Stunden lang wegen eines in einem als „DDR"-Erzeugnis klassifizierten Pelzmantel eingenähten westdeutschen Firmenetiketts festgehalten wurde und nur freigelassen wurde mit der Auflage, den Pelzmantel in die „DDR" zu schicken, andernfalls die Angehörigen haftbar gemacht würden, im Hinblick auf den Interzonenhandel und auf die derzeit laufenden Verhandlungen mit der „DDR"?
Ich darf die Frage wie folgt beantworten. Die Bundesregierung hat mehrmals erklärt, daß sie jegliche Schikanen mißbilligt, die in irgendeiner Form Grenzgängern zugefügt werden. Wir haben auch versucht, mit Hilfe vieler Organisationen und entsprechenden Informationsmaterials, das den interessierten Personenkreisen auf Anfrage zugestellt wird, aufklärend zu wirken. Daß bei den im Augenblick laufenden Verhandlungen selbstverständlich auch darüber gesprochen wird, wie auf allen Zufahrtswegen mögliche Schikanen auszuschließen sind, ist wohl in der Zwischenzeit bekanntgeworden.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, welche Auswirkungen vom kommerziellen Standpunkt aus gesehen werden solche Schikanen haben? In diesem Fall z. B. ist der in der „DDR" hergestellte Pelzmantel nach Westdeutschland geliefert worden. Die Firma, die ihn in Westdeutschland verkauft hat, hat dann ihr Etikett darin eingenäht. Das führt doch zu gewissen Schwierigkeiten, denn die Firmen werden sagen: wir können mit der „DDR" keinen Handel mehr treiben, weil die Kunden die Produkte nicht mehr kaufen.
Hier gibt es ganz klare Richtlinien im Rahmen des Interzonenhandels, die so etwas ausschließen sollen, wenn es sich um einen normalen Vorgang handelt. Daß es Vorkommnisse gibt, die nicht als normal zu bezeichnen sind, kann man bei diesen Dingen nicht ausschließen.
Zweite Zusatzfrage.
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8624 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Hat Ihr Haus, das innerdeutsche Ministerium, den Verhandlungsführer des Bundeskanzlers, Herrn Staatssekretär Bahr, über diesen Vorgang informiert, damit er das bei den Verhandlungen mit Herrn Kohl vorbringt, und/oder hat Ihr Haus auch die für den Interzonenhandel zuständige Stelle in Berlin davon unterrichtet?
Einzelfälle spielen selbstverständlich bei Verhandlungen im Rahmen des Interzonenhandelsgeschäftes eine Rolle. Aber dieses Vorkommnis mit dem Pelzmantel zum Gegenstand der Verhandlungen zu machen, halte ich für etwas übertrieben.
Eine Frage der Abgeordneten Frau Kalinke.
Herr Staatssekretär, gibt es überhaupt vergleichbare Fälle bei Ländern, mit denen wir diplomatische Beziehungen unterhalten, oder bei Ostblockstaaten, daß Kleidungsstücke, die jemand trägt, beim Überschreiten der Grenze daraufhin geprüft werden, wo sie hergestellt sind, und was halten Sie von diesem Vorgang „im Zeichen einer Entspannung", die wir doch alle gern haben möchten?
Liebe Frau Kollegin, Sie unterstellen immer, daß die Verträge bereits ratifiziert sind. Wir sind noch mitten in den Verhandlungen. Ich habe selbstverständlich prüfen lassen, ob solche Vorfälle schon bekannt sind. Es konnte mir bisher kein zweiter Fall genannt werden.
Frage des Herrn Abgeordneten Müller.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß der gute Wille zur Versöhnung erst entsteht, wenn die Verträge abgeschlossen sind? Ist das nicht vielmehr die Voraussetzung?
Nein, ganz und gar nicht. Daß wir um Entspannung bemüht sind, brauche ich hier nicht zu betonen. Aber ich wehre mich dagegen, daß man hier immer schon Tatsachen voraussetzt, die noch nicht geschaffen sind. Wir bemühen uns um eine Entspannung. Das hat diese Bundesregierung wohl eindeutig bewiesen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Sperling.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß auch der Zoll der Bundesrepublik die von aus dem Ausland einreisenden Bundesrepublikanern getragene Klei-
dung daraufhin untersucht, aus welchem Ursprungsland sie kommt?
Herr Kollege, ich brauche das nicht zur Kenntnis zu nehmen. Das ist allgemein üblich.
Keine weitere Zusatzfrage. Schönen Dank, Herr Staatssekretär!
Wir kommen zur Frage 5 des Abgeordneten Dr. Hammans aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft:
Wie will die Bundesregierung den medizinisch-technischen Assistenten die Fachhochschulreife zuerkennen, wie der Parlamentarische Staatssekretär Dr. von Dohnanyi auf dem Technikerkongreß 1971 am 29. Oktober 1971 in Bonn-Bad Godesberg erneut bekräftigte, wenn, wie am 19. Juli 1971 dem Regierungsentwurf entsprechend und nach Einschaltung des Vermittlungsausschusses die Regierungskoalition für die MTA eine Ausbildungszeit von zwei Jahren beschloß, aber etwa 700 Stunden für allgemeinbildenden Unterrichtsstoff zusätzlich für die Fachhochschulreife erforderlich sind?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär von Dohnanyi.
Herr Kollege Hammans, Sie werden sich erinnern: Auf dem Technikerkongreß des Deutschen Beamtenbundes am 29. Oktober habe ich davon gesprochen, daß im Zuge der Reform der Sekundarstufe II — und dabei habe ich diesen Punkt beispielsweise erwähnt — auch der „Berufsabschluß der Technischen Assistenten in der Medizin" gleichzeitig eine gewisse Studienqualifikation bedeuten sollte. Auch nach dem gegenwärtigen Stand ist es den Technischen Assistenten in der Medizin möglich, in einem insgesamt drei Jahre umfassenden, einen qualifizierten Berufsabschluß und die Fachhochschulreife zu erwerben: Berufsqualifikation nach zwei Jahren und anschließend ein einjähriger Besuch der Klasse 12 der Fachoberschule. Damit stellt der genannte Berufsabschluß auch heute eine wesentliche Voraussetzung für den Erwerb der Fachhochschulreife dar.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn Sie wie ich landauf, landab gereist wären und in den Schulen von Lehrenden und Lernenden gehört hätten, daß schon jetzt die zweijährige Ausbildung für die MTA nicht ausreicht, würden Sie dann nicht auch sagen, daß es besser gewesen wäre, dem Vorschlag der Opposition zu folgen und durch unser Gesetz, welches wir im Sommer verabschiedet haben, von vornherein die dreijährige Ausbildung für alle verbindlich einzuführen, um ihnen allen am Ende die Fachhochschulreife geben zu können?
Herr Kollege Hammans, Sie werden sich
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8625
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Dohnanyi erinnern, wie das Verfahren damals lief. Die Regierungskoalition hatte ja im Ausschuß entsprechend beschlossen. Dann haben die Minister für Bildung und Wissenschaft und für Jugend, Familie und Gesundheit einen Brief an den Präsidenten der Kultusministerkonferenz geschrieben und gefragt, ob es möglich wäre, bei einer dreijährigen Ausbildung auch die Fachhochschulreife zuzuerkennen. Dies ist von seiten der Kultusministerkonferenz negativ beschieden worden. Da aber für uns das dreijährige Studium Voraussetzung für die Fachhochschulreife war und, wenn keine Fachhochschulreife damit verbunden ist, auch ein dreijähriges Studium nicht zweckmäßig erschien, ist es zu dem jetzigen Stand gekommen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich muß noch einmal darauf zurückkommen, daß schon jetzt die Zeit nicht ausreicht. Wenn zusätzlich 700 Stunden für die Fachhochschulreife erforderlich sind, warum hat sich diese Koalition zu dem Kompromiß breitschlagen lassen, doch auf die ursprünglich im Regierungsentwurf vorgesehenen zwei Jahre zurückzukommen?
Herr Kollege Hammans, weil es nicht möglich war, die Voraussetzungen zu schaffen, die notwendig wären, um ein dreijähriges Studium in diesem Zusammenhang zu rechtfertigen: nämlich die dann unmittelbar eintretende Fachhochschulreife. Dies ist versucht worden im Kontakt mit den Kultusministern. Die Kultusministerkonferenz hat jedoch den Wunsch der Bundesregierung und der Koalition im Ausschuß, mit dem dreijährigen Studium auch die Fachhochschulreife zu erreichen, abgelehnt. Unter diesen Umständen konnte die Regierungskoalition nicht anders verfahren.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Kalinke.
Herr Staatssekretär, wird die Regierung bei den bevorstehenden und jetzt gerade stattfindenden Verhandlungen über die Prüfungsordnung und über die Lehrpläne dem Rechnung tragen, was Sie als Modell zugesagt und versprochen haben, und wird sie die notwendigen Gesetzgebungsakte einleiten, um erneut im Bundesrat durchzusetzen, was nach ihrer Auffassung notwendig ist?
Frau Kollegin Kalinke, wenn die Voraussetzungen, von denen ich vorher sprach, geschaffen werden können, dann wird auch dieser von Ihnen aufgezeigte Weg möglich sein. Aber zunächst einmal muß das mit den Ländern abgestimmt sein. Die Abstimmung mit den Ländern hat beim
letzten Mal eben nicht zu dem Ergebnis geführt, daß ein dreijähriges Studium auch die Fachhoch-, schulreife bringt.
Sie haben keine Zusatzfrage mehr, Frau Kollegin Kalinke. Es tut mir lei, wir haben immer nur eine.
Bitte schön, Herr Abgeordneter Dr. Jungmann!
Herr Staatssekretär, habe ich richtig gehört, Sie sprachen immer vom „Studium" der medizinisch-technischen Assistenten? Darf ich daraus entnehmen, daß Sie in Ihrem Hause die Zielsetzung verfolgen, eine solche große Ausweitung dieser Berufsausbildung vorzubereiten?
Herr Kollege, der Begriff „Studium" sollte nicht so einseitig auf das, was bisher wissenschaftliche Hochschule war, beschränkt werden. Wir verfolgen ja auch das Konzept der Gesamthochschule. Wir wollen auch bei den medizinisch-technischen Assistenten ein „Studium" im Sekundarbereich II, das den Voraussetzungen genügt, von denen hier auf beiden Seiten des Hauses gesprochen worden ist.
Keine Zusatzfrage. Schönen Dank, Herr Staatssekretär von Dohnanyi!
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dorn anwesend. Ich rufe die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Würtz auf. — Er ist nicht da. Die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenfalls die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Würtz. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Dasselbe gilt für die Fragen 8 und 9 des Herrn Abgeordneten Wagner , die auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär! Damit sind Sie fertig.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Bayerl anwesend. Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Wolfram auf:
Hält die Bundesregierung die Spezialisierung von Staatsanwaltschaften auf Delikte der Umweltverschmutzung — wie z. B. in Hessen — für einen nachahmenswerten Beitrag zur Unterstützung der diesbezüglichen Maßnahmen der Bundesregierung?
Frau Präsidentin, gestatten Sie mir, wegen des Sachzusammenhangs beide Fragen gemeinsam zu beantworten?
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Dann rufe ich auch die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Wolfram auf:
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die anderen Bundesländer und eventuell auch die EWG-Mitgliedstaaten zu ähnlichen Maßnahmen zu veranlassen?
Herr Kollege Wolfram, die Bundesregierung hält die Einrichtung von Sonderdezernaten der Staatsanwaltschaften für die Verfolgung von Delikten gegen den Umweltschutz für einen sehr begrüßenswerten Beitrag zur Unterstützung des Umweltprogramms der Bundesregierung. Die Organisation der Staatsanwaltschaft, insbesondere die Einrichtung von Sonderdezernaten, ist Sache der Länder. In mehreren Bundesländern sind inzwischen solche Sonderdezernate der Staatsanwaltschaft eingerichtet worden, so z. B. in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen. In anderen Bundesländern, so z. B. in Rheinland-Pfalz, haben die Landesjustizverwaltungen die Leiter der Staatsanwaltschaften darum gebeten, der Verfolgung von Delikten gegen den Umweltschutz besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Mein Haus hat auf die Frage der Einrichtung von Sonderdezernaten der Staatsanwaltschaften zur Verfolgung von Umweltschutzdelikten bei der Konferenz der Justizminister und -senatoren am 14. und 15. Juni dieses Jahres in Hamburg hingewiesen und damit die Bedeutung dieser Angelegenheit unterstrichen.
Im Rahmen der europäischen Gemeinschaften hat die Kommission der europäischen Gemeinschaften eine erste Mitteilung über die Politik der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Umweltschutzes erarbeitet, über die der Deutsche Bundestag durch die Drucksache VI/2537 unterrichtet worden ist. In dieser Mitteilung der Kommission wird hervorgehoben, daß die Verwirklichung der Ziele und Aufgaben des Umweltschutzes die Erstellung eines umfassenden und gleichzeitig konkreten Arbeitsprogramms der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Umweltschutzes erfordert. Dieses Programm müßte nach der Mitteilung der Kommission unter anderem umfassen: Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten mit dem Ziel, die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften gegen die Verschmutzung durch die Einzelpersonen sowie die Strafmaßnahmen bei Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften zu harmonisieren und zu verstärken. Die Bundesregierung begrüßt diese Bestrebungen zur Schaffung eines Aktionsprogramms der europäischen Gemeinschaften gegen die Verschmutzung der Umwelt. Sie ist auch an einer engen Zusammenarbeit der nationalen Strafverfolgungsbehörden und -Maßnahmen auf dem Gebiet des Umweltschutzes interessiert und wird diese vorantreiben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wolfram.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, auch bei den Gerichten Spezialkammern einzurichten und wäre sie eventuell bereit,
eine entsprechende Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes und der sonstigen einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen einzuleiten?
Wir sind bereits dabei, diese Frage zu prüfen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, im Ministerrat oder im Kreis der ständigen Vertreter immer wieder auf die Notwendigkeit einer Harmonisierung oder zumindest einer Konzertierten Aktion zur Beachtung dieser Problematik hinzuwirken?
Herr Kollege, wir haben das wiederholt getan und werden das weiter tun.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Weber.
Herr Staatssekretär, sind Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Ausbildung der „Sonderstaatsanwälte", so möchte ich sie einmal bezeichnen, einheitlich ist und auch über die Länder hinweg einheitlich erfolgt?
Herr Kollege, Sie wissen, daß die Ausbildung der Staatsanwälte Ländersache ist und daß daher eine Einheitlichkeit in der Ausbildung sehr schwer zu gewährleisten ist.
Eine zweite Zusatzfrage.
Sind Sie mit mir wenigstens der Auffassung, daß das ein erstrebenswertes Ziel ist?
Das ist völlig selbstverständlich. Die Justizministerkonferenzen können sich mit diesem Thema befassen.
Keine weitere Zusatzfrage.Die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann wird auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Apel auf :Wie beurteilt die Bundesregierung die im Beschluß des Landgerichts Köln vom 20. Oktober 1971 in der Strafsache Andreas Christodonlidis aufgestellte Behauptung, daß nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis große Wahrscheinlichkeit für die Annahme besteht, daß die „Demokratische Verteidigung" eine kriminelle Vereinigung im Sinne von § 129 StGB ist?
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8627
Ich bitte wegen des Sachzusammenhangs die Frage 14 des Abgeordneten Dr. Apel gleich mitbeantworten zu dürfen.
Dann rufe ich auch die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dr. Apel auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die „Demokratische Verteidigung" eine Vereinigung von hervorragenden griechischen Patrioten und Demokraten innerhalb und außerhalb des Landes ist, die sich das Ziel gesetzt hat, Griechenland auf den Weg der Rückkehr zur parlamentarischen Demokratie zu führen?
Herr Kollege Apel, die Staatsanwaltschaft in Köln führt bekanntlich ein Ermittlungsverfahren gegen den zypriotischen Staatsangehörigen Andreas Christodoulides, der sich in Untersuchungshaft befindet, und andere Personen durch, um zu klären, ob sich die Beschuldigten an der Vorbereitung von Sprengstoffanschlägen und der Mitgliedschaft oder Rädelsführerschaft bei einer kriminellen Vereinigung schuldig gemacht haben. In dem Beschluß des Landgerichts Köln vom 20. Oktober 1971, mit dem die Haftdauer gegen den Genannten angeordnet worden ist, wird ausgeführt, es bestehe große Wahrscheinlichkeit für die Annahme, daß die Organisation „Demokratische Verteidigung" eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB sei. Gesichtspunkte dafür hat das Gericht dem ihm vorliegenden Beweismaterial — insbesondere den Bekundungen von Mitbeschuldigten — entnommen.
Ob diese Auffassung zutrifft, hat die Bundesregierung nicht zu beurteilen. Die darin zum Ausdruck gekommene Auffassung enthält eine richterliche Wertung, über die das Oberlandesgericht Düsseldorf demnächst bei der Entscheidung über die weitere Haftbeschwerde des Beschuldigten befinden wird.
Wie Herr Staatssekretär Ahlers bereits in der Fragestunde vom 29. September 1971 zu Ihrer Frage, Herr Kollege Apel, betreffend die Maßnahmen gegen den Journalisten Mathiopoulos in dem gleichen Komplex ausgeführt hat, kann sich die Bundesregierung zu dem Ermittlungsverfahren und — ich ergänze insoweit — zu den darin ergangenen Entscheidungen und Wertungen nicht äußern, weil es sich um ein schwebendes Verfahren handelt, das zudem in die ausschließliche Zuständigkeit der Landesjustizbehörden fällt.
Nun zu Ihrer zweiten Frage, Herr Kollege. Der Bundesregierung ist natürlich bekannt, daß die „Demokratische Verteidigung" den Sturz der jetzigen griechischen Regierung anstrebt. Der Bundesregierung ist auch bekannt, daß dieser „Demokratischen Verteidigung" sehr ehrenwerte griechische Demokraten angehören.
Wie ich bereits ausgeführt habe, ist die Frage, ob die „Demokratische Verteidigung" oder einige ihrer Mitglieder sich dabei auch gewaltsamer oder terroristischer Methoden bedienen und im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eine damit im Zusammenhang stehende gesetzeswidrige Tätigkeit entfaltet haben, Gegenstand des erwähnten Ermittlungsverfahrens. Ich bitte erneut um Ihr Verständnis, daß es der Bundesregierung bei dieser Sachlage nicht möglich ist, pauschale Urteile über ausländische politische Organisationen abzugeben. Indessen bin ich sicher, daß Sie mit mir darin übereinstimmen, daß Gewaltmaßnahmen grundsätzlich keine geeigneten Mittel zur Durchsetzung demokratischer Ziele darstellen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Apel.
Herr Staatssekretär, können Sie sich der Aussage des Justizministers von Nordrhein-Westfalen vom 9. November anschließen, der folgendes gesagt hat? Ich zitiere wörtlich:
Die Justiz hat sich jeder politischen Wertung des Widerstandes gegen das Regime in Griechenland zu enthalten.
Er hat hinzugefügt, daß das insbesondere für die Bundesrepublik gelte, die ja durch das Dritte Reich eine besondere Vergangenheit hat. Können Sie sich dieser Aussage anschließen?
Selbstverständlich, Herr Kollege Apel!
Zweite Zusatzfrage!
Sind Sie dann mit mir auch der Meinung, daß in unserem Land die Vorbereitung des Widerstands und der Versuch der Rückkehr zu bürgerlichen Freiheiten und zur Demokratie in Griechenland nicht Zweck der Verfolgung der Behörden in unserem Land sein darf?
Auch diese Meinung teile ich, Herr Kollege.
Dritte Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, da Sie von den ehrenwerten Personen gesprochen haben, möchte ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß Professor Mangakes, für den sich der Herr Ihres Hauses ganz besonders eingesetzt hat, Mitglied der ,,Demokratischen Verteidigung" ist und unter schrecklichen Umständen in griechischen Gefängnissen sitzt und daß auch der frühere Vorsitzende der griechischen Sozialdemokraten Mitglied dieser Vereinigung ist und ebenfalls unter schrecklichen Verhältnissen in griechischen Gefängnissen sitzt. Meinen Sie angesichts dieser Tatsache nicht, daß es noch bedenklicher ist, wenn in unserem Lande Strafverfolgungsbehörden in dieser Weise pauschal urteilen, ohne dafür Beweise zu haben?
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8628 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Sicher, Herr Kollege Apel. Trotzdem bitte ich Sie um Verständnis dafür, daß die Bundesregierung zu Einzelmaßnahmen der Länderjustizverwaltungen nicht Stellung nehmen kann.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Matthöfer.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, sollte bei der Wertung des Verhaltens tatverdächtiger exilierter griechischer Demokraten nicht die Tatsache in Betracht gezogen werden, daß unser Grundgesetz allen Deutschen ein Recht auf Widerstand gegen jeden einräumt, der es unternimmt, unsere verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen?
Herr Kollege Matthöfer, so würde ich es als Staatsanwalt in einem mir anvertrauten Ermittlungsverfahren handhaben.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Hansen.
Herr Staatssekretär, ich darf Sie — vor allen Dingen vor dem Hintergrund deutscher Geschichte — fragen, ob Sie nicht mit mir einer Meinung sind, daß jedem Demokraten, der
sich für die Beseitigung eines Unrechtsregimes einsetzt, zugebilligt werden muß, daß er aus übergesetzlicher Notwehr handelt.
Das entspricht unseren grundgesetzlichen Vorstellungen, aber auch den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs.
Keine Zusatzfrage mehr.
Ich rufe die Frage 73 des Abgeordneten Dr. Weber — sie gehört in diesen Geschäftsbereich — auf:
Hält es die Bundesregierung bei den vielen, noch vor Inkrafttreten des neuen Mietrechts ausgesprochenen Kündigungen nicht für erforderlich, alle Mieter über die neuen gesetzlichen Bestimmungen durch eine Mietfibel, die den Gesetzestext und Erläuterungen enthält, zu unterrichten?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Dr. Weber, die Bundesregierung hat bereits im Oktober 1970 eine übersichtliche und leicht verständliche Mietfibel in einer Auflage von 900 000 Stück an interessierte Mieter, Vermieter, an Gemeinden und Verbände versandt. Wir beabsichtigen, sofort nach Verabschiedung des Artikelgesetzes eine Neuauflage der Mietfibel unter Berücksichtigung der gesetzlichen Änderungen herauszubringen. Sobald das Gesetz verabschiedet sein wird, wird das geschehen.
Keine Zusatzfrage.
Schönen Dank, Herr Staatssekretär!
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Rohde zur Verfügung.
Ich rufe die Fragen 38 und 39 der Abgeordneten Frau Kalinke auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Sozialversicherungsträger, auch Angestelltenersatzkassen, erhebliche Darlehen an Ostblockstaaten gewährt haben?
Wie stellt sich die Bundesregierung zu der Darlehensgewährung von Sozialversicherungsträgern an Fremdstaaten?
Das Gesetz verpflichtet die Versicherungsträger, ihr Vermögen so anzulegen, daß ein Verlust ausgeschlossen erscheint, ein angemessener Ertrag erzielt wird und ausreichende Liquidität gewährleistet ist. In diesem Rahmen kann die Anlegung auch in Forderungen gegen ausländische Schuldner erfolgen, sofern die Verzinsung der Forderungen vom Bund, von einem Land, der Bundesbank oder einer Kreditanstalt eines Landes gewährleistet ist oder für die Forderung sichere Pfandrechte an inländischen Grundstücken bestehen oder für die Forderung von bestimmten inländischen Körperschaften des öffentlichen Rechts, Kreditanstalten, Sparkassen oder Banken die selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen wird. Im letzten Fall bedarf die Vermögensanlage der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Ob und inwieweit ein Versicherungsträger von dieser Möglichkeit der Vermögensanlage Gebrauch machen will, obliegt der verantwortlichen Entscheidung seiner Organe.
Ich darf davon ausgehen, Frau Kollegin, daß Sie sich in Ihrer Frage auf die Barmer Ersatzkasse beziehen, die im Jahre 1970 von der Bank für Gemeinwirtschaft in Frankfurt Forderungen gegen die jugoslawische Nationalbank in Höhe von insgesamt 21 Millionen DM erworben hat. Diese Forderungen beruhen auf Darlehen, die die Bank für Gemeinwirtschaft auf Grund von Kreditverträgen der Nationalbank gewährt hat. Sie sind nach Kenntnis unseres Hauses mit 8,5 bis 9,25 % zu verzinsen und mit dem letzten Teilbetrag am 14. September 1972 zurückzuzahlen. Für die Rückzahlung und Verzinsung der Darlehen hat der Bund die Garantie übernommen.
Hingegen ist weder unserem Hause noch dem Bundesversicherungsamt noch den von uns befragten Verbänden der Versicherungsträger ein Fall bekannt, in dem ein Versicherungsträger direkt einem auswärtigen Staat Darlehen gewährt hat.
Eine Zusatzfrage, Frau Kalinke.
Ist der Bundesregierung dann bekannt, ob Banken an Sozialversicherungsträger — ich meinte nicht nur die Barmer Ersatzkasse; ich höre mit Interesse, daß Sie nur diesen Fall kennen — oder Vertreter von Ostblockstaaten
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8629
Frau Kalinkean Versicherungsträger herangetreten sind, damit diese Papiere kaufen, oder hat die Bundesregierung selbst die Versicherungsträger dazu ermuntert oder veranlaßt?
Frau Kollegin, das letzte kann ich auf Grund der bisherigen Ermittlungen, die ich in der Zwischenzeit anstellen konnte, nicht bestätigen.
Was den ersten Teil Ihrer Frage angeht, könnte darauf nur eine Antwort nach Rückfrage bei den Versicherungsträgern erfolgen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung die Absicht, angesichts der Kostenexplosion bei allen Versicherungsträgern, aber besonders auch in der gesetzlichen Krankenversicherung, und angesichts der Sorge um weitere Beitragserhöhungen die Bestimmungen über Kapitalanlagen der Sozialversicherungsträger zu überprüfen und den Selbstverwaltungsorganen über die Aufsichtsbehörden Auflagen — ich meine das sowohl wegen der Langfristigkeit der Anlagen als auch wegen der Begrenzung auf dem deutschen Kapitalmarkt — zu erteilen?
Sehr verehrte Frau Kollegin, Sie haben eine ganze Reihe von wichtigen Fragen aufgeworfen. Ich darf darauf hinweisen, daß diese Fragen der Sachverständigenkommission für das Sozialgesetzbuch zur Prüfung vorliegen. Im Rahmen der Kommissionsberatungen werden die Fragen der Anpassung der Anlagevorschriften an die heutigen Erfordernisse erörtert.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jungmann.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihren Antworten entnehmen, daß die Information zutrifft, nach denen die Bank für Gemeinwirtschaft die in Frage stehenden Wertpapiere abstoßen wollte oder vielleicht auch abstoßen mußte und daß Ihr Haus, d. h. der Minister, mit der Bürgschaft, die die Bundesregierung gegeben hat, dem Institut einen Dienst erweisen wollte?
Herr Dr. Jungmann, in dieser Weise kann ich Ihre Frage nicht bestätigen, sondern nur auf den Inhalt der Antwort auf die Fragen der Frau Abgeordneten Kalinke hinweisen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Staatssekretär, da Sie bei Beantwortung der Fragen der Frau Kollegin Kalinke keine Auskunft darüber geben konnten, ob und in welcher Weise Darlehen von Sozialversicherungsträgern an Fremdstaaten gewährt werden, frage ich Sie: Hätten Sie die Freundlichkeit, das prüfen zu lassen und diesem Hause baldmöglichst Bescheid zu geben, ob und in welchem Umfang das der Fall ist?
Nein. Ich habe nicht auf die Frage der Frau Kollegin antworten können, ob von Banken oder von anderer Seite an Sozialversicherungsträger herangetreten worden sei.
Soweit es die Darlehensgewährung selbst angeht, habe ich in meiner Antwort auf die Fragen der Frau Kollegin Kalinke unterstrichen, daß uns kein Fall bekannt ist, in dem ein Versicherungsträger einem direkt auswärtigen Staat Darlehen gewährt hat.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Böhme.
Herr Staatssekretär, halten Sie die Vermittlung eines solchen Kreditgeschäftes mit einem ausländischen Staat bzw. mit einem Ostblockstaat für ein normales Geschäft der Bank für Gemeinwirtschaft, und wird von seiten der Bundesregierung die Genehmigung für solche Geschäfte generell erteilt oder handelt es sich um ein Ausnahmegeschäft?
Herr Kollege, ich darf Sie darauf hinweisen, daß das nicht eine Sache des Arbeitsministeriums ist, sondern eine Sache der jeweiligen Selbstverwaltungskörperschaft, die im Rahmen der von mir skizzierten gesetzlichen Vorschriften zu entscheiden hat.
Keine Zusatzfrage.
Frage 40 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Dr. Kempfler auf:
Ist die Bundesregierung bereit, eine Gesetzesvorlage einzubringen, die Arbeitnehmern, welche ohne eigenes Verschulden arbeitslos geworden sind, über die Arbeitslosenunterstützung hinaus die Fortführung von vermögenswirksamen Anlagen durch zusätzliche Zahlung von 52 DM ermöglicht, um zu verhindern, daß diese durch Wegfall einer sozialpolitisch erwünschten und begünstigten Form der Eigenvorsorge in der Zeit der Arbeitslosigkeit zusätzliche Beeinträchtigungen erfahren?
Herr Kollege Dr. Kempfler, ich würde gern auch Ihre beiden Fragen gemeinsam beantworten.
8630 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Dann rufe ich auch die Frage 42 des Abgeordneten Dr. Kempfler auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im Hinblick auf steigende Arbeitslosenziffern die erforderliche Regelung unverzüglich in Angriff zu nehmen, um damit zugleich einen zusätzlichen Anreiz zu begünstigten Sparleistungen zu bieten?
Das Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer setzt, wie Sie wissen, Herr Kollege, nach seiner ganzen Konzeption das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Es will die im akitven Erwerbsleben stehenden Arbeitnehmer durch eine an das Arbeitsverhältnis anknüpfende vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers am volkswirtschaftlichen Vermögenszuwachs beteiligen.
Der Gesetzgeber ist nicht davon ausgegangen, daß es Aufgabe einer Versichertengemeinschaft, wie z. B. der Arbeitslosenversicherung, sein soll, anstelle des Arbeitgebers über die Leistungen zum Lebensunterhalt hinaus auch Leistungen zur Vermögensbildung zu finanzieren. Das würde im übrigen erhebliche Probleme aufwerfen, z. B. im Hinblick auf präjudizierende Wirkungen für andere Bereiche und auf die erheblichen finanziellen Konsequenzen.
Eine Zusatzfrage.
Darf ich dann annehmen, Herr Staatssekretär, daß Sie dieses Problem nicht direkt zu den Akten legen werden, sondern sich bemühen werden, über die Probleme hinwegzukommen oder sie mindestens einmal durchzuprüfen?
Herr Kollege, es ist jedem unbenommen, diese Probleme durchzuprüfen. Ich darf aber auch darauf hinweisen, daß wir in unseren bisherigen Überlegungen von der Gesetzeskonstruktion ausgehen, die nicht nur beim 624-DM-Gesetz, sondern auch seinerzeit beim 312-DM-Gesetz zugrunde gelegt worden ist und die — wenn ich mir diese Anmerkung erlauben darf — auch von Ihrer Fraktion gebilligt worden ist.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, irgendwelche finanziellen Bedenken hätten Sie nicht, sondern hauptsächlich grundsätzliche Bedenken?
Herr Kollege, es sind nicht nur grundsätzliche Bedenken; eine solche Ausweitung, wie Sie sie in Ihrer Frage andeuten, wäre mit erheblichen finanziellen Konsequenzen verbunden.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 43 des Herrn Abgeordneten Röhner auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die vermögenswirksame Leistung eines Arbeitgebers nach dem 624-DM-Gesetz für Schwerkriegsbeschädigte, die Berufsschadensausgleich beziehen, als Einkommen angerechnet und von der Rente abgezogen wird?
Herr Kollege, auch Ihre beiden Fragen würde ich wegen des Sachzusammenhangs gern gemeinsam beantworten.
Ich rufe also auf die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Röhner auf:
Ist die Bundesregierung bereit zu prüfen, oh bei einer Novellierung des Dritten Vermögensbildungsgesetzes eine Besitzstandsklausel für Schwerkriegsbeschädigte und andere Bezieher einkommensabhängiger Sozialleistungen eingebaut werden kann, und wann ist mit einer solchen Novellierung zu rechnen?
Vermögenswirksame Leistungen, die Arbeitgeber nach dem Dritten Vermögensbildungsgesetz für Arbeitnehmer erbringen, sind weder auf die Ausgleichs- und Elternrenten noch auf die Berufsschadens- und Schadensausgleiche nach dem Bundesversorgungsgesetz als Einkommen anzurechnen. Dies sieht der Entwurf einer Änderungsverordnung der Bundesregierung zur Verordnung zu § 33 des Bundesversorgungsgesetzes vor. Für die Übergangszeit bis zum Inkrafttreten der genannten Rechtsverordnung sind die für die Kriegsopferversorgung zuständigen Landesbehörden nach einem Rundschreiben meines Hauses, das an eine im Zusammenhang mit dem Zweiten Vermögensbildungsgesetz in der Verordnung zu § 33 des Bundesversorgungsgesetzes getroffene Regelung anknüpft, gehalten, die vermögenswirksamen Leistungen der Arbeitgeber anrechnungsfrei zu lassen.
Danach dürfte zu einer Novellierung des Dritten Vermögensbildungsgesetzes — und damit komme ich zu Ihrer zweiten Frage — kein Anlaß bestehen.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß auch Sie der Meinung sind, daß die bisherige und die jetzt noch geltende Regelung die Sparförderung und die Vermögensbildung der Kriegsbeschädigten im Vergleich zu der anderer Gruppen erheblich benachteiligt und zum Teil unmöglich gemacht hat?
Herr Kollege, ich bin auf Ihre konkrete Frage hinsichtlich der Anrechnung der Leistungen des Arbeitgebers eingegangen und habe darauf hingewiesen, daß das in einer Rechtsverordnung geregelt werden soll und daß für die Übergangszeit bis zum Inkrafttreten dieser Rechtsverordnung in einem Rundschreiben an die für die Kriegsopferversorgung zuständigen Landesbehörden das von mir genannte Verfahren empfohlen worden ist.
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Das heißt also, daß Sie den !bisherigen Zustand als unzureichend, um nicht zu sagen: ungerecht empfunden haben und ihm abhelfen wollen.
Darf ich noch zusätzlich danach fragen, ob sich bereits ein konkreter Zeitpunkt der Novellierung, die Sie angekündigt haben, abzeichnet und von Ihnen angegeben werden kann?
Herr Kollege, es wird keine Novellierung sein, sondern eine Rechtsverordnung, die wir in absehbarer Zeit vorlegen wollen.
Und der Zeitpunkt?
Ich bitte mich hinsichtlich des Termins nicht auf einen Tag oder eine Woche festzulegen. Ich kann aber sagen, daß unsererseits die Absicht besteht, diese Verordnung in der nächsten Zeit auf den Weg zu bringen; ich möchte aber noch einmal unterstreichen, daß für die Übergangszeit in dem von mir erwähnten Rundschreiben eine Regelung getroffen worden ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Staatssekretär, sind Sie, da Sie die gegenwärtige Regelung in der Zukunft verbessern wollen und damit zugeben, daß sie unsozial ist, bereit, nach Wegen und Möglichkeiten zu suchen, solche Ungerechtigkeiten, wie sie in der Vergangenheit entstanden sind, zu vermeiden und dafür zu sorgen, daß diese vermögenswirksamen Leistungen nicht auf der einen Seite gewährt und auf der anderen Seite durch Kürzung der Renten wieder weggenommen werden?
Herr Kollege, es scheint mir so zu sein, daß bei Ihnen in dieser Frage ein Mißverständnis vorliegt. Herr Röhner begehrte konkret Auskunft darüber, ob die vom Arbeitgeber erbrachten Leistungen anrechnungsfrei bleiben sollten. Auf diese Frage habe ich geantwortet.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 50 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf:
Kann die Bundesregierung Auskunft erteilen, in welchem Maße bisher Männer und Frauen von der Vorsorgeuntersuchung Gebrauch machten?
Herr Kollege Enders, auch Ihre beiden Fragen würde ich gern gemeinsam beantworten.
Dann rufe ich noch die Frage 51 des Henn Abgeordneten Dr. Enders auf:
Müssen nach Ansicht der Bundesregierung bessere Voraussetzungen geschaffen werden, damit ein größerer Prozentsalz von Männern und Frauen die Vorsorgeuntersuchung in Anspruch nimmt?
Unser Haus ist sich mit den Krankenkassen, der Ärzteschaft und anderen Beteiligten darüber einig, daß es das gemeinsame Ziel sein muß, eine hohe Beteiligung der Versicherten an den Vorsorgeuntersuchungen zu erreichen. Das habe ich auch kürzlich in meiner Antwort auf eine ähnliche Frage des Abgeordneten Dr. Sperling unterstrichen. Allerdings mußte ich dabei anmerken, daß angesichts des kurzen Zeitraums seit Einführung dieser Vorsorgeleistungen, nämlich dem 1. Juli 1971, eine allgemeine und zahlenmäßig ausreichend abgesicherte Beurteilung der Inanspruchnahme noch nicht vorliegt. Ich weise aber darauf hin, daß die Krankenkassen, denen nach dem Gesetz eine besondere Aufklärungspflicht obliegt, die Versicherten sowohl durch breitgestreute Aufklärung als auch durch individuelle Information zur Teilnahme an diesen Untersuchungen anhalten. Wie beobachten sorgfältig die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der Aufklärungsmethoden. Ich bin mit Ihnen, Herr Kollege, der Ansicht, daß diese Bemühungen darauf abzielen müssen, die Versicherten für die Früherkennungsleistungen in steigendem Umfang zu gewinnen.
Eine Zusatzfrage, bitte!
Herr Staatssekretär, halten Sie Zeitungsmeldungen aus dieser Woche für zutreffend, wonach der Anteil der Frauen, die die Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nahmen, bei 34 % und der der Männer bei 16 % liegt?
Herr Kollege, ich kenne diese Meldungen. Sie sind von der Deutschen Angestellten-Krankenkasse herausgegeben worden. Die von ihr genannten Zahlen, auf die Sie sich beziehen, lassen, soweit ich das übersehen kann, schon deshalb keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Situation bei den RVO-Kassen zu, weil dort die Vorsorgeuntersuchungen, wie ich ausgeführt habe, erst vor wenigen Monaten eingeführt worden sind. Ich werde mich jedoch gern mit den Spitzenverbänden der Krankenversicherungsträger in Verbindung setzen, um Ihnen, wenn Sie es wünschen, im Verlauf der weiteren Entwicklung auf dem Gebiet der Vorsorgeuntersuchungen und der damit gewonnenen Erfahrungen Auskunft über die Ergebnisse zu geben.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, liegen die Gründe für die bisher verhältnismäßig geringe In-
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Dr. Endersanspruchnahme der Vorsorgeuntersuchungen in sozialen Barrieren oder Hemmungen gesundheitlicher Natur, die durch eine gute Informationspolitik überwunden werden könnten?
Herr Kollege, wenn das Zahlenmaterial aussagekräftiger ist, als es dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt sein kann, werden die Ergebnisse sicherlich genau untersucht werden müssen, und zwar auch unter den Gesichtspunkten, die Sie genannt haben: Gibt es soziale Barrieren, gibt es starke regionale Unterschiede, gibt es Unterschiede bei den einzelnen Kassen? Ehe diese Auswertung vollzogen worden ist, möchte ich hier nicht schon gleichsam auf Verdacht Motivationen angeben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wolfram.
Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit, den Sozialversicherungsträgern in dem von Ihnen angekündigten Gespräch zu empfehlen, die Versicherten in einem besonderen Anschreiben auf die Möglichkeit, von der Vorsorgeuntersuchung Gebrauch zu machen, hinzuweisen?
Das tun sie ohnehin, Herr Kollege. Ich habe hier eine Übersicht, aus der hervorgeht, daß neben der Aufklärung durch Presse und Auslegung von Informationsmaterial und Merkblättern in den Kassenräumen und den Wartezimmern der Ärzte auch individuelle Information von den Krankenkassen durch persönliche Schreiben an die Versicherten betrieben wird, in denen diese über Sinn und Zweck der Vorsorgeuntersuchungen aufgeklärt werden. Um ein Beispiel zu geben: Die Ortskrankenkassen haben in den letzten Wochen und Monaten 17,5 Millionen der von mir genannten Merkblätter verteilt.
Keine Zusatzfrage. Vielen Dank, Herr Staatssekretär Rohde.
Ich kann noch eine Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen nehmen.
Ich rufe die Frage 55 des Abgeordneten Wohlrabe auf:
Treffen Meldungen zu, nach denen es der sowjetischen Fluggesellschaft Aeroflot erlaubt ist im Gegensatz zur Darstellung von Bundesminister Leber, Passagiere und Fracht auf der Linie Moskau—Frankfurt—Moskau für die Teilstrecke vom Ost-Berliner Flughafen Schönefeld nach Frankfurt in beiden Richtungen zuladen zu dürfen?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Börner.
In Übereinstimmung mit der Darstellung von Herrn Bundesminister Leber trifft es zu, daß das sowjetische Luftfahrtunternehmen Aeroflot im Rahmen seiner zukünftigen Flugliniendienste
Moskau—Frankfurt/M.—Moskau bei einer Zwischenlandung in Berlin-Schönefeld Fluggäste, Post und Fracht mit dem Bestimmungsort Frankfurt/M. aufnehmen bzw. auf dem Rückflug dort absetzen darf.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Wohlrabe.
Wie können Sie sich erklären, Herr Staatssekretär, daß die ersten Einlassungen von Bundesminister Leber — siehe z. B. „Berliner Morgenpost" vom 20. Oktober dieses Jahres — anders lauteten?
Es gibt immer einige Journalisten, die Meldungen nicht ganz richtig weitergeben; das soll vorkommen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Wohlrabe.
Treffen Meldungen zu, nach denen bereits in der ersten Verhandlungsrunde über dieses Luftfahrtabkommen eine Übereinstimmung dahin gehend erzielt worden war, daß der Transport von Franktfurt nach Schönefeld von seiten der Aeroflot nicht zur Bedingung gemacht wurde?
Herr Kollege, das Abkommen ist ein ausgewogenes Abkommen für beide Partner. Ich kann Ihre Frage deshalb nicht bestätigen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 56 des Abgeordneten Wohlrabe auf:
Was gedenkt die Bundesregierung gegen eine mögliche Aushöhlung des Flugmonopols der West-Alliierten, die als einzige den freien Zugang nach West-Berlin gewährleisten, zu tun?
Herr Kollege, die Prämisse, auf der diese Frage beruht, ist unzutreffend. Die Gefahr einer Aushöhlung des Flugmonopols der West-Alliierten durch die vorgesehenen Aeroflot-Dienste via Berlin-Schönefeld nach Frankfurt/M. besteht nach der Überzeugung der Bundesregierung nicht. Die Aeroflot-Dienste werden nämlich unter Inkaufnahme eines beträchtlichen Umweges auf der internationalen Luftstraße über Eger in der Tschechoslowakei durchgeführt werden. Auch eine mittelbare wirtschaftliche Beeinträchtigung der Berlin-Dienste der westalliierten Fluggesellschaften durch einen etwaigen Abzug von Fluggästen ist schon deshalb nicht zu befürchten, weil die auf den zwei vorgesehenen Wochendiensten der Aeroflot zwischen Berlin-Schönefeld und Frankfurt/M. zur Verfügung stehende Kapazität im Vergleich zu dem
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Parlamentarischer Staatssekretär Börner außerordentlich hohen Kapazitätsangebot der westalliierten Gesellschaften von gänzlich untergeordneter Bedeutung sein wird.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Wohlrabe.
Da es sich aber offensichtlich bei diesem Verkehr um einen Präzedenzfall handelt, möchte ich doch die Frage stellen, ob bei den Verhandlungen um dieses Luftverkehrsabkommen Abstimmungen oder Absprachen mit den drei westlichen Alliierten stattgefunden haben oder, wenn nicht mit diesen, gegebenenfalls mit den drei Fluggesellschaften, die Berlin anfliegen, und wenn nein, warum nicht, und wenn ja, wie diese ausgegangen sind.
Herr Kollege, Sie können davon ausgehen, daß unsere Verbündeten bei einer so wichtigen Frage in allen Phasen konsultiert wurden.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Wohlrabe.
Haben die West-Alliierten dem hier getroffenen Luftverkehrsabkommen voll und in allen Einzelheiten zugestimmt?
Herr Kollege, ich darf Sie darauf hinweisen, daß das Abkommen erst morgen unterzeichnet werden soll. Ich bin nicht bereit, irgendeine weitergehende Frage heute zu beantworten;
das würde nicht den Gepflogenheiten im internationalen Verkehr entsprechen. Ich bin gern bereit, nach Unterzeichnung des Abkommens morgen im Verkehrsausschuß des Bundestages jede notwendige Information zu geben.
Herr Kollege Müller, ich bin nicht sicher, ob diese Antwort von dem Herrn Staatssekretär grundsätzlicher Art ist. Dann müssen wir sie respektieren. — Oder wären Sie bereit, Herr Staatssekretär, noch eine Zusatzfrage zu beantworten? — Bitte sehr, Herr Kollege Müller!
Herr Staatssekretär, erlauben Sie mir die bescheidene Frage, ob Aeroflot bei den Verhandlungen mit der Bundesregierung vielleicht auch die Frage des Preises bzw. der Subvention, um gegenüber den anderen Fluggesellschaften konkurrenzfähig zu sein, angeschnitten hat
und wie sich die Bundesregierung eventuell dazu stellen wird.
Rein rechtlich darf ich darauf hinweisen, daß die Aushandlung von Tarifen Sache der beteiligten Fluggesellschaften ist. In der Sache selbst werde ich die Frage morgen im Ausschuß beantworten.
Keine Zusatzfrage. Schönen Dank, Herr Staatssekretär. Sie werden noch einmal hierher kommen müssen. Ich schließe die Fragestunde.
Wir kehren zu den Beratungen zum Entwurf eines Betriebsverfassungsgesetzes — Drucksache VI/2729 — zurück. Wir sind in der zweiten Lesung.
Ich rufe § 14 auf. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 235 *) Buchstabe a und b vor.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Müller .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf den Änderungsantrag Umdruck 235 wie folgt begründen. Es ist anzuerkennen, daß der vorliegende Entwurf auf dem Gebiete der Gruppenrechte einige Fortschritte aufweist. Ich muß aber namens der CDU/CSU-Fraktion ausdrücklich erklären, daß uns die diesbezügliche Regelung nicht befriedigt.Dies trifft insbesondere zu im Falle einer eventuellen Vorausentscheidung nach § 14 Abs. 2 über die Frage, ob anstatt der betriebsverfassungsrechtlich vorgesehenen Gruppenwahl eine gemeinsame Wahl stattfinden soll. Deshalb stellen wir den Antrag, daß der Beschluß der Mehrheit der Stimmen aller wahlberechtigten Gruppen bedarf.Im geltenden Betriebsverfassungsrecht und auch nach § 14 Abs. 2 des vorliegenden Entwurfs wählen die Arbeiter und Angestellten grundsätzlich ihre Vertreter in getrennten Wahlgängen in den Betriebsrat. Das ist der Regelfall, und so soll es auch sein. Eine Ahweichung davon soll jedoch abgedungen werden, wenn beide Gruppen — wie es heißt —in einer geheimen Abstimmung gemeinsame Wahlen beschließen.Meine Damen und Herren, was liegt näher, als dabei vorzuschreiben, daß bei der Abweichung von den betriebsverfassungsrechtlichen Normen eine Mehrheit der Wahlberechtigten beider Gruppen notwendig ist? Dadurch wird eine Rechtsklarheit geschaffen, die alle polemischen und manchmal sehr harten Auseinandersetzungen in den Betrieben ausschließt und für jeden leicht verständliche Rechtssicherheit gewährleistet. Wir halten es für schlecht, wenn erst durch die Rechtsprechung Lücken geschlossen werden müssen, die der Gesetzgeber aus politischen oder auch ideologischen Gründen offengelassen hat.*) Siehe Anlage 5
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Müller
Auch der Hinweis auf die Bundesarbeitsgerichtsentscheidung, die immer wieder von den Gegnern der Gruppen- und Minderheitsrechte ins Feld geführt wird, befriedigt nicht. Das Bundesarbeitsgericht konnte nur von den vom Gesetzgeber gesetzten Recht ausgehen. Auf den Einwand, es gebe kein Beispiel dafür, daß ein ganz bestimmtes Quorum notwendig sei, um eine Entscheidung zu fällen, möchte ich nur auf das vorgeschriebene Quorum im baden-württembergischen Gemeinderecht hinweisen.Erlauben Sie mir im übrigen die Frage,. warum — wenn es kein Beispiel dafür geben sollte — die Gewerkschaften dann bei Streikabstimmungen die Zustimmung von 75 % ihrer Mitglieder verlangen? Verlangte nicht auch das Betriebsrätegesetz von 1920 eine Zweidrittelmehrheit für den Übergang vom Normalfall der Gruppenwahl zum Ausnahmefall der gemeinsamen Wahlen?Schließlich darf ich noch auf das Personalvertretungsgesetz hinweisen. Wenn diese von uns vertretenen Grundsätze seit 1955 in dem Personalvertretungsgesetz verankert sind und weder in der Praxis Schwierigkeiten bereitet noch die Zusammenarbeit im Personalrat gefährdet haben, warum soll das nicht auch im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes funktionieren?Dies gilt dem Grund nach auch hinsichtlich der gegenüber den Minderheitengruppen aufzubringenden Toleranz. Anstatt des vorgesehenen Vorschlagsrechts von mindestens einem Zehntel soll nach unserer Auffassung in den Absätze 4 und 5 des § 14 nur einem Zwanzigstel der Wahlberechtigten dieses Wahlvorschlagsrecht eingeräumt werden.Die in § 27 Abs. 2 vorgesehene Zusammensetzung des Betriebsausschusses, wonach jede Gruppe nur dann, wenn mehr als ein Zehntel der Mitglieder, mindestens jedoch fünf, dem Betriebsrat angehören, die auf sie entfallenden Ausschußmitglieder selber bestimmen kann, befriedigt uns ebenfalls nicht. Wir wünschen, daß die Gruppen in jedem Falle die auf sie entfallenden Mitglieder in getrennter, geheimer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl selber bestimmen. Deshalb stellen wir den Antrag, die entsprechende Vorschrift in § 27 Abs. 2 zu streichen. Die beiden ersten Sätze sind jedoch entsprechend so zu ergänzen, daß ebenfalls eine getrennte, geheime Wahl stattfindet.Ebenso wichtig wie die Zusammensetzung des Betriebsausschusses nach § 27 Abs. 2 scheint uns auch die Zusammensetzung der nach § 28 Abs. 2 weiter zu bildenden Ausschüsse zu sein.
— Nein, nein, § 28! Auf § 38 komme ich noch. —Hier sollte das gleiche Verfahren Anwendung finden. Das ist möglich, wenn Sie den § 27 Abs. 2 ändern.Auch die vorgesehene Regelung über die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern nach § 38 Abs. 2 befriedigt uns nicht. Wenn wir auch davon Abstand nehmen, einen Änderungsantrag in bezug auf die Vorschrift zu stellen, nach der jede Gruppe die auf sie entfallenden freizustellenden Betriebsratsmitglieder nur dann selber bestimmt, wenn mehr als ein Drittel der Gruppe dem Betriebsrat angehört, so wünschen wir aber, daß dies in getrennter, geheimer Wahl nach den Grundsätzen von Verhältniswahlen geschieht. Siehe Buchstabe d) des Änderungsantrags Umdruck 235, damit wir uns nicht mißverstehen!Lassen Sie mich zu dem Gesamtkomplex noch folgendes sagen. In den Betrieben gibt es nicht nur Interessenkonflikte zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern, es gibt auch — so lehrt es uns die tägliche Praxis in den Betrieben — Konfliktsituationen, die in der funktionalen Stellung einzelner oder auch ganzer Gruppen von Betriebsangehörigen begründet sind. Wenn es sich dabei auch noch um Angehörige einer soziologischen Minderheit handelt, dann bedarf es erst recht eines besonderen Schutzes. Deshalb ist es nicht nur ein Gebot der Fairness, sondern gehört es auch zu den demokratischen Grundrechten, das Selbstbestimmungsrecht der Gruppen und Minderheiten hinsichtlich des Wahlverfahrens zu respektieren und ihnen das Recht einzuräumen, selber zu bestimmen, wem aus ihren Reihen das spezielle Vertretungsrecht in den Verfassungsorganen des Betriebes übertragen werden soll.Um alle Mißverständnisse auszuschließen, möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen: auch nach unserer Auffassung ist der Betrieb eine technische Einheit, in der die Arbeitnehmer in ihrer Gesamtheit, also Arbeiter, Angestellte und, wenn Sie wollen, auch leitende Angestellte eine Einheit bilden gegenüber dem Arbeitgeber, weil sie sicher viele gemeinsame Interessen zu vertreten haben. Das schließt aber nicht aus, daß die Belegschaft eines Betriebes sowohl hinsichtlich ihrer Struktur als auch in bezug auf die Funktion, die die einzelnen Beschäftigten ausüben, differenziert zu betrachten ist.Schließlich, meine Damen und Herren, möchten wir der FDP-Fraktion doch einmal Gelegenheit geben,
sich für ein klares Recht der soziologischen Minderheitsgruppen zu entscheiden und ihr einmal gegebenes Wort nun einzulösen. Noch bei der ersten Lesung der fünf Gesetzentwürfe der SPD im Januar 1969 hat der Fraktionsvorsitzende der FDP von dieser Stelle folgendes ausgeführt:Wir sind der Meinung: Hier müssen ganz klar im Gesetz den Minderheiten die Rechte eingeräumt werden, die, wie ich hoffe, alle bei der ersten Gestaltung dieses Gesetzes wollten. Unser Recht trägt ja in mancherlei Weise der soziologischen Struktur unserer Gesellschaft Rechnung. Wir wissen, daß es auch in diesem Bereich, insbesondere aber im politischen Bereich, zahlreiche Ideologen gibt, die am liebsten gar keine Gliederung mehr haben wollen. Sie träumen dann von der nivellierten Einheitsgesellschaft, weil sie sich der Illusion hingeben, daß mit einer solchen Einheitsgesellschaft alle Konflikte, die sich aus den tatsächlichen und recht-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8635
Müller
lichen Gliederungen ergeben, automatisch aufhören würden.
An einer anderen Stelle seiner Ausführungen — ich darf dies einmal in Abwandlungen Ihrer Bezugnahme auf den Aufsichtsrat auf den Betriebsausschuß beziehen, wozu ja ein Änderungsantrag vorliegt — sagte er weiter:Hier müssen wir doch dafür sorgen, daß die Majorisierung von Minderheiten nach dem Betriebsverfassungsgesetz für die Zukunft aufhört. Wir wollen klargestellt haben, daß eben eine Gruppe, die als Minderheit in den Betriebsrat gewählt wird, bei der Wahl der Vertreter in den Aufsichtsrat— jetzt: Betriebsausschuß —die gleiche Chance hat, wie sie der Gesetzgeber für den Betriebsrat vorgesehen hat, und dazu muß man sich hier bekennen. Wer das nicht will,— so sagt Herr Mischnick —soll den Mut haben zu sagen: Nein, wir wollen die Minderheiten eben nicht schützen.Soweit das Zitat.
Nachdem das Pendel der FDP mal wieder nach links ausgeschlagen ist, ist es ihr natürlich nicht zuzumuten, daß sie hier einen entsprechenden Änderungsantrag stellt. Man kann aber wohl dennoch erwarten, daß Sie zu Ihrem früheren und heutigen Wort stehen und wenigstens unserem Antrag zustimmen.Darüber hinaus gibt es auch noch andere Mitglieder dieses Hohen Hauses, die gegenüber interessierten Organisationen — ich darf eine nennen: die DAG — noch im Worte stehen. Die Arbeitnehmer in den Betrieben werden Ihr Demokratieverständnis, meine Damen und Herren, nicht zuletzt danach beurteilen, welche Antwort Sie auf die von ihnen gestellte Frage geben: Wie stehen Sie zum Gruppenrecht und zum verbesserten Minderheitenschutz?
— Ja, das können Sie ruhig fragen, das werde ich Ihnen sagen. Selbstverständlich kann es sich nur— ich möchte das ausdrücklich betonen — um Minderheiten handeln, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes, also unserer freiheitlichen Rechtsordnung stehen. Dem sicher kommenden Einwand Ihrerseits, daß damit radikale Gruppen nur gefördert würden, darf ich gleich begegnen. Das Argument wird unglaubwürdig, wenn Sie den Minderheiten ihre Rechte vorenthalten oder zumindest beschneiden. Die Bekämpfung radikaler Gruppen erfolgt viel besser und erfolgreicher auf anderen Ebenen als in den Betrieben.Meine Damen und Herren, ich darf namens der CDU/CSU-Fraktion deshalb hier den Antrag auf namentliche Abstimmung über Buchstabe c) auf Umdruck 235 stellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Urbaniak.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Änderungsantrag auf Umdruck 235 will die Opposition offenbar eine ganze Reihe von Regelungen in das Gesetz hineinbringen, von denen man sagen kann, daß sie im wesentlichen zur Zersplitterung auf der Arbeitnehmerseite beitragen und radikalen Kräften die Möglichkeit geben würden, in den Betriebsrat gewählt zu werden. Das muß man verhindern.Betrachten wir nun die Vorschriften im einzelnen, zunächst den Buchstaben a) Ihres Umdrucks zu § 14 Abs. 2. Ich habe Ihnen schon in früheren Debatten und im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung vorgehalten, daß die Gestaltung der gemeinsamen Wahl von Arbeitern und Angestellten vom Bundesarbeitsgericht in Analogie zur Geschäftsordnung dieses Hauses entschieden worden ist und daß sie ein Stück praktischer Solidarität von Angestellten und Arbeitern im Betrieb darstellt. Das wollen Sie unnötigerweise erschweren. Man muß bei Ihrer Formulierung davon ausgehen, daß die gemeinsame Wahl in den Betrieben nicht mehr durchgeführt werden soll.Der zweite Punkt dieses Umdrucks, in § 14 Abs. 4 und 5 das Quorum von einem Zehntel bei möglichen Listenwahlen auf ein Zwanzigstel herabzusetzen, würde zwangsläufig dazu führen, daß bei den Betriebsrätewahlen eine viel größere Zahl von Listen als bisher auftauchen, wodurch das Ganze unübersichtlich würde. Ich meine, daß Sie damit jenen Kräften in den Betrieben Chancen einräumen würden, die im Betriebsrat nichts zu suchen haben. Daher ist auch die Verringerung des Quorums abzulehnen.Bei § 27 Abs. 7 folgen Sie im Grundsatz der Regierungsvorlage. Nur wünschen Sie, was den Betriebsausschuß angeht, daß die Verhältniswahl zur Grundlage gemacht wird. Damit würde allen möglichen Konstruktionen zur Erreichung eines Mandats im Betriebsrat Tür und Tor geöffnet. Stellen Sie sich einmal vor, wie hinterher die Zusammenarbeit dieses Betriebsrates zur Vertretung der Interessen der Belegschaft eigentlich aussehen soll. Wir lehnen daher auch Ihren Änderungsantrag zu § 27 Ahs. 2 abMit Ihrem Antrag zu § 38 Abs. 2 Satz 3 wollen Sie, was die Frage der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern angeht, wo es also darauf ankommt, daß der Betriebsrat die qualifiziertesten Kräfte aus seinem Kreis vorschlägt und zur Wahl stellt, die Verhältniswahl anwenden, also eine Wahl, bei der es weitgehend vom Zufall abhängt, wer für die im Hinblick auf das direkte Verhältnis der Belegschaft zum Arbeitgeber wichtige Freistellung in Frage kommt. Das ist verwerflich. Ich meine, daß Ihre An-
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Urbaniakträge insgesamt gesehen eine gefährliche Entwicklung in bezug auf eine solide und vernünftige Grundlage des Betriebsrates einleiten.Ich darf kurz zusammenfassen. Die Minderheitengruppen erhalten nach der Regierungsvorlage einen Status, der ausgewogen und praktikabel ist und der den Betriebsrat als Gemeinschaftsorgan im Grundsatz nicht antastet. Nach Ihren Vorschlägen würden die Gruppen bei der Besetzung von Funktionen und Ämtern nahezu ein echtes Selbstbestimmungsrecht erhalten, wodurch die Stellung des Betriebsrates als Gemeinschaftsorgan — das möchte ich noch einmal betonen -- sehr stark beeinträchtigt würde. Durch das Herabsetzen des Mindestanteils für die Wahlvorschläge auf ein Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer und durch die grundsätzliche Einführung der Verhältniswahl für Wahlvorgänge innerhalb der Gruppen werden nicht nur die Gruppen verselbständigt, sondern darüber hinaus auch Minderheiten innerhalb der Gruppen sehr weitgehend verstärkt. Außerdem wird die Möglichkeit — ich betonte es schon — der gemeinsamen Wahl zum Betriebsrat erschwert. Sie wollen Unübersichtlichkeit, Zersplitterung, Schwächung der Betriebsvertretung. Das muß abgelehnt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Freien Demokraten und ganz besonders auch unser Fraktionsvorsitzender sind dem Kollegen Müller sehr dankbar dafür, daß er hier von dieser Stelle aus sehr deutlich gemacht hat, daß die Freien Demokraten bereits 1968/69 der Auffassung waren, im Betriebsverfassungsgesetz müsse die soziologische Gruppe der Angestellten einen besseren Minderheitenschutz erhalten, als dies bisher der Fall war.
Wir sind auch sehr dankbar für die Anerkennung, die Sie dem Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form gewährt haben. Denn aus diesem Gesetzentwurf wird deutlich, daß wir Freien Demokraten in Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten unsere Vorstellungen aus den Jahren 1968/69 im Bereich des Minderheitenschutzes in diesen Entwurf einbauen konnten. Leider haben wir nämlich in diesen Jahren 1968/69 feststellen müssen, daß dies mit der CDU/ CSU nicht möglich war. Damals gab es einen Antrag im Ausschuß, der den Schutz der Minderheiten im Betriebsverfassungsgesetz verstärken sollte. Dieser Antrag blieb aber im Ausschuß liegen. Es war nicht möglich, den Vorsitzenden dieses Ausschusses, einen Koalitionspartner der Antragsteller, dazu zu bringen, die endgültige Abstimmung über den damaligen Antrag zur Sicherung des Minderheitenschutzes zu erreichen.
So sind die Tatsachen, Herr Kollege Müller .
Deshalb sind wir sehr dankbar für Ihre Anerkennung der Tatsache, daß wir uns immer bemüht haben und daß es auch gelungen ist, in den vorliegenden Entwurf den Minderheitenschutz in einem sehr erheblichen Maße einzubauen. Denn seinerzeit war die CDU/CSU, wie gesagt, nicht bereit, so etwas mit uns im Ausschuß zu tun. Das zur Feststellung.
Auf Grund der Tatsache, daß wir hier einen erheblichen Minderheitenschutz für die Angestellten als soziologische Gruppe erreichen konnten, sehen wir keine Veranlassung, an dem jetzigen Gesetzentwurf in dieser Richtung etwas zu ändern.
Das Wort hat der Abgeordnete Weigl. — Meine Herren und Damen, ich wäre dankbar, wenn Sie es dem Redner nicht so schwer machten.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zuerst ein Wort zu den Ausführungen des Kollegen Urbaniak sagen. Herr Kollege, der Ausschluß radikaler Splittergruppen aus den Betriebsräten ist natürlich ein ernsthaftes Problem. Ich sage Ihnen auch, wie es lösbar wäre: durch das Verbot der Deutschen Kommunistischen Partei und der NPD. Es ist jedoch höchst gefährlich, die Frage eines Verbotes verfassungswidriger Organisationen mit der Fassung von Wahlvorschriften zu verquicken, wie Sie das getan haben. Ich warne davor, bei dieser sehr merkwürdigen Argumentation zu bleiben, denn sie ist bestimmt nicht rechtsstaatlich.Die §§ 27 und 38 — betr. Betriebsausschuß und Freistellungen — des Entwurfs eines neuen Betriebsverfassungsgesetzes stehen nach unserer Überzeugung in Widerspruch zu dem in § 75 dieses Entwurfs aufgestellten Gleichheitsgrundsatz. Wenn die Mitglieder des Betriebsrates nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden, erscheint es zwingend, vorzuschreiben, daß auch die Entscheidungen im Betriebsrat nach denselben Prinzipien getroffen werden und daß, soweit es sich um die Besetzung des Betriebsausschusses und der sonstigen Ausschüsse sowie um die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern handelt, nicht nur das zahlenmäßige Verhältnis der Gruppen der Arbeiter und Angestellten zueinander berücksichtigt wird., sondern in gleicher Weise auch das zahlenmäßige Verhältnis der im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaften und der nicht organisierten Betriebsratsmitglieder zueinander. Hierbei handelt es sich um Wahlgrundsätze, die in allen Fällen gelten, z. B. bei den Sozialwahlen, bei den Kommunalwahlen, bei den Wahlen zu den Länderparlamenten und auch zum Bundestag. Nur beim Betriebsverfassungsgesetz wollen Sie diese anerkannten Wahlgrundsätze nicht anerkennen.
Wenn Sie hier von Konstruktionen, von Zufälligkeiten bei Freistellungen sprechen, mißachten Sie im Grunde genommen den im Wahlergebnis zum Ausdruck gekommenen Willen der Betriebsangehö-
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Weiglrigen. Es hat bestimmt nichts mit einer Überspitzung des Gruppenschutzes zu tun — so sagten Sie es ja im Ausschuß —, wenn für 30 oder 40 oder sogar noch mehr Prozent der Wähler sichergestellt wird, daß das Wahlergebnis der Betriebsratswahl die Grundlage bildet für die Besetzung des Betriebsausschusses und der sonstigen Ausschüsse und für die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern. Ich darf nur Galperin-Siebert zitieren, der gesagt hat: Es würde Treu und Glauben widersprechen und als offensichtlicher grober und willkürlicher Verstoß gegen das einfachste Rechtsempfinden angesehen werden müssen, wenn die Mehrheitsgruppe des Betriebsrates aus eigensüchtigen Motiven nur einen ihrer Gewerkschaftsorganisation angehörenden Vertreter der Minderheitsgruppe in den Betriebsausschuß aufnehmen und die Vertretungswünsche des überwiegenden Teils dieser Minderheitsgruppe z. B. übergehen würde. Ich darf darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß es in der Praxis ungezählte Fälle dieses groben und willkürlichen Verstoßes gegen das einfachste Rechtsempfinden gibt. Die sachwidrige Ausnutzung des Mehrheitsprinzips widerspricht nach unserer Auffassung nicht nur jeglicher Toleranz als einer der Grundlagen des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates, sondern tritt im Grunde genommen die Rechte anderer mit Füßen. Das kann nach unserer Überzeugung nicht verfassungskonform sein.Darf ich noch ein ganz kurzes Wort zum Unterschriftenquorum sagen. Wenn bei 1000 wahberechtigten Arbeitnehmern zur Einreichung von drei Listen 300 Unterschriften erforderlich sind, wird die Grenze des Zumutbaren weit überschritten. Ein Unterschriftenquorum von 10 %, auch wenn Großbetriebe von diesem Unterschriftenquorum faktisch ausgenommen sind, ist nach unserer Überzeugung mit dem Grundsatz der Geheimhaltung der Wahl unvereinbar. Die Stimmabgabe darf weder offen noch öffentlich erfolgen, vielmehr nur unter Sicherung der Geheimhaltung. So sagte es das Grundgesetz. Wie soll diese Norm des Grundgesetzes erfüllt werden, wenn 30, 40 oder noch mehr Prozent der Wähler bereits bei der Einreichung der Wahllisten offen angeben müssen, zu welcher Liste sie sich bekennen? Das Bundesverfassungsgericht wägt in seiner Rechtsprechung zur Fünfprozentklausel das Postulat der Funktionsfähigkeit des zu wählenden Staatsorgans gegen das andere Postulat des gleichen Erfolgswertes aller Wählerstimmen ab. Das muß mindestens auch für die Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes gelten. Um es anders zu sagen: auf Betriebsebene kommt ein Unterschriftenquorum von 10 % — ich nehme die Großbetriebe aus — einer Sperrklausel von 10 % gleich. Das ist nach unserer Überzeugung verfassungswidrig; das darf ich hier offen zum Ausdruck bringen.Zusammenfassend darf gesagt werden: der Entwurf enthält keinen ausreichenden Schutz der verschiedenen Gruppen innerhalb des Betriebes. Er führt dazu, daß auch weiterhin die Minderheiten von den Mehrheiten unterdrückt, ja, sogar terrorisiert werden können. Problematisch und verfassungsrechtlich bedenklich erscheint auch die Bestimmung in § 14 des Entwurfs, nach der bei erstmaliger Betriebsratswahl Gewerkschaften Listen ohne Unterschriften einreichen können, während bei wiederholter Betriebsratswahl das Unterschriftenquorum wiederum notwendig sein soll. Diese Absicht steht im Widerspruch zu allen Wahlvorschriften in den Kommunalwahlgesetzen und mutet uns sehr merkwürdig an.Nach unserer Überzeugung ist der Entwurf undemokratisch, da er keine Bestimmungen über die Anwendung der Grundsätze der Verhältniswahl bei der Besetzung des Betriebsausschusses, der übrigen Ausschüsse des Betriebsrats und bei den Freistellungen vorsieht.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Arndt?
Herr Kollege, würden Sie dem Hause freundlicherweise mitteilen, auf Grund welchen Artikels unseres Grundgesetzes Sie diese verfassungsrechtlichen Bedenken anmelden wollen?
Meines Wissens ist es Art. 38 des Grundgesetzes. Ich habe das Grundgesetz nicht unter dem Arm, wie man so schön sagt;
aber das kann man ja, Herr Kollege Schellenberg, noch auf dem entsprechenden Weg klären lassen. Wir sollten uns hier darüber nicht streiten.
Noch ein letztes Wort an die Fraktion der Freien Demokratischen Partei. Wir wären dankbar gewesen, wenn Sie das, • was Sie grundsätzlich gesagt haben, auch auf das konkrete Gesetz übertragen und hier in diesem Sinne unseren Vorschlägen Ihre Zustimmung gegeben hätten.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Änderungsantrag der CDU/CSU auf Umdruck 235. In bezug auf § 14 handelt es sich um eine einfache Abstimmung; zu § 27 ist namentliche Abstimmung beantragt.Ich denke, wir stimmen über die einzelnen Punkte des Änderungsantrags auf Umdruck 235 getrennt ab. Wer Punkt a) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.Ich rufe Punkt b) des Änderungsantrags der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 235 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Damit kommen wir zur Abstimmung über § 14 in der vorliegenden Fassung. Wer zuzustimmen
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8638 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Vizepräsident Frau Funckewünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.Zu den §§ 15 bis 26 liegen keine Änderungsanträge vor. Ich stelle diese Paragraphen zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.Wir kommen nunmehr zu § 27. Dazu liegt auf Umdruck 235 unter Punkt c) ein Änderungsantrag der CDU/CSU vor. Es ist namentliche Abstimmung beantragt.Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Abgestimmt haben 491 Abgeordnete sowie 20 Berliner Abgeordnete. Mit Ja haben gestimmt 241 Abgeordnete, mit Nein 250 Abgeordnete; von den Berlinern haben mit Ja gestimmt 9 Abgeordnete, mit Nein 11 Abgeordnete. Enthaltungen sind nicht zu verzeichnen.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 491 und 21 Berliner Abgeordnete. DavonJa: 240 und 9 Berliner AbgeordneteNein: 250 und 12 Berliner AbgeordneteUngültig: 1 AbgeordneterJa CDU/CSUDr. Abelein AdornoDr. Aigner Albervon Alten-NordheimDr. AlthammerDr. Arnold Dr. Artzinger Dr. BachBaierBalkenhol Dr. Barzel Dr. Becher
Dr. Becker
Becker BerberichBerdingBergerBewerunge BiecheleBiehleDr. BirrenbachDr. von Bismarck BittelmannBlankBlumenfeldvon BockelbergDr. BöhmeFrau Brauksiepe Breidbach BremerBremmBrück Dr. BurgbacherBurgerDr. CzajaDammvan Delden DichgansDr. Dittrich Dr. DollingerDraegervon Eckardt EhnesEngelsbergerDr. Erhard ErnestiErpenbeck Dr. Evers Dr. Eyrich von Fircks Franke
Dr. Franz Dr. Freiwald Dr. Frerichs Dr. FrühDr. Fuchs Dr. Furler Dr. GatzenFrau Geisendörfer Geisenhofer Gerlach GewandtGierenstein Dr. Giulini Dr. GleissnerGlüsing Dr. GölterDr. GötzGottesleben Frau GriesingerDr. Gruhl Haase
Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. HallsteinDr. HammansHanzvon HasselHauser Dr. Hauser (Sasbach)Dr. HeckDr. Hellige Frau Dr. HenzeDr. Hermesdorf HöcherlHöslHorstmeierHortenDr. Hubrig Hussing Dr. HuysFrau Jacobi
Dr. JaegerDr. Jahn Dr. JenningerDr. Jobst JostenDr. JungmannFrau KalinkeKatzerDr. KempflerKiechle KiepDr. h. c. KiesingerFrau Klee Dr. KlepschDr. KleyDr. Kliesing KlinkerKösterKrammig Krampe Dr. Kraske Dr. KreileFrau Dr. Kuchtner LampersbachLeichtLemmrich LensingDr. Lenz Lenze (Attendorn)LenzerLinkDr. Löhr LooftDr. LudaLücke MajonicaDr. MartinDr. Marx MaucherMeister Memmel Dr. Mende MickDr. Mikat Dr. MiltnerDr. Müller Müller (Niederfischbach) Müller (Remscheid)Dr. Müller-Hermann MurschNiegelDr. von Nordenskjöld OrgaßOttPetersen PfeiferPicardPierothDr. Pinger Pohlmann Dr. PrasslerDr. Preiß Dr. Probst RainerRaweReddemannDr. ReinhardRichartsRiedel
Dr. Riedl
Dr. RinscheDr. RitgenDr. Ritz RockRöhner Rösing RollmannRommerskirchenRoserRufRussePrinz zu Sayn-Wittgenstein-HohensteinSchleeSchedlDr. Schmid-BurgkDr. Schmidt Schmitt (Lockweiler)Dr. h. c. Schmücker Schneider Dr. Schneider (Nürnberg) Dr. SchoberFrau Schroeder Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Sellstedt) Schröder (Wilhelminenhof) SchulhoffSchulte Dr. Schulze-VorbergDr. SchwörerSeitersDr. SiemerSolkeSpilker SpringorumDr. SprungStahlbergDr. Stark
Stein
SteinerFrau StommelStormStrauß Struve Stücklen Susset von ThaddenTobaben Frau TüblerDr. UnlandVarelmannVeharVogelVogtVolmerWagner
Dr. Wagner
Frau Dr. WalzDr. WarnkeWawrzikWeber
WeiglDr. Freiherr von Weizsäcker WendelbornWerner WindelenWinkelheideWissebachDr. Wittmann
Dr. WörnerFrau Dr. WolfBaron von WrangelDr. Wulff ZieglerDr. ZimmermannZinkZoglmannBerliner AbgeordneteAmrehnBendaFrau Berger
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8639
Vizepräsident Frau FunckeDr. GradlDr. KotowskiMüller
Frau PieserDr. Schulz WohlrabeNein SPDAdamsDr. Ahrens AnbuhlDr. ApelArendt
Dr. Arndt
BaackBaeuchle BäuerleBalsBarcheDr. Bardens BatzBauer
BayDr. BayerlDr. Bechert Becker (Nienberge) BehrendtBergmann BerkhanBerlinBiermann BöhmBörnerFrau von BothmerBrandtBrandt
BredlBrück BrünenBuchstaller BüchnerDr. von BülowBuschfortDr. BußmannColletCorterier CramerDr. von DohnanyiDürrEckerland Dr. Ehmke Frau Eilers Dr. Enders Engholm Dr. Eppler EstersFallerDr. FarthmannFellermaier FiebigDr. Fischer FlämigFrau Dr. FockeFolgerFranke
FrehseeFrau Freyh FritschGeigerGerlach
GertzenDr. Geßner Glombig Gnädinger Grobecker Dr. Haack Haar
Haase
Haehser Halfmeier Hansen Hansing HauckDr. Hauff HenkeFrau HerklotzHermsdorf HeroldHirschHöhmann
Hörmann HofmannHornFrau HuberDr. Hupka Jahn
Jaschke Junghans JunkerKaffkaKahn-AckermannKaterKernKillat-von CorethDr. Koch KoenigKohlbergerKonradDr. KreutzmannKrockert Kulawig LangeLangebeck Dr. LauritzenLautenschlagerFrau LauterbachLeberLempLemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. LohmarMaibaum MarquardtMarx
Matthes Matthöfer Frau MeermannDr. Meinecke Meinicke (Oberhausen) MetzgerMichels MöhringDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller
Dr. Müller Müller (Nordenham)Dr. Müller-EmmertDr. MüthlingNeemann Neumann Dr. NöllingDr. OettingOffergeld Frau Dr. OrthFrhr. Ostman von der Leye PawelczykPeiterPenskyPeters
PöhlerPorzner RaffertRavensDr. ReischlFrau RengerRichterDr. RinderspacherRohde RosenthalRoßSäcklSander SaxowskiDr. SchachtschabelDr. Schäfer Frau SchanzenbachScheuDr. SchillerSchiller
Frau SchimschokSchirmerSchlagaDr. Schmid Schmidt (Braunschweig) Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg)Dr. Schmidt Schmidt (München) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Würgendorf)Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. SchmudeSchoettleSchollmeyerSchonhofenSchulte
SchwabeSeefeld Seibert Seidel Frau SeppiSimonDr. SlottaDr. SperlingSpilleckeStaak
Frau StrobelStrohmayrSuckTallertDr: TambléFrau Dr. TimmTönjes UrbaniakVitWalkhoffDr. Weber
Wehner Welslau Wende Wendt WestphalDr. WichertWiefel WienandWilhelmWischnewski Dr. de WithWittmann WolfWolfram Wrede WürtzWüster Wuttke Wuwer Zander ZebischBerliner AbgeordneteDr. Arndt
BühlingDr. DübberHeyenFrau KrappeLöffler Mattick Dr. SchellenbergFrau SchleiDr. SeumeSieglerschmidtFDPDr. AchenbachFrau Dr. Diemer-Nicolaus DornErtlFrau FunckeGallus Geldner GenscherGraaff Grüner HelmsJungKienbaumKirstKleinert KrallFrhr. von Kühlmann-Stumm LogemannMertes MischnickMoersch Ollesch Peters
ScheelSchmidt SpitzmüllerWurbsBerliner Abgeordnete BormDamit ist der Antrag abgelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über § 27.
— Es wird beantragt, die Abstimmung über § 27 zu unterteilen.Wer dem Abs. 1 des § 27 in der vorliegenden Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Wir stimmen über den Abs. 2 des § 27 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das dürfte die gleiche Mehrheit sein wie eben. Der Absatz ist angenommen.
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8640 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Vizepräsident Frau FunckeWir können über die Abs. 3 und 4 wohl zusammen abstimmen. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Zu den §§ 28 bis 37 liegen keine Änderungsanträge vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Zu § 38 liegt ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Umdruck 235 unter d) vor. Ich nehme an, der Änderungsantrag ist zusammen mit den Anträgen zu den §§ 14 und 27 begründet und diskutiert worden. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.Wir stimmen dann über § 38 in der vorliegenden Fassung ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.Bis zum § 75 einschließlich gibt es keine Änderungsanträge. Wir stimmen über die §§ 39 bis 75 einschließlich ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen angenommen.Zu § 75 liegt der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 237 *) vor. Dazu hat Herr Abgeordneter Ruf ums Wort gebeten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Änderungsantrag 237 kommen wir nunmehr zu dem wichtigen Thema der Einigungsstelle im Rahmen der Betriebsverfassung.Es ist heute vormittag von einem der Redner gesagt worden, auch die verbindlich entscheidende Einigungsstelle bedeute keine Zwangsschlichtung. Meine Damen und Herren, das ist sehr wohl Zwangsschlichtung von außen her! Bei der Anhörung durch den Ausschuß hat einer der Sachverständigen, und zwar ein Gewerkschaftsvertreter, Herr Apel von der DAG, dazu ausdrücklich folgendes gesagt:Es führt kein Weg daran vorbei: die Einigungsstelle ist ein Instrument der Zwangsschlichtung, weil diese Stelle mit dem Recht ausgestattet ist, in die Auseinandersetzungen zweier in diesem Raum autonomer Gruppen einzugreifen und eine letzte Entscheidung herbeizuführen.Die letzte Entscheidung in wichtigen Dingen, meine Damen und Herren, wird durch einen außenstehenden Dritten herbeigeführt. Das ist der Abbau der Partnerschaft, ist eine Abkehr von dem Grundsatz, daß die betrieblichen Partner, Arbeitgeber und Betriebsrat, alles zu tun haben, sich innerbetrieblich zu einigen, sich zusammenzuraufen, Lösungen zu finden und nicht den bequemen Weg zur Einigungsstelle zu gehen und einem außenstehenden Dritten die Entscheidung zu überlassen.*) Siehe Anlage 6Meine sehr verehrten Damen und Herren, gegenüber dem geltenden Recht und gegenüber dem CDU/ CSU-Entwurf ist insofern eine Änderung beschlossen worden, als nach § 76 in der Ausschußfassung die verbindlich entscheidende Einigungsstelle, die nur auf Antrag einer Seite tätig werden kann und deren Spruch dann gegebenenfalls die fehlende Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ersetzt, an die Spitze gerückt wird und vor die freiwillige Einigungsstelle gestellt wird, die nur auf Antrag beider Parteien tätig wird und deren Spruch nur dann verbindlich ist, wenn beide Seiten entweder vorher zugestimmt oder sich nachträglich mit dem Spruch einverstanden erklärt haben.Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, man sollte nicht so verfahren, wie es die Regierungsparteien tun. Bisher war es so, daß die verbindlich entscheidende Einigungsstelle die Ausnahme war. Jetzt wird die Ausnahme zur Regel gemacht. Das ist nicht gut, meine Damen und Herren. Die Ausnahme wird insofern zur Regel gemacht, als die Zuständigkeit der verbindlich entscheidenden Einigungsstelle extrem ausgedehnt wird. Meine Damen und Herren, Herr Kollege Schellenberg und die anderen Kollegen aus dem Ausschuß, ich gebe zu, daß wir in einigen Fällen dieser Ausdehnung zugestimmt haben. Daraus ersehen Sie, welches Maß an Selbstverleugnung und an Selbstüberwindung wir aufgebracht haben, um uns kompromißbereit zu zeigen — in der Hoffnung, daß Sie in den wirklich gravierenden Punkten dann eben auch kompromißbereit sein werden. Wir haben z. B. der verbindlich entscheidenden Einigungsstelle in dem Fall zugestimmt, daß Arbeitgeber und Betriebsrat sich nicht darüber einigen können, welche Betriebsratsmitglieder an Schulungsveranstaltungen teilnehmen sollen oder welche Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit für das Betriebsratsamt freizustellen sind. Wir haben auch dem zugestimmt, daß die verbindlich entscheidende Einigungsstelle zuständig sein soll, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat sich nicht einigen können, wann, zu welcher Stunde die Sprechstunde des Betriebsrates stattfinden soll. Meine sehr verehrten Damen und Herren, an diesem Beispiel sehen Sie, daß die Dinge von den Regierungsfraktionen hier geradezu lächerlich gestaltet worden sind. Wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einmal darüber mehr einigen können, wann und zu welcher Stunde die Sprechstunde stattfinden soll, worüber sollen sie sich dann überhaupt noch einigen, wenn Konflikte entstehen? Das ist doch eine ganz unmögliche Geschichte! Daran sehen Sie, wie töricht die Dinge hier gestaltet sind.Deswegen beantragen wir unter Ziffer 1 die Wiederherstellung des bisherigen Rechtes. Die verbindlich entscheidende Einigungsstelle soll die Ausnahme bleiben. Das soll schon durch die Umstellung zum Ausdruck kommen. Wir haben § 76 Abs. 5 in der neuen Fassung im Ausschuß zugestimmt. Wir sehen darin eine wichtige Klarstellung, eine Verdeutlichung des geltenden Rechts. Wir halten es für richtig, daß noch einmal darauf hingewiesen wird, daß die Einigungsstelle sowohl die Belange der Arbeitnehmer als auch die Interessen des Unterneh-
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Rufmens nach billigem Ermessen zu berücksichtigen hat. Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, wir schlagen hier lediglich eine Umstellung vor, indem wir zuerst analog § 2 des Betriebsverfassungsgesetzes von den betroffenen Arbeitnehmern und dann erst vom Betrieb sprechen. Außerdem haben wir den bisherigen § 49 Abs. 4 wieder eingefügt, der besagt:Die Anrufung von Schiedsstellen und Behörden ist erst zulässig, nachdem eine Einigung im Betrieb nicht erzielt wurde.Das brauche ich nicht näher zu begründen.Und nun, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wäre ich dankbar, wenn ich, damit wir schneller vorankommen, bei dieser Gelegenheit gleich die weiteren Ziffern unseres Änderungsantrags begründen dürfte.
— Sie sind damit einverstanden.Zunächst der § 85 Abs. 2. Das bisherige Recht, unser Entwurf, der Regierungsentwurf kennen in § 84 das individuelle Beschwerdeverfahren der einzelnen Arbeitnehmer. Das geht in Ordnung, damit sind wir einverstanden. Nun soll in § 85 das Beschwerdewesen auch kollektivrechtlich über den Betriebsrat und über die Einigungsstelle geregelt werden, und zwar in der Weise, daß gesagt wird: Sind Arbeitgeber und Betriebsrat sich nicht einig, bestehen Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung — ich unterstreiche: „die Berechtigung"; ich weiß, warum ich das tue — der Beschwerde, so kann die paritätisch besetzte Einigungsstelle angerufen werden, und diese entscheidet dann mit ihrem neutralen Vorsitzenden gegebenenfalls verbindlich.Meine Damen und Herren, gerade an diesem Beispiel wird sehr deutlich, daß paritätische Mitbestimmung letzten Endes nicht Selbstbestimmung, sondern Fremdbestimmung ist, Bestimmung durch einen Dritten. Das muß man klar sehen. Und worüber kann man sich denn nicht beschweren? Es gibt wohl nichts, worüber man sich nicht beschweren könnte. Dadurch, daß die Beschwerden nicht eingegrenzt sind, es sei denn, es handelt sich um Rechtsansprüche, kann praktisch jede Frage, die im Betrieb auftaucht, voll mitbestimmungspflichtig werden. Das ist nicht gut. Wir sind der Meinung, man sollte einen Weg finden, wenigstens diese Beschwerden abzugrenzen, damit der Einigungsstelle abgrenzbare oder abgegrenzte Tatbestände vorliegen. Deswegen schlagen wir in Ziffer 2 unseres Änderungsantrages Umdruck 237 vor, in § 85 Abs. 2 Satz 1 einzufügen: „im Rahmen der Bestimmungen des § 87", d. h. im Rahmen der sozialen Mitbestimmung. Ich brauche Ihnen das nicht näher zu erläutern.Dann § 87. Zu § 87 beantragen wir, die Bestimmung des § 87 der Regierungsvorlage durch die §§ 29 und 30 — soziale Mitbestimmung — aus unserem Entwurf zu ersetzen. Wir sind der Überzeugung, daß wir durch unsere Konstruktion in diesen beiden Paragraphen den Arbeitnehmern und den Betriebsräten mehr Mitbestimmung bringen als in dem § 87 der Ausschußvorlage.
— Das kann ich Ihnen an Einzelheiten leicht beweisen. Der § 87 hat den Nachteil, daß er im Gegensatz zum bisherigen Recht die soziale Mitbestimmung auch auf Einzelfälle ausdehnt. Wenn Arbeitgeber und Betriebsrat sich z. B. nicht einig sind — nicht über die Urlaubsplanung, nicht über die Urlaubsgrundsätze, sondern über die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs eines einzelnen Arbeitnehmers, wenn also ein einzelner Arbeitnehmer sagt: ich will meinen Urlaub im August und auf keinen Fall im Januar nehmen —, wenn also darüber keine Einigung herzustellen ist, dann soll der arme Teufel, der außenstehende Dritte, der Arbeitsrichter, darüber entscheiden. Das kann nicht gut sein. Wir sollten dabei bleiben, daß wir in der sozialen Mitbestimmung lediglich generelle Regelungen und nicht Einzelfallregelungen treffen.Dann steht in § 87 Abs. 1 Nr. 11 bei der Festsetzung von Akkord- und Prämiensätzen: „einschließlich der Geldfaktoren". Dadurch wird das, was bisher ausschließlich tarifvertraglich geregelt wird, was nicht Sache des Betriebsrates, nicht der innerbetrieblichen Einigung und erst recht nicht Sache der Einigungsstelle und der Zwangsschlichtung ist, der Lohnfaktor, die Lohnhöhe, praktisch voll mitbestimmungspflichtig. Wir sind der Meinung, man sollte im Interesse unserer Ordnung und im Interesse der Tarifautonomie der Tarifpartner dabei bleiben, daß sich die soziale Mitbestimmung, die volle gleichberechtigte Mitbestimmung des Betriebsrats auf die formellen Arbeitsbedingungen beschränkt und nicht auf die materiellen Arbeitsbedingungen ausgedehnt wird — aus guten Gründen.Dann komme ich zur Ziffer 4 auf Seite 3. Ich bitte, Ziffer 4 zu streichen. Es handelt sich hier um ein Versehen des Büros. Es wäre töricht von uns, das zu beantragen; diese Formulierung stimmt nämlich fast wörtlich mit der im Entwurf der Regierung überein. Hier ist eine Panne passiert, die ich zu entschuldigen bitte.Nun komme ich zum § 95. Dieser Paragraph hat mehrere Abschnitte. Abs. 1 stimmt inhaltlich mit unserer Formulierung überein. Auch wir sind der Meinung, daß Auswahlrichtlinien auf Initiative des Arbeitgebers zu erstellen sind. Der Arbeitgeber kann sie nur aufstellen, wenn der Betriebsrat zustimmt. Wenn er nicht zustimmt, kann der Arbeitgeber zur Einigungsstelle gehen und kann — wenn er will die fehlende Einigung zwischen ihm und dem Betriebsrat ersetzen lassen. Wenn der Arbeitgeber nicht die Zustimmung des Betriebsrates bekommt und nicht zur Einigungsstelle geht, muß er eben auf die Aufstellung solcher Richtlinien verzichten.Der Regierungsentwurf sieht im Abs. 2 im Gegensatz zu unserer Formulierung vor, daß der Betriebsrat in Betrieben mit mehr als 1000 Arbeitnehmern gegebenenfalls gegen den Willen des Arbeitgebers über die paritätisch besetzte Einigungsstelle mit
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Rufdem außenstehenden Dritten Richtlinien erzwingen kann, und zwar Auswahlrichtlinien über die persönliche und fachliche Einigung der Arbeitnehmer für alle personellen Maßnahmen, die dann bei Einzelmaßnahmen Bedeutung haben: bei Einstellungen, Versetzungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen, Kündigungen usw.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sehen in diesen erzwingbaren Auswahlrichtlinien einen wesentlichen Eingriff in den Kernbereich der Unternehmens- und Betriebsführung.
Wir haben im Ausschuß den Antrag gestellt, § 95 Abs. 2 zu streichen. Wir konnten uns damit nicht durchsetzen. Wir bitten, diesen ganzen § 95 durch unsere Formulierungen zu ersetzen.Nun komme ich zu einem weiteren Kapitel.
Herr Kollege Ruf, wollen Sie sämtliche Anträge jetzt begründen? Sie wissen, daß wir eine Abstimmung terminiert haben.
Der Sprecher der SPD-Fraktion hat sich damit einverstanden erklärt. Ich glaube, es ist in unser aller Interesse, im Interesse der Zeitersparnis, wenn ich alle diese Anträge — ich bin bereits beim letzten Punkt — jetzt im Zusammenhang begründe. Es geht dann schneller.
Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie bald zum Schluß kämen, damit wir den vorgesehenen Zeitplan einhalten können.
Schon im eigenen Interesse. Ich bin ja auch froh, wenn ich fertig bin.
Nun komme ich zur sogenannten wirtschaftlichen Mitbestimmung, der Mitbestimmung des Betriebsrates bei Betriebsänderungen. Sie wissen, daß wir den Katalog des bisherigen § 72 hinsichtlich der Betriebsänderungen — also bei Betriebsstillegungen, Einführung von neuem Fertigungsverfahren, grundlegenden Änderungen der Betriebsorganisation etc. — erweitert haben. Insofern unterscheidet sich unsere Formulierung von der Formulierung im Regierungsentwurf, der ja in dieser Frage hinter das geltende Recht zurückgegangen ist; das ist nicht zu leugnen.
Nun haben die Regierungsfraktionen unseren Katalog der Betriebsänderungen übernommen. Sie haben ihn aber auf ihre Rechtsfolgen aufgepfropft, nämlich darauf, daß — nach den Vorstellungen der Koalitionsfraktionen, im Gegensatz zum geltenden Recht, im Gegensatz zum Entwurf der CDU/CSU-Fraktion — bei Betriebsänderungen der Sozialplan über die paritätisch besetzte Einigungsstelle mit
dem neutralen Vorsitzenden jeweils erzwungen werden kann. Hier zeigt sich wieder einmal, wie fehlerhaft es ist, daß man nicht die Unternehmensmitbestimmung, die Unternehmensverfassung gleichzeitig mit der Betriebsverfassung regelt.
Ich darf Ihnen das an einem Beispiel mal erläutern, meine Damen und Herren.
Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mit diesem Punkt zu Ende kämen, damit ich die auf 16 Uhr terminierte Abstimmung aufrufen kann.
Ich komme gleich zum Ende, verehrter Herr Präsident. Aber das ist ein so wichtiges Thema, daß das einmal erläutert werden muß.
Herr Kollege, ich bitte Sie, hier nicht in indirekter Form an der Amtsführung Kritik zu üben, sondern zu Ende zu kommen.
Ich werde mich hüten, das zu tun, und zum Ende kommen, auch wenn Sie, meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, es nicht gerne hören.
Ein Beispiel! Im Aufsichtsrat kann mit den Stimmen der Arbeitnehmer ein Beschluß zustande kommen, einen Betrieb ganz oder teilweise stillzulegen. Das geht in die Betriebsratsebene, über die Einigungsstelle wird ein Sozialplan erzwungen, und dieser kann — je nachdem — so teuer werden, daß dann der Aufsichtsrat sagt: „Dann können wir das, was wir vorgehabt haben, nicht mehr durchführen." Deswegen die elastischere Lösung des bisherigen Rechtes, die elastischere und damit bessere Lösung des CDU/CSU-Entwurfs. Damit hoffe ich den Herrn Präsidenten befriedigt zu haben.
Danke, Herr Kollege. Ich bitte nur um Verständnis: wir müssen im Hinblick auf Termine, die außerhalb dieses Hauses festgelegt worden sind, zur Abstimmung kommen.Meine Damen und Herren, ich unterbreche die zweite Beratung des Entwurfs eines Betriebsverfassungsgesetzes an diesem Punkt und rufe Punkt 3 der heutigen Tagesordnung auf:Beratung des Einspruchs des Bundesrates gegen das vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum— Drucksache VI/2757 —Ich frage, ob das Wort zur Begründung des Einspruchs gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall.Nach § 92 der Geschäftsordnung stimmt der Bundestag über den Einspruch des Bundesrates ohne
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Dr. Schmitt-VockenhausenAussprache ab. Vor der Abstimmung können lediglich Erklärungen abgegeben werden. Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. — Herr Abgeordneter Wagner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Einspruch des Bundesrates liegen gewichtige Gründe zugrunde. Wir sind deshalb der Auffassung, daß auch der Entscheidung über diesen Einspruch besondere Bedeutung zukommt. Namens der Fraktion der CDU/CSU beantrage ich daher namentliche Abstimmung.
Ich gehe davon aus, daß der Antrag hinreichend unterstützt ist. — Der Antrag ist hinreichend unterstützt.
Herr Abgeordneter Lenz, Sie wollen eine Erklärung abgeben? — Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte im eigenen Namen eine persönliche Erklärung zu dieser Abstimmung abgeben. Ich werde das vorliegende Gesetz ablehnen, weil es nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist.
Zum erstenmal seit 22 Jahren ist die Zustimmungsbedürftigkeit aus einem Gesetz herausgeschnitten worden. Nachdem die Bundesregierung durch ihre Antragstellung und der Bundestag durch seine Beschlußfassung das Zustimmungsrecht des Bundesrates zum Gesetz als Ganzem etabliert hatten, stand es nicht mehr in ihrer rechtlichen Macht, diese Zustimmungsbedürftigkeit hinterher ohne Zustimmung des Bundesrates zu beseitigen. Meine Damen und Herren, wer im privaten Leben während des Spiels die Regeln ändert, würde seinen Kredit verlieren. Ich glaube, dieses Haus sollte das nicht tun.
Meine Damen und Herren, der Bundesrat hat den Einspruch mit der Mehrheit seiner Stimmen beschlossen. Gemäß Art. 77 Abs. 4 Satz 1 GG muß der Deutsche Bundestag den Einspruch durch Beschluß der Mehrheit seiner Mitglieder zurückweisen. Das sind 249 voll stimmberechtigte Mitglieder.Wir stimmen jetzt über die Zurückweisung des Einspruchs in namentlicher Abstimmung ab. Wer für die Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum ist, den bitte ich, mit Ja zu stimmen. Wer gegen die Zurückweisung des Einspruchs ist, stimmt mit Nein. Ich eröffne die namentliche Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Abstimmungskarten einzusammeln.Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. 250 Mitglieder des Hauses und 12 Berliner Abgeordnete haben den Einspruch zurückgewiesen.
Mit Nein haben 241 Mitglieder des Hauses und 9 Berliner Abgeordnete gestimmt. Ein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten. Insgesamt sind 492 Stimmen abgegeben worden, und 21 Berliner Kolleginnen und Kollegen haben sich an der Abstimmung beteiligt.ErgebnisAbgegebene Stimmen 492 und 21 Berliner Abgeordnete. DavonJa: 250 und 12 Berliner AbgeordneteNein: 241 und 9 Berliner AbgeordneteEnthalten: 1 AbgeordneterJa SPDAdamsDr. AhrensAnbuhlDr. ApelArendt
Dr. Arndt
Baack BaeuchleBäuerleBalsBarcheDr. BardensBatzBauer BayDr. BayerlDr. Bechert Becker (Nienberge)Dr. BeermannBehrendtBergmannBerkhanBerlin BiermannBöhm Börner Frau von BothmerBrandtBrandt
BredlBrück
Brünen BuchstallerBüchnerDr. von BülowBuschfortDr. BußmannCollet CorterierCramerDr. von DohnanyiDürrEckerlandDr. EhmkeFrau EilersDr. EndersEngholmDr. EpplerEsters Faller Dr. FarthmannFellermaierFiebigDr. FischerFlämigFrau Dr. FockeFolgerFranke
Frehsee Frau FreyhFritsch Geiger Gerlach
GertzenDr. GeßnerGlombigGnädingerGrobeckerDr. HaackHaar
Haase
Haehser HalfmeierHansen Hansing Hauck Dr. HauffHenkeFrau HerklotzHermsdorf
Hörmann
HofmannHornFrau HuberDr. HupkaJahn
Jaschke JunghansJunker Kaffka Kahn-AckermannKaterKernKillat-von CorethDr. KochKoenig KohlbergerKonradDr. KreutzmannKriedemannKrockertKulawig Lange LangebeckDr. LauritzenLautenschlager
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Frau LauterbachLeberLempLemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. LohmarMaibaum MarquardtMarx
Matthes MatthöferFrau MeermannDr. Meinecke Meinicke (Oberhausen) MetzgerMichels MöhringDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller
Dr. Müller Müller (NordenhamDr. Müller-EmmertDr. MüthlingNeemannNeumannDr. NöllingDr. OettingOffergeld Frau Dr. OrthFrhr. Ostman von der Leye PawelczykPeiterPenskyPeters
Pöhler Porzner Raffert Raven s Dr. ReischlFrau RengerRichternr. RinderspacherRohde RosenthalRoßSäcklSander SaxowskiDr. Schachtschabelnr. Schäfer Fran. SchanzenbachScheunr. SchillerSchiller
Fran SchimschokSchirmer SchlanaDr. Schmid schmidt (Braunschweig) nr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg)Dr. Schmidt Schmidt (München) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Würgendorf)nr. Schmitt-Vockenhausen nr, SchmudeSchoettleSchollmeverSchonhofenSchulte
Schwabe Seefeld Seibert Seidel Frau SeppiSimonDr. SlottaDr. SperlingSpilleckeStaak
Frau StrobelStrohmayrSuckTallertDr. TambléFrau Dr. TimmTönjes UrbaniakVitWalkhoffDr. Weber
Wehner Welslau Wende Wendt WestphalDr. WichertWiefelWienandWilhelmWischnewskiDr. de WithWittmann
WolfWolframWrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander ZebischBerliner AbgeordneteDr. Arndt
BühlingDr. DübberHeyenFrau KrappeLöffler Mattick Dr. SchellenbergFrau SchleiDr. SeumeSieglerschmidtFDPDr. AchenbachFrau Dr. Diemer-Nicolaus DornErtlFrau FunckeGeldnerGenscherGraaff Grüner Helms JungKienbaumKirstKleinertKrallFrhr. von Kühlmann-Stumm LogemannMertes MischnickMoerschOlleschPeters
ScheelSchmidt SpitzmüllerWurbsBerliner Abgeordnete BormNein CDU/CSUDr. Abelein AdornoDr. Aigner Albervon Alten-NordheimDr. AlthammerDr. Arnold Dr. Artzinger Dr. BachBaierBalkenhol Dr. Barzel Dr. Becher
Dr. Becker
Becker BerberichBerdingBergerBewerunge BiecheleBiehleDr. BirrenbachDr. von Bismarck BittelmannBlankBlumenfeldvon BockelbergFrau Brauksiepe Breidbach BremerBremmBrück Dr. BurgbacherBurgerDr. Czaja Dammvan Delden Dichgans Dr. Dittrich Dr. DollingerDraegervon Eckardt EhnesEngelsbergerDr. Erhard ErnestiErpenbeck Dr. Evers Dr. Eyrich von Fircks Franke
Dr. Franz Dr. Freiwald Dr. Frerichs Dr. FrühDr. Fuchs Dr. Furler Dr. GatzenFrau Geisendörfer Geisenhofer Gerlach GewandtGierenstein Dr. Giulini Dr. GleissnerGlüsing Dr. GölterDr. GötzGottesleben Frau GriesingerDr. Gruhl Haase
Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. HallsteinDr. HammansHanzvon HasselHauser Dr. Hauser (Sasbach)Dr. HeckDr. Hellige Frau Dr. HenzeDr. Hermesdorf HöcherlHöslHorstmeier HortenDr. Hubrig HussingDr. HuysFrau Jacobi
Dr. JaegerDr. Jahn Dr. JenningerDr. JobstJostenDr. JungmannFrau Kalinke KatzerDr. Kempfler KiechleKiepDr. h. c. KiesingerFrau Klee Dr. Klepsch Dr. KleyDr. Kliesing KlinkerKösterKrammig KrampeDr. Kraske Dr. KreileFrau Dr. Kuchtner Lampersbach LeichtLemmrich LensingDr. Lenz Lenze (Attendorn)LenzerLinkDr. LöhrLooftDr. LudaLücke
Lücker MajonicaDr. MartinDr. Marx MaucherMeisterMemmelDr. Mende MickDr. Mikat Dr. MiltnerDr. Müller Müller (Niederfischbach) Müller (Remscheid)Dr. Müller-Hermann MurschNiegelDr. von Nordenskjöld OrgaßOttPetersenPfeiferPicardPierothDr. Pinger Pohlmann Dr. Prassler Dr. Preiß Dr. Probst RainerRawe
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8645
Dr. Schmitt-VockenhausenReddemannDr. ReinhardRichartsRiedel
Dr. Riedl
Dr. RinscheDr. RitgenDr. Ritz RockRöhner Rösing RollmannRommerskirchenRoserRufRussePrinz zu Sayn-Wittgenstein-HohensteinSchlee Schedl Dr. Schmid-BurgkDr. Schmidt Schmitt (Lockweiler)Dr. h. c. Schmücker Schneider Dr. Schneider (Nürnberg) Dr. SchoberFrau Schroeder Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Sellstedt) Schröder (Wilhelminenhof) SchulhoffSchulte Dr. Schulze-VorbergDr. SchwörerSeitersDr. SiemerSolkeSpilker SpringorumDr. SprungStahlbergDr. Stark
Dr. Starke
Stein
SteinerFrau StommelStorm Strauß Struve StücklenSussetvon ThaddenTobabenFrau TüblerDr. UnlandVarelmannVeharVogelVogtVolmerWagner Dr. Wagner (Trier) Frau Dr. WalzDr. WarnkeWawrzikWeber WeiglDr. Freiherr von Weizsäcker WendelbornWernerWindelenWinkelheideWissebachDr. Wittmann Dr. WörnerFrau Dr. WolfBaron von Wrangel Dr. WulffZieglerDr. Zimmermann ZinkZoglmannBerliner AbgeordneteAmrehnBendaFrau BergerDr. GradlDr. KotowskiMüller
Frau PieserDr. Schulz WohlrabeEnthaltenFDP GallusDamit ist der Einspruch des Bundesrates zurückgewiesen.Wir kehren zu Punkt 2 der Tagesordnung zurück. Herr Kollege Ruf, haben Sie noch den Wunsch, Ihre Ausführungen zur Sache fortzusetzen?
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Böhm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem heute zur Entscheidung stehenden Gesetzentwurf ist für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber in erster Linie die Anrufung der Einigungsstelle vorgesehen. Sie hat unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Grundpositionen für beide Seiten eine wichtige Funktion. Herr Kollege Ruf, es ist mir wirklich unverständlich, wie Sie bei dieser Sachlage von einer Zwangsschlichtung sprechen können. Sie haben sich diesen Begriff hier zu eigen gemacht.
Nach dem Gesetz soll die Einigungsstelle hauptsächlich bei Meinungsverschiedenheiten über personelle und soziale Angelegenheiten tätig werden können. Wichtige Aufgaben hat sie beim Interessenausgleich aus Anlaß von Betriebsänderungen und bei der Aufstellung von Sozialplänen.
In dem Änderungsantrag auf Umdruck 237 erfindet die CDU/CSU-Fraktion unter der Ziffer 5 eine Vermittlungsstelle, die sich in ihrer Arbeitsweise von der Einigungsstelle, wie sie im Gesetzentwurf der Koalitionsparteien vorgesehen ist, wesentlich unterscheidet. Diese Vermittlungsstelle würde nach einem sehr umständlichen Verfahren arbeiten.
Nach meinem Verständnis steckt hinter dieser Verfahrensregelung der Mangel, daß alles, was da in Gang gesetzt werden soll, nicht zu verbindlichen Entscheidungen über einen Sozialplan führen kann. Herr Ruf hat ja dankenswerterweise bestätigt, daß Sie das gar nicht wollen, daß Sie gar keine verbindliche Entscheidung haben möchten. Es ist sehr interessant, das hier noch einmal festzuhalten.
In der sozialen Mitbestimmung unterscheiden Sie, meine Damen und Herren von der Opposition zwischen Mitbestimmungs- und Zustimmungsrechten.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ruf?
Ja, bitte!
Herr Kollege Böhm, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß der Unterschied zwischen der Koalitionsvorlage und unserem Vorschlag nicht nur in den Begriffen Einigungs- und Vermittlungsstelle liegt, sondern daß nach unserem Entwurf der Arbeitgeber, d. h. in diesem Fall der Unternehmer, abweichen kann, wenn zwingende Gründe vorliegen. Wenn er ohne zwingenden Grund abweicht, muß er den Nachteilsausgleich zahlen, dann muß er den entstehenden Schaden ausgleichen, gegebenenfalls bei Entlassungen Abfindungen zahlen, wie im geltenden Recht.
Das habe ich nicht bestritten. Ich habe nur gesagt, daß Sie die verbindliche Entscheidung der Einigungsstelle nicht wollen. Deswegen schieben Sie ja auch diese nach meiner Einschätzung ominöse Vermittlungsstelle vor.
Ich wiederhole: In der sozialen Mitbestimmung unterscheiden Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, zwischen Mitbestimmungs- und Zustimmungsrechten. Sie nehmen damit in entscheidenden sozialen Fragen dem Betriebsrat das Initiativrecht. Das geht wie ein roter Faden durch Ihre Änderungsanträge hindurch. Sie wollen eben kein Initiativrecht des Betriebsrats, sondern Sie möchten hier — und das trennen Sie in diesem Abschnitt —, daß der Arbeitgeber etwas tun kann, wenn er es will, und der Betriebsrat eben nur dann dagegenhalten könnte. Wir wollen ein Initiativrecht des Betriebsrats.
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8646 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
BöhmDie Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer im sozialen und personellen Bereich wurde von der Opposition heute mehrfach hervorgehoben. Das geschieht auch bei bestimmten Gelegenheiten draußen im Land, wenn man mit den verschiedenen Personenkreisen zusammenkommt.
— Ich möchte den Gedanken jetzt noch zu Ende führen, Herr Kollege Ruf. — Wenn Sie draußen im Lande sprechen, meine Damen und Herren von der Opposition, sind Sie sehr flexibel. Sie richten sich immer nach dem jeweiligen Zuhörerkreis. Dementsprechend sind auch Ihre Aussagen zu den Fragen der Betriebsverfassung.
Während der Ausschußberatungen haben sich die Unionsabgeordneten ebenfalls für die Verstärkung der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ausgesprochen. Sie sind aber in wesentlichen Punkten nicht bereit, klar Farbe zu bekennen und dem Betriebsrat die erforderlichen Befugnisse zuzugestehen; und das ist ein entscheidender Punkt.
Herr Abgeordneter Böhm, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage?
Ja!
Sie haben vorhin behauptet, unser Entwurf zur sozialen Mitbestimmung gebe dem Betriebsrat kaum ein Initiativrecht. Haben Sie nicht übersehen, daß wir in unserem § 29, der ja dem bisherigen § 56 entspricht, die soziale Mitbestimmung insgesamt von acht auf elf Fälle ausgedehnt haben? In all diesen auf elf erweiterten Fällen hat der Betriebsrat nach unserem Willen ein volles, gleichberechtigtes Mitbestimmungs- und Initiativrecht.
Herr Kollege Ruf, das habe ich nicht übersehen. Aber ich komme jetzt gleich darauf, was die Auswahlrichtlinien betrifft. Da haben wir wieder den typischen Fall. Sehen Sie, Sie haben bei § 95 eine sehr magere Änderung vorgeschlagen. Sie haben sich zwar für die Aufstellung personeller Auswahlrichtlinien ausgesprochen, weigern sich aber, dem Betriebsrat das Recht einzuräumen, solche Richtlinien zu verlangen. Dabei müßte Ihnen die Zustimmung zur Regierungsvorlage eigentlich leichtfallen, weil dieses Initiativrecht für Betriebe mit mehr als 1000 Arbeitnehmern vorgeschrieben ist. Es kann auch kein Zweifel bestehen, daß in den Betrieben bei der Durchführung personeller Maßnahmen nur dann nach objektiven Kriterien verfahren werden kann, wenn entsprechende Richtlinien als Entscheidungsgrundlage vorhanden sind.Der Einwand der Opposition und anderer Kreise, daß mit dem Recht des Betriebsrats, solche Regelungen zu fordern, die Entscheidungsfreiheit des Unternehmers eingeschränkt würde, ist weder berechtigt noch stichhaltig. Ebensowenig kann das bei der Anrufung der Einigungsstelle behauptet werden. Von einer Verlagerung der Entscheidungsbefugnisse auf die Einigungsstelle kann ebenfalls nicht die Rede sein.Ich bedaure es sehr, daß sich die Opposition in einer so wichtigen Frage der personellen Mitbestimmung den Standpunkt von Unternehmerkreisen zu eigen macht, die in unfairer Weise gegen Verbesserungen in der Betriebsverfassung zu Felde ziehen.
Ich sage nicht generell: die Unternehmer, sondern es handelt sich um bestimmte Unternehmerkreise. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie befinden sich damit in der Gesellschaft jener Unternehmervertreter, die auf einer Unternehmerversammlung am 12. Oktober 1971 in Düsseldorf deutlich klassenkämpferische Töne angeschlagen haben.
Herr Ruf, vielleicht richten Sie auch einmal ein kritisches Wort an diese Adresse, denn Sie waren ja derjenige, der heute morgen gesagt hat, man müsse gegen klassenkämpferische Tendenzen angehen.
Entsprechend Ihrem gemeinsamen politischen Willen haben die Koalitionsfraktionen sichergestellt, daß die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei personellen Maßnahmen erheblich erweitert werden, d. h. bei Einstellungen, Ein- und Umgruppierungen und Versetzungen hat er ein Mitbestimmungsrecht. Der Arbeitgeber muß in diesen Fällen also seine Zustimmung einholen. Wenn auch die eventuelle Verweigerung der Zustimmung an bestimmte Gründe gebunden ist, so kann der Betriebsrat jetzt in personellen Angelegenheiten die Interessen der Arbeitnehmer doch wirkungsvoller vertreten als bisher. Dabei spielen die erwähnten Auswahlrichtlinien nach § 95 des Gesetzes eine ganz wichtige Rolle.Dieses Instrument will die CDU/CSU-Fraktion dem Betriebsrat verweigern. Meine Damen und Herren von der Opposition, wie Sie das mit Ihren Versprechungen, die Rechte der Betriebsräte und Arbeitnehmer zu stärken, vereinbaren wollen, ist mir unverständlich und wird wahrscheinlich Ihr Geheimnis bleiben.
Der Änderungsantrag der CDU/CSU auf Umdruck 237 ist ein Versuch, die Wirkungsmöglichkeiten der Einigungsstelle einzuschränken. Die Möglichkeit ihrer Anrufung veranlaßt nach den bisherigen Erfahrungen beide Seiten, ernsthafte Anstrengungen zu machen, um strittige Fragen einer Einigung zuzuführen.Es ist nicht übertrieben zu sagen: die Einigungsstelle wirkt bereits durch ihre Existenz. Die Befürchtungen der Opposition, die Betriebsräte werden schwierige und unpopuläre Entscheidungen der Einigungsstelle zuschieben, sind völlig unbegründet. Derartige Behauptungen zeigen eine ungenügende Kenntnis der betrieblichen Wirklichkeit. Teilweise handelt es sich um Zweckbehauptungen, die aufge-
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Böhmstellt werden, um Unsicherheit zu erzeugen und daraus politisches Kapital zu schlagen. Wer den Betriebsräten unterstellt, sie werden sehr häufig oder gar mutwillig die Einigungsstelle anrufen, unterschätzt ihr Verantwortungsbewußtsein, ihren Tatsachensinn und ihren gesunden Menschenverstand.
Mit der Ziffer 7 des Änderungsantrags auf Umdruck 237 beantragt die Opposition eine Änderung des Kündigungsschutzgesetzes. Ich darf einflechten, Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben in diesen Änderungsantrag ja eine ganze Menge hineingepackt. Deswegen ist es nicht so einfach, in aller Kürze dazu Stellung zu nehmen. Sie verlangen also eine Änderung des Kündigungsschutzgesetzes. Nach geltendem Recht hat der Arbeitnehmer die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt erscheinen lassen. Der Änderungsantrag hat zum Ziel, die Beweislast umzukehren. Wollte man etwas Derartiges tun, wären gründliche Beratungen im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung erforderlich. Gerade Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sind doch sonst immer so sehr für gründliche Beratungen und sprechen sehr schnell vom Durchpeitschen von Gesetzesbestimmungen, und ausgerechnet hier kommen Sie so auf die Schnelle mit einem derartigen Antrag!
So wichtige Gesetzesbestimmungen sollten nicht im Schnellverfahren verändert werden. Eine gründliche Erörterung wäre gegebenenfalls aus Anlaß des Zweiten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes möglich, das von der Bundesregierung vorbereitet wird. Im Zusammenhang mit den Entscheidungen über das Betriebsverfassungsgesetz kann dem Antrag nicht entsprochen werden.Die von mir kurz beleuchteten Gesetzesbestimmungen bieten nach meiner Auffassung eine solide Grundlage für die Zusammenarbeit von Betriebsräten und Arbeitgebern. Vor allem aber bringen sie den Arbeitnehmern mehr Sicherheit und verbessern ihre soziale und personelle Situation in den Betrieben. Hingegen sieht der Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion auf Umdruck 237 in entscheidenden Punkten Verschlechterungen vor. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie deshalb, diesen CDU/CSU-Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Opposition auf Umdruck 237 bringt wieder der Kollege Ruf hat das in der Begründung schon angedeutet — den Popanz „Zwangsschlichtung" in die Diskussion. Ich muß das schon einen Popanz nennen. Denn diese Behauptung, daß die Einigungsstelle wie sie jetzt im Gesetz steht, eine Zwangsschlichtung bedeute, stammt gar nicht aus der Opposition, sondern stammt von bestimmten Kreisen in unserer Gesellschaft, die dieses Gesetz am liebsten gar nicht verabschiedet haben möchten.
— Der Popanz, wie er in den letzten Wochen mit Brieffluten und allem möglichen hochgespielt worden ist, stammt aus einer anderen Ecke, nicht von der DAG. Darüber sind wir uns doch alle einig.Ich glaube, daß auch sehr viele Kolleginnen und Kollegen der Opposition, wenn sie den Bericht durchgelesen haben — ich habe heute früh versucht, eine Darstellung des Ergebnisses der Beratungen zu dieser Frage zu geben —, doch ein etwas unangenehmes Gefühl beschleicht, wenn Sie bei der jetzigen Konstruktion der Einigungsstelle noch von Zwangsschlichtung, Fremdmitbestimmung und all diesen Dingen reden, wie es bei der Begründung zu diesem Antrag wieder der Fall war.Es ist vielleicht notwendig, hier noch einmal festzustellen, daß diese Einigungsstelle erstens bereits geltendes Recht ist. Zum zweiten ist — ich muß es noch einmal deutlich feststellen; ich habe heute früh versucht, es zur Klärung der Dinge zu sagen, aber anscheinend ist es notwendig, das noch einmal zu tun — die Tätigkeit der Einigungsstelle wegen Mißbrauchsmöglichkeiten usw. im Ausschuß eindeutig dahin gehend beschränkt worden, daß erstens beim ersten Entscheidungsgang — was Sie im übrigen inzwischen in Ihren Antrag übernommen haben — der Vorsitzende nicht mitentscheidet, damit möglichst die Beisitzer allein entscheiden, daß zweitens das billige Ermessen im Sinne des Betriebes und der Arbeitnehmer nunmehr als Vorschrift für die Entscheidung der Einigungsstelle in das Gesetz eingearbeitet ist, daß drittens bei einem Überschreiten dieses billigen Ermessens ein Einspruch sowohl seitens des Betriebsrats wie seitens des Arbeitgebers erfolgen kann und das viertens sämtliche Rechtswege eröffnet sind.Wo ist hier die Zwangsschlichtung? Wo ist hier die Verbindlichkeit, gegen die nicht mehr angekämpft werden kann, wenn hier wirklich, was nicht auszuschließen ist, ein Mißbrauch vorkommt? Wo ist hier kein Gegenmittel vorhanden?Man kann also, glaube ich, nicht so argumentieren, es sei denn, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition — aber ich kann mir das eigentlich nicht vorstellen; denn im Ausschuß haben wir über diese Dinge eigentlich nicht in dieser Art diskutiert —, man ist wirklich bereit, den eigentlich von allen drei Fraktionen dieses Hauses bei der ersten Lesung geäußerten Willen, die soziale und personelle Mitbestimmung des Betriebsrats auszudehnen, wieder abzubauen. Wenn man das allerdings will — freilich sollte man das dann sehr deutlich sagen —, kann man so mit der Einigungsstelle manipulieren, Abänderungen vornehmen, wie man das jetzt macht, und auch den ganzen Katalog der Zuständigkeiten wieder einengen. Ich bin allerdings nicht der Meinung, daß Sie das wollen. Der Eindruck wird aber erweckt, daß man das
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Schmidt
will, wenn man nicht einsieht, daß die Einigungsstelle keine Zwangsschlichtung mehr ermöglicht, und wenn solche Dinge als Schild vorgeschoben werden, wie es von Ihnen vorhin getan wurde.Herr Kollege Ruf, Sie sprachen ausgerechnet von dem Urlauber, der im Februar gehen möchte und im Oktober dann gehen muß. Sie sahen das als eine gravierende Sache an. Es wird wahrscheinlich notwendig sein, daß man solche Abstimmungen vornimmt. Aber ich glaube kaum, daß sich damit die Einigungsstelle befassen wird. Der Betriebsrat wird es schon allein schaffen, solche Pläne in Ordnung zu bringen.Herr Kollege Ruf, Sie wiesen auch noch einmal auf § 87 Abs. 1 Nr. 11 hin, obwohl doch der Ausschußbericht und auch mein zusätzlicher Bericht heute früh noch einmal deutlich gemacht haben und auch im Ausschuß eindeutig geklärt worden ist, daß vergleichbare Entgelte eben nur vergleichbare allgemeine Entgelte in Parallele zu Akkord- und Prämiensätzen und nichts anderes sein können.
— Aber Sie bauen auf diesem Sektor ja alles wieder ab, und das kann ja nur an den Punkten geschehen, wo die Kritik ansetzt.Wir sprechen im Hinblick auf Betriebe mit über 1000 Beschäftigten — deswegen haben wir das ja so festgelegt — von Auswahlrichtlinien. Das ist, glaube ich, eine Sache, über die man ohne weiteres positiv urteilen kann.Meine sehr geehrten Damen und Herren, man ist also — das möchte ich für die Freien Demokraten sagen — entweder bereit, der Einigungsstelle in dieser abgemilderten und abgesicherten Form, um die wir Freien Demokraten uns sehr bemüht haben, zuzustimmen, oder man muß von Ihrer Seite eben sagen: Wir wollen geringere Möglichkeiten der sozialen Mitbestimmung und der personellen Mitbestimmung für den Betriebsrat; wir wollen lieber etwas von dem abbauen, was wir hier bereits in der ersten Lesung und zum Teil im Ausschuß als unseren deutlichen Willen erklärt haben. Wenn Sie diesen Abbau wollen, können Sie Ihrem Antrag zustimmen. Wir werden ihm jedenfalls nicht zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Pohlmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Böhm hat eben von Eile gesprochen. Ich meine, daß dieses Betriebsverfassungsgesetz in einem beachtlichen Tempo durchgezogen worden ist. Schnelligkeit birgt nur immer die Gefahr in sich, daß man allzu großzügig über die verschiedenen Probleme hinweggeht. Auch der Rechtsausschuß hat das zu spüren bekommen, denn die Fassung des federführenden Ausschusses nach der zweiten Lesung haben wir erst zwei Tage vor unserer Beratung erhalten, nebenbei gesagt: eine Fassung, die nach 150von der Koalition und der Opposition gestellten Änderungsanträgen nur noch wenig mit dem Regierungsentwurf zu tun hat. Ich überlasse es der Bundesregierung, sich Gedanken über den Wert ihres Entwurfes zu machen.
Meine Damen und Herren, dieses Eiltempo hatte auch zur Folge, daß abgesehen von Fragen der Praktikabilität — auch einige schwerwiegende rechtliche Bedenken nicht in dem Maße beraten und behandelt worden sind, wie es der Gesetzgeber tun sollte, der ja verpflichtet ist, ein nach allen Seiten hin, auch nach der verfassungsrechtlichen Seite, einwandfreies Gesetz zu erstellen.Ich fühle mich deshalb verpflichtet, an dieser Stelle noch ein paar Worte zu der rechtlichen Problematik zu sagen, zumal eine Reihe namhafter Verfassungs- und Arbeitsrechtler in der einschlägigen Literatur sehr beachtenswerte Bedenken angemeldet haben.
Herr Kollege Farthmann hat heute morgen den meiner Ansicht nach untauglichen Versuch mit noch untauglicheren Mitteln unternommen, diese Gutachten vom Tisch zu bringen. Ich glaube, Herr Kollege Farthmann, so einfach sollte man es sich nicht machen. Wir werden uns zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal an diese Ihre Worte erinnern.
Wir sollten, wie ich glaube, das, was hier gesagt wird, sehr ernst nehmen. Unser Änderungsantrag, den der Kollege Ruf begründet hat, zielt genau darauf ab, diese Bedenken zu beseitigen.Auf einen schwerwiegenden Mangel dieses Betriebsverfassungsgesetzes hat der Kollege Ruf schon hingewiesen, nämlich die Ausklammerung des Problems der Neuregelung der Mitbestimmung im Unternehmensbereich. Hier wird eine betriebsverfassungsrechtliche Ordnung erstellt, bevor überhaupt feststeht, auf welchem unternehmensrechtlichen Aufbau sie sich erheben soll. Ich halte das für einen ausgesprochen schwerwiegenden Mangel. Ich möchte dazu aber jetzt keine weiteren Ausführungen machen.Das zweite, auf das ich eingehen möchte, sind die Einigungsstellen. Es ist festzuhalten — und dies hat auch schon der Kollege Ruf getan —, daß der Entwurf durch die zahlreichen und in ihren Auswirkungen weitreichenden Einigungsverfahren mit einem System — und ich betone es noch einmal: mit einem System — der Zwangsschlichtung durchzogen ist. Herr Kollege Schmidt , Sie lehnten dieses Wort ab, Sie bezeichneten es als Popanz. Aber Sie kommen auch nicht darum herum, daß diese Einigungsstellen verbindlich entscheiden und daß eine richterliche Nachprüfung nur hinsichtlich des Ermessensmißbrauchs besteht.Die Handlungs- und Entschließungsfähigkeit des Unternehmers ist in wesentlichen Fragen der Lohnpolitik, der Personalplanung, im Bereich der Rationalisierung und in zahlreichen Einzelfragen — ich
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Pohlmanndenke hier insbesondere an das Beschwerderecht des § 85 Abs. 2 — eingeschränkt, und nicht nur eingeschränkt, sondern einer potentiellen Fremdbestimmung unterworfen.Um es ganz deutlich zu machen: Mir geht es nicht um die Einigungsstelle als solche. Eine solche Einigungsstelle haben wir ja auch schon im alten Gesetz gehabt. Mir geht es hier um die unverhältnismäßige Ausweitung dieser Einigungsstellen und die damit verbundene Frage der Verfassungskonformität. Ich glaube, daß niemand in diesem Hohen Hause bestreitet, daß die Art. 2 und Art. 14 unseres Grundgesetzes einen gewissen Schutz der Handlungs- und Entschließungsfähigkeit des Unternehmers beinhalten. Das heißt nicht, daß ich hier einer uneingeschränkten Handlungs- und Entschließungsfreiheit des Unternehmers das Wort reden will. Es besteht sicherlich kein Zweifel, daß sich Beschränkungen aus dem Sozialstaatprinzip ergeben. Aber auch die Erfüllung sozialstaatlicher Postulate findet insbesondere im Grundrechtsteil ihre Schranke, vor allem dann, wenn der Unternehmer im Kernbereich seiner wirtschaftlichen Verfügungsmacht eingeschränkt wird. Genau das aber geschieht durch die Einführung der Vielzahl von Einigungsstellen und ihre umfassenden Kompetenzen. Das muß man ja in einem Zusammenhang sehen. Das hat nach meiner Auffassung eine unverhältnismäßige Einschränkung des Freiheitsraumes nicht nur des Unternehmers, sondern auch des Betriebsrates zur Folge. Den Verfassungsrechtlern ist Recht zu geben, wenn sie den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem zweifellos ver-') fassungsmäßiger Rang zukommt, bei dieser Vielzahl der Einschränkungen als verletzt ansehen.Diese Bedenken werden ausgeräumt, wenn Sie unseren Änderungsanträgen z. B. zu § 85, § 87, § 95, § 112 und § 113 zustimmen könnten.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmude?
Herr Kollege Pohlmann, wenn Sie diese schwerwiegenden Bedenken erheben und gleichzeitig zur Erläuterung auf § 85 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzentwurfs verweisen, wie konnte es dann passieren, daß der Rechtsausschuß mit Ihrer Stimme dieser Fassung des § 85 Abs. 2 einstimmig zugestimmt hat?
Herr Kollege Schmude, das kann so nicht richtig sein. Ich erinnere mich nämlich genau, daß ich in diesem Falle nicht zugestimmt habe. Man müßte das Protokoll noch einmal nachsehen. Ich habe neben einem Kollegen, ich glaube, neben Dr. Kley, gesessen, und er hat zuletzt gesagt: Sie müssen hier konsequent sein, — und ich bin in dieser Sache ja auch konsequent.
— Nein, das ist keine Entschuldigung, das ist nur
eine Feststellung. Hier wird eine Behauptung aufgestellt, die nach meiner Auffassung nicht richtig ist.
Herr Kollege, gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmude?
Darf ich Ihrer Erinnerung, Herr Kollege Pohlmann, damit helfen, daß ich darauf verweise, daß Sie zwar einen Änderungsantrag stellen wollten, ihn auf meine Intervention aber zurückgezogen haben, so daß diese Fassung des § 85 in der Tat einstimmig empfohlen wurde.
Herr Kollege Schmude, das ist absolut nicht richtig. Wir haben uns über § 85 sehr eingehend unterhalten, insbesondere über die Frage der Rechtsansprüche; das wissen Sie ja. Ich meine mich mit Sicherheit zu erinnern, daß ich hier nicht zugestimmt habe, im Gegensatz zu Ihrer Behauptung.Lassen Sie mich nun fortfahren und insbesondere zu den §§ 85 und 87 sowie zu den anderen Bestimmungen, die für sich allein genommen verfassungsrechtlich außerordentlich fragwürdig sind, Stellung nehmen. Nehmen Sie z. B. die Frage des Geldfaktors im § 87 Abs. Ziffer 11. Damit wird erstmalig die Mitbestimmung auf materielle Arbeitsbedingungen ausgedehnt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gesetzgeber aber auf Grund des Artikels 9 Abs. 3 verpflichtet, ein in sich ausgewogenes und funktionsfähiges Tarifsystem zur Verfügung zu stellen. Durch die Erstreckung der Mitbestimmung auf die Festsetzung der Höhe der Leistungslöhne wird dem Betriebsrat in diesem besonderen Bereich eine Kompetenz eingeräumt, die der eines Tarifpartners vergleichbar ist, ja, genaugenommen noch über diese hinausgeht, da im Falle der Nichteinigung die Möglichkeit der Zwangsschlichtung besteht.
— Lassen Sie mich erst diesen Gedankengang zu Ende führen, Herr Farthmann.Es ist zu beachten, daß das Bundesarbeitsgericht in einer Reihe von Entscheidungen eine Zwangsschlichtung bei materiellen Arbeitsbedingungen mit der Struktur einer freiheitlich-sozialen Arbeitsverfassung nicht für vereinbar gehalten hat. Prof. Obermeyer, der ja ein besonders fundiertes Gutachten erstellt hat, das auch die Koalition anerkannt hat — wir haben darüber sehr eingehend im Rechtsausschuß gesprochen —, spricht dieser Bestimmung ebenfalls ganz eindeutig die Verfassungskonformität ab. Er sagt zu Recht, daß die Regelung der materiellen Arbeitsbedingungen im Hinblick auf Artikel 9 Abs. 3 ausschließlich — ich betone: ausschließlich — der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Partnern vorbehalten ist. Dem können Sie jetzt nicht entgegenhalten, daß der Entwurf den Vorrang des Tarifvertrages oder der Tarifüblichkeit aufrechterhält. Der weite und vielgestaltige Bereich der
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8650 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
PohlmannLeistungslöhne ist damit nicht abgedeckt. Herr Kollege Farthmann, das wissen Sie genauso wie ich.Nehmen Sie weiter § 95 Abs. 2, also die Frage der Aufstellung von Richtlinien für die personelle Auswahl, und zwar auch hinsichtlich der fachlichen und persönlichen Voraussetzungen. Auch hier sind von den verschiedensten Verfassungsrechtlern erhebliche Bedenken geltend gemacht worden,
Herr Kollege Pohlmann, wollen Sie noch die Frage des Kollegen Farthmann zulassen? Er hatte zweimal zur Fragestellung angesetzt.
Ich lasse Sie gern zu.
Bitte!
Erstens. Ist Ihnen bekannt — Herr Abgeordneter, Sie haben es eben schon erwähnt —, daß auf Grund der Einleitung des § 87, den Sie angesprochen haben, ausdrücklich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nur einsetzt, wenn nicht eine tarifvertragliche Regelung vorliegt?
Zweitens. Ist Ihnen bekannt, daß schon nach dem geltenden Recht — § 56 Buchstabe g — materielle Arbeitsbedingungen betroffen werden? Dabei spielt es keine Rolle, ob das über den Geld- oder Zeitfaktor geschieht. Der Zeitfaktor ist genauso materiell wie der Geldfaktor.
Drittens. Ist Ihnen bekannt, daß Ihr Fraktionskollege Adolf Müller in der Sitzung des Ausschusses für Arbeit bekräftigt hat, daß auch nach Meinung Ihrer Fraktion die materielle Seite im Leistungslohn einbezogen werden sollte?
Zu den verschiedenen Fragen: Herr Kollege Farthmann, ich habe darauf hingewiesen, daß im Abs. 1 des § 87 zwar der Vorrang des Tarifvertrags bzw. der Tarifüblichkeit enthalten ist. Aber, Herr Kollege Farthmann, Sie kommen nicht darum herum — ich wiederhole es —, daß damit nicht der vielschichtige Bereich der Leistungslöhne abgedeckt ist, so daß hier also auch eine erzwingbare Mitbestimmung über materielle Arbeitsbedingungen gegeben ist.
Was der Kollege Müller im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung gesagt hat, weiß ich nicht. Ich war bei der Sitzung nicht dabei. Aber ich habe aus der verfassungsrechtlichen Sicht hier meine Bedenken angemeldet, um das ganz deutlich zu sagen.
Zu der personellen Mitbestimmung, insbesondere im § 95 Abs. 2, lassen Sie mich nur noch einmal festhalten, daß ich auch hier die Auffassung der verschiedenen Verfassungsrechtler teile, daß eine Verfassungskonformität nicht gegeben ist.
Lassen Sie mich damit schließen. Ich meine, daß wir als Gesetzgeber die verfassungsrechtliche Seite sehr ernst nehmen sollten. Ein Ja zu unseren Änderungsanträgen, die Kollege Ruf begründet hat,
würde die verfassungsrechtlichen Streitigkeiten von vornherein ausschließen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.Herr Kollege Ruf, ich gehe davon aus, daß wir über Ihren Antrag Ziffer 1 auf Umdruck 237 in einer Abstimmung entscheiden können.
— Das ist richtig.Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU in Ziffer 1 des Umdrucks 237 — wonach in § 76 die Absätze 1 bis 6 eine neue Fassung erhalten sollen — zuzustimmen wünscht, bitte ich um das Zeichen. Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Ich rufe die §§ 77, — 78, — 79 auf. — Wer den aufgerufenen Paragraphen in der vorgelegten Fassung zuzustimmen wünscht, bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? Bei wenigen Stimmenthaltungen angenommen.
— Entschuldigen Sie, ich werde mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß ich noch über § 76 in der Fassung der Vorlage abstimmen lassen müsse. Die Ablehnung des Änderungsantrages — Herr Kollege Ruf, Ihr Hinweis erübrigt sich — beinhaltet, wenn keine gegenteilige Auffassung vorgetragen wird, auch die Abstimmung über die Sache. — Ich kann das hier feststellen.Bis § 79 haben wir abgestimmt.Zu § 80 lag ein Änderungsantrag unter Ziffer 2 des Umdrucks 232 vor. Ist er durch die frühere Abstimmung als erledigt zu betrachten, oder muß ich noch abstimmen lassen?
Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU in Ziffer 2 des Umdrucks 232 zuzustimmen wünscht — § 80 —, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Der Antrag ist mit den entsprechenden Mehrheitsverhältnissen abgelehnt. Ich gehe davon aus, daß das Haus gleichzeitig mit entsprechender Mehrheit dem § 80 in der Ausschußfassung zugestimmt hat.Ich rufe § 81 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag unter Ziffer 3 des Umdrucks 232 — Streichungsantrag — vor.
— Gilt das auch für die §§ 82, 83 und 84?
Dann rufe ich die §§ 81 bis 84 auf. Wer diesen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei wenigen Stimmenthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
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Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenIch rufe § 85 auf. Hierzu liegt u. a. der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU in Ziffer 2 des Umdrucks 237 vor, auf den Sie wohl schon eingegangen sind.Aber zunächst hat der Herr Abgeordnete Dichgans das Wort. -
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Nachdem der Herr Kollege Schmude über die Behandlung des § 85 im Rechtsausschuß einiges gesagt hat, muß ich darauf noch einmal kurz zurückkommen. Ich habe im Rechtsausschuß den Antrag gestellt, zu § 85 Abs. 2 den Zusatz zu beschließen: Dieses gilt nicht — d. h. das Einigungsverfahren kommt nicht in Frage — bei Maßnahmen, die der Rationalisierung dienen.
Was wir nunmehr beschließen sollen, möchte ich Ihnen an einem Beispiel demonstrieren. Ein Verleger hält es aus Gründen der Rationalisierung für notwendig, eine Setzerei auf elektronische Setzmaschinen umzustellen, die von einer Zentrale über Kabel gesteuert werden. Ein betroffener Setzer beschwert sich. Der Betriebsrat stellt sich dahinter. Die Einigungsstelle widerspricht der Investition. Die endgültige Entscheidung fällt drei Jahre später das Bundesarbeitgericht. Das ist das, was wir hier beschließen sollen.
Nun, die erste Frage: Brauchen die Arbeiter eigentlich diese Form des Rechtsschutzes, die Möglichkeit des Einspruchs gegen die Maßnahme als solche? Die Mitbestimmung bei den sozialen Folgen ist ja unbestritten . Es handelt sich hier jetzt darum, ob der Maßnahme als solcher widersprochen werden kann.
Ich stelle zunächst die Frage: Sind überhaupt jemals Fälle vorgekommen, in denen bisher das Fehlen einer solchen Bestimmung zu unerträglichen Mißständen geführt hat, die den Gesetzgeber zum Eingreifen zwingen? Ich erinnere mich nicht, davon je etwas gelesen zu haben. Und das ist auch ganz natürlich, denn die Arbeiter haben ja andere und weit wirksamere Mittel, um sich durchzusetzen, als den Rechtszug zum Bundesarbeitsgericht. Das zeigen sehr deutlich die Lohnverhandlungen, bei denen auch Betriebe zu Lohnerhöhungen gezungen werden, deren Ertragslage offensichtlich diese Lohnerhöhungen gar nicht rechtfertigt. Die Ruhrkohle ist ein Paradebeispiel dafür. Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Glauben Sie, daß das Bundesarbeitsgericht den Arbeitern die Lohnerhöhungen ebenso rasch bewilligt hätte?
Was für ganze Wirtschaftszweige gilt, gilt ebenso für jeden einzelnen Betrieb. Ein Betrieb, der funktionieren will, ist auf die Zustimmung seiner Arbeiter angewiesen. Wenn er ständig in Konflikt mit ihnen lebt, kommt es zu Schwierigkeiten, zu punktuellen Streiks. Der Unternehmer ist durch Sachzwang gezwungen, sich zu einigen, und das geschieht ja in der Praxis — viele von uns stehen ja in der Praxis — auch ohne die ausgeklügelten neuen Mechanismen.
Das Gesetz erwartet das Heil von den Juristen. Ich bin ein Jurist, und ich fühle mich geehrt. Aber überfordern wir nicht die Richter? Dazu ein persönliches Bekenntnis. Wenn ich die Wahl hätte, ob die letzte Entscheidung einer wirtschaftlichen Frage bei einem Wirtschaftsminister liegen sollte, der zur SPD gehört, oder bei einem Arbeitsrichter, der eingeschriebenes Mitglied der CDU ist, so würde meine Wahl eindeutig auf den Wirtschaftsminister fallen.
Meine Damen und Herren, meine zweite Überlegung: Was wir hier beschließen, ist eine Schönwetter-Regelung, die nur solange funktioniert, als die Betriebsräte verständig sind, was sie — ich erkenne das dankbar an — in den letzten Jahren fast immer waren. Wird das aber stets so bleiben? Was wird, wenn sich nun die Stimmungen, die wir alle auf den Hochschulen erleben, etwa in die Betriebe übertragen? Wir wissen, daß das das ausdrückliche Ziel der Radikalen ist. In diesem Augenblick wird das Betriebsverfassungsgesetz, wie wir es jetzt beschließen sollen, ein Mechanismus der totalen Obstruktion.
Sie werden mit Recht sagen — der Kollege Böhm hat das auch eben ausdrücklich gesagt —, die Arbeiter seien daran interessiert, daß die Betriebe glatt laufen. Das ist völlig richtig. Aber man sollte meinen, auch die Studenten sollten daran interessiert sein, daß die Hochschulen funktionieren. Das hindert trotzdem viele Studenten offenbar nicht, Hochschulen lahmzulegen.
— Ja, ich bin mit Ihnen der Meinung: je mehr Arbeiterkinder auf die Hochschule gehen, desto friedlicher geht es da zu.
Meine Damen und Herren, der Gesetzgeber muß vorsichtig sein. Er muß auch ungünstige Konstellationen in Betracht ziehen. Ich kann nur hoffen, daß die Autoren dieses Gesetzes, die es mit soviel Idealismus betrieben haben, nicht nach einigen Jahren mit dem gleichen Bedauern auf diese Gesetzgebung zurückblicken, das wir heute bei so vielen Vätern der ersten Phase der Hochschulgesetzgebung erleben.
Meine Damen und Herren, ich frage, ob zu § 85 noch das Wort gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall.Zu § 85 Abs. 2 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 237 Ziffer 2 vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke Ihnen. Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei einer Stimmenthaltung ist der Antrag abgelehnt.Ich schlage vor, daß wir jetzt über § 85 insgesamt abstimmen, weil sich der Änderungsantrag nur auf einen Abschnitt bezog.
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8652 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen— Gut, dann kommen wir zunächst zur Abstimmung über § 85 Abs. 1. Wer Abs. 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei einer Stimmenthaltung angenommen.Ich rufe Abs. 2 auf. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei zwei Stimmenthaltungen ist die Ausschußfassung angenommen.Wir kommen zur Abstimmung über Abs. 3. Wer Abs. 3 in der vorgelegten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Abs. 3 ist damit einstimmig angenommen.Ich rufe § 86 auf. Wer § 86 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Ich rufe § 87 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 237 Ziffer 3 vor. Mir ist soeben gesagt worden, daß hierzu der Herr Abgeordneter Müller (Remscheid) um das Wort gebeten habe. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin vorhin vom Kollegen Farthmann zitiert worden. Es geht um die Frage, ob in § 87 materielles Recht geregelt werden soll. Ich darf Sie auf unseren Änderungsantrag verweisen, der mit dem Paragraphen des CDU/CSU-Entwurfs vollinhaltlich übereinstimmt. In diesem Paragraphen heißt es in Abs. 1:
Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in sozialen Angelegenheiten Mitbestimmungs-, Mitwirkungs- und Initiativrechte nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.
Abs. 3 Buchst. k lautet:
Feslegung des Verfahrens, soweit die Entlohnung nach einer meßbaren Arbeitsleistung erfolgt, und Regelung von Akkord-, Stück- und Prämienlohnsätzen.
Ich bleibe bei meiner Auffassung, daß damit materielles Recht gesetzt werden kann.
Herr Abgeordneter Ruf, ich glaube, ich kann geschlossen abstimmen lassen.
Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 3 des Änderungsantrags der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 237 . Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt. Ich gehe davon aus, daß gleichzeitig auch § 87 in der Ausschußfassung zugestimmt wird.Ich rufe die §§ 88, 89, 90, 91, 92, 93 und 94 auf. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der vorgelegten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! --- Stimmenthaltungen? Bei wenigen Gegenstimmen angenommen.Ich rufe § 95 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 237 Ziffer 4 vor. Ich frage, ob dazu noch das Wort gewünscht wird.
— Sie bitten um getrennte Abstimmung über jeden Absatz. Wenn ich das richtig sehe, haben Sie Änderungsanträge nur zu den Abs. 1 und 2 gestellt, die durch einen Abs. 1 ersetzt werden sollen. Ich kann ja insofern nur einmal abstimmen lassen. Wollen Sie nach Entscheidung über diesen Antrag gegebenenfalls noch eine getrennte Abstimmung über jeden Absatz? Das ist meine Frage.
— Gerade das habe ich mir erlaubt zu sagen. Ich wollte deutlich machen, um was es bei der Abstimmung geht.Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltung? — Bei einer Stimmenthaltung ist der Antrag abgelehnt.Wir kommen jetzt zur Abstimmung über § 95 in der Ausschußfassung. Ich lasse zunächst über Abs. 1 abstimmen. Wer Abs. 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen.— Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei einer Gegenstimme und wenigen Stimmenthaltungen angenommen.Ich rufe Abs. 2 auf. Wer dem Abs. 2 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ebenfalls angenommen.Ich rufe Abs. 3 auf. Wer Abs. 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.Wenn kein Widerspruch erfolgt, lasse ich in der zweiten Lesung geschlossen abstimmen über die §§ 96, — 97, — 98. —
— Bitte, Herr Kollege. Deswegen habe ich ausdrücklich gefragt, weil ich solche Wünsche aus dem Hause geahnt hatte.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8653
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenWer also den §§ 96 und 97 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei zahlreichen Stimmenthaltungen angenommen.Ich rufe § 98 auf. — Das Wort dazu wird nicht begehrt. Wer § 98 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Danke. Stimmenthaltungen? — Gegen zahlreiche Gegenstimmen und bei wenigen Stimmenthaltungen angenommen.Ich rufe § 99 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 232 Ziffer 4 vor. Ich frage, ob dazu noch das Wort gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall.Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU abstimmen. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Muß ich noch über den Paragraphen in der Ausschußfassung abstimmen lassen, oder kann ich davon ausgehen, daß er mit der gleichen Mehrheit angenommen ist? — Danke.Ich rufe § 100 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 232 Ziffer 5 vor. Soll über diesen Antrag noch abgestimmt werden, oder ist er erledigt?
— Abstimmen lassen.
Wer dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 232 Ziffer 5 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Ich gehe davon aus, daß über § 100 entsprechend entschieden ist.Ich rufe die §§ 101, 102, 103, 104 und 105 auf. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei einigen Stimmenthaltungen mit sehr großer Mehrheit angenommen.Ich rufe den § 106 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 236 *) vor. Dazu hat der Herr Abgeordnete Dr. Kley um das Wort gebeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf namens meiner Fraktion unseren Änderungsantrag zum Wirtschaftsausschuß auf Umdruck 236 begründen. Wir beantragen, an die Stelle der Vorschriften des Regierungsentwurfs diejenigen des CDU/CSU-Entwurfs zu setzen.
Die Vorschriften des Regierungsentwurfs ebenso wie die des Entwurfs in der letzten Fassung haben dem Wirtschaftsausschuß eine völlig andere Konstruktion gegeben, als sie nach dem geltenden Recht vorhanden ist und auch nach dem Entwurf meiner Fraktion vorhanden sein sollte. Auch wir
*) Siehe Anlage 7 sind der Meinung, daß die Befugnisse des Wirtschaftsausschusses wesentlich erweitert werden sollten. Insofern stimmen wir überein. Wir unterscheiden uns aber grundlegend in der Frage der Zusammensetzung des Wirtschaftsausschusses.
Vom geltenden Recht sind wir insofern abgewichen, als wir nur in allen Unternehmen mit in der Regel mehr als 500 ständigen Arbeitnehmern einen Wirtschaftsausschuß bindend vorgesehen haben, jedoch mit der Möglichkeit, daß auch bei geringerer Arbeitnehmerzahl auf Antrag des Unternehmers oder des Betriebsrates ein Wirtschaftsausschuß gebildet werden kann. Hierbei und für den regelmäßigen Turnus der Sitzungen des Ausschusses waren für uns die Erfahrungen der Praxis maßgebend.
Im übrigen hat sich die Praxis bisher sehr unterschiedlich entwickelt. In vielen Unternehmen hat der Wirtschaftsausschuß eine bedeutende Rolle gespielt. Andere Unternehmen haben von dem Ausschuß wenig oder gar keinen Gebrauch gemacht, was sehr häufig auch auf die Haltung der Betriebsräte zurückzuführen war, die, manchmal jedenfalls, sicherlich zu Unrecht im Wirtschaftsausschuß eine unerwünschte Konkurrenz gesehen haben.
Im ganzen sind wir der Meinung, daß der Wirtschaftsausschuß schon nach dem geltenden Recht eine sehr nützliche Institution sein kann. Darum wollen wir ihn auch als Wirtschaftsausschuß erhalten und ausbauen. Genau wie Sie haben wir die Informationsmöglichkeiten erweitert und außerdem für den Wirtschaftsausschuß auch die Möglichkeit von Empfehlungen vorgesehen. Auch dies ist in der Praxis nicht ohne Vorbild. Denn es gibt sehr viele, die dies alles schon so gehandhabt haben, obwohl es im Gesetz nicht stand.
Das Entscheidende, worin wir ganz offensichtlich eine völlig unterschiedliche Meinung vertreten, ist die Zusammensetzung des Wirtschaftsausschusses. Sie sehen vor, daß die Mitglieder ausschließlich vom Betriebsrat zu berufen sind. Es war einmal der Gedanke, im Wirtschaftsausschuß beide Seiten partnerschaftlich oder — um es in der Ihnen vielleicht sympathischeren Sprache zu sagen — paritätisch zusammenzuführen und hier gemeinsam Informationen zu geben, aber nicht nur zu geben, sondern auch zu beurteilen und in offener Aussprache zu erörtern, wozu jeder seinen Beitrag aus seiner Sicht geben kann.
Ich möchte die Frage stellen, ob Sie inzwischen schon über die Parität hinaus sind und ob Ihnen die Parität etwa künftig nicht mehr genügt, ob Sie mehr haben wollen. Daß die Hälfte der Mitglieder vom Unternehmer und die andere Hälfte vom Betriebsrat bestimmt wird, hat sich in der Praxis, wo dieses Instrument gehandhabt wurde, als sehr nützlich und auch als befriedend im Betriebe erwiesen. Freilich, wer den Kampf der Partner im Betriebe will, der schätzt die befriedende Wirkung nicht. So finde ich es denn in hohem Maße bedauerlich, daß Sie sich bei den Vorschriften über den Wirtschaftsausschuß von dem, was Sie sonst so leidenschaftlich verkünden, nämlich von der Parität, ent-
8654 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Dr. Kley
fernt haben. Kann man daraus schließen, daß Ihnen an der Parität nicht mehr sehr gelegen ist? Das wäre interessant.
Ihrer Konzeption entspricht es auch, daß die besondere Zielsetzung, die im geltenden Recht und in unserem Entwurf dem Wirtschaftsausschuß vorgegeben ist, nämlich die der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Unternehmen, in Ihrem Entwurf gefallen ist. Das hat ja sicherlich auch Gründe; sie zu erfahren, wäre ebenfalls interessant.
Was soll die weitere Vorschrift, die bei Ihnen zu finden ist, derzufolge der Betriebsrat, wenn es ihm beliebt, den Wirtschaftsausschuß kassieren und seine Aufgaben einem Ausschuß des Betriebsrats übertragen kann? Das zeigt doch deutlich, daß Ihnen im Grunde am Wirtschaftsausschuß nichts gelegen ist und daß Sie ihn nur erhalten haben, weil es eben den Namen gibt — mehr nicht. Bei Ihrer Konstruktion könnten Sie genauso gut auch auf den Wirtschaftsausschuß verzichten.
Nach allem würde ich wirklich wünschen, daß Sie zu der von Ihnen verlassenen Grundlage der Partnerschaft zurückkehrten und das dadurch bekundeten, daß Sie unserem Vorschlag zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Buschfort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst einmal zwei Vorbemerkungen zu den Ausführungen des Kollegen Pohlmann machen. Herr Kollege Pohlmann, Sie haben sich vorhin darüber beschwert, daß der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung oder aber auch der Bundestag dieses Betriebsverfassungsgesetz zu schnell — Sie sagten: im Eiltempo — verabschieden. Es mag sein, daß Ihnen dieses Tempo als Angehöriger des mitberatenden Ausschusses zu schnell war, aber im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung wird nun einmal fleißig und gut gearbeitet.Wir haben für dieses Gesetz 23 Sitzungstage angesetzt, und wir haben für dieses Gesetz neun Monate Zeit gehabt. Wenn Sie darüber nachdenken, daß die ersten Gesetzentwürfe von Ihnen, von uns und von der FDP-Fraktion bereits aus dem Jahre 1968 herrühren, dann werden Sie feststellen, daß es sicherlich an der Zeit ist, jetzt mit diesem Gesetz fertig zu werden.
Ich will hier noch eine zweite kritische Bemerkung anfügen. Ich habe kürzlich auf der Fahrt nach Bonn ein Rundfunkinterview mit Herrn Katzer und Herrn Mick anläßlich der Tagung der CDU-Sozialausschüsse in Duisburg gehört. Damals sagte Herr Katzer: „Ich werde im Ausschuß für Arbeit undSozialordnung dafür Sorge tragen, daß die Vorstellungen der CDU-Sozialausschüsse im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung durchgesetzt werden".Hier muß ich wieder eine Bemerkung zum Eiltempo machen und Herrn Katzer sagen: Wir warten und warten und warten auf Ihre erste Teilnahme an einer Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung!
— Das Protokoll dürfen Sie mir gern vorlesen oder zustellen.
— Ich habe es aus dem Gedächtnis zitiert; ich habe es nicht gelesen.
Aber Sie sind ja sicher gern bereit, mir den Wortlaut des Interviews zur Verfügung zu stellen; Sie werden ihn haben. Sie haben dort wörtlich erklärt: „Ich werde im Ausschuß die — —
— Sie sind stellvertretendes Mitglied und können jederzeit an den Sitzungen teilnehmen.
Im übrigen ist es meines Erachtens reichlich komisch, daß der Sprecher der Fraktion in Angelegenheiten für Arbeit und Soziales an den bisherigen Beratungen zu diesem wichtigen Gesetz nicht mit einer Silbe teilgenommen hat.
— Der Herr Minister war heute überwiegend im Plenum, er ist auch jetzt noch da.
— Herr Barzel, er hat an vielen Ausschußsitzungen teilgenommen. In Prozenten ausgedrückt betrug seine Anwesenheit ein Vielfaches der Anwesenheit des Herrn Katzer als Minister.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf jetzt auf den Antrag zum Thema Wirtschaftsausschuß eingehen und zunächst einmal sagen, daß wir diesen Antrag aus den verschiedensten Gründen ablehnen müssen. Tch habe bisher immer geglaubt, daß die Beratungen in einem Ausschuß auch zu Arbeitsergebnissen in den Fraktionen führen müssen. Aber ich sehe ein, daß das bei der Fraktion der CDU/CSU wohl nicht so ist. Ich muß es zur Kenntnis nehmen und kann es nicht ändern. Wie sollte man sonst verstehen, daß die Opposition den Arbeitsgerichtsbeschäftigungsparagraphen über
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Buschfortdie Bildung von Wirtschaftsausschüssen wieder in alter Fassung vorlegt? Was sollen denn die unbestimmten Rechtsbegriffe wie „zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens gehören die Investitionsvorhaben von wesentlichem Umfang" oder „die Rationalisierungs- und Automatisierungsvorhaben von wesentlichem Umfang" ? Meine Herren, das ist Gummi, damit werden Sie die Arbeitsgerichte über Jahre beschäftigen.In Ihrem Änderungsantrag steht der § 108 Abs. 3 mit der Formulierung: „Besteht ein Unternehmen aus mehreren Betrieben und ist ein Gesamtbetriebsrat gebildet ..." Meine Damen und Herren von der Opposition, ich habe das Gefühl und werde den Eindruck nicht los, daß Sie mittlerweile vergessen haben oder es nicht mehr wissen wollen, daß wir im Ausschuß einstimmig beschlossen haben, daß bei Unternehmen mit mehreren Betrieben ein Gesamtbetriebsrat obligatorisch zu bilden ist. In Ihrem Vorwort zu den heutigen Anträgen sagen Sie: Der Wirtschaftsausschuß soll wie bisher paritätisch besetzt werden. Mir wäre es lieber gewesen, sie hätten dort für die Parität, wo die Arbeitnehmer auch wirklich etwas zu sagen haben, nicht aber hier beim Wirtschaftsausschuß, wo es um die Information geht. Beim Wirtschaftsausschuß geht es uns darum, daß an den Sitzungen der erste Mann des Betriebs oder sein Stellvertreter anwesend ist und nicht die dritte Garnitur,
Wenn dieser erste Mann oder der zweite Mann dem Betriebsrat gegenübersitzt, soll er die sachverständigen Leute, die etwas von dem Tagesordnungspunkt verstehen, hinzuziehen. Dann kommen wir zu einem fach- und sachgerechten Gespräch.Parität im Wirtschaftsausschuß hat sich in der Vergangenheit nicht bewährt. Lesen Sie doch bitte selber einmal das Biedenkopf-Gutachten oder, wie wir es nennen, das Sachverständigengutachten durch! Biedenkopf hat gesagt, der Wirtschaftsausschuß habe sich auch in dem betriebsverfassungsrechtlichen Bereich und bei der Montanmitbestimmung nicht bewährt.
— Nein, Herr Kley, er sagt im nächsten Absatz: DieVerhältnisse im Betriebsverfassungsbereich sind nicht grundsätzlich anders. Lesen Sie sich bitte einmal das Biedenkopf-Gutachten durch!
— Gut, damit bin ich einverstanden. Deshalb sind wir ja auch für die paritätische Mitbestimmung.Nun noch eine letzte Bemerkung. Der Wirtschaftsausschuß ist ein denkbar ungeeigneter Bereich für den Minderheitenschutz. Sie haben auch hier wieder den Minderheitenschutz angeführt. Beim Wirtschaftsausschuß kommt es nicht auf den Proporz, sondern auf die Qualifikation im Interesse der Arbeitnehmer an.Aus all diesen genannten Gründen bitte ich, den Antrag der CDU/CSU abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Graaff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich den Ausführungen des Herrn Kollegen Buschfort anschließen und auch namens meiner Fraktion beantragen, den Änderungsantrag der CDU/CSU zum Thema Wirtschaftsausschuß abzulehnen. Ich darf das wie folgt begründen.
Der Wirtschaftsausschuß hat eine zentrale Aufgabe in der Beratung technischer und wirtschaftlicher Angelegenheiten, die den Betrieb und die Belegschaft betreffen. In der Diskussion über diesen Ausschuß wird teilweise bedauert, daß der Regierungsentwurf von der zahlenmäßig gleichen Besetzung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite abgehe. Es gibt sogar zum Teil die Behauptung, daß damit das Partnerschaftsverhältnis verlassen werde, das in dem Dualsystem zum Ausdruck komme, d. h. in der paritätischen Besetzung.
Wir Freien Demokraten waren und sind der Auffassung, daß das Prinzip der Partnerschaft nicht nur dort verwirklicht werden sollte, wo eine Parität der Sitze und der Stimmen vorhanden ist. Die Regierungsvorlage wie auch die geänderte Form nach den Ausschußbeschlüssen lassen im Einzelfall jedem Arbeitgeber und jedem Unternehmen die Möglichkeit offen, zu den jeweiligen Sitzungen die Zahl von Personen hinzuziehen, die für den Beratungsgegenstand angemessen ist.
Da es sich bei dem Wirtschaftsausschuß um ein Beratungsgremium und nicht um ein Mitbestimmungsgremium handelt, ist nach unserer Auffassung in erster Linie die Qualifikation und die Urteilsfähigkeit aller Beteiligten maßgebend und nicht ihre zahlenmäßige Verteilung auf seiten der Belegschaft bzw. auf seiten der Betriebsleitung.
Soweit Materialien aus der Vergangenheit vorliegen, ist festzustellen, daß der Wirtschaftsausschuß in zahlreichen Betrieben, die über eine ausgezeichnete Betriebsratspraxis verfügen, nicht oder nur teilweise in Funktion getreten ist. Das hat nach unserer Auffassung weniger damit zu tun, daß er von der Sache her keine entsprechende Bedeutung gehabt hätte, sondern daß die Aufgaben ganz oder teilweise durch den Betriebsrat wahrgenommen worden sind.
Der Regierungsentwurf räumt daher auch dem Betriebsrat die Möglichkeit ein, die Aufgaben des Wirtschaftsausschusses selber wahrzunehmen oder, wenn er die Einsetzung eines Ausschusses beschließt, aus dem Kreis der leitenden Angestellten eine bestimmte Anzahl leitender Angestellter hinzuzuziehen. Nicht zuletzt hierdurch wird der Versuch unternommen, seine Bedeutung als qualifiziertes Beratungsgremium zu heben.
Wenn im Wirtschaftsausschuß auch nicht mit der entsprechenden Verbindlichkeit wie bei sozialen und personellen Angelegenheiten Rechte wahrgenommen werden können, so ist doch eine Aufwertung als Beratungsgremium in technischen und wirt-
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Graaf f
schaftlichen Angelegenheiten erforderlich. Diese Fragen berühren zwar nicht kurzfristig und unmittelbar die Interessen des einzelnen Beschäftigten, langfristig sind das jedoch Fragen, die dort zur Diskussion stehen und für die Existenz und die Lebensdauer eines Betriebes in der ferneren Zukunft von eminenter Bedeutung sind.
Wir bitten noch einmal, den Änderungsantrag der CDU/CSU abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Härzschel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Farthmann hat zu Beginn seiner Ausführungen darauf hingewiesen, daß das Betriebsverfassungsgesetz auf der Basis der vertrauensvollen Zusammenarbeit aufgebaut ist. Er hat weiterhin gesagt, das Betriebsverfassungsgesetz solle Konflikte lösen helfen. Darum geht es uns. Die Frage der Partnerschaft ist für uns ein sehr wichtiges und zentrales Problem. Auch im Wirtschaftsausschuß ist die Partnerschaft in besonderer Weise angesprochen.
Sie haben zu Beginn ebenfalls davon gesprochen, daß das alte Betriebsverfassungsgesetz eigentlich ein Rüschritt und deshalb kein gutes Gesetz gewesen sei. Ich glaube, wir sollten auch einmal feststellen, daß es mit diesem Gesetz immerhin gelungen ist, eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zu fördern, und daß dieses Gesetz dem sozialen Frieden in unserem Lande erheblich gedient hat.
Ich meine deshalb, daß das Gesetz so schlecht nicht gewesen sein kann.
Wenn Sie von vertrauensvoller Zusammenarbeit im Wirtschaftsausschuß sprechen, dann muß es doch befremden, wenn Sie dort den Passus herausstreichen, in dem von dieser vertrauensvollen Zusammenarbeit die Rede ist. Ich meine, Partnerschaft ist auch eine Sache des Vertrauens. Wenn das nicht gegeben ist, dann werden Sie im Wirtschaftsausschuß nicht jene Informationen erhalten, die notwendig sind. Wir haben zwar einen ganzen Katalog von Zuständigkeiten. Aber Sie wissen, daß gewisse Einschränkungen gegeben sind, und diese Einschränkungen sind dann unter Umständen Vorwand, um nicht die letzten Informationen zu geben. Vertrauen können Sie nicht mit gesetzlichen Maßnahmen begründen, sondern das hängt davon ab, wie man den anderen Partner sieht.
Ich glaube, daß Sie hier ohne Not Passagen gestrichen haben und daß Sie jedenfalls nicht den Anspruch erheben können, damit dem Fortschritt zu dienen oder den Arbeitnehmern etwas Besonderes zu geben. Ich meine, Sie sollten — und darum bitten wir Sie — unserer Fassung zustimmen, damit deutlich wird, daß auch in diesem Bereich die partnerschaftliche Zusammenarbeit weitergeführt wird. Denn nur so dienen wir auch den Arbeitnehmern am besten.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.Ich schlage vor, daß ich gleichzeitig die §§ 106, 107, 108 und 109 aufrufe, weil der Änderungsantrag als ein geschlossenes Ganzes anzusehen ist, und auch über die aufgerufenen Paragraphen gemeinsam abstimmen lasse. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 236 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über die §§ 106, 107, 108 und 109 in der Ausschußfassung. Wer diesen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. Gegenprobe! — Bei entsprechender Mehrheit ist die Ausschußfassung angenommen.Ich rufe auf § 110. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest.Ich rufe § 111 auf. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem § 111 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei wenigen Stimmenthaltungen mit sehr großer Mehrheit angenommen.Ich rufe § 112 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 237 Ziffer 5 vor. Ich gehe davon aus, daß dieser Antrag von Herrn Kollegen Ruf mitbegründet worden ist. Kann ich gleichzeitig über den Paragraphen mit den entsprechenden Mehrheiten abstimmen lassen? — Wer dem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. Gegenprobe!— Danke. Stimmenthaltungen? — Ich stelle fest, daß der Antrag abgelehnt und damit die Ausschußfassung des § 112 mit entsprechender Mehrheit angenommen ist.Ich rufe § 113 auf. Hierzu liegen, wenn ich das richtig sehe, zwei Anträge vor, Herr Kollege Ruf. Es heißt hier allerdings, wenn der Antrag Umdruck 237 Ziffer 5 abgelehnt werde, würden Sie diesen Antrag als gegenstandslos betrachten. Ist das richtig, oder muß ich noch abstimmen lassen?
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Ich rufe auf § 114, § 115, § 116 — § 117 entfällt —, § 118 und § 119. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Gegen eine Stimme in der zweiten Beratung angenommen.Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 238 *) auf. Es wird beantragt, nach § 119 einen Teil Fünf A — Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat — einzufügen. Zur Begründung hat der Abgeordnete Wawrzik das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat diesem Hohen Hause ein einheitliches Gesetz für Betriebsverfassung und Unternehmensverfassung vorgelegt. Leider hat bereits die erste Lesung gezeigt, daß die Koalitionsfraktionen nicht willens sind, den Arbeitnehmern im Bereich der Unternehmensverfassung mehr Rechte als bisher einzuräumen.
An Stelle von Alternativen haben SPD- und FDP-Fraktion auch bei der Fortführung der Beratung im federführenden Ausschuß unseren Vorstellungen nur ihr steriles Nein entgegengesetzt.
Wir sind nach wie vor der Auffassung, daß die Fortentwicklung der Unternehmensverfassung jetzt und nicht zu einem Termin, der irgendwo im Nebel der Zukunft liegt, vorgenommen werden sollte.
Aus diesem Grunde stellen wir den Antrag auf Umdruck 238. Er mag in seiner Substanz nicht rundum befriedigen. Fest steht allerdings, daß in dieser Frage zu diesem Zeitpunkt und auch in absehbarer Zeit nur über unseren Antrag eine Stärkung der Position der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten zu erreichen ist.
Die Annahme unseres Antrages ergäbe folgendes.
Erstens. Die Zahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat von Unternehmen, die mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigen, wird so erhöht, daß nur noch ein Unterschied von zwei Sitzen zugunsten der Unternchmensseite besteht.
Zweitens. Das Personal- und Sozialwesen wird einem Vorstandsmitglied verantwortlich übertragen.
Drittens. Es wird sichergestellt, daß die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig bei der Bestellung oder Ablösung eines Vorstandsmitglieds eingeschaltet werden.
*) Siehe Anlage 8
Viertens. Die Arbeitnehmervertreter werden im Aufsichtsratspräsidium und in den Ausschüssen angemessen — mindestens mit einem Vertreter — beteiligt.
Fünftens. Den Anteilseignern wird in dem Fall, daß sie die Arbeitnehmervertreter überstimmen, der Zwang zur Begründung auferlegt. Die abweichende Meinung muß protokolliert werden.
Sechstens. Die Schweigepflicht der Arbeitnehmervertreter kann in bestimmten Angelegenheiten aufgehoben werden, um eine Erörterung der betreffenden Frage auf einer Betriebsversammlung zu ermöglichen. Im übrigen ist sichergestellt, daß Mitglieder von Gewerkschaften vorgeschlagen werden können, die im Unternehmen vertreten sind. Sie müssen sich allerdings — wie alle anderen Arbeitnehmervertreter — der Belegschaft zur Wahl stellen.
Wir stellen diesen Antrag heute zur Abstimmung, weil sich mit Sicherheit sagen läßt, daß von seiten der Regierungskoalition in dieser Legislaturperiode keine Initiativen zu erwarten sind. Ich möchte es mir ersparen, die Schuldfrage näher zu untersuchen. Die Schuld liegt sicher auf beiden Seiten.
Um die Ablehnung dieses Teils unseres Gesetzentwurfes zu begründen, ist hier im Plenum sowie im Ausschuß die Behauptung aufgestellt worden, der Ausbau der Mitbestimmung nach diesem Vorschlag verhindere eine Weiterentwicklung in der Zukunft. Diese Behauptung ist durch nichts begründet worden. Sie kann nur als das angesehen werden, was sie in Wirklichkeit ist, eine Schutzbehauptung gegenüber der Tatsache, daß sowohl die SPD- wie die FDP-Fraktion nicht bereit sind, den Arbeitnehmern auf Unternehmensebene mehr Rechte als bisher zuzugestehen.
In diesem Zusammenhang ist das Argument angeführt worden, hier könne nicht von paritätischer Mitbestimmung die Rede sein. Das stimmt. Wir haben allerdings in keinem Bereich der Wirtschaft bisher die Parität, ausgenommen die Selbstverwaltung der Sozialversicherung. Selbst in den Unternehmen des Bergbaus und der eisen- und stahlerzeugenden Industrie hebt der elfte Mann in den Aufsichtsräten die Parität auf. Trotzdem haben wir im letzten Mitbestimmungssicherungsgesetz die bestehenden Verhältnisse beibehalten. Dieses Argument kann also auch nicht der wahre Grund sein, es sei denn, man stellt sich auf den Standpunkt des Alles oder Nichts. Dazu allerdings darf ich mir erlauben, den Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Herrn Kollegen Wehner, zu zitieren, der im Rahmen der Diskussion um die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes erklärt hat: „Wer sich in der Politik auf den Standpunkt des Alles oder Nichts stellt, landet in der Regel beim Nichts." Das Nichts ist in diesem Falle das Beibehalten des gegenwärtigen Zustandes, das Festsitzen auf dem Status quo. Bei der Beratung der im Jahre 1969 von der SPD-Fraktion eingereichten Gesetzentwürfe zur Mitbestimmung hat zum Festhalten am Status quo der dama-
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Wawrzik
lige Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Kollege Schmidt, erklärt — ich darf zitieren —:
Jemand, der den Status quo halten will und nichts als das, so ehrenhaft dieses Bemühen sein mag, schafft Rückstau und schafft damit im Ergebnis die Gefahr des Status quo minus.
Das gilt auf dem gesellschaftspolitischen Gebiet, von dem wir hier reden, in ganz besonderer Weise.
Man kann dieser Feststellung nur zustimmen, und man sollte auch heute noch zu dem stehen, zu dem man sich gestern bekannt hat. Es ist besser, in der gesellschaftspolitischen Entwicklung einen Schritt voran zu tun als stehenzubleiben oder bestenfalls darüber zu diskutieren.
Im Auftrag der CDU/CSU-Fraktion bitte ich das Hohe Haus um Zustimmung zu unserem Antrag.
Meine Damen und Herren, ich habe die Freude, dem Kollegen Wawrzik zu seiner ersten Rede in diesem Hohen Haus beglückwünschen zu können.
Das Wort hat der Abgeordnete Nölling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in der ersten Lesung am 1. Februar eine ausführliche Grundsatzdebatte über dieses wichtige Thema gehabt, und wir haben im Ausschuß am 29. April ebenfalls ausführlich über die paritätische Mitbestimmung und über das Konzept der CDU diskutiert. Die Argumente, das Für und Wider, sind hinreichend bekannt. Das Gewicht des von der CDU/CSU eingebrachten Änderungsantrages würde es an sich erfordern, noch einmal etwas ausführlicher auf unsere Argumente einzugehen, warum wir diesen Antrag, der allerdings nur ein Paritätssurrogat beinhaltet, erneut ablehnen werden. Ich möchte hierzu nur drei kurze Bemerkungen machen.
Es verdient an dieser Stelle nach neun Monaten Beratungen festgehalten zu werden, daß die Opposition in unserem Lande d i e politische Kraft von Bedeutung ist, die das rückschrittlichste Mitbestimmungsmodell der Arbeitnehmerschaft für die Unternehmensverfassung vertritt.
Sie ist dort stehengeblieben, wo ihr Parteitag im Januar die Entscheidung festgeschrieben hatte, sie ist bei ihrem Gesetzentwurf vom 5. Februar 1971 stehengeblieben, und sie möchte gegen den erklärten Willen ihres Arbeitnehmerflügels auf lange und unabsehbare Zeit eine Mitbestimmungsregelung unterhalb der Parität gesetzlich einführen.
Wir stellen mit Verwunderung fest, daß der Kollege Wawrzik offensichtlich für die ArbeitnehmerKollegenschaft innerhalb der CDU spricht, daß er resigniert, daß er einsieht, daß es nicht möglich ist,
in absehbarer Zeit in seiner Partei eine Änderung dieses Parteitagsbeschlusses herbeizuführen. Anders können wir uns seine Erklärung von heute, daß er damit auf längere Zeit einverstanden ist, nicht erklären. Ich stimme dem Kollegen Franke von heute morgen voll und ganz zu. Er hat hier überzeugend gesagt: Das, was wir jetzt in ein Gesetz hineinschreiben, wird Wirksamkeit in den nächsten zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren haben; das ist die Erfahrung der Vergangenheit. Meine Damen und Herren von der Opposition, machen Sie sich doch keine Illusionen und machen Sie uns hier nichts vor: Genau das würde passieren; auf viele Jahre hinaus würde die Lösung, die Sie z. Z. für richtig halten, im Gesetz stehen und nicht geändert werden, und eine Entwicklung, die im Gange ist, würde abrupt unterbrochen und gestoppt.
Herr Abgeordneter Nölling, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege Nölling, können Sie sich vorstellen, daß sich ein Mitglied der CDU/CSU-Fraktion einmal etwas zu Herzen nimmt, was Ihr Fraktionsvorsitzender in diesem Zusammenhang geäußert hat, und ,daß es diesem Mitglied dieser Fraktion lieber ist, wenn es einen Schritt weitergeht, als wenn außer Reden in dieser Frage überhaupt nichts passiert?
Herr Kollege Wawrzik, was Sie sich zu Herzen nehmen und was Sie in gutem Glauben für richtig halten, ist politisch nicht entscheidend. Politisch entscheidend für die Veränderung der Landschaft ist, was im Gesetz verankert wird.
Sie sollten doch nicht die Illusion nähren und so tun, als ob Sie glaubten, wir könnten dieses Gesetz in jeder Legislaturperiode grundlegend ändern. Wir müssen einsehen, daß das unmöglich ist. Eine Veränderung des Status quo, die die Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit eben nicht bringt, halten wir für schlechter als die gegenwärtige Situation. Wir sind der Meinung, daß wir bei der Lösung, die wir jetzt noch haben und die unbefriedigend ist, in absehbarer Zeit eine Änderung bekommen, die uns befriedigt und, Herr Kollege Wawrzik, die auch Sie befriedigen wird.Heute ist von den Kollegen der CDU/CSU wiederholt der Gedanke der Partnerschaft beschworen worden. Ich darf noch einmal mit aller Deutlichkeit erklären, daß wir Sozialdemokraten uns eine Partnerschaft ohne Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit nicht vorstellen können und daß diese Gleichberechtigung zwischen Kapital und Arbeit an die Verwirklichung der Paritätsforderung gebunden ist.
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Dr. NöllingWir haben die von uns angestrebte Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit heute bei der Neuordnung der Betriebsverfassung durchzusetzen. Was erreicht werden kann, was sachlich geboten und politisch möglich ist, geschieht durch die Verabschiedung dieses Gesetzes. Herr Kollege Müller hat heute schon einmal die Freude erfahren, zitiert zu werden. Ich stimme ihm zu, wenn er sagt: Dieses Gesetz, diese eine Säule unseres Gleichberechtigungskonzepts, wird das wichtigste Gesetz für die Arbeitnehmer in dieser Legislaturperiode sein.Wir haben als zweite Säule unseres sozialdemokratischen Gleichberechtigungskonzepts die paritätische Mitbestimmung. Sie ist für uns unverzichtbar. Herr Kollege Kley, Sie befinden sich auf dem Holzweg, wenn Sie glauben, daß wir mit einer Veränderung des Wirtschaftsausschusses gleichzeitig etwa einer Aufgabe der Parität insgesamt das Wort geredet hätten. Ich verstehe, daß Sie das nur scherzhaft gemeint haben.Noch ein Wort zu dem wiederholt vorgetragenen Einwand, man könne Betriebsverfassung und Unternehmensverfassung nur einheitlich regeln. Die Einheitlichkeit einer Regelung hat keinen Wert für sich. Es kommt auf den Inhalt an. Wir meinen, daß wir es vertreten können, die Reform der Unternehmensverfassung mit einer zeitlichen Verzögerung von einigen Jahren in Kraft treten zu lassen.Lassen Sie mich in dem Zusammenhang auch noch folgendes erwähnen. Die FDP, unser Koalitionspartner, hat sich in der Zwischenzeit zu einer Form von Parität durchgerungen, über die man zumindest diskutieren kann.
— Herr Kollege Stücklen, darüber kann man zumindest diskutieren; denn hier wird eine Form von Parität angestrebt. Über das Konzept der Opposition kann man dagegen mit dem Ziel einer Einigung zwischen Sozialdemokraten und Christdemokraten nicht diskutieren. Diese 7 : 5-Regelung, die Herr Kollege Wawrzik in völliger Verkennung der Bedeutung und der Machtverhältnisse im Betrieb als „nur noch eine Differenz von zwei" bezeichnet hat, bedeutet eben in Wirklichkeit doch mehr. Sie bedeutet in Wirklichkeit, daß auf Dauer eine Majorisierung des Faktors Arbeit durch den Faktor Kapital gewollt und bezweckt wird. Dieses Konzept der Opposition wollen wir unter keinen Umständen jetzt festgeschrieben wissen.
Wir werden deshalb den Antrag der Opposition, eine unzulängliche Vertretung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten auf Dauer, auf längere Dauer zu zementieren, ablehnen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Katzer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Buschfort, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir das angebliche Zitat von mir zustellten. Ich habe meine Äußerung von Duisburg in Erinnerung, aber ich will sie hier nicht zitieren, sondern ich möchte das auf Grund der wörtlichen Unterlagen machen. Ich kann diese Aussage so, wie Sie sie gesagt haben, weil wir eine Fraktionsordnung haben, nach der die stellvertretenden Vorsitzenden — das wissen Sie ganz genau — nicht Mitglied eines Ausschusses sein können, da sie andere Aufgaben wahrzunehmen haben.
Ich sage und ich wiederhole das hier: ich lasse mir von Ihnen hier nicht das Wort nehmen, im Parlament zu sprechen zu jedem Punkt, auch zu einem Punkt, der in einem Ausschuß erörtert wurde, dem ich gar nicht angehöre. Dazu ist dieses Parlament da, daß hier darüber gesprochen wird.
— Ja, so ist das. Ich will Ihnen was sagen: es ist eine ganz eigenartige Stimmung, in der wir hier diese zweite Lesung durchführen.
Lassen Sie mich das einmal ganz offen sagen. Der Herr Kollege Nölling erklärt hier heute morgen — ich habe es mir aufgeschrieben —: Hier wird das, was zwischen SPD und FDP vereinbart ist, vollzogen.
Das war der Ausdruck, den er hier gesagt hat. Ich muß Ihnen ehrlich sagen: ich habe nicht so schrecklich viel Freude an Diskussionsbeiträgen, wo wir im Grunde gar keine Chance haben, Sie noch zu überzeugen, sondern wo nur noch vollzogen wird, was Sie intern beschlossen haben.
Das war doch das Ergebnis der Beratungen. Sie haben jetzt in sechs oder wieviel Abstimmungen nein gesagt. Sie haben sich permanent in ein Nein gefangengegeben und haben damit eine klare Konzeption der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt.
Herr Abgeordneter Katzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Katzer, darf ich fragen: Ist die Mitteilung im Handbuch des Bundestages falsch, daß Sie stellvertretendes Mitglied im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sind?
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Nein, die ist richtig.
Aber ich bin nicht Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, sondern eben nur stellvertretendes Mitglied, um bei besonderen Gelegenheiten die Belange der Fraktion wahrzunehmen.
Eine solche Gelegenheit hat sich bisher nicht ergeben,
weil Sie in den Ausschußberatungen genauso verfahren sind wie hier im Plenum. Sie sprechen sich mit Ihrem Koalitionspartner ab, und dann wird das beschlossen, was Ihre Koalitionspartner und Sie vereinbart haben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Biermann?
Nein, im Augenblick nicht.
Nun eine zweite Bemerkung, Herr Kollege Dr. Nölling! Sie haben gesagt, daß hier vollzogen werden soll, was zwischen SPD und FDP vereinbart worden ist. Jetzt haben Sie einen merkwürdigen Salto geschlagen. Sie glaubten nämlich darauf hinweisen zu müssen, hier solle in der Frage des Unternehmerrechts etwas geschehen, was gegen den erklärten Willen der Sozialausschüsse passiert sei. Nun will ich Ihnen etwas sagen zu der Frage von Parteitagsbeschlüssen. Sie stehen ja vor einem Parteitag, und ich bin mal ganz neugierig, was dieser Parteitag beschließen wird und was Sie dann hier im Plenum aus den Beschlüssen Ihres Parteitages machen werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage — —
Nein, im Augenblick nicht. — Sie machen dann dasselbe, was die FDP in einer großartigen Leistung hier vollbringt und sagt: Na ja, das haben wir zwar beschlossen, aber das werden wir natürlich jetzt nicht einbringen.Die Sozialausschüsse werden ihre Auffassung innerhalb der Union — das ist der Platz — weitertragen, weiter darum ringen, und hier im Parlament treten wir geschlossen auf als die Christlich-Demokratische Union. Anders kann keine Partei verfahren, Sie nebenbei auch nicht.
— Nun, wir wollen mal sehen, wie Ihre Beschlüsse zur Steuerpolitik aussehen. Vielleicht gibt es da auch ein vier zu eins; ich weiß ja nicht. Das werden wir verfolgen. Dann werden wir in aller Ruhe darüber diskutieren können.Und jetzt, Herr Kollege Nölling, ein Widerspruch, den ich nicht begreifen kann. Sie haben heute morgen in bezug auf die leitenden Angestellten gesagt, hier sei man noch auf dem Wege, das sei eine große Gruppe, das müsse man sehen, aber das sei noch im Fluß. Das heißt doch, Sie haben heute morgen — der Arbeitsminister hat sich in dieser Debatte bis jetzt noch nicht gemeldet — für die Regierung eine neue Novelle zu eben diesem Gesetz angekündigt, das noch gar nicht verabschiedet ist, sondern dessen dritte Lesung erst ansteht. Aber in der anderen Frage des Unternehmensrechts sagen Sie und das ist interessant —, Sie wollten noch Jahre warten. Habe ich das richtig gehört?
Und da kann ich Ihnen, Herr Kollege Nölling, und der sozialdemokratischen Fraktion — —
— Sie haben gesagt: Jahre!
Wir können es im Protokoll prüfen, ich habe es mitgeschrieben. Sie haben gesagt: Jahre. Sie können jetzt reden, soviel Sie wollen, wahr bleibt, Sie haben im Wahlkampf versprochen: Wenn wir die Regierungsverantwortung übernehmen, werden wir die paritätische Mitbestimmung durchsetzen. Und eben dieses Wahlversprechen erfüllen Sie nicht, und das haben Sie heute nochmals aktenkundig gemacht.
Das können Sie doch gar nicht leugnen. Es ehrt Sie, wenn Sie wenigstens in diesem Punkte ein schlechtes Gewissen haben.
Ich füge hinzu, meine Damen und Herren, — —
— Das haben wir bei Ihnen schon oft erlebt, Herr Schäfer. — Ich weiß, es ehrt Sie, daß Ihnen das wenigstens noch weh tut.
Sie können es aber doch nicht leugnen, daß Sieversprochen haben — das haben wir doch schriftlich —,
wenn die SPD die Regierungsverantwortung übernimmt, wird sie die paritätische Mitbestimmung einführen. Und eben dies tun Sie nicht, und jetzt hören wir, Sie verschieben dieses Problem auf die nächsten Jahre. Wir tun das nicht, sondern wir ringen um ein modernes Konzept von Unternehmensrecht und Unternehmensverfassung und werden es Ihnen in diesem Hohen Hause vorlegen.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8661
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Kirst.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht, Herr Kollege Katzer, liegt es daran, daß wir sachlich sonst nicht so viel miteinander zu tun haben: Ich habe das, was Sie hier gesagt haben, beim besten Willen, jedenfalls in den letzten Sätzen, nicht verstehen und begreifen können.
Wie Sie, Herr Kollege Katzer, die Ablehnung Ihres Antrags als Bruch eine Wahlversprechens der SPD betrachten oder bezeichnen können, ist mir wirklich ein Rätsel.Herr Kollege Katzer, Sie haben sich, wie andere heute morgen, über die Art und Weise aufgeregt, in der die Koalition diese Debatte, diese Auseinandersetzung bestreitet, vergangene bestritten hat und zukünftige weiter bestreiten wird. Ich glaube, diese Aufregung ist weder angebracht noch angemessen. Der Vorwurf, den Sie hier erheben, es sei alles schon vorherbestimmt, wäre angebracht und angemessen, wenn wir so verfahren würden, wie wir es nicht tun, daß wir uns nur als Notar der Regierung betrachteten. Das tun wir aber weiß Gott nicht.
Die Entwürfe der Regierung unterliegen einer sehr gründlichen Beratung. Wenn Sie einmal vergleichen — Sie können das sehr einfach mit Hilfe des Berichts, und zwar nicht nur in diesem Fall, sondern auch in anderen Fällen , wie Regierungsentwürfe dann allerdings nach der gemeinsamen Entscheidung entweder der Koalition oder — in Einzelfällen — dieses Hauses aus der Beratung herauskommen, kann man diesen Vorwurf weiß Gott nicht erheben. Ich glaube, die Art und Weise, wie hier fair Koalitionsabsprachen getroffen und eingehalten werden, ist bestimmt nicht verboten, und sie ist praktisch.
Herr Kollege Katzer, nun die Rolle von Parteitagsbeschlüssen. Ich glaube, ich habe das in anderem Zusammenhang schon einmal gesagt: Wovon wir hier auszugehen haben, sind Koalitionsabkommen und Regierungserklärungen. Parteitagsbeschlüsse bedürfen in jedem Falle, wer immer Parteitage veranstaltet, erst des späteren Votums der Wähler, wenn man sie in eine Wahlaussage umgemünzt hat.Ich bin, auch in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit, der Meinung, daß der Antrag auf Umdruck 238 im Augenblick absolut überflüssig und im Inhalt nebenbei nicht überzeugend ist. Der Regierungsentwurf beschränkt sich bewußt auf die Betriebsverfassung. Er entspricht damit — um das noch einmal deutlich zu sagen — der Koalitionsvereinbarung, die niemand und schon gar nicht die Opposition in Frage stellen kann.Meine Damen und Herren, Sie werfen uns gern vor — obwohl auch das ein Vorwurf ist, der nicht zutrifft —, daß wir uns zu viel vorgenommen hätten und gar nicht alles schaffen warden. Bisher haben wir das, was wir uns vorgenommen hatten, geschafft
und werden den Rest im Laufe der Legislaturperiode auch noch schaffen. Hier versuchen Sie, indem Sie dieses Thema ausweiten, uns noch etwas aufzupacken, was wir uns aus gutem Grund für diese Legislaturperiode nicht vorgenommen haben.
Die Frage der Mitbestimmung, d. h. der speziell wirtschaftlichen Mitbestimmung auf Unternehmensebene, ist im Entwurf der Opposition, der im Ausschuß mit zur Beratung stand, angerissen worden. Sie findet sich im Umdruck 238 wieder. Wenn man jedoch diesen Vorschlag der CDU/CSU genau analysiert, stellt man fest, daß er nichts anderes enthält als die Vorstellungen des linken Flügels der CDU plus diejenigen des Wirtschaftsrates der CDU geteilt durch zwei. Das kommt dann dabei heraus.
Er ist mit Sicherheit kein Beitrag zu einer Unternehmensverfassung, die künftigen Entwicklungen gerecht wird. Diese Vorschläge sind — so müssen wir sie sehen — das Ergebnis einer vorübergehenden innerparteilichen Befriedungsaktion innerhalb der Opposition. Für diesen Zweck mögen sie zumindest zeitweise nützlich gewesen sein. Für eine Änderung und eine zeitgemäße Gestaltung des Unternehmensverfassungsrechts sind sie nicht ausreichend durchdacht. Das kann man gemeinsam feststellen,
auch wenn man über die Alternativen noch verschieden denken mag.Die Koalitionsfraktionen haben sich deshalb bewußt auf die Betriebsverfassung konzentriert.
Es wäre keine langfristige, weil keine überzeugende Lösung, wenn eine Änderung der Sitzverteilung in den Aufsichtsräten hier lediglich aufgepfropft würde. Die Diskussion über die Reform der Unternehmensverfassung hat sich — das ist eine allgemeine Kritik, die für alle Bereiche gilt — zu sehr auf eine andere Sitzverteilung konzentriert. Der Mitbestimmungsaspekt der Arbeitnehmerseite stand und steht nahezu ausschließlich im Mittelpunkt der Diskussion, obwohl er nur ein Sektor von vielen ist, die den Gesamtbereich der Unternehmensverfassung umschließen. Man muß sich z. B. auch einmal die Frage überlegen, ob man nicht, möglicherweise im Rahmen einer umfassenden Revision des Unternehmensrechts, den Klein- und Minderheitsaktionären bestimmte Rechte verschaffen sollte. Gerade der Bericht der Mitbestimmungskommission, der Biedenkopf-Bericht, hat gezeigt, wie vielschichtig die Pro-
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Kirstblematik ist, die hier angesprochen wird. Es ist dabei große Mode geworden, daß Vertreter der unterschiedlichsten Auffassungen diejenigen Teile des Berichts herausnehmen, die ihre vorgefaßten Meinungen bestätigen oder auch nur scheinbar bestätigen. Die differenzierende Art der Betrachtungsweise der verschiedensten Probleme durch die Mitbestimmungskommission und die komplizierten Lösungsversuche zeigen jedoch eindeutig, daß für unsere Wirtschafts- und Unternehmensverfassung nichts bedenklicher und unbefriedigender wäre, als eine Lösung in einem Hauruckverfahren zu suchen — dazu wollten Sie uns heute verführen —, eine Lösung, die mit dem Tage ihrer Verabschiedung erneut in Frage gestellt wäre.Der Bericht der Mitbestimmungskommission gewährt eine Reihe interessanter Einblicke. Er widerspricht auch gewissen festgefahrenen Meinungen, die da und dort vorhanden sind. Wir müssen jedoch alle, die sich zu Recht oder zu Unrecht auf ihn berufen, darauf hinweisen, daß hier eine Untersuchung aus einem Teilbereich unserer Wirtschaft vorliegt, der nicht unbedingt mit allen anderen Wirtschaftsbereichen vergleichbar ist, für die entsprechende neue Regelungen gelten sollen.Das alles, meine Damen und Herren, kann uns nur veranlassen, die Frage von Veränderungen im Bereich der Unternehmensverfassung mit aller Sorgfalt anzugehen, die Diskussion über den Teilaspekt der Mitbestimmung hinaus auch auf die anderen Bereiche zu lenken, über neue Wege sorgfältig zu diskutieren und erst dann zu gegebener Zeit zu entscheiden. Wir können daher Ihrem Antrag, der genaugenommen nicht mehr als eine Demonstration ist, heute hier nicht zustimmen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 238. Ich gehe im Einvernehmen mit den Antragstellern davon aus, daß wir den Antrag in einer Abstimmung bescheiden. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Danke. Stimmenthaltungen? — Danke. Der Antrag ist abgelehnt.
— Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, entscheidend ist hier das Präsidium. Beide Schriftführer stimmen mit dem amtierenden Präsidenten überein. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nun die §§ 120, 121, 122, 123 auf. — Wer den aufgerufenen Paragraphen in der vorgelegten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei wenigen Stimmenthaltungen angenommen.
Ich rufe § 124 und dazu den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 237 Ziffer 7 auf.
— Das Wort hat der Abgeordnete Müller .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der letzte Antrag, der von uns gestellt wird, hat einiges sozialpolitisches Gewicht. Der Kollege Böhm hat ihn vorhin bereits abgelehnt, ohne daß er vorher begründet worden wäre.
Dieser Antrag hat einen Bezug zu dem vorhin beschlossenen § 102, nach dem eine Kündigung durch den Arbeitgeber auf Verlangen nicht wirksam wird, wenn der Betriebsrat gegen diese Kündigung Widerspruch eingelegt hat. Damit ist natürlich § 1 des Kündigungsschutzgesetzes mit in die Debatte eingeführt. Wir haben ja in § 124 ohnehin eine Änderung des Kündigungsschutzgesetzes vorgesehen.
Nach § 1 des Kündigungsschutzgesetzes ist eine Kündigung sozialwidrig, wenn sie nicht betriebsbedingt ist, wenn sie nicht auf Gründe zurückzuführen ist, die in der Person des gekündigten Arbeitnehmers liegen, oder wenn sie zwar betriebsbedingt ist, aber eine mangelnde Sozialauswahl vorliegt. Für die behauptete mangelnde Sozialauswahl ist der betroffene Arbeitnehmer beweispflichtig. Dieser Beweis ist aber weder dem betroffenen Arbeitnehmer möglich noch dem Prozeßbevollmächtigten, wie ich das als Prozeßbevollmächtigter in früheren Jahren in vielen Fällen erlebt habe. Denn entweder der Arbeitnehmer oder sein Prozeßbevollmächtigter muß sagen, wem der Arbeitgeber an Stelle des Arbeitnehmers hätte kündigen müssen. Hier ist die Solidarität der Arbeitnehmer in höchstem Maße angesprochen.
Unser Antrag will nun die Beweislast umkehren. Damit soll erreicht werden, daß vor einer Kündigung die soziale Lage der für die Kündigung vorgesehenen Arbeitnehmer berücksichtigt wird.
Herr Kollege Böhm, Sie haben gesagt, so etwas müsse gründlich durchberaten werden. Vielleicht erkundigen Sie sich einmal bei der Gewerkschaft, was bei der Beratung des Kündigungsschutzgesetzes Anliegen der Gewerkschaften in diesem Fall gewesen ist. Mein Appell geht daher insbesondere an die gewerkschaftlichen Freunde auf der anderen Seite, im Interesse der Rechtsposition des Arbeitnehmers zuzustimmen.
Da Herr Kollege Farthmann mich heute verschiedentlich zitiert hat, möchte ich ihm sagen, daß Aufforderungen, sich entsprechend sozial zu verhalten, nicht einseitig sein können. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Prof. Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Böhm hat darauf hingewiesen, daß die Angelegenheit im Ausschuß gründlich beraten werden müßte. Wie war die Situ-
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Dr. Schellenberg
ation im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung? Ich lese aus dem Ausschußprotokoll vom 16. September 1971 vor:
Abg. Ruf erklärt, daß wegen der Beschlüsse zu § 102
— nämlich Mitbestimmung bei Kündigung, die der Ausschuß beschlossen hatte —
der Antrag seiner Fraktion nicht mehr systemgerecht sei. Der Antrag der CDU/CSU in dieser Hinsicht wird zurückgenommen.
Am 16. 9.: Schlußabstimmung im Ausschuß. 17. 10.: Die vorliegende Ausschußfassung des § 124 wird einstimmig angenommen.
Das ist die Sachlage. Mit Recht hat Herr Kollege Böhm darauf hingewiesen, daß die Angelegenheit einer sorgfältigen Klärung beim Zweiten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz bedarf.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über die Ausschußfassung ab. Wer der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! Stimmenthaltungen? — Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen angenommen.
Ich rufe die §§ 125, 126, 127, 128, 128 a, 129, 130, 131, 132, Einleitung und Überschrift auf. Alle anderen Anträge sind gegenstandslos.
— Dann rufe ich zunächst einmal die §§ 125 bis 132 auf. Wer diesen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei wenigen Stimmenthaltungen sind die aufgerufenen Paragraphen angenommen.
Wer der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? —
Bei Stimmenthaltungen der Opposition angenommen.
Meine Damen und Herren, wie ich soeben mit tiefer Bestürzung erfahren habe,
sind heute bei dem Einsturz der im Bau befindlichen großen Rheinbrücke bei Koblenz mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen. Nach bisher unbestätigten Meldungen soll die Zahl der Toten erheblich höher sein. Im Namen des ganzen Hauses
spreche ich den Angehörigen der Toten, unter denen sich auch ausländische Arbeitnehmer befinden, unsere herzliche Anteilnahme aus. Den Verletzten wünschen wir baldige und gute Genesung.
Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der zweiten Beratung. Es ist interfraktionell vereinbart worden, die Sitzung zu unterbrechen. Ich schlage vor, daß wir um 19.30 Uhr wieder mit der Sitzung beginnen.
Ich unterbreche die Sitzung.
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt nunmehr der Entwurf für ein neues Betriebsverfassungsgesetz zur dritten Lesung vor. Damit geht ein weiteres bedeutsames Teilstück des Reformprogramms dieser Bundesregierung seiner Verwirklichung entgegen. Die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes ist in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 angekündigt worden. Bereits am 3. Dezember 1970 wurde der Regierungsentwurf vom Kabinett verabschiedet und nach seiner ersten Beratung im Bundesrat am 11. Februar 1971 diesem Hohen Hause vorgelegt.Die Bundesregierung hatte sich mit dieser Reform des Betriebsverfassungsgesetzes eine schwere Aufgabe gestellt, da die Betriebsverfassung, wie schon das Zustandekommen des noch geltenden Gesetzes gezeigt hat, in das zentrale Spannungsfeld des Arbeitslebens hineinzielt. Es war von vornherein klar, daß diese Reform gesellschaftspolitische Kontroversen grundsätzlicher Art auslösen und daß allseits befriedigende Lösungen nicht leicht zu erreichen sein würden.Die Aufgabe wurde zusätzlich noch dadurch erschwert, daß das derzeitig geltende Betriebsverfassungsgesetz seit über 18 Jahren nicht weiter entwickelt worden ist
und den gesellschaftlichen und technischen Veränderungen nicht angepaßt wurde.
Angesichts dieser Ausgangslage konnte sich die Bundesregierung nicht damit begnügen, das bisherige Gesetz in einigen Punkten zu novellieren, vielmehr mußte eine neue Konzeption der Betriebsverfassung entwickelt werden.
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Bundesminister ArendtMeine Damen und Herren, große Bereiche der betrieblichen Wirklichkeit wurden durch den Regierungsentwurf erstmals der Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrates geöffnet. Ich darf hierzu auf die Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung sowie auf die Personalplanung hinweisen.Bei ihren Bemühungen hatte sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, mehr Demokratie in den Betrieben, mehr Humanität im Arbeitsleben, mehr Freiheit für den einzelnen Arbeitnehmer und mehr soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen.
Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf hat in einer offenen und gründlichen parlamentarischen Beratung eine Form gefunden, die ohne Abstriche alles das enthält, was schon im Regierungsentwurf an fortschrittlichen Lösungen angelegt war. Vieles davon ist im Verlaufe der Beratungen noch weiter entwickelt, präzisiert und konkretisiert worden. Ich möchte dies kurz an Hand der Leitlinien des Regierungsentwurfs an fünf Punkten verdeutlichen:Erstens. Die Rechte des einzelnen Arbeitnehmers im Betrieb und am Arbeitsplatz sollten erstmals in der Betriebsverfassung festgelegt werden, ohne dadurch die gemeinsame Interessenvertretung aller Arbeitnehmer durch den Betriebsrat zu beeinträchtigen. Dem sind die parlamentarischen Beratungen in vollem Umfange gefolgt.Zweitens. Die Wahl der Betriebsräte sollte erleichtert und die Arbeit der Betriebsräte wirksamer gestaltet werden. Ich darf hierzu einige Punkte nochmals in Erinnerung rufen:- erstmaliger Kündigungsschutz für den Wahlvorstand und die Wahlbewerber,— Ausbau des Kündigungsschutzes für die Betriebsratsmitglieder,— verstärkte Initiativrechte der Gewerkschaften bei der Betriebsratswahl,— Verbesserung der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern,— Schulung und Weiterbildung für Betriebsratsmitglieder,— Vergrößerung der Betriebsräte in den Groß- betrieben.In allen diesen Punkten haben die Lösungen des Regierungsentwurfs Zustimmung gefunden; zum Teil geht die nunmehr vorliegende Fassung noch darüber hinaus, z. B. bei den Regelungen über die Schulung und Weiterbildung für Betriebsratsmitglieder und bei den Freistellungen.
Drittens. Die Rechte des Betriebsrates in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten sollten verstärkt und die Befugnisse des Betriebsrates erstmals auf die Bereiche der Arbeitsplatzgestaltung und des Arbeitsablaufs sowie der Personalwirtschaft einschließlich der Personalplanung ausgedehnt werden.
Auch in diesen Bereichen hat die Ihnen vorliegende Fasung des Gesetzentwurfes die Lösung des Regierungsentwurfs voll übernommen; in einigen, wichtigen Punkten wurden die Rechte des Betriebsrates und des einzelnen Arbeitnehmers noch weiter verstärkt.Ich möchte dazu auf die Verbesserungen bei der ordentlichen Kündigung hinweisen. Bei Erhebung der Kündigungsschutzklage kann der Arbeitnehmer, wenn der Betriebsrat der Kündigung widersprochen hat, künftig verlangen, daß er bis zum Ende des Rechtsstreits im Betrieb unverändert weiterbeschäftigt wird.
Hierzu, meine Damen und Herren, hat — und ich leugne das gar nicht — die Opposition in ihrem Entwurf das Modell beigetragen. Ich bin davon überzeugt, daß diese Regelung eine gute Sache ist, insbesondere für unsere älteren Arbeitnehmer.
In den parlamentarischen Beratungen hat außerdem das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Betriebsänderungen eine entscheidende Verbesserung über den Regierungsentwurf hinaus erhalten. Jede geplante Betriebsänderung, auch wenn sie auf Einschränkungen der Beschäftigungsmöglichkeiten durch Veränderungen der wirtschaftlichen Lage des Betriebes beruht, soll nunmehr der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegen und für sie ein Sozialplan aufgestellt werden.
Viertens. Ein weiterer Schwerpunkt des Regierungsentwurfs lag darin, die Stellung der Gewerkschaften in der Betriebsverfassung und ihre Präsenz in den Betrieben neu zu gestalten. Ferner sollte das Verhältnis von Arbeitgeber und Betriebsrat auf eine neue, mehr sachbezogene Grundlage gestellt werden. Auch hierin ist der Regierungsentwurf weitgehend bestätigt worden.Lassen Sie mich jedoch, meine Damen und Herren, auf zwei Punkte aus diesem Bereich etwas näher eingehen. Der eine betrifft das Zugangsrecht der Gewerkschaftsvertreter zum Betrieb. Hier ist durch die parlamentarischen Beratungen eine überaus verdienstvolle Klarstellung erfolgt. Die in ihrer rechtlichen Tragweite umstrittene Benehmensformel ist beseitigt worden, und an ihre Stelle ist die Unterrichtung des Arbeitgebers getreten. Dies stimmt mit den Intentionen des Regierungsentwurfs voll überein, und das ist auch bei der Einbringung am 11. Februar dieses Jahres von den Sprechern der Koalitionsfraktionen deutlich gesagt worden.Der andere Punkt betrifft die politische Betätigung im Betrieb. Meine Damen und Herren, ich habe am 11. Februar dieses Jahres gesagt, daß die Bundesregierung nicht beabsichtigt, die Betriebe zu parteipolitischen Tummelplätzen zu machen.
Das habe ich überall dort wiederholt, wo ich überdieses Gesetzesvorhaben gesprochen habe. So wares im Regierungsentwurf beabsichtigt, und im
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Bundesminister ArendtGrunde stimmt das mit der nunmehr vorliegenden Fassung überein. Wenn dabei letztlich eine Formulierung gewählt worden ist, die eine etwas stärkere Betonung auf die Grenzen des politischen Engagements der Arbeitnehmer im Betrieb legt, so ändert dies nichts daran, daß sich die Betriebsräte und die Arbeitnehmer in Zukunft auch im Betrieb mit den sie berührenden tarifpolitischen, sozialpolitischen und wirtschaftlichen Fragen beschäftigen können.
Fünftens, meine Damen und Herren, wollte der Regierungsentwurf die Position und die Rechte der jugendlichen Arbeitnehmer und ihrer Vertretungen ausbauen. Auch hier ist die Konzeption des Regierungsentwurfs bestätigt und durch eine Reihe von Verbesserungen weiterentwickelt worden.Alles das, was hier so abgewogen und zugleich so fortschrittlich zuwege gebracht worden ist, kann nicht mehr sein als ein Angebot des Gesetzgebers, diese neue Ordnung für die Betriebe und für das Geschehen in den Betrieben in die Wirklichkeit umzusetzen und mit Leben zu erfüllen.
Der einzelne Arbeitnehmer wird lernen müssen, den erweiterten persönlichen Freiheitsraum des Gesetzes zu nutzen. Die Unterrichtungs-, Anhörungs- und Erörterungsrechte und vor allem das umfassende Beschwerderecht geben ihm erstmals weitgehende Möglichkeiten, auf seine betrieblichen Angelegenheiten persönlich Einfluß zu nehmen.Die Betriebsräte sind aufgerufen, die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte, die ihnen jetzt in verbesserter und erweiterter Form in die Hand gegeben werden, im Interesse der durch sie vertretenen Arbeitnehmer auszuschöpfen. Erst dann kann dieses Gesetz die Wirkungen entfalten, die in ihm als Möglichkeiten angelegt sind, nämlich: mehr Information und mehr Rechte bei echten und manchmal auch nur vermeintlichen betrieblichen Notwendigkeiten, mehr Handlungsfreiheit auf der Grundlage dieses Schutzes, mehr Mündigkeit durch eigenverantwortliche Handhabung der Freiheit. Meine Damen und Herren, die Arbeitgeber werden erkennen müssen, daß uns die Nutzbarmachung des technischen Fortschritts für sich allein auf die Dauer nicht weiterbringt. Wenn die Wirtschaft nicht die Gefahr eingehen will, sich von der Gesellschaft zu isolieren, dann muß sie ihre inneren Strukturen den gewandelten Anschauungen unserer Gesellschaft anpassen.
Eine immer höher qualifizierte Arbeitnehmerschaft mit einem ständig wachsenden Grad von Informiertheit und Selbstbewußtsein erfordert auch von den Unternehmens- und Betriebsleitungen ein Eingehen auf diese Veränderungen. Ich bin sicher, daß dies nicht nur ein berechtigtes Anliegen der Arbeitnehmer ist, sondern daß dies auch im wohlverstandenen eigenen Interesse der Arbeitgeber und unserer Wirtschaft liegt.
Allerdings, meine Damen und Herren, hat der Gesetzentwurf von seiten der Arbeitgeber herbe Kritik erfahren. Wenn auch von dieser Kritik manche Abstriche gemacht werden müssen, weil sie verständlicherweise von bestimmten Interessen geprägt ist, so hat die Bundesregierung doch den sachlichen Kern dieser Kritik nicht leichthin abgetan. Nicht zuletzt deshalb hat die Bundesregierung sehr viel Mühe darauf verwandt, zwischen den Notwendigkeiten der Produktion und der Wirtschaft sowie den berechtigten Forderungen der Arbeitnehmerschaft eine ausgewogene Lösung zu finden.Dies mag, je nachdem, von welchem Standpunkt man urteilt, nicht in allen Fällen als voll gelungen erscheinen. Die Kritik schließt jedenfalls insoweit über das Ziel hinaus, als behauptet wird, der Gesetzentwurf ersetze die bisherige Friedensordnung durch eine Konfliktsordnung und an die Stelle der Partnerschaft trete die Gegnerschaft. Nein, meine Damen und Herren, auch diese neue Betriebsverfassung ist auf den Grundsätzen der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und der betrieblichen Friedenspflicht aufgebaut.
Unter dieser grundsätzlichen Voraussetzung betont das neue Recht stärker als bisher die Interessenwahrnehmung. Damit werden die Erfahrungen aus der Anwendung des bisherigen Rechts berücksichtigt. Eine verstärkte Interessenwahrnehmung erfordert aber für die Konfliktfälle Ausgleichsregelungen, weil sonst der Grundsatz der betrieblichen Friedenspflicht nicht zu halten ist.Neben der generellen Kritik werden vor allem zwei Punkte genannt, durch die die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Arbeitgeber zu weit eingeschränkt werde.Erstens werden die neuen Mitbestimmungsrechte im personellen Bereich genannt. Daß es hier nicht bei den bisher sehr geringen Einflußmöglichkeiten des Betriebsrates bleiben konnte, werden sicherlich auch die Arbeitgeber einsehen. Bei einer gesellschaftspolitisch angemessenen Einschätzung der Mitbestimmung wird man die Lösung des Gesetzentwurfs nicht als zu weitgehend bezeichnen können. Denn bei der Beteiligung des Betriebsrates an den generellen Personalmaßnahmen geht es im Grunde nur um die Transparenz und die Versachlichung der Personalpolitik, und dies vorwiegend für die größeren Betriebe. Die Beteiligung des Betriebsrates bei den personellen Einzelmaßnahmen richtet sich allein darauf, soziale Härten zu mildern und Ungerechtigkeiten auszuschließen.
Zweitens wird die Mitbestimmung bei Betriebsänderungen kritisiert. Hier, meine Damen und Herren, verwundert mich die Kritik; denn gerade hier unterscheidet der Gesetzentwurf sehr deutlich zwischen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und den sozialen Belangen der betroffenen Arbeitnehmer.
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Bundesminister ArendtDie unternehmerische Entscheidungsfreiheit, die Betriebe zu rationalisieren, bleibt unangetastet. Es muß aber verhindert werden, daß dies zu Lasten allein der Arbeitnehmer vor sich geht.
Nur zu diesem Zweck sieht der Gesetzentwurf die notfalls erzwingbare Aufstellung von Sozialplänen vor.Das neue Betriebsverfassungsgesetz soll kein Schlußpunkt sein, sondern eine neue Phase in den Beziehungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern einleiten.
Wir werden sehen, wie die Praxis mit diesem Gesetz auskommen wird, und wir werden uns nicht scheuen, erneut die Initiative zu ergreifen, wenn technischer Fortschritt und gesellschaftspolitische Veränderungen dies erforderlich machen.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle den Mitgliedern des federführenden Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung und der mitberatenden Ausschüsse meinen herzlichen Dank aussprechen. Ich habe mich persönlich davon überzeugen können, wie eingehend und gründlich und mit welch hohem Maße an Fachkenntnis um optimale Lösungen gerungen worden ist. In zwei großen öffentlichen Anhörungen hat sich der federführende Ausschuß die Auffassung der Sozialpartner und der Praktiker aus den Unternehmen und Betrieben vortragen lassen. Eine mehrtägige Informationsreise eines Unterausschusses nach Hamburg, Bremen und Rotterdam war den besonderen Verhältnissen der Seeschiffahrt gewidmet, die erstmals in die Betriebsverfassung einbezogen wird.
Darüber hinaus hat aber auch die in der Öffentlichkeit geführte Diskussion mit dazu beigetragen, jedem an der parlamentarischen Beratung Beteiligten die Bedeutung und die Tragweite dieses Gesetzes deutlich vor Augen zu führen. Meinen Dank möchte ich in der Feststellung ausdrücken: Hier ist von allen Seiten gute fachliche und gute parlamentarische Arbeit geleistet worden.
Meine Damen und Herren, wenn wir nun das neue Betriebsverfassungsgesetz verabschieden, so sollten wir uns über eines im klaren sein: Damit ist die Frage der Mitbestimmung noch nicht vom Tisch. Eine funktionsfähige Betriebsverfassung, so notwendig und so erstrebenswert sie ist, bleibt auf die Dauer nur eine teilweise Lösung dessen, was mit Mitbestimmung gemeint und ausgedrückt wird. Sie muß ergänzt werden durch eine gleichberechtigte und gleichgewichtige Teilnahme der Arbeitnehmer an den Unternehmensentscheidungen und an der Verantwortung dieser Entscheidung. Meine Damen und Herren, wir alle sind aufgerufen, uns hier auch weiterhin um eine dauerhafte Lösung zu bemühen, die dem Rang der Arbeit und dem heutigen Verständnis von Verantwortung und Mitverantwortung Rechnung trägt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Aus Anlaß der dritten Lesung des Betriebsverfassungsgesetzes habe ich die Ehre, im Namen der Fraktion der Freien Demokratischen Partei folgende Erklärung abzugeben. Das neue Betriebsverfassungsgesetz ist die Grundlage für die Zusammenarbeit und das Zusammenwirken von Belegschaft und Betriebsleitung. Für uns Freie Demokraten steht der einzelne Mensch und seine Situation innerhalb des betrieblichen Geschehens im Mittelpunkt der Überlegungen. Daher ist die Stärkung seiner Position das Kernstück des neuen Gesetzes. Er soll Möglichkeiten und Chancen als gleichberechtigter Wirtschaftsbürger haben. Dieses Gesetz hat nicht das Ziel oder die Folge - wie es gelegentlich voreingenommene Gegner behaupten —, die Marktwirtschaft und das freie Unternehmertum zu gefährden, sondern das Ziel, unsere Wirtschaftsordnung, d. h. unsere Marktwirtschaft durch eine Integration aller Beschäftigten zu festigen und zu stärken. Hierfür ist nicht ausschlaggebend, daß wir an Hand von Zahlen und Vergleichen den Nachweis erbringen können, daß unser marktwirtschaftliches System sich allen anderen Systemen, vor allem in kommunistisch beherrschten Ländern, überlegen erwiesen hat, sondern entscheidend ist vielmehr, daß wir uns auch eine innere Bejahung aller Beteiligten, der Selbständigen wie auch der abhängig Beschäftigten, erhalten oder sie in der Zukunft erreichen.Die innere Bejahung des Systems der Marktwirtschaft ist der entscheidende Faktor gegen alle Bazillen östlicher oder sonstiger Prägung, die es gefährden könnten.Kein Mensch in dieser Koalition denkt daran, die Wirtschaft zu überfordern, weil wir alle wissen, daß ihre Leistungsfähigkeit nicht nur die Grundlage unseres materiellen Wohlstandes ist, sondern genauso die Grundlage für unsere Sozialleistungen und die Grundlage für unsere politische Position und unsere politischen Möglichkeiten im internationalen Geschehen ist. Wir können uns die Leistungsfähigkeit jedoch nur erhalten und auch in dem erforderlichen Umfang weiter steigern, wenn wir allen Beteiligten die Chance zu entsprechender Mitwirkung geben.Das sind die Grundlagen und der Hintergrund, vor dem wir Freie Demokraten das neue Betriebsverfassungsgesetz mit sehen und verstanden wissen wollen. Es ist kein Geheimnis und wir machen keinen Hehl daraus, daß zwischen den Koalitionspartnern, der SPD und FDP, unterschiedliche Auffassungen über die Wege bestanden, auf dem die Ziele am besten zu erreichen sind. Abgesehen davon ist es auch kein Geheimnis, daß innerhalb der Opposition der Spannungsbogen vom Arbeitnehmerflügel bis
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Spitzmüllerzum Wirtschaftsrat weiter reicht als das Spannungsfeld innerhalb der Koalition.
Wir haben innerhalb der Koalition einen fairen Kompromiß geschlossen, einen Kompromiß, der besser ist als das, was die Opposition allein oder mit einem Partner zustande gebracht hätte. Wir haben dabei als Freie Demokraten auf folgende Punkte besonderen Wert gelegt, erstens auf eine Klarstellung und eine klare Aufgabentrennung von Betriebsrat und Gewerkschaft. Der Betriebsrat ist und bleibt der zentrale Ort der innerbetrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Er ist den Gewerkschaften weder zugeordnet noch untergeordnet. Die Gewerkschaften haben als legitime Vertreter ihrer Mitglieder überall dort ein Vertretungsrecht, wo es ihre Mitglieder wünschen, und ein Initiativrecht, und zwar in mittelbarer Form über ihre Mitglieder, über den Betriebsrat, über das Arbeitsgericht vor allem in den Fällen, wo keine Betriebsratspraxis oder kein Betriebsrat im Sinne des Gesetzes vorhanden ist. Es ist daher einfach falsch, wenn behauptet wird, die Unternehmen würden nunmehr einer Fremdbestimmung von außen durch unmittelbare Einwirkungsmöglichkeiten der Gewerkschaften unterworfen. Das neue Gesetz ist nicht auf Konfrontation oder Beherrschung des einen durch den anderen angelegt, sondern auf partnerschaftliche Zusammenarbeit. Diese kann allerdings nur bei gutem Willen aller Beteiligten funktionieren, sonst hilft auch das beste Gesetz nichts.Zweitens, der Kreis der leitenden Angestellten wird funktionsgerecht umschrieben und erhält eine rechtliche Stellung, die seinen Aufgaben und seinem Selbstverständnis entspricht.
Die Vorlage ist in der vorgelegten Fassung ein Kompromiß. Sie hält die Wege für die leitenden Angestellten im Sinne ihrer eigenen Zielsetzung offen und ist insgesamt betrachtet besser als das, was die Opposition mit allen Einwirkungsmöglichkeiten von außen den leitenden Angestellten angeboten hat.
Drittens. Das Gesetz soll nicht gegen den Willen des Gesetzgebers in seinem Inhalt durch die Hintertür von Tarifverträgen geändert werden. Es ist daher gegenüber dem Vorentwurf eine Klarstellung erfolgt, die tarifliche Regelungen nur insoweit zuläßt, als sie im Gesetz im Einzelfalle konkret angesprochen sind.Viertens, die Koalitionsfraktionen haben auf Antrag der FDP in den abschließenden Beratungen ein absolutes parteipolitisches Betätigungsverbot für Betriebsrat und Arbeitgeber im Betrieb in das Gesetz aufgenommen, obwohl beide Koalitionspartner ursprünglich bereit waren, eine begrenzte Betätigungsmöglichkeit, die das Betriebsgeschehen nicht beeinträchtigt, zuzulassen, um vor allem den demokratisch gesinnten Arbeitnehmern die Möglichkeit zu geben, in legaler Form den radikalen Kräften von rechts- und linksaußen in der Agitation zu begegnen.Fünftens, die Einigungsstellen sind das Ergebnis neuer Mitbestimmungsrechte in personellen und sozialen Angelegenheiten und der neuen Rechte, die den einzelnen und seinen Arbeitsplatz unmittelbar berühren. Überall dort, wo es um mitmenschliche Beziehungen geht und um den Versuch, auf gesetzlichem Wege Möglichkeiten zur Lösung von Konflikten aufzuzeigen, besteht die Gefahr, daß einzelne in überzogener Rechthaberei versuchen, diese Rechte zu mißbrauchen. Wir hatten heute teilweise zu unserem Bedauern den Eindruck, daß die Opposition geradezu versuche, solche Konflikte herbeizubeschwören. Vielleicht wollte sie sich bestimmten Kreisen damit gefällig erweisen. Der Wirtschaft hat sie damit keinen guten Dienst geleistet. Die Einigungsstellen sind keine Zwangsschlichtungsinstanz;
das möchten wir eindeutig feststellen. Wir Freien Demokraten haben mit darauf gedrungen, daß eine Klarstellung im Text gegenüber solchen Behauptungen erfolgt und daß auch überall dort, wo es um materielle Ansprüche geht, der Rechtsweg wie bisher unmittelbar offensteht.Ein Gesetz ist so gut und so schlecht wie die Möglichkeiten, die es bietet, zur Anwendung gelangen. Auch der Gesetzgeber kann nicht darauf verzichten, ein gewisses Vertrauen in die Vernunft der Beteiligten zu setzen, wenn er die Chance bietet, mögliche Konflikte sachgemäß auszutragen. Darum geht es und um nichts anderes. Ohne entsprechende Ventile können Konflikte zu unerwarteten Reaktionen, speziell in der Wirtschaft, zu wilden Streiks führen, mit denen allen Beteiligten zuletzt gedient wäre. Ich glaube, auch das sollte einmal in aller Ruhe und Unvoreingenommenheit bedacht werden, wenn wir vor der Verabschiedung dieses Gesetzes stehen.Sechstens. Gegen die Regierungsvorlage ist der Einwand erhoben worden, sie sei zu perfektionistisch, führe zu überflüssiger Bürokratie und erzeuge damit nicht nur überflüssige Kosten, sondern störe auch die betrieblichen Abläufe.Soweit nicht nur solche pauschalen Urteile erfolgt sind, sondern im Einzelfall sachgemäße alternative Regelungen vorgeschlagen wurden, haben wir uns entsprechenden Argumenten nicht verschlossen. Wir Freien Demokraten waren gewillt, zu einem inhaltlich möglichst klaren und verwaltungsmäßig möglichst praktikablen Gesetz beizutragen. Auch hier ist in fairer Abstimmung mit dem Koalitionspartner einiges geändert worden, durch das das Gesetz nach unserer Auffassung gewonnen hat.Ich möchte nur beispielhaft folgendes erwähnen: die Festsetzung überschaubarer Größen beim Betriebsrat, beim Wirtschaftsausschuß, beim Gesamtbetriebsrat; die Klarlegung in verschiedenen Punkten, daß durch den Betriebsrat bei der Durchführung seiner Rechte die Intimsphäre des einzelnen Beschäftigten nicht durch Möglichkeiten der Einsicht in Unterlagen verletzt wird, die mit seinem Beschäftigungsverhältnis nicht unmittelbar zu tun haben; die Regelung der Betriebs- und Abteilungsversammlungen in einer bedarfsgerechten Weise; die Sitzungsvorschriften für den Wirtschaftsaus-
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Spitzmüllerschuß — um nur einige Beispiele zu nennen, die aus dem Vergleich der Regierungsvorlage und der Ausschußbeschlüsse zu entnehmen sind.In das Gesetz sind auch zahlreiche weitergehende Vorschläge der Opposition eingegangen. Ich darf nur auf folgende Punkte hinweisen: 1. die weitergehende Regelung des Kündigungsschutzes, die in bestimmten Fällen eine Kündigung bis zu einer gerichtlichen Entscheidung aufschiebt; 2. die weitergehende Verpflichtung zur Erstellung von Sozialplänen bzw. zu entsprechenden Maßnahmen bei Betriebsänderungen; 3. die Auflage an den Arbeitgeber, für die Arbeit des Betriebsrates nicht nur räumliche und sächliche Mittel, sondern auch Büropersonal zur Verfügung zu stellen; 4. eine weitergehende bezahlte Freistellung für Betriebsräte, die erstmals in ein solches Amt gewählt worden sind.Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, Sie werden wohl kaum behaupten wollen, daß dieses alles nebensächliche Dinge seien, die wir im Ausschuß mitgetragen haben. Wir wollen Ihnen nicht verhehlen, daß uns die Zustimmung zu diesen weitergehenden Änderungen nicht leichtgefallen ist, zumal es sich nicht nur um soziale Anliegen handelt, sondern um Kostenfaktoren, die im Einzelfall zu Buche schlagen können. Wir haben sie mit Ihnen beschlossen, weil wir der Meinung waren, daß wir mit Ihnen gemeinsam einen Kompromiß erarbeiten sollten, der vom ganzen Hause getragen werden kann. Es ist also keineswegs so, daß wir uns bestimmten Argumenten prinzipiell vorschlossen hätten.Nur eines, meine Damen und Herren von der CDU/CSU: war wir von den Vorschlägen der Opposition für sinnvoll und unter Umständen auch für besser ansehen oder was wir als gerade noch vertretbar ansehen, dies müssen wir selbst entscheiden, und dies können wir uns von Ihnen nicht vorschreiben lassen!
Der Vorwurf, der Gesetzentwurf sei durchgepeitscht worden, ist unberechtigt. Selten ist ein Gesetz so intensiv beraten und vorbereitet worden wie dieses. Das beweisen die Ausschußsitzungsprotokolle.
Die Diskussion und die Grundlagen dafür sind seit Jahren durch frühere Gesetzentwürfe von CDU, SPD und FDP bekannt. Diejenigen, die diese Diskussionen bis zur dritten Lesung verschlafen haben, dürfen dies der Regierung und der Koalition nicht zum Vorwurf machen.
Die notwendige unternehmerische Entscheidungsfreiheit wird nicht bestritten. Das Gesetz greift mit seinen neuen Mitbestimmungsregelungen in den eigentlichen wirtschaftlichen, unternehmerischen Entscheidungsbereich nicht ein. Es sind die personellen und sozialen Angelegenheiten und die sozialen Folgen aus wirtschaftlichen Entscheidungen, die imMittelpunkt des Gesetzes stehen, und zwar sowohl im Hinblick auf die Individualrechte des einzelnen als auch im Hinblick auf die Rechte seiner Vertretung, d. h. des Betriebsrates. Insofern ist das neue Betriebsverfassungsgesetz nichts anderes als der Versuch, die notwendige unternehmerische Entscheidungsfreiheit für ein erfolgreiches Wirtschaften im Sinne aller Beteiligten und die sozialen und personellen Belange des einzelnen miteinander in Einklang zu bringen.Es ist der Wirtschaft nicht damit gedient, wenn der wirtschaftliche Erfolg auf Kosten der menschlichen Substanz errungen wird, und es ist dem einzelnen nicht damit gedient, wenn über ein überzogenes Anspruchsdenken und einen sozialen Perfektionismus die Basis für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung gefährdet wird, weil die finanzielle Leistungskraft überfordert wird.Wenn wir die verschiedenen Gesetzesvorlagen der Regierung und der Opposition und die Fassung nach den Ausschußbeschlüssen betrachten, hätten an sich alle Parteien Grund, diesem Gesetz ihre Zustimmung zu geben. Wenn die Oopposition ihre Politik der Konfrontation und des Neins fortsetzen will, ist es ihre Sache.
Dieses Gesetz ist das Angebot zu mehr, zu besserer und intensiverer Zusammenarbeit. Dieses Angebot birgt auch das Risiko eines Mißbrauchs in sich; wir wissen das. Aber dieses Risiko ist überall dort vorhanden, wo die entscheidenden Dinge von der Vernunft und dem Vertrauen aller Beteiligten abhängen. Möglicherweise ist dies bei den Koalitionsfraktionen größer als bei der Opposition.Die FDP-Bundestagsfraktion wird diesem Gesetz zustimmen mit den Klarlegungen und Klarstellungen, die ich hier namens meiner Fraktion noch einmal deutlich heraustellen durfte.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Entgegen dem Appell, den wir am 21. Oktober von dieser Stelle aus erhoben haben, hat die Koalition sich hier heute mit gebundener Marschroute verhalten. Wir erlebten eine Abstimmungsmaschine.
Wir erlebten die weitgehende Sinnlosigkeit des Argumentierens.Wir haben einige sehr interessante Nein der Koalition gehört, die sicher in der kommenden öffentlichen Debatte noch ihre Rolle spielen werden. Wir halten fest — mit dem Blick auf diese Seite des Hauses, daß z. B. in Sachen der leitenden Angestellten hier heute ein Ansatz, ein erster Schritt möglich und nötig gewesen wäre —, was immer
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Dr. Barzelman später hätte verbessern können. Wir waren offen in dieser Frage. Sie haben diesen Ansatz zugemacht und ihn verhindert.
Herr Kollege Spitzmüller, Ihre Erklärung von eben nimmt das nicht weg. Das ist eine Absichtserklärung für irgendeine ungewisse Zukunft. Aber hier wird gehandelt, und hier wird abgestimmt; und hier haben Sie nein gesagt.
Wir haben durch unseren Entwurf und auch durch unsere Anträge zur zweiten Lesung unsere Konzeption hier vertreten. Jedermann, der sich ein sachliches Urteil bilden will, kann dies nun tun. Er weiß damit, wie diese Vorlage, die heute zur Verabschiedung in dritter Lesung ansteht, bei anderen Mehrheitsverhältnissen hier ausgesehen hätte.
Das sind die Fakten, meine Damen und Herren.Die Koalition hat alle unsere Anträge, die auf einer einheitlichen Konzeption beruhten, abgelehnt. Sie hat das getan, was man uns in den Bänken schon sagte, als wir unseren Entwurf einbrachten, einen Entwurf, der ja — entgegen der lauten Propaganda, wie auch die Sachverständigenberatung ergeben hat — in vielen Punkten sehr viel fortschrittlicher, sehr viel moderner, sehr viel inhaltsreicher als der der Koalition war. Damals haben auch die führenden Sprecher der Koalition uns gesagt, man würde hier die „Rosinen" herauszunehmen sich bemühen. Das schafft natürlich für eine Gesetzgebung, wenn sie nicht am Schluß dann wirklich zu einem Kompromiß führt, eine sehr komplexe und sehr schwierige Situation, wie jedermann weiß, der irgendwann in einem Parlament mit Integration politischer Gruppen zu tun hat.Wir möchten zunächst daran erinnern, daß es in der Bundesrepublik Deutschland mehr Mitbestimmung gibt als irgendwo sonst in der Welt.
Wir erinnern dabei erstens an die Mitbestimmung bei Kohle und Stahl, zweitens an das Betriebsverfassungsgesetz, drittens an das Personalvertretungsgesetz, viertens an das Tarifvertragsgesetz und fünftens an die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung. Dies alles gibt es nirgendwo sonst in der Welt. Dies alles waren Initiativen der Union, dies alles ist getragen von dieser Union.
Wir haben dann übrigens in einer Verabredungmit Ihnen in der vorigen Periode — eine Sachverständigenkommission unter dem Vorsitz des Professors Biedenkopf gehabt. Ich kann mich eines Eindrucks nicht erwehren: Als ein Abgeordneter dieses Hauses, der nicht dem zuständigen Ausschuß angehört und trotzdem zu der Sache wohl etwas sagen darf, ist man darauf angewiesen, dieVorlagen zu lesen; man kann gelegentlich auch die Ausschußprotokolle einsehen, auf jeden Fall den Schriftlichen Bericht. Wenn ich mir den Schriftlichen Bericht ansehe, kann ich nicht sagen, daß die Argumentation, die in dem Gutachten von Professor Biedenkopf vorliegt, z. B. in der Sache des sogenannten objektiven Mannes, des elften oder wie immer Sie das nennen, voll verarbeitet sei. Ich glaube, auch die Debatte des heutigen Tages hat diese Argumente, ,die dort in dem Gutachten stehen, nicht voll ausgeräumt.Ich räume ein, daß die Einigungsstelle an objektive Kriterien gebunden ist. Ich räume auch ein, daß es einen Rechtsweg gibt; das ist gar keine Frage.Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir doch eine persönliche Bemerkung: Manche in diesem Hause erinnern sich daran, und zwar auf beiden Seiten in den verschiedenen Kombinationen. In der Kombination, als wir zusammen waren, gab es einmal eine Idee von wichtiger Seite: man nannte das, die Tarifvertragshoheit zu „objektivieren",
d. h. einzuwirken. Ich habe damals gesagt, dafür sei ich grundsätzlich nicht zu haben. Ich erinnere daran manche Kollegen dieses Hauses, mit denen ich damals im Wirtschaftspolitischen Ausschuß saß.Oder: ich erinnere diese Seite des Hauses an etwas. Da gab es doch im Zusammenhang mit der Notstandsgesetzgebung alle möglichen Forderungen, gewerkschaftliche Dinge in ein Gesetz zu schreiben;
und ich habe Ihnen damals gesagt, dies sollte man nicht tun, denn aus der Gewerkschaftsgeschichte ergebe sich, daß mit gutem Grund der Freiheitsraum dieser Organisation, die unentbehrlich ist, doch nicht durch den Gesetzgeber eingeschränkt werden sollte.
Da müssen Sie, meine Damen und Herren schon verstehen, daß ich dann in der Frage der Einigungsstelle eine Hemmung habe. Ich räume doch ein, daß sie besser ist, als sie ursprünglich in Ihrem Entwurf war. Aber sie ist jetzt so hypertroph, sie wird so oft angewandt, die Ausnahme wird zur Regel, daß ich die Sorge habe, hier könnte sich etwas kristallisieren — es muß ja nicht —, was nicht das ist, was wir mit sozialer Partnerschaft meinen. Zu dieser gehört die Freiheit und damit auch der Zwang, sich selbst zu einigen, weil es keinen drüber gibt.
Das, meine Damen und Herren, ist doch ein Argument.Wir haben hier in diesem Hause im Jahre 1952 das Betriebsverfassungsgesetz verabschiedet. Dieses Gesetz ist damals, als die Verhältnisse umgekehrt waren — diese Seite des Hauses war in der Opposition — von Ihnen, von der SPD, nicht mitgetragen worden. Niemand hat damals etwas gesagt, Sie
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Dr. Barzelstimmten nur mit Nein, weil Sie Opposition seien; oder Sie stimmten mit Nein, weil Sie etwa gegen Betriebsräte seien. Sondern jedermann hat zugegeben: Hier gab es keine volle Einigung über den besten Weg zu einem gemeinsam verfolgten Ziel. So war dies 1952. Deshalb, meine Damen und Herren, sollte auch diesmal niemand versuchen, etwa das Urteil das wir hier finden, draußen wider die bessere Einsicht propagandistisch zu verzerren. Das würde sich außerdem gegen die Autoren selbst wenden, denn unsere Mitbürger — vor allem im Betrieb — wissen, wem sie seit 20 Jahren welche Mitbestimmungsrechte verdanken und welche nicht. Damit dies völlig klar ist!
Meine Damen und Herren, ich will die Debatte nicht aufnehmen, die wir, wenn ich mich recht erinnere, im Januar 1969 hatten. Damals haben wir davor gewarnt, etwa die Idee zu entwickeln, das „Modell Staat° nun direkt auf das Modell Unternehmen oder Wirtschaft zu übertragen, weil dies natürlich dann weniger Mitbestimmungsrechte bedeutete. Aber wo gibt es eigentlich hier bei uns, in diesem staatlichen Bereich, so etwas wie jene Hintertür, durch die am Schluß einer auf Bestellung einer Instanz an Stelle von uns allen entscheidet? Ich möchte auch die damalige Debatte nicht in Erinnerung rufen. Ich weiß, daß ich damals, weil wir eine andere Konstellation hatten, eine brausende Zustimmung Ihrer Seite hatte lesen Sie das Protokoll nach —, als ich sagte, Mitbestimmung sei ein positives Zeitgefühl, und man müsse ihm funktionsgerecht Ausdruck geben. Das kann keiner bestreiten; wer Gegenteiliges sagt, handelt wider die Fakten.Unsere Konzeption zu der Fage, die heute zur Verabschiedung ansteht, wurde vor allem in sieben Punkten von der Koalition nicht akzeptiert.Erstens. Wir wollen — das gilt auch für die Zukunft — die Rechte der einzelnen Arbeitnehmer am Arbeitsplatz und im Betrieb verbessern.Zweitens. Wir wollten und wir wollen im Interesse der Durchsichtigkeit — man muß eigentlich modern sagen: der Transparenz, damit man verstanden wird — der Vorgänge und im Interesse der Verbesserung der Mitbestimmung des einzelnen Arbeitsgruppensprecher wählen, welche zu einem verbesserten Miteinander, zu mehr Kommunikation, Austausch und Informationsfluß auch zwischen Arbeitnehmern und Betriebsräten beitragen.
Wir wollen drittens den leitenden Angestellten eigene Sprecherausschüsse geben. Wir wollen viertens einen besseren Schutz der Minderheiten und der Gruppen. Wir wollten fünftens, daß der Wirtschaftsausschuß zu einer Stätte vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Unternehmer werden und paritätisch besetzt sein sollte. Sechstens wollen wir, entsprechend den Prinzipien der Partnerschaft und der Mitbestimmung, den Zwang zur Einigung auch im Betrieb erhalten, ihn nur notfalls, also im Ausnahmefall, ersetzen und nicht etwa an dieser Stelle durch die Hintertür Fremdbestimmung oder gar ein autoritäres Element hereinlassen.
Wir wollen siebentens die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Unternehmen, die jetzt nach dem Betriebsverfassungsgesetz ein Drittel beträgt, auf ein Verhältnis von 7 :5 verbessern.
Diese sieben Punkte haben Sie, meine Damen und Herren, abgelehnt. Sie sind für uns besonders wichtig. Bei den meisten anderen Vorschriften haben wir, wie Sie gesehen haben, mit Ja gestimmt.So kommen wir zu folgender Würdigung: Wir halten zunächst fest, daß der ursprüngliche Entwurf der Koalition, der — so war es zu lesen und so war es hier im Hause bei der ersten Lesung zu hören — die Parteipolitisierung der Betriebe vorsah, entgegen Ihrer Absicht in diesem Punkt nicht aufrechterhalten werden konnte. Wir freuen uns, daß das nach unserer Erklärung, die mein Freund Ruf heute morgen in der Generalaussprache zur zweiten Lesung zitiert hat, gestrichen worden ist.Wir erkennen die Verbesserungen des Entwurfs an, die wir im Laufe dieser Debatte konkret bezeichnet und denen wir auch zugestimmt haben. Zugleich bedauern wir, daß die Koalition eine Verständigung noch nicht gesucht hat. Die parlamentarische Lage ist für uns so, daß einige Vorschläge — wer wollte dies leugnen? — berücksichtigt worden sind, was wir positiv würdigen; daß aber andererseits wichtige Punkte unserer Konzeption — ich habe sie soeben genannt — abgelehnt worden sind, und zwar ohne Argumentation, was wir negativ vermerken.Bei dieser Lage nimmt sich die Union, die in der Tradition von über 20 Jahren Parlamentarismus steht, nicht etwa das zum Vorbild, was wir heute morgen — ich kann es nicht anders sagen — an Krampf z. B. hinsichtlich der leitenden Angestellten auf Seiten der Koalition erlebt haben. Das ist nicht unser Vorbild.
Denn, meine Damen und Herren, es kann doch gar nicht anders sein, als daß in solchen Fragen nicht alle zur gleichen Schlußwürdigung kommen.
Deshalb sollte man im Interesse des Parlaments und auch im Interesse der jungen Menschen, um die wir miteinander für diesen Staat und seine Grundordnung ringen,
nichts vertuschen wollen, sondern das auf den Tisch legen, was hier zu sagen ist.
Zu unserer Tradition gehört es, das zu respektieren,und zu unserer Tradition gehört nicht das, was sichheute auf einer Seite des Hauses bei einer nament-
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Dr. Barzellichen Abstimmung an sichtbarem Druck hier ereignet hat.
Ich halte also fest: Unser Gesetzentwurf und unsere Anträge zur zweiten Lesung wie unsere Haltung in dieser machen deutlich, wie dieses Gesetz aussehen würde, wenn die Union hier die Mehrheit hätte.
-- Ja, meine Damen und Herren, das sind die Tatsachen. Glauben Sie, wir reden jetzt hier gegen unsere Meinung, damit Sie zu dieser Stunde was zum Lachen haben?! Machen Sie dies ruhig, meine Damen und Herren!Wir sehen auch wollen hier aber niemandemvorgreifen —, daß dieses Gesetzgebungsverfahren heute noch nicht beendet ist. So sagen wir heute aus den genannten Gründen mit überwiegender Mehrheit nein zu dieser Vorlage.
— Warten Sie es doch bitte ab! Und wenn ich hier etwas sagen darf: Der Kollege Wehner hat neulich in einer Debatte — ich habe da gut zugehört — gesagt, ich müsse vielleicht das eine oder andere noch lernen. Das ist ganz sicher. Aber eines, meine Damen und Herren, werden Sie, falls Sie Volkspartei werden wollen, noch lernen müssen, nämlich den Respekt vor der Meinung aller. Das aber geht nicht im Kommandoton, meine Damen und Herren.
Wir glauben, daß ein Gesetzgeber sich immer auch die Frage stellen muß — die jedermann aus der Rechtsgeschichte kennt —, ob und wie eine Gesetzgebung und eine darüber entstehende Kontroverse etwa paßt in eine Zeit und in eine politische Landschaft. Ich meine, Herr Bundeskanzler, es wäre einer Anstrengung wert gewesen, in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage, die durch Sorgen um den Arbeitsplatz, durch anhaltende Preissteigerungen, ein immer größeres Loch in den öffentlichen Finanzen und durch vielleicht bevorstehende Streiks gekennzeichnet ist,
in einer Lage, in der, meine Damen und Herren, wir ganz sicher — und dies bestreitet keiner — in einer Periode zu geringer öffentlicher und privater Investitionen sind — gering auch deshalb, weil hier zuviel Ungewißheit verbreitet wird —,
es wäre ganz sicher gute Staatskunst gewesen, zu versuchen, diese Gesetzgebung — und dies war doch möglich —
einvernehmlich durch gegenseitige Kompromisse in diesem Hause zu verabschieden.
Meine Damen und Herren, zur Entscheidung steht, wie wir meinen, nicht eine große Reform, steht auch nicht ein Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Betrieb und Unternehmen, wie wir es gewünscht haben und wie es unsere Initiative war, sondern lediglich ein Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, so, wie es die Koalition gewünscht hat.
Die Koalition sah sich und sieht sich nicht imstande,die Mitbestimmungsfrage im Unternehmen zu lösen.
Anders als 1952 wird diese Frage hier in diesem Gesetz nicht geregelt; sie wird ausgeklammert.
Und hier ist interessant, meine Damen und Herren, wie die Koalition diese Ausklammerung begründet. Nach dem Ausschußbericht sagt sie, die Diskussion dieser Frage sei „nicht abgeschlossen". Die Frage ist: Wo ist sie nicht abgeschlossen, oder wo und durch wen hat sie nicht abgeschlossen werden können? Denn diese Begründung berührt doch merkwürdig, weil jedermann in Deutschland und jedermann der Betroffenen inzwischen die Parteitagsbeschlüsse aller drei, aller vier in diesem Hause vertretenen Parteien kennt. Aber der Unterschied ist offenkundig. Wir haben vor den Wahlen gesagt: wir prüfen Biedenkopf, machen dann einen Parteitag und legen das, was der Parteitag vorlegt, nach Gesprächen mit der CSU in der gemeinsamen Fraktion vor. Der Unterschied ist: unser Parteitagsbeschluß vom Januar kann hier heute Wirklichkeit werden. Das ist der Unterschied, meine Damen und Herren.
Gar so schlecht, wie dieser Beschluß heute von den Rednern der Koalition gemacht worden ist, kann er doch nicht sein. Denn immerhin, so berichtet der Ausschuß, habe dieser mit Mehrheit anerkannt — ich zitiere —, „daß die CDU/CSU-Vorlage gewisse Verbesserungen im gesellschaftsorganisatorischen Bereich enthalte und eine zahlenmäßige Erhöhung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat vorsehe." Trotzdem ist dieser jetzt mögliche Fortschritt in Richtung auf mehr Mitbestimmung im Unternehmen am geschlossenen Nein der Koalition gescheitert.
Dies, meine Damen und Herren, halten wir ebenso fest wie die Tatsache, daß die anderen Parteien dieses Hauses zwar auf ihren Parteitagen Beschlüsse fassen und damit in der Öffentlichkeit werben und in den Betrieben werden, aber hier im Hause, wo das verwirklicht werden könnte, nicht nur auf entsprechene Anträge verzichten, sondern sogar darauf verzichten, in der Richtung ihrer Parteitagsbeschlüsse wenigstens anderen Anträgen zuzustimmen. Das, meine Damen und Herren, ist die Realität.
Nun haben wir ja auf diesem Gebiet noch einiges zu erwarten. Wir können heute in der Presse lesen, daß der verehrte Kollege Wischnewski schon mitteilt: Wir werden zwar einen Parteitag haben, aber
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8672 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Dr. Barzeldas wird die Koalition und die praktische Politik nicht berühren.
Meine Damen und Herren, das halten wir hier fest: auf der einen Seite Parteitagsbeschlüsse, über die man dann hier abstimmen kann, auf der anderen Seite Parteitagsbeschlüsse zu wessen Disposition? Ich weiß es nicht. Und das gerade in Sachen einer Mitbestimmungsdebatte! Meine Damen und Herren, Sie verkürzen doch damit die Mitbestimmungsrechte der Wähler und Ihrer eigenen Mitglieder.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die sozialdemokratische Fraktion gebe ich folgende Erklärung ab. Erstens. Herr Dr. Barzel macht den Versuch, mit Taktik von der inneren Zerrissenheit seiner Fraktion abzulenken.
Herr Barzel will durch den Hinweis auf seine Erklärung vom 21. Oktober der Koalition den Schwarzen Peter einer totalen Konfrontation zuschieben,
indem er behauptet, wegen zementierter Koalitionsabreden hätten Argumente und Anträge der Opposition von vornherein keine Chance gehabt. Das entspricht nicht den Tatsachen.
Die CDU hat nämlich am Schluß der Ausschußberatungen erklärt: Die SPD und FDP haben sich — ich zitiere — „in zahlreichen und wesentlichen Punkten dem CDU/CSU-Entwurf angeschlossen."Wenn Herr Dr. Barzel die Ablehnung der heutigen Oppositionsanträge als Begründung für die negative Schlußabstimmung des größten Teils seiner Fraktion benutzt, so ist das ein politisches Manöver;
als gewiegter Kenner des parlamentarischen Systems weiß Herr Dr. Barzel ganz genau, daß, nachdem die Koalition bereits in den Ausschußberatungen in 21 wichtigen Punkten die Oppositionsvorschläge übernommen hat, die Möglichkeiten des Entgegenkommens der Koalition erschöpft waren.
Meine Damen und Herren, wenn die CDU/CSU heute dennoch zahlreiche Abänderungsanträge stellte, so auch deshalb, weil sie hoffte, dadurch über ihre internen politischen Schwierigkeiten hinwegzukommen.
Das war eine Fehlspekulation; denn die Erklärungvon Herrn Dr. Barzel hat gezeigt, daß das politischeDilemma der CDU/CSU-Fraktion nicht beseitigt ist.
Hierfür ein dokumentarisches Beispiel. Die Mittelstandsgruppe der CDU/CSU bezeichnet in einem Rundschreiben den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung als einen — ich zitiere — „kollektivistisch-sozialistisch geprägten Regelungsversuch".
Die Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU schließt dagegen ihr Rundschreiben mit folgender Erklärung: „Insgesamt läßt sich sagen, daß sich die Vorstellungen der CDU/CSU-Fraktion im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu einem sehr hohen Prozentsatz durchgesetzt haben."
Wenn die CDU/CSU jetzt durch ihren Fraktionsvorsitzenden erklären läßt, sie würde den Gesetzentwurf überwiegend ablehnen, so bestätigt das eine Erfahrung: geht es nämlich um die politische Entscheidung, dann hat die Arbeitnehmergruppe in der CDU/CSU wenig zu bestellen.
Zweitens. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr hat die CDU/CSU das Vorschaltgesetz für die heutige Vorlage, das Gesetz über die Verlängerung der Amtszeit der Betriebsräte, abgelehnt.
Die CDU/CSU hoffte damals, daß die sozial-liberale Koalition in der Frage der Betriebsverfassung uneinig sei und deshalb keinen Gesetzentwurf zustande bringen würde. Dabei verstieg sich Herr Kollege Katzer unter lebhaftem Beifall seiner Fraktion zu der Behauptung, die Koalition müsse bei der Betriebsverfassung einen Offenbarungseid ablegen.
Die CDU/CSU hat sich politisch verkalkuliert; denn heute bei Verabschiedung des neuen Betriebsverfassungsgesetzes ist die Stunde gekommen, in der die CDU/CSU vor dem Bundestag und damit vor aller Öffentlichkeit den Offenbarungseid der inneren Zerstrittenheit leisten muß.
Drittens. Dieses Gesetz schafft Neuregelungen für Bereiche, in denen naturgemäß Interessengegensätze bestehen. Das war schließlich auch der Grund, weshalb sich die CDU/CSU in den Jahren, in denen sie den Bundeskanzler und den Arbeitsminister
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Dr. Schellenbergstellte, nicht an die Neugestaltung der Betriebsverfassung herangewagt hat.Die Koalitionsparteien haben bereits bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs freimütig erklärt, daß zwischen ihnen in gesellschaftspolitischen Fragen manche unterschiedlichen Auffassungen bestehen. Ungeachtet dessen ist die sozialliberale Koalition in intensiver und fruchtbarer Zusammenarbeit zu Lösungen gelangt, die von beiden Regierungsfraktionen gemeinsam getragen werden. Das haben die Abstimmungen des heutigen Tages unter Beweis gestellt.
Viertens. Herr Dr. Barzel erklärte, dieses Gesetz sei keine Reform. Ähnliches hat er kürzlich bei der Sendung „Halbzeit" erklärt: Ich sehe überhaupt kein Werk, das den Anspruch auf den großen Namen „Reform" erheben kann.
— Das hat er gesagt. — Meine Damen und Herren, dieses Gesetz wandelt unsere Arbeitswelt.
Es kann deshalb den Anspruch erheben, eine Reform zu sein.
Wer das leugnet, weiß nicht, was die neugeschaffenen Mitspracherechte im Arbeitsleben für den einzelnen Arbeitnehmer bedeuten. Erstmals erhalten die Arbeitnehmer durch Gesetz ein Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung ihres Arbeitsplatzes. Erstmals stellt ein Gesetz sicher, daß die Arbeitnehmer bei Rationalisierung, Automation und anderen Betriebsänderungen vor den sozialen Folgen des Strukturwandels der industriellen Gesellschaft geschützt sind. Erstmals erhalten die Arbeitnehmer durch Gesetz ein wirksames Mitspracherecht bei der Kündigung; das macht den Arbeitsplatz für den einzelnen Arbeitnehmer sicherer.Dieses neue Betriebsverfassungsgesetz verbessert die Stellung des Arbeitnehmers in der Gesellschaft von heute. Das ist eine Reform von großer politischer Bedeutung, gleichgültig, ob Herr Barzel das zugeben mag oder nicht.
Fünftens. Es ist durchaus legitim, wenn bei einem Gesetz von einer solchen Bedeutung die Interessenten und ihre Verbände versuchen, auf den Gesetzgeber mit Meinungsäußerungen und Stellungnahmen nachdrücklich einzuwirken. Wenig sachdienlich war es aber, daß sich die Repräsentanten eines Spitzenverbandes unserer Wirtschaft zu der Behauptung hinreißen ließen, der Gesetzentwurf sei mit den Grundsätzen unserer freiheitlichen Wirtschaftsordnung unvereinbar.
Das Gegenteil ist richtig!
Dieses Gesetz trägt der Struktur unserer Wirtschaftsordnung Rechnung, wie sie sich, um funktionsfähig zu bleiben, im sozialen Rechtsstaat weiterentwickeln muß.
Die unternehmerische Handlungsfreiheit wird auch weiterhin gewährleistet. Allerdings wird der Unternehmer in Zukunft mehr als bisher die sozialen Konsequenzen seiner Entscheidungen zu berücksichtigen haben. Die sozial-liberale Koalition ist davon überzeugt, daß eine Wirtschaft des wachsenden Wandels zunehmend mehr Mitverantwortung der Arbeitnehmer erfordert.
Dieses Betriebsverfassungsgesetz fördert die verantwortungsbewußte Mitarbeit aller Arbeitnehmer in den Betrieben und schafft damit unabdingbare Voraussetzungen zur Stärkung der Leistungskraft unserer Wirtschaft für heute und morgen.
Sechstens. Diese Reform bringt mehr Mitbestimmung für die Arbeitnehmer auf der Ebene des betrieblichen Geschehens. Mitbestimmung auch im Betrieb ist für uns ein Gebot sozialer Demokratie. Wer aus politischer Überzeugung Demokratie will, muß versuchen, ihre Grundsätze funktionsgerecht auch im Bereich der Arbeitswelt zu praktizieren. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf bemühen wir uns, den Grundsätzen der Demokratie als der Lebensform, die der Eigenverantwortung des einzelnen und seinem Recht auf persönliche Gestaltung und Entfaltung Vorrang gibt, auch in der harten Wirklichkeit industrieller Sachzwänge Geltung zu verschaffen. Deshalb verpflichtet dieses Gesetz alle, in gleichberechtigter Zusammenarbeit zur menschengerechten Gestaltung des Arbeitslebens nach den Erkenntnissen der modernen Arbeitswissenschaft beizutragen.Mit diesem Gesetz, meine Damen und Herren, schaffen wir eine an Menschlichkeit orientierte Betriebsverfassung.Die Bedeutung dieses Gesetzes gebietet namentliche Abstimmung, die ich hiermit beantrage.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Aussprache.Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag wird entsprechend unterstützt. Ich eröffne die Abstimmung.Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Schlußbestimmung über das Betriebsverfassungsgesetz bekannt. Mit Ja haben 266 Kolleginnen und Kollegen des Hauses und 12 Kolleginnen und Kollegen aus Berlin gestimmt. Mit Nein haben 212 Kolleginnen und Kollegen und 9 Kolleginnen und Kollegen aus Berlin gestimmt. Vier Abgeordnete haben sich ,der Stimme enthalten.
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8674 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971
Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 481 und 21 Berliner Abgeordnete. DavonJa: 264 und 12 Berliner AbgeordneteNein: 212 und 9 Berliner AbgeordneteEnthalten: 4 AbgeordneteUngültig: 1 AbgeordneterJaCDU/CSUDr. ArtzingerBlankBreidbachFranke HärzschelHussing KatzerDr. Kliesing KrampeLinkDr. Löhr MickMüller Müller (Remscheid)OrgaßVarelmannVeharVogtWawrzik WinkelheideZinkSPDAdamsDr. AhrensAnbuhl Dr. Apel Arendt
Dr. Arndt
BaackBaeuchle Bäuerle BalsBarcheDr. BardensBatzBauer
BayDr. BayerlDr. Bechert Becker (Nienberge) BergmannBerkhan BerlinBiermannBöhmBörnerFrau von BothmerBrandtBrandt
BredlBrück
Brünen BuchstallerBüchnerDr. von BülowBuschfortDr. BußmannColletCorterierCramerDr. von DohnanyiDürrEckerlandDr. EhmkeFrau EilersDr. EndersEngholm Dr. EpplerEstersFallerDr. Farthmann FellermaierFiebigDr. FischerFlämigFrau Dr. FockeFolgerFranke FrehseeFrau FreyhFritsch GeigerGerlach GertzenDr. GeßnerGlombig GnädingerGrobeckerDr. HaackHaase HaehserHalfmeierHansen Hansing HauckDr. Hauff HenkeFrau Herklotz Hermsdorf HeroldHirschHöhmann
Hörmann HofmannHornFrau HuberDr. HupkaJahn Jaschke Junghans JunkerKaffka Kahn-AckermannKaterKernKillat-von CorethDr. Koch Koenig KohlbergerKonradDr. Kreutzmann Krockert KulawigLangeLangebeckDr. Lauritzen LautenschlagerFrau Lauterbach LeberLempLemperLendersLiedtkeLöbbertDr. LohmarMaibaum MarquardtMarx
Matthes MatthöferFrau MeermannDr. Meinecke Meinicke (Oberhausen) MetzgerMichels MöhringDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Mölle Müller
Dr. Müller Müller (Nordenham)Dr. Müller-EmmertDr. MüthlingNeemannNeumannDr. NöllingDr. OettingOffergeldFrau Dr. OrthFrhr. Ostman von der Leye PawelczykPeiterPenskyPeters
Pöhler Porzner Raffert Ravens Dr. ReischlFrau RengerRichterDr. RinderspacherRohde RosenthalRoßSäcklSander SaxowskiDr. SchachtschabelDr. Schäfer Frau SchanzenbachScheuDr. SchillerSchiller
Frau SchimschokSchirmerSchlagaDr. Schmid Schmidt (Braunschweig) Dr. Schmidt (Gellersen) Dr. Schmidt (Krefeld) Schmidt (München) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Würgendorf)Dr. Schmidt-Vockenhausen Dr. SchmudeSchoettleSchollmeyerSchonhofenSchulte
SchwabeSeefeld Seibert Seidel Frau SeppiSimonDr. SlottaDr. SperlingSpilleckeStaak
Frau StrobelStrohmayrSuckTallertDr. TambléFrau Dr. TimmTönjes UrbaniakVitWalkhoffDr. Weber
Wehner Welslau Wende Wendt WestphalDr. WichertWiefel WienandWilhelmWischnewskiDr. de WithWittmann WolfWolframWrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander ZebischBerliner AbgeordneteDr. Arndt BühlingDr. DübberHeyenFrau KrappeLöffler Mattick Dr. SchellenbergFrau SchleiDr. SeumeSieglerschmidtFDPDr. AchenbachFrau Dr. Diemer-Nicolaus ErtlFrau FunckeGallus Geldner GenscherGraaff Grüner Helms JungKirstKleinertKrallLogemannMertes MischnickMoerschOlleschPeters ScheelSchmidt SpitzmüllerWurbsBerliner Abgeordnete BormNeinCDU/CSUDr. AbeleinAdornoDr. AignerAlbervon Alten-Nordheim Dr. Althammer
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1971 8675
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenDr. BachBaierBalkenhol Dr. Barzel Dr. Becher
Dr. Becker
Becker BerberichBerdingBergerBewerunge BiecheleBiehleDr. BirrenbachDr. von Bismarck Bittelmann Blumenfeldvon BockelbergDr. BöhmeFrau BrauksiepeBremerBremmDr. Czaja Dammvan Delden Dichgans Dr. Dittrich Dr. DollingerDraegervon Eckardt EhnesEngelsbergerDr. Erhard ErnestiErpenbeck Dr. Evers Dr. Eyrich von Fircks Dr. Franz Dr. Freiwald Dr. Frerichs Dr. FrühDr. Fuchs Dr. Furler Dr. GatzenFrau Geisendörfer Geisenhofer Gerlach GewandtGierenstein Dr. GleissnerGlüsing
Dr. Gölter Dr. GötzGottesleben Frau GriesingerDr. Gruhl Haase
Dr. Häfele Dr. Hallstein Dr. HammansHanzvon HasselHauser Dr. Hauser (Sasbach)Dr. HeckDr. Hellige Frau Dr. HenzeDr. Hermesdorf HöcherlHösl Horstmeier HortenDr. Hubrig Dr. Huys Frau Jacobi
Dr. JaegerDr. Jahn Dr. JenningerDr. Jobst JostenDr. JungmannFrau KalinkeDr. KempflerKiechleKiepDr. h. c. KiesingerFrau Klee Dr. Klepsch Dr. Kley KlinkerKösterKrammig Dr. Kraske Dr. KreileFrau Dr. Kuchtner LampersbachLeichtLemmrich LensingDr. Lenz Lenze (Attendorn)LenzerDr. LudaLücke MajonicaDr. MartinDr. Marx MaucherMeisterMemmel Dr. Mende Dr. Mikat Dr. MiltnerDr. Müller-Hermann MurschNiegelDr. von NordenskjöldOttPetersen PfeiferPicardPierothDr. Pinger Pohlmann Dr. Prassler Dr. Preiß Dr. Probst RainerRaweReddemann Dr. ReinhardRichartsRiedel
Dr. Riedl
Dr. Rinsche Dr. Ritgen Dr. RitzRockRöhnerRösingRollmann RommerskirchenRoser RufPrinz zu Sayn-WittgensteinHohensteinSchlee Schedl Dr. Schmid-BurgkDr. Schmidt Schmitt (Lockweiler)Dr. h. c. Schmücker Schneider Dr. Schneider (Nürnberg) Dr. SchoberFrau Schroeder Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Sellstedt) Schröder (Wilhelminenhof) SchulhoffSchulte Dr. Schulze-VorbergDr. SchwörerSeitersDr. SiemerSolke Spilker SpringorumDr. SprungStahlbergDr. Stark
Stein
SteinerFrau StommelStorm Strauß Struve StücklenSussetvon ThaddenTobabenFrau TüblerDr. UnlandVogel Volmer Wagner
Dr. Wagner
Frau Dr. WalzDr. WarnkeWeber
WeiglDr. Freiherr von Weizsäcker WendelbornWernerWindelen Wissebach Dr. Wittmann
Dr. WörnerBaron von WrangelDr. Wulff ZieglerDr. ZimmermannZoglmannBerliner AbgeordneteAmrehnBendaFrau BergerDr. GradlDr. KotowskiMüller Frau PieserDr. Schulz WohlrabeFDPKienbaumFrhr. von Kühlmann-StummEnthaltungenCDU/CSUDr. ArnoldBurgerHäusslerFrau Dr. WolfDamit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.
Wir kommen noch zur Abstimmung über die Ziffern 2, 3 und 4 des Ausschußantrages. Es bestehen keine Bedenken, über diese Ziffern des Ausschußantrages insgesamt abstimmen zu lassen.Wer den Ziffern 2, 3 und 4 des Ausschußantrages zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Plenarsitzung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 11. November 1971, 10 Uhr — nicht 9 Uhr! — vormittags, ein.Die Sitzung ist geschlossen.