Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 30. April 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Leicht, Dr. Wagner , Dr. Gölter, Bremm, Richarts, Josten und Genossen betr. Situation auf dem Weinmarkt in Rheinland-Pfalz — Drucksache VI/2100 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/2145 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dorn Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
EWG-Vorlagen
Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr. 2/71 des Rates vom 2. Januar 1971 zur Durchführung des Beschlusses vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften
— Drucksache VI/2133 —überwiesen an den Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 159/66/EWG in bezug auf den Bestimmungszweck der Erzeugnisse, die Gegenstand einer Intervention auf dem Sektor Obst und Gemüse waren
— Drucksache VI/1847 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Einführung einer gemeinsamen Ausfuhrregelung und Eröffnung eines mengenmäßigen Ausfuhrkontingents der Gemeinschaft für bestimmte Bearbeitungsabfälle und Aschen von NE-Metallen
— Drucksache VI/1894 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung lin Rat
Verordnung des Rates mit allgemeinen Regeln für die Gewährung von Beihilfen für die private Lagerhaltung von Flachs und Hanf
— Drucksache VI/1895 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Änderung bestimmter Vorschriften der Verordnung Nr. 543/69 des Rates vom 25. März 1969 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr
— Drucksache VI/1896 —überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung Nr. 348/71 des Rates vom 18. Februar 1971 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1432/70 über die Anpassung der von Frankreich zu zahlenden, infolge der Abwertung des französischen Franken herabgesetzten Interventions- oder Ankaufspreise
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Verordnung Nr. 326/71 des Rates vom 15. Februar 1971 zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung der Erstattungen bei der Ausfuhr sowie der Kriterien für die Festsetzung der Erstattungsbeträge für Rohtabak
Verordnung Nr. 327/71 des Rates vom 15. Februar 1971 zur Festsetzung bestimmter Grundregeln für die Verträge über die erste Bearbeitung und Aufbereitung für Lagerverträge sowie für den Absatz des im Besitz der Interventionsstellen befindlichen Tabaks
Verordnung Nr. 328/71 des Rates vom 15. Februar 1971 zur Festlegung von Übergangsbestimmungen hinsichtlich der von der Interventionsstelle Italiens durchzuführenden Verträge über die erste Bearbeitung und Aufbereitung von Rohtabak
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Verordnung Nr. 275,71 des Rates vom 8. Februar 1971 zur Festsetzung der Interventionspreise für frische oder gekühlte Sardinen und Sardellen für die Zeit bis zum 31. Dezember 1971
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Einziger Punkt der Tagesordnung ist die Fragestunde
— Drucksache VI/2132 —
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung ist der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Reischl anwesend.
Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Matthöfer auf. — Herr Matthöfer ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten von Alten-Nordheim auf:
Welche Gründe veranlassen das Bundesfinanzministerium, die Produktionsabgabe der Rübenanbauer als eine Entgeltminderung anzusehen, obwohl diese — nach der Verordnung über die Erhebung einer Produktionsabgabe für Zucker vom 13. Mai 1969 — doch unbestritten eine öffentliche Abgabe sein dürfte?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Nach Auffassung des Bundesministers der Finanzen und der obersten Finanzbehörden der Länder mindert die Produktionsabgabe für Zucker das Entgelt der Rübenanbauer, soweit diese die Abgabe den abgabepflichtigen Zuckerfabriken erstatten müssen. Die Er-
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6926 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971
Parlamentarischer Staatssekretär Reischlstattung der Produktionsabgabe steht in engem sachlichen und wirtschaftlichem Zusammenhang mit den vorangegangenen Rübenlieferungen. Die Rübenanbauer, die durch ein Überangebot von Rüben die abgabepflichtige Überproduktion von Zucker mittelbar verursacht haben, müssen auf Grund entsprechender Hinweise in den Rübenlieferungsverträgen von vornherein damit rechnen, an der Produktionsabgabe beteiligt zu werden. Bemessungsgrundlage für ihren Anteil an der Abgabe ist die Menge an Zuckerrüben, die sie über die ihnen zugewiesene Grundquote hinaus an die Zuckerfabriken geliefert haben. Ihre Beteiligung an der Produktionsabgabe wirkt sich demnach so aus, daß sie letztlich für die sogenannten Überrüben einen geringeren Kaufpreis von den Zuckerfabriken erhalten.Ähnlich anderen öffentlichen Abgaben — wie beispielsweise die Beiträge zum Absatzfonds oder die besonderen Verbrauchsteuern beeinflußt die Produktionsabgabe für Zucker unmittelbar das zwischen den beteiligten Unternehmern vereinbarte Entgelt und damit die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Sie kann daher umsatzsteuerlich nicht neutral behandelt werden.
Eine Zusatzfrage von Herrn von Alten-Nordheim.
Herr Staatssekretär, würde die Handhabung einer de facto praktizierten Erlösminderung nicht letztlich der gesetzlichen Mindestpreisregelung zuwiderlaufen?
Das möchte ich nach Lage der Dinge nicht behaupten.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Dr. Pohle auf:
Erwägt die Bundesregierung, die Vergünstigungen nach dem Investitionszulagengesetz einzuschränken, wenn ja, in welchem Umfang, zu welchem Zeitpunkt und aus welchen Gründen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung beabsichtigt zur Zeit keine Änderung des Investitionszulagengesetzes mit der Wirkung, daß die ursprünglich geschätzten Steuerausfälle verringert werden. Eine Gesetzesänderung könnte sich jedoch als notwendig erweisen, wenn sich herausstellen sollte, daß das Volumen der Einnahmeausfälle durch die Investitionszulage wesentlich höher ist, als bei Verabschiedung des Gesetzes angenommen wurde. Außerdem wird die Bundesregierung zu prüfen haben, ob sich durch die Überführung der regionalen Wirtschaftsförderung des Bundes in die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", mit der voraussichtlich am 1. Januar 1972 begonnen wird, Auswirkungen für das Investitionszulagengesetz ergeben, die dessen Änderung erforderlich machen. Die Bundesregierung erinnert in diesem Zusammenhang auch an die Entschließung des Deutschen Bundestages zum Steueränderungsgesetz 1969 vom 18. Juni 1969, durch die sie aufgefordert ist, darzutun, inwieweit gesetzliche Maßnahmen zur Vermeidung von Überschneidungen des Investitionszulagengesetzes mit dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" erforderlich sind.
Keine Zusatzfrage.
Doch, ich habe eine Zusatzfrage, Frau Präsidentin.
Herr Staatssekretär, kann ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß, wenn die regionale Wirtschaftsförderung des Bundes in die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" übergeführt wird, effektiv an eine Änderung des Investitionszulagengesetzes gedacht wird?
Letztlich läßt sich die Frage noch nicht sicher beantworten, weil man erst sehen muß, was bei der Überführung zahlenmäßig herauskommt. Aber es besteht immerhin eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß die Frage in diesem Zusammenhang zumindest geprüft werden muß.
Darf ich eine zweite Zusatzfrage stellen. Herr Staatssekretär, es steht noch die Antwort auf die Kleine Anfrage meiner Kollegen Dr. Sprung, Dr. Warnke, Weigl und Genossen über die Auswirkungen des Investitionszulagengesetzes aus. Sind Sie in der Lage und bereit — das ist die Frage —, mir nach Durchführung dieser Erhebungen, die auf Grund dieser Kleinen Anfrage durch das Bundesfinanzministerium angestellt worden sind, eine konkrete Antwort hinsichtlich des weiteren Schicksals des Investitionszulagengesetzes zu erteilen, und wann kann ich mit einer solchen Antwort rechnen?
Herr Kollege, bis jetzt läßt sich das noch nicht machen, weil die Erhebung tatsächlich noch nicht abgeschlossen ist. Es sind umfangreiche Erhebungen draußen bei den Außenbehörden. Wir hoffen, daß wir das Ergebnis dieser Sondererhebung noch im Laufe dieses Monats, also des Monats Mai, vorliegen haben. Dann wird die Kleine Anfrage unverzüglich beantwortet, für die ja extra deswegen Fristverlängerung beantragt worden ist. Dann kann Ihnen selbstverständlich auch diese Auskunft gegeben werden.
Keine weitere Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971 6927
Vizepräsident Frau FunckeIch rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Dr. Pohle auf:Entspricht die Erklärung des Bundeswirtschaftsministers im Deutschen Fernsehen am 27. April, zur Bekämpfung der hausgemachten Inflation sei eine sparsame Haushaltspolitik der öffentlichen Hand und eine „sehr harte drastische Konsolidierung der mittelfristigen Finanzplanung" erforderlich, der Auffassung der Bundesregierung?Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Erklärung, die der Herr Bundesminister für Wirtschaft am 27. April 1971 in der Tagesschau des Deutschen Fernsehens abgegeben hat, entspricht in vollem Umfang der Auffassung der Bundesregierung. Im laufenden Haushaltsjahr ist die Bundesregierung um eine zurückhaltende Ausgabenpolitik bemüht. Mögliche Steuermehreinnahmen sollen nicht zu einer Erhöhung der Ausgaben, sondern entsprechend den Empfehlungen des Konjunkturrates und des Finanzplanungsrates zu einer Verminderung der Kreditaufnahme verwendet werden. Für die Folgejahre steht die Bundesregierung bei der Fortschreibung des Finanzplans im kommenden Herbst vor schwierigen und teilweise harten Entscheidungen, um die berechtigten Ausgabewünsche mit den finanziellen Möglichkeiten einerseits und den gesamtwirtschaftlichen Notwendigkeiten andererseits in Einklang zu bringen.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Pohle.
Herr Staatssekretär, wie vereinbart sich die im ersten Quartal 1971 zugelassene Steigerung der Bundesausgaben um 18,1 % mit dieser nun auch vom Bundeswirtschaftsminister mit Nachdruck vorgetragenen Forderung nach einer sparsamen Haushaltspolitik?
Herr Kollege, zu dieser Frage wird der Bundesminister der Finanzen bei der Beantwortung ,der Kleinen Anfrage, die Sie selbst zusammen mit einigen Kollegen aus der Fraktion der CDU/CSU am 30. April 1971 zur Haushaltsführung 1971 gestellt haben, ausführlich Stellung nehmen.
Schon heute darf ich dazu aber einiges bemerken. Zu einem großen Teil ist der Ausgabenanstieg im ersten Quartal 1971 auf besondere Umstände bei der kassenmäßigen Abwicklung bereits früher eingegangener Verpflichtungen zurückzuführen. So sind beispielsweise die Mittel für ,den Straßen- und den Hochschulbau infolge des milden Winters weitaus stärker abgeflossen als in der gleichen Zeit des Vorjahres. Zweitens: Im Rahmen des Devisenausgleichs für die USA wurde im ersten Quartal 1971 ein Betrag von 360 Millionen DM geleistet, der 1970 erst im zweiten Quartal gezahlt wurde. Die vom Bundesminister der Finanzen angeordnete Beschränkung der Ausgaben und der Inanspruchnahme von Verpflichtungsermächtigungen in den Hauptgruppen 5 bis 8 auf 70 bzw. 80 v. H. der Ansätze konnte sich daher noch nicht sichtbar auf der Ausgabenseite niederschlagen.
Noch eine Zusatzfrage.
Teilen Sie nicht meine Auffassung, Herr Staatssekretär Dr. Reischel, daß die Steigerung der Bundesausgaben im ersten Quartal 1971 um 18,1 % konjunkturwidrig ist und preistreibend wirkt?
Nein, Herr Kollege. Das kann ich angesichts der Tatsache, daß diese Ausgaben durch die Bedingungen begründet waren, die ich gerade genannt habe, nicht sagen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Haase .
Herr Staatssekretär, um das, was der Kollege Pohle soeben fragte, noch einmal ganz deutlich zu machen, frage ich Sie: stimmen Sie mir darin zu, daß angesichts der gegenwärtigen Bruttosozialproduktsteigerung von etwa 5 % der Anstieg der Bundesausgaben um 18 % im ersten Quartal eine Inflationsquelle ersten Ranges darstellt?
Nein, Herr Kollege. Angesichts der Tatsachen stimme ich Ihnen nicht zu.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Leicht.
Herr Kollege Dr. Reischl, ist die Entschuldigung für die hohe Steigerungsrate im ersten Vierteljahr 1971, daß u. a. für den Devisenausgleich 360 Millionen DM hätten gezahlt werden müssen, tatsächlich richtig, und kann diese Zahlung überhaupt zu einem Vergleich herangezogen werden, nachdem Sie noch im Dezember 1969 — wenn ich mich recht entsinne für das Jahr 1970, und zwar das erste Halbjahr 1970, mehr als 400 Millio nen DM vorweg gezahlt haben?
Herr Kollege, das kann ich ohne Nachprüfung der Zahlen nicht beantworten.
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6928 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann.
Herr Staatssekretär, vorausgesetzt, die These ist richtig — und sie ist richtig —, daß 50% der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik Psychologie ist, glauben Sie, daß eine Ausgabensteigerung beim Bund von mehr als 18 % im ersten Quartal dieses Jahres die Argumentation der Bundesregierung zu rechtfertigen in der Lage ist, wenn sie von allen auf den Wirtschaftsprozeß Einfluß nehmenden Gruppen Disziplin erwartet?
Die Bundesregierung hat bei der Ausführung des Haushaltsplans im ersten Vierteljahr ebenfalls Disziplin bewahrt.
Die Faktoren, die darüber hinaus dazu geführt haben, daß die Ausgaben sich erhöhten, habe ich Ihnen doch dargestellt.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jenninger.
Herr Staatssekretär, wenn Sie schon die Frage des Kollegen Haase nicht beantworten konnten, stimmen Sie dann wenigstens der Aussage von Herrn Bundeswirtschaftsminister Schiller zu, daß an dieser inflationären Entwicklung alle Faktoren schuld hätten, ganz besonders die Entwicklung im öffentlichen Haushalt?
Das kann man so absolut für den Bundeshaushalt jedenfalls nicht sagen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, weil Sie vorhin dem Devisenausgleich eine so überragende Bedeutung bei der Steigerung der Ausgaben zugemessen haben, wie hoch der prozentuale Anteil des Devisenausgleichs an der Steigerung um 18 % ist?
Das kann ich so nicht, das müßte ich erst nachrechnen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Reddemann.
Herr Staatssekretär, wenn eine Steigerung der Ausgaben um 18 % bei Ihnen noch „Disziplin" ist, bei welchem Prozentsatz endet die Ausgabendisziplin?
Herr Kollege, ich habe nicht gesagt, daß 18 % Ausgabendisziplin seien, sondern ich habe erklärt, warum es so viel war. Die eigentliche Ausgabensteigerung ist eben nicht so hoch, sondern es sind die zusätzlichen Faktoren, die dazu geführt haben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Junghans.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung für das gute Bauwetter in diesem Frühjahr verantwortlich?
. Für das Wetter sind wir noch nicht verantwortlich.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Vogt.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß es in Anbetracht der bisherigen Entwicklung sinnvoller gewesen wäre, dem Vorschlag der CDU/CSU zu folgen und den Haushalt für 1971 in einen Kernhaushalt und einen Eventualhaushalt aufzuspalten.
Nein, dieser Meinung bin ich nicht.
Frage des Herrn Abgeordneten Breidbach.
Herr Staatssekretär, vorausgesetzt, man folgt Ihren Entschuldigungsgründen für die Steigerungsrate des Bundeshaushalts auf 18,1 % im ersten Vierteljahr dieses Jahres, würden Sie denn nicht zugeben, daß allein schon die Zahl die psychologische Wirkung der Preissteigerung ausüben muß und Anreize bietet?
Die Zahl übt dann die psychologische Wirkung aus, wenn dauernd darauf herumgetrampelt wird, sonst nicht.
Herr Kollege Schulze-Vorberg!
Herr Staatssekretär, da Sie im Deutschen Fernsehen der Aussage des Herrn Bundeswirtschaftsministers für die Bundesregierung ausdrücklich zugestimmt haben und da der Herr Bundeswirtschaftsminister unter den hausgemachten Preis- und Kostensteigerungen
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971 6929
Dr. Schulze-Vorbergausdrücklich Entwicklungen im Bereich der öffentlichen Haushalte aufgezählt hat, was meinen Sie denn nun eigentlich, nachdem Sie bestreiten, der Bundeshaushalt habe dazu beigetragen?
Ich habe doch nicht bestritten, daß der öffentliche Haushalt eine so starke Steigerung hatte. Ich habe nur die Gründe für den Bundeshaushalt angeführt, warum das so war. Meines Erachtens wird das im zweiten Quartal nicht so bleiben.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie sich vorhin bei der Ausgabensteigerung auf einen Satz von 18 % im Frühjahr 1971 im Vergleich zu 1970 berufen haben, stimmen Sie mit mir darin überein, daß der Basisbetrag 1970 davon beeinflußt war, daß Ihre Regierung und Ihr Haus im Frühjahr 1970 bis zu 2 Milliarden DM ausgegeben, diese aber noch in der Haushaltsrechnung 1969 verbucht hat?
Das trifft gerade nicht zu. Im ersten Quartal 1970 ist der Haushalt doch besonders restriktiv gefahren worden, wie Sie selbst wissen. Wir hatten ja damals gar keinen festgestellten Haushalt, sondern wir mußten auf Grund des Haushaltes 1969 mit Kürzungsraten weiterarbeiten.
Der neue Haushalt ist ja erst im Sommer beschlossen worden.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Sperling.
Herr Staatssekretär, könnten Sie den Kollegen von der Opposition bestätigen, daß aus deren Reihen auch nicht die geringsten Vorschläge vorliegen, wo man Haushaltseinsparungen hätte vornehmen können,
und daß -die Fragen hier nur alle umgemünzt werden, um Entschuldigungsgründe zu finden, obwohl ein CDU-Finanzminister genau dieselben Erklärungen abgeben müßte?
Ich bin Ihrer Meinung.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Althammer.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie eben diese Frage bejaht haben, darf ich Sie fragen: Ist Ihnen nicht bekannt, daß die CDU/CSU nicht nur im Haushaltsausschuß, sondern auch im Plenum des Bundestages Kürzungsvorschläge über 2 Milliarden DM hinaus spezifiziert vorgetragen hat, daß diese Anträge von Ihnen abgelehnt wurden und daß zu Ende des Jahres Ihr Herr Minister erklärt hat, man habe ja nun doch erreichen können, daß Einsparungen erfolgt seien.
Das letztere ist mir bekannt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schulte.
Herr Staatssekretär, ist angesichts der von Bundesminister Schiller geforderten sehr harten drastischen Konsolidierung der mittelfristigen Finanzplanung in den Jahren bis 1975 noch mit einer Verwirklichung der Steuersenkungszusagen — Abbau der Ergänzungsabgabe und Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrages — zu rechnen?
Ich glaube, diese Frage steht im Moment nicht zur Debatte.
Meine Damen und Herren, ich lasse noch zwei Fragen zu. Allmählich verliert sich der Zusammenhang zwischen der Ursprungsfrage und den Anschlußfragen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Slotta.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, eine Untersuchung über das Haushaltsgebaren in den CDU-regierten Ländern für den in Frage kommenden Zeitraum anstellen zu lassen?
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6930 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971
Das kann ich gern tun.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Biehle.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie festgestellt haben, daß Sie im ersten Halbjahr 1970, insbesondere im Frühjahr, keinen Haushalt gehabt haben, haben Sie wenigstens Vorstellungen und Pläne für diese miserable Finanzpolitik gehabt?
Ich glaube, darauf brauche ich überhaupt nicht einzugehen, denn die Finanzpolitik war nicht miserabel.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Roser auf:
Ist sichergestellt, daß die in der Entwicklungshilfe, insbesondere auch in privaten Organisationen tätigen deutschen Helfer und Experten en den Vergünstigungen der Vermögensbildung, des Prämiensparens, Bausparens usw. teilhaben?
Die Vermögensbildung der Arbeitnehmer wird zur Zeit durch das Dritte Vermögensbildungsgesetz gefördert. Hierbei handelt es sich um ein arbeitsrechtliches Gesetz, das auf alle Arbeitnehmer Anwendung findet, deren Arbeitsverhältnis vom deutschen Arbeitsrecht erfaßt wird.
Daraus ergibt sich, daß die Förderungsmaßnahmen des Gesetzes ohne weiteres auch von den im Rahmen der deutschen Entwicklungshilfe von staatlichen oder privaten Einrichtungen ins Ausland entsandten Arbeitnehmern beansprucht werden können, solange die entsendende Einrichtung Arbeitgeber bleibt und das Arbeitsverhältnis unter das deutsche Arbeitsrecht fällt.
Dabei ist unerheblich, ob der Entwicklungshelfer wegen der Beibehaltung seines inländischen Wohnsitzes weiterhin unbeschränkt steuerpflichtig oder wegen Aufgabe des inländischen Wohnsitzes nur beschränkt steuerpflichtig ist. Das Dritte Vermögensbildungsgesetz stellt auf diese steuerrechtlichen Begriffe nicht ab.
Die vom Deutschen Entwicklungsdienst in die Entwicklungsländer entsandten Helfer sind allerdings keine Arbeitnehmer und beziehen auch keinen Arbeitslohn. Auf diese Personen findet das Dritte Vermögensbildungsgesetz somit keine Anwendung. Dagegen ist es für die Gewährung der Sparprämien und Wohnungsbauprämien erheblich, ob der Entwicklungshelfer einen inländischen Wohnsitz beibehält. Nach den Vorschriften der Prämiengesetze ist Voraussetzung für die Gewährung einer Sparprämie oder Wohnungsbauprämie, daß der Sparer unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist, d. h. im
Inland einen Wohnsitz hat. Im Hinblick darauf, daß unbeschränkt steuerpflichtige Personen im Grundsatz ihre gesamten Einkünfte einschließlich der Einkünfte aus dem Ausland im Inland zu versteuern haben, während beschränkt steuerpflichtige Personen nur mit ganz bestimmten Teilen ihres Einkommens im Inland steuerpflichtig sind, erscheint die gesetzliche Regelung, daß nur unbeschränkt steuerpflichtige Personen prämienberechtigt sind, sachlich gerechtfertigt. Hinzu kommt, daß es wohl kaum möglich wäre, generell im Ausland ansässigen Personen Prämien zu zahlen.
Gleichwohl wird im Rahmen der eingeleiteten Reform der Sparförderung die Frage geprüft werden, ob in bestimmten Ausnahmefällen, wie beispielsweise bei beschränkt steuerpflichtigen Entwicklungshelfern, die Grundsätze für die Gewährung von Sparprämien und Wohnungsbauprämien denjenigen für die Gewährung der Arbeitnehmersparzulage angepaßt werden könne. Ich kann jedoch nicht verhehlen, daß es sich hierbei im Hinblick auf mögliche Berufungsfälle um ein schwieriges Problem handelt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Roser.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es sich hier in individuellen Fällen oft um harte Benachteiligungen handelt, und sind Sie der Meinung, daß versucht werden müßte, hier alsbald zu einer Verbesserung und Gleichstellung zu kommen?
Ich bin Ihrer Meinung, daß diese Frage sehr gründlich geprüft werden muß. Denn es gibt sicher Härtefälle, die bei einer anderen Lösung vermeidbar wären.
Zweite Zusatzfrage.
Welche konkreten Initiativen hat die Bundesregierung ergriffen, um hier zu einer Verbesserung zu kommen, meinetwegen auch auf dem Wege der Gesetzgebung?
Die Frage wird im Rahmen der Steuerreform geprüft. Wir haben es grundsätzlich unterlassen, grundlegende Steueränderungen noch vor der Steuerreform in die Wege zu leiten. Es werden nur diejenigen Änderungen durchgeführt, die durch Verfassungsgerichtsurteil oder aus ähnlichen Gründen notwendig geworden sind.
Keine weitere Zusatzfrage. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen beantwortet. Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971 6931
Vizepräsident Frau FunckeWir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rosenthal zur Verfügung.Die Fragen 30 und 31 werden auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Schedl auf. Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Auch die Frage 33 wird auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet. Auch diese Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:Wie beurteilt die Bundesregierung die bedrängte Situation der Granitindustrie in Ostbayern, in die sie durch die hohen Importe von Bord- und Pflastersteinen für den Straßenbau geraten ist?Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Lage ist uns bekannt. Nicht bekannt ist uns, daß in der letzten Zeit eine Zuspitzung auf diesem Gebiet stattgefunden hat; denn wir sind weder von dem Verband dieser Industrie noch von der bayerischen Landesregierung angegangen worden.
Darüber hinaus darf ich Sie darauf verweisen, daß hier nicht einseitige Gründe, nämlich Gründe der Einfuhr, maßgebend sind wenn Sie wollen, kann ich Ihnen diese Zahlen nennen —, sondern daß sich hinsichtlich der Verwendung insbesondere der sogenannten Leistensteine und auch der Pflastersteine eine Änderung ergeben hat. Diese Steine sind beim Straßenbau und auch in anderen Bereichen durch andere Baumittel — durch „Abtreppung" ; man lernt hier viel dazu — ersetzt worden.
Eine Zusatzfrage, bitte schön!
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß die Marktsituation dadurch erheblich verschoben wurde, daß in der letzten Zeit in verstärktem Maße Importe aus Ostblockländern zu uns hereingekommen sind?
Herr Kollege, ich stimme Ihnen darin nicht zu. Denn die Importe generell haben sich in den letzten drei Jahren — von 1968 über 1969 auf 1970 — nur von 12 über 13 auf 15 Millionen DM erhöht. Die Importe aus dem Ostblock liegen bei etwa 2,5 Millionen DM. Wenn Sie die gesamte Produktion in Höhe von 45 Millionen DM anschauen, ist das ein verhältnismäßig geringer Anstieg. Und das ist nicht der Hauptgrund.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir in der Auffassung zu, daß durch diese Importe insbesondere die ostbayerische Granitindustrie stark betroffen ist?
Nein, ich stimme Ihnen nicht zu. Ich muß Sie darauf hinweisen, daß der Einbruch — ich wiederhole es — durch einen teilweisen Ersatz dessen, was diese ostbayerischen Werke produzieren, eingetreten ist. Die ostbayerische Industrie hat auf diesem Sektor einen hohen Anteil, ich glaube, einen Anteil von 35 Millionen an 45 Millionen DM insgesamt. Aber die ostbayerische Industrie ist an diesen Einfuhren z. B. aus Rumänien und aus der CSSR beteiligt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, haben die vom Kollegen Jobst beklagten Importe nicht wenigstens den Vorteil, daß sie preisauftriebsdämpfend gewirkt haben, so daß die Ausgaben der öffentlichen Hand weniger in Anspruch genommen wurden?
Herr Kollege, das kann sein. Aber in dieser Frage geht es um eine Industrie, die in großen Schwierigkeiten ist, weil das, was sie produziert, nicht mehr so stark verlangt wird. Wir hatten schon im Jahre 1968 geraten, eine Analyse der Veränderungen in der betroffenen Industrie vorzunehmen.
Darüber hinaus möchte ich dem Kollegen, der ursprünglich die Frage gestellt hatte, noch anheimstellen, in dieser Industrie darauf hinzuwirken, daß die Empfehlungen, die für die Umstrukturierung gemacht worden sind, auch befolgt werden. Denn die Hauptempfehlung beinhaltete eine größere Kooperation innerhalb dieser Industrie, und diese Kooperation hat bisher nicht stattgefunden.
Eine Frage des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann.
Herr Staatssekretär, darf ich in Ergänzung der Frage des Kollegen Sperling fragen, ob es zutrifft, daß die Preissteigerungen im Straßenbau im vergangenen Jahr bei etwa 18 % gelegen haben?
Herr Kollege, diese Frage gehört nun wirklich nicht mehr zu der Frage nach der Granitindustrie;
ich kann sie also nicht zulassen.
Es werden keine weiteren Zusatzfragen gestellt. Ich rufe somit Frage 35 des Herrn Abgeordneten Leicht auf:
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6932 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971
Vizepräsident Frau FunckeWorauf stützt die Bundesregierung die von Bundesminister Ehmke gemäß Pressemeldung aufgestellte Behauptung, daß 1970 das beste Wirtschaftsjahr in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gewesen sei?
Herr Kollege Leicht, Minister Ehmke hat gesagt „eines der besten", nicht „das beste". Und das stimmt. Vergleichen Sie bitte einmal die Zahlen, die über den Gesamtwohlstand eines Landes das Wesentliche aussagen. Sie werden dann feststellen, daß wir — ich spreche immer von 1970, denn darauf richtete sich die Frage — mit einer Steigerung des Bruttosozialprodukts von 4,9%, mit einer Arbeitslosenzahl von 0,7 %, mit einem Außenbeitrag von 1,7 %, mit einer Preissteigerung von 3,8 % und einer Reallohnsteigerung von 8 % im Rahmen aller Industrieländer zwischen den Noten „gut" und „sehr gut" liegen. Da beißt die Maus keinen Faden ab, und bei aller Differenz zwischen unseren Parteien ist es doch sicherlich nicht gut, wenn wir unserem Volke vorreden, daß es ihm schlecht gehe.
Das ist, Herr Kollege Leicht, keine Verniedlichung der negativen Fakten, für die wir wach sind. Aber die beste Basis für unsere Anstrengungen ist, daß wir uns erst einmal darüber klar sind, daß es uns insgesamt im Vergleich zu früheren Perioden und zu anderen Ländern im Jahre 1970 gesamtwirtschaftlich sehr gut gegangen ist.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Leicht.
Nachdem das, was Sie, Herr Kollege Rosenthal, zum Schluß gesagt haben, sicherlich nicht an meine Adresse gerichtet sein konnte, sondern, wie ich annehme, an die Ihrer eigenen Kollegen, frage ich Sie, ob Ihnen bekannt ist, daß die Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts unter Berücksichtigung der Zeit seit 1960 im Jahre 1970 mit nominal 12,6 % die höchste gewesen, dagegen real mit 4,9 % im untersten Drittel der Zahlen dieses Zeitraums befindlich ist. Und wissen Sie, daß die auf die Erwerbstätigen bezogene Zahl 1970 nur 3,4 %, dagegen z. B. in den Jahren 1968 und 1969 7,0 bzw. 6,2 % betragen hat?
Herr Kollege, ich will Ihnen auf diese Frage antworten, obwohl sie nicht mehr direkt zu der ursprünglichen Frage gehört.
Ich habe die Detailziffern hinsichtlich der Änderungen des Bruttosozialprodukts natürlich nicht im
Kopf, aber ich will die Zyklen vergleichen, denn das müssen wir tun. Im Zyklus von 1963 bis 1966 haben wir insgesamt einen Zuwachs des Bruttosozialprodukts von 4,7 % gehabt, und im Zyklus von 1967 bis 1970 hatten wir einen Zuwachs von 4,9 % — und das, Herr Kollege, ist die reale Steigerung.
— Ja, Sie wollen nur von etwas sprechen, und ich spreche vom Ganzen.
— 1970 ist das Bruttosozialprodukt real um 4,9 % gewachsen!
Bitte, noch eine Frage.
Ich habe noch eine Frage, und ich mache es mir einfach, Herr Kollege Rosenthal.
Sind Sie bereit zuzugestehen, daß die Aussage von Herrn Ehmke, die ich persönlich als objektiv unrichtig betrachte, wenn sie stimmte, die Bundesregierung in die Situation gebracht hätte, in der sie jetzt ist?
Herr Kollege, ich bin genau entgegengesetzter Ansicht. Ich bin der Meinung, daß 1970, wenn man alle Faktoren zusammennimmt, eines der besten Wirtschaftsjahre seit Bestehen der Bundesrepublik war. Das sollte endlich einmal von allen in diesem Staat anerkannt werden. Wenn wir jetzt weiter das Richtige tun, dürfen wir unserem Volk nicht einreden, daß es uns schlecht gehe.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Breidbach.
Herr Staatssekretär, halten Sie es auch dann noch für zulässig, von einem der besten Wirtschaftsjahre zu sprechen, wenn ich Sie darauf aufmerksam mache, daß wir z. B. im Wohnungsbau Preissteigerungsraten von 15,9 %, im Straßenbau zwischen 15 und 18 % bei den industriellen Erzeugerpreisen von 5,9 %, bei den Investitionsgütern von 9,5 %, in der Lebenshaltung von 3,8 % hatten und die gesamtwirtschaftliche Steigerungsrate schließlich 7,4% betrug? Halten Sie es für zulässig, eine solche Aussage insbesondere im Hinblick auf mittelfristige Entwicklungen zu machen?
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971 6933
Ich halte es für völlig legitim, eine solche Aussage zu machen, so wie ich für völlig legitim das halte, was Herr Ehmke gesagt hat; denn Sie müssen den Wohlstand eines Landes an den Gesamtdaten
und an den Vergleichsdaten zu anderen Ländern messen. Was die Daten der Preissteigerungen und der Reallöhne betrifft, so standen wir im Jahre 1970 insgesamt gesehen besser da als alle anderen Industriestaaten, mit Ausnahme von Belgien und Kanada, wo Arbeitslosigkeit herrscht. Sie dürfen nicht einen einzelnen Faktor, z. B. den Straßenbau, herauspicken, wenn Sie nicht die Gesamtsituation verfälschen wollen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Jenninger.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, in diese Ihre Aussage auch die Aussage der Regierung in einem offiziellen Organ mit einzubeziehen, daß die Preissteigerungen, gemessen am Sozialprodukt, im Jahre 1970 die Rate von 7,5 % erreicht haben, also die höchste Rate überhaupt in diesem Staat seit dem Korea-Boom?
Frau Präsidentin, wenn ich diese Frage beantworte, so ist das gleichzeitig eine Antwort auf die zweite Frage des Kollegen Leicht.
Sind Sie damit einverstanden, Herr Kollege, daß wir zugleich Ihre zweite Frage aufrufen?
Gnädige Frau, ich lege Wert darauf, sofern ich diesen Wunsch äußern darf, daß meine beiden Fragen getrennt behandelt werden. Ich weiß nämlich nicht, ob Sie dann noch Zusatzfragen zu meiner ersten Frage zulassen werden.
Sie würden selbstverständlich zwei weitere Zusatzfragen bekommen. Aber wenn Sie getrennte Behandlung wünschen, rufe ich Frage 36 noch nicht auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär kann natürlich jetzt schon eine diesbezügliche Antwort auf die Zusatzfrage geben.
Wenn Sie mich fragen, ob wir, gemessen am Sozialprodukt, im Jahre 1970 die bisher höchste Preissteigerungsrate hatten, muß ich antworten: ja. Aber ich darf wiederholen, was zum x-ten Male hier im Bundestag gesagt worden ist,
daß der Preisindex des Bruttosozialprodukts, was die Lebenshaltungskosten betrifft, nicht besonders aussagekräftig ist. Das hat auch Minister Schiller am 7. Oktober in der Konjunkturdebatte gesagt. Die Gründe dafür — Außenbeitrag, Investitionsgüter — brauche ich nicht noch einmal zu wiederholen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Apel.
Herr Staatssekretär, zurück zur ursprünglichen Frage. Könnten Sie noch einmal nachdrücklich unterstreichen, daß die Bundesrepublik im internationalen Vergleich in der Tat zum erstenmal an vorletzter oder, sagen wir, an drittbester Stelle stand, was die Preissteigerungsraten, bezogen auf den Lebenshaltungskostenindex, anbelangt, daß dieser Maßstab der entscheidende ist, daß die Länder, die noch besser standen als wir, insbesondere Kanada, im Gegensatz zu uns erstens flexible Wechselkurse hatten, also „floateten" — das, was jetzt zur Debatte steht —, und zweitens eine beträchtliche Arbeitslosigkeit hatten,
und daß insofern die Frage, die von der CDU/CSU gestellt worden ist, einfach falsch ist, weil 1970 in der Tat eines der besten Jahre war.
Herr Kollege, was Sie gesagt haben, nämlich daß wir an dritter Stelle stehen und die niedrigste Preissteigerung haben, ist völlig korrekt. Auf die Arbeitslosigkeit in Kanada habe ich noch hingewiesen.
Ich darf Ihnen noch einige Zahlen für andere wichtige Industrieländer aus dem Jahre 1970 nennen: Frankreich liegt bei 5,3 %, Italien bei 4,9 %, Großbritannien bei 6,4 %, die USA bei 5,9 % und Japan bei 7,8%.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Lenders.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß sich die Feststellung von Herrn Minister Ehmke im Grunde auf das bezieht, was das Jahr 1970 an realen ökonomischen Ergebnissen für den einzelnen Bürger gebracht hat? Stimmen Sie mir weiterhin darin zu, daß es bei dieser Einschätzung von seiten des Bürgers ganz entscheidend ist, wie die Arbeitnehmer, nämlich die Mehrzahl der Menschen in unserer Gesellschaft, ökonomisch in diesem Jahr abgeschnitten haben? Stimmen Sie mir schließlich darin zu, daß das Jahr 1970, was die reale Ein-
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6934 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971
Lenderskommenssteigerung pro Arbeitnehmer anlangt, die höchste Steigerungsrate seit dem Korea-Boom auf weist?
Herr Kollege Lenders, ich stimme Ihnen selbstverständlich zu. Einige dieser Daten, so z. B. die reale Lohnsteigerung, habe ich schon genannt. Ich wiederhole, daß ich das, was der Kollege Ehmke gesagt hat, nicht nur für richtig, sondern auch für wichtig halte. Denn bei allem Streit und bei allem Suchen nach Fehlern — wir sollten nach Fehlern suchen; ich bin kein Verniedlicher der Stabilität — bin ich der Ansicht, daß das, was Sie dauernd tun, meine Damen und Herren von der Opposition, nicht gut ist. Ich hoffe nicht, daß Sie vor acht Jahren an die Regierung kommen,
aber wenn Sie an der Regierung wären, müßten Sie ebenfalls die Preissteigerungsraten vertreten; denn — das wissen Sie genausogut wie ich — wir haben ja keine Wirtschaftsregierung, die nur aus der sozial-liberalen Koalition besteht, sondern wir haben eine Wirtschaftsregierung, die aus Bundesbank, Bundesregierung, Unternehmern, Gewerkschaften und dem Ausland besteht. Ich halte es für die Zukunft unserer Diskussion genausowenig für gut, wenn wir so tun, als ob das anders wäre, und wenn wir unserem Volk vorreden, es ginge ihm schlecht.
Meine Damen und Herren, ich möchte darauf aufmerksam machen, daß sich die erste Frage des Herrn Kollegen Leicht auf die wirtschaftliche Entwicklung bezieht und seine zweite Frage, die noch nicht aufgerufen ist, die Preissituation erfaßt. Ich wäre dankbar, wenn wir das ein bißchen sortieren könnten und die Kollegen, die sich jetzt gemeldet haben, sich auf die Frage 35 und nicht auf die Frage 36 bezögen. — Herr Kollege Pieroth!
Herr Staatssekretär, Sie sagen, daß der Wohlstand eines Volkes an Zahlen zu messen ist, die sich mit den Nachbarländern vergleichen lassen. Unter Umständen kann man dem bedingt zustimmen. Sind Sie dann aber bereit, zu sagen, wo wir in der Weltinflationierungsskala stehen? Sie haben die gesamtwirtschaftliche Preissteigerungsrate, den Deflator, mit 7,5 % angegeben.
Herr Pieroth, was jetzt kommt, habe nicht ich, hat aber die Regierung zum x-tenmal gesagt. Ich darf Ihnen mit Genehmigung der Frau Präsidentin vorlesen, was das Sachverständigengutachten zu diesem Deflationierungsfaktor meint.
— Was die Regierung meint, haben Sie von mir
mehrmals gehört. Ich sage Ihnen jetzt, was das Sach-
verständigengutachten zum Deflationierungsfaktor sagt.
Aber ich hätte mit Vergnügen gern gehört, was Sie dazu sagen, Herr Kollege Rosenthal.
Was das Sachverständigengutachten ausgesagt hat, ist auch die Meinung der Regierung, nämlich daß der Deflationierungsfaktor ein wichtiger Faktor für die Gesamtanalyse, aber nicht aussagekräftig für die Preissteigerungsrate ist.
Der Lebenshaltungskostenindex, das hat die Regierung x-mal in diesem Hause gesagt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten —
Nein, ich habe noch keine Antwort, Frau Präsidentin! Die wollen wir der Regierung nicht schenken.
Ich meine, der Inhalt wäre gesagt worden. Ich weiß nicht, ob der Herr Parlamentarische Staatssekretär —
Ich habe nur gehört, daß der Herr Kollege Rosenthal sagen wird, was das Sachverständigengutachten gesagt hat. Er hat dann hinzugefügt, daß das auch die Meinung der Regierung sei. Aber das war alles.
Ich habe Ihnen doch gesagt, Herr Kollege Pieroth, daß — ich wiederhole jetzt — die Regierung die Meinung des Sachverständigenrates teilt, daß das Bruttosozialprodukt zwar ein wichtiger Faktor für die volkswirtschaftliche Gesamtanalyse ist, aber keine Aussagekraft für die Preissteigerung hat und daß der Lebenshaltungskostenindex international als der maßgebliche Faktor für die Inflationierung anerkannt wird.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Pohle.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zugeben, daß man, wenn man von einem guten oder schlechten Wirtschaftsjahr spricht, die Ertragslage der Unternehmungen nicht außer Betracht lassen kann und daß die Erträge im Jahre 1970 in sehr vielen Branchen erheblich geschrumpft sind?
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971 6935
Herr Kollege Pohle, das gebe ich Ihnen zu; aber ich muß Ihnen sagen, daß die Gewinne vorher im Aufschwung stark zugenommen hatten und daß das ein Jahr war, wo die soziale Symmetrie wiederhergestellt werden mußte.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann.
Herr Staatssekretär, wenn die Bundesregierung, die heute die ganze Verantwortung für die Wirtschaftspolitik so zu tragen hat, wie die Sozialdemokraten in der Opposition das unseren Regierungen vorgehalten haben, das Wirtschaftsjahr 1970 trotz der größten gesamtwirtschaftlichen Preissteigerungsquote im Vergleich zu anderen Industrienationen für ein gutes Wirtschaftsjahr hält, wollen Sie mir dann wenigstens zugestehen, daß es auch das gefährlichste Wirtschaftsjahr gewesen ist, in dem die Weichen falsch in eine Entwicklung gestellt wurden, die wir heute alle zu beklagen haben?
Herr Kollege Müller-Hermann, ich bin nicht der Ansicht, daß das so ist. Wenn die Weichen falsch gestellt worden wären, wären wir heute nicht in einer Situation, in der uns weiter das Handeln rechtzeitig möglich ist.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Zander.
Herr Staatssekretär, ist Ihr Haus in der Lage, den Damen und Herren der Opposition Vergleichszahlen zukommen zu lassen, damit bei der Opposition erkannt wird, daß die Bundesrepublik im Jahre 1970 unter den 14 größten Industriestaaten die geringste Arbeitslosenquote hatte, bei der Preissteigerungsrate nur von Kanada untertroffen wurde und bei der Wachstumsrate an fünfter Stelle lag? Ist Ihr Haus in der Lage, diese Zahlen den Damen und Herren der Opposition zugänglich zu machen?
Diese Zahlen sind zugänglich. Sie stehen in dem letzten noch nicht veröffentlichten Bericht der OECD.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Evers.
Herr Kollege 'Rosenthal, larf man den Ausführungen, die Sie hier machen, entnehmen, daß es ein wirtschaftspolitisches Ziel der Bundesregierung ist, dem deutschen Volk noch mehr so hervorragende Wirtschaftsjahre wie 1970 zu bescheren?
Es ist ein Ziel der Bundesregierung, dem deutschen Volk eine Situation zu erhalten, die gesamtwirtschaftlich den Ausdruck des Wohlstands darstellt. Sie verfolgt also die im Stabilitätsprogramm enthaltenen Ziele.
Ich wiederhole: ich bin nicht bereit, hier zu stehen und nicht zu sagen, daß die Inflationierungsrate, die Preissteigerungsrate, ein gefährliches Datum ist. Aber sie ist ein Datum, das — wie der Kollege Zander gesagt hat — im Vergleich zu anderen Ländern gesehen werden muß. Ich habe Ihnen gerade gesagt — das wissen Sie alle so gut wie ich —, daß in großem Maße Unternehmer, Gewerkschaften und das Ausland dafür verantwortlich sind. Wir können doch hier nicht so tun, als ob irgendeine Bundesregierung allein imstande wäre, diesen Faktor — den wirtschaftlichen Wohlstand zu dirigieren. Wenn Sie die Zeitungen gelesen haben und die Information gehört haben, die Ihnen mein Dienstherr Schiller gegeben hat, dann wissen Sie, daß wir wieder einmal bereit sind, das Notwendige zu tun, um auch diesen Faktor in Ordnung zu bringen, und daß es im Verhältnis zu den mit uns konkurrierenden Industrieländern um diesen Faktor bei uns noch besser bestellt ist.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Lenders.
Herr Staatssekretär, hier war soeben von Weichenstellungen in Richtung Preissteigerungen die Rede. Darf ich Sie, wenn diese Fragestellung aufgeworfen wird, fragen: Teilen Sie die Auffassung, daß die Möglichkeiten einer rechtzeitigen Sicherung der Preisstabilität in dieser Wachstumsperiode in dem Zeitraum verspielt wurden, in dem der Herr Kollege Dr. Kiesinger Bundeskanzler war,
und sind Sie bereit, da die CDU dies so freundlich notiert, der CDU-Fraktion die Passagen aus dem letzten Sachverständigengutachten zur Verfügung zu stellen, die diesen Tatbestand noch einmal hervorheben?
Herr Kollege Lenders, ich nehme an, daß die Kollegen aus der CDU/CSU diese Passagen sehr gut kennen. Im übrigen stimme ich Ihnen zu. Bei jeglichem Beginn einer Preissteigerung ist es sehr viel einfacher, dieser
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6936 Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971
Parlamentarischer Staatssekretär RosenthalEntwicklung am Anfang zu wehren, als dann, wenn diese Preissteigerung einmal eingetreten ist.
Begonnen haben Sie!
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Staatssekretär, Sie haben sich vorher bei dem Jahre 1970 darauf berufen, daß es — bei einem Vergleich mit den anderen Staaten — so hervorragend gewesen sei. Würden Sie bereit sein, bei Herrn Schiller nachzulesen, daß er in der Zeit, als er Mitglied der Opposition war, erklärte, seine Wirtschaftspolitik werde zu Preissteigerungen von 3,2 und höchstens 1 % führen?
Herr Kollege, ich habe dies bereits nachgelesen. Frau Präsidentin, darf ich Sie aber darauf aufmerksam machen, daß wir hier nicht mehr auf die Fragen eingehen, sondern eine kleine Konjunkturdebatte veranstalten.
Herr Staatssekretär, Sie selbst haben in den ersten Antworten die Preisfrage aufgegriffen. Von da ab steht sie mit im Raum.
Herr Kollege Schachtschabel!
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß spätestens seit letzten Montag bekannt sein dürfte, daß jegliche Preisentwicklung und insbesondere die der Bundesrepublik, im weltwirtschaftlichen Zusammenhang gesehen, von außenwirtschaftlichen Faktoren abhängig ist?
Nicht nur, Herr Kollege, aber sehr stark.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Stücklen.
Herr Staatssekretär, Sie unterstreichen die Ausführungen von Bundesminister Ehmke, daß das Jahr 1970 das beste Wirtschaftsjahr,
— eines der besten Wirtschaftsjahre war. Wie kommt es, daß vier Monate des Jahres 1971 ausreichen, um diese Regierung an den Rand des Bankrotts zu führen?
Herr Kollege, die Frage wird nicht zugelassen.
Die Frage steht nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausgangsfrage.
— Die Frage wird nicht zugelassen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter von Bismarck.
Herr Staatssekretär, würden Sie die Antwort, daß das Jahr 1970 eines der besten Wirtschaftsjahre gewesen sei, auch dann unterstreichen, wenn Sie an die Entwicklung bei den Rentnern und den Sparern denken, insonderheit in den letzten vier Monaten?
Herr Kollege von Bismarck, die Frage bezieht sich auf das Jahr 1970, und davon reden wir jetzt. Wir haben Ihnen nachgewiesen, daß im Jahre 1970 die Sparer einen höheren Realzins hatten als zu der Regierungszeit Ihrer Partei.
— Die Rentner? Wer ist denn die Treibkraft gewesen, um die Renten zu dynamisieren?! Wer ist denn die Treibkraft gewesen, um den Krankenversicherungsbeitrag bei den Rentnern abzuschaffen, Herr Kollege?!
Zur letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Breidbach.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, zuzugeben, daß in Anbetracht einer Preissteigerungsrate von 3,8 % bei den Lebenshaltungskosten im Jahre 1970 und einer Rentensteigerung von knapp über 5 % das Jahr 1970 für die Rentner nicht zu den erfolgreichsten Wirtschaftsjahren der Bundesrepublik gehört?
Herr Kollege, ich habe lediglich den Überhang, den die Rentner durch die Rentenerhöhung und den Wegfall des Krankenversicherungsbeitrags bekommen haben, der Preissteigerung gegenübergestellt. Wir können, wenn wir eine einzelne Gruppe unseres Volkes beurteilen, immer nur vom Realeinkommen ausgehen.
Keine weitere Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971 6937
Vizepräsident Frau FunckeIch rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Leicht auf, die schon eine Weile mit behandelt wurde:Ist die Bundesregierung bereit zuzugeben, daß die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1970 nach den Berechnungen der OECD im Vergleich zu den anderen bedeutsamen Industrienationen die höchste Preissteigerungsrate des Bruttosozialprodukts gehabt hat?
Frau Präsidentin, hier kann ich lediglich wiederholen, was ich schon mehrmals gesagt habe, daß ich bereit bin, die Frage präzis mit Ja zu beantworten. Nur ist der Index nach dem, was die Regierung mehrmals durch das Sachverständigengutachten ausgedrückt hat, für die Preissteigerungsrate nicht aussagekräftig.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Leicht.
Darf ich davon ausgehen, Herr Rosenthal, daß Sie die Auffassung Ihres jetzigen Ministers teilen, die in früheren Jahren durch seine Zielprojektionen deutlich geworden ist, daß nämlich die Preisstabilität als eine Ein-vom-Hundert-Steigerung der Preisrate des Bruttosozialprodukts zu bezeichnen sei, und daß in der Situation, in der wir uns befinden, sehr viele meinen, daß der Lebenshaltungskostenindex nicht mehr maßgebend sein kann, weil eine ganze Reihe willkürlich ausgewählter Gruppen von Waren und Dienstleistungen sich für diesen Index nicht eigne, sondern die Preisveränderungen nur in der Gesamtheit erfaßt werden könnten?
Herr Kollege Leicht, im großen und ganzen sind wir bei der Untersuchung des Preisindexes für die Lebenshaltung und seiner Berechnungsgrundlagen zu dem Ergebnis gekommen, daß man ihn ohne schwerwiegende Bedenken als konventionellen Maßstab für die Geldwertentwicklung in der Bundesrepublik akzeptieren kann. So ,das Sachverständigengutachten!
Zweite Zusatzfrage.
Ich darf Sie fragen, ob Sie folgende Auffassung teilen:
Wenn eine so relativ große Volkswirtschaft wie die der Bundesrepublik sich den internationalen Preissteigerungsraten nähert,
— hier sind die Preissteigerungen der Lebenshaltung gemeint —
so drückt sie kraft ihres Eigengewichts den internationalen Durchschnitt der Preissteigerungen weiter nach oben. Ein solcher Prozeß führt letztlich in eine gefährliche, instabile Entwicklung der Weltwirtschaft im ganzen.
Herr Rosenthal, das war nicht das Sachverständigengutachten, sondern Herr Schiller vor wenigen Tagen in Hannover.
Herr Kollege Leicht, das war Herr Schiller vor wenigen Tagen in Hannover, und er hat auch völlig recht. Nichts, was von dieser Bank hier gesagt wird, spricht dagegen. Sie werden mir doch zugeben, daß es gerade jetzt wieder insbesondere Herr Schiller ist, der zur Aktion greift in dieser Richtung, um dem Druck auf eine Inflationierung in Europa und in der Welt entgegenzuwirken.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Apel.
Herr Staatssekretär, sehen Sie die Möglichkeit, auf Kosten Ihres Hauses dem Herrn Leicht Band I der „Einführung in die Volkswirtschaftslehre" von Herrn Schneider zur Verfügung zu stellen, damit er endlich begreift, was der Index des Bruttosozialprodukts bedeutet, und ihn nicht mit anderen Indizes verwechselt, die in der Tat eine beunruhigende Entwicklung haben, weswegen auch von der sozial-liberalen Koalition in Aktion getreten worden ist?
Herr Kollege Apel, ich muß mich bei unseren Haushaltsexperten erkundigen, ob das möglich ist.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, wenn Sie soeben auf eine Zwischenfrage meines Kollegen Ott als für Sie bekannt voraussetzten, daß Herr Wirtschaftsminister Schiller ein Sinken der Preissteigerungsrate von 3 über 2 auf 1 % versprochen hat, und wenn Sie wenige Minuten später ausdrücklich zugeben mußten, daß wir in dieser Bundesrepublik nach den Berechnungen der OECD im Vergleich zu den anderen bedeutsamen Industrienationen 1970 die höchste Preissteigerungsrate des Bruttosozialprodukts gehabt haben, — welche Konsequenzen zieht man eigentlich in Ihrem Haus daraus?
Herr Kollege Schulze-Vorberg, ich sage noch einmal: das Bruttosozialprodukt ist kein aussagefähiger Index für die Preissteigerungsrate.Zu der von Ihnen — nicht von Ihnen persönlich, aber von Mitgliedern Ihrer Fraktion — zum x-ten Male wieder hervorgeholten Prognose von Herrn Schiller — 3, 2, 1 — muß ich Ihnen folgendes sagen.
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6938 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971
Parlamentarischer Staatssekretär RosenthalIch kann mich erinnern, daß man in der Unternehmerschaft vor 20, 30 Jahren angefangen hat, Projektionen zu machen und Planziele aufzustellen. Genau gestimmt haben sie nie. Aber diejenigen Unternehmen, die es unternommen haben, solche Planziele aufzustellen, sind heute nach vorn gekommen.
— Auch.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Breidbach.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, da Sie die gesamtwirtschaftliche Preissteigerungsrate — auch im Vergleich zu den anderen OECD-Staaten — als nicht gerade so besorgniserregend und entscheidend betrachten, frage ich Sie, ob Sie bereit sind, mir zuzugestehen, daß im letzten diese gesamtwirtschaftliche Preissteigerungsrate unter anderem dadurch zustande gekommen ist, daß wir im Wohnungsbau Preissteigerungsraten von 15,9% gehabt haben und damit an erster Stelle innerhalb der OECD-Staaten liegen, bei dem Großhandelspreisindex für industrielle Produkte mit plus 5,9% an fünfter Stelle und bei den Investitionsgütern mit plus 9,5 % an dritter Stelle stehen — um nur einige dieser Daten zu nennen —?
Herr Kollege Breidbach, zunächst muß ich Ihnen auf Ihre Frage sagen, daß ich mit keinem Wort gesagt habe, daß die derzeitigen Preissteigerungsraten nicht besorgniserregend seien und daß nicht alles dagegen getan werden müsse. Ich glaube, Sie müssen mir zugeben: wenn irgend jemand im kleinen und im großen den Kampf gegen Maßnahmen führt, die der Preissteigerung dienen, dann ist es mein Dienstherr Schiller.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Haase.
Verehrter Herr Staatssekretär, darf ich Sie als den zweitwichtigsten Mann der deutschen Wirtschaftspolitik im Zusammenhang mit der Diskussion, die wir hier führen, fragen: Welche Maßnahmen — und zählen Sie uns die doch bitte auf! — beabsichtigt die deutsche Regierung zusätzlich zu den bisher schon eingeleiteten zu bewirken, um den von Woche zu Woche stärker werdenden inflationistischen Tendenzen kraftvoll entgegentreten zu können?
Herr Kollege, Sie überschätzen meine Wichtigkeit. Außerdem würde ich in der derzeitigen Situation nicht bereit sein, vorweg etwas zu sagen, was derzeit eine Frage der Kabinettsentscheidung und der Unterhaltungen mit der Bundesbank ist.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Zander.
— Nein, Sie haben keine Frage mehr, Herr Kollege Haase.
Teilen Sie meine Auffassung, Herr Staatssekretär, daß die von der CDU geforderte Anhebung der Mehrwertsteuer für Agrarerzeugnisse um 3 °/0 genau das Gegenteil von dem ist, was Herr Kollege Haase eben forderte, und gibt es in Ihrem Hause Berechnungen darüber, wie sich eine Verwirklichung dieser Forderung auf den Lebenshaltungskostenindex insbesondere für die Rentner, die einen relativ hohen Anteil für Lebensmittel ausgeben, auswirken würde?
Herr Kollege, selbstverständlich wirkt sich dies auf den Lebenshaltungskostenindex aus, wie es vielleicht auch nützlich ist, hier einmal zu sagen, daß sich allein der Ausgleich für die deutsche Landwirtschaft durch Erhöhung der EWG-Agrarpreise mit 0,5 % auf den Preisindex auswirkt.
Ich lasse noch drei Fragen zu. Bitte, Herr Kollege Müller-Hermann.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen davon, daß Herr Minister Schiller wieder in Aktion getreten sei. Man könnte vielleicht auch sagen: durch die Opposition in Aktion gesetzt worden sei.
Soll das wieder ausdrücken, daß Herr Schiller zu einer anderen sehr wichtigen Entscheidungsphase auch eine Aktion vorgesehen hatte mit dem berühmten Waterloo — und dann damals von seinem Bundeskanzler und seinen eigenen Freunden im Stich gelassen wurde?
Herr Kollege, ich bin der Ansicht, daß Herr Schiller das erstemal in Aktion getreten ist, als Ihr Kollege Kiesinger es ihm nicht erlaubt hat, daß er ein zweites Mal in Aktion getreten ist mit den Gesamtstabilisierungsmaßnahmen, und dieses ist das dritte Mal. Und präzise auf Ihre Frage geantwortet: es ist nicht die Opposition, die Herrn Schiller dazu bringt, sondern die Dollarschwemme.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Staatssekretär, da Sie sich vorher so stark zu Herrn Schiller und seiner Äuße-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971 6939
Ottrung über 3, 2, 1 % bekannt haben, frage ich Sie: Wie vereinbaren Sie damit die Äußerung des Herrn Bundeskanzlers, daß es erst dann ernst wird, wenn die Preissteigerungen 4 % überschreiten?
In der Situation, da andere Länder eine Preissteigerungsrate von durchschnittlich 6 % haben, hat der Bundeskanzler nach meiner Ansicht etwa richtig gelegen, als er bei den internationalen Verflechtungen, die wir haben, die Annäherung an 4% als eine gefährliche Schwelle betrachtete.
Letzte Frage des Herrn Abgeordneten Stücklen.
Herr Staatssekretär, Sie haben den heroischen Kampf Ihres Dienstvorgesetzten Minister Schiller hier geschildert. Der Bundestag wäre aber sicherlich sehr daran interessiert, zu erfahren, mit welchem Erfolg Herr Schiller gekämpft hat.
Herr Kollege, wenn es soweit ist und die Regierung sich entschieden hat, wird es Ihnen gesagt. Verlangen Sie bitte nicht von mir, daß ich jetzt über eine Vorentscheidung etwas ausplaudere.
Meine Damen und Herren, das war die letzte Frage. Wir sind am Ende der Fragestunde. Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär.
Ich berufe das Haus auf Freitag, den 7. Mai 1971, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.