Protokoll:
6119

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 119

  • date_rangeDatum: 6. Mai 1971

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:03 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 119. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971 Inhalt: Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 6925 A Fragestunde (Drucksache VI/2132) Frage des Abg. von Alten-Nordheim (CDU/CSU) : Produktionsabgabe der Rübenanbauer Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . 6925 D, 6926 B von Alten-Nordheim (CDU/CSU) . . 6926 A Frage des Abg. Dr. Pohle (CDU/CSU) : Einschränkung der Vergünstigungen nach dem Investitionszulagengesetz Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 6926 B, C, D Dr. Pohle (CDU/CSU) 6926 C, D Frage des Abg. Dr. Pohle (CDU/CSU) : Erklärung des Bundeswirtschaftsministers betr. Bekämpfung der Inflation Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . 6927 A, B, C, D, 6928 A, B, C, D, 6929 A, C, D, 6930 A Dr. Pohle (CDU/CSU) 6927 B, C Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . 6927 C Leicht (CDU/CSU) 6927 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 6928 A Dr. Jenninger (CDU/CSU) . . . 6928 A Niegel (CDU/CSU 6928 B Reddemann (CDU/CSU) . . . . . 6928 B Junghans (SPD) . . . . . . . . 6928 C Vogt (CDU/CSU) . . . . . . . 6928 C Breidbach (CDU/CSU) . . . . . . 6928 D Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 6928 D Ott (CDU/CSU) . . . . . . . . 6929 A Dr. Sperling (SPD) . . . . . . . 6929 B Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 6929 C Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) . . . . . . . . 6929 D Dr. Slotta (SPD) . . . . . . . 6929 D Biehle (CDU/CSU) . . . . . . . 6930 A Frage des Abg. Roser (CDU/CSU) : Teilnahme der in der Entwicklungshilfe Tätigen an den Vergünstigungen der Vermögensbildung Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 6930 A, D Roser (CDU/CSU) 6930 C, D Frage des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU) : Situation der Granitindustrie in Ostbayern Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 6931 A, B, C Dr. Jobst (CDU/CSU) 6931 B, C Dr. Sperling (SPD) 6931 C Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 6931 D II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971 Frage des Abg. Leicht (CDU/CSU) : Äußerung des Bundesministers Dr. Ehmke über das Jahr 1970 als bestes Wirtschaftsjahr in der Geschichte der Bundesrepublik Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär 6932 A, B, D, 6933 A, B, D, 6934 A, B, C, D, 6935 A, B, C, D, 6936 A, B, C, D Leicht (CDU/CSU) . . 6932 B, C, 6933 B Breidbach (CDU/CSU) . . 6932 D, 6936 D Dr. Jenninger (CDU/CSU) . . . . 6933 A Dr. Apel (SPD) . . . . . . . . 6933 C Lenders (SPD) . . . . 6933 D, 6935 D Pieroth (CDU/CSU) . . . . 6934 B, C, D Dr. Pohle (CDU/CSU) . . . . . . 6934 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 6935 A Zander (SPD) . . . . . . . . . 6935 B Dr. Evers (CDU/CSU) . . . . . . 6935 C Ott (CDU/CSU) . . . . . . . . 6936 A Dr. Schachtschabel (SPD) . . . . . 6936 B Stücklen (CDU/CSU) . . .. . 6936 B Dr. von Bismarck (CDU/CSU) . . 6936 C Frage des Abg. Leicht (CDU/CSU) : Preissteigerungsrate des Bruttosozialprodukts im Jahre 1970 Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär 6937 A, B, C, D, 6938 A, B, C, D, 6939 A, C Leicht (CDU/CSU) . . . . . 6937 A, B Dr. Apel (SPD) . . . . . . . . 6937 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 6937 D Breidbach (CDU/CSU) 6938 A Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . 6938 B Zander (SPD) . . . . . . . . 6938 C Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 6938 D Ott (CDU/CSU) . . . . . . . 6938 D Stücklen (CDU/CSU) 6939 A Nächste Sitzung 6939 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 6941 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Matthöfer (SPD) betr. Steuerausfall infolge Absetzung von Bewirtungskosten und ähnlichen Spesen als Betriebsausgaben . . . . . . . . 6941 D Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Hauff (SPD) betr. Anhebung der Versicherungstarife für Motorräder und Motorroller . . . . . 6941 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971 6925 119. Sitzung Bonn, den 6. Mai 1971 Stenographischer Bericht Beginn: 14.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 List der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Adams * 7. 5. Dr. Aigner * 7. 5. Dr. Arndt (Berlin) * 7. 5. Dr. Artzinger * 8. 5. Dr. Bach 7. 5. Bals ** 6. 5. Behrendt * 7. 5. Becker (Nienberge) 7. 5. Benda 7. 5. Dr. von Bülow 6. 5. Dr. Burgbacher * 6. 5. Buschfort 11. 5. Dasch 15. 5. Dr. Dittrich * 7. 5. Dorn 6. 5. Dröscher * 7. 5. Faller * 7. 5. Fellermaier 7. 5. Flämig * 7. 5. Freiherr von Fircks 7. 5. Frehsee 7. 5. Dr. Früh 6. 5. Dr. Furler * 7. 5. Gallus 6. 5. Geldner 31. 5. Gerlach (Emsland) * 7. 5. Freiherr von und zu Guttenberg 15. 5. Hanz 7. 5. von Hassel 7. 5. Dr. Heck 7. 5. Frau Herklotz 7. 5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 7. 5. Dr. Kempfler 7. 5. Dr. Klepsch ** 6. 5. Klinker * 7. 5. Dr. Koch * 7. 5. Krall 7. 5. Kriedemann * 7. 5. Lange * 7. 5. Lautenschlager * 7. 5. Lemmrich ** 6. 5. Lenze (Attendorn) ** 6. 5. Liehr 7. 5. Dr. Löhr * 15. 5. Lücker (München) * 7. 5. Maucher 26. 6. Meister * 7. 5. Memmel * 7. 5. Michels 6. 5. Müller (Aachen-Land) * 7. 5. Dr. Müller-Emmert 7. 5. Frau Dr. Orth * 7. 5. Pensky 7. 5. Picard 9. 5. *Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Pöhler ** 6. 5. Dr. Reinhard 14. 5. Richarts * 7. 5. Richter ** 6. 5. Riedel (Frankfurt) * 7. 5. Rinderspacher ** 6. 5. Rollmann 18. 5. Schirmer 6. 5. Dr. Schmidt (Gellersen) 14. 5. Schmitz (Berlin) 6. 5. Schulhoff 7. 5. Dr. Schulz (Berlin) 7. 5. Schwabe * 11.5. Dr. Schwörer * 7. 5. Seefeld * 7. 5. Simon 14. 5. Springorum * 7. 5. Dr. Stark (Nürtingen) 7. 5. Stein (Honrath) 15. 5. Dr. Stoltenberg 7. 5. Strauß 12. 5. Frau Tübler 7. 5. Walkhoff 7. 5. Frau Dr. Walz ** 6. 5. Werner * 7. 5. Wolfram * 7. 5. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 6. Mai 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Matthöfer (SPD) (Drucksache VI/2132 Frage A 25) : wie hoch schätzt die Bundesregierung den Steuerausfall, der in den Jahren 1969 und 1970 durch die Möglichkeit der Absetzung von Bewirtungskosten und ähnlichen Spesen als Betriebsausgaben entstanden ist? Der Steuerausfall, der durch die Möglichkeit der Absetzung von Bewirtungskosten für Geschäftsfreunde und von ähnlichen Spesen nach § 4 Abs. 5 EStG als Betriebsausgaben entstanden ist, kann nach den fortgeschriebenen steuerstatistischen Unterlagen für das Jahr 1969 mit rd. 465 Millionen DM und für 1970 mit rd. 510 Millionen DM veranschlagt werden. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rosenthal vom 5. Mai 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Hauff (SPD) (Drucksache VI/2132 Frage A 33) : Welche statistischen Zahlen rechtfertigen nach Meinung der Bundesregierung den außerordentlich starken Anstieg der Versicherungstarife für Motorräder und Motorroller? 6942 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1971 Die Prämien in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung für Motorräder und Motorroller, die seit 1. Januar 1965 sechs Jahre unverändert geblieben waren, mußten zum 1. Januar 1971 erhöht werden. Grundlage für die Beitragskalkulation in der Kraftfahrtversicherung ist der Schadenbedarf — das sind die durchschnittlichen Schadenaufwendungen je Versicherungsvertrag — jeder einzelnen Fahrzeugart und -stärkegruppe. Die Versicherungsunternehmen sind verpflichtet, jedes Jahr entsprechende Übersichten über den Schadenverlauf ihres Bestandes zu führen. Die Übersichten aller Unternehmen werden zu einer „Gesamtstatistik der Kraftfahrtversicherung" zusammengefaßt. Nach dieser Gesamtstatistik ist der Schadenbedarf der sog. Kleinkrafträder (bis 50 ccm Hubraum) von 62 DM im Jahre 1963 — diese Zahlen lagen den bis Ende 1970 geltenden Prämien zugrunde — auf 148 DM im Jahre 1969, also in 6 Jahren um 138,7 %, gestiegen. Bei den Krafträdern und Motorrollern über 50 ccm Hubraum betrug die Zunahme des Schadenbedarfs insgesamt 54%; sie war jedoch in den einzelnen sog. Wagnisstärkegruppen sehr unterschiedlich. In der Gruppe der Fahrzeuge von 101 bis 175 ccm, zu der 45,2% aller Motorräder und Motorroller über 50 ccm gehören, ist der Schadenbedarf nur um 13,5% gestiegen. Die Prämien sind jedoch in den genannten Gruppen zum 1. Januar 1971 nur in einem geringeren Ausmaß, nämlich bei Kleinkrafträdern um 118 % und bei Krafträdern von 101 bis 175 ccm um 9 % erhöht worden. Dabei muß berücksichtigt werden, daß die Beiträge ausreichen müssen, um die im Jahre 1971 verursachten Schäden decken zu können.
Gesamtes Protokol
Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611900000
Die Sitzung ist eröffnet.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 30. April 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Leicht, Dr. Wagner (Trier), Dr. Gölter, Bremm, Richarts, Josten und Genossen betr. Situation auf dem Weinmarkt in Rheinland-Pfalz — Drucksache VI/2100 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/2145 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dorn Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
EWG-Vorlagen
Verordnung zur Änderung der Verordnung (EWG, EURATOM, EGKS) Nr. 2/71 des Rates vom 2. Januar 1971 zur Durchführung des Beschlusses vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften
— Drucksache VI/2133 —überwiesen an den Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 159/66/EWG in bezug auf den Bestimmungszweck der Erzeugnisse, die Gegenstand einer Intervention auf dem Sektor Obst und Gemüse waren
— Drucksache VI/1847 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Einführung einer gemeinsamen Ausfuhrregelung und Eröffnung eines mengenmäßigen Ausfuhrkontingents der Gemeinschaft für bestimmte Bearbeitungsabfälle und Aschen von NE-Metallen (Kupfer, Blei und Aluminium)

— Drucksache VI/1894 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung lin Rat
Verordnung des Rates mit allgemeinen Regeln für die Gewährung von Beihilfen für die private Lagerhaltung von Flachs und Hanf
— Drucksache VI/1895 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Änderung bestimmter Vorschriften der Verordnung Nr. 543/69 des Rates vom 25. März 1969 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr
— Drucksache VI/1896 —überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) Nr. 348/71 des Rates vom 18. Februar 1971 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1432/70 über die Anpassung der von Frankreich zu zahlenden, infolge der Abwertung des französischen Franken herabgesetzten Interventions- oder Ankaufspreise
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Verordnung (EWG) Nr. 326/71 des Rates vom 15. Februar 1971 zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung der Erstattungen bei der Ausfuhr sowie der Kriterien für die Festsetzung der Erstattungsbeträge für Rohtabak
Verordnung (EWG) Nr. 327/71 des Rates vom 15. Februar 1971 zur Festsetzung bestimmter Grundregeln für die Verträge über die erste Bearbeitung und Aufbereitung für Lagerverträge sowie für den Absatz des im Besitz der Interventionsstellen befindlichen Tabaks
Verordnung (EWG) Nr. 328/71 des Rates vom 15. Februar 1971 zur Festlegung von Übergangsbestimmungen hinsichtlich der von der Interventionsstelle Italiens durchzuführenden Verträge über die erste Bearbeitung und Aufbereitung von Rohtabak
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Verordnung (EWG) Nr. 275,71 des Rates vom 8. Februar 1971 zur Festsetzung der Interventionspreise für frische oder gekühlte Sardinen und Sardellen für die Zeit bis zum 31. Dezember 1971
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Einziger Punkt der Tagesordnung ist die Fragestunde
— Drucksache VI/2132 —
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung ist der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Reischl anwesend.
Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Matthöfer auf. — Herr Matthöfer ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten von Alten-Nordheim auf:
Welche Gründe veranlassen das Bundesfinanzministerium, die Produktionsabgabe der Rübenanbauer als eine Entgeltminderung anzusehen, obwohl diese — nach der Verordnung über die Erhebung einer Produktionsabgabe für Zucker vom 13. Mai 1969 — doch unbestritten eine öffentliche Abgabe sein dürfte?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611900100
Nach Auffassung des Bundesministers der Finanzen und der obersten Finanzbehörden der Länder mindert die Produktionsabgabe für Zucker das Entgelt der Rübenanbauer, soweit diese die Abgabe den abgabepflichtigen Zuckerfabriken erstatten müssen. Die Er-



Parlamentarischer Staatssekretär Reischl
stattung der Produktionsabgabe steht in engem sachlichen und wirtschaftlichem Zusammenhang mit den vorangegangenen Rübenlieferungen. Die Rübenanbauer, die durch ein Überangebot von Rüben die abgabepflichtige Überproduktion von Zucker mittelbar verursacht haben, müssen auf Grund entsprechender Hinweise in den Rübenlieferungsverträgen von vornherein damit rechnen, an der Produktionsabgabe beteiligt zu werden. Bemessungsgrundlage für ihren Anteil an der Abgabe ist die Menge an Zuckerrüben, die sie über die ihnen zugewiesene Grundquote hinaus an die Zuckerfabriken geliefert haben. Ihre Beteiligung an der Produktionsabgabe wirkt sich demnach so aus, daß sie letztlich für die sogenannten Überrüben einen geringeren Kaufpreis von den Zuckerfabriken erhalten.
Ähnlich anderen öffentlichen Abgaben — wie beispielsweise die Beiträge zum Absatzfonds oder die besonderen Verbrauchsteuern beeinflußt die Produktionsabgabe für Zucker unmittelbar das zwischen den beteiligten Unternehmern vereinbarte Entgelt und damit die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Sie kann daher umsatzsteuerlich nicht neutral behandelt werden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611900200
Eine Zusatzfrage von Herrn von Alten-Nordheim.

Odal von Alten-Nordheim (CDU):
Rede ID: ID0611900300
Herr Staatssekretär, würde die Handhabung einer de facto praktizierten Erlösminderung nicht letztlich der gesetzlichen Mindestpreisregelung zuwiderlaufen?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611900400
Das möchte ich nach Lage der Dinge nicht behaupten.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611900500
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Dr. Pohle auf:
Erwägt die Bundesregierung, die Vergünstigungen nach dem Investitionszulagengesetz (Artikel 1 des Steueränderungsgesetzes 1969) einzuschränken, wenn ja, in welchem Umfang, zu welchem Zeitpunkt und aus welchen Gründen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611900600
Die Bundesregierung beabsichtigt zur Zeit keine Änderung des Investitionszulagengesetzes mit der Wirkung, daß die ursprünglich geschätzten Steuerausfälle verringert werden. Eine Gesetzesänderung könnte sich jedoch als notwendig erweisen, wenn sich herausstellen sollte, daß das Volumen der Einnahmeausfälle durch die Investitionszulage wesentlich höher ist, als bei Verabschiedung des Gesetzes angenommen wurde. Außerdem wird die Bundesregierung zu prüfen haben, ob sich durch die Überführung der regionalen Wirtschaftsförderung des Bundes in die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", mit der voraussichtlich am 1. Januar 1972 begonnen wird, Auswirkungen für das Investitionszulagengesetz ergeben, die dessen Änderung erforderlich machen. Die Bundesregierung erinnert in diesem Zusammenhang auch an die Entschließung des Deutschen Bundestages zum Steueränderungsgesetz 1969 vom 18. Juni 1969, durch die sie aufgefordert ist, darzutun, inwieweit gesetzliche Maßnahmen zur Vermeidung von Überschneidungen des Investitionszulagengesetzes mit dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" erforderlich sind.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611900700
Keine Zusatzfrage.

Dr. Wolfgang Pohle (CSU):
Rede ID: ID0611900800
Doch, ich habe eine Zusatzfrage, Frau Präsidentin.
Herr Staatssekretär, kann ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß, wenn die regionale Wirtschaftsförderung des Bundes in die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" übergeführt wird, effektiv an eine Änderung des Investitionszulagengesetzes gedacht wird?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611900900
Letztlich läßt sich die Frage noch nicht sicher beantworten, weil man erst sehen muß, was bei der Überführung zahlenmäßig herauskommt. Aber es besteht immerhin eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß die Frage in diesem Zusammenhang zumindest geprüft werden muß.

Dr. Wolfgang Pohle (CSU):
Rede ID: ID0611901000
Darf ich eine zweite Zusatzfrage stellen. Herr Staatssekretär, es steht noch die Antwort auf die Kleine Anfrage meiner Kollegen Dr. Sprung, Dr. Warnke, Weigl und Genossen über die Auswirkungen des Investitionszulagengesetzes aus. Sind Sie in der Lage und bereit — das ist die Frage —, mir nach Durchführung dieser Erhebungen, die auf Grund dieser Kleinen Anfrage durch das Bundesfinanzministerium angestellt worden sind, eine konkrete Antwort hinsichtlich des weiteren Schicksals des Investitionszulagengesetzes zu erteilen, und wann kann ich mit einer solchen Antwort rechnen?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611901100
Herr Kollege, bis jetzt läßt sich das noch nicht machen, weil die Erhebung tatsächlich noch nicht abgeschlossen ist. Es sind umfangreiche Erhebungen draußen bei den Außenbehörden. Wir hoffen, daß wir das Ergebnis dieser Sondererhebung noch im Laufe dieses Monats, also des Monats Mai, vorliegen haben. Dann wird die Kleine Anfrage unverzüglich beantwortet, für die ja extra deswegen Fristverlängerung beantragt worden ist. Dann kann Ihnen selbstverständlich auch diese Auskunft gegeben werden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611901200
Keine weitere Zusatzfrage.



Vizepräsident Frau Funcke
Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Dr. Pohle auf:
Entspricht die Erklärung des Bundeswirtschaftsministers im Deutschen Fernsehen am 27. April, zur Bekämpfung der hausgemachten Inflation sei eine sparsame Haushaltspolitik der öffentlichen Hand und eine „sehr harte drastische Konsolidierung der mittelfristigen Finanzplanung" erforderlich, der Auffassung der Bundesregierung?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611901300
Die Erklärung, die der Herr Bundesminister für Wirtschaft am 27. April 1971 in der Tagesschau des Deutschen Fernsehens abgegeben hat, entspricht in vollem Umfang der Auffassung der Bundesregierung. Im laufenden Haushaltsjahr ist die Bundesregierung um eine zurückhaltende Ausgabenpolitik bemüht. Mögliche Steuermehreinnahmen sollen nicht zu einer Erhöhung der Ausgaben, sondern entsprechend den Empfehlungen des Konjunkturrates und des Finanzplanungsrates zu einer Verminderung der Kreditaufnahme verwendet werden. Für die Folgejahre steht die Bundesregierung bei der Fortschreibung des Finanzplans im kommenden Herbst vor schwierigen und teilweise harten Entscheidungen, um die berechtigten Ausgabewünsche mit den finanziellen Möglichkeiten einerseits und den gesamtwirtschaftlichen Notwendigkeiten andererseits in Einklang zu bringen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611901400
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Pohle.

Dr. Wolfgang Pohle (CSU):
Rede ID: ID0611901500
Herr Staatssekretär, wie vereinbart sich die im ersten Quartal 1971 zugelassene Steigerung der Bundesausgaben um 18,1 % mit dieser nun auch vom Bundeswirtschaftsminister mit Nachdruck vorgetragenen Forderung nach einer sparsamen Haushaltspolitik?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611901600
Herr Kollege, zu dieser Frage wird der Bundesminister der Finanzen bei der Beantwortung ,der Kleinen Anfrage, die Sie selbst zusammen mit einigen Kollegen aus der Fraktion der CDU/CSU am 30. April 1971 zur Haushaltsführung 1971 gestellt haben, ausführlich Stellung nehmen.
Schon heute darf ich dazu aber einiges bemerken. Zu einem großen Teil ist der Ausgabenanstieg im ersten Quartal 1971 auf besondere Umstände bei der kassenmäßigen Abwicklung bereits früher eingegangener Verpflichtungen zurückzuführen. So sind beispielsweise die Mittel für ,den Straßen- und den Hochschulbau infolge des milden Winters weitaus stärker abgeflossen als in der gleichen Zeit des Vorjahres. Zweitens: Im Rahmen des Devisenausgleichs für die USA wurde im ersten Quartal 1971 ein Betrag von 360 Millionen DM geleistet, der 1970 erst im zweiten Quartal gezahlt wurde. Die vom Bundesminister der Finanzen angeordnete Beschränkung der Ausgaben und der Inanspruchnahme von Verpflichtungsermächtigungen in den Hauptgruppen 5 bis 8 auf 70 bzw. 80 v. H. der Ansätze konnte sich daher noch nicht sichtbar auf der Ausgabenseite niederschlagen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611901700
Noch eine Zusatzfrage.

Dr. Wolfgang Pohle (CSU):
Rede ID: ID0611901800
Teilen Sie nicht meine Auffassung, Herr Staatssekretär Dr. Reischel, daß die Steigerung der Bundesausgaben im ersten Quartal 1971 um 18,1 % konjunkturwidrig ist und preistreibend wirkt?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611901900
Nein, Herr Kollege. Das kann ich angesichts der Tatsache, daß diese Ausgaben durch die Bedingungen begründet waren, die ich gerade genannt habe, nicht sagen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611902000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Haase (Kassel).

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0611902100
Herr Staatssekretär, um das, was der Kollege Pohle soeben fragte, noch einmal ganz deutlich zu machen, frage ich Sie: stimmen Sie mir darin zu, daß angesichts der gegenwärtigen Bruttosozialproduktsteigerung von etwa 5 % der Anstieg der Bundesausgaben um 18 % im ersten Quartal eine Inflationsquelle ersten Ranges darstellt?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611902200
Nein, Herr Kollege. Angesichts der Tatsachen stimme ich Ihnen nicht zu.

(Abg. Haase [Kassel] : Dann ist Ihnen nicht mehr zu helfen!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611902300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Leicht.

(Abg. Dr. Apel: So etwas muß doch gerügt werden!)


Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0611902400
Herr Kollege Dr. Reischl, ist die Entschuldigung für die hohe Steigerungsrate im ersten Vierteljahr 1971, daß u. a. für den Devisenausgleich 360 Millionen DM hätten gezahlt werden müssen, tatsächlich richtig, und kann diese Zahlung überhaupt zu einem Vergleich herangezogen werden, nachdem Sie noch im Dezember 1969 — wenn ich mich recht entsinne für das Jahr 1970, und zwar das erste Halbjahr 1970, mehr als 400 Millio nen DM vorweg gezahlt haben?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611902500
Herr Kollege, das kann ich ohne Nachprüfung der Zahlen nicht beantworten.

(Lachen bei der CDU/CSU. — Abg. Leicht: Das ist nämlich damals die Manipulation gewesen!)





Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611902600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0611902700
Herr Staatssekretär, vorausgesetzt, die These ist richtig — und sie ist richtig —, daß 50% der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik Psychologie ist, glauben Sie, daß eine Ausgabensteigerung beim Bund von mehr als 18 % im ersten Quartal dieses Jahres die Argumentation der Bundesregierung zu rechtfertigen in der Lage ist, wenn sie von allen auf den Wirtschaftsprozeß Einfluß nehmenden Gruppen Disziplin erwartet?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611902800
Die Bundesregierung hat bei der Ausführung des Haushaltsplans im ersten Vierteljahr ebenfalls Disziplin bewahrt.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Die Faktoren, die darüber hinaus dazu geführt haben, daß die Ausgaben sich erhöhten, habe ich Ihnen doch dargestellt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611902900
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jenninger.

Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID0611903000
Herr Staatssekretär, wenn Sie schon die Frage des Kollegen Haase nicht beantworten konnten, stimmen Sie dann wenigstens der Aussage von Herrn Bundeswirtschaftsminister Schiller zu, daß an dieser inflationären Entwicklung alle Faktoren schuld hätten, ganz besonders die Entwicklung im öffentlichen Haushalt?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611903100
Das kann man so absolut für den Bundeshaushalt jedenfalls nicht sagen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611903200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0611903300
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, weil Sie vorhin dem Devisenausgleich eine so überragende Bedeutung bei der Steigerung der Ausgaben zugemessen haben, wie hoch der prozentuale Anteil des Devisenausgleichs an der Steigerung um 18 % ist?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611903400
Das kann ich so nicht, das müßte ich erst nachrechnen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611903500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Reddemann.

Dr. Gerhard Reddemann (CDU):
Rede ID: ID0611903600
Herr Staatssekretär, wenn eine Steigerung der Ausgaben um 18 % bei Ihnen noch „Disziplin" ist, bei welchem Prozentsatz endet die Ausgabendisziplin?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611903700
Herr Kollege, ich habe nicht gesagt, daß 18 % Ausgabendisziplin seien, sondern ich habe erklärt, warum es so viel war. Die eigentliche Ausgabensteigerung ist eben nicht so hoch, sondern es sind die zusätzlichen Faktoren, die dazu geführt haben.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611903800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Junghans.

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0611903900
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung für das gute Bauwetter in diesem Frühjahr verantwortlich?

(Lachen bei der CDU/CSU.)


Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611904000
. Für das Wetter sind wir noch nicht verantwortlich.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611904100
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Vogt.

Wolfgang Vogt (CDU):
Rede ID: ID0611904200
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß es in Anbetracht der bisherigen Entwicklung sinnvoller gewesen wäre, dem Vorschlag der CDU/CSU zu folgen und den Haushalt für 1971 in einen Kernhaushalt und einen Eventualhaushalt aufzuspalten.

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611904300
Nein, dieser Meinung bin ich nicht.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611904400
Frage des Herrn Abgeordneten Breidbach.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0611904500
Herr Staatssekretär, vorausgesetzt, man folgt Ihren Entschuldigungsgründen für die Steigerungsrate des Bundeshaushalts auf 18,1 % im ersten Vierteljahr dieses Jahres, würden Sie denn nicht zugeben, daß allein schon die Zahl die psychologische Wirkung der Preissteigerung ausüben muß und Anreize bietet?

(Abg. Dr. Apel: Durch diese Frage schon!)


Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611904600
Die Zahl übt dann die psychologische Wirkung aus, wenn dauernd darauf herumgetrampelt wird, sonst nicht.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611904700
Herr Kollege Schulze-Vorberg!

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0611904800
Herr Staatssekretär, da Sie im Deutschen Fernsehen der Aussage des Herrn Bundeswirtschaftsministers für die Bundesregierung ausdrücklich zugestimmt haben und da der Herr Bundeswirtschaftsminister unter den hausgemachten Preis- und Kostensteigerungen



Dr. Schulze-Vorberg
ausdrücklich Entwicklungen im Bereich der öffentlichen Haushalte aufgezählt hat, was meinen Sie denn nun eigentlich, nachdem Sie bestreiten, der Bundeshaushalt habe dazu beigetragen?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611904900
Ich habe doch nicht bestritten, daß der öffentliche Haushalt eine so starke Steigerung hatte. Ich habe nur die Gründe für den Bundeshaushalt angeführt, warum das so war. Meines Erachtens wird das im zweiten Quartal nicht so bleiben.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611905000
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Ott.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0611905100
Herr Staatssekretär, nachdem Sie sich vorhin bei der Ausgabensteigerung auf einen Satz von 18 % im Frühjahr 1971 im Vergleich zu 1970 berufen haben, stimmen Sie mit mir darin überein, daß der Basisbetrag 1970 davon beeinflußt war, daß Ihre Regierung und Ihr Haus im Frühjahr 1970 bis zu 2 Milliarden DM ausgegeben, diese aber noch in der Haushaltsrechnung 1969 verbucht hat?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611905200
Das trifft gerade nicht zu. Im ersten Quartal 1970 ist der Haushalt doch besonders restriktiv gefahren worden, wie Sie selbst wissen. Wir hatten ja damals gar keinen festgestellten Haushalt, sondern wir mußten auf Grund des Haushaltes 1969 mit Kürzungsraten weiterarbeiten.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Der neue Haushalt ist ja erst im Sommer beschlossen worden.

(Abg. Haase [Kassel] : Sie nehmen uns auf die Schippe!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611905300
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (SPD):
Rede ID: ID0611905400
Herr Staatssekretär, könnten Sie den Kollegen von der Opposition bestätigen, daß aus deren Reihen auch nicht die geringsten Vorschläge vorliegen, wo man Haushaltseinsparungen hätte vornehmen können,

(Abg. Haase [Kassel] : Kommen Sie mal in den Haushaltsausschuß! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben keine Ahnung!)

und daß -die Fragen hier nur alle umgemünzt werden, um Entschuldigungsgründe zu finden, obwohl ein CDU-Finanzminister genau dieselben Erklärungen abgeben müßte?

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611905500
Ich bin Ihrer Meinung.

(Oho-Rufe bei der CDU/CSU. — Abg. Haase [Kassel] : Kommen Sie mal in den Haushaltsausschuß, Herr Kollege, Sie sind ein bißchen zuwenig da! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Dann müssen Sie abtreten!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611905600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0611905700
Herr Staatssekretär, nachdem Sie eben diese Frage bejaht haben, darf ich Sie fragen: Ist Ihnen nicht bekannt, daß die CDU/CSU nicht nur im Haushaltsausschuß, sondern auch im Plenum des Bundestages Kürzungsvorschläge über 2 Milliarden DM hinaus spezifiziert vorgetragen hat, daß diese Anträge von Ihnen abgelehnt wurden und daß zu Ende des Jahres Ihr Herr Minister erklärt hat, man habe ja nun doch erreichen können, daß Einsparungen erfolgt seien.

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611905800
Das letztere ist mir bekannt.

(Lachen bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611905900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schulte.

Dr. Dieter Schulte (CDU):
Rede ID: ID0611906000
Herr Staatssekretär, ist angesichts der von Bundesminister Schiller geforderten sehr harten drastischen Konsolidierung der mittelfristigen Finanzplanung in den Jahren bis 1975 noch mit einer Verwirklichung der Steuersenkungszusagen — Abbau der Ergänzungsabgabe und Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrages — zu rechnen?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611906100
Ich glaube, diese Frage steht im Moment nicht zur Debatte.

(Lachen bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Steht auch in keinem Zusammenhang!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611906200
Meine Damen und Herren, ich lasse noch zwei Fragen zu. Allmählich verliert sich der Zusammenhang zwischen der Ursprungsfrage und den Anschlußfragen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Daran sind wir nicht schuld! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Slotta.

Dr. Günter Slotta (SPD):
Rede ID: ID0611906300
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, eine Untersuchung über das Haushaltsgebaren in den CDU-regierten Ländern für den in Frage kommenden Zeitraum anstellen zu lassen?

(Abg. Haase [Kassel] : Hic Rhodos, hic salta!)





Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611906400
Das kann ich gern tun.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611906500
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Biehle.

Alfred Biehle (CSU):
Rede ID: ID0611906600
Herr Staatssekretär, nachdem Sie festgestellt haben, daß Sie im ersten Halbjahr 1970, insbesondere im Frühjahr, keinen Haushalt gehabt haben, haben Sie wenigstens Vorstellungen und Pläne für diese miserable Finanzpolitik gehabt?

(Oh-Rufe bei der SPD.)


Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611906700
Ich glaube, darauf brauche ich überhaupt nicht einzugehen, denn die Finanzpolitik war nicht miserabel.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611906800
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Roser auf:
Ist sichergestellt, daß die in der Entwicklungshilfe, insbesondere auch in privaten Organisationen tätigen deutschen Helfer und Experten en den Vergünstigungen der Vermögensbildung, des Prämiensparens, Bausparens usw. teilhaben?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611906900
Die Vermögensbildung der Arbeitnehmer wird zur Zeit durch das Dritte Vermögensbildungsgesetz gefördert. Hierbei handelt es sich um ein arbeitsrechtliches Gesetz, das auf alle Arbeitnehmer Anwendung findet, deren Arbeitsverhältnis vom deutschen Arbeitsrecht erfaßt wird.
Daraus ergibt sich, daß die Förderungsmaßnahmen des Gesetzes ohne weiteres auch von den im Rahmen der deutschen Entwicklungshilfe von staatlichen oder privaten Einrichtungen ins Ausland entsandten Arbeitnehmern beansprucht werden können, solange die entsendende Einrichtung Arbeitgeber bleibt und das Arbeitsverhältnis unter das deutsche Arbeitsrecht fällt.
Dabei ist unerheblich, ob der Entwicklungshelfer wegen der Beibehaltung seines inländischen Wohnsitzes weiterhin unbeschränkt steuerpflichtig oder wegen Aufgabe des inländischen Wohnsitzes nur beschränkt steuerpflichtig ist. Das Dritte Vermögensbildungsgesetz stellt auf diese steuerrechtlichen Begriffe nicht ab.
Die vom Deutschen Entwicklungsdienst in die Entwicklungsländer entsandten Helfer sind allerdings keine Arbeitnehmer und beziehen auch keinen Arbeitslohn. Auf diese Personen findet das Dritte Vermögensbildungsgesetz somit keine Anwendung. Dagegen ist es für die Gewährung der Sparprämien und Wohnungsbauprämien erheblich, ob der Entwicklungshelfer einen inländischen Wohnsitz beibehält. Nach den Vorschriften der Prämiengesetze ist Voraussetzung für die Gewährung einer Sparprämie oder Wohnungsbauprämie, daß der Sparer unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist, d. h. im
Inland einen Wohnsitz hat. Im Hinblick darauf, daß unbeschränkt steuerpflichtige Personen im Grundsatz ihre gesamten Einkünfte einschließlich der Einkünfte aus dem Ausland im Inland zu versteuern haben, während beschränkt steuerpflichtige Personen nur mit ganz bestimmten Teilen ihres Einkommens im Inland steuerpflichtig sind, erscheint die gesetzliche Regelung, daß nur unbeschränkt steuerpflichtige Personen prämienberechtigt sind, sachlich gerechtfertigt. Hinzu kommt, daß es wohl kaum möglich wäre, generell im Ausland ansässigen Personen Prämien zu zahlen.
Gleichwohl wird im Rahmen der eingeleiteten Reform der Sparförderung die Frage geprüft werden, ob in bestimmten Ausnahmefällen, wie beispielsweise bei beschränkt steuerpflichtigen Entwicklungshelfern, die Grundsätze für die Gewährung von Sparprämien und Wohnungsbauprämien denjenigen für die Gewährung der Arbeitnehmersparzulage angepaßt werden könne. Ich kann jedoch nicht verhehlen, daß es sich hierbei im Hinblick auf mögliche Berufungsfälle um ein schwieriges Problem handelt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611907000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Roser.

Hans Roser (CSU):
Rede ID: ID0611907100
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es sich hier in individuellen Fällen oft um harte Benachteiligungen handelt, und sind Sie der Meinung, daß versucht werden müßte, hier alsbald zu einer Verbesserung und Gleichstellung zu kommen?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611907200
Ich bin Ihrer Meinung, daß diese Frage sehr gründlich geprüft werden muß. Denn es gibt sicher Härtefälle, die bei einer anderen Lösung vermeidbar wären.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611907300
Zweite Zusatzfrage.

Hans Roser (CSU):
Rede ID: ID0611907400
Welche konkreten Initiativen hat die Bundesregierung ergriffen, um hier zu einer Verbesserung zu kommen, meinetwegen auch auf dem Wege der Gesetzgebung?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0611907500
Die Frage wird im Rahmen der Steuerreform geprüft. Wir haben es grundsätzlich unterlassen, grundlegende Steueränderungen noch vor der Steuerreform in die Wege zu leiten. Es werden nur diejenigen Änderungen durchgeführt, die durch Verfassungsgerichtsurteil oder aus ähnlichen Gründen notwendig geworden sind.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611907600
Keine weitere Zusatzfrage. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen beantwortet. Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär.



Vizepräsident Frau Funcke
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rosenthal zur Verfügung.
Die Fragen 30 und 31 werden auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Schedl auf. Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Auch die Frage 33 wird auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet. Auch diese Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die bedrängte Situation der Granitindustrie in Ostbayern, in die sie durch die hohen Importe von Bord- und Pflastersteinen für den Straßenbau geraten ist?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611907700
Herr Kollege, die Lage ist uns bekannt. Nicht bekannt ist uns, daß in der letzten Zeit eine Zuspitzung auf diesem Gebiet stattgefunden hat; denn wir sind weder von dem Verband dieser Industrie noch von der bayerischen Landesregierung angegangen worden.
Darüber hinaus darf ich Sie darauf verweisen, daß hier nicht einseitige Gründe, nämlich Gründe der Einfuhr, maßgebend sind wenn Sie wollen, kann ich Ihnen diese Zahlen nennen —, sondern daß sich hinsichtlich der Verwendung insbesondere der sogenannten Leistensteine und auch der Pflastersteine eine Änderung ergeben hat. Diese Steine sind beim Straßenbau und auch in anderen Bereichen durch andere Baumittel — durch „Abtreppung" ; man lernt hier viel dazu — ersetzt worden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611907800
Eine Zusatzfrage, bitte schön!

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0611907900
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß die Marktsituation dadurch erheblich verschoben wurde, daß in der letzten Zeit in verstärktem Maße Importe aus Ostblockländern zu uns hereingekommen sind?

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611908000
Herr Kollege, ich stimme Ihnen darin nicht zu. Denn die Importe generell haben sich in den letzten drei Jahren — von 1968 über 1969 auf 1970 — nur von 12 über 13 auf 15 Millionen DM erhöht. Die Importe aus dem Ostblock liegen bei etwa 2,5 Millionen DM. Wenn Sie die gesamte Produktion in Höhe von 45 Millionen DM anschauen, ist das ein verhältnismäßig geringer Anstieg. Und das ist nicht der Hauptgrund.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611908100
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0611908200
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir in der Auffassung zu, daß durch diese Importe insbesondere die ostbayerische Granitindustrie stark betroffen ist?

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611908300
Nein, ich stimme Ihnen nicht zu. Ich muß Sie darauf hinweisen, daß der Einbruch — ich wiederhole es — durch einen teilweisen Ersatz dessen, was diese ostbayerischen Werke produzieren, eingetreten ist. Die ostbayerische Industrie hat auf diesem Sektor einen hohen Anteil, ich glaube, einen Anteil von 35 Millionen an 45 Millionen DM insgesamt. Aber die ostbayerische Industrie ist an diesen Einfuhren z. B. aus Rumänien und aus der CSSR beteiligt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611908400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (SPD):
Rede ID: ID0611908500
Herr Staatssekretär, haben die vom Kollegen Jobst beklagten Importe nicht wenigstens den Vorteil, daß sie preisauftriebsdämpfend gewirkt haben, so daß die Ausgaben der öffentlichen Hand weniger in Anspruch genommen wurden?

(Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU.)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611908600
Herr Kollege, das kann sein. Aber in dieser Frage geht es um eine Industrie, die in großen Schwierigkeiten ist, weil das, was sie produziert, nicht mehr so stark verlangt wird. Wir hatten schon im Jahre 1968 geraten, eine Analyse der Veränderungen in der betroffenen Industrie vorzunehmen.
Darüber hinaus möchte ich dem Kollegen, der ursprünglich die Frage gestellt hatte, noch anheimstellen, in dieser Industrie darauf hinzuwirken, daß die Empfehlungen, die für die Umstrukturierung gemacht worden sind, auch befolgt werden. Denn die Hauptempfehlung beinhaltete eine größere Kooperation innerhalb dieser Industrie, und diese Kooperation hat bisher nicht stattgefunden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611908700
Eine Frage des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0611908800
Herr Staatssekretär, darf ich in Ergänzung der Frage des Kollegen Sperling fragen, ob es zutrifft, daß die Preissteigerungen im Straßenbau im vergangenen Jahr bei etwa 18 % gelegen haben?

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611908900
Herr Kollege, diese Frage gehört nun wirklich nicht mehr zu der Frage nach der Granitindustrie;

(Lachen bei der CDU/CSU) ich kann sie also nicht zulassen.

Es werden keine weiteren Zusatzfragen gestellt. Ich rufe somit Frage 35 des Herrn Abgeordneten Leicht auf:



Vizepräsident Frau Funcke
Worauf stützt die Bundesregierung die von Bundesminister Ehmke gemäß Pressemeldung (Rundschau am Sonntag vom 28. März 1971) aufgestellte Behauptung, daß 1970 das beste Wirtschaftsjahr in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gewesen sei?

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611909000
Herr Kollege Leicht, Minister Ehmke hat gesagt „eines der besten", nicht „das beste". Und das stimmt. Vergleichen Sie bitte einmal die Zahlen, die über den Gesamtwohlstand eines Landes das Wesentliche aussagen. Sie werden dann feststellen, daß wir — ich spreche immer von 1970, denn darauf richtete sich die Frage — mit einer Steigerung des Bruttosozialprodukts von 4,9%, mit einer Arbeitslosenzahl von 0,7 %, mit einem Außenbeitrag von 1,7 %, mit einer Preissteigerung von 3,8 % und einer Reallohnsteigerung von 8 % im Rahmen aller Industrieländer zwischen den Noten „gut" und „sehr gut" liegen. Da beißt die Maus keinen Faden ab, und bei aller Differenz zwischen unseren Parteien ist es doch sicherlich nicht gut, wenn wir unserem Volke vorreden, daß es ihm schlecht gehe.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Das ist, Herr Kollege Leicht, keine Verniedlichung der negativen Fakten, für die wir wach sind. Aber die beste Basis für unsere Anstrengungen ist, daß wir uns erst einmal darüber klar sind, daß es uns insgesamt im Vergleich zu früheren Perioden und zu anderen Ländern im Jahre 1970 gesamtwirtschaftlich sehr gut gegangen ist.

(Beifall bei der SPD.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611909100
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Leicht.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0611909200
Nachdem das, was Sie, Herr Kollege Rosenthal, zum Schluß gesagt haben, sicherlich nicht an meine Adresse gerichtet sein konnte, sondern, wie ich annehme, an die Ihrer eigenen Kollegen, frage ich Sie, ob Ihnen bekannt ist, daß die Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts unter Berücksichtigung der Zeit seit 1960 im Jahre 1970 mit nominal 12,6 % die höchste gewesen, dagegen real mit 4,9 % im untersten Drittel der Zahlen dieses Zeitraums befindlich ist. Und wissen Sie, daß die auf die Erwerbstätigen bezogene Zahl 1970 nur 3,4 %, dagegen z. B. in den Jahren 1968 und 1969 7,0 bzw. 6,2 % betragen hat?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611909300
Herr Kollege, ich will Ihnen auf diese Frage antworten, obwohl sie nicht mehr direkt zu der ursprünglichen Frage gehört.

(Abg. Leicht: Aber Sie haben doch mit diesem Thema angefangen! — Hört-Hört-Rufe und weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich habe die Detailziffern hinsichtlich der Änderungen des Bruttosozialprodukts natürlich nicht im
Kopf, aber ich will die Zyklen vergleichen, denn das müssen wir tun. Im Zyklus von 1963 bis 1966 haben wir insgesamt einen Zuwachs des Bruttosozialprodukts von 4,7 % gehabt, und im Zyklus von 1967 bis 1970 hatten wir einen Zuwachs von 4,9 % — und das, Herr Kollege, ist die reale Steigerung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Davon wollten wir doch gar nicht sprechen!)

— Ja, Sie wollen nur von etwas sprechen, und ich spreche vom Ganzen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Frage bezog sich auf 1970! — Weitere Zurufe.)

— 1970 ist das Bruttosozialprodukt real um 4,9 % gewachsen!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611909400
Bitte, noch eine Frage.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0611909500
Ich habe noch eine Frage, und ich mache es mir einfach, Herr Kollege Rosenthal.
Sind Sie bereit zuzugestehen, daß die Aussage von Herrn Ehmke, die ich persönlich als objektiv unrichtig betrachte, wenn sie stimmte, die Bundesregierung in die Situation gebracht hätte, in der sie jetzt ist?

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611909600
Herr Kollege, ich bin genau entgegengesetzter Ansicht. Ich bin der Meinung, daß 1970, wenn man alle Faktoren zusammennimmt, eines der besten Wirtschaftsjahre seit Bestehen der Bundesrepublik war. Das sollte endlich einmal von allen in diesem Staat anerkannt werden. Wenn wir jetzt weiter das Richtige tun, dürfen wir unserem Volk nicht einreden, daß es uns schlecht gehe.

(Abg. Haase [Kassel] : Warum müssen Sie denn jetzt zum Konkursrichter, Herr Staatssekretär? — Heiterkeit bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611909700
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Breidbach.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0611909800
Herr Staatssekretär, halten Sie es auch dann noch für zulässig, von einem der besten Wirtschaftsjahre zu sprechen, wenn ich Sie darauf aufmerksam mache, daß wir z. B. im Wohnungsbau Preissteigerungsraten von 15,9 %, im Straßenbau zwischen 15 und 18 % bei den industriellen Erzeugerpreisen von 5,9 %, bei den Investitionsgütern von 9,5 %, in der Lebenshaltung von 3,8 % hatten und die gesamtwirtschaftliche Steigerungsrate schließlich 7,4% betrug? Halten Sie es für zulässig, eine solche Aussage insbesondere im Hinblick auf mittelfristige Entwicklungen zu machen?

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)





Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611909900
Ich halte es für völlig legitim, eine solche Aussage zu machen, so wie ich für völlig legitim das halte, was Herr Ehmke gesagt hat; denn Sie müssen den Wohlstand eines Landes an den Gesamtdaten

(Abg. Breidbach: Eben!)

und an den Vergleichsdaten zu anderen Ländern messen. Was die Daten der Preissteigerungen und der Reallöhne betrifft, so standen wir im Jahre 1970 insgesamt gesehen besser da als alle anderen Industriestaaten, mit Ausnahme von Belgien und Kanada, wo Arbeitslosigkeit herrscht. Sie dürfen nicht einen einzelnen Faktor, z. B. den Straßenbau, herauspicken, wenn Sie nicht die Gesamtsituation verfälschen wollen.

(Abg. Breidbach: Ich habe am Schluß meiner Frage auf den gesamtwirtschaftlichen Preissteigerungsfaktor aufmerksam gemacht!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611910000
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Jenninger.

Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID0611910100
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, in diese Ihre Aussage auch die Aussage der Regierung in einem offiziellen Organ mit einzubeziehen, daß die Preissteigerungen, gemessen am Sozialprodukt, im Jahre 1970 die Rate von 7,5 % erreicht haben, also die höchste Rate überhaupt in diesem Staat seit dem Korea-Boom?

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611910200
Frau Präsidentin, wenn ich diese Frage beantworte, so ist das gleichzeitig eine Antwort auf die zweite Frage des Kollegen Leicht.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611910300
Sind Sie damit einverstanden, Herr Kollege, daß wir zugleich Ihre zweite Frage aufrufen?

(Abg. Haase [Kassel] : Eine nach der anderen!)


Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0611910400
Gnädige Frau, ich lege Wert darauf, sofern ich diesen Wunsch äußern darf, daß meine beiden Fragen getrennt behandelt werden. Ich weiß nämlich nicht, ob Sie dann noch Zusatzfragen zu meiner ersten Frage zulassen werden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611910500
Sie würden selbstverständlich zwei weitere Zusatzfragen bekommen. Aber wenn Sie getrennte Behandlung wünschen, rufe ich Frage 36 noch nicht auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär kann natürlich jetzt schon eine diesbezügliche Antwort auf die Zusatzfrage geben.

(Abg. Stücklen: Wir haben zur ersten Frage noch Zusatzfragen!)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611910600
Wenn Sie mich fragen, ob wir, gemessen am Sozialprodukt, im Jahre 1970 die bisher höchste Preissteigerungsrate hatten, muß ich antworten: ja. Aber ich darf wiederholen, was zum x-ten Male hier im Bundestag gesagt worden ist,

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie sollten uns aber kein X für ein U vormachen!)

daß der Preisindex des Bruttosozialprodukts, was die Lebenshaltungskosten betrifft, nicht besonders aussagekräftig ist. Das hat auch Minister Schiller am 7. Oktober in der Konjunkturdebatte gesagt. Die Gründe dafür — Außenbeitrag, Investitionsgüter — brauche ich nicht noch einmal zu wiederholen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611910700
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0611910800
Herr Staatssekretär, zurück zur ursprünglichen Frage. Könnten Sie noch einmal nachdrücklich unterstreichen, daß die Bundesrepublik im internationalen Vergleich in der Tat zum erstenmal an vorletzter oder, sagen wir, an drittbester Stelle stand, was die Preissteigerungsraten, bezogen auf den Lebenshaltungskostenindex, anbelangt, daß dieser Maßstab der entscheidende ist, daß die Länder, die noch besser standen als wir, insbesondere Kanada, im Gegensatz zu uns erstens flexible Wechselkurse hatten, also „floateten" — das, was jetzt zur Debatte steht —, und zweitens eine beträchtliche Arbeitslosigkeit hatten,

(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

und daß insofern die Frage, die von der CDU/CSU gestellt worden ist, einfach falsch ist, weil 1970 in der Tat eines der besten Jahre war.

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611910900
Herr Kollege, was Sie gesagt haben, nämlich daß wir an dritter Stelle stehen und die niedrigste Preissteigerung haben, ist völlig korrekt. Auf die Arbeitslosigkeit in Kanada habe ich noch hingewiesen.
Ich darf Ihnen noch einige Zahlen für andere wichtige Industrieländer aus dem Jahre 1970 nennen: Frankreich liegt bei 5,3 %, Italien bei 4,9 %, Großbritannien bei 6,4 %, die USA bei 5,9 % und Japan bei 7,8%.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611911000
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Lenders.

Helmut Lenders (SPD):
Rede ID: ID0611911100
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß sich die Feststellung von Herrn Minister Ehmke im Grunde auf das bezieht, was das Jahr 1970 an realen ökonomischen Ergebnissen für den einzelnen Bürger gebracht hat? Stimmen Sie mir weiterhin darin zu, daß es bei dieser Einschätzung von seiten des Bürgers ganz entscheidend ist, wie die Arbeitnehmer, nämlich die Mehrzahl der Menschen in unserer Gesellschaft, ökonomisch in diesem Jahr abgeschnitten haben? Stimmen Sie mir schließlich darin zu, daß das Jahr 1970, was die reale Ein-



Lenders
kommenssteigerung pro Arbeitnehmer anlangt, die höchste Steigerungsrate seit dem Korea-Boom auf weist?

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611911200
Herr Kollege Lenders, ich stimme Ihnen selbstverständlich zu. Einige dieser Daten, so z. B. die reale Lohnsteigerung, habe ich schon genannt. Ich wiederhole, daß ich das, was der Kollege Ehmke gesagt hat, nicht nur für richtig, sondern auch für wichtig halte. Denn bei allem Streit und bei allem Suchen nach Fehlern — wir sollten nach Fehlern suchen; ich bin kein Verniedlicher der Stabilität — bin ich der Ansicht, daß das, was Sie dauernd tun, meine Damen und Herren von der Opposition, nicht gut ist. Ich hoffe nicht, daß Sie vor acht Jahren an die Regierung kommen,

(Zurufe von der CDU/CSU)

aber wenn Sie an der Regierung wären, müßten Sie ebenfalls die Preissteigerungsraten vertreten; denn — das wissen Sie genausogut wie ich — wir haben ja keine Wirtschaftsregierung, die nur aus der sozial-liberalen Koalition besteht, sondern wir haben eine Wirtschaftsregierung, die aus Bundesbank, Bundesregierung, Unternehmern, Gewerkschaften und dem Ausland besteht. Ich halte es für die Zukunft unserer Diskussion genausowenig für gut, wenn wir so tun, als ob das anders wäre, und wenn wir unserem Volk vorreden, es ginge ihm schlecht.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611911300
Meine Damen und Herren, ich möchte darauf aufmerksam machen, daß sich die erste Frage des Herrn Kollegen Leicht auf die wirtschaftliche Entwicklung bezieht und seine zweite Frage, die noch nicht aufgerufen ist, die Preissituation erfaßt. Ich wäre dankbar, wenn wir das ein bißchen sortieren könnten und die Kollegen, die sich jetzt gemeldet haben, sich auf die Frage 35 und nicht auf die Frage 36 bezögen. — Herr Kollege Pieroth!

Elmar Pieroth (CDU):
Rede ID: ID0611911400
Herr Staatssekretär, Sie sagen, daß der Wohlstand eines Volkes an Zahlen zu messen ist, die sich mit den Nachbarländern vergleichen lassen. Unter Umständen kann man dem bedingt zustimmen. Sind Sie dann aber bereit, zu sagen, wo wir in der Weltinflationierungsskala stehen? Sie haben die gesamtwirtschaftliche Preissteigerungsrate, den Deflator, mit 7,5 % angegeben.

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611911500
Herr Pieroth, was jetzt kommt, habe nicht ich, hat aber die Regierung zum x-tenmal gesagt. Ich darf Ihnen mit Genehmigung der Frau Präsidentin vorlesen, was das Sachverständigengutachten zu diesem Deflationierungsfaktor meint.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Was die Regierung meint, haben Sie von mir
mehrmals gehört. Ich sage Ihnen jetzt, was das Sach-
verständigengutachten zum Deflationierungsfaktor sagt.

Elmar Pieroth (CDU):
Rede ID: ID0611911600
Aber ich hätte mit Vergnügen gern gehört, was Sie dazu sagen, Herr Kollege Rosenthal.

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611911700
Was das Sachverständigengutachten ausgesagt hat, ist auch die Meinung der Regierung, nämlich daß der Deflationierungsfaktor ein wichtiger Faktor für die Gesamtanalyse, aber nicht aussagekräftig für die Preissteigerungsrate ist.

(Abg. Breidbach: Was ist denn noch aussagekräftig? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Der Lebenshaltungskostenindex, das hat die Regierung x-mal in diesem Hause gesagt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611911800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten —

Elmar Pieroth (CDU):
Rede ID: ID0611911900
Nein, ich habe noch keine Antwort, Frau Präsidentin! Die wollen wir der Regierung nicht schenken.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611912000
Ich meine, der Inhalt wäre gesagt worden. Ich weiß nicht, ob der Herr Parlamentarische Staatssekretär —

Elmar Pieroth (CDU):
Rede ID: ID0611912100
Ich habe nur gehört, daß der Herr Kollege Rosenthal sagen wird, was das Sachverständigengutachten gesagt hat. Er hat dann hinzugefügt, daß das auch die Meinung der Regierung sei. Aber das war alles.

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611912200
Ich habe Ihnen doch gesagt, Herr Kollege Pieroth, daß — ich wiederhole jetzt — die Regierung die Meinung des Sachverständigenrates teilt, daß das Bruttosozialprodukt zwar ein wichtiger Faktor für die volkswirtschaftliche Gesamtanalyse ist, aber keine Aussagekraft für die Preissteigerung hat und daß der Lebenshaltungskostenindex international als der maßgebliche Faktor für die Inflationierung anerkannt wird.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611912300
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Pohle.

Dr. Wolfgang Pohle (CSU):
Rede ID: ID0611912400
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zugeben, daß man, wenn man von einem guten oder schlechten Wirtschaftsjahr spricht, die Ertragslage der Unternehmungen nicht außer Betracht lassen kann und daß die Erträge im Jahre 1970 in sehr vielen Branchen erheblich geschrumpft sind?

(Abg. Killat-von Coreth: Wollen Sie höhere Preise?)





Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611912500
Herr Kollege Pohle, das gebe ich Ihnen zu; aber ich muß Ihnen sagen, daß die Gewinne vorher im Aufschwung stark zugenommen hatten und daß das ein Jahr war, wo die soziale Symmetrie wiederhergestellt werden mußte.

(Beifall bei der SPD.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611912600
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0611912700
Herr Staatssekretär, wenn die Bundesregierung, die heute die ganze Verantwortung für die Wirtschaftspolitik so zu tragen hat, wie die Sozialdemokraten in der Opposition das unseren Regierungen vorgehalten haben, das Wirtschaftsjahr 1970 trotz der größten gesamtwirtschaftlichen Preissteigerungsquote im Vergleich zu anderen Industrienationen für ein gutes Wirtschaftsjahr hält, wollen Sie mir dann wenigstens zugestehen, daß es auch das gefährlichste Wirtschaftsjahr gewesen ist, in dem die Weichen falsch in eine Entwicklung gestellt wurden, die wir heute alle zu beklagen haben?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611912800
Herr Kollege Müller-Hermann, ich bin nicht der Ansicht, daß das so ist. Wenn die Weichen falsch gestellt worden wären, wären wir heute nicht in einer Situation, in der uns weiter das Handeln rechtzeitig möglich ist.

(Lachen bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611912900
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Zander.

Karl Fred Zander (SPD):
Rede ID: ID0611913000
Herr Staatssekretär, ist Ihr Haus in der Lage, den Damen und Herren der Opposition Vergleichszahlen zukommen zu lassen, damit bei der Opposition erkannt wird, daß die Bundesrepublik im Jahre 1970 unter den 14 größten Industriestaaten die geringste Arbeitslosenquote hatte, bei der Preissteigerungsrate nur von Kanada untertroffen wurde und bei der Wachstumsrate an fünfter Stelle lag? Ist Ihr Haus in der Lage, diese Zahlen den Damen und Herren der Opposition zugänglich zu machen?

(Lachen bei der CDU/CSU. — Abg. Leicht: Die kennen wir alle!)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611913100
Diese Zahlen sind zugänglich. Sie stehen in dem letzten noch nicht veröffentlichten Bericht der OECD.

(Abg. Breidbach: In dem Bericht stehen aber auch noch andere Zahlen!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611913200
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Evers.

Dr. Hans Evers (CDU):
Rede ID: ID0611913300
Herr Kollege 'Rosenthal, larf man den Ausführungen, die Sie hier machen, entnehmen, daß es ein wirtschaftspolitisches Ziel der Bundesregierung ist, dem deutschen Volk noch mehr so hervorragende Wirtschaftsjahre wie 1970 zu bescheren?

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611913400
Es ist ein Ziel der Bundesregierung, dem deutschen Volk eine Situation zu erhalten, die gesamtwirtschaftlich den Ausdruck des Wohlstands darstellt. Sie verfolgt also die im Stabilitätsprogramm enthaltenen Ziele.
Ich wiederhole: ich bin nicht bereit, hier zu stehen und nicht zu sagen, daß die Inflationierungsrate, die Preissteigerungsrate, ein gefährliches Datum ist. Aber sie ist ein Datum, das — wie der Kollege Zander gesagt hat — im Vergleich zu anderen Ländern gesehen werden muß. Ich habe Ihnen gerade gesagt — das wissen Sie alle so gut wie ich —, daß in großem Maße Unternehmer, Gewerkschaften und das Ausland dafür verantwortlich sind. Wir können doch hier nicht so tun, als ob irgendeine Bundesregierung allein imstande wäre, diesen Faktor — den wirtschaftlichen Wohlstand zu dirigieren. Wenn Sie die Zeitungen gelesen haben und die Information gehört haben, die Ihnen mein Dienstherr Schiller gegeben hat, dann wissen Sie, daß wir wieder einmal bereit sind, das Notwendige zu tun, um auch diesen Faktor in Ordnung zu bringen, und daß es im Verhältnis zu den mit uns konkurrierenden Industrieländern um diesen Faktor bei uns noch besser bestellt ist.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611913500
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Lenders.

Helmut Lenders (SPD):
Rede ID: ID0611913600
Herr Staatssekretär, hier war soeben von Weichenstellungen in Richtung Preissteigerungen die Rede. Darf ich Sie, wenn diese Fragestellung aufgeworfen wird, fragen: Teilen Sie die Auffassung, daß die Möglichkeiten einer rechtzeitigen Sicherung der Preisstabilität in dieser Wachstumsperiode in dem Zeitraum verspielt wurden, in dem der Herr Kollege Dr. Kiesinger Bundeskanzler war,

(Lachen bei der CDU/CSU)

und sind Sie bereit, da die CDU dies so freundlich notiert, der CDU-Fraktion die Passagen aus dem letzten Sachverständigengutachten zur Verfügung zu stellen, die diesen Tatbestand noch einmal hervorheben?

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611913700
Herr Kollege Lenders, ich nehme an, daß die Kollegen aus der CDU/CSU diese Passagen sehr gut kennen. Im übrigen stimme ich Ihnen zu. Bei jeglichem Beginn einer Preissteigerung ist es sehr viel einfacher, dieser



Parlamentarischer Staatssekretär Rosenthal
Entwicklung am Anfang zu wehren, als dann, wenn diese Preissteigerung einmal eingetreten ist.

(Lachen und Beifall bei der CDU/CSU.) Begonnen haben Sie!


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611913800
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Ott.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0611913900
Herr Staatssekretär, Sie haben sich vorher bei dem Jahre 1970 darauf berufen, daß es — bei einem Vergleich mit den anderen Staaten — so hervorragend gewesen sei. Würden Sie bereit sein, bei Herrn Schiller nachzulesen, daß er in der Zeit, als er Mitglied der Opposition war, erklärte, seine Wirtschaftspolitik werde zu Preissteigerungen von 3,2 und höchstens 1 % führen?

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611914000
Herr Kollege, ich habe dies bereits nachgelesen. Frau Präsidentin, darf ich Sie aber darauf aufmerksam machen, daß wir hier nicht mehr auf die Fragen eingehen, sondern eine kleine Konjunkturdebatte veranstalten.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611914100
Herr Staatssekretär, Sie selbst haben in den ersten Antworten die Preisfrage aufgegriffen. Von da ab steht sie mit im Raum.
Herr Kollege Schachtschabel!

Dr. Hans Georg Schachtschabel (SPD):
Rede ID: ID0611914200
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß spätestens seit letzten Montag bekannt sein dürfte, daß jegliche Preisentwicklung und insbesondere die der Bundesrepublik, im weltwirtschaftlichen Zusammenhang gesehen, von außenwirtschaftlichen Faktoren abhängig ist?

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611914300
Nicht nur, Herr Kollege, aber sehr stark.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611914400
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Stücklen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0611914500
Herr Staatssekretär, Sie unterstreichen die Ausführungen von Bundesminister Ehmke, daß das Jahr 1970 das beste Wirtschaftsjahr,

(Zuruf von der Mitte: Eines der besten!)

— eines der besten Wirtschaftsjahre war. Wie kommt es, daß vier Monate des Jahres 1971 ausreichen, um diese Regierung an den Rand des Bankrotts zu führen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611914600
Herr Kollege, die Frage wird nicht zugelassen.

(Parlamentarischer Staaatssekretär Rosenthal: Schade!-Zuruf von der CDU/CSU: Warum nicht!)

Die Frage steht nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausgangsfrage.

(Widerspruch in der Mitte.) — Die Frage wird nicht zugelassen.


(Abg. Rasner: Schwein gehabt! — Heiterkeit und weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter von Bismarck.

Dr. Philipp von Bismarck (CDU):
Rede ID: ID0611914700
Herr Staatssekretär, würden Sie die Antwort, daß das Jahr 1970 eines der besten Wirtschaftsjahre gewesen sei, auch dann unterstreichen, wenn Sie an die Entwicklung bei den Rentnern und den Sparern denken, insonderheit in den letzten vier Monaten?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611914800
Herr Kollege von Bismarck, die Frage bezieht sich auf das Jahr 1970, und davon reden wir jetzt. Wir haben Ihnen nachgewiesen, daß im Jahre 1970 die Sparer einen höheren Realzins hatten als zu der Regierungszeit Ihrer Partei.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und die Rentner?!)

— Die Rentner? Wer ist denn die Treibkraft gewesen, um die Renten zu dynamisieren?! Wer ist denn die Treibkraft gewesen, um den Krankenversicherungsbeitrag bei den Rentnern abzuschaffen, Herr Kollege?!

(Beifall bei der SPD. — Lachen und Zurufe in der Mitte.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611914900
Zur letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Breidbach.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0611915000
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, zuzugeben, daß in Anbetracht einer Preissteigerungsrate von 3,8 % bei den Lebenshaltungskosten im Jahre 1970 und einer Rentensteigerung von knapp über 5 % das Jahr 1970 für die Rentner nicht zu den erfolgreichsten Wirtschaftsjahren der Bundesrepublik gehört?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611915100
Herr Kollege, ich habe lediglich den Überhang, den die Rentner durch die Rentenerhöhung und den Wegfall des Krankenversicherungsbeitrags bekommen haben, der Preissteigerung gegenübergestellt. Wir können, wenn wir eine einzelne Gruppe unseres Volkes beurteilen, immer nur vom Realeinkommen ausgehen.

(Sehr wahr! in der Mitte. — Abg. Haase [Kassel] : Genau Idas ist es!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611915200
Keine weitere Zusatzfrage.



Vizepräsident Frau Funcke
Ich rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Leicht auf, die schon eine Weile mit behandelt wurde:
Ist die Bundesregierung bereit zuzugeben, daß die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1970 nach den Berechnungen der OECD im Vergleich zu den anderen bedeutsamen Industrienationen die höchste Preissteigerungsrate des Bruttosozialprodukts gehabt hat?

(Abg. Breidbach: Jetzt ,geht's los!)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611915300
Frau Präsidentin, hier kann ich lediglich wiederholen, was ich schon mehrmals gesagt habe, daß ich bereit bin, die Frage präzis mit Ja zu beantworten. Nur ist der Index nach dem, was die Regierung mehrmals durch das Sachverständigengutachten ausgedrückt hat, für die Preissteigerungsrate nicht aussagekräftig.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611915400
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Leicht.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0611915500
Darf ich davon ausgehen, Herr Rosenthal, daß Sie die Auffassung Ihres jetzigen Ministers teilen, die in früheren Jahren durch seine Zielprojektionen deutlich geworden ist, daß nämlich die Preisstabilität als eine Ein-vom-Hundert-Steigerung der Preisrate des Bruttosozialprodukts zu bezeichnen sei, und daß in der Situation, in der wir uns befinden, sehr viele meinen, daß der Lebenshaltungskostenindex nicht mehr maßgebend sein kann, weil eine ganze Reihe willkürlich ausgewählter Gruppen von Waren und Dienstleistungen sich für diesen Index nicht eigne, sondern die Preisveränderungen nur in der Gesamtheit erfaßt werden könnten?

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611915600
Herr Kollege Leicht, im großen und ganzen sind wir bei der Untersuchung des Preisindexes für die Lebenshaltung und seiner Berechnungsgrundlagen zu dem Ergebnis gekommen, daß man ihn ohne schwerwiegende Bedenken als konventionellen Maßstab für die Geldwertentwicklung in der Bundesrepublik akzeptieren kann. So ,das Sachverständigengutachten!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611915700
Zweite Zusatzfrage.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0611915800
Ich darf Sie fragen, ob Sie folgende Auffassung teilen:
Wenn eine so relativ große Volkswirtschaft wie die der Bundesrepublik sich den internationalen Preissteigerungsraten nähert,
— hier sind die Preissteigerungen der Lebenshaltung gemeint —
so drückt sie kraft ihres Eigengewichts den internationalen Durchschnitt der Preissteigerungen weiter nach oben. Ein solcher Prozeß führt letztlich in eine gefährliche, instabile Entwicklung der Weltwirtschaft im ganzen.
Herr Rosenthal, das war nicht das Sachverständigengutachten, sondern Herr Schiller vor wenigen Tagen in Hannover.

(Hört! Hört! und Beifall bei der CDU/CSU.)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611915900
Herr Kollege Leicht, das war Herr Schiller vor wenigen Tagen in Hannover, und er hat auch völlig recht. Nichts, was von dieser Bank hier gesagt wird, spricht dagegen. Sie werden mir doch zugeben, daß es gerade jetzt wieder insbesondere Herr Schiller ist, der zur Aktion greift in dieser Richtung, um dem Druck auf eine Inflationierung in Europa und in der Welt entgegenzuwirken.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611916000
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0611916100
Herr Staatssekretär, sehen Sie die Möglichkeit, auf Kosten Ihres Hauses dem Herrn Leicht Band I der „Einführung in die Volkswirtschaftslehre" von Herrn Schneider zur Verfügung zu stellen, damit er endlich begreift, was der Index des Bruttosozialprodukts bedeutet, und ihn nicht mit anderen Indizes verwechselt, die in der Tat eine beunruhigende Entwicklung haben, weswegen auch von der sozial-liberalen Koalition in Aktion getreten worden ist?

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611916200
Herr Kollege Apel, ich muß mich bei unseren Haushaltsexperten erkundigen, ob das möglich ist.

(Abg. Leicht: Ich schicke Ihnen andere!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611916300
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0611916400
Herr Staatssekretär, wenn Sie soeben auf eine Zwischenfrage meines Kollegen Ott als für Sie bekannt voraussetzten, daß Herr Wirtschaftsminister Schiller ein Sinken der Preissteigerungsrate von 3 über 2 auf 1 % versprochen hat, und wenn Sie wenige Minuten später ausdrücklich zugeben mußten, daß wir in dieser Bundesrepublik nach den Berechnungen der OECD im Vergleich zu den anderen bedeutsamen Industrienationen 1970 die höchste Preissteigerungsrate des Bruttosozialprodukts gehabt haben, — welche Konsequenzen zieht man eigentlich in Ihrem Haus daraus?

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611916500
Herr Kollege Schulze-Vorberg, ich sage noch einmal: das Bruttosozialprodukt ist kein aussagefähiger Index für die Preissteigerungsrate.
Zu der von Ihnen — nicht von Ihnen persönlich, aber von Mitgliedern Ihrer Fraktion — zum x-ten Male wieder hervorgeholten Prognose von Herrn Schiller — 3, 2, 1 — muß ich Ihnen folgendes sagen.



Parlamentarischer Staatssekretär Rosenthal
Ich kann mich erinnern, daß man in der Unternehmerschaft vor 20, 30 Jahren angefangen hat, Projektionen zu machen und Planziele aufzustellen. Genau gestimmt haben sie nie. Aber diejenigen Unternehmen, die es unternommen haben, solche Planziele aufzustellen, sind heute nach vorn gekommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Rosenthal!) — Auch.


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611916600
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Breidbach.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0611916700
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, da Sie die gesamtwirtschaftliche Preissteigerungsrate — auch im Vergleich zu den anderen OECD-Staaten — als nicht gerade so besorgniserregend und entscheidend betrachten, frage ich Sie, ob Sie bereit sind, mir zuzugestehen, daß im letzten diese gesamtwirtschaftliche Preissteigerungsrate unter anderem dadurch zustande gekommen ist, daß wir im Wohnungsbau Preissteigerungsraten von 15,9% gehabt haben und damit an erster Stelle innerhalb der OECD-Staaten liegen, bei dem Großhandelspreisindex für industrielle Produkte mit plus 5,9% an fünfter Stelle und bei den Investitionsgütern mit plus 9,5 % an dritter Stelle stehen — um nur einige dieser Daten zu nennen —?

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611916800
Herr Kollege Breidbach, zunächst muß ich Ihnen auf Ihre Frage sagen, daß ich mit keinem Wort gesagt habe, daß die derzeitigen Preissteigerungsraten nicht besorgniserregend seien und daß nicht alles dagegen getan werden müsse. Ich glaube, Sie müssen mir zugeben: wenn irgend jemand im kleinen und im großen den Kampf gegen Maßnahmen führt, die der Preissteigerung dienen, dann ist es mein Dienstherr Schiller.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611916900
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Haase.

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0611917000
Verehrter Herr Staatssekretär, darf ich Sie als den zweitwichtigsten Mann der deutschen Wirtschaftspolitik im Zusammenhang mit der Diskussion, die wir hier führen, fragen: Welche Maßnahmen — und zählen Sie uns die doch bitte auf! — beabsichtigt die deutsche Regierung zusätzlich zu den bisher schon eingeleiteten zu bewirken, um den von Woche zu Woche stärker werdenden inflationistischen Tendenzen kraftvoll entgegentreten zu können?

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611917100
Herr Kollege, Sie überschätzen meine Wichtigkeit. Außerdem würde ich in der derzeitigen Situation nicht bereit sein, vorweg etwas zu sagen, was derzeit eine Frage der Kabinettsentscheidung und der Unterhaltungen mit der Bundesbank ist.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Haase [Kassel] : Wann dürfen wir damit rechnen — —)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611917200
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Zander.

(Abg. Haase [Kassel] : Wann?)

— Nein, Sie haben keine Frage mehr, Herr Kollege Haase.

Karl Fred Zander (SPD):
Rede ID: ID0611917300
Teilen Sie meine Auffassung, Herr Staatssekretär, daß die von der CDU geforderte Anhebung der Mehrwertsteuer für Agrarerzeugnisse um 3 °/0 genau das Gegenteil von dem ist, was Herr Kollege Haase eben forderte, und gibt es in Ihrem Hause Berechnungen darüber, wie sich eine Verwirklichung dieser Forderung auf den Lebenshaltungskostenindex insbesondere für die Rentner, die einen relativ hohen Anteil für Lebensmittel ausgeben, auswirken würde?

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611917400
Herr Kollege, selbstverständlich wirkt sich dies auf den Lebenshaltungskostenindex aus, wie es vielleicht auch nützlich ist, hier einmal zu sagen, daß sich allein der Ausgleich für die deutsche Landwirtschaft durch Erhöhung der EWG-Agrarpreise mit 0,5 % auf den Preisindex auswirkt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611917500
Ich lasse noch drei Fragen zu. Bitte, Herr Kollege Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0611917600
Herr Staatssekretär, Sie sprachen davon, daß Herr Minister Schiller wieder in Aktion getreten sei. Man könnte vielleicht auch sagen: durch die Opposition in Aktion gesetzt worden sei.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD. — Abg. Dr. Apel: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Soll das wieder ausdrücken, daß Herr Schiller zu einer anderen sehr wichtigen Entscheidungsphase auch eine Aktion vorgesehen hatte mit dem berühmten Waterloo — und dann damals von seinem Bundeskanzler und seinen eigenen Freunden im Stich gelassen wurde?

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611917700
Herr Kollege, ich bin der Ansicht, daß Herr Schiller das erstemal in Aktion getreten ist, als Ihr Kollege Kiesinger es ihm nicht erlaubt hat, daß er ein zweites Mal in Aktion getreten ist mit den Gesamtstabilisierungsmaßnahmen, und dieses ist das dritte Mal. Und präzise auf Ihre Frage geantwortet: es ist nicht die Opposition, die Herrn Schiller dazu bringt, sondern die Dollarschwemme.

(Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611917800
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Ott.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0611917900
Herr Staatssekretär, da Sie sich vorher so stark zu Herrn Schiller und seiner Äuße-



Ott
rung über 3, 2, 1 % bekannt haben, frage ich Sie: Wie vereinbaren Sie damit die Äußerung des Herrn Bundeskanzlers, daß es erst dann ernst wird, wenn die Preissteigerungen 4 % überschreiten?

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611918000
In der Situation, da andere Länder eine Preissteigerungsrate von durchschnittlich 6 % haben, hat der Bundeskanzler nach meiner Ansicht etwa richtig gelegen, als er bei den internationalen Verflechtungen, die wir haben, die Annäherung an 4% als eine gefährliche Schwelle betrachtete.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611918100
Letzte Frage des Herrn Abgeordneten Stücklen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0611918200
Herr Staatssekretär, Sie haben den heroischen Kampf Ihres Dienstvorgesetzten Minister Schiller hier geschildert. Der Bundestag wäre aber sicherlich sehr daran interessiert, zu erfahren, mit welchem Erfolg Herr Schiller gekämpft hat.

Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0611918300
Herr Kollege, wenn es soweit ist und die Regierung sich entschieden hat, wird es Ihnen gesagt. Verlangen Sie bitte nicht von mir, daß ich jetzt über eine Vorentscheidung etwas ausplaudere.

(Abg. Breidbach: Warten auf Godot!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611918400
Meine Damen und Herren, das war die letzte Frage. Wir sind am Ende der Fragestunde. Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär.
Ich berufe das Haus auf Freitag, den 7. Mai 1971, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.