Protokoll:
6111

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 111

  • date_rangeDatum: 26. März 1971

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:36 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 111. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. März 1971 Inhalt: Absetzung des Punktes 24 und Erweiterung der Tagesordnung 6505 A Überweisung des Jahresberichts 1970 des Wehrbeauftragten des Bundestages an den Verteidigungsausschuß 6505 B Amtliche Mitteilungen 6505 B Fragestunde (Drucksachen VI/ 1983, VI/2012) Fragen der Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) und Petersen (CDU/CSU) : Sowjetische Erklärungen hinsichtlich der Feindstaatenartikel der UN-Charta Dr. Ehmke, Bundesminister . . . 6505 C, D, 6506 A, C, D, 6507 A, B, C, D, 6508 A, B, D, 6509 A, B, C, D, 6510 A, B, C, D, 6511 A, B, C, D, 6512 A, B, C, D, 6513 A, B Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 6505 D, 6506 B, C, 6507 A, C von Hassel, Präsident 6505 D Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) 6506 D, 6510 C Dr. Apel (SPD) . . . . 6507 D, 6512 B Baron von Wrangel (CDU/CSU) 6508 A, B Petersen (CDU/CSU) 6508 B, C, 6509 A Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 6509 B, C Dr. Barzel (CDU/CSU) . 6509 D, 6510 A, 6513 B Mischnick (FDP) . . . . . . . 6510B, C Dr. Czaja (CDU/CSU) . . 6510D, 6511 A Dr. Geßner (SPD) . . . . . . . 6511 B Kiep (CDU/CSU) . . . . . . 6511 C, D Sieglerschmidt (SPD) 6512 A Reddemann (CDU/CSU) 6512 C Dr. Miltner (CDU/CSU) 6512 D Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 6512 D Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) 6513 A Frage des Abg. Bauer (Würzburg) (SPD) Beteiligung der Bundesrepublik am Internationalen Jahr zum Kampf gegen Rassismus und Rassendiskriminierung Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 6513 D, 6514 B, C Bauer (Würzburg) (SPD) 6514 B Josten (CDU/CSU) . . . . . . 6514 C Fragen des Abg. Dr. Evers (CDU/CSU) : Festnahme des deutschen Regierungsangestellten Niepalla in Polen Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . 6514 D, 6515 A, B, C, D, 6516 A Dr. Evers (CDU/CSU) . 6514D, 6515 A, C Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 6515 D Dr. Czaja (CDU/CSU) 6516 A II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 Fragen des Abg. Dr.-Ing. Bach (CDU/ CSU) : Ausreise von Deutschen aus Polen, die keine Verwandten in der Bundesrepublik haben Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 6516 A, B, C, D Dr.-Ing. Bach (CDU/CSU) . 6516 B, C, D Frage des Abg. Dr. Hermesdorf (Schleiden) (CDU/CSU): Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der Nahost-Länder, die Palästina-Flüchtlinge aufnehmen Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 6517 A, B Dr. Hermesdorf (Schleiden) (CDU/CSU) 6517 B Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) : Maßnahmen der Bundesregierung zur Sicherstellung kostendeckender Preise für die deutsche Landwirtschaft Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 6517 C, 6518A, B Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 6518 A Frage des Abg. Niegel (CDU/CSU) : Zucker- und Butterlieferungen aus den Commonwealthländern bei Aufnahme Großbritanniens in die EWG Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär . 6518 B, D, 6519 A, B, C Niegel (CDU/CSU) . . . 6518 D, 6519 A Dr. Apel (SPD) . . . . . . . . 6519 A Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 6519 B Struve (CDU/CSU) . . . . . . . 6519 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Schmidt, Bundesminister 6519 D Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . 6531 A Jung (FDP) 6539 C Wienand (SPD) . . . . . . . 6546 A Brandt, Bundeskanzler 6550 D Dr. Wörner (CDU/CSU) 6552 A Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 6554 C Kiep (CDU/CSU) . . . . . . . 6558 A Wehner (SPD) . . . . . . . . 6558 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 6558 D Nächste Sitzung 6559 Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 6561 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Früh (CDU/CSU) betr. Rentabilität gut strukturierter Betriebe und Situation in der rheinland-pfälzischen Landwirtschaft 6561 C Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Seefeld (SPD) betr. Verbot von bestimmten Pflanzenschutzmitteln als Wettbewerbsverzerrung . . . 6561 D Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Niegel (CDU/CSU) betr. Anhebung der Preise für Zuckerrüben 6562 A Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) betr. Überprüfung der Unterschiede bei der Grundsteuerbelastung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe 6562 B Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Ahrens (SPD) betr. hygienische Anforderungen an den Betrieb von Schlachthöfen in anderen EWG-Staaten und Einfuhr von Milch von tbc-freien Rindviehbeständen . . . . . . 6562 C Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Jungmann (CDU/ CSU) betr. Einfuhr von cyclamatgesüßter Milch aus den USA . . . . . . . . 6562 D Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Kaffka (SPD) betr. Einfuhr von in den USA aus gesundheitsgefährdenden Gründen nicht absetzbaren Produkten 6563 A Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen der Abg. Frau Stommel (CDU/ CSU) betr. Maßnahmen der Bundesregierung bezüglich öffentlicher Einrichtungen zur Kinderbetreuung und bezüglich der Förderung von gemeinnützigen Familienstätten 6563 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 III Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Schmidt (Krefeld) (SPD) betr. medizinische Ausbildung bezüglich Ernährungsfragen 6564 C Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Strohmayr (SPD) betr. Verteilung der Begegnungsprogramme des Deutsch-Französischen Jugendwerks auf die Bundesländer . . . . . . . 6565 A Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Hansen (SPD) betr. Einfuhr von im Erzeugerland wegen Gesundheitsgefährdung verbotenen Lebensmitteln und Drogen . . . . . . . . 6565 C Anlage 13 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Härzschel (CDU/CSU) betr. Absatz amerikanischer Produkte in der Bundesrepublik, die in den USA wegen Gesundheitsgefährdung nicht mehr vertrieben werden dürfen . . . . . . 6566 A Anlage 14 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Kiechle (CDU/CSU) betr. Aufklärungsschrift „Die Ernährung des Kleinkindes und des Schulkindes" . . . 6566 C Anlage 15 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Wagner (Trier) (CDU/ CSU) betr. Behauptungen bezüglich der Einfuhr von Kunstweinen 6567 A Anlage 16 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Abelein (CDU/CSU) betr. Förderung der Absolventen von Abendrealschulen . . . . . . . . . 6567 B Anlage 17 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) betr. Geburtenrückgang in der Bundesrepublik in den Jahren 1964 bis 1970 6567 C Anlage 18 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Baier (CDU/CSU) betr. Reform des Familienlastenausgleichs und Anhebung des Kindergeldes 6567 D Anlage 19 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Kahn-Ackermann (SPD) betr. Lieferung von deutschen Tageszeitungen an die deutschen Auslandsvertretungen durch das Auswärtige Amt . . 6568 A Anlage 20 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Biechele (CDU/CSU) betr. Benachteiligung der deutschen gegenüber den schweizerischen Grenzanwohnern bezüglich des kleinen Grenzverkehrs 6568 B Anlage 21 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Schedl (CDU/CSU) betr. würdige Gestaltung des Empfangs der deutschen Umsiedler aus Polen . . . . 6568 D Anlage 22 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) betr. vertragliche Regelungen über die Verfolgung von Unterhaltsansprüchen gegenüber Gastarbeitern in deren Heimatstaaten . . . . . . . . 6569 B Anlage 23 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Roser (CDU/CSU) betr. Verlegung des Schießplatzes Tennenlohe 6569 C Anlage 24 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) betr. Unterbindung der Dreiecksgeschäfte auf dem Agrarsektor . . 6570 A Anlage 25 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) betr. Aufhebung des Zollamts Aurich 6570 C Anlage 26 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) betr. Beihilfen nach dem Gasölverwendungsgesetz . . . . . . . 6570 D Anlage 27 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) betr. Novellierung der Vorschriften über die Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen außerhalb der Bauwirtschaft 6571 A IV Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 Anlage 28 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Meister (CDU/CSU) betr. Versicherung eines deutschen Kraftfahrers bei einer ausländischen Versicherungsgesellschaft . . . . . . . . . 6571 B Anlage 29 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Richarts (CDU/CSU) betr. Anträge auf Gewährung von Mitteln aus dem Europäischen Ausrichtungsfonds für den Weinbau . . . . . . . 6571 D Anlage 30 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dröscher (SPD) betr. vorzeitiges Altersgeld für die Witwe eines verstorbenen Landwirts . . . . . . 6572 B Anlage 31 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Glombig (SPD) betr. Finanzierung der Errichtung einer Kindertagesstätte beim Unfallkrankenhaus in Hamburg 6572 C Anlage 32 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Peiter (SPD) betr. unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten bezüglich Anrechnung der Schonungszeit nach einer Kur auf den Urlaub 6573 A Anlage 33 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Weigl (CDU/CSU) betr. Annäherung der Rentenentwicklung an die Beamtenversorgung . . . . . . 6573 B Anlage 34 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Weigl (CDU/CSU) betr. Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten des Montanbereichs, die nicht den Belegschaften angehören 6573 C Anlage 35 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Müller-Emmert (SPD) betr. Förderung wehrpflichtiger Spitzensportler und Sportunterricht während der allgemeinen Grundausbildung sowie Reisen von Sportlern, die Angehörige der Bundeswehr sind, in Länder des kommunistischen Machtbereichs . . 6574 A Anlage 36 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) betr. Verbot nicht enzymfreier Detergentien . . . . . . . . 6574 D Anlage 37 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Engelsberger (CDU/CSU) betr. Gewährung der Ausbildungsförderung in Form eines Zuschusses . . . . 6575 B Anlage 38 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Konrad (SPD) betr. die vom Kultusminister des Landes Schleswig-Holstein eingeführte Orientierungsstufe 6575 C Anlage 39 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Meister (CDU/CSU) betr. Ausgaben der Bundesregierung für Erhebungen zum nächsten Familienbericht 6575 D Anlage 40 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Pfeifer (CDU/CSU) betr. Drogen- und Rauschmittelmißbrauch in den oberen Klassen der Hauptschulen und Maßnahmen zur Aufklärung . . . 6576 B Anlage 41 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Beermann (SPD) betr. Ausbau der Bundesfernstraßen in den Landkreisen Herzogtum Lauenburg und Stormarn . . . . . . . . . . . . 6576 D Anlage 42 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) betr. Verbesserung der Beförderungsverhältnisse für Schüler in Kraftomnibussen durch Änderung der Berechnung der zulässigen Personenzahl . . . 6577 B Anlage 43 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Hussing (CDU/CSU) betr Ermäßigung der Telefongrundgebühren für zivilblinde Bürger 6577 C Anlage 44 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Hussing (CDU/CSU) betr. Benutzung der 1. Wagenklasse der Bundesbahn mit einer Fahrkarte der 2. Klasse durch zivilblinde Bürger . . . . . . 6577 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 V Anlage 45 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) betr. Verkehrsübergabe der Bonner Südbrücke . . . . . . . . 6578 A Anlage 46 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Horstmeier (CDU/CSU) betr. Stand der Planung für die Autobahn Gießen—Bremen 6578 B Anlage 47 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Engelsberger (CDU/CSU) betr. Pläne für den Ausbau der B 299 neu (Landshut—Grabenstätt) 6578 C Anlage 48 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Schiller (Bayreuth) betr. Ausbau der Ortsdurchfahrt Donndorf . . 6578 D Anlage 49 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen der Abg. Frau Renger (SPD) betr. Planung für einen kreuzungsfreien Anschluß der K 48 an die B 256 (Miesenheimer Kreuz) 6579 A Anlage 50 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) betr. Fertigstellung des Autobahnstücks zwischen Wittlich und Schweich sowie der Autobahnbrücke in Schweich und Weiterführung dieser Autobahn 6579 B Anlage 51 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Urbaniak (SPD) betr. Pressemeldungen über den Bau eines Containerterminals und einer Verladestelle für Autoreisezüge in Holzwickede 6579 C Anlage 52 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU) betr. Bau der Ortsumgehung Untertraubenbach 6579 D Anlage 53 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Tönjes (SPD) betr. Rationalisierung der Baumaßnahmen nach dem Hochschulbauförderungsgesetz . . 6579 D Anlage 54 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Hubrig (CDU/CSU) betr. Befreiung anerkannter geförderter Leistungssportler vom Numerus clausus 6580 C Anlage 55 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Konrad (SPD) betr. Maßnahmen gegen die Einfuhr von Tuberkelbakterien enthaltenden Milchprodukten 6581 A Anlage 56 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dichgans (CDU/CSU) betr. Zahlen bezüglich der Zulassung deutscher Studienanfänger der Fachrichtung allgemeine Medizin im Jahre 1970 6581 C Anlage 57 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) betr. Abweichung der Schulbuchverlage von den Bezeichnungs- und Kartenrichtlinien der Bundesregierung 6583 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 6505 111. Sitzung Bonn, den 26. März 1971 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Arndt (Berlin) 26. 3. Bartsch 26. 3. Dr. Bach 26. 3. Behrendt * 26. 3. Berberich 29. 3. Blumenfeld 26. 3. Breidbach 2. 4. Bremm 26. 3. Dr. Burgbacher 26. 3. Dasch 5. 4. Dr. Erhard 26. 3. Fellermaier * 26. 3. Freiherr von und zu Guttenberg 2. 4. Dr. Hauff 26. 3. Dr. Heck 26. 3. Frau Herklotz 26. 3. Dr. Jaeger 26. 3. Jenninger 26. 3. Kahn-Ackermann ** 27. 3. Kater 26. 3. Dr. Kempfler 3. 4. Kiechele 26. 3. Kienbaum 29. 3. Frau Klee ** 27. 3. Kriedemann * 26. 3. Freiherr von Kühlmann-Stumm 26. 3. Liehr 26. 3. Lücker (München) * 26. 3. Maucher 30. 4. Frau Meermann 26. 3. Memmel * 26. 3. Michels 26. 3. Müller (Aachen-Land) * 26. 3. Dr. Müller (München) ** 27. 3. Müller (Remscheid) 17. 4. Ott 26. 3. Pieroth 26. 3. Dr. Preiß 30. 3. Dr. Rinderspacher ** 26. 3. Rohde 26. 3. Roser 26. 3. Saxowski 4. 4. Scheu 29. 3. Dr. Schmücker ** 26. 3. Dr. Schober 3. 4. Schollmeyer 26. 3. Solke 26. 3. Simon 14. 5. Stein (Honrath) 29. 3. Stoltenberg 26. 3. Strohmayr 26. 3. Stücklen 26. 3. Dr. Tamblé 3. 4. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Varelmann 26. 3. Wagner (Günzburg) 26. 3. Dr. Warnke 26. 3. Weber (Heidelberg) 26. 3. Wolfram 29. 3. Wurbs 26. 3. Zebisch 3. 4. Zoglmann 26. 3. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 26. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Früh (CDU/CSU) (Drucksache V1/1983 Frage A 26) : Sieht die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen der Antwort des Bundesernährungsministers, daß die Rentabilität in der Masse gut strukturierler Betriebe nicht gefährdet. sei (Drucksache VI/1861) und der Aussage von Staatssekretär Dr. Friedrichs (VWD vom 2. März 1971), daß die Situation in der rheinland-pfälzischen Landwirtschaft „äußerst kritisch" und in den größeren Betrieben „mehr als kritisch" sei, und wie erklärt sie ihn gegebenenfalls? Die Bundesregierung hat bereits in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage (BT-Drucksache V1/1861) erklärt, daß sich die jetzige Preis-Kostenentwicklung auch in gut strukturierten Betrieben ungünstig auf die Ertragslage auswirkt. Sie bestreitet auch nicht, daß sich auch größere Betriebe, insbesondere in Gebieten mit relativ ungünstigen Produktionsbedingungen wie in Teilen des Landes Rheinland-Pfalz, zur Zeit in einer kritischen Situation befinden können. Durch eine vorübergehende Verschlechterung der Preis-Kostenrelationen, die wir auch in früheren Jahren bereits mehrfach erlebt haben, ist jedoch die längerfristige Rentabilität in der Masse der gut strukturierten Betriebe nicht gefährdet. Ich sehe daher keinen Widerspruch zwischen der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage und die Aussage von Herrn Staatssekretär Dr. Friedrichs. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 26. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Seefeld (SPD) (Drucksache V1/1983 Frage A 28) : Teilt die Bundesregierung die Meinung, daß das in der Bundesrepublik Deutschland beabsichtigte Verbot von bestimmten Pflanzenschutzmitteln dann eine Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil der deutschen Landwirtschaft darstellt, wenn innerhalb der EWG keine Harmonisierung auf diesem Gebiet stattfindet, und — wenn ja — welche Schritte gedenkt sie zu unternehmen? Der umfangreiche Katalog zugelassener Pflanzenschutzmittel bietet der Landwirtschaft große Auswahlmöglichkeiten, so daß nach Meinung der Bun- 6562 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 desregierung keine Wettbewerbsverzerrungen durch die vorgesehene Verordung entstehen werden. Im übrigen sind für viele der in der Verordnung genannten Stoffe schon seit Jahren keine Rückstände an Lebensmitteln erlaubt, so daß sie nur noch bedingt angewandt werden konnten, während andere, wie z. B. DDT, in der Anwendung stark rückläufig und nur noch von untergeordneter Bedeutung sind. Abgesehen hiervon bleibt die Bundesregierung um eine Harmonisierung in Brüssel bemüht. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 26. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage A 31) : Ist die Bundesregierung bereit, bei den derzeitigen Agrarpreisverhandlungen in Brüssel auch darauf hinzuwirken, daß die Preise für Zuckerrüben angehoben werden? Die Bundesregierung hat mit Nachdruck versucht, bei den Ministerratsverhandlungen eine Erhöhung des Rübenmindestpreises und des Zuckerinterventionspreises zu erreichen. Fast alle anderen Delegationen haben sich energisch der Anhebung des Rübenmindestpreises widersetzt. Lediglich beim Zuckerpreis ist eine Erhöhung um 0,88 RE durch unsere Bemühungen erreicht worden. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 26. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage A 33) : Was hat die mir in der 82. Sitzung des Deutschen Bundestages am 3. Dezember 1970 von der Bundesregierung zugesagte Prüfung hinsichtlich der Grundsteuer A und ihrer erheblichen Belastungsunterschiede gerade in den Küstengebieten in der Nähe der holländischen Grenze ergeben, und welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus dieser Untersuchung ziehen? Die von mir zugesagte Überprüfung über die Unterschiede bei der Grundsteuerbelastung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe ist noch nicht abgeschlossen. Sie ist deshalb so besonders schwierig, weil sich Vergleiche nur unter Zugrundelegung mehrerer Merkmale anstellen lassen. Selbst aber wenn das Ergebnis vorliegt, lassen sich Konsequenzen in Richtung auf eine Angleichung der Grundsteuerbelastung nicht ziehen. Die Höhe der Grundsteuer richtet sich nach den gemeindeweise festgesetzten Hebesätzen. Dieses Recht der Kommunen als Ausfluß der grundsätzlich garantierten Selbstverwaltung vermag ich nicht zu beeinflussen. Auch eine volle Erstattung der Grundsteuer kann nicht als Lösung angesehen werden, weil dies zu einer mittelbaren Aufbesserung der Gemeindefinanzen führen kann, solange diese nicht geändert sind, ihre Hebesätze weiter anzuheben. Aus den gleichen Gründen bietet auch eine teilweise Erstattung der Grundsteuer keine Gewähr für eine gleichmäßige Belastung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Ahrens (SPD) (Drucksache VI/1983 Fragen A 57 und 58) : Trifft es zu, daß in einigen anderen EWG-Staaten geringere hygienische Anforderungen an den Betrieb von Schlachthöfen gestellt werden als in der Bundesrepublik Deutschland? Treffen Behauptungen zu, nach denen bei der Einfuhr von Milch aus anderen EWG-Staaten nicht sichergestellt ist, daß diese von tbc-freien Rindviehbeständen stammt? Der Rat der Europäischen Gemeinschaften hat am 26. Juni 1964 eine Richtlinie zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit frischem Fleisch erlassen. In dieser Richtlinie sind die hygienischen Voraussetzungen festgelegt, unter denen Schlachtbetriebe in den Mitgliedstaaten der EWG für den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr zugelassen werden dürfen. Die Mitgliedstaaten haben die Vorschriften der Richtlinie in nationales Recht übernommen. Die hygienischen Vorschriften für den Betrieb von Schlachthöfen im innergemeinschaftlichen Handelsverkehr sind somit gleich. Für Schlachtbetriebe, die nicht für den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr zugelassen sind, gelten die landesrechtlichen Hygienevorschriften. Die zweite Frage beantwortete ich mit Nein. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Jungmann (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage A 59) : Ist es zutreffend, daß die Firma Libby größere in den USA auf Grund der dortigen Bestimmungen nicht mehr absetzbare Mengen von cyclamatgesüßter Milch auf den deutschen Markt gebracht hat? Die Firma Libby hat, soweit mir bekannt ist, keine cyclamatgesüßte Milch auf den deutschen Markt gebracht. Zu der Einfuhr cyclamathaltiger Lebensmittel und zu der Rechtslage in der Bundesrepublik werde ich in den Antworten auf die Fragen der Kollegen Kaffka und Härzschel eingehen. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 6563 Anlage 8 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Kaffka (SPD) (Drucksache VI/1983 Fragen A 60 und 61) : Trifft der Bericht der Frankfurter Rundschau vom 9. März 1971 zu, daß zahlreiche amerikanische Firmen auf dem deutschen Markt Produkte absetzen, die in den USA aus „gesundheitsgefährdenden Gründen" nicht auf den Markt gebracht werden dürfen? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, mit in Zukunft die deutschen Verbraucher vor einem solchen amerikanischen Warenangebot und seinen gesundheitsschädigenden Wirkungen zu schützen? Nach eingehender Überprüfung aller bekanntgewordenen Forschungsergebnisse und aufgrund laufender Versuche über die Wirkungen und Eigenschaften von Cyclamat durch namhafte Wissenschaftler — Krebsforscher, Toxikologen, Diabetologen — hat die Bundesregierung bisher noch keine Veranlassung gesehen, ein totales Verbot auszusprechen. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, daß Cyclamat in der Bundesrepublik, anders als in den USA, von Anfang an nur in dem begrenzten Rahmen der Diät-Verordnung unter im einzelnen vorgeschriebener Kennzeichnung zugelassen war. In diesem Umfang ist seine Verwendung auch heute noch zulässig. Allerdings habe ich darüber hinaus die Cyclamat herstellende und verarbeitende Industrie zu einer Vereinbarung veranlaßt, wonach eine weitere Beschränkung der Verwendung dieses Süßstoffes innerhalb des diätetischen Bereiches und die zusätzliche Kennzeichnung „bei Diabetes" und/oder „bei krankhaftem Übergewicht" und „auf ärztliche Empfehlung" vorgesehen ist. In der Bundesrepublik dürfen auf Grund dieser Rechtslage neben anderen in- und ausländischen diätetischen Lebensmitteln, die diesen Süßstoff enthalten, auch importierte cyclamathaltige Obstkonserven in den Handel gebracht werden. Die Pressenotiz vom 9. März 1971 in der Frankfurter Rundschau hat mich veranlaßt, umgehend bei der amtlichen Lebensmittelüberwachung Erkundigungen einzuziehen. Dabei stellte sich heraus, daß aus den USA durch die Firma Libby cyclamatgesüßte Obstkonserven in die Bundesrepublik eingeführt worden sind. Die Kennzeichnung entspricht im wesentlichen den Vorschriften der Diät-Verordnung. Allerdings ist die nach der vorerwähnten Vereinbarung vorgesehene Kennzeichnung nicht berücksichtigt. Die in dem Bericht der Frankfurter Rundschau vom 9. März 1971 bezeichneten Arzneimittel Indocin (in der Bundesrepublik unter der Bezeichnung „Amuno", Hersteller Sharp & Dohme GmbH, im Verkehr) und Chloromycetin (eine chloramphenicolhaltige Arzneispezialität, Hersteller Parke-Davis) dürfen nur auf ärztliches ,Rezept in Apotheken abgegeben werden. Sie kommen also nur nach Anweisung eines Arztes und unter ärztlicher Überwachung zur Anwendung. Zu der Arzneispezialität „Indocin" (in der Bundesrepublik „Amuno") hat der Hersteller im Juni 1970 den deutschen Ärzten alle Informationen gegeben, die auch die Ärzte in den USA erhalten haben. Es liegt dazu ein Informationsblatt vor, das inhaltlich dem amerikanischen entspricht. Über ,die Anwendung chloramphenicolhaltiger Arzneispezialitäten hat die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft im Deutschen Ärzteblatt in den Jahren 1969 und 1970 zwei Bekanntmachungen veröffentlicht. Dabei ist besonders auf strenge Indikationsstellung, Beschränkung der Dosierung und der Anwendungsdauer hingewiesen worden. Weitere Maßnahmen werden zur Zeit von mir und dem Bundesgesundheitsamt nicht für erforderlich gehalten. Die Einfuhr gesundheitsschädlicher Lebensmittel ist nach § 3 des Lebensmittelgesetzes in Verbindung mit § 21 verboten. Eingeführte Lebensmittel müssen den deutschen lebensmittelrechtlichen Vorschriften entsprechen. Was die Einfuhr von in der Bundesrepublik zulässigen cyclamathaltigen Lebensmitteln betrifft, so habe ich die obersten Landesgesundheitsbehörden geheten, die für die amtliche Lebensmittelüberwachung zuständigen Stellen auf die Importe cyclamathaltiger Lebensmittel aufmerksam zu machen und auf eine vorschriftsmäßige Kennzeichnung nach der Verordnung über diätetische Lebensmittel zu achten, Verstöße zu ahnden und die Importeure auf die Einhaltung der freiwilligen Vereinbarung der Cyclamat herstellenden und verarbeitenden Industrie hinzuweisen. Eingeführte Arzneispezialitäten werden nach denselben Vorschriften registriert wie im Inland hergestellte Arzneispezialitäten. Zur Zeit wird eine Novelle zum Arzneimittelgesetz vorbereitet, die eine Vorschrift enthält, nach der der Einführer einer Arzneispezialität den Nachweis zu erbringen hat, daß der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herstellungslandes berechtigt ist, die Arzneispezialität herzustellen und dort in den Verkehr zu bringen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Stommel (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Fragen A 62 und 63) : Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um sicherzustellen, daß während der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der beruflichen Umschulung der Eltern die öffentlichen Einrichtungen für Kinderbetreuung nicht nur zur Verfügung stehen — wie in der Schrift des Bundesministeriums für Familie, Jugend und Gesundheit „Alleinstehende Elternteile mit abhängigen Kindern" erwähnt —, sondern auch die notwendigen Plätze geschaffen werden? Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung noch zu ergreifen zur weiteren Förderung von gemeinnützigen Familienstätten, wenn nach ihrer Ansicht der Familienurlaub in erster Linie auf dein freien Markt befriedigt werden soll? 6564 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 Eine spezielle gesetzliche Regelung, für bestimmte Einzelfälle eine ausreichende Zahl von Plätzen in Kindertagesstätten zur Verfügung zu stellen, ist dem Bundesgesetzgeber nicht möglich. Eine solche Regelung kann auch nicht aus der Kompetenz des Bundes zum Erlaß des Arbeitsförderungsgesetzes und des Berufsbildungsgesetzes hergeleitet werden. Die Befriedigung dieses Bedarfs muß vielmehr nach näherer Maßgabe des § 5 Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) in Verbindung mit § 3 JWG erfolgen. Das Jugendamt trägt die Verantwortung dafür, daß die erforderlichen Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, zu denen unbestritten Kindertagesstätten gehören, ausreichend zur Verfügung stehen. Letzteres ist nicht der Fall, wenn das vorhandene Platzangebot unzureichend ist. Die Bundesregierung bemüht sich jedoch im Rahmen der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung darum, im Einvernehmen mit den Ländern auf einen zügigen Ausbau der Einrichtungen im Elementarbereich hinzuwirken. Die Vorstellungen und Anregungen der Bundesregierung gehen langfristig bekanntlich dahin, das Platzangebot in Kindertagesstätten so zu vermehren, daß für jedes Kind, dessen Eltern es wünschen, ein Kindergartenplatz zur Verfügung steht. Zur Ergänzung der Maßnahmen im örtlichen Bereich kann die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg insbesondere in den Bedarfsschwerpunkten Darlehen aus Mitteln ihrer Rücklage zur Förderung des Baues von Kindertagesstätten für solche Kinder gewähren, deren Mütter eine Arbeitnehmertätigkeit ausüben beziehungsweise aufnehmen oder eine berufliche Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung, soweit sie nach dem Arbeitsförderungsgesetz dem Grund nach förderungsfähig sind, aufnehmen oder fortsetzen (vgl. Grundsätze für die Gewährung von Darlehen aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit zur Förderung des Baues von Kindertagesstätten vom 15. September 1970, ANBA Nr. 10/70). Bezüglich der mit dieser Förderung errichteten Plätze in Kindertagesstätten haben die Arbeitsämter ein Belegungsrecht. Die Bundesanstalt stellte für diesen Zweck zunächst 10 Millionen DM zur Verfügung. Die Formulierung, daß nach Ansicht der Bundesregierung der Familienurlaub in erster Linie vom freien Markt befriedigt werden soll, ist so nicht richtig. Die Bundesregierung fördert im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten den Bau und die Einrichtung von Familienferienstätten gemeinnütziger Träger. Diese Stätten dienen vornehmlich der Aufnahme kinderreicher und junger Familien, die sonst nicht in der Lage wären, die Ferien gemeinsam in einem Erholungsort zu verbringen. Im laufenden Haushaltsjahr sollen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung des Zonenrandgebietes weitere Mittel in Höhe von 3 Mio DM für die Errichtung von Familienferienstätten im Zonenrandgebiet bereitgestellt werden. Die Bundesregierung ist sich allerdings darüber im klaren, daß die gemeinnützigen Einrichtungen der Familienerholung auch künftig allein nicht in der Lage sein werden, den Bedarf an geeigneten Möglichkeiten für alle in Betracht kommenden erholungssuchenden Familien zu decken. Dieser Bedarf muß auch vom gewerblichen Markt befriedigt werden. Die Bundesregierung hält es daher für wesentlich, daß eine familienfreundliche Strukturierung des touristischen Erholungsmarktes sowie eine stärkere, enge Zusammenarbeit zwischen gemeinnützigen und gewerblichen Unternehmen erreicht wird. Wir haben mit den zuständigen Organisationen und Unternehmen Gespräche hierüber aufgenommen. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schmidt (Krefeld) (SPD) (Drucksache VI/ 1983 Fragen A 64 und 65) : Hält die Bundesregierung die medizinische Ausbildung über Ernährungsfragen in der z. Z. betriebenen Weise während des Studiums für ausreichend? In welchen Disziplinen sollten dem Studierenden Ernährungsfragen nahegebracht und über welche Teile der Ernährungswissenschaft sollte unterrichtet werden? Ihre erste Frage möchte ich mit einem klaren „Nein" beantworten. Es gibt zwar an einer ganzen Reihe von Hochschulen Lehrveranstaltungen, die sich speziell mit diesem Thema befassen, leider ist das durchaus nicht überall der Fall. Da es auch in der alten Bestallungsordnung für Ärzte kein Fachgebiet gab, in dem etwa bei der Prüfung ein spezielles Eingehen auf Ernährungsfragen zur Vorschrift gemacht worden wäre, blieb es im wesentlichen der Vorlesungsplan zu den einzelnen Fächern, z. B. Innere Medizin, Physiologische Chemie, Pathophysiologie überlassen, ob der Student während seiner ärztlichen Ausbildung hierüber etwas hörte oder nicht. Angesichts der Bedeutung, die der Ernährungswissenschaft zukommt, ist in der neuen Approbationsordnung für Ärzte vom 3. November 1970 die Behandlung von Ernährungsfragen während der ärztlichen Ausbildung künftig ausreichend sichergestellt. So sind in dem Prüfungsstoffkatalog der Ärztlichen Vorprüfung ausdrücklich aufgeführt „Grundkenntnisse der Chemie der Kohlenhydrate, Eiweißstoffe und Fette" sowie „Grundlagen der Ernährungslehre". Im Prüfungsstoffkatalog für den Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung ist weiter die „Pathophysiologie des Stoffwechsels und der Ernährung des Kindes" und im Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung die „Anwendung ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse in der Prophylaxe und Therapie" sowie die „Spezielle Diätetik" aufgeführt. Dagegen ist in der Approbationsordnung für Ärzte ganz bewußt darauf verzichtet worden, den Inhalt der Prüfungskataloge bestimmten Fachgebie- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 6565 ten zuzuordnen. Wie in der Amtlichen Begründung des Entwurfs dieser Verordnung dargelegt worden ist, sollen die Unterrichtsveranstaltungen möglichst problemorientiert und nicht vom einzelnen Fachgebiet her gestaltet werden. Die Hochschulen sollen hierdurch die Möglichkeit erhalten, bei der Gestaltung des Unterrichts im einzelnen die örtlichen Verhältnisse und Gegebenheiten zu berücksichtigen. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Strohmayr (SPD) (Drucksache VI/1983 Frage A 66) : Wie verteilen sich die im Rahmen des Deutsch-Französischen Jugendwerks erfolgten Begegnungsprogramme auf die einzelnen Bundesländer? Im Jahre 1968 wurden insgesamt 7 547 Programme gefördert, an denen 265 348 Jugendliche teilgenommen haben. Bei der statistischen Umfrage wurden 5 626 Programme mit 203 388 Teilnehmern erfaßt. Von diesen 5 626 Programmen haben 2 281 in Deutschland stattgefunden. Hierbei ist darauf hinzuweisen, daß es sich um Programme aus allen Förderungsbereichen gehandelt hat und nicht nur um Maßnahmen, die über die Länder als Zentralstellen (z. B. Programme öffentlicher Träger, örtlicher Gruppen, die keinen zentralen Verbänden angehören, Schulen) gefördert wurden; in den Zahlen sind also z. B. auch die Begegnungen von Jugendgruppen der Jugendverbände auf Bundesebene enthalten, die ihre Anträge über ihre Bundeszentralen im Deutsch-Französischen Jugendwerk vorgelegt haben. Eine Aufteilung der Begegnungsorte nach Bundesländern ergibt folgendes Bild: Schleswig-Holstein 65 = 2,85 % aller Hamburg 39 = 1,71 % Programme in Niedersachsen 168 = 7,37 % Deutschland Bremen 10 = 0,44 % NordrheinWestfalen 386 = 16,89 % Hessen 188 = 8,25 % Rheinland-Pfalz 181 = 7,94 % Baden-Württemberg 364 = 15,97 % Bayern 520 = 22,77 % Saarland 53 = 2,33 % Berlin-West 169 = 7,42 % Begegnungen an mehreren Orten .. 138 = 6,06% 2 281 = 100 % Die Zahl der Teilnehmer aus den einzelnen Bundesländern im Jahre 1968 ist statistisch nicht ermittelt worden. Hierüber gibt jedoch die Auswertung der Teilstatistik 1967 Auskunft, bei der von insgesamt 271 847 geförderten Jugendlichen 159 657 (davon 85 608 Deutsche) Teilnehmer erfaßt wurden. Eine Aufteilung in Prozentsätzen ergibt folgendes Bild: Schleswig-Holstein 3,2 % Hamburg 2,8 % Niedersachsen 9,3 % Bremen 1,6 % Nordrhein-Westfalen 26,2 % Hessen 10,5 % Rheinland-Pfalz 8,9 % Baden-Württemberg 15,9 % Bayern 12,5 % Saarland 4,2 % Berlin 4,3 % Nicht angegeben 0,6 % 100 % Anlage 12 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Hansen (SPD) (Drucksache VI/ 1983 Frage A 67) : Mit welchen Mitteln wird die Bundesregierung verhindern, daß ausländische Lebensmittel und Drogen, deren Absatz im Erzeugerland aus Gründen der Gesundheitsgefährdung verboten wurde, in steigendem Maße in der Bundesrepublik Deutschland auf den Markt gelangen, wie das zum Beispiel bei den cyclamatgesüßten Dosenfrüchten der Firma Libby der Fall ist? Die Bundesregierung läßt grundsätzlich aus dem Ausland bekanntwerdende Meldungen über die Gesundheitsgefährdung durch Lebensmittel und Stoffe zu deren Herstellung überprüfen. Falls sich solche Meldungen bestätigen, spricht die Bundesregierung im erforderlichen Umfang Verbote oder Beschränkungen aus, die nach der Systematik des deutschen Lebensmittelgesetzes 'auch für Importe wirksam werden. In dem in Ihrer Frage angesprochenen Fall der Verwendung von Cyclamat hat die Bundesregierung bis jetzt nach eingehender Überprüfung aller bekanntgewordenen Forschungsergebnisse und auf Grund laufender Versuche über die Wirkungen und Eigenschaften von Cyclamat durch namhafte Wissenschaftler — Krebsforscher, Toxikologen, Diabetologen — noch keine Veranlassung gesehen, wie in den USA ein totales Verbot von Cyclamat auszusprechen. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, daß anders als in den USA Cyclamat in der Bundesrepublik von Anfang an nur in dem begrenzten Rahmen der Diät-Verordnung unter im einzelnen vorgeschriebener Kennzeichnung zugelassen war. Darüber hinaus ist die Cyclamat herstellende und verarbeitende Industrie zu einer weiteren Beschränkung der Verwendung dieses Süß- 6566 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 stoffes innerhalb des diätetischen Bereiches veranlaßt worden. Vorausgesetzt, daß der nach der Diät-Verordnung vorgesehene Zulassungsrahmen und die Kennzeichnungsvorschriften beachtet werden, dürfen mit Cyclamat gesüßte Lebensmittel in die Bundesrepublik importiert und in den Verkehr gebracht werden. Nach Bekanntwerden der hier erwähnten Importe habe ich die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen obersten Landesgesundheitsbehörden gebeten, für die Beachtung der Vorschriften der DiätVerordnung Sorge zu tragen und auf die Vereinbarung der Cyclamat herstellenden und verarbeitenden Industrie hinzuweisen. Eingeführte Arzneispezialitäten werden nach denselben Vorschriften registriert wie im Inland hergestellte Arzneimittelspezialitäten. Zur Zeit wird eine Novelle zum Arzneimittelgesetz vorbereitet, die eine Vorschrift enthält, nach der der Einführer einer Arzneispezialität den Nachweis zu erbringen hat, daß der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herstellungslandes berechtigt ist, die Arzneispezialität herzustellen und dort in den Verkehr zu bringen. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Härzschel (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage A 68) : Treffen Meldungen zu, wonach eine Reihe amerikanischer Firmen Produkte in der Bundesrepublik Deutschland absetzen, die in den Vereinigten Staaten aus gesundheitsgefährdenden Gründen nicht mehr auf den Markt gebracht werden dürfen, wie z. B. 300 000 Kisten cyclamatgesüßter Dosenfrüchte? Ich bin den in Ihrer Frage angesprochenen Meldungen nachgegangen und habe in Erfahrung gebracht, daß von der Firma Libby aus den USA cyclamatgesüßte Dosenfrüchte in die Bundesrepublik eingeführt worden sind, die hier unter dem Namen verschiedener deutscher Firmen in den Verkehr gebracht werden. Zahlen über den Umfang dieser Importe stehen mir nicht zur Verfügung. Die Bundesregierung hat nach eingehender Überprüfung aller bekanntgewordenen Forschungsergebnisse und auf Grund laufender Versuche über die Wirkungen und Eigenschaften von Cyclamat durch namhafte Wissenschaftler — Krebsforscher, Toxikologen, Diabetologen — bisher keine Veranlassung gesehen, ein totales Verbot für Cyclamat auszusprechen. Die Verwendung von Cyclamat ist in der Bundesrepublik von Anfang an nur in dem begrenzten Rahmen der Diät-Verordnung unter im einzelnen vorgeschriebener Kennzeichnung zugelassen worden. In diesem Umfang ist die Verwendung dieses Stoffes auch heute noch zulässig. Allerdings habe ich darüber hinaus die Cyclamat herstellende und verarbeitende Industrie zu einer Vereinbarung veranlaßt, wonach unter anderem eine weitere Beschränkung der Verwendung dieses Süßstoffes innerhalb des diätetischen Bereiches und die zusätzliche Kennzeichnung „bei Diabetes" und/oder „bei krankhaftem Übergewicht" und „auf ärztliche Empfehlung" vorgesehen ist. In der Bundesrepublik dürfen auf Grund dieser Rechtslage neben anderen in- und ausländischen diätetischen Lebensmitteln, die diesen Süßstoff enthalten, auch importierte cyclamathaltige Obstkonserven in den Handel gebracht werden. Die im speziellen Fall auf mein Ersuchen hin erfolgte Kontrolle durch die zuständigen Lebensmittel-Überwachungsbehörden hat bisher ergeben, daß im Handel angetroffene cyclamatgesüßte Obstkonserven in ihrer Kennzeichnung zwar den Hinweis auf die Verwendung von Cyclamat enthielten, im übrigen aber teilweise nicht völlig der nach der Diät-Verordnung vorgeschriebenen Kennzeichnung entsprachen. Ich habe deshalb die obersten Landesgesundheitsbehörden gebeten, eine den deutschen Vorschriften entsprechende Kennzeichnung zu veranlassen und Verstöße zu ahnden. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Kiechle (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage A 69) : Hält die Bundesregierung die in der in ihrem Auftrag herausgegebenen Aufklärungsschrift „Die Ernährung des Kleinkindes und des Schulkindes" gemachte Aussage, Fleisch, Eier, Milch und Butter machten Kinder blaß, aufgeschwemmt, verstopft und appetitlos und gegen Infektionen anfällig, für wissenschaftlich einwandfrei bewiesen, und in welcher Form bzw. durch wen hat die Bundesregierung die Richtigkeit der gemachten Aussage überprüft bzw. überprüfen lassen? Der regelmäßige Verzehr einer genügenden Menge von Fleisch, Milch, Eiern und Butter ist für eine normale geistige und körperliche Entwicklung von Kleinkindern und Schulkindern die beste Voraussetzung. Diese Feststellung ist Leitmotiv der im Auftrage des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit herausgegebenen Broschüre „Die Ernährung des Kleinkindes und des Schulkindes". Der Autor dieser Schrift, Herr Professor Droese, Direktor des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund, gilt als der führende Fachmann auf diesem Gebiet in der Bundesrepublik. In dieser Broschüre findet sich an keiner Stelle der Satz „Fleisch, Eier, Milch und Butter machten Kinder blaß, aufgeschwemmt, verstopft, appetitlos und gegen Infektionen anfällig". Im Abschnitt „Falsche Ernährung" heißt es: „Eine sogenannte ,kräftige Kost', die überwiegend aus Fleisch, Eiern, Milch und Butter besteht, ist einseitig und verdirbt auf die Dauer den Appetit. Die Kinder sind bei solcher Ernährung gewöhnlich blaß, aufgeschwemmt und verstopft, haben eine schlecht entwickelte Muskulatur, sind wenig leistungsfähig und für Infektionen besonders anfällig." Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 6567 Diese Feststellung beruht auf langjährigen Erfahrungen der Kinderärzte in der ganzen Welt. Deshalb warnt die Schrift vor einer einseitigen Ernährung. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage A 70) : Treffen Behauptungen zu, daß innerhalb der Europäischen Gemeinschaft Kunstweine und sonstige, dem deutschen Weingesetz nicht entsprechende Weine, hergestellt und in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt werden? Die Herstellung von Kunstwein ist weder nach dem deutschen Weingesetz noch nach den Vorschriften der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft noch nach denen eines Mitgliedstaats dieser Gemeinschaft zulässig. Wie die Ermittlungen ergeben haben, sind solche Erzeugnisse aber aus Mitgliedstaaten in die Bundesrepublik geliefert worden. Da die Feststellungen der Zollfahndung und der Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen sind, läßt sich z. Z. nichts darüber aussagen, wer für die Herstellung und für ihr Verbringen ins Inland die Verantwortung trägt. Die Kommission in Brüssel hat von diesem Vorfall Kenntnis erhalten. Sie hat bereits eigene Ermittlungen angestellt. Nach Vorlage der abschließenden Ergebnisse wird geprüft werden müssen, wie solche Vorkommnisse unterbunden werden können. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Abelein (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage A 71): Ist die Bundesregierung bereit, in dem neuen Ausbildungsförderungsgesetz die Absolventen von Abendrealschulen in gleicher Weise zu fördern wie die Absolventen von Abendgymnasien und Kollegs? Die Bundesregierung hält an der Auffassung fest, daß den bereits im Erwerbsleben stehenden jungen Menschen ein besonderer Anreiz geboten werden soll, im Zweiten Bildungsweg die Hochschulreife zu erwerben. Diese Voraussetzung trifft aber nur auf Abendgymnasiasten und Kollegiaten zu. Eine Ausdehnung der elternunabhängigen Förderung auf Abendrealschüler ist aber auch deshalb nicht möglich, weil der Entwurf des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in seiner Gesamtheit den finanziellen Spielraum, der durch die mittelfristige Finanzplanung der Bundesregierung gegeben ist, voll ausschöpft. Mehr als die Übernahme der derzeitig im § 9 Abs. 3 Ausbildungsförderungsgesetz bestehenden Regelung, d. h. der elternunabhängigen Förderung für Abendgymnasiasten und Kollegiaten, in den Entwurf des Bundesausbildungsförderungsgesetzes war daher nicht möglich. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage A 72) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden, wonach in den Jahren 1964 bis 1970 in der Bundesrepublik Deutschland ein stetiger Geburtenrückgang zu verzeichnen ist, der im Jahr 1970 das statistische Bevölkerungsminimum von 218 Geburten je 100 Ehen mit 200 Geburten je 100 Ehen unterschritten hat? Ein so schwieriges demographisches Problem kann nicht in einer kurzen Antwort in der Fragestunde befriedigend behandelt werden. Die Beurteilung des seit einiger Zeit erheblichen Geburtenrückgangs setzt Zielvorstellungen über die als erwünscht angesehene Bevölkerungsentwicklung voraus, an denen die tatsächliche Entwicklung gemessen werden kann. Die Erarbeitung solcher Zielvorstellungen ist dringlich geworden aufgrund des akuten Geburtenrückgangs, dessen verschiedene Ursachen im einzelnen und in ihrem Gewicht noch nicht ausreichend geklärt sind. Gegenwärtig ist zwar die Bestandserhaltungsgrenze der Bevölkerung unterschritten; nach vorliegenden demographischen Untersuchungen wäre es jedoch voreilig, schon jetzt von einer Phase zu sprechen, bei der auf Dauer die Geburten hinter den Sterbefällen zurückbleiben. Ebenso wie viele andere Verhaltensweisen des Menschen ist auch das generative Verhalten ZeitStrömungen unterworfen und daher wandelbar. Da mit der Erarbeitung von Zielvorstellungen über die Bevölkerungsentwicklung in unserem Gemeinwesen sehr komplexe Zusammenhänge — auch weit über die Zuständigkeit eines einzelnen Fachressorts hinaus — angesprochen sind, lassen sich derartige Zielsetzungen nur aufgrund gründlicher wissenschaftlicher Vorarbeiten entwickeln, die zwangsläufig längerfristiger Natur sind. Im übrigen hat die Bundesregierung die Absicht, das Thema Geburtenrückgang in ihrem für 1972 vom Deutschen Bundestag erbetenen Familienbericht, der gegenwärtig vorbereitet wird, eingehender zu behandeln. Anlage 18 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Baier (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Fragen A 73 und 74) : Treffen Pressemitteilungen zu, wonach Frau Bundesminister Strobel den Familienverbänden erklärte, daß die Reform des Familienlastenausgleichs nicht vor dein Jahre 1974 zu erwarten sei? 6568 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 Wird die Bundesregierung angesichts dieses Sachverhalts alsbald eine weitere und umfassendere Anhebung des Kindergeldes vornehmen? Da die Reform des Familienlastenausgleichs nur im Zusammenhang mit der Steuerreform erfolgen kann, ist das Inkrafttreten davon abhängig. Das habe ich wiederholt gesagt. Wenn und soweit die entscheidenden Teile der Steuerreform erst ab 1. 1. 1974 in Kraft treten können, gilt dies auch für die Reform des Familienlastenausgleichs. Hierüber wird die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Fortschreibung der mehrjährigen Finanzplanung beschließen. Ich bin nicht in der Lage, diese Frage jetzt zu beantworten. Die Bundesregierung wird bekanntlich über die Fortschreibung der mehrjährigen Finanzplanung im Spätsommer entscheiden. Anlage 19 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 26. März 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Kahn-Ackermann (SPD) (Drucksache VI/1983 Frage A 116) : Welche deutschen Tageszeitungen werden gegenwärtig unseren auswärtigen Missionen durch das Auswärtige Amt zugestellt? „Frankfurter Allgemeine Zeitung", „Handelsblatt", „Süddeutsche Zeitung", „Die Welt"; in wenigen Exemplaren die „Frankfurter Rundschau", der „Bonner Generalanzeiger" und der „Tagesspiegel". Außerdem werden folgende Wochenzeitungen geliefert: „Christ und Welt", „Parlament", „Der Spiegel", „Rheinischer Merkur", „Vorwärts", „Der Volkswirt", „Die Zeit" und in einigen Exemplaren „Publik". Die Missionen haben hinsichtlich der von ihnen gewünschten Zeitungen freie Wahl. Die Anzahl der gelieferten Zeitungen ist nach Größe und Bedeutung der jeweiligen Auslandsvertretung sowie nach Maßgabe der verfügbaren Haushaltsmittel gestaffelt. Anlage 20 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dorn vom 24. März 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Biechele (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Fragen B 1 und 2) : Sind nach Meinung der Bundesregierung Klagen zutreffend, daß die deutschen Grenzanwohner gegenüber den Grenzanwohnern der Schweiz im Hinblick auf die Möglichkeiten des Grenzübertritts nadi dem deutschschweizerischen Abkommen über den Grenzübertritt von Personen im kleinen Grenzverkehr, das am 1. August 1970 in Kraft getreten ist, benachteiligt sind? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die gegebenenfalls bestehende Benachteiligung der deutschen Grenzanwohner zu beseitigen? Bis zu der Veröffentlichung im „Südkurier" vom 4. März 1971 sind der Bundesregierung Klagen von Bewohnern deutscher Grenzgemeinden über eine Benachteiligung gegenüber Bewohnern schweizerischer Grenzgemeinden im Hinblick auf die Möglichkeiten zum Grenzübertritt nach dem deutschschweizerischen Abkommen vom 21. Mai 1970 über den Grenzübertritt von Personen im Kleinen Grenzverkehr (BGBl. II S. 745) nicht bekanntgeworden. Das Abkommen hat für die Bewohner der Grenzzonen Erleichterungen geschaffen, wie sie an keinem anderen Grenzabschnitt der Bundesrepublik bestehen. Seine Vorschriften gelten für die Bewohner der Grenzzonen beider Länder in gleicher Weise. Die Grenzübergangsstellen, an denen Bewohner grenznaher Gemeinden die Grenze jederzeit überschreiten dürfen, wurden im Einvernehmen mit den Bürgermeistern dieser Gemeinden festgelegt. Änderungswünsche sind dem Grenzschutzamt Konstanz bisher nicht vorgetragen worden. Sollten einzelne Gemeinden der Auffassung sein, daß die Möglichkeiten für Erleichterungen, die das Abkommen bietet, nicht genügend genutzt worden seien, bleibt es ihnen unbenommen, sich an das genannte Grenzschutzamt zu wenden. Einige schweizerische Grenzgemeinden — besonders im sog. „Schaffhauser Zipfel" — sind auf mehreren Seiten von deutschem Hoheitsgebiet umgeben. Ihre Bewohner sind ,deshalb bei Grenzübertritten in die Bundesrepublik darauf angewiesen, verschiedene Grenzübergangsstellen zu benutzen. Die Rücksichtnahme darauf stellt keine Bevorzugung der Bewohner dieser Gemeinden dar. Anlage 21 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dorn vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schedl (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage B 3) : Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um den Empfang der deutschen Umsiedler aus Polen würdiger und menschlicher zu gestalten, damit Vorkommnisse, wie sie sich kürzlich in Hannover (vgl. hierzu Bericht der Mittelbayerischen Zeitung vom 8. Februar 1971) abgespielt haben, verhindert werden? Nach meinen Feststellungen gehen die Meldungen über Unzulänglichkeiten bei der Betreuung von Aussiedlern auf dem Bahnhof Hannover auf einen einzigen Korrespondenten zurück. Mein Ministerium ist den von diesem Korrespondenten erhobenen Anschuldigungen unverzüglich nachgegangen und hat festgestellt, daß sie unzutreffend sind. Es kann möglich sein, daß Anfang Februar 1971 für etwa zwei Tage ein gewisser Engpaß in der Versorgung der Aussiedler auf dem Bahnhof Hannover eingetreten ist, da mit dem plötzlichen An- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 6569 steigen der Zahl der Aussiedler von der Bahnhofsmission nicht gerechnet werden konnte. Trotzdem trifft die Behauptung nicht zu, daß den Aussiedlern nur Hagebutten- oder Apfeltee verabreicht worden sei. Auch die nur wenige Stunden dauernde Unterbringung in einem Bahnhofsbunker kann, auch wenn sie nicht ideal ist, nicht als unwürdig bezeichnet werden. Die Befragung von etwa 900 Aussiedlern im Grenzdurchgangslager Friedland über deren Betreuung auf dem Bahnhof Hannover hat nicht eine einzige Klage oder Beanstandung ergeben. Unbeschadet dessen hat die Niedersächsische Landesregierung veranlaßt, daß die Deutsche Bundesbahn einen Anschlußzug an den Moskau-Paris-Expreß (D 106) in Braunschweig einsetzt, der die Aussiedler von hier unmittelbar nach Friedland befördert. Abfahrtszeit ab Braunschweig ist Ankunftszeit des D 106 plus 30 Minuten. Damit wird der Aufenthalt der Aussiedler auf dem Bahnhof Hannover entbehrlich. Soweit Aussiedler den Warschau-ParisExpreß benutzen und zur Zeit noch in Hannover umsteigen müssen, beträgt der Aufenthalt bis zum Anschluß an die D-Züge nach Göttingen (D 672 und D 588) je nach Ankunft des Fernzuges Warschau—Paris 15 bis höchstens 60 Minuten. Beide Anschlußzüge halten in Friedland. Die Aussiedler werden bereits ab Helmstedt in den Zügen betreut. Für den Übergang vom Warschau-Paris-Expreß zum Anschlußzug nach Göttingen—Friedland auf dem Bahnhof Hannover ist ein Trägerdienst eingerichtet. Der Empfang und die Betreuung der Aussiedler im Grenzdurchgangslager Friedland selbst sind allseits als vorbildlich anerkannt. Bei dieser Sachlage sieht die Bundesregierung keine Veranlassung, in dieser Frage von sich aus tätig zu werden. Anlage 22 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Bayerl vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache VI/1983 Frage B 4): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung zum Abschluß von vertraglichen Regelungen über die Verfolgung von Unterhaltsansprüchen gegenüber Gastarbeitern in deren Heimatstaaten, soweit entsprechende Vereinbarungen noch fehlen? Mit folgenden Ländern, aus denen Gastarbeiter in größerer Zahl in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt sind, bestehen noch keine oder noch keine ausreichenden Übereinkünfte, welche die Verfolgung von Unterhaltsansprüchen gegenüber Gastarbeitern in ihren Heimatländern erleichtern: Jugoslawien, Türkei, Spanien, Portugal und Marokko. Von diesen Staaten gehören allerdings Jugoslawien, Spanien, Portugal und Marokko dem UN-Übereinkommen vom 20. Juni 1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland an, welches die Verfolgung von Unterhaltsansprüchen in den anderen Mitgliedstaaten durch administrative Maßnahmen erleichtert; die Konvention regelt jedoch nicht die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln. Mit der jugoslawischen, spanischen und marokkanischen Regierung besteht Einverständnis darüber, einen Vollstreckungsvertrag abzuschließen; durch diese Verträge soll auch die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung deutscher Unterhaltstitel — soweit dies nach der Rechtsordnung der Partnerstaaten möglich ist — sichergestellt werden. Diese Verhandlungen werden voraussichtlich noch in diesem Jahr aufgenommen werden. Anlage 23 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 24. März. 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Roser (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage B 5) : Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, den inmitten des Ballungsraums Nürnberg-Fürth-Erlangen gelegenen Schießplatz Tennenlohe in absehbarer Zeit zu verlagern, und was gedenkt sie bejahendenfalls zu unternehmen? Der Truppenübungsplatz Tennenlohe wird wegen seiner günstigen Lage von den US-Streitkräften als unentbehrliches Übungsgelände für Truppenteile im Raume Nürnberg—Fürth—Erlangen sowie in der Gegend von Schwabach, Ansbach und Bamberg angesehen. Die US-Streitkräfte führen dort Übungen durch, die zur Erfüllung ihrer militärischen Aufgabe notwendig sind. Eine ersatzlose Freigabe wird daher von US-Seite abgelehnt. Eine Verlegung des gesamten rd. 3200 ha umfassenden Übungsgeländes wird wohl mangels geeigneten Ersatzlandes an anderer Stelle nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können. Dazu muß noch bedacht werden, daß eine Verlegung des Übungsgeländes zwangsläufig auch eine Verlegung der Garnison Erlangen und vermutlich auch von Teilen anderer Garnisonen zur Folge haben würde. Um jedoch den akuten Interessen und Belangen der angrenzenden Städte, Landkreise und Gemeinden sowie der Universität Erlangen Rechnung zu tragen, hat das Bundesministerium der Finanzen Verhandlungen mit den US-Streitkräften aufgenommen. Dabei ist es das Ziel des Bundesministeriums der Finanzen, die Belange beider Seiten genügend zu berücksichtigen, eine Erweiterung des Platzes nach Süden bzw. Südosten aber zu vermeiden. 6570 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 Anlage 24 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 23. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983) Frage B 6) : Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die zu Lasten der EWG und der Steuerzahler gehenden Dreiecksgeschäfte auf dem Agrarsektor zu unterbinden? Soweit nach EWG-Recht für die Ausfuhr von Marktordnungswaren in dritte Länder eine Erstattung gezahlt wird, erwirbt der Ausführer mit der Ausfuhr einen Anspruch auf Zahlung der Erstattung. Der Empfänger der Ware kann über diese frei verfügen, er ist auch berechtigt, sie in andere Länder weiter zu liefern. Eine Ausfuhr nach Drittländern liegt nicht vor, wenn von vornherein beabsichtigt war, die Ware in ein Gebiet zu verbringen, für das Ausfuhrerstattungen nicht gewährt werden. Der Nachweis, daß in diesen Fällen die Einschaltung eines Drittlandes nur zum Schein erfolgt, um die Erstattung zu erhalten, ist jedoch im Einzelfall nicht leicht zu führen. Für die Verhinderung und Bekämpfung von Zuwiderhandlungen stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung: a) Forderung von Nachweisen, daß die Ausfuhrware das Drittland erreicht hat, für das die Erstattung gewährt wird (zu vgl. § 7 der Verordnung Ausfuhrerstattung EWG in Verbindung mit Art. 8 der VO Nr. 1041/67 EWG). b) Überprüfung zweifelhafter Geschäfte durch die Betriebsprüfung Zoll. c) Ahndung von Zuwiderhandlungen. Zu a) : Es ist beabsichtigt, in Zweifelsfällen einwandfreie Nachweise über die Ankunft der Ware im Drittland zu verlangen, z. B. Bescheinigungen deutscher Auslandsvertretungen. Zu b) : Wie schon bisher, wird die Betriebsprüfung Zoll bei der Überwachung von Dreiecksgeschäften im Bereich der EWG-Marktordnung verstärkt eingesetzt. Zu c) : Angemessene Ahndungsmaßnahmen werden möglich sein, wenn in dem in Vorbereitung befindlichen Durchführungsgesetz EWG-Marktordnung Zuwiderhandlungen hiergegen nicht nur mit Geldbußen, sondern auch mit kriminellen Strafen bedroht sein werden. Im übrigen wird von der zwischenstaatlichen Rechtshilfe auf Grund der geltenden Rechtshilfeabkommen bei der Verfolgung von Zuwiderhandlungen soweit wie möglich Gebrauch gemacht werden. Anlage 25 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage B 7) : Ist der Bundesminister der Finanzen bereit, den Wünschen der Auricher Wirtschaft Rechnung zu tragen und die für den 31. März 1971 vorgesehene Aufhebung des Zollamts Aurich rückgängig zu machen oder notfalls das Zollamt in eine Nebenstelle des Zollamts Emden umzuwandeln? Das Zollamt Aurich gehört zu den kleinsten Zollämtern des Bundesgebiets. Es ist nur mit zwei Beamten besetzt. Der Arbeitsanfall ist im Jahre 1970 weiter zurückgegangen. Die Oberfinanzdirektion Hannover hat deshalb beantragt, das Zollamt mit Ablauf des 31. März 1971 aufzuheben, um das Personal besser einsetzen zu können und Sachkosten zu sparen. Mein Haus hat noch nicht entschieden, sondern die Oberfinanzdirektion gebeten, zunächst eingehend zu prüfen inwieweit sich bei einer Aufhebung des Zollamts Nachteile für die Wirtschaft im Raum Aurich ergeben könnten und welche Maßnahmen erforderlich wären, um solche Nachteile zu vermeiden. Die Gremien der Industrie und des Handels werden Gelegenheit erhalten, ihre Probleme mit Vertretern der Zollverwaltung in einer gemeinsamen Besprechung zu erörtern. Erst danach wird sich beurteilen lassen, ob die Aufhebung des Zollamts Aurich vertretbar ist. Ihr Vorschlag, das Zollamt Aurich in eine „Nebenstelle" des Hauptzollamts Emden umzuwandeln, würde nur zu einer anderen Bezeichnung führen, hätte aber keinen Rationalisierungseffekt. Auch eine Zollzweigstelle Aurich müßte mit zwei Beamten besetzt werden, die sächlichen Aufwendungen blieben unverändert. Anlage 26 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 23. März 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Fragen B 8 und 9) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die zuständigen Behörden eine Beihilfe nach dem Gasölverwendungsgesetz ablehnen, wenn der Antragsteller den Nachweis für Dieselöl, das fur private Zwecke bezogen worden ist, nicht führt, obwohl von keiner Seite bestritten wird, daß das Gasöl, für das eine Verbilligung beantragt wird, ausschließlich bestimmungsgemäß verwendet worden ist? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die hier einschlägigen Bestimmungen des Gasölverwendungsgesetzes nicht um ihrer selbst willen geschaffen worden sind und deshalb in dem genannten Fall ein Antrag nicht abgelehnt werden darf? Der Bundesregierung ist der angesprochene Fall nicht bekannt. Ich bin selbstverständlich bereit, diesem Fall nachzugehen, wenn Sie dem Bundesminister der Finanzen konkrete Einzelheiten dazu mitteilen würden. Sie werden sicherlich Verständnis Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 6571 dafür haben, daß ich im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in der Lage bin, eine Stellungnahme abzugeben. Anlage 27 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rosenthal vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage B 10) : Ist beabsichtigt, über die Verordnung über die Preise bei öffentlichen oder mit öffentlichen Mitteln finanzierten Aufträgen für Bauleistungen hinaus auch Vorschriften über die Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen außerhalb der Bauwirtschaft, insbesondere die VO PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953, zu novellieren? Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Vorschriften über die Preise bei öffentlichen Aufträgen außerhalb der Bauwirtschaft, namentlich die Verordnung PR Nr. 30/53, grundlegend zu ändern. Vor allem sollen Preise, die im Wettbewerb zustande kommen, auch künftig keiner preisrechtlichen Nachprüfung nach Kostengesichtspunkten unterliegen. Dagegen beabsichtigt die Bundesregierung zu untersuchen, inwieweit Vorschriften der Verordnung PR Nr. 30/53 geänderten Verhältnissen angepaßt oder auf Grund der Erfahrungen der Praxis — im wesentlichen redaktionell überarbeitet werden müssen. Wann diese Überlegungen abgeschlossen sein werden, läßt sich gegenwärtig noch nicht übersehen. Anlage 28 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rosenthal vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Meister (CDU/CSU) (Drucksache VI/ 1983 Frage B i l) : Hält es die Bundesregierung für vertretbar, einem deutschen Kfz-Versicherungsnehmer die Möglichkeit zu geben, sich bei einer ins EG-Raum ansässigen Versicherung zu versichern? Nach § 5 des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz) kann die Versicherung nur bei einem im Inland zum Betrieb der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung befugten Versicherungsunternehmen genommen werden. Zu diesen Unternehmen gehören auch ausländische Versicherungsgesellschaften, wenn sie nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz eine Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erhalten und entsprechend diesem Gesetz eine Zweigniederlassung gegründet haben. Die Bundesregierung hält es im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für vertretbar, diese Vorschriften in dem Sinne abzuändern, daß ein Kraftfahrzeughalter seine Versicherungspflicht auch durch Abschluß eines Versicherungsvertrages mit einem Versicherer erfüllen darf, der nicht im Inland zugelassen ist und demgemäß hier keine Niederlassung besitzt. Die genannte Vorschrift dient nicht nur den Interessen des Versicherungsnehmers (Kraftfahrzeughalters), sondern in erster Linie dem Schutz der geschädigten Dritten. Diesen soll im Inland ein leistungsfähiger Versicherer haften, der hier über die erforderlichen Vermögenswerte verfügt und ,der der inländischen Versicherungsaufsicht unterliegt; die Geschädigten sollen nicht darauf angewiesen sein, im Schadensfalle ihre Ansprüche gegen einen Versicherer im Ausland geltend zu machen und dort notfalls zu klagen und zu vollstrecken. Ferner unterliegen nach § 4 des Pflichtversicherungsgesetzes die allgemeinen Versicherungsbedingungen der Genehmigung der Versicherungsaufsichtsbehörde; sie müssen mit den Grundsätzen der Versicherungsaufsicht im Einklang stehen und dem Zweck des Pflichtversicherungsgesetzes gerecht werden. Die entsprechenden ausländischen Grundsätze weichen teilweise stark von den deutschen ab. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Versicherer im Zulassungsverfahren für Kraftfahrzeuge mitwirken. Die Einhaltung der ihnen hierbei obliegenden Pflichten ist nur dann gewährleistet, wenn die Versicherer — bei ausländischen Versicherern: die im Inland bestehenden Zweigniederlassungen — voll der inländischen Rechtsordnung unterstehen. Es ist noch nicht abzusehen, ob und inwieweit die geschilderte Rechtslage geändert werden kann, sobald der freie Dienstleistungsverkehr in der EWG auf dem Versicherungsgebiet verwirklicht ist; z. Z. ist die Dienstleistungsfreiheit auf diesem Gebiet noch nicht hergestellt. Wegen der genannten besonderen Zwecke, die mit einer Pflichtversicherung verfolgt werden, wird die Einbeziehung der Pflichtversicherungen in einen freien Dienstleistungsverkehr noch einer genauen Prüfung bedürfen. Anlage 29 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 17. März 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Richarts (CDU/CSU) (Drucksache VI/ 1983 Fragen B 13 und 14) : Über wieviel Anträge, die bei der Kommission für die Gewährung von Mitteln aus dem Europäischen Ausrichtungsfonds für den Weinbau in der Gemeinschaft gestellt worden sind, ist bereits entschieden, und wieviel Mittel sind hierfür bewilligt worden? Wieviel Anträge stehen noch zur Entscheidung an, und wie hoch ist der ausstehende Betrag? Aus der Bundesrepublik Deutschland sind der Kommision der EG seit Bestehen des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, im Jahre 1964 bis heute in acht Tranchen insgesamt 738 Vorhaben mit einem beantragten Zuschußvolumen von rd. 1,3 Milliarden DM vorgelegt worden. Von diesen Vorhaben entfallen 46 Anträge mit einem bean- 6572 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 tragten Zuschußvolumen von 104 604 407,— DM (=8,0 % von der Gesamtsumme) auf Maßnahmen, die den Weinbau betreffen (Rebenwiederaufbau- und Kellereianträge). Von diesen 46 Anträgen sind bisher 21 Vorhaben mit einem Zuschußbetrag von 34 268 681,— DM von der Kommission der EG bewilligt worden. Gegenüber der Bewilligung aller Vorhaben seit 1964 in Höhe von 377 655 365,— DM sind demnach für Anträge, die den Weinbau betreffen, 9 °/o von der Gesamtsumme bewilligt worden. Es stehen noch 17 Anträge mit einem beantragten Zuschußvolumen von 47 775 392,— DM zur Entscheidung durch die Kommission an, und zwar fünf mit einem Zuschußvolumen von 19 090 740,— DM aus der VII. Tranche (Vorhaben 1970) und 12 Anträge mit einem Zuschußvolumen von 28 684 652,—DM aus der VIII. Tranche (Vorhaben 1971). Über einen ersten Abschnitt der VII. Tranche wird die Kommission noch in diesem Monat endgültig entscheiden. Nach meinen Informationen wird in diesem Abschnitt ein Antrag mit 2 064 649,— DM bewilligt werden. Entsprechendes Zahlenmaterial aus den anderen Mitgliedstaaten steht mir leider nicht zur Verfügung. Ich empfehle Ihnen, sich in dieser Angelegenheit mit einer Anfrage an die Kommission der EG zu wenden. Anlage 30 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Auerbach vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dröscher (SPD) (Drucksache VI/1983 Frage B 15) : Wie kann der Witwe eines verstorbenen Landwirtes geholfen werden, die, obwohl dem Landwirt das vorzeitige Altersgeld wegen Krankheit zugestanden hätte, nun nicht in den Genuß kommt, weil die Voraussetzung der tatsächlichen Verpachtung infolge des allzuschnellen Todes nicht mehr realisiert werden konnte? Vor Vollendung des 65. Lebensjahres kann ein Landwirt Altersgeld nur erhalten, wenn er erwerbsunfähig ist und sein Unternehmen abgegeben hat. Erwerbsunfähigkeit setzt im Gegensatz zu einer akuten, wenn u. U. auch schweren Krankheit voraus, daß die Erwerbsfähigkeit auf Dauer eingeschränkt ist. Ein Anspruch auf vorzeitiges Altersgeld entsteht daher nicht, wenn wegen akuter schwerer Erkrankung der Hof noch nicht abgegeben worden ist. Es fehlt an der Hofabgabe und außerdem ist offen, ob Erwerbsunfähigkeit vorliegt. Witwenaltersgeld steht grundsätzlich nur der Witwe zu, die nicht selbst landwirtschaftliche Unternehmerin ist. Vor Erreichung des 60. Lebensjahres kann sie das Altersgeld nur erhalten, wenn ihr Ehemann bereits Anspruch auf Altersgeld oder vorzeitiges Altersgeld hatte oder sie selbst erwerbsunfähig ist. Da in dem Fall, der Ihrer Frage zugrunde liegt, der verstorbene Ehemann noch keinen Anspruch auf vorzeitiges Altersgeld hatte, kann seine Witwe Anspruch auf vorzeitiges Witwenaltersgeld haben, wenn sie erwerbsunfähig ist. Ist sie nicht erwerbsunfähig und sind die beitragsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, so hat sie Anspruch auf Witwenaltersgeld von der Vollendung des 60. Lebensjahres an, wenn sie den Hof abgibt. Führt die Witwe das Unternehmen fort und gibt sie es dann strukturverbessernd im Sinne der Vorschriften über die Landabgaberente ab, so kann sie mit dem 60. Lebensjahr die höhere Landabgaberente erhalten, wenn. die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Sie kann die Landabgaberente bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bereits ab Vollendung des 55. Lebensjahres erhalten, wenn sie durch eine Bescheinigung der Arbeitsverwaltung den Nachweis führt, daß sie nicht mehr in ein Arbeitsverhältnis vermittelt werden kann. Weitere Möglichkeiten für den Erhalt des Altersgeldes sieht das Gesetz nicht vor. Anlage 31 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Auerbach vom 24. März 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Glombig (SPD) (Drucksache VI/ 1983 Fragen B 16 und 17): Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Bundesversicherungsamt eine Genehmigung für die von der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltung vorgesehene weitere Beteiligung an dem berufsgenossenschaftlichen Verein für Heilbehandlung und Berufshilfe e. V., die der Finanzierung der Errichtung einer Kindertagesstätte bei dem berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Hamburg dienen soll, vorerst abgelehnt hat, da angeblich die Notwendigkeit dieses Vorhabens für den Betrieb des Krankenhauses und damit die Gemeinnützigkeit im Sinne des § 26 Abs. 2 RVO nicht hinreichend dargetan sei? Was kann die Bundesregierung dagegen unternehmen, daß diese erfreuliche und dringend gebotene Initiative zur Beseitigung des Personalmangels an diesem Krankenhaus praktisch lahmgelegt wurde und daß das Bundesversicherungsamt die Vorschrift des § 26 Abs. 2 RVO künftig nicht derart eng auslegt? Die Beteiligung der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen an der Finanzierung einer Kindertagesstätte beim Unfallkrankenhaus in Hamburg ist inzwischen genehmigt. Das Bundesversicherungsamt hatte zunächst über den Antrag der Berufsgenossenschaft nicht entscheiden können, weil dieser Angaben nicht enthielt, die das Bundesversicherungsamt für seine Entscheidung benötigte. Es waren Rückfragen erforderlich. Nach Klärung des Sachverhalts und der damit zusammenhängenden Rechtsfragen, die mit dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften zuletzt am 11. Februar 1971 erörtert wurden, konnte die Genehmigung erteilt werden. Das Bundesversicherungsamt ist eine selbständige Bundesoberbehörde; es können ihm in Einzelfällen keine Weisungen erteilt werden. Ungeachtet dessen steht mein Haus mit dem Bundesversicherungsamt in ständiger Verbindung; es ist mir bekannt, Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 6573 daß das Bundesversicherungsamt nicht beabsichtigt, § 26 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung eng auszulegen. Anlage 32 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Auerbach vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Peiter (SPD) (Drucksache VI/1983 Frage B 18): Wird die Bundesregierung die Initiative ergreifen, um eine unterschiedliche gesetzliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten zu beseitigen, nachdem durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes Kassel (5 Az 398/70) entschieden wurde, daß nach einer Kur die vom Arzt verordnete Schonungszeit bei Angestellten nicht auf den Urlaub angerechnet werden darf, bei Arbeitern aber angerechnet werden muß? Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (5 AZR 398/70) über die Anrechenbarkeit einer ärztlich verordneten Schonungszeit auf den Erholungsurlaub bei Arbeitern und Angestellten liegt mir schriftlich noch nicht vor. Es ist mir daher gegenwärtig nicht möglich, zu dem Urteil Stellung zu nehmen. Sobald die vollständige schriftliche Urteilsbegründung hier vorliegt — erfahrungsgemäß vergehen bis dahin nach der Urteilsverkündung noch zwei bis drei Monate —, werde ich auf Ihre Frage zurückkommen. Anlage 33 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Auerbach vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Weigl (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage B 19) : Kann die Bundesregierung unter Bezug auf das Gutachten von Dr. Heubeck, Köln, bestätigen, daß sich die Rentenentwicklung immer mehr der Beamtenversorgung annähert? Nach den Ausführungen von Dr. Heubeck „haben sich die Versorgungsleistungen für Nichtbeamte durch die Reform der Sozialversicherung und durch ergänzende Versorgungsregelungen, die Leistungen zusätzlich zur Sozialversicherung gewähren, dem Schema der Beamtenversorgung seit 1957 stark angenähert". Es besteht keine Veranlassung, diesen Ausführungen zu widersprechen. Allerdings enthält das Gutachten auch Einschränkungen, auf die der Verfasser im selben Zusammenhang ausdrücklich hinweist. Es heißt dort u. a.: „So betrugen z. B. die Neurenten wegen Vollendung des 65. Lebensjahres im Jahre 1967 in der Angestelltenversicherung im Durchschnitt 65 % des letzten BruttoAktiveneinkommens. Diese Fälle lassen sich mit der durchschnittlichen Netto-Beamtenpension von 62 % der Aktiveneinkommen unmittelbar vergleichen, da für Sozialversicherungsrenten praktisch der Nettobetrag mit dem Bruttobetrag zusammenfällt ... Die Feststellungen gelten allerdings nur für Nichtbeamte, deren Einkommen die Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung nicht überschreitet." Ferner heißt es, „die geschilderten Verhältnisse werden sehr stark durch die Möglichkeit hoher Bewertungen vergangener Versicherungszeiten in der Sozialversicherung sowie durch frühere Satzungsbestimmungen der VBL beeinflußt. Diese beiden Faktoren werden künftig in ihrer Wirkung auf die Rentenhöhe nachlassen und schließlich — schätzungsweise nach 1 bis 2 Jahrzehnten — bei neuen Rentenfällen nicht mehr in Erscheinung treten". Die Bundesregierung teilt auch im Hinblick auf diese Ausführungen die Ansicht von Dr. Heubeck. Anlage 34 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Auerbach vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Weigl (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage B 20) : Wie viele Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten des Montan-Bereiches gehören nicht den Belegschaften an? § 4 des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. Mai 1951 (BGBl. I S. 347) sieht vor, daß einem elfköpfigen Aufsichtsrat auf der Arbeitnehmerseite vier Vertreter der Arbeitnehmer und ein weiteres Mitglied angehören müssen. Unter den vier Arbeitnehmervertretern müssen sich nach § 6 ein Arbeiter und ein Angestellter befinden, die in einem Betrieb des Unternehmens beschäftigt sind; die anderen beiden Mitglieder werden von den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften vorgeschlagen. Bei einem größeren Aufsichtsrat gilt nach § 9 des Mitbestimmungsgesetzes für das Zahlenverhältnis Entsprechendes. Nach § 5 des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 7. August 1956 (BGBl. I S. 707) gehören einem fünfzehnköpfigen Aufsichtsrat sieben Vertreter der Arbeitnehmer an, von denen gemäß § 6 vier aus den Betrieben der Konzernunternehmen kommen müssen, während nach § 7 die drei übrigen von den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften entsandt werden. Bei einem größeren Aufsichtsrat gilt nach § 12 des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes für das Zahlenverhältnis Entsprechendes. Die Bundesregierung führt keine Statistik über die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Eine solche könnte wegen der ständigen Veränderungen auch keine verbindlichen Angaben enthalten. Die 6574 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 1l1. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 Bundesregierung kann lediglich bestätigen, daß in allen ihr bekannten Fällen das Verhältnis der Belegschaftsangehörigen zu den nicht dem Unternehmen angehörigen Arbeitnehmervertretern den obengenannten Vorschriften entspricht. Anlage 35 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vorn 25. März 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert (SPD) (Drucksache VI/1983 Fragen B 21 und 22): Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung bei der Anwendung der Richtlinien zur Förderung wehrpflichtiger Spitzensportler vom 20. Februar 1970 und dem Sportunterricht während der allgemeinen Grundausbildung gemacht, der auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse der sportmedizinischen Institute in Köln und Freiburg neu geordnet wurde? Zu welchen Ergebnissen haben die vom Bundesminister der Verteidigung im Juni 1970 in Aussicht gestellten Überprüfungen der Vereinbarung des Bundesministers der Verteidigung und des Deutschen Sporthundes vom 30. Juni 1965 sowie des Erlasses (BMVtdg — VR IV 1 — Az 16-35 VS-NfD vom 21. Mai 1968) über Reisen von Sportlern, die Angehörige der Bundeswehr sind, in „Länder des kommunistischen Machtbereichs" geführt? Am 10. 2. 1971 gehörten 100 Soldaten den Lehrkompanien und 115 Soldaten den Fördergruppen an. Ein Jahr nach der Herausgabe ,des Erlasses waren damit 50 % der zur Verfügung gestellten Plätze besetzt. Auf Grund der bisherigen Erfahrungen wird sich, unter Berücksichtigung der Entlassungen nach 18 oder 21 Monaten, diese Zahl um etwa 25 Spitzensportler je Quartal erhöhen; d. ih., am 10. 2. 1973 wird die Gesamtkapazität von 430 Plätzen in Anspruch genommen sein. Zur Zeit prüft der Bundesminister der Verteidigung in Zusammenarbeit mit dem Bundesminister des Innern und dem Deutschen Sportbund, in welchem Umfang Spezialsportgerät den Lehrkompanien / Fördergruppen zur Verfügung gestellt werden kann. Infrastrukturmaßnahmen an den Standorten der Fördergruppen werden in die Prüfung mit einbezogen. Darüber hinaus erscheint in den nächsten Wochen eine Neufassung der „Richtlinien", in der u. a. Fahrten zum Training und Wettkampf mit Dienst-Kraftfahrzeug und die Befreiung vom Dienst für die Teilnahme am Training und Wettkampf der Sportverbände eingehender als bisher geregelt sind. Die am Anfang eingetretene Schwierigkeit, daß die Sportverbände die Anträge für die Aufnahme wehrpflichtiger Spitzensportler in die Lehrkompanien / Fördergruppen zu kurzfristig vorlegten, wurde mehr und mehr behoben. Ganz speziell hat sich die Zusammenarbeit mit dem Bundesausschuß zur Förderung des Leistungssports im Deutschen Sportbund bewährt. Die Untersuchungen der Institute für Sportmedizin Münster, Köln und Freiburg hatten ergeben, daß in der „Allgemeinen Sportausbildung" Kreislauf-und Muskeltraining in Form des Dauerlauf- und Circuittrainings besonders beachtet werden müssen. Diese modernen Trainingsformen, die bereits in der zentralen Dienstvorschrift ZDv 3/10 „Sport in der Bundeswehr" erläutert sind, werden in den Sportleiter-Lehrgängen bei der Sportschule der Bundeswehr ganz intensiv gelehrt. Dadurch werden die Voraussetzungen geschaffen, diesen Trainingsformen bei der Sportausbildung in ,der Truppe das notwendige Gewicht zu geben. In der Neufassung der ZDv 3/10, deren Entwurf bereits vorliegt, sind spezielle Trainingsprogramme für das Dauerlauf- und Circuittraining aufgenommen, deren Durchführung in der Allgemeinen Grundausbildung verbindlich sein wird. Entsprechende Truppenversuche wurden bei allen Teilstreitkräften durchgeführt. Die Testergebnisse werden z. Z. maschinell ausgewertet. Zu der Frage „Befugnis von Reisen zur Teilnahme an Sportwettkämpfen in Ländern des kommunistischen Machtbereichs" darf ich folgendes ausführen: Die Bestimmungen zu dem Gesamtkomplex „Reisen von Soldaten in den kommunistischen Machtbereich" sind im Juli 1970 neu gefaßt worden (Erlaß BMVg vom 14. Juli 1970). Hiernach sind Reisen von Soldaten in die Länder Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien und Ungarn normalerweise nur noch meldepflichtig. Für Geheimnisträger der Stufe I ist die Entscheidung des Disziplinarvorgesetzten mit der Disziplinarbefugnis eines Regimentskommandeurs notwendig. Darüber hinaus wird Soldaten als Mitglieder eines eingetragenen Sportvereins und in einer geschlossenen Personengruppe die Teilnahme an Sportwettkämpfen in alle anderen Länder des kommunistischen Machtbereiches durch das Bundesministerium der Verteidigung regelmäßig genehmigt, sofern keine besonderen Sicherheitsgründe entgegenstehen. Soldaten, die Angehörige der Lehrkompanien / Fördergruppen sind, können die Genehmigung bereits durch ihren nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten erhalten. Der Disziplinarvorgesetzte ist, in Zusammenarbeit mit der zuständigen MAD-Gruppe, für die Belehrung über das Verhalten der Spitzensportler in Ländern des kommunistischen Machtbereichs verantwortlich. Dieses vereinfachte Verfahren wird in die Neufassung der „Richtlinien zur Förderung wehrpflichtiger Spitzensportler" ebenfalls eingearbeitet. Anlage 36 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Be- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 6575 chert (Gau-Algesheim) (SPD) (Drucksache VI/1983 Frage B 23) : Trifft es zu, was in der Zeitschrift „Die Zeit" Nr. 9, S. 56, vom 26. Februar 1971 behauptet wird, daß US-Konzerne sogenannte bioaktive Detergentien künftig enzymfrei feilbieten wollen, weil bedenkliche Neben- und Nachwirkungen bei diesen Waschmitteln nachgewiesen worden sind, daß aber in der Bundesrepublik Deutschland „bioaktive", also nicht-enzymfreie, Detergentien nach wie vor auf dem Markt sind und kein Verbot dieser Waschmittel beabsichtigt ist? Dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit liegen keine Unterlagen vor, aus denen geschlossen werden könnte, daß die Behauptungen der Zeitschrift zutreffen. Nach meiner Kenntnis gibt es gegenwärtig sowohl auf dem amerikanischen als auch auf dem deutschen Markt Waschmittel, die Enzyme enthalten, und Waschmittel, die frei von Enzymen sind. Das Verhältnis zwischen enzymfreien und enzymhaltigen Waschmitteln soll sich auf dem US-Markt zugunsten der enzymfreien Produkte verschoben haben. Von einem Unternehmen ist bekannt, daß es im Hinblick auf die Verbrauchereinstellung die Produktion enzymhaltiger Waschmittel aufgegeben hat. Zu dem vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit gefürderten Forschungsvorhaben, auf das in den früheren Fragestunden bereits wiederholt hingewiesen wurde, liegt mir jetzt ein Zwischenbericht vor. Die Untersuchungen werden fortgesetzt. Die bisher vorliegenden Untersuchungsergebnisse rechtfertigen ein Verbot einzelner Waschmittel oder einzelner Stoffe nicht. Anlage 37 Schriftliche Antwort des Bundesminister Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage B 24) : Ist die Bundesregierung bereit, eine Gesetzesinitiative einzuleiten mit dem Ziel, § 19 Abs. 2 Satz 2 des Ausbildungsförderungsgesetzes dahin gehend abzuändern daß die Ausbildungsförunderung ausnahmsweisege auch als Zuschuß und nicht nur alsDarlehen gegeben werden kann, wenn bereits eine erste herufsqualifizierende Ausbildung mit Abschluß, z. B. Bankkaufmann, vorliegt, die nicht als Voraussetzung für das eigentliche Berufsziel, z. B. Fachlehrer für Sport, angesehen werden kann, sondern lediglich dazu gedient hat, die Zeit bis zur Zulassung zur eigentlichen Berufsausbildung sinnvoll zu überbrücken? Die Bundesregierung hat bereits den Entwurf eines Bundesausbildungsförderungsgesetzes — BAföG — verabschiedet. Im § 7 Abs. 1 des Entwurfs ist bestimmt, daß Ausbildungsförderung für eine erste Ausbildung, die nach dem BAföG gefördert werden kann, bis zu deren berufsqualifizierenden Abschluß geleistet wird. Hierdurch soll die Sperrwirkung von vorausgegangenen abgeschlossenen beruflichen Ausbildungen entfallen, die nach dem BAföG nicht gefördert werden können. Das sind Ausbildungen in betrieblichen oder überbetrieblichen Einrichtungen. Diese Regelung wird sich daher, vorausgesetzt, daß sie in weiteren Gesetzgebungsverfahren keine Einschränkung erfährt, gegenüber dem geltenden Recht — § 19 Abs. 2 Ziff. 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Ausbildungsförderungsgesetz — in den von Ihnen angesprochenen Fällen dahin auswirken, daß die Leistungen nach dem BAföG nicht nur als Darlehen, sondern generell als Zuschuß gewährt werden. Anlage 38 Schriftliche Antwort des Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Dohnanyi vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Konrad (SPD) (Drucksache VI/1983 Frage B 25) : Entspricht die vom Kultusminister des Landes Schleswig-Holstein durch Erlaß eingeführte Orientierungsstufe den im Bildungsbericht der Bundesregierung niedergelegten Vorstellungen, oder wird verneinendenfalls dadurch in einer der Vorstellung der Bundesregierung fiber die Einführung der integrierten Gesamtschule zuwiderlaufenden Weise das dreigliedrige Schulsystem verfestigt? Die Bundesregierung hat sich im „Bildungsbericht '70" und in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung für eine vollständige Integration der Bildungsgänge in der gesamten Sekundarstufe I ausgesprochen. Die Entwicklung dazu kann nur schrittweise, zunächst auf den unteren Jahrgangsstufen aufbauend erfolgen. Die Einführung einer Orientierungsstufe nach den Prinzipien, die im Erlaß des Kultusministers von Schleswig-Holstein vom 11. 2. 1970 festgelegt sind, bedeutet nach Auffassung der Bundesregierung gegenüber der bisherigen Regelung einen ersten Schritt in dieser Richtung. Anlage 39 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Meister (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage B 26) : In welcher Höhe bewegen sich die Ausgaben, die der Bundesregierung dadurch entstehen, daß sie in ihren Erhebungen zum nächsten Familienbericht nicht nur ein außerordentlich umfangreiches, sondern auch ein für Außenstehende höchst kompliziertes Fragematerial erstellte? Im Zuge der Vorbereitung des vom Deutschen Bundestag für Mitte 1972 erbetenen Familienberichts („Zwischenbericht") hat das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit eine für die Bundesrepublik Deutschland repräsentative Erhebung über das tatsächliche Ausmaß der Inanspruchnahme von Angeboten der Familienbildung (Elternbildung) und Familienberatung (einschließlich Eheberatung) vorbereitet, die gegenwärtig mit Hilfe des Deutschen Jugendinstituts, München, durchgeführt wird. Da zur Frage der Wirksamkeit der mit öffentlichen 6576 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 Mitteln geförderten Maßnahmen der Familienbildung und -beratung bisher kaum Erkenntnisse vorliegen, jedoch dringend erwünscht sind, war es unumgänglich, bei diesem ersten Versuch einer Quantifizierung mit einem größeren Fragebogen, der eine Halbjahresspanne abdeckt, zu arbeiten, um überhaupt brauchbare Ergebnisse zu erhalten. Die Entwicklung des Fragebogens erfolgte zusammen mit den Trägerorganisationen dieser Bildungs- und Beratungshilfen, deren tatkräftige Unterstützung das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit dankbar begrüßt. Die für die Erhebung anfallenden Kosten können einschließlich der noch ausstehenden Aufbereitungskosten (Maschinenkosten) auf etwa 25 000 DM veranschlagt werden. Zusätzliche Personalkosten fallen nicht an, da die Durchführung und Auswertung der Erhebung von wissenschaftlichen Mitarbeitern im Deutschen Jugendinstitut geleistet wird, die dort ohnehin Fragen der familialen Sozialisation des Kindes im Zusammenhang mit dem für 1974 vorzulegenden Familienbericht einer Sachverständigenkommission bearbeiten. Anlage 40 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Pfeifer (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Fragen B 27 und 28) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Rauschgiftwelle inzwischen auch die Schüler der oberen Klassen der Hauptschule erreicht hat, und besitzt die Bundesregierung darüber detaillierte Unterlagen? Ist die Bundesregierung bereit, auch die Schüler und Eltern der Hauptschulen verstärkt in ihre Aufklärungsbemühungen über die Schädlichkeit der Rauschgifte einzubeziehen, und welche Maßnahmen erwägt sie dabei im einzelnen? Die Bundesregierung verfolgt die Berichterstattung über den Drogen- und Rauschmittelmillbrauch in der Bundesrepublik Deutschland sehr aufmerksam. Dabei wurden auch Meldungen bekannt, die über den Drogengebrauch in den oberen Klassen der Hauptschulen berichten. Detaillierte Unterlagen, die repräsentativ abgesicherte Aussagen zur Drogensituation in den Hauptschulen erlauben, liegen der Bundesregierung nicht vor. Aus den bisher zugänglichen wissenschaftlichen Untersuchungen ist ein Trend ableitbar, der eine Zunahme des Drogenkonsums im Bereich der berufsbildenden Schulen und den entsprechenden Jahrgängen in den Hauptschulen leider erwarten läßt. Die Bundesregierung hat im Rahmen ihres Sofortprogramms für die Aufklärung der Bevölkerung eine Broschüre „Informationen zum Drogen-Problem" in einer Startauflage von 2,5 Millionen Exemplaren herausgebracht. Sie wendet sich damit an Eltern und Erzieher. Eine weitere Informationsschrift für den gleichen Personenkreis liegt druckreif vor. In Kooperation mit dem Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht, einer Rundfunk- und Fernsehanstalt und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wird z. Z. ein Film produziert. Er wird den Landesbildstellen und Landesfilmdiensten kostenlos für den Verleih im nichtgewerblichen Bereich zur Verfügung gestellt. Durch Seminare und Modellehrgänge, die aus dem Bundeshaushalt finanziert und von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sowie der Bundesarbeitsstelle Aktion Jugendschutz durchgeführt werden, werden insbesondere Pädagogen aller Schularten, Sozialarbeiter, Geistliche und andere Schlüsselpersonen im Bildungs- und Erziehungsprozeß mit der Drogenproblematik befaßt. Damit werden Hilfen zur pädagogischen und sozialpädagogischen Bewältigung des Drogen- und Rauschmittelmißbrauches angeboten. Neben dem Sofortprogramm werden die längerfristigen Bemühungen um die Feststellung der Motivationen für den Drogenkonsum bei Jugendlichen fortgesetzt. Inzwischen liegt der Bericht über eine explorative Studie „Jugendliche und Rauschmittel" im Stadtgebiet Köln als Vorstufe für eine repräsentative Untersuchung vor. Es ist notwendig, daß daraus auch zusätzliche Konsequenzen im Bereich der Ursachen und ihrer Wirkung gezogen werden. Insgesamt gilt aber, daß die Bemühungen im Bereich der Beratung und Hilfe an der Basis verstärkt werden müssen. Anlage 41 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Beermann (SPD) (Drucksache VI/1983 Frage B 29) : Kann die Bundesregierung der Auffassung des Leiters des Straßenbauamts Lübeck — wie sie in den Lübecker Nachrichten (Lauenburgische Nachrichten) vom 28. Januar 1971, Seite 5, veröffentlicht worden ist — widersprechen, daß es aus Mangel an Geldern im Jahre 1971 sowohl im Kreis Herzogtum Lauenburg, wie auch im Kreis Stormarn bei den Bundesfernstraßen keine Fortführung der langfristigen Ausbaumaßnahmen geben wird und daß dazu neben der Umgehung Mölln im Lauenburgischen der Ausbau der B 5 bei Geesthacht, der zweite Bauabschnitt der B 5 in Lauenburg und die Fortsetzung des Ausbaus der B 209 von Wangelau nach Schwarzenbek gehören? Zum weiteren Ausbau der Bundesfernstraßen in den Landkreisen Herzogtum Lauenburg und Stormarn teile ich folgendes mit: Die Weiterführung laufender und der Beginn neuer Maßnahmen wird in dem Sie interessierenden Gebiet wie auch in anderen Teilen der Bundesrepublik dadurch behindert, daß einige in der Baudurchführung schon weit fortgeschrittene große Bauvor- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971. 6577 haben infolge der erheblich gestiegenen Baupreise wesentlich mehr Mittel als vorgesehen beanspruchen. Für Schleswig-Holstein kommt erschwerend hinzu, daß die zum „Olympischen Programm" gehörigen bedeutenden Baumaßnahmen Bundesautobahn von Hamburg nach Kiel und Schleswig, Neubau der Hochbrücke über den Nord-OstseeKanal bei Kiel-Holtenau (B 503) sowie Ortsumgehung Bornhöved — Wankendorf (B 404) bis August 1972 fertiggestellt sein sollen und deshalb schneller als ursprünglich beabsichtigt gebaut werden müssen; dies erfordert eine ungewöhnliche Konzentration der vom Bund für Schleswig-Holstein bereitgestellten Mittel. Der Vorteil des dadurch ermöglichten schwerpunktmässigen Baues der Bundesautobahn liegt darin, daß die besonders verkehrsfernen Gebiete im Norden und Nordwesten des Landes im August 1972 endlich die ersehnte günstige Verbindung nach Hamburg und in das übrige Bundesgebiet erhalten. Nach Vorstehendem können in den Landkreisen Herzogtum Lauenburg und Stormarn wie auch in anderen Landesteilen, die sich gleichfalls vernachlässigt fühlen, Verbesserungen an Bundesstraßen leider nur in relativ bescheidenem Umfang vorgenommen werden. Nach Lage der Dinge wird sich die Fortsetzung der Bauarbeiten weder an der Ortsumgehung Mölln (B 207) noch am B 208-Ausbau zwischen Schwarzenbek-Luisenhof und Wangelau 1971 finanziell ermöglichen lassen. Westlich Geesthacht werden die laufenden Ausbauarbeiten der B 5 bei Escheburg nach nunmehr erreichter Klärung wasserwirtschaftlicher Fragen 1971 fortgesetzt und abgeschlossen werden; indessen kann die Verbesserung östlich Geesthacht am Ziegenkrug, wie Ihnen schon im Schreiben vom 9. 12. 1970 mitgeteilt, nicht begonnen werden. In Lauenburg kann nur der 1. Bauabschnitt einschl. Aufstellung einer Signalanlage zu Ende geführt werden. Mit dem Ausdruck des Bedauerns, Ihnen keinen für Sie günstigeren Bescheid geben zu können, verbinde ich die Bitte um Verständnis, daß die begrenzten Mittel dazu zwingen, Prioritäten zu setzen. Anlage 42 Schriftliche Antwort des Parlamentarischer Staatssekretärs Börner vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache VI/1983 Frage B 30) : Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Beförderungsbestimmungen für Schüler in Bussen dahin gehend zu verbessern, daß bei der Berechnung der zulässigen Personenzahl in Schulbussen ein günstigeres Verhältnis als drei Schüler auf je zwei Sitzplätzen zugrundegelegt wird, um dadurch angemessene Beförderungsverhältnisse für die Schüler zu gewährleisten? Nach der derzeitigen Regelung (§ 34 a Abs. 3 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung) dürfen je zwei nebeneinanderliegende Plätze in Kraftomnibussen mit drei Kindern bis zum vollendeten 14. Lebensjahr besetzt werden. Zur Zeit wird in Zusammenarbeit mit den obersten Landesverkehrsbehörden und den betroffenen Verkehrsträgern geprüft, ob die in § 34 a Abs. 3 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung erwähnte Altersgrenze auf das vollendete 10. Lebensjahr herabgesetzt werden kann. Ich hoffe, daß das Ergebnis in Kürze vorliegen wird. Zu gegebener Zeit werde ich Sie gerne vom Ergebnis der Prüfung unterrichten. Anlage 43 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 23. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Hussing (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage B 31) : Erwägt die Bundesregierung, wie kriegsblinden Bürgern auch zivilblinden Bürgern eine Ermäßigung auf die Telefongrundgebühren zu gewähren? Die für Kriegsblinde geltende Regelung ist ein einmaliger Ausnahmefall. Da die Deutsche Bundespost im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages nicht zur Erfüllung allgemeiner Fürsorgeaufgaben berufen ist, kann eine Ausweitung dieser Sonderregelung leider nicht in Frage kommen. Anlage 44 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Hussing (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage B 32) : Erwägt die Bundesregierung, wie kriegsblinden Bürgern auch zivilblinden Bürgern das Recht zuzugestehen, bei Fahrten mit der Deutschen Bundesbahn mit einer Fahrkarte der 2. Wagenklasse die 1. Wagenklasse zu benutzen? Die Deutsche Bundesbahn, die ihre Tarife selbst festsetzt, gewährt die Vergünstigung, mit einem Fahrausweis 2. Klasse die 1. Wagenklasse zu benutzen, nur Schwerkriegsbeschädigten, deren Erwerbsfähigkeit durch ihr Leiden mindestens um 70 % gemindert ist und deren körperlicher Zustand bei Reisen ständig die Unterbringung in der 1. Wagenklasse erfordert. Nach Ausstattung der 2. Wagenklasse mit Polstersitzen hat die Vergünstigung 6578 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 ihren eigentlichen Sinn verloren. Die Deutsche Bundesbahn hat sie unter dem Gesichtspunkt beibehalten, daß die Zahl der Schwerkriegsbeschädigten in ständigem Rückgang begriffen ist. Die Bundesbahn, als zu kaufmännischer Geschäftsführung verpflichtetes Unternehmen, sieht sich nicht in der Lage, von sich aus den Kreis der Berechtigten zur Inanspruchnahme dieser Vergünstigung zu erweitern. Eine entsprechende Auflage an die Bundesbahn gemäß § 16 (4) des Bundesbahngesetzes mit den Folgen des § 28 a des gleichen Gesetzes kann die Bundesregierung im Hinblick auf die Haushaltslage nicht in Erwägung ziehen. Anlage 45 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage B 33): Welche Terminvorstellungen hat die Bundesregierung gegenwärtig hinsichtlich der Verkehrsübergabe der Bonner Südbrücke, der EB 42 im Raun Königswinter—Beuel sowie der Anbindung der Südbrücke an die Autobahn Köln—Frankfurt? Die Bundesregierung beabsichtigt, die zur Zeit im Bau befindliche Südbrücke Bonn mit beidseitigen Anschlüssen an den Sträßchensweg linksrheinisch und die Trajektstraße rechtsrheinisch in der 2. Hälfte des Jahres 1972 dem Verkehr zu übergeben. Die Weiterführung der Südspange rechtsrheinisch bis zur B 42 (neu) hängt von dem Baufortschritt der B 42 (neu) ab. Es wird angestrebt, die Südspange bis zur B 42 (neu) zu verlängern und diese zusammen mit der B 42 (neu) nördlich der Südspange bis 1975 fertigzustellen. Für die B 42 (neu) südlich der Südspange in Richtung Königswinter laufen vorbereitende Arbeiten. Hier bleibt zunächst der Ausgang eines Verwaltungsstreitverfahrens in der 2. Instanz abzuwarten. Günstigstenfalls kann hier die B 42 (neu) Mitte des 2. Fünfjahresplanes verfügbar werden. Die östliche Weiterführung der Südspange über die B 42 (neu) hinaus bis zum Anschluß an die BAB Köln Frankfurt wird erst Ende der 70iger Jahre möglich sein. Anlage 46 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 24. März 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Horstmeier (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Fragen B 34 und 35) : Wie ist der Stand der Planung für die neue Autobahn Gießen—Bremen? Bis wann ist mit der Verwirklichung des Baues dieser Autobahn, insbesondere des Teilabschnittes im Raum Minden, zu rechnen? Im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ist die Autobahn Bremen—Gießen bis auf einen kurzen Abschnitt im Raum Bremen in der 2. Dringlichkeitsstufe enthalten. Nach dem derzeit überschaubaren Finanzvolumen wird es im Rahmen des Ausbauplanes für die Bundesfernstraßen 1971-1985 nur möglich sein, Maßnahmen der 1. Dringlichkeitsstufe zu realisieren. Zur Zeit beginnen erste Planungsarbeiten zur Erkundung der Linienführung. Mit einer Fertigstellung von Teilabschnitten im Raum Minden ist innerhalb des Ausbauplanes 1971 bis 1985 nicht zu rechnen. Anlage 47 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage B 36) : Wie weit sind die Pläne für den wenigstens einspurigen Ausbau der B 299 neu (Landshut—Grabenstätt) bereits fertiggestellt, liegt insbesondere die genaue Trassenführung bereits fest, und mit welchem Baubeginn kann und mit welcher Bauzeit muß nach Meinung der Bundesregierung gerechnet werden? Die B 299 (neu) Regensburg—Landshut—Traunstein (Grabenstätt) wurde in den Bedarfsplan aufgenommen, der dem Entwurf eines Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971-1985 beiliegt. Die einbahnigen Teilstrecken dieser B 299 (neu) zwischen Traunstein und Garching a. d. Alz sowie südlich von Vilsbiburg wurden in die 1. Dringlichkeit, alle übrigen Streckenabschnitte in die 3. Dringlichkeit eingereiht. Ein Baubeginn im 1. Fünfjahresplan ist nicht möglich. Es liegen daher zur Zeit weder konkrete Planungen noch Bautermine fest. Anlage 48 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schiller (Bayreuth) (SPD) (Drucksache VI/1983 Frage B 37): Wann ist mit einem Ausbau der äußerst gefährlichen Ortsdurchfahrt Donndorf, der B 22, zu rechnen, für den vom Straßenbauamt Bayreuth alles vorbereitet ist, so daß sofort mit dem Bau begonnen werden könnte? Mit dem Ausbau der Ortsdurchfahrt Donndorf kann im Jahre 1971 nicht begonnen werden. Es ist Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 6579 zwar vorgesehen, dieses Projekt in den nächsten Jahren im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel durchzuführen, ein verbindlicher Bautermin läßt sich jedoch zur Zeit noch nicht angeben. Anlage 49 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 24. März 1971 auf die Schriftlichen Fragen der Abgeordneten Frau Renger (SPD) (Drucksache VI/1983 Fragen B 38 und 39) : Welche Schritte gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, urn ihrerseits dafür zu sorgen, daß der Gefahrenpunkt am sogenannten Miesenheimer Kreuz, Kreis Mayen, B 256, kreuzungsfrei ausgebaut wird, um die häufigen Unfälle mit Todesfolge auszuschalten? Welche Mittel stehen dem Land Rheinland-Pfalz seitens des Bundes für diese Aufgabe zur Verfügung und welche Schritte werden seitens der Landesregierung unternommen, nachdem angeblich das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen ist? Zu Frage 38: Die Planung für einen kreuzungsfreien Anschluß der K 48 an die B 256 als Ersatz für den z. Z. bestehenden provisorischen Anschluß ist abgeschlossen. Der Planfeststellungsbeschluß wird in Kürze erwartet. Zu Frage 39: Der Bau des neuen Anschlusses ist vorgesehen. Es kann zur Zeit nicht gesagt werden, wann Mittel bereitgestellt werden können. Es wird aber angestrebt, die Maßnahme noch in den 1. Fünfjahresplan aufzunehmen. Anlage 50 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage B 40) : Kann die Bundesregierung präzise Angaben darüber machen, his wann mit der Fertigstellung des Autobahnstücks zwischen Wittlich und Schweich, der Autobahnbrücke in Schweich und der Weiterführung dieser Autobahn 711 rechnen ist? Es ist vorgesehen: den Autobahnabschnitt von Wittlich bis zum Dreieck Schweich im Jahre 1974, den Autobahnabschnitt Dreieck Schweich bis Anschlußstelle Longuich einschließlich Moselbrücke im Jahre 1975, den Autobahnabschnitt von der Anschlußstelle Longuich bis zur Anschlußstelle Hermeskeil an der Bundesstraße 407 im Jahre 1979 fertigzustellen. Anlage 51 (C Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 24. März 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Urbaniak (SPD) (Drucksache e/1983 Fragen B 41 und 42) : Treffen Pressemeldungen zu, daß im Wirtschaftsraum Dortmund—Unna auf dem bundesbahneigenen Gelände in Holzwickede ein großer Containerterminal gebaut werden soll und darüber hinaus Autoreisezüge von diesem Punkt aus eingesetzt werden sollen? Ist beabsichtigt, den geplanten Containerterminal mit dem Namen Dortmund-Holzwickede zu bezeichnen? Wie die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn bestätigt hat, besteht z. Z. nicht die Absicht, in Holzwickede einen Container-Terminal zu bauen. Es ist aber geplant, dort eine Verladestelle für Autoreisezüge nach den Richtungen Norden und Osten einzurichten. Diese Maßnahme wird notwendig, weil die bisherige Verladestelle in Dortmund wegen des Ausbaues der S-Bahn aufgelassen werden muß. Die neue Verladestelle in Holzwickede wird 1973, vielleicht auch etwas früher, dem Betrieb übergeben werden können. Eine Änderung der Bahnhofsbezeichnung ist nicht beabsichtigt. Anlage 52 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Jobst (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage B 43) : Wird der Bau der Ortsumgehung Unlertraubenbach im Zuge der B 85 in diesem, Jahr durchgeführt? Wegen des begrenzten Finanzvolumens für die Bundesfernstraßen kann mit dem Bau der Ortsumgehung Untertraubenbach im Jahre 1971 nicht begonnen werden. Anlage 53 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 24. März 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Tönjes (SPD) (Drucksache VI/1983 Fragen B 44 und 45) : Durch welche konkreten Maßnahmen trägt die Bundesregierung dazu bei, die Baumaßnahmen nach dem Hochschulbauförderungsgesetz durch Rationalisierung zu beschleunigen? 6580 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 Bei welchem Titel, unter welcher Zweckbestimmung und in welcher Höhe sind im Bundeshaushaltsplan für die Finanzierung von Entwicklungs- und Forschungsaufträgen zur Rationalisierung des Hochschulbaus entsprechende Haushaltsmittel eingeplant, und wird auch die Vergabe von Entwicklungsaufträgen an die Bauindustrie in Aussicht genommen, um zu industriellen Fertigungsmethoden zu kommen? Das gemeinsame Schnellbauprogramm der Bundesregierung und der Länder für die Hochschulen hat durch die Bereitstellung zusätzlicher Mittel dazu beigetragen, vorhandene Ansätze zur Rationalisierung der Bauvorhaben zu fördern. Aufbauend auf den aus diesem Programm gewonnenen Erfahrungen prüft die Bundesregierung z. Z. ein mehrstufiges industrielles Entwicklungsprogramm zur Herstellung von Bausystemen für Hochschulgebäude. Das Ziel dieses Projektes ist, zwei Möglichkeiten der Rationalisierung gleichzeitig zu nutzen: die Vorteile, die sich aus der kombinierten Bearbeitung von Entwurfs- und Produktionsplanung ergeben und die Vorteile, in großen Serien bauen zu können, indem die Bauaufträge für die Hochschulen mehrerer Länder gebündelt werden. Solange beim Bauen Planung und Ausführung getrennt sind, fehlt die entscheidende Rückkoppelung mit verbessernder Wirkung auf die Entwicklung des Produktes und die Rationalisierung der Fertigung. Der Vorschlag sieht vor, zunächst Prototypen für Bausysteme zu entwickeln und anschließend Serien von schlüsselfertigen Universitätsgebäuden in einem mehrstufigen, koordinierten Programm des Bundes und der Länder zu errichten. Es kann erwartet werden, daß schon während der Durchführung dieses Programms Fortschritte in der Rationalisierung der Bauausführung erzielt werden. Auf dieses Projekt und auf die Vorschläge der Bundesregierung zur Vereinfachung des Planungs-und Genehmigungsverfahrens und zur intensiveren Nutzung der räumlichen Kapazität von Hochschuleinrichtungen, zu denen der Planungsausschuß nach dem Hochschulbauförderungsgesetz bereits Beschlüsse gefaßt hat, wurde im Bericht der Bundesregierung über Sofortmaßnahmen zum Abbau des Numerus clausus (BT-Drucksache VI/1338) hingewiesen. Grundsätze zur Standardisierung und industriellen Fertigung sollen im Planungsausschuß für die gemeinsame Rahmenplanung von Bund und Ländern erarbeitet werden. Darüber hinaus wird vom Planungsausschuß geprüft, inwieweit ein beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen aufgestellter Rationalisierungskatalog für den Hochschulbau Anwendung finden kann. Aus den bei Kap. 31 03 — Titel 685 10 — (Förderung der Forschung auf dem Gebiet der Hochschulökonomie und Hochschuldidaktik) unter Ziffer 2 (Probleme der Hochschulstruktur) eingesetzten Haushaltsmitteln werden die Forschungs- und Entwicklungsaufträge zur Rationalisierung im Hochschulbau finanziert: Im Rechnungsjahr 1971 stehen für Forschungsaufgaben 1,0 Mio DM zur Verfügung, für das Rechnungsjahr 1972 wurden für diese Zwecke 2,9 Mio DM eingeplant. Die Verwirklichung des Mehrstufenprogramms zur Rationalisierung des Hochschulbaus muß im Rahmen der für den Hochschulbau zur Verfügung stehenden Mittel durch die Vergabe von Aufträgen für speziell auf die Rationalisierung ausgerichtete Vorhaben erfolgen. Anlage 54 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 24. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Hubrig (CDU/CSU) (Drucksache VI/ 1983 Frage B 46) : Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um eine Grundsatzentscheidung in der Befreiung anerkannter geförderter Leistungssportler vom Numerus clausus zu erwirken? Wie Ihnen bekannt ist, hat die Bundesregierung keine Möglichkeit, auf die Vergabe von Studienplätzen Einfluß zu nehmen. Die Zulassung zum Studium ist allein Sache der Fakultäten bzw. Fachbereiche der einzelnen Hochschulen. In Fachrichtungen mit Zulassungsbeschränkungen erfolgt die Zulassung entsprechend der Hochschulgesetzgebung der Länder im allgemeinen nach einem von den zuständigen Gremien der Universität beschlossenen und von der obersten Landesbehörde genehmigten Auswahlverfahren. Die Auswahlmodalitäten sind im einzelnen unterschiedlich. In der Regel sind von den zur Verfügung stehenden Studienplätzen 5 bis 10 % für Härtefälle vorbehalten. Die verbleibende Anzahl der Studienplätze wird zu 60 % an Bewerber vergeben, die nach Eignung und Leistung, und zu 40 % an Bewerber, die nach dem Zeitpunkt des Erwerbs der Hochschulreife ausgewählt werden. Diese Quotierung wird nach der Regelung, die der Entwurf der Bundesregierung für ein Hochschulrahmengesetz vorsieht, künftig entfallen. Die Auswahl der Studienbewerber soll ausschließlich nach folgenden Maßstäben erfolgen: Besondere Qualifikation für das gewählte Studium, Wartezeit und soziale Härte für den Bewerber. Eine besondere Berücksichtigung anerkannter, geförderter Leistungssportler wäre allenfalls im Rahmen der Härtefälle denkbar. Eine solche Regelung könnte für Leistungssportler, die sich um die Zulassung zum Studium in der Fachrichtung Leibeserziehung bewerben und wegen des Numerus clausus abgewiesen werden müssen, im Einzelfall vertretbar erscheinen. Eine generelle Befreiung für Leistungssportler vom Numerus clausus erscheint mir jedoch bedenklich, da sie sich möglicherweise als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes darstellen könnte. Zusammenfassend muß ich feststellen, daß die Bundesregierung keine Möglichkeiten hat, um eine Grundsatzentscheidung in der Befreiung anerkannter, geförderter Leistungssportler vom Numerus clausus zu erwirken. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 6581 Anlage 55 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 26. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Konrad (SPD) (Drucksache VI/ 1983 Frage B 47) : Sind der Bundesregierung Fälle bekanntgeworden, in denen bei Untersuchung französischer Milchprodukte in diesen Tuberkelbazillen gefunden wurden, und welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung gegen die Einfuhr solcher Erzeugnisse zu ergreifen? Milch und Milcherzeugnisse aus den Mitgliedsländern der EWG wie auch aus Drittländern müssen den hier bestehenden hygienischen und sonstigen lebensmittel- und milchrechtlichen Vorschriften entsprechen. In der Nachkriegszeit ist kein Fall bekanntgeworden, daß in importierten Milcherzeugnissen Tuberkelbakterien nachgewiesen worden sind. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat 1968 eine Untersuchung französischer Milcherzeugnisse durch das Institut für Milchhygiene der Bundesanstalt für Milchforschung in Kiel veranlaßt. In den Untersuchungen von über 145 im Einzelhandel aufgekauften französischen Weichkäseproben wurden Tuberkelbakterien nicht festgestellt. Darüber hinaus ist auch nicht bekanntgeworden, daß bei anderen Untersuchungen Tuberkelbakterien nachgewiesen wurden. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat am 23. Dezember 1969 eine Verordnung über hygienische Anforderungen an Milch und Milcherzeugnisse bei der Einfuhr erlassen. Diese Verordnung beinhaltet im wesentlichen, daß an eingeführte Milch und Milcherzeugnisse dieselben gesundheitlichen Anforderungen gestellt werden wie an die im Inland gewonnene Milch und daraus hergestellte Milcherzeugnisse. Es wird gefordert, daß die Einfuhren von Zertifikaten begleitet werden, aus denen zu ersehen ist, daß die Milch aus Kuhbeständen stammt, die u. a. amtlich anerkannt frei von Tuberkulose und Brucellose sind und frei von mit der Milch auf den Menschen übertragbaren Krankheiten sind. Verstöße dagegen sind in diesem Zusammenhang nicht bekanntgeworden. Anlage 56 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 23. März 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dichgans (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Frage B 48) : Wie hoch waren die Zahlen der Zulassung deutscher Studienanfänger der Fachrichtung allgemeine Medizin im Jahre 1970, verglichen mit den Zahlen, die mir der Parlamentarische Staatssekretär im Ministerium für Bildung und Wissenschaft am 3. Dezember 1969 zu meiner Zusatzfrage in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 5. November 1969 für 18 deutsche Universitäten mitgeteilt hatte? Im Sommersemester 1970 und im Wintersemester 1970/71 wurden nach Mitteilung der Westdeutschen Rektorenkonferenz von der Zentralen Registrierstelle insgesamt 4872 Bewerber der Allgemeinen Medizin zugelassen. Gegenüber den von der Registrierstelle im Jahre 1969 zugelassenen Bewerbern ergibt sich ein Anstieg um 351 Studienanfänger. Die Zahl der zugelassenen Bewerber für die einzelnen Hochschulen im Jahre 1969 und 1970 sowie die Veränderung zwischen beiden Jahren ist der anliegenden Tabelle zu entnehmen. Über die hier angegebene Zahl an Studienanfängern hinaus behalten sich die einzelnen Hochschulen sogenannte Härtequoten vor, die etwa 5 % der Gesamtzahl der Zulassungen ausmachen. Eine Aussage darüber, in welchem Umfang die einzelnen Hochschulen von diesen Härtequoten Gebrauch gemacht haben, ist derzeit nicht möglich. 6582 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 noch Anlage 56 Von der zentralen Registrierstelle Veränderung zugelassene Bewerber 1) SS 70 WS 70/71 SS 69 WS insgesamt SS 70 WS insgesamt gegenüber insgesamt 69/70 70/71 SS 69 WS 69/70 Aachen 30 63 93 — 80 80 —30 + 17 — 13 FU Berlin 190 165 355 144 190 334 —46 + 25 — 21 Bochum 0 45 45 — 120 120 0 + 75 + 75 Bonn 100 100 200 100 113 213 0 + 13 + 13 Düsseldorf 36 40 76 36 60 96 0 + 20 + 20 Erlangen 30 150 180 30 128 158 0 — 22 — 22 Frankfurt 57 106 163 121 124 245 +64 + 18 + 82 Freiburg 130 130 260 130 136 266 0 + 6 + 6 Gießen 3 106 109 — 105 105 — 3 — 1 — 4 Göttingen 80 80 160 80 90 170 0 +10 + 10 Hamburg 189 34 223 240 38 278 +51 + 4 + 55 Hannover 0 137 137 — 137 137 0 0 0 Heidelberg 80 160 240 111 166 277 +31 + 6 + 37 Hohenheim 50 50 100 50 50 100 0 0 0 Kiel 78 78 156 78 108 186 0 + 30 + 30 Köln 235 150 385 150 161 311 —85 + 11 — 74 Mainz 50 160 210 50 189 239 0 + 29 + 29 Marburg 10 60 70 60 60 120 +50 0 + 50 München 183 185 368 210 240 450 +27 + 55 + 82 Münster 94 164 258 120 132 252 +26 — 32 — 6 Saarbrücken 0 157 157 — 157 157 0 0 0 Tübingen 80 148 228 80 148 228 0 0 0 Ulm 0 48 48 — 46 46 0 — 2 — 2 Würzburg 150 150 300 150 154 304 0 + 4 + 4 1 855 2 666 4 521 1 940 2 932 4 872 +85 +266 +351 1) ohne Härtequoten Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 6583 Anlage 57 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom 23. März 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache VI/1983 Fragen B 49 und 50) : Wie beurteilt die Bundesregierung die durch Schulbuch-Verlage bereits vorgenommenen Änderungen der Bezeichnungs- und Kartenrichtlinien der Bundesregierung? Ist die Bundesregierung vorher konsultiert worden, und hat sie ihre Zustimmung zu diesen Änderungen gegeben? Der Verband der kartographischen Verlage und Institute und der Verband der Schulbuchverlage e. V. haben vor Jahresfrist sogenannte „Bezeichnungsempfehlungen" erarbeitet und sie ihren Mitgliedsunternehmen mil der Bitte um Beachtung zugeleitet. Die Bundesregierung ist unterrichtet worden. Sie hat keine Einwendungen erhoben, da es nicht ihre Sache sein kann, Initiativen im nicht amtlichen Bereich zu reglementieren. Das Vorgehen der Schulbuchverlage folgt aus der Einsicht, daß die in letzter Fassung aus dem Jahre 1965 stammenden Karten- und Bezeichnungsrichtlinien durch sprachliche und politische Entwicklungen zum Teil überholt sind. Die Frage, wie mit diesen formell zur Zeit noch gültigen Richtlinien in Zukunft zu verfahren ist, wird gegenwärtig von der Bundesregierung geprüft.
Gesamtes Protokol
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611100000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer Absprache im Ältestenrat soll Punkt 24 der Tagesordnung — Große Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP und Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Sicherheitspolitik der Bundesregierung (Drucksachen VI/ 1779, VI/ 1931, VI/ 1977) — abgesetzt werden. Dafür soll die Tagesordnung um die Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung erweitert werden. — Das Haus ist damit einverstanden; dann werden wir so verfahren.
Außerdem haben wir im Ältestenrat gestern festgelegt, daß der Bericht 1970 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Ihnen liegt die Drucksache VI/ 1942 vor — gemäß § 116b Abs. 1 der Geschäftsordnung dem Verteidigungsausschuß unmittelbar überwiesen werden soll. — Das Haus ist damit einverstanden; dann ist es so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat am 24. März 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Dr. Gruhl, Josten, Frau Tübler, Dr. Hammans und Genossen betr. Salzfracht des Rheinwassers — Drucksache VI/1915 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/2016 verteilt,
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat am 24. März 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Gewandt und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Verteilung von Bundesmitteln für Aufgaben der Verbraucheraufklärung — Drucksache VI/1910 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/2019 verteilt.
Ich rufe Punkt 1 der heutigen Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksachen VI/ 1983, VI/2012
Wir kommen zunächst zu den in der Drucksache VI/2012 vorliegenden Dringlichen Mündlichen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Dr. Marx (Kaiserslautern) auf:

(Öffentlichkeit unverzüglich jene Mitteilungen über die offenbar während der Moskauer Verhandlungen gegebenen sowjetischen Erklärungen hinsichtlich der sogenannten Feindstaaten-Artikel der UN vorzulegen? Zur Beantwortung Herr Bundesminister Professor Ehmke. Die Bundesregierung ist wie Botschafter Falin der Auffassung, daß die Frage der in Art. 53 und 107 der UNO-Charta den Siegermächten vorbehaltenen Sonderstellung durch den Moskauer Vertrag überdeckt oder überlagert wird, Ob das Wort „obsolet" diesen Sachstand korrekt beschreibt, ist eher eine philologische als eine politische Frage. Der Vertrag legt in Art. 2 fest, daß die Vertragspartner etwaige Streitfragen ausschließlich mit friedlichen Mitteln lösen werden. Der Moskauer Vertrag vermag allerdings ebensowenig wie die entsprechenden Erklärungen der drei Westmächte die Art. 53 und 107 aus der UNO-Charta zu entfernen. Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Marx. Herr Präsident, ich melde mich sozusagen zur Geschäftsordnung. Herr Minister, ich glaube, Sie haben die Frage 3 des Kollegen Petersen beantwortet. Ich bitte um Entschuldigung. Darf ich vielleicht fortfahren und alle vier Fragen im Zusammenhang beantworten? Die Fragen liegen mir offenbar in einer anderen Reihenfolge vor. Ich möchte zum Verfahren folgendes sagen. Es bestehen, glaube ich, keine Bedenken, die vier Fragen zusammenhängend zu beantworten. Es geht nur darum, wieviel Zusatzfragen nachher gestellt werden können. Die Zusatzfragen werden so behandelt, als wenn jede Frage einzeln aufgerufen worden wäre. Ich rufe jetzt also noch die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Marx Wie vereinbart die Bundesregierung die in der Presse wiedergegebenen Erklärungen des sowjetischen Diplomaten Falin, wonach die Feindstaaten-Artikel 53 und 107 der UN-Charta durch den Moskauer Vertrag nur überlagert" würden, mit der Mittellung von Staatssekretär Ahlers, diese seien „obsolet" geworden Präsident von Hassel Wie beurteilt die Bundesreigerung in der Presse wiedergegebene Äußerungen des sowjetischen Botschafters Falin, wonach die Artikel 53 und 107 UN-Charta durch den Moskauer Vertrag nicht obsolet, sondern lediglich die darin den Sieger-machten überlassenen Rechte überdeckt würden? Ist diese dem sowjetischen Botschafter Falin zugeschriebene Äußerung nach Kenntnis der Bundesregierung die Auffassung der sowjetischen Regierung? Der Irrtum ergibt sich daraus, daß uns die Fragen ursprünglich in anderer Reihenfolge gegeben worden sind, als sie jetzt ausgedruckt worden sind. Danach haben wir uns gerichtet. Herr Kollege Petersen, Ihre Frage, ob die Ansicht von Botschafter Falin die Auffassung der sowjetischen Regierung wiedergibt, beantworte ich mit Ja. Die Frage des Kollegen Marx bezüglich der Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers vor der SPD-Fraktion beantwortet die Bundesregierung wie folgt. Der Bundeskanzler hat vor der Fraktion der SPD die Existenz einer sowjetischen Interpretation zu Art. 2 des Moskauer Vertrages erwähnt. Er hat jedoch nicht den Text bekanntgegeben. Dieser wird dem Deutschen Bundestag zusammen mit dem Text des Vertrages, dem Entwurf eines Zustimmungsgesetzes und der Begründung zugeleitet werden. Alle Fraktionen und die deutsche Öffentlichkeit werden demnach zu gleicher Zeit unterrichtet werden. Bei der Beantwortung der zweiten Frage des Abgeordneten Dr. Marx verweise ich auf meine Antwort auf die erste Frage von Herrn Kollegen Petersen. Ich füge folgendes hinzu: Die Erklärungen der Drei Mächte, die sie 1954, 1968 und 1969 abgegeben haben, besagen 1. daß sie sich in ihren Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland künftig an die in Art. 2 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Grundsätze halten werden und 2. daß die Art. 53 und 107 der UNO-Charta kein Recht gewähren, einseitig mit Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland zu intervenieren. Hinter diesen Erklärungen der Westmächte bleiben die Erklärungen der sowjetischen Regierung nicht zurück. Art. 53 und 107 sind Bestandteil der Charta der Vereinten Nationen. Sie sind im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und den Drei Mächten durch deren Erklärungen von 1954 überlagert, d. h. aus unseren Beziehungen verschwunden. Sie werden durch den Moskauer Vertrag nun auch in unserem Verhältnis zur Sowjetunion überlagert, d. h. sie verschwinden. Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Marx Herr Bundesminister, in meiner ersten Frage habe ich nach jenen „Mitteilungen", nicht nach dem Inhalt der Erklärungen gefragt. Ich wiederhole daher die Frage, ob Sie nun bereit sind, den Wortlaut jener Mitteilung hier dem Hohen Hause mitzuteilen, den der Bundeskanzler offenbar in seiner Eigenschaft als Parteivorsitzender vor der Fraktion der SPD ausgebreitet hat. Wenn Sie mich eine Sekunde entschuldigen, dann will ich das sofort feststellen, ob ich den Text da habe. — Ja, ich habe ihn hier. Vielleicht darf ich ihn mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren. Ich gebe ihn wieder aus den Informationen der SPD-Fraktion, wo die Äußerung des Bundeskanzlers festgehalten ist. Dort heißt es: Auf die Diskussion über die sogenannten Feindstaatenklauseln der UNO-Charta eingehend, erklärte der Bundeskanzler, niemand in Ost und West sei heute bereit, eine Änderung der UNO-Charta anzustreben. Die Regierung der Sowjetunion habe eine Erklärung abgegeben, die in den Ratifizierungsvorgang eingeführt werde und die nicht hinter den schon vorliegenden Erklärungen der Drei Westmächte zurückbleibe. Es sei unlogisch, wenn von manchen CDU/CSU-Politikern einerseits der Moskauer Vertrag rundweg abgelehnt, andererseits aber bemängelt werde, daß die mit dem Inkrafttreten verbundenen Änderungen noch nicht erfolgt seien. Zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Marx. Herr Bundesminister, sind Sie bereit, davon auszugehen, daß der Text, den Sie eben vorgelesen haben, uns allen zugänglich war und ein Text in indirekter Rede ist — eine Pressemitteilung der SPD-Fraktion — und durchaus nicht der Antwort entspricht, um die ich gebeten habe, nämlich den vollen Text dessen, was der Parteivorsitzende der SPD — auch in seiner Eigenschaft als Bundeskanzler — vorgetragen hat, und sind Sie bereit, das hier vor dem Deutschen Bundestag zu wiederholen, weil ich glaube, daß der Bundestag Wert darauf legen muß, dies noch einmal von Ihnen zu erbitten und zu fordern? Herr Kollege Marx, ich verstehe Sie nicht ganz. In dieser Information ist festgehalten, was über die Äußerung des Bundeskanzlers in der Fraktion mitgeschrieben worden ist. Sie gehen offenbar davon aus, daß der Bundeskanzler dort von einem vorbereiteten Text gesprochen hat. Dies ist nach meinem Wissen nicht der Fall. Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Arndt. Herr Bundesminister, sind Sie bereit, sich von mir dazu beglückwünschen zu lassen, daß nunmehr auch ein Mitglied des Bundesvorstandes der CDU die Unterhaltbarkeit der bisherigen Oppositionsbehauptung erstens zum angeblichen Interventionsrecht der UdSSR aus der UN-Satzung und zweitens zur Bedeutung des Begriffs „unverletzlich" bei der Grenzfrage nach einem Gespräch mit offiziellen Stellen der Sowjetunion bestätigen mußte? Ich bin immer glücklich, wenn wir die Zustimmung der Opposition finden. Die Auslegung des Vertrages allerdings geht von klaren Texten aus. Die schaffen genügend Klarheit für heide Seiten. Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Dr. Marx. Herr Bundesminister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß auch diese Kontroverse aufs neue zeigt, wie wichtig es wäre, daß die Moskauer Protokolle, aus denen offenbar einige Teile zitiert werden sollen, insgesamt — wie wir wiederholt gefordert haben — vertraulich dem Vorsitzenden der Fraktion der CDU/ CSU zur Kenntnis gebracht werden, — (Abg. Dr. Apel: Dann ist es doch nicht vertraulich, bei dem Herrn Barzel! — Abg. Rasner: Ihr belügt doch das Haus ebenso wie die Bevölkerung! — Weitere Zurufe und Unruhe bei der CDU/CSU.)

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611100100
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611100200
Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0611100300
Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611100400
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611100500



Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611100600
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611100700
Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0611100800
Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611100900
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611101000
Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0611101100
Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611101200
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611101300
Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0611101400



Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611101500
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611101600
Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0611101700
— Ich wünschte, daß der Herr Prasident eben den Zuruf des Herrn Apel gehört hätte, den ich als ganz unerhört empfinde.
Herr Minister, ich wiederhole die Frage: Halten Sie es nicht hinsichtlich der Schwierigkeit der Probleme, um die es geht, für geboten, den Vorsitzenden der Fraktion der CDU/CSU vertraulich über den vollen und nicht ausgewählten Inhalt der Moskauer Protokolle zu unterrichten?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611101800
Herr Kollege Marx, darf ich, bevor ich die Frage beantworte, auf den Zwischenruf von Herrn Kollegen Apel eingehen und sagen: Ich kann nach meiner Erfahrung nur bestätigen, daß das, was man Herrn Kollegen Barzel in die Hand gibt, immer so vertraulich bleibt, wie es vereinbart worden ist.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Das ist aber nicht die Frage, sondern die Frage ist, daß es internationalen Gepflogenheiten völlig widersprechen würde, wenn man die Einzelprotokolle der Verhandlungen vorlegen würde. Wir haben uns auch im Westen darüber orientiert, ob es das sonst gibt. Das gibt es nicht. Das hat es auch früher nicht gegeben. Auch auf diesem Gebiet ist es so, daß die Unterrichtung der Opposition weit über das hinausgeht, was es früher von CDU-Regierungen gegeben hat, Herr Kollege Marx.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir sind der Meinung, wir sollten auch gegenüber unserem Partner, mit dem die Verhandlungen geführt worden sind und der doch selbstverständlich annimmt, daß diese Protokolle unter den Verhandelnden bleiben, diesen Brauch nicht brechen. Die Bundesregierung wird — das haben wir Ihnen schon gesagt — selbstverständlich in den Ratifizierungsvorgang alles einführen, was für das Verständnis und die Interpretation des Vertrages von Bedeutung ist, z. B. die Erklärung, die von sowjetischer
Seite zur Frage der Art. 53 und 107 der UN-Charta abgegeben worden ist.

(Abg. Rasner: Von Bedeutung nach Meinung der Bundesregierung!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611101900
Eine letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0611102000
Herr Bundesminister, stimmen Sie mit der Feststellung überein, daß es niemandem erlaubt ist, unter welchem Vorwand auch immer, sich in die inneren Angelegenheiten unseres eigenen Landes einzumischen, und daß die Anwendung der sogenannten Feindstaaten-Artikel tatsächlich obsolet, d. h. veraltet oder überständig oder nicht mehr passend ist und dem Geist der internationalen Zusammenarbeit nicht entspricht?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611102100
Herr Kollege Marx, wir sollten die Verwirrung nicht größer machen. Sie haben offenbar im Augenblick nicht in juristischen, sondern in politischen Kategorien gesprochen. Natürlich sind die Art. 53 und 107 ein geltender Teil der UNO-Charta. Sie erstrecken sich im übrigen nicht nur auf die Bundesrepublik, sondern auch auf Japan, Finnland, Bulgarien, Rumänien, Ungarn.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Auf Bulgarien sicher nicht mehr!)

— Nun, die Friedensverträge mit diesen Ländern haben sich nicht auf diese Artikel bezogen. Natürlich können nicht einseitig die drei Westmächte, die Sowjetunion oder die Bundesrepublik diese Satzungsvorschriften aufheben. Aber im bilateralen Verhältnis, Herr Kollege Marx, von uns zu den drei Westmächten einerseits und — nach diesem Vertragsentwurf — zur Sowjetunion andererseits, wird die Satzungsvorschrift durch diesen Vertrag überlagert.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611102200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0611102300
Herr Bundesminister, können Sie mir zustimmen, wenn ich unterstreiche, daß Art. 2 dieses Vertrages ausdrücklich deutlich macht, daß erstens die Feindstaatenklauseln in der Tat überlagert sind, politisch obsolet geworden sind und daß zweitens Protokolle, so wichtig sie sein mögen — auch Herr Adenauer hat der Opposition niemals Protokolle gezeigt —, den Vertragstext nicht überlagern können?

(Abg. Dr. Barzel: Natürlich hat er das getan!)


Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611102400
Herr Kollege, ich stimme zunächst einmal zu — politisch, nicht juristisch gesprochen —, daß durch den Vertrag ,die Feindstaaten-Klauseln und ihre Anwendung wirklich obsolet werden. Juristisch habe habe ich mich schon geäußert auf die Fragen von Kollegen — —

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Herr Ahlers hat juristisch zitiert!)




Bundesminister Dr. Ehmke
— Herr Kollege Ahlers hat gesagt: obsolet geworden oder überlagert; wenn Sie den Text nachlesen wollen. Er hat sich also auf beide Interpretationsmöglichkeiten eingelassen.
Im übrigen stimme ich Herrn Kollegen Apel zu, daß Protokolle natürlich nicht Verträge überlagern können, daß es aber darauf ankommt, während der Verhandlungen abgegebene zusätzliche Erklärungen der beiden Seiten, die für das Verständnis des Vertrages wichtig sind, mit in den Ratifizierungsvorgang einzuführen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611102500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Wrangel.

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0611102600
Herr Bundesminister, Sie haben gesagt, daß die deutsche Öffentlichkeit und die Fraktionen des Deutschen Bundestages zur gleichen Zeit unterrichtet werden. Wie verhält es sich hier mit der Äußerung des Vorsitzenden der SPD-Fraktion, daß er über alle Materialien bereits verfügt? Wäre das nicht eine ungleiche Unterrichtung?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611102700
Daß die Koalition ihre Politik unter sich bespricht und abstimmt, scheint mir doch selbstverständlich zu sein. Die Frage ist hier: Wann geht die Regierung mit dieser Geschichte nach außen? Ich freue mich, aus Ihren Fragen ein Drängen auf die Ratifizierung des Vertrags ahnen zu können, Herr Kollege Barzel.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der CDU/CSU.)

Wir sind der Meinung, man sollte dann, wenn es soweit ist, alles auf den Tisch legen, was dazugehört.

(Zuruf von der Mitte: Das kann doch nur ein Ausdruck von Humor und nicht von Logik sein!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611102800
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Wrangel.

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0611102900
Herr Bundesminister, würden Sie zugeben, daß es sich hier nicht um ein Drängen nach Ratifizierung handelt, sondern um eine gleichmäßige Unterrichtung des Deutschen Bundestages?

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)


Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611103000
Herr Kollege, ich würde es bedauern, wenn ich Sie in dem ersten Punkt mißverstanden hätte.

(Heiterkeit.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611103100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Petersen.

Peter Petersen (CDU):
Rede ID: ID0611103200
Herr Präsident, darf ich eine Zusatzfrage zu Frage 4 stellen?

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611103300
Ich habe, da alles gemeinsam aufgerufen ist, keine Bedenken. Bitte, Herr Petersen!

Peter Petersen (CDU):
Rede ID: ID0611103400
Herr Minister, nachdem Sie vorhin geantwortet haben, daß sich die Auffassung von Herrn Falin in der Erkenntnis der Bundesregierung mit der Auffassung der sowjetischen Regierung decke, darf ich fragen, wie sich die Auffassung, die ja in den letzten Tagen einigen Wirbel verursacht hat, daß nämlich die Feindstaatenklauseln wieder angewendet werden könnten, falls wir den Vertrag nach russischer Ansicht nicht erfüllen

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Nach sowjetischer Ansicht!)

— nach sowjetischer Ansicht —, mit dem deckt, was Herr Staatssekretär Bahr nach der Unterschrift in Moskau in der offiziellen Schrift erklärt hat, die die Bundesregierung verteilt hat.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611103500
Etwas kürzer, Herr Kollege! Die Fragen müssen kurz gehalten werden.

Peter Petersen (CDU):
Rede ID: ID0611103600
Jawohl, Herr Präsident. — Wie deckt sich das also mit dem, was Herr Bahr gesagt hat, als er erklärte: Diese Artikel — die Interventionsklauseln — werden vollständig verschwinden; hier hatte die Sowjetunion allein zu verzichten, und dieser Verzicht ist vollständig? Hier liegt doch ein Widerspruch vor.

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611103700
Herr Kollege Petersen, ich darf wiederholen, daß diese Vorschriften der UNO-Satzung dadurch, daß sie durch den bilateralen Vertrag überlagert werden, verschwinden. Herr Falin hat nach meiner Information auf etwas ganz anderes Bezug genommen, nämlich auf Art. 53 der UNO-Satzung. Darin wird eine Aktion gegen frühere Feindstaaten von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht. Dort heißt es, daß Maßnahmen ergriffen werden können „provided for pursuant to Article 107 or in regional arrangements directed against renewal of aggressive policy".

(Abg. Petersen: Nach sowjetischer Auffassung! — Abg. Rasner: Die die Sowjetunion auslegt! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

— Nach Art. 53 der UNO-Satzung, Herr Kollege Petersen. Diese wurde zitiert, aber nicht in dem Sinne, als ob das den Vertrag aufheben würde, sondern die UNO-Satzung setzt zunächst voraus, daß die agressive Politik wiederaufgenommen worden sein muß.

(Abg. Reddemann: Wer entscheidet das?)

— Das spielt keine Rolle,

(Abg. Rasner: Natürlich spielt das eine Rolle!)

denn der Art. 53 wird nun durch den Vertrag überlagert. Es ging um einen bloßen Hinweis auf den Inhalt von Art. 53 der UNO-Satzung.




Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611103800
Eine weitere Zusatzfrage, der Abgeordnete Petersen.

Peter Petersen (CDU):
Rede ID: ID0611103900
Herr Bundesminister, die Beurteilung genau dieses Punktes, nämlich des „renewal of aggressive policy", ist doch jetzt den Sowjets überlassen, die Beurteilung, wann wir diese „aggressive Politik" erneuern, um dann entsprechend einzugreifen.

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611104000
Ich darf es noch einmal sagen. Es gibt zwei Fragen. Das eine ist — das ist in dem Gespräch unabhängig von dem Vertrag zur Geltung gekommen, und zwar im Zusammenhang damit, daß sich die Art. 53 und 107 nicht nur auf uns beziehen —, daß gesagt worden ist: Art. 53 kommt nur dann zur Anwendung, wenn ... Das ist eine Auslegung von Art. 53.
Im übrigen ist gesagt worden — und wir stimmen
dem zu —: Die Vorschriften der Art. 53 und 107 werden im bilateralen sowjetisch-deutschen Verhältnis von Art. 2 des in Moskau geschlossenen Vertrages überlagert.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611104100
Eine Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete Dr. Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0611104200
Herr Bundesminister, wie kommen Sie zu Ihrer Behauptung, daß frühere Bundesregierungen die damalige Opposition ) über internationale Verhandlungen weniger informiert hätten? Erinnern Sie sich nicht, daß anläßlich der Reise von Bundeskanzler Adenauer nach Moskau ein hockgeachtetes Mitglied der damaligen Opposition, Herr Professor Carlo Schmid,

(Lachen und Zurufe von der SPD)

zur Delegation gehörte, daß er an allen Verhandlungen teilgenommen und einen bedeutenden Beitrag zu diesen Verhandlungen geleistet hat, also unmittelbarer Teilnehmer war, während der derzeitigen Opposition dieses Recht durch die jetzige Bundesregierung bei den Moskauer Verhandlungen ausdrücklich vorenthalten worden ist?

(Abg. Brück [Holz] : Ihr wolltet doch nicht mit!)


Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611104300
Herr Kollege Schulze-Vorberg, ich glaube, Sie leiden an einer Erinnerungsstörung.

(Beifall bei der SPD.)

Die Bundesregierung hat die CDU/CSU-Fraktion ausdrücklich eingeladen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Aber Ihre Fraktion hat es abgelehnt, mitzukommen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Aber nicht zu den Verhandlungen! Im Hotelzimmer sitzen und Tee trinken! — Abg. Rasner: Als Reisebegleiter! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611104400
Eine zweite Zusatzfrage. Ich darf Sie bitten, die Fragen etwas kürzer zu fassen. Wir sind in der Fragestunde. Wir haben eine ganze Reihe von Wortmeldungen. Ich muß der Reihe nach vorgehen.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0611104500
Herr Bundesminister, ergibt sich nicht im Gegensatz zu Ihrer Behauptung aus dem Brief von Herrn Außenminister Scheel an die Opposition eindeutig, daß die Opposition zwar eingeladen wurde, mitzureisen, daß die mitreisenden Oppositionsmitglieder aber nicht Mitglieder der Delegation sein sollten?

(Abg. Rasner: Exakt das war es!)


Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611104600
Herr Kollege Schulze-Vorberg, ich hatte, da Sie überhaupt nicht mitfahren wollten, den Eindruck, daß Sie es erst recht abgelehnt haben, als Mitglieder der Delegation Verantwortung zu übernehmen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist keine Antwort! — Abg. Rasner: Das wal schon wieder geschwindelt!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611104700
Eine Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0611104800
Herr Kollege Ehmke, können Sie für die Bundesregierung bestätigen, daß nicht nur Herr Falin, sondern auch andere verantwortliche Sprecher der Sowjetunion das fortdauernde Interesse der Sowjetunion an der Aufrechterhaltung der Art. 53 und 107 der UNO-Satzung amtlich bekundet haben?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611104900
Nein, Herr Kollege Barzel, ich darf außerdem sagen, da Art. 53 und 107 doch in der UNO-Satzung stehen — daran ist durch die zwei beteiligten Regierungen doch nichts zu ändern —, kann es genauso wie im Verhältnis zu den Westmächten nur darauf ankommen, bilateral eine andere Regelung zu finden. Ich wäre erstaunt, wenn die Opposition der Meinung wäre, Herr Kollege Barzel, man könnte im Bezug und im Verhältnis zur Sowjetunion eine Regelung finden, die über das hinausginge, was mit den Westmächten vereinbart worden ist.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611105000
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0611105100
Ist die Bundesregierung bereit, zur Ergänzung und Konkretisierung von Pressemitteilungen zu sagen, mit welcher Begründung der Vertreter der Sowjetunion in einem Ausschuß der UNO, der im November und Dezember 1970 — also nach Ihrer Unterschrift — über Satzungsänderungen beriet, die dort vorgeschlagene Streichung der Art. 53 und 107 im Namen der Sowjetunion abgelehnt hat?




Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611105200
Aber, Herr Kollege Barzel, ich kenne keine der der UNO angehörenden großen Mächte, die bereit wäre, die UNO-Satzung zu ändern. Sie wissen auch, warum: weil man dazu eine Zweidrittelmehrheit braucht und weil bei einem solchen Versuch eine derartige Zahl von — —

(Abg. Dr. Barzel: Das ist nicht meine Frage!)

— Aber sicher, Sie haben gefragt: Warum sollen die Art. 53 und 107 nicht gestrichen werden.

(Abg. Dr. Barzel: Nein!)

— So habe ich es verstanden. Dann bitte ich um Entschuldigung.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611105300
Zur Erläuterung Ihrer Frage, Herr Dr. Barzel!

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0611105400
Herr Kollege Ehmke, ich will Sie jetzt nicht überfordern.

(Lachen bei der SPD.)

Sind Sie bereit, Herr Kollege Ehmke, dem Hause, nachdem Sie sich informiert haben werden, mitzuteilen, mit welcher Begründung der Vertreter der Sowjetunion dem Antrag eines anderen Delegierten, die Art. 53 und 107 in der UNO-Satzung zu streichen, widersprochen hat — und dies im November/Dezember 1970, also nach Ihrer Unterschrift?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611105500
Herr Kollege Barzel, das will ich gerne tun. Ich darf nur noch einmal sagen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Es wird immer fauliger und modriger!)

daß Übereinstimmung darin besteht, daß ein Antrag auf Streichung der Art. 53 oder 107 aus den Gründen, die ich genannt habe, auch im westlichen Lager keine Mehrheit finden würde.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611105600
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0611105700
Trifft es nicht zu, Herr Bundesminister, daß der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister unmittelbar nach der Unterzeichnung des Vertrages in Moskau in direkten Gesprächen mit der Opposition sowie in einer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses alle Punkte, die hier genannt worden sind und die Art. 53 und 107 betreffen, dargelegt hat?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611105800
Ja.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611105900
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0611106000
Trifft Ihre Behauptung nicht zu, Herr Bundesminister, daß früher solche detaillierten Unterrichtungen nicht erfolgt sind und ich selbst als Beweis dafür dem Herrn Kollegen Schulze-Vorberg dienen kann?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611106100
Herr Kollege Mischnick, da ich dem Auswärtigen Ausschuß nicht angehört habe, kann ich mich aus eigener Kenntnis nicht über die Detailliertheit der Unterrichtung im Ausschuß auslassen. Ich kann nur sagen, daß sich aus der Aktenlage des Kanzleramtes ergibt, daß eine detaillierte Unterrichtung, wie sie jetzt vorgenommen worden ist, früher offenbar nicht stattgefunden hat, auch in keinem Fall Einblick in die Verhandlungsprotokolle gewährt worden ist, und daß die sehr sorgfältige Feststellung des Auswärtigen Amtes und des Kanzleramtes über die Praxis befreundeter Nationen zum gleichen Ergebnis geführt hat.

(Abg. Dr. Barzel: Er muß doch wissen, daß sie damals gewährt worden ist!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611106200
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Arndt.

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0611106300
Herr Bundesminister, sind Sie zu bestätigen bereit, daß der Generalsekretär der Organisation der Vereinten Nationen im vorigen Jahr auf eine Anfrage ausdrücklich bestätigt hat, daß das Interventionsrecht aus den beiden Artikeln, die hier zur Debatte stehen, nicht einer einzelnen Macht, sondern nur den Mächten gemeinsam als einheitliche Aktion zusteht, die an dem Kriege gegen die Mittelmächte beteiligt gewesen sind?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611106400
Herr Kollege Arndt, das ist richtig. Darum steht ja auch in den westlichen Erklärungen „einseitig" Gewalt auszuüben. Aber dies ist nicht das Problem, das die Kollegen von der Opposition beschäftigt. Das ist die erste Stufe. Die zweite Stufe ist, daß selbst dieses Recht, das nach Art. 53 nur gemeinsam auszuüben ist, durch unsere Absprachen mit den Westmächten und durch den beabsichtigten Vertrag mit der Sowjetunion bilateral überlagert wird.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611106500
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0611106600
Herr Minister, sind die Worte „überdeckt" und „überlagert", die Sie so betont benützt haben, so zu verstehen, daß durch den Art. 3 des Moskauer Vertrages, insbesondere seinen Satz 1 in Zusammenhang mit den folgenden Absätzen, in der Sache die Sowjetunion durch einen zweiseitigen Vertrag andere Rechte erhalten hat und wir weitere Verpflichtungen übernommen haben, als sie sich aus den Art. 53 und 107 der UNO-Charta ergeben?




Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611106700
Herr Kollege, die Frage ist mir nach dem, was ich bereits gesagt habe, so gut wie unverständlich. Genauso wie mit den Westmächten haben wir uns mit der Sowjetunion darauf geeinigt, unsere Beziehungen allein nach Art. 2 auszurichten, wobei der Unterschied darin besteht, daß Art. 2 der UN-Charta lediglich von „friedlichen Mitteln" spricht, während der Vertrag davon spricht, daß Streitpunkte „ausschließlich mit friedlichen Mitteln" geregelt werden sollen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611106800
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0611106900
Herr Minister, würden Sie die Freundlichkeit haben, meine Frage zu beantworten, die sich auf Art. 3 und den ersten Satz bezog, in dem es heißt: „In Übereinstimmung mit den vorhergehenden Zielen und Prinzipien stimmen die Bundesrepublik ... überein", und dann folgen vier Absätze, worin sie übereinstimmen. Darauf richtete sich meine Frage, und würden Sie die Freundlichkeit haben, diese zu beantworten, ohne ausschließlich auf den UNO-Artikel 2 Bezug zu nehmen, der auch bei dem Konflikt zwischen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion bestand.

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611107000
Herr Kollege Czaja, der Art. 3 Satz 1 des ) Moskauer Vertrages, die sogenannte Brückenvorschrift, leitet doch nur über von der allgemeinen Vorschrift über Gewaltverzicht und die Anwendung der Grundsätze der UNO-Charta zum konkreten Inhalt des Vertrages. Was diese Frage mit unserer Frage zu tun haben soll, vermag ich auch nach Ihrer zweiten Frage immer noch nicht einzusehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611107100
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Geßner.

Dr. Manfred Achim Geßner (SPD):
Rede ID: ID0611107200
Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß es den Interessen der Bundesrepublik dienlich ist, wenn die CDU/CSU versucht, diesem Vertrag eine Auslegung und einen Sinn zu geben, der weder von der Bundesrepublik noch von der Sowjetunion akzeptiert wird?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611107300
Herr Kollege, ich bin erstens der Meinung, daß es ein verständlicher Wunsch aller Beteiligten ist, Klarheit zu schaffen, und ich bin zweitens mit dem Kollegen Schröder der Meinung, daß alle Seiten hier im Hause aufpassen sollten, den Vertrag nicht gegen die deutschen Interessen zu interpretieren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611107400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiep.

Dr. Walther Leisler Kiep (CDU):
Rede ID: ID0611107500
Herr Bundesminister, nachdem nicht nur die CDU/CSU-Fraktion dieses Hauses, sondern die gesamte deutsche Öffentlichkeit

(Oho-Rufe bei der SPD)

sich sehr intensiv mit den Äußerungen von Falin, so wie sie hier wiedergegeben sind, befaßt haben, möchte ich Sie fragen, warum die Bundesregierung die Information der Öffentlichkeit und dieses Hauses in so starkem Umfang Gesprächspartnern oder Besuchern der Bundesrepublik wie den Herren Popow, Schukow und Falin überläßt, ohne selber diese Informationen diesem Hause und der deutschen Öffentlichkeit zu geben, wobei sie sich dazu noch darauf beruft, eine zu weitgehende Information könnte den sowjetischen Partner verärgern.

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611107600
Herr Kollege, soweit ich verstanden habe, geht diese Diskussion darauf zurück, daß Ihr Kollege Echternach die Öffentlichkeit über sein Gespräch mit Herrn Falin informiert hat. Die Bundesregierung sieht es nicht als ihre Aufgabe an,

(Zurufe von der CDU/CSU: Uns zu unterrichten! — Uns etwas zu berichten! — Wozu sollen wir etwas wissen!)

bei jeder Äußerung eines Kollegen aus Landesparlamenten oder eines Beamten des sowjetischen Außenministeriums ihrerseits Stellung zu nehmen. Das wäre eine eigentümliche Praxis.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611107700
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Kiep.

Dr. Walther Leisler Kiep (CDU):
Rede ID: ID0611107800
Herr Bundesminister, wären Sie nicht der Ansicht, daß es Ihrer Sache dienlicher wäre, wenn diese Informationen direkt von der Bundesregierung — entweder hier oder im Ausschuß — kämen, anstatt hier von dritter Seite in die Diskussion eingeführt zu werden?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611107900
Herr Kollege Kiep, ich muß jetzt aber doch wirklich die Unterstellung zurückweisen, die Bundesregierung habe die zuständigen Ausschüsse über die Auslegung von Artikel 53 und 107 nicht detailliert unterrichtet.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Frage ist doch vielmehr, daß nach dem Besuch des Kollegen Echternach und seiner Äußerung einige Leute noch einmal die Frage aufgeworfen haben, wobei ich ihnen unterstelle, daß sie gesagt haben: Klingt denn das nicht anders als vorher? Ich kann nur sagen: nein, es bleibt bei den Erklärungen, die wir bereits im Ausschuß abgegeben haben und die ich heute morgen in der Fragestunde auf Ihre Fragen nur wiederholt habe.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611108000
Meine Damen und Herren, die Geschäftslage sieht folgendermaßen aus: Wir haben bisher 25 Zusatzfragen gehabt; ich habe noch weitere sieben Wortmeldungen. Ich werde



Präsident von Hassel
die Rednerliste schließen und Zusatzfragen nicht mehr zulassen. Ich bitte dafür um Verständnis; wir haben noch den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf der Tagesordnung.
Herr Abgeordneter Sieglerschmidt!

Hellmut Sieglerschmidt (SPD):
Rede ID: ID0611108100
Herr Bundesminister, würden Sie mir zustimmen, daß der Reiz der theoretisch-völkerrechtlichen Diskussion um die Art. 53 und 107 der UNO-Charta sehr viel größer ist als die praktisch-politische Bedeutung dieser Frage und daß die rhetorischen Anstrengungen der Opposition vom heutigen Morgen nicht zuletzt unter diesem Gesichtspunkt zu beurteilen sind?

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611108200
Das würde ich Ihnen zugeben. Ich mache kein Hehl daraus, daß ich der Meinung bin, daß die Gesamtfrage der Art. 53 und 107 in politischer Hinsicht von der Opposition bisher und auch heute völlig überschätzt wird. Die Frage mußte geregelt werden; ich halte sie aber nicht für eine Hauptfrage des deutsch-sowjetischen Verhältnisses.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611108300
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0611108400
Herr Bundesminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß hier drei Ebenen zu betrachten sind: als erste Ebene die UNO-Charta selbst, nach der es keine einseitigen Interventionsrechte gibt — das ist allgemein bekannt —, sondern nur Interventionsrechte der UNO, als zweite Ebene der deutsch-sowjetische Vertrag, der in Art. 2 eindeutig klarmacht, daß diese beiden Artikel überlagert sind, als dritte Ebene der NATO-Vertrag, die westliche Integration, die erneut sicherstellt, daß es hier uns gegenüber keine Rechte gibt, und sind Sie nicht deswegen wirklich der Meinung, daß nicht eine beunruhigte Öffentlichkeit diese Debatte aufgegriffen hat, sondern die CDU/CSU, um erneut in diesem Bundestag Verdächtigungen auszustreuen,

(Abg. Dr. Marx: Was glauben Sie eigentlich, daß die parlamentarische Aufgabe ist?)

die ihr politisch im Lande nutzen können?

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Rasner: Schafft doch den Bundestag ab! — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Macht ihr nur so weiter! „Sozialismus ist das Ziel, Demokratie ist nicht viel!" — Weitere Zurufe.)


Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611108500
Herr Kollege Marx, ich darf auch zu diesem Zwischenruf darauf hinweisen, daß ich ihn unangebracht finde, nachdem ich vorhin zu dem Zuruf des Kollegen Apel Stellung genommen habe.
Ich darf zunächst sagen, was Sie dargestellt haben, Herr Kollege Apel, ist richtig, und ich stelle noch einmal fest: diese Diskussion ist von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, ausgelöst
worden nach den Äußerungen des Kollegen Echternach über sein Gespräch mit Herrn Falin.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ist doch unser Recht! — Abg. Dr. Marx: Es geht um Falins tatsächliche Äußerungen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611108600
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Reddemann.

Dr. Gerhard Reddemann (CDU):
Rede ID: ID0611108700
Herr Minister, hält die Bundesregierung ihre Antwort auf unsere Große Anfrage vom 6. Mai 1970 aufrecht, in der sie damals sagte: „Ein gegenseitiger Gewaltverzicht darf nicht durch einen Gewaltvorbehalt einer Seite relativiert oder gar wertlos gemacht werden. Nach unserer Beurteilung der Rechtslage besitzt die Sowjetunion kein Interventionsrecht gegen die Bundesrepublik Deutschland." ?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611108800
Aber selbstverständlich, das habe ich doch heute gerade in langen Ausführungen noch einmal darzulegen versucht, Herr Kollege.

(Abg. Reddemann: Was leider nicht erkennbar war!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611108900
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Miltner.

Dr. Karl Miltner (CDU):
Rede ID: ID0611109000
Herr Bundesminister, ist die Erklärung der Sowjetunion zu den Artikeln 53 und 107 so zu verstehen, daß diese Bestimmungen auch im bilateralen Verhältnis zu uns in keinem Falle mehr aufleben?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611109100
Das ist der eigentliche Sinn der Bestimmung, denn zwischen uns und der Sowjetunion können natürlich nur bilaterale Fragen und nicht multilaterale Fragen der UNO geregelt werden. Das liegt doch wohl auf der Hand.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Wieso bilaterale? Sie haben doch von allen Grenzen in Europa gesprochen!)

Jetzt wundere ich mich doch über einen Teil der Fragen, daß die nach der langen Debatte und Beratung in den Ausschüssen immer noch so kommen. Das ist doch wohl klar, Herr Kollege.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611109200
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Professor Schmid (Frankfurt).

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0611109300
Herr Bundesminister, könnten Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß nach allgemein anerkannten Sätzen des Völkerrechts — und ausschließlich aus diesen — die rechtliche Tragweite der inkriminierten Artikel der UNO-Charta definiert werden kann? Diese Sätze lauten: Lex specialis derogat legi generali, lex posterior derogat legi anteriori, und dies bedeutet: der spätere bilaterale Vertrag — später und gleichzeitig enger —



Dr. Schmid (Frankfurt)

macht die entgegengesetzten Bestimmungen des früheren und weiteren multilateralen UNO-Vertrags unter den bilateralen Vertragspartnern gegenstandslos.

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611109400
Herr Kollege, ich kann Ihnen nicht nur zustimmen, ich kann Ihnen sogar mit Vergnügen zustimmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Was bedeuten denn die Art. 53 und 107 gegenüber Art. 2?)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611109500
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Kliesing.

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0611109600
Herr Minister, betrachtet die Bundesregierung in jedem Falle eines Angriffs auf die Bundesrepublik, auch wenn dieser unter Berufung auf die beiden Artikel der UNO-Charta erfolgen sollte, den Bündnisfall nach Art. 4 des Nordatlantikvertrages für gegeben, und hat sie diesen Standpunkt, wenn sie ihn vertritt, ihrem sowjetischen Verhandlungspartner so klargemacht, daß darüber kein Mißverständnis bestehen kann?

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611109700
Herr Kollege Kliesing, ich bin über Ihre Frage überrascht; denn die Frage wird ja in der Erklärung, die die drei Westmächte uns gegenüber 1954 abgegeben haben, eingehend behandelt.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Kliesing [Honnef] : Und wie ist es gegenüber der Sowjetunion?)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611109800
Eine letzte Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0611109900
Herr Kollege Ehmke, sind diese inkriminierten Artikel, wie Herr Kollege Schmid sie nannte, nun „verschwunden" — das war die eine Vokabel —, ist darauf „verzichtet" — das ist die zweite —, sind sie nur „überlagert" — das ist die dritte —, oder handelt es sich bei dem Ganzen — das ist das Neueste aus dem heutigen Dienst der Regierung — nur um „die Interpretation eines Anwendungsverzichts"? Was von diesen vier Aussagen können wir aus dieser Fragestunde nun als verbindlich mitnehmen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0611110000
Herr Kollege Barzel, ich bedauere Ihre Frage,

(Zurufe von der CDU/CSU) : Das können

wir verstehen!)
da ich annehme, daß Sie das, was Sie fragen, aus meinen Antworten schon längst verstanden haben. Ich glaube, daß diese Art des Fragens den deutschen Interessen wirklich nicht dient.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das ist eine unglaubliche Antwort!)

Aber ich will noch einmal zusammenfassen, was ich heute morgen gesagt habe, Herr Kollege Barzel. Bilateral können weder die Westmächte und die Bundesrepublik noch die Bundesrepublik und die Sowjetunion die UNO-Satzung ändern. Insofern bleibt es bei der Satzungsvorschrift, die ja nicht von den beiden Vertragschließenden stammt. Sie ist der Änderung durch uns entzogen. Aber diese Vorschrift wird — wie durch die Abmachungen mit dem Westen — jetzt durch den Vertrag mit der Sowjetunion in dem bilateralen Verhältnis Sowjetunion—Bundesrepublik juristisch überlagert und verdrängt und wird damit politisch obsolet. Ich weiß nicht, was an dieser Erklärung, Herr Kollege Barzel — Ihre Frage war eine Verständnisfrage —, noch mißzuverstehen sein könnte.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611110100
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe die Frage 111 des Abgeordneten Bauer (Würzburg) auf:
In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung, denn vorn Generalsekretär der Vereinten Nationen für 1971 geplanten und vorn Europarat in seiner Zielsetzung geförderten sowie über die von ihm beeinflußten Institutionen nach besten Kräften unterstützten „Internationalen Jahr des Kampfes gegen Rassismus und Rassendiskriminierung" Hilfestellung zu leisten?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611110200
Herr Präsident, ich beantworte die Frage 111 wie folgt. Die Bundesrepublik Deutschland wird sich aktiv an dem Internationalen Jahr zum Kampf gegen Rassismus und Rassendiskriminierung beteiligen und seine Zielsetzung unterstützen. Die Tatsache, daß die Bundesregierung die Planung des Internationalen Jahres begrüßt, und die deutsche Bereitschaft, das Internationale Jahr zum Kampf gegen Rassismus und Rassendiskriminierung als eigenes Anliegen zu unterstützen, haben bereits ihren Niederschlag in dem Bericht der Bundesregierung vom 9. Juli 1970 an den Generalsekretär gefunden, der Bestandteil des VN-Dokuments A/8061 vom 22. September 1970 geworden ist.
Die Bundesregierung möchte bei dieser Gelegenheit betonen, daß in der Bundesrepublik Deutschland gestützt auf Art. 3 Abs. 3 GG die Rechtsordnung und Verwaltungspraxis für Rassismus und Rassendiskriminierung keinen Raum läßt. Die Bundesrepublik hat die VN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung unterzeichnet und ratifiziert. Das Internationale Jahr gibt willkommenen Anlaß, die deutsche Bevölkerung in der bestehenden Rechtsauffassung zu bestärken und für den Kampf gegen die Rassendiskriminierung zu werben.



Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
Die Politik der Bundesregierung ist darauf gerichtet, daß dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung in aller Welt zur Geltung verholfen wird. Schon in den vergangenen Jahren ist in der Bundesrepublik Deutschland jeweils der 21. März, der Tag zum Kampf gegen Rassendiskriminierung, besonders begangen worden. Diesmal sind beispielsweise folgende Veranstaltungen und Maßnahmen in den besonderen Rahmen des dafür ausgerufenen Jahres 1971 zum Kampf gegen Rassendiskriminierung gestellt: Erstens Ansprache des Herrn Bundeskanzlers am 21. März in Köln, zweitens Artikel des Bundesministers des Auswärtigen im Bulletin der Bundesregierung vom 21. März, drittens Fernsehansprache des Bundesinnenministers zum 21. März, viertens Sonderveröffentlichungen zum Internationalen Jahr, insbesondere Sondernummern in „Das Parlament", u. a. Jugendtreffen, Vorträge — insbesondere von Professor Partsch, Bonn — über das angeschnittene Thema. Die Bundesregierung hofft ferner, daß sich ebenfalls eine Vielzahl von Gesellschaften und Gremien des Themas annimmt. Die Bundesregierung begrüßt das Interesse des Bundestages an diesem Thema und wäre für jede weitere Initiative zur Unterstützung des Internationalen Jahres dankbar.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611110300
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Bauer (Würzburg).

Hannsheinz Bauer (SPD):
Rede ID: ID0611110400
Herr Staatssekretär, würde es die Bundesregierung abgesehen von ihrer grundsätzlichen Bejahung der hier aufgezeigten Zielsetzung für nützlich halten und die Anregung positiv aufnehmen, vielleicht ganz speziell, also unabhängig von einzelnen Anlässen wie am 21. März — ich nehme an, das ist die Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit gewesen —, Gelegenheit zu nehmen, in einer Art Proklamation vor den Fernsehzuschauern zu dieser Grundsatzfrage einmal Stellung zu beziehen, also nicht im Rahmen von Einzelveranstaltungen, sondern auf die Sache konkret ausgerichtet?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611110500
Herr Abgeordneter, ich will diese Anregung gern prüfen. Sie werden mir aber zugeben, daß solche Darlegungen sehr oft des aktuellen Anlasses bedürfen. Es ist natürlich ein viel angenehmerer aktueller Anlaß, wenn ein solcher Tag von einer internationalen Organisation festgelegt ist, als wenn etwa Grund bestünde — was ich nicht hoffen will , daß dieses Thema durch einen Anlaß ganz anderer Art aufgegriffen werden müßte.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611110600
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Bauer.

Hannsheinz Bauer (SPD):
Rede ID: ID0611110700
Darf ich von Ihnen, Herr Staatssekretär, die Zustimmung zur Aufnahme der Anregung entgegennehmen, das Augenmerk nicht nur bei einzelnen Anlässen auf dieses Problem zu lenken, das ja ganz abgesehen von der jüdischen Frage immer wieder angesprochen werden muß, sondern das Problem einmal in einer besonders spektakulären Veranstaltung vor der deutschen Öffentlichkeit ins Bewußtsein zu rufen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611110800
Herr Abgeordneter, da will ich Ihnen gern zustimmen. Ich möchte aber hinzufügen, daß das, was Sie der Bundesregierung als besondere Aufgabe zuweisen — was wir zu akzeptieren haben und auch gern akzeptieren —, eine Aufgabe aller politisch Verantwortlichen ist, vor allem der Mitglieder dieses Parlaments in konkreten Fällen, die es gerade im Zusammenhang mit dem Gastarbeiterproblem da und dort immer wieder geben mag.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611110900
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0611111000
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß die Bundesregierung im Interesse des Ansehens unseres deutschen Volkes und auf Grund unserer Geschichte jede Bemühung im Kampf gegen Rassismus und Rassendiskriminierung unterstützen sollte?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611111100
Herr Abgeordneter, ich teile diese Meinung.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611111200
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 112 des Abgeordneten Dr. Evers auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, warum der deutsche Regierungsangestellte Viktor Niepalla, geboren am 23. Dezember 1919 in Gogolin-Slaski, Regierungsbezirk Oppeln, der am 18. Februar 1971 zu einem Besuch seiner Mutter und seiner Geschwister mit Genehmigung der polnischen Behörden nach Polen reiste, seit dem 25. Februar 1971 von den polnischen Behörden festgegehalten wird?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611111300
Herr Präsident, ich beantworte die Frage wie folgt.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß der deutsche Staatsangehörige Niepalla während eines Aufenthalts in Polen am 25. Februar 1971 in Oppeln verhaftet worden ist. Nach Angaben des polnischen Außenministeriums wird ihm Spionage zur Last nelegt.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611111400
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Evers.

Dr. Hans Evers (CDU):
Rede ID: ID0611111500
Herr Staatssekretär, würden Sie es, nachdem Ihre letzte Nachricht an die Frau des verhafteten Herrn Niepalla vom 10. März dieses Jahres datiert, nicht für richtig halten, ihr erneut eine Nachricht zukommen zu lassen, da sie sich begreiflicherweise in großer Unruhe befindet?




Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611111600
Herr Abgeordneter, ich muß sagen, daß mich diese Frage eigentlich etwas überrascht, weil ich davon ausgegangen war, daß die Frau des Betroffenen ins Bild gesetzt worden ist.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611111700
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abeordneter Dr. Evers.

Dr. Hans Evers (CDU):
Rede ID: ID0611111800
Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, Herr Staatssekretär, daß in dem Schreiben des Auswärtigen Amts vom 10. März nichts über die Gründe der Verhaftung mitgeteilt worden ist und daß sich die Frau des Verhafteten bis heute insoweit über die Gründe der Verhaftung völlig im unklaren befindet?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611111900
Herr Abgeordneter, ich weiß, daß sie damals nicht mitgeteilt worden sind, und zwar einfach deswegen, weil das Auswärtige Amt zu dieser Zeit keine so definitive Nachricht hatte. Ich habe in dieser Woche einen Hinweis darauf bekommen. Aber ich möchte hinzufügen, daß die Erörterung solcher Fragen, die uns ständig beschäftigen, den Betroffenen möglicherweise nicht besonders dienlich ist, wenn sie öffentlich erfolgt. Ich bin gern bereit, Hinweise jeder Art von den Kollegen aufzunehmen und entsprechend auszuwerten.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611112000
Ich rufe die Frage 113 des Abgeordneten Dr. Evers auf:
Welche Schritte hat die Bundesregierung auf Grund des Schreibens von Frau Hildegard Niepalla an den Bundesaußenminister vom 2. März 1971 zur Freilassung von Viktor Niepalla unternommen?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611112100
Herr Kollege, bereits vor dem Eingang des Briefes der Frau Niepalla vom 2. März 1971 an den Bundesminister des Auswärtigen hatte unsere Handelsvertretung in Warschau von der Verhaftung des Herrn Niepalla Kenntnis erhalten und das Auswärtige Amt hiervon fernschriftlich unterrichtet. Das Auswärtige Amt hat daraufhin sofort die Handelsvertretung durch Fernschreiben angewiesen, die zuständigen polnischen Stellen darum zu ersuchen, a) Auskunft über den Stand der Ermittlungen zu erteilen, b) einem Angehörigen der Vertretung zu ermöglichen, Herrn Niepalla in der Untersuchungshaft aufzusuchen, und darüber hinaus c) einem Angehörigen der Vertretung auch ein Gespräch mit dem zuständigen Staatsanwalt oder Untersuchungsrichter zu vermitteln. Außerdem ist unsere Handelsvertretung später angewiesen worden, einen geeigneten Anwalt mit der Wahrnehmung der Interessen des Verhafteten zu beauftragen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611112200
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Evers.

Dr. Hans Evers (CDU):
Rede ID: ID0611112300
Herr Staatssekretär, wann wird das Auswärtige Amt die Frau des Verhafteten offiziell von dem unterrichten, was Sie mir soeben mitgeteilt haben?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611112400
Selbstverständlich unverzüglich, Herr Abgeordneter. Aber ich wundere mich ein bißchen darüber, daß diese Frage überhaupt noch erörtert werden muß.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611112500
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Evers.
Dr. Evers (CDU/CSU) Wenn Sie sich darüber wundern, Herr Staatssekretär, daß diese Frage erörtert werden muß, warum haben Sie dann den Beamten Ihres Hauses, der mich in dieser Angelegenheit angerufen hat, nicht angewiesen, mich über das zu informieren, was Sie hier erst auf Grund meiner Frage bekanntgegeben haben und was mir vorher nicht mitgeteilt worden ist?


Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611112600
Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen diese Frage im Augenblick nicht beantworten. Ich glaube, Sie haben nur etwas falsche Vorstellungen von der Arbeitsweise in einem solchen Amt. Wir haben bis jetzt noch keinen definitiven Bescheid von der anderen Seite und haben einige Einzelheiten erst jetzt erfahren. Aber ich möchte darauf hinweisen, daß es viele Tausende von Fällen gibt, die bei uns bearbeitet werden, und daß so etwas möglich ist. Ich möchte umgekehrt Sie fragen, Herr Abgeordneter, warum Sie mir nicht mitgeteilt haben, daß Sie mit der Behandlung im Auswärtigen Amt nicht zufrieden sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611112700
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0611112800
Herr Staatssekretär, nachdem Sie eben mitgeteilt haben, welche Bemühungen Sie unternommen haben, darf ich fragen, wie die polnische Seite mittlerweise auf diese Bemühungen reagiert hat.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611112900
Zunächst muß ich Ihnen sagen, daß die polnische Seite, obwohl keine rechtlichen, vertraglichen Bindungen dieser Art bestehen, die Handelsvertretung als Gesprächspartner akzeptiert hat. Wir hoffen, daß diesem Ersuchen um konsularische Betreuung jetzt stattgegeben wird.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611113000
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Czaja.




Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0611113100
Wenn auch keine rechtlichen Bindungen bestehen, so ist Ihnen doch bekannt, Herr Staatssekretär, daß wir in vielen Fällen auch Polen faktisch Rechtshilfe leisten. Warum kann man das nicht gegenseitig erreichen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611113200
Herr Dr. Czaja, die Verhältnisse auf diesem Gebiet haben sich verbessert. Sie könnten durch Fragen irgendwelcher Art möglicherweise verschlechtert werden.

(Abg. Dr. Czaja: Dann brauchen wir keine Fragestunde!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611113300
Keine weiteren Zusatzfragen. — Ich rufe die Frage 114 des Abgeordneten Dr. Bach auf:
Trifft es zu, daß nach den polnischen Paßvorschriften nur für solche Antragsteller Pässe ausgestellt werden, die sich im Besitze einer Einladung einer natürlichen Person im Ausland befinden?
Ist der Abgeordnete im Saal? — Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611113400
Herr Abgeordneter, ich beantworte die Frage wie folgt. Nach den polnischen paßrechtlichen Bestimmungen müssen Antragsteller grundsätzlich im Besitz einer Einladung einer natürlichen Person im Ausland sein. Ausnahmen sind vorgesehen. In den Verhandlungen des .Deutschen Roten Kreuzes mit dem Polnischen Roten Kreuz wird deshalb angestrebt, an die Stelle des Erfordernisses der Einladung durch eine natürliche Person die Möglichkeit einer Einladung durch eine juristische Person Deutsches Rotes Kreuz oder Bundesverwaltungsamt — treten zu lassen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611113500
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Bach.

Dr. Franz Josef Bach (CDU):
Rede ID: ID0611113600
Wie ist die polnische Haltung in dieser Frage? Stimmt es, daß im Augenblick kein Deutscher aus Polen ausreisen kann, der nicht einen Verwandten außerhalb Polens hat und von diesem Verwandten eine Einladung erhalten hat?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611113700
Herr Abgeordneter, ich glaube, wir sollten die Fragen im Zusammenhang behandeln. Sie haben eine zweite Frage in ähnlicher Weise gestellt. Ich kann mich hier nur auf den amtlichen Text beziehen. Mir ist im Augenblick kein Anhaltspunkt für die in Ihrer Frage mitgeteilte Information bekannt. Das müßte erst einmal zusammen mit den Vertretern des Roten Kreuzes geprüft werden. Vielleicht darf ich zunächst die Frage 115 beantworten.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611113800
Dann rufe ich die Frage 115 des Abgeordneten Dr. Bach auf:
Ist bei den deutsch-polnischen Verhandlungen in Warschau, die u. a. zur Niederschrift der polnischen Information führten, sichergestellt worden, daß auch solchen Deutschen die Ausreise aus Polen erlaubt wird, die keine Anverwandten in der Bundesrepublik Deutschland haben?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611113900
Nach der Information, die das Ergebnis der diesbezüglichen deutschpolnischen Regierungsverhandlungen enthält, gibt es zwei Kategorien von Personen, die einen Antrag auf Ausreise zum ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland stellen können; erstens Personen aus getrennten Familien, die mit ihren in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Angehörigen vereint werden sollen, zweitens Personen mit unbestreitbarer deutscher Volkszugehörigkeit. Während bei der ersten Kategorie ausreichender Antragsgrund das Bestehen familiärer Bindungen zu Personen im Bundesgebiet ist, genügt bei der zweiten Kategorie das Merkmal der deutschen Volkszugehörigkeit.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611114000
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Bach.

Dr. Franz Josef Bach (CDU):
Rede ID: ID0611114100
Herr Staatssekretär, Ihre Ausführungen stimmen nicht mit der Meldung der polnischen „Oppelner Zeitung" überein, in der es hieß, daß sich diese Vereinbarung allein auf die Familienzusammenführung beziehe und nicht die Ausreise eines einzelnen Deutschen außerhalb des Familienzusammenführungsverfahrens betreffe.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611114200
Herr Abgeordneert, ich muß mich an ein amtliches polnisches Dokument halten, und ich muß Ihnen sagen, daß uns nicht bekannt ist, daß sich die polnische Regierung nicht oder nicht mehr an den Wortlaut dieser Information hält. Was in einer Zeitung steht, ist für mich nicht in der gleichen Weise gewichtig wie das, was uns von amtlicher polnischer Seite mitgeteilt worden ist.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611114300
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Bach.

Dr. Franz Josef Bach (CDU):
Rede ID: ID0611114400
Darf ich denn davon ausgehen, daß diese polnische Information sich nicht allein auf Familienzusammenführung beschränkt, sondern sich auch auf die Ausreise jedes Deutschen bezieht, der als Volksdeutscher angesehen wird?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611114500
Herr Abgeordneter, Sie dürfen davon ausgehen, daß der Wortlaut der Information der Wortlaut der Information ist. Dort heißt es: Personen mit unbestreitbarer deutscher Volkszugehörigkeit gehören dazu. Das ist für mich eindeutig und für Sie sicherlich auch.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611114600
Ich rufe die Frage 116 des Abgeordneten Kahn-Ackermann auf. — Der Fragesteller ist nicht anwesend; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung, Bonn, Freitag, den 26. März 1971 6517
Präsident von Hassel
Ich rufe die Frage 117 des Abgeordneten Dr. Hermesdorf (Schleiden) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Vorschläge in Ziffer 3 und 4 der Empfehlung Nr. 202 der Versammlung der Westeuropäischen Union vorn 19. November 1970 zu unterstützen, welche vorsehen, einen finanziellen Beitrag Europas für die wirtschaftliche Entwicklung jener Länder des Nahen Ostens bereitzustellen, die bereits Palästina-Flüchtlinge aufgenommen haben oder bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen, um auch auf diesem Wege seitens der in der WEU vertretenen Staaten wirksam zur wirtschaftlichen und sozialen Rehabilitation der Flüchtlinge beizutragen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611114700
Auf die Empfehlung Nr. 202 der Versammlung der Westeuropäischen Union an den Rat hat dieser inzwischen eine Antwort erarbeitet, die der Versammlung demnächst zugehen wird.
Zu dem Problem der Palästina-Flüchtlinge weist der Rat in dieser Antwort darauf hin, daß die Lösung dieser Frage nur im Gesamtzusammenhang einer umfassenden politischen Lösung möglich sein wird und daß, wie die Vergangenheit gezeigt hat, der Versuch, vor einer solchen umfassenden Lösung Fortschritte bei der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Eingliederung der Flüchtlinge zu erreichen, neue schwerwiegende Probleme schafft.
Die Bundesregierung hat dieser Auffassung zugestimmt.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611114800
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hermesdorf.

Dr. Herbert Hermesdorf (CDU):
Rede ID: ID0611114900
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß die Bundesregierung bereit ist, mit den anderen WEU-Staaten in einem dauernden Gedankenaustausch darüber zu bleiben, ob sich in Zukunft nicht doch ein Weg zur Hilfe im Sinne der WEU-Empfehlungen eröffnet?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611115000
Herr Abgeordneter, Sie dürfen davon ausgehen, daß Gegenstand der Konsultation das Gesamtproblem ist und daß das Teilproblem selbstverständlich dazugehört.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611115100
Keine weitere Zusatzfrage. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs angelangt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zunächst die Frage 26 des Abgeordneten Dr. Früh. — Der Fragesteller ist nicht anwesend; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 27 des Abgeordneten Dr. Früh ist zurückgezogen worden.
Die Frage 28 des Abgeordneten Seefeld wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 29 des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg auf:
Kann die Bundesregierung mitteilen, welche Maßnahmen sie durch den derzeitigen Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ergriffen hat, um der deutschen Landwirtschaft kostendeckende Preise zu garantieren?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Logemann.

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0611115200
Herr Kollege Dr. Schulze-Vorberg, die Bundesregierung hat folgende Maßnahmen ergriffen:
Im EWG-Bereich eine Verhinderung von Preissenkungen durch Ablehnung diesbezüglicher Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaft aus dem Jahre 1970. Bei den Preisberatungen dieser Woche setzte sich die Bundesregierung mit Nachdruck — ich darf hinzufügen: und mit Erfolg — für eine Preiserhöhung ein. Es ist wohl erstmalig seit vielen Jahren, daß ein Landwirtschaftsminister aus solchen Beratungen in Brüssel mit Preisverbesserungen zurückkehrt. Wir haben uns weiter bemüht, die Überschüsse in der Gemeinschaft durch Einsatz erheblicher zusätzlicher Haushaltsmittel abzubauen. Die Durchsetzung des Aufwertungsausgleichs in Brüssel bei Mitfinanzierung durch die Gemeinschaft möchte ich auch in diesem Zusammenhang mit aufzählen.
Bezüglich des nationalen Bereiches nenne ich folgende Maßnahmen: Beseitigung der negativen Berichtigungsbeiträge bei Butter; Anhebung und Liberalisierung der Trinkmilchpreise durch Umstellung des bisherigen Festpreissystems auf Mindestpreissystem; marktentlastende Maßnahmen, insbesondere bei Schweinen und Rindern durch Kauf seitens der Einfuhr- und Vorratsstellen; Verabschiedung von acht Verordnungen zur Durchführung des Marktstrukturgesetzes; Bereitstellung von Bundesmitteln in Höhe von 40 Millionen DM zur Beseitigung der negativen Folgen der Aufwertung der D-Mark für Obst, Gemüse, Eier und Geflügel bis zum 31. Dezember 1969; gesetzliche Absicherung des in Brüssel durchgesetzten Aufwertungsausgleichs durch das Aufwertungsausgleichsgesetz vom 23. Dezember 1969 und durch das Durchführungsgesetz vom 5. Juni 1970; zügige Auszahlung des Direktausgleichs weitgehend noch vor der Ernte 1970 — Ihnen dürfte bekannt sein, daß von den 920 Millionen DM bis zum 31. Dezember 1970 906 Millionen DM ausgezahlt wurden —; Auszahlung der dritten Tranche des Getreidepreisausgleichs; Gewährung einer Ausgleichszahlung an Zuckerhersteller aus Anlaß der Aufwertung der D-Mark.
Ich möchte damit sagen, daß versucht worden ist, hier schon Entscheidendes in Richtung auf die Erzielung kostendeckender Preise zu tun, möchte aber auch darauf hinweisen, daß eine mittelbare Auswirkung auf die Preise auch durch strukturelle Maßnahmen der Bundesregierung — wie z. B. Ertl-Plan, Regionalprogramme, steuerliche Maßnahmen und anderes mehr — angestrebt wird.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611115300
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.




Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0611115400
Herr Staatssekretär, ich erkenne die Bemühungen Ihres Ministers in der aufgezeigten Richtung durchaus an und weiß sie zu würdigen, darf aber fragen: sind Sie nach der Überzeugung Ihres Hauses in den anderthalb Jahren Ihrer Amtszeit dem Prinzip der kostendeckenden Preise nähergekommen?

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0611115500
Ich darf dazu sagen, daß die Entwicklung der kostendeckenden Preise ja auch von der Kostenseite her mit beeinflußt wird und daß wir gerade in letzter Zeit — das dürfte bekannt sein — bei den Kosten Schwierigkeiten haben. Hier ist ja in der Landwirtschaft eine steigende Tendenz festzustellen. Aber im übrigen bin ich durchaus der Auffassung, daß wir auf dem richtigen Wege sind, die von Ihnen genannten kostendeckenden Preise anzusteuern.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611115600
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0611115700
Herr Staatssekretär, darf ich auf Grund Ihrer Antwort darauf aufmerksam machen, daß das Prinzip der kostendeckenden Preise zwar in meiner Frage ausdrücklich genannt war, daß aber, wie Sie wissen, früher gerade Ihr Herr Minister zu den Vertretern dieses Prinzips gehört hat, und darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß wir trotz dieser Bemühungen von kostendeckenden Preisen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen heute leider weiter entfernt sind als jemals vorher?

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0611115800
Das würde ich nicht sagen, denn wir können dabei nicht von der augenblicklichen Situation ausgehen. Wenn ich z. B. unterstelle, daß bei den Schweinepreisen eine Erholung nach oben hin einsetzt, könnte es durchaus sein, daß wir in kürzester Zeit wieder eine andere Situation haben. Ich darf aber nochmals sagen, daß wir uns bemühen, eine Erzeugerpreispolitik zu entwickeln, die sich an der allgemeinen Kostenentwicklung orientiert.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611115900
Ich rufe Frage 30 des Abgeordneten Niegel auf:
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung bei den Aufnahmeverhandlungen mit Großbritannien in die EWG zu der Forderung der britischen Regierung ein, hohe Zucker- und Butterlieferungen aus den Commonwealthländern in die EWG zu garantieren, und wie würde sich die Verwirklichung einer solchen Forderung auf die ernährungswirtschaftliche Versorgung in der EWG sowie auf die Absatz- und Einkommenslage der Landwirtschaft in der EWG auswirken?
Der Fragesteller ist anwesend. Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär.

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0611116000
Herr Kollege Niegel, bei den Beitrittsverhandlungen der EWG mit dem Vereinigten Königreich spielen die Zuckerlieferungen aus den Entwicklungsländern des Commonwealth und die Butterlieferungen aus Neuseeland sowohl während der vorgesehenen Übergangszeit als auch danach eine für die britische Seite entscheidende politische Rolle. Die britische Verhandlungsdelegation hat immer wieder eindringlich dargelegt, daß nur bei einer befriedigenden Lösung dieser Frage, welche der weltpolitischen Verantwortung Großbritanniens gegenüber bestimmten Ländern ohne ausreichende Produktionsalternativen gerecht wird, die Beitrittsbedingungen annehmbar wären.
Die Bundesregierung — das darf ich hinzufügen — hat sich mit Nachdruck dafür eingesetzt, zu einer für Großbritannien akzeptablen Gesamtlösung zu kommen. Mit der Mehrheit der anderen EWG-Mitgliedstaaten ist sie bereit, in Form von Absichtserklärungen Garantien der Gemeinschaft anzubieten, die von allen Beteiligten als ausreichend angesehen werden müßten. Über Ausmaß und Einzelheiten dieser Garantien wird noch innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verhandelt.
Über die möglichen Auswirkungen derartiger Garantien auf die ernährungswirtschaftliche Versorgung in der erweiterten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sowie auf die Absatz- und Einkommenslage der Landwirtschaft in der EWG läßt sich bei dem augenblicklichen Verhandlungsstand nur eine allgemeine Aussage machen. Auch bei einem garantierten Zugang bestimmter Commonwealth-länder auf dem britischen Zucker- und Buttermarkt, dessen Ausmaß unter den zur Zeit gelieferten Mengen liegen würde, würden sich für die kontinentalen Erzeuger bessere Absatzchancen im Vereinigten Königreich ergeben als unter den jetzigen Verhältnissen. Die Absatz- und Einkommenslage der Landwirtschaft in der Sechser- wie in der Zehnergemeinschaft würde daher sicherlich nicht nachteilig beeinflußt werden. Es ist sogar eine günstigere Absatzchance für sie auf den durch hohen Zuschußbedarf gekennzeichneten britischen Zucker- und Buttermärkten zu erwarten.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611116100
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0611116200
Herr Staatssekretär, Sie sprachen davon, daß sich die Bundesregierung dafür einsetzen wird, auch die Interessen Großbritanniens hinsichtlich der Commonwealthländer zu berücksichtigen. Wie können Sie sagen, daß sich dann verbesserte Absatzchancen für die Landwirtschaft der EWG-Länder auf dem englischen Markt ergeben könnten?

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0611116300
Herr Niegel, ich kann diese Aussagen durchaus miteinander vereinbaren. In den Verhandlungen mit den Commonwealthländern wird und muß schließlich versucht werden, die Quoten der Lieferungen aus den Commonwealthländern auf die EWG abzustimmen. Dabei kann für uns durchaus ein Mehr an Produktionsraum herauskommen.




Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611116400
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0611116500
Herr Staatssekretär, wie lange würde man Großbritannien derartige Lieferungen aus den Commonwealthländern garantieren, und wie wird sich eine solche Garantie auf die vorhin angesprochenen Bestrebungen, zu kostendeckenden Preisen zu kommen, auswirken?

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0611116600
Vorläufig rechnet man, was diese Vereinbarungen Großbritanniens angeht, mit einer Frist bis Dezember 1974. Ich kann Ihnen heute aber noch nicht konkret sagen, wie die Preisentwicklung bei den Zuckerrüben dadurch beeinflußt werden wird. Ich sehe aber keine negativen Auswirkungen. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir auch für die erweiterte Gemeinschaft eine bestimmte Produktionsquote ansteuern. Sie wissen ja, daß man durchaus in der Lage ist, über Produktionsquoten die Erzeugung dem jeweiligen Marktbedarf anzupassen und dabei auch zu Preisverbesserungen zu kommen, wenn sie notwendig sind.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611116700
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0611116800
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, wenn ich feststelle, daß es insbesondere bei der Erweiterung der Gemeinschaft um beitrittswillige Länder nicht nur darum geht, eine gemeinsame Agrarpolitik zu konzipieren, sondern daß bei dieser Gelegenheit — vielleicht noch stärker als bisher auch der Forderung des EWG-Vertrages Rechnung getragen werden muß, daß die Gemeinschaft zu einer Liberalisierung und Entwicklung des Welthandels beizutragen habe?

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0611116900
Ich stimme Ihnen durchaus zu. Deshalb halte ich es auch nicht für gut, wenn wir in der Öffentlichkeit jetzt schon immer wieder über Details sprechen. Ich weiß, daß der EWG-Vertrag durchaus auch Raum für Einfuhren aus traditionellen Einfuhrländern frei läßt.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611117000
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0611117100
Herr Staatssekretär, halten Sie es — im Gegensatz zu der eben gestellten Frage — nicht im Sinne Ihres Hauses und im Sinne der deutschen Landwirtschaft für hilfreich, wenn von einem Fragesteller aus den Reihen der Opposition hier darauf aufmerksam gemacht wird, daß die weiteren Beitritte zur EWG, die sehr erwünscht sind, nicht auf Kosten der deutschen Landwirtschaft erfolgen dürfen?
L
Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0611117200
Darüber bin ich mit Ihnen einig. Ich habe mit meiner Anmerkung nur sagen wollen, daß ich es nicht für günstig halte, wenn wir zu sehr in die Details gehen, weil die Verhandlungen noch laufen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611117300
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Struve.

Detlef Struve (CDU):
Rede ID: ID0611117400
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für unbedingt notwendig, daß in den Beitrittsverhandlungen mit England England hat ja ein ungewönhlich niedriges Agrarpreisniveau —auch dem 1973 auslaufenden Aufwertungsverlustausgleich, den wir im Augenblick noch haben, Rechnung getragen werden muß?

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0611117500
Herr Kollege Struve, auch diese Situation wird man mit zu berücksichtigen haben. Das sehe ich durchaus so. Ein Auslaufen des Aufwertungsverlustausgleichs darf nicht zu einer Erzeugerpreissenkung in der europäischen Landwirtschaft führen. Die deutsche Landwirtschaft wäre hier ja in erster Linie betroffen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0611117600
Keine weitere Zusatzfrage. Ich mache darauf aufmerksam, daß wir die Fragestunde bereits um drei Minuten überschritten haben. Die Frage 32 wurde vom Fragesteller zurückgezogen. Die restlichen Fragen kann ich nicht mehr aufrufen. Diese Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Meine Damen und Herren, wir fahren in unserer Tagesordnung fort. Ich rufe als nächsten Punkt auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0611117700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus Anlaß der auf die heutige Tagesordnung gesetzt gewesenen Beantwortung zweier Großer Anfragen zur Sicherheitspolitik habe ich namens der Bundesregierung das Folgende zu erklären.
Die Sicherheitspolitik ist Teil des außenpolitischen Gesamtkonzeptes der Bundesregierung, sie ist eingebettet in die politische Gesamtstrategie des westlichen Bündnisses. Seit dem Harmel-Bericht von 1967 wird Sicherheitspolitik durch die NATO als Verteidigung und Entspannung definiert. Überragendes Motiv ist, das Gleichgewicht der Kräfte und dadurch die Abschreckung weiter glaubwürdig zu erhalten. Wir halten dabei an der Strategie der flexiblen Reaktion und am Prinzip der Vorneverteidigung fest.
Wer glaubt, daß Zusammenarbeit und Integration im Westen sowie Entspannung und Aussöhnung nach Osten einander behindern, muß die Tatsachen zur Kenntnis nehmen. Im Dezember 1970 haben die



Bundesminister Schmidt
I europäischen Verteidigungsminister im Bündnis ein gemeinsames Verstärkungsprogramm für die nächsten fünf Jahre beschlossen. Daraus können sich eine wirkliche europäische Verteidigungszusammenarbeit und auch ein besseres europäisch-amerikanisches Verhältnis entwickeln. Gleichzeitig hat das Bündnis einen Bericht über die Verteidigung der Allianz in den siebziger Jahren verabschiedet.
Außerdem ist es gleichzeitig dem Bündnis gelungen, das Problem ausgewogener, beiderseitiger Truppenreduzierungen — oder, wie es im internationalen Abkürzungs-Slang heißt, MBFR: Mutual Balanced Force Reductions — in die Ost-West-Diskussion einzuführen und an dem Projekt einer Konferenz über die Sicherheit Europas zu arbeiten.
Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hat Verhandlungen mit Großbritannien, Norwegen, Dänemark und Irland über den Beitritt zur EWG aufgenommen — nach einer langen Zeit vorheriger Stagnation. Die Außenminister der Gemeinschaft haben eine engere politische Konsultation vereinbart, und über den Weg zu einer Wirtschafts- und Währungsunion ist konkrete Einigung erzielt worden.
Andererseits aber haben die Vereinigten Staaten, England und Frankreich mit der Sowjetunion Verhandlungen über eine Berlin-Regelung aufgenommen. Westliche und östliche Staaten bemühen sich um den Atomwaffen-Sperrvertrag. Gleichzeitig laufen die Verhandlungen über eine Begrenzung der strategischen Rüstung SALT genannt — zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. Im Zusammenhang mit diesen ausgreifenden Entspannungsbemühungen des Westens hat die Bundesrepublik Verträge mit Moskau und Warschau geschlossen; die Verhandlungen mit Prag werden in Kürze beginnen, hinzu kommen die Bemühungen um ein Vertragsverhältnis zur DDR.
Dies alles berechtigt niemanden zu euphorischer Stimmung. Aber es wird deutlich, daß Entspannungspolitik auf der Grundlage unmißverständlicher Sicherheitspolitik die Perspektive eines Europas der Zusammenarbeit eröffnet — eine Perspektive, an die John F. Kennedy glaubte und an deren Verwirklichung heute pragmatisch gearbeitet wird.
Für diejenigen, die ihre Augen und Ohren benutzen wollen, liegen viele Zeugnisse für die weitgehende Übereinstimmung zwischen der Auffassung der Bundesregierung und den Auffassungen der uns verbündeten Staaten vor, von den Kommuniqués der Ministertagungen der NATO bis zu den einzelnen verantwortlichen Äußerungen, welche die uns verbündeten Regierungen vor ihrem jeweiligen nationalen Parlament oder ihrer nationalen Öffentlichkeit abgeben. Die Bundesregierung weist in diesem Zusammenhang auf einen Aufsatz des belgischen Außenministers Pierre Harmel in der jüngsten Ausgabe des „Europa-Archivs" vom 10. März hin und unterstreicht z. B. die folgende Aussage des belgischen Außenministers — ich zitiere —:
Die schrittweise Vereinigung Westeuropas ... ist unbestreitbar ein Faktor des Friedens ... Wenn man den Blickwinkel erweitert und an ganz Europa denkt, kann man gewiß feststellen,
daß diese neuen Bindungen verhindert haben, daß der kalte Krieg in einen dritten Weltkrieg ausgeartet ist. Diese Interdependenz wird in glücklicher Weise durch die atlantische Verteidigungssolidarität ergänzt. Diese Situation des Gleichgewichts hat die Vorstellung der Koexistenz möglich gemacht, die zunächst zur Entspannung geführt hat und morgen vielleicht zum Einvernehmen führen wird ... Wenn wir auf diese Weise eine relativ befriedigende Bilanz ziehen können, so dürfen wir uns dennoch nicht einem leichtfertigen Optimismus hingeben. Wenn Europa auch ein gutes Stück auf dem richtigen Weg zurückgelegt hat, so ist es doch noch weit vom Ziel entfernt ... Die solidarische Haltung des Westens entspringt einer gemeinsamen Philosophie: seinem Friedenswillen und seiner Bereitschaft zum Dialog ... Sie hat bisher den bewaffneten Frieden in Europa gewährleistet, aber sie müßte jetzt Wege finden können, auf unserem Kontinent ein neues Gebäude des Friedens und der Sicherheit zu errichten.
Soweit das Zitat aus der Feder des belgischen Außenministers.
Meine Damen und Herren, die Koppelung von Sicherheit und Entspannung bedeutet, daß die Aufgaben der Streitkräfte des Bündnisses und die Aufgaben der Bundeswehr heute genauso wichtig sind wie zuvor. Wer anderes behauptet, ist naiv oder handelt bewußt unverantwortlich. Denn: mit der Bundeswehr leisten wir unseren Beitrag zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts und zur Beibehaltung einer glaubwürdigen Abschreckung durch das Bündnis als Ganzes.
Weil diese Aufgaben der Bundeswehr so wichtig sind, haben wir sogleich zu Beginn der Amtszeit dieser Bundesregierung versucht, ihren inneren Zustand zu diagnostizieren. Diagnose und Therapie — Ergebnisse einer kritischen Bestandsaufnahme — sind im Verteidigungsweißbuch 1970 veröffentlicht worden.
Vielleicht darf ich hier hinzufügen: Ich habe manchmal das Gefühl bei dem einen oder anderen, dessen Kommentare ich in der einen oder anderen Zeitung lese, er sollte vermeintliche Neuigkeiten nicht überbewerten, sondern sollte lieber das Weißbuch noch einmal lesen. Er wird dort das meiste wiederfinden, was er heute als Neuigkeit verkauft.
Meine Damen und Herren, die Bundeswehr ist im Laufe der letzten 18 Monate für die öffentliche Meinung und für die Organe der öffentlichen Meiung durchsichtiger geworden als jemals vorher. Dies ist weitgehend auch ein Ergebnis der öffentlich durchgeführten kritischen Bestandsaufnahme, der dienstlichen Tagungen von Unteroffizieren, Einheitsführern, Kommandeuren und Vertrauensleuten sowie der durch die Bundesregierung ermutigten Beteiligung der Soldaten an der öffentlichen Diskussion in unserem Land. Zum Zwecke der Durchsichtigkeit hat auch das Verteidigungsweißbuch 1970 bisher nicht übliche detaillierte Darstellungen der Aufgaben und der Probleme einschließlich detail-



Bundesminister Schmidt
lierter Zahlen vor aller Öffentlichkeit ausgebreitet. Die Berichterstattung in Presse, Funk und Fernsehen hat davon profitiert und somit das öffentliche Interesse an den Streitkräften gefördert.
Je mehr man die Öffentlichkeit an seinen eigenen Sorgen teilnehmen läßt, ohne dabei zu übertreiben und ohne dabei unverschämte Forderungen zu stellen, desto mehr ist die öffentliche Meinung zu interessierter Teilnahme geneigt. Für die Bundeswehr jedenfalls ist dies letztere auch statistisch feststellbar. Meinungsumfragen der letzten Zeit zeigen, daß die Bundeswehr von der Gesamtgesellschaft weit überwiegend positiv eingeschätzt wird. Ich will dazu ein paar Zahlen nennen, weil hie und da auch aus dem Bereich der Truppe selbst, aber auch von solchen, die glauben, es mit der Truppe gut zu meinen, Klagen über angeblich mangelndes Verständnis durch die öffentliche Meinung geäußert werden.
Nach der letzten großen EMNID-Umfrage dieses Winters, die wir haben machen lassen, glauben 68 % der Menschen in unserem Staat, daß die Bundeswehr in der heutigen Zeit wichtig oder sehr wichtig sei, und legen ihr eine positive Bedeutung bei. Die Bürger der Bundeswehrstandorte entschieden sich sogar zu 77 % für dieses Urteil. Zehnmal so viele Menschen in unserem Land finden die Bundeswehr „eher sympathisch" denn „eher unsympathisch". Zwei Drittel der Befragten meinten zur Frage des Führungsstils in der Bundeswehr, in der Armee eines demokratischen Staates könne auch 1 über den Dienstbetrieb diskutiert werden, und sie glaubten, daß dies möglich sei, ohne daß Disziplin und Einsatzbereitschaft darunter leiden.
Die insgesamt sehr sorgfältigen Untersuchungen lassen keinen Zweifel, daß die Einordnung von Bundeswehr und Soldaten in die Gesamtgesellschaft weitestgehend gelungen ist und übrigens dort am stärksten zum Ausdruck kommt, wo die engsten Kontakte zwischen zivilen Bürgern und Bürgern in Uniform bestehen. Drei Viertel aller Befragten bejahten die Notwendigkeit der Friedenssicherung durch die Bundeswehr; zwei Drittel aller Befragten äußerten das Vertrauen, daß die Bundeswehr mit unseren Verbündeten gemeinsam ihre Abwehraufgabe in einem Ernstfall würde lösen können.
EMNID stellt als Bewertung des Ergebnisses der Umfrage folgende sechs Thesen heraus.
1. Die persönlichen Kontakte von Menschen, die in Bundeswehrnähe leben, sind zu Soldaten und zur Bundeswehr intensiver ausgeprägt als die der Gesamtheit.
2. Der Soldat ist ein selbstverständlicher Bestandteil der Gesellschaft geworden, um so mehr, als Kontaktmöglichkeiten zwischen ihm und der Bevölkerung bestehen.
3. Das Verhältnis hat sich normalisiert. Die Notwendigkeit und die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr wird von der großen Mehrheit bejaht.
4. Die Massenmedien gelten als ein „fast normales Spiegelbild" dieser Situation.
5. Von einer Sonderstellung der Berufssoldaten in der Gesellschaft kann nicht mehr die Rede sein.
6. Die Einschätzung der Bedeutung der Bundeswehr in Garnisonstädten ist noch positiver als in der Gesamtbevölkerung.
So weit die zusammengefaßte Bewertung von zwei dicken Bänden Meinungsbefragung durch die auswertende Stelle, in diesem Falle EMNID.
Wir vermuten, daß die Bundeswehr auch im Vergleich mit anderen Einrichtungen unserer Gesellschaft gut aussehen wird. Ich habe den Auftrag zu einer Untersuchung und Meinungsbefragung erteilt, die die Einschätzung der Bundeswehr und anderer öffentlicher Einrichtungen, in denen junge Menschen tätig sind, in denen sie unterrichtet, erzogen und beeinflußt werden, also z. B. der Universitäten, Schulen, Gymnasien usw., miteinander vergleichen wird.
Lassen Sie mich zur Lage der Truppen einiges sagen. Die Erfahrungen mit zu Wehrübungen eingezogenen Wehrpflichtigen, insbesondere die vor wenigen Wochen im Zusammenhang mit der Übung WINTEX erfolgten Mobilmachungsübungen, haben gezeigt, daß die Haltung und die Einstellung der Reservisten, die ja alle früher in der Bundeswehr schon einmal ihren Grundwehrdienst geleistet haben, erheblich positiver ist, als die Bundeswehr selbst erwartet hatte. Dies gilt insbesondere auch für die Familienangehörigen der inzwischen meist verheirateten Wehrpflichtigen, vor allem hinsichtlich der Benachrichtigung ortsabwesender Männer bei Zustellung des Einberufungsbescheides. Nach drei Tagen standen den Truppenteilen etwa 80 % der einberufenen Reservisten zur Verfügung. Es ist dabei zu berücksichtigen, daß knapp 10 % auf begründeten Antrag durch die Kreiswehrersatzämter oder von der Truppe selbst von einer Teilnahme befreit worden sind. Ich will in diesem Zusammenhang nicht verschweigen, daß die Arbeitgeber, auch die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, keineswegs überall das gleiche Verständnis aufgebracht haben wie die wehrpflichtigen Reservisten selbst und ihre Familien.
Zweifellos sind diese Familienväter nicht mit Begeisterung zu einer Wehrübung eingerückt. Wenn dies der Fall gewesen wäre, würde man eher nachdenklich darauf reagieren müssen. Vielmehr ist es eine sehr nüchterne Einsicht in die unvermeidliche Notwendigkeit, die den tragenden Faktor für die durchgängig positive Einstellung der hier betroffenen Bürger bildet. Dies gilt natürlich nicht in gleichem Maße für die jungen Wehrpflichtigen, wenn oder bevor sie gemustert oder zu ihrem 18monatigen Grundwehrdienst einberufen werden. Die jungen Wehrpflichtigen werden auch an den Schulen nicht sonderlich auf die Notwendigkeit des Wehrdienstes vorbereitet.

(Abg. Damm: Weiß Gott!)

Darauf komme ich noch zurück.
Eine besondere Schwierigkeit für die ganz jungen Soldaten liegt naturgemäß in der anscheinend paradoxen Problematik ihres Auftrags, sich zum Zwecke der Erhaltung des Friedens für den Kampf auszubil-



Bundesminister Schmidt
den und bereit zu sein. Für einen jungen Menschen ist es sehr schwer, das richtig zu verstehen.
Diese psychologische Schwierigkeit macht sich zusätzlich und im Gegensatz zur Mehrzahl der übrigen Verbände des Heeres und der Masse der Verbände von Luftwaffe und Marine besonders bei den Kampftruppen bemerkbar, weil die Kampftruppen des Heeres ihre Ausbildung weitgehend in simulierter Kampftätigkeit erfahren, ohne daß der routinemäßige und tägliche Dienstablauf in gleicher Weise als sinnvoll und befriedigend erlebt werden kann wie etwa bei schwimmenden oder fliegenden Verbänden, bei Wartungs- und Instandsetzungsverbänden, bei Fernmeldeverbänden usw.
Für die Kampftruppen des Heeres ist es am schwierigsten, anschauliche und geeignete Ausbildungsbedingungen zu schaffen. Die Steigerung der Beweglichkeit und der Schußweiten sowie die zunehmende Auflockerung der Verbände machen es immer schwieriger, auf den beengten Übungsplätzen ausreichend Gefechts- und Schießausbildung zu betreiben. Die Mitbenutzung von Plätzen im Ausland ist zwar eine Hilfe, schafft aber keinen grundsätzlichen Wandel. Die mit den Verbündeten zu teilenden begrenzten Übungsmöglichkeiten zwingen die Truppen, auch zu solchen Zeiten, die für den Ausbildungsrhythmus ungünstig sind, die Schieß- und Übungsplätze zu nutzen. Übungen im freien Gelände können infolge hoher Besiedlungsdichte in vielen Gegenden und wegen der vielen Kunstbauten sowie infolge der Gefahr von Flur- und Straßenschäden nur eine begrenzte, eine zeitlich begrenzte Aushilfe darstellen. Die zahlreichen Kettenfahrzeuge verbannen diese Truppen weitgehend aus größeren Städten, so daß gerade die Kampftruppen des Heeres häufiger als andere in abgelegenen Standorten liegen müssen. Dies erschwert es zusätzlich, Nachwuchs für diese Waffengattung zu gewinnen. Darüber hinaus laufen die längerdienenden Unteroffiziere in den Kampftruppen des Heeres Gefahr, den Kontakt mit ihrem Zivilberuf zu verlieren oder nur schwer den Anschluß an eine Stabsverwendung innerhalb der Bundeswehr zu gewinnen.
Deshalb ist die Offizier- und Unteroffiziernachwuchslage bei einem großen Teil der Kampftruppen angespannter als anderswo, was seit Jahren eine permanente Überforderung der Bataillonskommandeure, der Kompaniechefs sowie der Zug- und Unterführer zur Folge hat. Der relativ hohe Anteil von Wehrpflichtigen bringt zwangsläufig größeren Personalwechsel und Mehrarbeit mit sich, als das anderswo der Fall ist. Es werden daher die Einheitsführer dieser Kampftruppen mit den Unzulänglichkeiten unserer Gesellschaft auch in stärkerer Weise als anderswo konfrontiert.
Das Bundesministerium der Verteidigung ist bemüht, die Nachwuchslage gerade auch bei diesen Waffengattungen durch die im Weißbuch angekündigten Maßnahmen zu verbessern. Erste Erfolge zeichnen sich deutlich ab. Eine Erhöhung des variablen Umfanges zum Ausgleich für den Personalschwund wird die Dienststärken anheben und damit Ausbildung und Struktur der Verbände verbessern. Verhandlungen um Mitbenutzung zusätzlicher ausländischer Übungsplätze sind im Gange. Es werden auch alle Anstrengungen unternommen, um vorhandene Standortübungsplätze und unsere überregionalen Übungsplätze zu erweitern. Aber dies ist verständlicherweise ein sehr mühsamer Vorgang, zu dem häufig genug die Herren Ministerpräsidenten der Länder persönlich bemüht werden müssen, um nur einen ganz kleinen Schritt voranzukommen.
Die Neugestaltung der Laufbahnen, der Bildung und Ausbildung strebt besonders die Förderung der längerdienenden Soldaten in den Kampftruppen an. Rasche Erfolge sind bei der Vielfalt der vorgefundenen Schwierigkeiten nicht zu erwarten. Gerade die Kampftruppen des Heeres dürfen aber der nachdrücklichen und der sorgenden Bemühungen der Bundesregierung gewiß sein.
Die Kampfverbände aller drei Teilstreitkräfte und aller Waffengattungen haben sehr verschiedenartige Schwerpunkte hinsichtlich ihrer Sorgen und ihrer Probleme. Auch z. B. die Fla-Raketenverbände der Luftwaffe leiden schon seit Jahren unter einer bestimmten Überforderung ihrer Soldaten. Auf die Wartungs- und Flugsicherheitsprobleme der fliegenden Verbände werde ich noch gesondert zu sprechen kommen. Der Marine fehlt es, wie Sie wissen,

(Zuruf von der CDU/CSU: An der Konzepzeption!)

zum Teil an modernen Schiffseinheiten.
Die militärische Führung wie auch die Bundesregierung sind sich aus den ihnen dienstlich vorgelegten Berichten wie auch aus ständig erneuertem eigenen Augenschein der Sorgen der Soldaten wohl bewußt. Wir erkennen auch, daß gerade die besonders engagierten Truppenführer bisweilen zur Überschätzung ihrer Schwierigkeiten und ihrer Sorgen neigen. In vielen Fällen sind dies gerade diejenigen, die sich in ihrem Pflichtgefühl und Verantwortungsbewußtsein von anderen nicht übertreffen lassen wollen. Trotz solcher gelegentlicher Übertreibungen in dieser Richtung halte ich die gewonnene größere Durchsichtigkeit und auch die Öffentlichkeit der Sorgen der Soldaten, die Öffentlichkeit der Schwierigkeiten der Bundeswehr für einen Vorteil sowohl zugunsten der Streitkräfte als auch der Gesamtgesellschaft.

(Beifall bei der SPD.)

Jedermann kann sehen, daß die Staatsbürger in Uniform Sorgen haben, daß sie hinsichtlich der Behebung ihrer Sorgen zum Teil auch verschiedener und sich widersprechender Meinung sind. Jedermann kann aber auch sehen, daß die Sorgen der Gesamtgesellschaft um die zukünftige Gestaltung der Bundeswehr gegenwärtig kleiner sein dürften als unsere gemeinsamen Sorgen um die zukünftige Entwicklung unserer Universitäten oder unseres Bildungswesens insgesamt. Die Bundesregierung und ebenso die militärische Führung wissen, daß andere Armeen auf europäischem Boden in West und Ost zum Teil ähnliche, zum Teil weitaus größere Probleme haben. So richtig es ist, seine eigene Leistung an idealen Maßstäben zu orientieren, so notwendig bleibt es auch, seine eigene



Bundesminister Schmidt
Leistung an den Leistungen anderer in vergleichbarer Lage bei vergleichbarer Aufgabenstellung zu messen. Insgesamt schneidet die Bundeswehr bei solchem Vergleich durchaus gut ab.
Nur wer in althergebrachten militärischen Vorstellungen befangen geblieben sein sollte, kann sich zu pessimistischen Urteilen über die Bundeswehr und ihre Soldaten verleiten lassen. Wer den Fehler einer isolierten Betrachtung der Bundeswehr vermeidet, wird eher erstaunlich finden, wie weit die Bundeswehr in der Lage war und ist, ihr inneres Gefüge den Forderungen einer modernen Gesellschaft entsprechend zu entfalten und zugleich doch ihre innere Ordnung und Disziplin zu bewahren, und dies in einer Zeit, in der ringsherum in der gleichen Altersschicht ein weitgehender Zustand der Gärung, und zwar in allen freiheitlichen Gesellschaften des Westens, Platz gegriffen hat. Daß dies möglich war, ist gewiß ein Verdienst dessen, was man Innere Führung nennt.
Die Bundesregierung würde es für einen schweren Fehler halten, dieses Gärungsprozesses in den jüngeren Schichten unserer Gesellschaft wegen etwa die Bundeswehr gegen die Gesellschaft abzuschirmen oder abzugrenzen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ein Land oder eine Regierung, die einen solchen Versuch unternehmen oder zulassen wollte, würde die Streitkräfte und die Gesamtgesellschaft allen jenen Gefahren aussetzen, insbesondere politischen Gefahren, die mit einer Isolierung des Soldaten erfahrungsgemäß verbunden sind. Das gilt für alle demokratischen Gesellschaften des Westens in gleicher Weise.
Ein besonderes Wort zur Situation bei den fliegenden Verbänden, die mit Strahlflugzeugen ausgestattet sind. Seit der Vorlage des Verteidigungsweißbuches 1970 und der damaligen Debatte in diesem Hause darüber haben wir, besonders in den allerletzten Wochen, eine erhebliche Zunahme der Flugunfälle mit Strahlflugzeugen, insbesondere des Typs F 104 G, zu verzeichnen. Luftwaffenführung, Bundeswehrführung wie auch Parlament und Öffentlichkeit sind darüber in Sorge. Ich möchte Ihnen dazu sagen, daß gegenwärtig eine Wiederholung der großen Unfallserie der Jahre 1965/66 nicht zu erwarten steht. Die bisherigen Ermittlungen der Untersuchungskommission haben noch nicht erkennen lassen, daß etwa die jüngste Unfallserie auf eine alleinige oder vorherrschende Ursache zurückzuführen wäre.
Im Zusammenhang mit der im Laufe der Jahre zunehmenden Belastung der Flugzeuge und damit auch ihrer technischen Wartungsbedürftigkeit ist jedoch erkennbar, daß gegenüber vergangenen Jahren der Unfallfaktor, der unvermeidlicherweise nicht nur auf der Seite der Flugzeugführer, sondern auch auf der Seite der Techniker am Boden in menschlichen Verhaltensweisen beschlossen liegt, in höherem Maße beteiligt ist als in vergangenen Jahren. In keinem einzigen Falle liegt ein Verdacht auf Sabotage vor. Es besteht kein Zweifel, daß die Bundesregierung mit ihrer Forcierung der zugunsten
der Menschen in der Bundeswehr eingeleiteten Veränderungen auch im Hinblick auf die Flugsicherheit den Hebel an der richtigen Stelle angesetzt hat.
Weder die Luftwaffenführung noch die Bundesregierung haben die Absicht, eine zeitweilige Sperrung des Waffensystems anzuordnen. Sie würde für die Sicherheit des Flugbetriebes keine Besserung, sondern eher eine Verschlechterung erwarten lassen; denn die Erfahrung hat gelehrt, daß die Wiederaufnahme des Flugbetriebes mit zeitweilig stillgelegt gewesenen Flugzeugen aus technischen Granden risikoträchtiger ist als eine kontinuierliche Weiterführung des Flugbetriebes. Ich sehe dabei von der Darstellung der psychologischen Faktoren sogar noch ab.
Wir wollen die Lage vielmehr durch eine Reihe anderer Vorkehrungen wieder normalisieren. Diese umfassen erstens ein Sofortprogramm, das gestern im Verteidigungsausschuß des Hohen Hauses erläutert worden ist. Wesentlicher Bestandteil darin ist die vorgestern erlassene Anordnung, welche der Flugsicherheit absoluten Vorrang vor allen militärischen Leistungsanforderungen an die fliegenden Verbände gibt. Bis auf weiteres sind also die jeweiligen Umweltbedingungen und die jeweiligen personellen und technischen Möglichkeiten alleiniger Maßstab für die Durchführung des Flugbetriebes. Hierbei werden vorübergehend — eine Einschränkung in der Erfüllung der vorgeschriebenen Flug- und Ausbildungsprogramme und das Absinken der NATO-Bewertungen in Kauf genommen. Eine solche Inkaufnahme hätte keinen Sinn, wenn man sich nicht vorstellen könnte, daß in der Zwischenzeit, während diese Einschränkung gilt, Weiteres geschieht.
Das mittelfristige Programm besteht im wesentlichen darin, daß die seit einiger Zeit bestehende Expertengruppe der Luftwaffe im Begriff ist, aus der Analyse der Unfälle Verbesserungsmöglichkeiten personeller, organisatorischer, technischer, infrastruktureller und flugbetrieblicher Art abzuleiten, Maßnahmen, die voraussichtlich Ende Mai in die Phase der Verwirklichung eintreten werden. Die Luftwaffenführung ist zuversichtlich, daß sich die gegenwärtige Verschlechterung der Flugsicherheitslage bereits in den kommenden Wochen fühlbar bessern wird.
Auf mittlere Sicht wird die bereits eingeleitete Austauschaktion gegenüber erkannten Schwachstellen des Flugzeugs, die erhebliche Beträge erfordern wird, eine wesentliche Verbesserung erreichen. Seit 1969 ist ein neues Original-Serienflugzeug insbesondere hinsichtlich des Tragflächen- und des Flügelrumpfbereiches auf dem Prüfstand einer Dauerbelastung unterzogen worden. Der Versuch hat bisher 6000 Flugstunden simuliert und läuft damit den tatsächlich geflogenen Flugstundenbelastungen der in den Verbänden befindlichen Flugzeuge weit voraus. Diese Art der Ermüdungsfestigkeitsversuche hat Aufschlüsse über die zusätzlichen tatsächlichen Belastungen ermöglicht, denen die Flugzeuge vor allem seit dem Übergang zu vielfältigen konventionellen Missionen ausgesetzt gewesen sind. Wir haben es hier mit einem Phänomen zu tun, das eine direkte



Bundesminister Schmidt
Konsequenz der 1967 vom Bündnis beschlossenen Strategie der „flexible response" ist, eine direkte Konsequenz, die sich aus dieser strategischen Veränderung und aus der Veränderung der taktischen und Ausbildungsaufträge an die fliegenden Verbände und der damit zwangsläufig einhergehenden höheren Belastung des Materials ergab.
Zum langfristigen Programm: Der Ersatz der Flugzeuge vom Typ G 91 und F 104 G ist eingeleitet. Aber es wird noch lange dauern, bis alle Flugzeuge durch neue abgelöst sind. Die vor wenigen Tagen bekanntgegebene Grundsatzentscheidung meines Hauses für den Ankauf von F-4-Phantom als Ergängänzungsflugzeug wird sich mehrere Jahre vor Beginn des Zulaufs an MRCA-Flugzeugen vom Typ PANAVIA 200 zugunsten einer schrittweisen Erneuerung der Flugzeugbestände auswirken.
Meine Damen und Herren, das Vertrauen der Piloten in ihr Waffensystem ist ungemindert.

(Abg. Damm: Sehr wahr!)

An der einen oder anderen Stelle ist das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit der Piloten sogar zu groß, insbesondere gelegentlich bei jüngeren Soldaten.
Ich möchte in diesem Zusammenhang mit Dank zur Kenntnis nehmen, daß, jedenfalls bis zum heutigen Tage, Presse und Massenmedien über die Unfälle in überaus sachlicher und die Emotion vermeidender Weise berichtet und kommentiert haben. In vielen Ländern der Welt, auch in westlichen Ländern, werden die überall vorkommenden Unfälle im militärischen Flugbetrieb soweit als möglich verschwiegen. Die Bundesregierung hält eine solche Politik für falsch. Wir sind für Durchsichtigkeit, und auch aus diesem Grunde war es notwendig, die eben vorhergehenden Bemerkungen zu machen.
Auch in den technischen Gruppen der fliegenden Verbände besteht das Problem, das die Bundeswehr kennzeichnet, seit ich mein Amt angetreten habe, und sie schon lange vorher kennzeichnete: das Fehl an Unteroffizieren. Die Zahl der Zeitunteroffiziere ist immerhin im Laufe des Jahres 1970 von 81 600 auf 87 700 gestiegen. Dieser Zuwachs, hauptsächlich von Unteroffizieren mit kürzeren Verpflichtungszeiten, hat das von der Bundesregierung vorgefundene Fehl um 6100 Unteroffiziere oder um rund ein Viertel in einem Jahr verringert.
Dem Fehl an Zeitunteroffizieren steht ein über das Soll hinausgehender Bestand an Berufsunteroffizieren gegenüber. Es sind 8200 Berufsunteroffiziere mehr vorhanden, als im Soll vorgesehen. Sie müssen teilweise den Mangel an Zeitunteroffizieren ausgleichen.
Allerdings sind bei Bewertung der Personallage die Soll-Vorstellungen wie auch die berühmten Stärke- und Ausrüstungsnachweisungen, im Soldatenjargon STAN genannt, doch erheblich problematisch. Auch das muß man im Kopf haben, wenn über das Fehl geklagt wird. Tatsächlich haben vor allem die zeitlich gestraffte Unteroffizierausbildung und die Beförderung geeigneter Wehrpflichtiger und Z-2-Soldaten zum Unteroffizier zum Abbau des Unteroffizierfehls beigetragen. Auch die Bereitschaft von mehr Unteroffizieren, sich auf vier oder acht Jahre zu verpflichten, hat die Personallage verbessert. 1969 waren es 4600, die dies getan haben. 1970 waren es 6700. Das ist gemeint, wenn ich vorhin sagte, daß die ersten Erfolge all der im Weißbuch eingeleiteten Maßnahmen sich abzeichnen.
An längerdienenden Mannschaften fehlten zu Beginn des vorigen Jahres der Bundeswehr 3500. Zum Jahresende jedoch wurde das Soll um 6500 überschritten. Von den insgesamt 88 700 längerdienenden Mannschaften hatten sich zwei Drittel auf die Mindestzeit von zwei Dienstjahren verpflichtet. Seit die Z-2-Soldaten mit der Ernennung wieder volle Dienstbezüge erhalten, steigt die Zahl dieser Verpflichtungen stark an. Von den etwa 40 000 Z-2-Soldaten, die sich im vergangenen Jahr verpflichtet haben, sind etwa zwei Fünftel Abiturienten.
Die Personallage der Offiziere wird erstens von dem Kriterium der ungünstigen Altersstruktur und zweitens von dem Kriterium des Fehls bei den jungen Zeitoffizieren, insbesondere — ich wiederhole es — bei den Kampftruppen des Heeres, bestimmt.
Entsprechend den Vorschlägen des Weißbuchs wird durch Anhebung von 1650 Hauptmannstellen und 2350 Majorstellen der durch die strukturellen Schwächen bedingte Beförderungsstau bei den Berufsoffizieren beseitigt.
Der Personalbestand bei den Zeitoffizieren ist nur geringfügig gewachsen. Da die Dienstzeitvoraussetzungen für die Beförderung zum Leutnant von 36 Monaten auf 21 Monate herabgesetzt worden sind, können demnächst rund 700 Zeitoffiziere mit drei- und mehrjährigen Dienstverpflichtungszeiten zum Leutnant befördert werden. Außerdem konnten Anfang dieses Jahres 1700 Soldaten Leutnant werden, die sich nur zu einer zweijährigen Dienstzeit verpflichteten. Aber sie stehen der Truppe nachher nur noch für ein Vierteljahr zur Verfügung. Das Fehl an Zeitoffizieren beträgt gegenwärtig noch etwa 40%.
Auch bei Berufsoffiziersanwärtern hat sich die Personallage etwas verbessert. Die Bundeswehr hat im vergangenen Jahr rund 1600 Offizieranwärter gewonnen; das sind 260 mehr als im Jahr davor. Aber insgesamt wurde der auf das Jahr umgeschlagene Bedarf nur zu 55 % gedeckt, bei Offizieranwärtern, die Offiziere auf Zeit werden wollten, nur zu 50 N.
Auffallend und nennenswert in diesem Zusammenhang ist, daß z. B. der technische Dienst in der Luftwaffe, der mit einer Akademieausbildung in Neubiberg verbunden ist, eine unverhältnismäßig hohe Zahl an Offizierbewerbern anzieht. Die Situation bei den Zeitoffizieren wird sich erst dann grundlegend ändern, wenn in Verbindung mit den Ergebnissen der Beratungen der Bildungskommission für diesen Personenkreis berufliche Anreize geschaffen werden, die die Tätigkeit als Zeitoffizier noch lohnender erscheinen lassen als gegenwärtig.
Ich fasse die Tendenzen der Personalentwicklung wie folgt zusammen:



Bundesminister Schmidt
1. Die Zahl der Offiziere und Unteroffiziere auf Zeit ist insgesamt gewachsen.
2. Die Personalstruktur verschiebt sich zugunsten der kürzer- und zuungunsten der längerdienenden Zeitsoldaten. Das letztere hängt auch mit dem Ausscheiden derjenigen zusammen, die in die Bundeswehr in den ersten Jahren ihres Aufbaus eingetreten sind und deren Verpflichtungszeiten inzwischen ablaufen.
3. Insgesamt ist die Personallage der Bundeswehr immer noch sehr angespannt, insbesondere bei bestimmten Waffengattungen, vornehmlich des Heeres.
Hier darf nicht verschwiegen werden, daß die früher eingegangenen Verpflichtungen zur Aufstellung von zwölf Divisionen mit den jeweils dazugehörigen Verbänden einerseits und der durch die Haushaltsgesetze vorgeschriebene organisatorische Gesamtumfang der Bundeswehr andererseits seit Jahr und Tag in einem von der Truppe besonders deutlich und teilweise schmerzlich empfundenen Spannungsverhältnis zueinander stehen. Es handelt sich um eine politisch motivierte Entscheidung, die vor anderthalb Jahrzehnten getroffen worden ist. Sie hat zu einem im Vergleich zu anderen Armeen ungewöhnlich hohen Anteil der Kampftruppen an der Gesamtzahl der Soldaten geführt. Daß dies nur zu Lasten der Soldaten, die in den Kampftruppen Dienst tun, möglich war und daß es nur ihren Lasten möglich bleibt, liegt auf der Hand.
Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, daß das Prinzip der abgestuften Präsenz für die deutschen Verbände, die sich ja auf ihrem eigenen nationalen Boden und in geringer Entfernung von den Arbeitsstätten und Wohnorten der Reservisten befinden, eine vergleichsweise sehr schnelle Mobilisierung und Auffüllung bis zur vollen Präsenz ermöglicht. Diese Fähigkeit verdient insbesondere dann hervorgehoben zu werden, wenn die herabgesetzten bisherigen und gegenwärtigen Präsenzstärken unserer Verbände etwa ausländischer Kritik aus solchen Staaten unterzogen werden, die ihrerseits wegen des Expeditionskorpscharakters ihrer auf kontinentaleuropäischem Boden stehenden Truppen diese Verbände relativ hoch aufgefüllt haben. Das ist bei diesen Verbänden unserer Verbündeten gerade deshalb nötig, weil sie aus einer Reihe von Gründen zur schnellen Auffüllung nicht in der Lage sind.
Die von der Bundesregierung in Übereinstimmung mit den Partnern des Bündnisses verfolgte Politik der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts macht, solange im Warschauer Pakt das Wehrpflichtprinzip gilt und praktiziert wird, die Aufrechterhaltung des Wehrpflichtprinzips auch auf seiten der westlichen Bündnispartner notwendig. Übrigens lassen sich von dieser Auffassung auch neutrale Staaten leiten, wie etwa Jugoslawien, Österreich, die Schweiz oder Schweden.
Angesichts der langen Friedensperiode macht sich in allen Staaten des Westens und in einigen der soeben genannten neutralen Staaten ein durchaus gerechtfertigtes Gefühl der Sicherheit bemerkbar. Dies geht aber zugleich einher mit wachsender Skepsis der jungen Generation gegenüber der Notwendigkeit der Wehrpflicht. Aus besonderen Gründen ist dies in der Gesellschaft unseres wichtigsten Bündnispartners im Westen am deutlichsten zu erkennen. Wir haben von der Absicht der amerikanischen Regierung gehört, ab 1973 von der Wehrpflicht keinen Gebrauch mehr machen zu wollen. Sofern und sobald diese Absicht verwirklicht werden sollte, wird dies nicht ohne psychologische Auswirkungen in Europa bleiben. Gleichwohl werden aber dann die europäischen Regierungen, solange es nicht zu beiderseitigen ausgewogenen Rüstungsbeschränkungen in West und Ost gekommen ist, am Prinzip der Wehrpflicht festhalten müssen. Dies wird in allen Ländern nicht ohne Schwierigkeiten abgehen. Nach Überzeugung der Bundesregierung wird es nur dann möglich sein, wenn zugleich die Durchführung der gesetzlichen allgemeinen Wehrpflicht in gerechter, d. h. vornehmlich in wirklich allgemeiner Weise erfolgt.
Die Bundesregierung ist im Begriff, hierzu die Vorschläge der Wehrstrukturkommission, die Ihnen, meine Damen und Herren, vorliegen und an denen eine Reihe politisch erfahrener bisheriger Mitglieder dieses Hohen Hauses mitgearbeitet haben, zu prüfen. Die Bundesregierung wird ihre Konsequenzen daraus im Verteidigungsweißbuch 1971 darlegen, das ich heute in keinem Abschnitt meiner Darlegungen vorwegnehmen will.
Die Bundesregierung verhehlt nicht, daß das Ansteigen der Zahlen derjenigen, die beantragen, als Wehrdienstverweigerer anerkannt zu werden, von ihr nicht ohne Besorgnis betrachtet wird. An manchen Gymnasien scheint es zum guten Ton zu gehören, auf die eine oder die andere Weise den Wehrdienst zu vermeiden oder zu umgehen. Von dieser Feststellung können auch manche Lehrer nicht ausgenommen werden. Der Bundeskanzler hat aus diesem Grunde zu Beginn des letzten Winters die Aufmerksamkeit der Herren Ministerpräsidenten der Länder darauf gelenkt, daß Fragen der Verteidigung im Sozialkundeunterricht und in den Lehrbüchern in den einzelnen Ländern unterschiedlich und zum Teil auch unzureichend behandelt werden. Der Bundeskanzler hat hinzugefügt, daß dies auch für den Auftrag und die Stellung der Bundeswehr in unserer Demokratie gilt. Er hat in einem Brief vom 19. November vorigen Jahres die Ministerpräsidenten gebeten, darauf hinzuwirken, daß an den Schulen den Notwendigkeiten und den Problemen der Landesverteidigung allgemein mehr Beachtung geschenkt und daß bei den jungen Menschen das Verständnis für die Notwendigkeit einer ausreichenden Verteidigung als Voraussetzung der Entspannungspolitik geweckt werde. Er hat dabei wörtlich ausgeführt — ich zitiere —:
Verantwortung und kritisches Denken, zu dem die Schulen die jungen Menschen befähigen sollen, darf nicht übersehen, daß der Verzicht auf ein Mindestmaß an Verteidigungsvorkehrungen Frieden und Freiheit gefährdet.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)




Bundesminister Schmidt
In dem gleichen Brief hat der Bundeskanzler den Ländern auch Hilfe auf diesem Gebiet angeboten, und ich benutze diese Gelegenheit, um allen Damen und Herren dieses Hauses ans Herz zu legen, auch im Rahmen ihrer eigenen politischen Einflußmöglichkeiten die Bemühungen zu unterstützen und zu verbreitern, welche die Bundesregierung im Interesse des Staates auf diesem Felde angestrengt hat.
Die Bundeswehr hat im letzten Jahr damit begonnen, durch eine größere Zahl amtlich veranstalteter Tagungen sich selbst ein unmittelbares Bild von den Auffassungen der Truppe zu machen — auch der Bundeskanzler hat sich beteiligt — und insbesondere auch die Diskussion und die Diskussionsfreudigkeit unter den Soldaten zu fördern.
Im Zusammenhang mit solchen Diskussionen, teilweise auch schon früher, sind mehrere Denkschriften und Studien an verschiedenen Stellen der Bundeswehr entstanden. Einige davon haben ihrerseits eine relativ breite öffentliche Diskussion ausgelöst. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Studie des Führungsstabes des Heeres vom Sommer 1969, ich erinnere an die Thesen der sogenannten Leutnante 70, an das Flugblatt der sogenannten Soldaten 70 oder an die jüngst in einigen Zeitungen ganz oder teilweise veröffentlichte Niederschrift einer Tagung von Hauptleuten im Bereich einer Panzergrenadierdivision.
Auch öffentliche Veranstaltungen des Bundeswehrverbandes, in denen Laufbahn- und Besoldungsfragen der Soldaten öffentlich und ziemlich streitbar debattiert worden sind, sollten hier erwähnt sein.
Die Bundesregierung begrüßt auch für die Zukunft Diskussionen innerhalb der Bundeswehr. Sie wird ebenso selbstverständlich etwaigen Auswüchsen und Fehlern entgegentreten. Insbesondere im Zusammenhang mit der Flugschrift der sogenannten Soldaten 70 sind nach dienst-, verfassungs-, straf-und disziplinarrechtlicher Prüfung ein Verbreitungsverbot und eine Anweisung zu disziplinärer Würdigung notwendig gewesen, die in einigen Fällen zu disziplinärer Ahndung geführt hat. Eine daraufhin erfolgte Beschwerde eines Betroffenen ist vom Truppendienstgericht als unbegründet abgewiesen worden. Das Truppendienstgericht hat schuldhaftes Vorgehen nach § 23 des Soldatengesetzes festgestellt, das nach § 6 der Wehrdisziplinarordnung zu bestrafen war.
In dem vorhin erwähnten jüngsten Fall haben inzwischen der Inspekteur des Heeres und der Generalinspekteur in zwei allen Verbänden bekanntgegebenen Fernschreiben mehrere irrige Feststellungen mit Nachdruck korrigiert. Vorwerfbar ist auf jeden Fall, daß fahrlässig unberechtigte Vorwürfe gegen die Führung der Bundeswehr erhoben worden sind. Ich nehme an, daß sich einige Zwischenvorgesetzte aus diesem Anlaß inzwischen selber Fragen vorlegen.
Die Bundesregierung wiederholt aus diesem Anlaß: Die Diskussion unter Soldaten findet ihre Grenze im Gehorsam gegenüber Gesetz und Befehl und in der Loyalität gegenüber militärischen und politischen Vorgesetzten.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Klepsch: Das stand nicht im Weißbuch!)

Wir werden hier keinen Kompromiß schließen.
An dieser Stelle ein Gedanke, den ich zur Beherzigung hinzufügen möchte: Wer meint, für die Straffung militärischer Formen öffentlich eintreten oder auftreten zu sollen, der muß selbst peinlich auch nur den Anschein eines Loyalitätsverstoßes vermeiden, wenn man ihn mit seinem Anliegen ernst nehmen soll.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Mit anderen Worten, wer von anderen Disziplin verlangt, muß sich selbst in Zucht nehmen.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Auch die Diskussion muß Spielregeln einhalten.
Der Jahresbericht des Wehrbeauftragten soll heute nicht debattiert werden. Ich will meinerseits der Debatte nicht vorgreifen, aber öffentliche Darstellungen und Kommentierungen dieses Berichts in den letzten 14 Tagen machen zwei oder drei kurze Bemerkungen nötig.
Das sogenannte Hasch-Problem gehört gegenwärtig noch keineswegs zu den größeren Sorgen der Bundeswehr. Der an einigen höheren Schulen erheblich verbreitete Hasch-Genuß durch Jugendliche wird jedoch in relativ kurzer Zeit auch innerhalb der Bundeswehr Probleme aufwerfen, sobald die betreffenden jungen Männer zum Wehrdienst eingezogen werden. Rauschmittelgenuß ist in militärischen Unterkünften und auch außerhalb des Dienstes verboten. Aufklärungsmaterial für die Truppe ist in Vorbereitung.
Die zweite Bemerkung: Das von diesem Hause geforderte sogenannte — ich zitiere — „Kompendium" zum Gehalt der Inneren Führung ist in Arbeit. Ich will aber schon heute betonen und damit wiederholt betonen —, daß Innere Führung nicht vornehmlich eine Sache der theoretischen Pädagogik oder ihrer schriftlichen Darstellung und Lehre ist, sondern vielmehr eine Sache der praktischen Pädagogik, des Beispiels, des Vorbildes und der täglichen Truppenpraxis.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Mit einem anderen Wort: Man lernt die Praxis der Inneren Führung besser von seinem unmittelbaren Vorgesetzten — wenn er etwas taugt — als aus Büchern.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : So war das schon immer! — Zuruf von der CDU—CSU: Das ist noch nie bestritten worden!)

Zur Erheiterung — zu der ich auch beitragen will, Herr Kollege Schmidt— der Bundesregierung und vieler anderer in Stadt und Land— ich nehme an, auch in diesem Hause — haben die teilweise mit Tiefgang,
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn. Freitag, den 26. März 1971 6527
Bundesminister Schmidt
teilweise aber auch mit Humor geführten Diskussionen über Bärte und Haarschnitt der Soldaten geführt. Da es — vornehmlich unter der älteren Generation — Menschen gibt, die hier ernsthaft ein Problem sehen, soll ihnen auch eine ernstgemeinte Antwort gegeben werden: Je nach der Mode hat es in Deutschland wie auch in anderen Ländern schon hervorragende Soldaten mit Schnauzbärten, mit Vollbärten, ja sogar mit Zöpfen gegeben,

(Heiterkeit — Zurufe von der CDU/CSU)

ebenso wie es auch in allen Ländern hervorragende Soldaten mit „militärischem" kurzen Haarschnitt gegeben hat.

(Abg. Dr. Wörner: Und mit Glatze! — Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

— Und mit Glatze! Sie sind bald dran, Herr Wörner.

(Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

Was ich sagen will, meine Damen und Herren, ist dies: Es ist notwendig zu erkennen, daß die Jugend immer in stärkerer Weise mit der Mode geht als die älteren Semester.

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Gott sei Dank!)

Und wer auf diesem Gebiet die persönliche Gestaltungsfreiheit junger Menschen unnötig einengen wollte, der würde überflüssigen Konfliktstoff schaffen.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Richtig!)

Die Bundesregierung wünscht, auch heute ihre Überzeugung von der Notwendigkeit der Institution des Wehrbeauftragten, der von der Truppe weitgehend in Anspruch genommen wird, und von der Nützlichkeit seiner Arbeit auszusprechen. Der Wehrbeauftragte hat jüngst von den Auswirkungen der politischen Polarisierung in unserem Lande auf die Haltung der Staatsbürger in Uniform hingewiesen. Gegen eine Politisierung der Bundeswehr haben wir dann nichts einzuwenden, wenn darunter eine stärkere Ausprägung der Fähigkeit zum Mitdenken und zum Urteilen in politischen Zusammenhängen gemeint ist. In diese Zusammenhänge sind Soldaten und zivile Bürger in gleicher Weise gestellt. Und dem Staatsdiener ist ein ausgeprägtes Staatsbürgerbewußtsein nicht nur erlaubt, sondern vielmehr geboten.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal]: Sehr gut!)

Eine parteilich-politische Auseinandersetzung in der Bundeswehr hält die Bundesregierung dagegen für schädlich. Mit Recht hat das Soldatengesetz hier sehr enge Grenzen gezogen. Versuche der parteilichpolitischen Einflußnahme von außen in die Streitkräfte hinein sind mir in manchen Fällen bekanntgeworden. Sie haben mit Recht vielerorts schwere Bedenken ausgelöst.
In diesem Zusammenhang möchte ich zwei Bemerkungen an die Adresse des ganzen Hauses richten. Sosehr die Truppe häufige Besuche und Gespräche durch Abgeordnete des Deutschen Bundestags bei ihren Verbänden begrüßt, so wenig kann es der Truppe einleuchten, wenn sich diese Besuche unmittelbar vor Landtagswahlen in den Standorten des jeweils betroffenen Landes konzentrieren. Wie gesagt, dies richtet sich an das ganze Haus.

(Abg. Dr. Wörner: Und an die Regierung!)

Ebenso würde es die Bundesregierung begrüßen, wenn Veröffentlichungen, die den Unteroffizierkameradschaften und dem Offizierkorps der Bundeswehr von Parteien in größerer Auflage zugeschickt werden, es sorgfältig vermeiden würden, das Vertrauen der Soldaten in ihre Führungskräfte und in die Führung der Bundeswehr zu beeinträchtigen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich erwähne in diesem Zusammenhang, daß ich selbst vor fünf Jahren, im Herbst 1966, von diesem Pult aus sprechend, als Oppositionssprecher auf dem Höhepunkt einer sehr kritischen Phase der damaligen politischen Bundeswehrführung den Soldaten der Bundeswehr in unmißverständlichem Klartext zugerufen habe, daß an der Notwendigkeit der Befehlstreue und der Loyalität gegenüber der Führung nicht der geringste Zweifel aufkommen dürfe.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Das muß auch heute gelten.

Die Bundesregierung mißbilligt insbesondere, wenn hier oder dort bei den Soldaten der Eindruck erweckt wird, als ob die militärische Führung oder die Bundesregierung selbst aus falschen politischen Motivationen das Ausmaß der Bedrohung oder das Kräfteverhältnis zwischen West und Ost verfälscht darstelle. Keine Bundesregierung hat bisher in ähnlich nüchterner, in ähnlich detaillierter und mit Zahlen belegter Sorgfalt das Kräfteverhältnis zwischen Ost und West in Mitteleuropa so unmißverständlich dargestellt, wie dies in den Ziffern 18 bis 29 des Verteidigungsweißbuches 1970 geschehen ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das Verteidigungsweißbuch ist in mehreren Exemplaren bis in jede Kompanie verteilt worden. Am Ende des Jahres 1970 ist bis in die Bataillone die von der Ministertagung der NATO verabschiedete Veröffentlichung über die Verteidigung der Allianz in den 70er Jahren, die ich erwähnte, verteilt werden. Die in diesem Ministerratsbeschluß der NATO enthaltene Darstellung der Bedrohung bleibt jedoch hinsichtlich ihrer Ausführlichkeit und Genauigkeit weit hinter der Darstellung im Weißbuch der Bundesregierung zurück. Wer — ob in einer politischen Partei oder in einer Zeitung oder in der Bundeswehr selbst — angesichts dieser Tatsachen davon spricht, daß von Amts wegen das Kräfteverhältnis verfälscht werde, der wird seiner Verantwortung nicht gerecht, die ihm als Politiker, als Journalist oder als Soldat auferlegt ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Er trägt vielmehr zu einer unerwünschten Form der Politisierung der Armee bei. Die Bundesregierung spricht die Hoffnung aus, daß die Mitglieder dieses Hauses sich an derlei Handlungen nicht beteiligen.



Bundesminister Schmidt
Einige Mitglieder der Opposition haben den regelmäßigen Herbst- und Frühjahrsstellenwechsel der Bundeswehr zum Anlaß genommen, um in der Öffentlichkeit wie in der Bundeswehr den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, daß einigen Personalentscheidungen parteilich-politische Erwägungen zugrunde gelegen hätten. Ich habe dazu in einer anderen Debatte in diesem Jahr bereits Stellung genommen und will heute nur noch hinzufügen, daß seit dem Amtsantritt dieser Bundesregierung eine Reihe von Soldaten und Beamten der Bundeswehr, zum Teil in besonderem Maße, ge- und befördert worden sind, die den Oppositionsparteien angehören oder die zu Führungspersonen der jetzigen Oppositionsparteien in besonders engem persönlichen Arbeitsverhältnis gestanden haben. Es liegt im Interesse der Beamten und Soldaten, hier auf namentliche Beispiele zu verzichten. Ich möchte die Erwartung aussprechen, daß die hier von mir geübte Zurückhaltung in bezug auf die Nennung einzelner Personen des öffentlichen Dienstes auch von den Damen und Herren des Hohen Hauses auf beiden Seiten zukünftig gewahrt wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich brauche nicht in Erinnerung zu rufen, daß keine einzige militärische oder zivile Spitzenposition im Bundesministerium der Verteidigung nach dem Amtsantrtt dieser Bundesregierung umbesetzt worden ist. Selbst einer diesbezüglichen Empfehlung meines Amtsvorgängers bin ich erst gefolgt, nachdem ich mir im Laufe eines halben Jahres ein eigenes Urteil habe bilden können. Allerdings hat sich dann mein eigenes Urteil mit der Empfehlung meines Amtsvorgängers gedeckt.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Es darf und wird weder Vorteile noch Nachteile in der Laufbahnentwicklung eines Soldaten oder Beamten geben, weil er etwa einer bestimmten politischen Richtung anhängt oder nicht anhängt.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Über die auch in Zukunft konsequent fortzusetzenden Bemühungen zur Verjüngung der Generalität muß heute nicht erneut gesprochen werden. Jedoch möchte die Bundesregierung in diesem Zusammenhang deutlich einmal jener Generation von militärischen Führern und Unterführern danken, die in diesen Jahren nach langer Beteiligung am Aufbau der Streitkräfte nunmehr die Bundeswehr verlassen. Viele von ihnen haben sich 1955 und in den nachfolgenden Jahren lange überlegt, ob sie sich dem Aufbau der Bundeswehr zur Verfügung stellen sollen. Ihnen ist dadurch kein leichtes berufliches Leben beschieden gewesen. Die Bundeswehr ist inzwischen in ein Stadium gelangt, in dem die jüngere Generation nach vorne und natürlicherweise auch nach oben drängt. Um so mehr sind wir den Wegbereitern zu Dank verpflichtet.

(Allseitiger Beifall.)

Die z. B. zu diesem 31. März ausscheidenden Generale und Admirale sind gegen Ende der Weimarer Jahre erstmalig Soldaten geworden. Sie haben ihre erste Prägung durch die damals übliche Offizierausbildung in der Reichswehr, zum Teil in der Wehrmacht erhalten. Im Laufe ihres beruflichen Lebens haben sie außerordentliche Umbrüche erlebt und — nicht nur beruflich — sehr viel hinzulernen müssen. Vielen dieser Soldaten ist die bis zu 10jährige zivile Unterbrechung ihrer militärischen Berufsentwicklung bei der späteren Wiederaufnahme ihres militärischen Dienstes von außerordentlichem Nutzen gewesen, weil sie Erfahrungen, auch berufliche Erfahrungen, in anderen Bereichen gesammelt haben, wie man sie so in den Streitkräften selber nicht hätte sammeln können, wie sie jedoch für die Arbeit in den Streitkräften außerordentlich nützlich gewesen sind.
Die Offizieranwärter der Bundeswehr des Jahres 1971 werden im allergünstigsten Einzelfall 1990 General werden können; die Masse der Betreffenden wird 1990 Oberstleutnant sein, — ein Teil wird vielleicht Oberst sein.

(Abg. Damm: Das ist auch eine ganze Menge!)

Das ist ein ganz weit gespannter Zeitraum mit einer Fülle von in ihm zu erwartenden wissenschaftlichen, technischen und gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen, die in keiner Weise von uns überschaut werden können. Sicher ist nur, daß an einen Oberst des Jahres 1990 wesentlich höhere und wesentlich andere Anforderungen gestellt werden als an einen Oberst des Jahres 1971 oder an einen Oberst der späten Weimarer Jahre.

(Beifall bei der SPD.)

Weil dies so ist, müssen wir für seine spätere Funktion in diesem Beruf heute Bildung und Ausbildung der künftigen Truppenführer der Bundeswehr eben auch auf ihre militärische Leistungsfähigkeit in den achtziger Jahren und darüber hinaus ausrichten.
Zugleich müssen wir angesichts des Wettbewerbs um intelligente, leistungsfähige und selbstbewußte junge Männer — des Wettbewerbs, in dem wir mit anderen Bereichen stehen — den Streitkräften und der Laufbahn des Truppenführers in den Streitkräften eine höhere Attraktivität geben. Schließlich müssen wir auch für die Zeitsoldaten durch eine bessere Bildung und Ausbildung einen selbstverständlicheren und leichteren späteren Übergang in den zivilen Beruf in Aussicht stellen, wenn wir leistungsfähige junge Männer als Zeitsoldaten gewinnen wollen. Auch aus diesen Gründen ist eine Modernisierung von Bildung und Ausbildung in der Bundeswehr unausweichlich notwendig.
Die Bundesregierung wird dabei nichts überstürzen. Sie wird insbesondere den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun. Nicht einmal der erste Schritt ist bisher vollzogen. Er wird erst im Laufe dieses Frühjahres getan werden in der Form eines Gutachtens zu den Problemen der Bildung und Ausbildung, das diesem Hause und auch der Öffentlichkeit auf den Tisch gelegt wird. Das bisher veröffentlichte sogenannte „Rahmenkonzept" stellt nur eine erste gedankliche Kladde zu einem Gutachten dar,
das noch gar nicht erstattet ist. Der zweite Schritt liegt dann in der auf das Gutachten notwendigerweise folgenden Diskussion und Untersuchung der

Bundesminister Schmidt
Realisierbarkeit. Der dritte Schritt wird in angemessenem Zeitraum in Gestalt der Entscheidung der Bundesregierung folgen. Dann erst schließen sich die Schritte der Verwirklichung an.
Ich will aber .klar sagen, daß keine Sorgfalt wird vermeiden können, daß die notwendigen Veränderungen auch für den einzelnen Soldaten die Notwendigkeit zur inneren Umorientierung und die Notwendigkeit zum In-Kauf-Nehmen von Umstellungsschwierigkeiten mit sich bringt. Dabei wird gewiß für ausreichend langfristige Übergangsregelungen zu sorgen sein.
Abschließend hierzu: Die Besorgnis einer die Orientierung an den militärischen Berufen verringernden „Verwissenschaftlichung" — ich gebrauche das Wort nur in Parenthese — der Offizierausbildung ist nicht begründet. Bildung und Ausbildung müssen und werden sich am Auftrag der Streitkräfte und an den zukünftigen Funktionen der Auszubildenden orientieren.
Auch in der weiteren Zukunft wird es die Aufgabe der Bundesregierung bleiben — so hat es Bundespräsident Heinemann in seiner Rede zu seinem Amtsantritt vor diesem Hohen Hause ausyesprochen —, zu verhindern, daß der Bundesrepublik ein fremder politischer Wille aufgezwungen werden kann. Die Bundeswehr dient der Bewahrung der Freiheit und der Erhaltung des Friedens. Dies gilt gleicherweise für die Arbeiter, Angestellten und Beamten der Bundeswehr wie für ihre Wehrpflichtigen, ihre Zeitsoldaten und ihre Berufssoldaten. Die Frieden bewahrende Funktion ist nur dadurch möglich, daß die Soldaten und die Verbände der Armee für die von ihnen in einem Verteidigungsfall auszuübenden Funktionen — also auch für den Kampf! —
ausgebildet werden. Diese Ausbildung muß ernst genommen werden. Kämpfen zu können ist die beste Sicherung dagegen, einmal kämpfen zu müssen.
Auch deshalb hat der Gesetzgeber den Soldaten neben der Sicherung ihrer staatsbürgerlichen Rechte bestimmte soldatische Pflichten auferlegt, Pflichten, die Opfer an Zeit, an persönlicher Bewegungsfreiheit, die Anstrengung und Selbstüberwindung verlangen. Nicht für alle jungen Wehrpflichtigen ist es leicht zu verstehen, daß auf diesem ausgewogenen Verhältnis von Rechten und Pflichten das innere Gefüge und die Leistungsfähigkeit der Truppen beruhen. Die Vorgesetzten müssen sich deshalb bewußt sein, daß Pflichten nur zu sinnvollem Tun gefordert werden dürfen.
Ich habe mit innerer Anteilnahme und Bewegung unlängst in einer Wochenzeitung den Leserbrief eines jungen Wehrpflichtigen gelesen. Ich zitiere:
Ich bin Soldat. Wie ich ich Soldat wurde? Durch Zufall, Desinteresse und Unwissenheit. Ohne weiteres ließ ich mich einziehen. Warum ich immer noch Soldat bin? Aus Einsicht.
Dann kommt eine Reihe sehr sehr kritischer Berner-kungen über das Soldatsein, und zum Schluß kommt dieser 20jährige Wehrpflichtige in dem dort abgedruckten Leserbrief zu dem folgenden Ergebnis:
Solange das Mißtrauen besteht, ist jeder verdammt zur Erhaltung des Mächtegleichgewichts. Lediglich der Versuch, eine Vertrauensbasis zu schaften, hilft hier weiter. Solche Versuche waren bisher fast immer erfolglos. Sie waren es, weil sich eine Seite oder alle Verhandlungspartner aus angeblichem Realismus und angeblich kühler Berechnung heraus ihnen widersetzten.
Mir scheint, dieser Mann hat nachgedacht. Er hat seine eigene Situation und die Situation unseres Gemeinwesens insgesamt verstanden.
Es gibt viele Vorgesetzte in der Armee, die den Wehrpflichtigen helfen wollen, dies so oder ähnlich zu verstehen. Es gibt viele, die sich bemühen, gute Vorgesetzte zu sein. Allen Vorgesetzten in der Bundeswehr ist gesetzlich auferlegt, in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel zu geben. Ihnen ist gesetzlich die Pflicht zur Dienstaufsicht und die Verantwortung für die Disziplin ihrer Untergebenen auferlegt. Ihnen ist auch die Sorge für ihre Untergebenen auferlegt. Ihnen ist auferlegt, innerhalb und außerhalb des Dienstes jene Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um sich das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten. Alles dies steht so im Soldatengesetz im Paragraphen über die Pflichten des Vorgesetzten. Damit ist aber der gesetzliche Katalog der Soldatenpflichten noch keineswegs in allen seinen wesentlichen Teilen aufgezählt.
Unser Volk erwartet, daß jedermann in der Bundeswehr diese gesetzliche Pflichten ernst nimmt. Wir erwarten Pflichterfüllung auch dort, wo die Umstände widrig und schwierig sind. Die Bundesregierung verlangt Gehorsam. Sie muß das tun, denn sie steht mit diesem Verlangen selber in Pflicht. Auch Bundesregierung und Minister haben dem Grundgesetz, den Gesetzen und den Beschlüssen des Deutschen Bundestages Gehorsam zu leisten. Auch Minister könnten Disziplin nicht verlangen, wenn sie selbst Disziplin nicht wahren sollten. Auch sie könnten Gehorsam von Vorgesetzten und Soldaten nicht erwarten, wenn sie nicht selbst alles ihnen Mögliche täten, um ihrer Fürsorgepflicht zu entsprechen.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Dies gilt allerdings in gleicher Weise für das Hohe Haus auch, ob auf der linken oder auf der rechten Seite oder in der Mitte.

(Abg. Rösing: Das wurde nie bestritten!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0611117800
Er muß sich und will sich mit der Bundeswehr und mit ihren Soldaten identifizieren, mit ihren Leistungen und mit ihren Mängeln, mit ihren Besorgnissen, aber auch mit ihrem Selbstbewußtsein.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Was die Fürsorge angeht: Von den 124 im Weißbuch 1970 angekündigten Maßnahmen sind inzwischen 86 Fälle beschlossen. Wir zeigen damit, daß die Bundesregierung ihre Fürsorgepflichten ernst nimmt. Offen ist noch ein Rest von etwa 20 gesetzgeberischen Regelungen, von denen 14 in Form von Entwürfen zu Novellen diesem Hause vorliegen.



Bundesminister Schmidt
18 Vorhaben, die durch Erlaß des Ministeriums geregelt werden müssen, sind in Vorbereitung.
Auch die im Weißbuch angekündigte Umschichtung innerhalb des Verteidigungshaushaltes ist inzwischen weitgehend verwirklicht. Die Streichung einer Reihe früherer Rüstungsprojekte und mehrere Gewichtsverschiebungen innerhalb des Rüstungsplanes waren unausweichlich. Man kann nicht nur beschaffen, man muß auch in der Lage sein, die angeschafften Waffensysteme und Fahrzeuge personell zu bewältigen.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Mit anderen Worten: Das modernste Flugzeug ist wertlos, wenn Besatzung und Bodenpersonal es nicht beherrschen. Die Menschen haben den Vorrang vor dem Material.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Es hat auch Vorteile, daß der Verteidigungshaushalt für eine Reihe von Jahren eng geworden ist. Dies zwingt uns zu äußerster Rationalität bei der Abwägung von Aufwand einerseits und militärischer Wirksamkeit andererseits. Für eine Reihe vorgefundener Projekte war hier ein ausgewogenes Verhältnis nicht mehr zu erkennen. Ich muß Ihnen die Beispiele nicht noch einmal nennen. Ich will auch davon absehen, Ihnen Beispiele für Rüstungsprojekte zurückliegender Jahre zu geben, in die hohe Summen investiert worden sind, ohne daß daraus eine nennenswerte militärische Wirksamkeit entstanden wäre. Jedermann muß verstehen: Die Leistungen des Steuerzahlers für den Verteidigungshaushalt sind für die Wirksamkeit der Bundeswehr und die Wirksamkeit ihrer Soldaten bestimmt und für keinen anderen Zweck. Die Bundeswehr muß die nötigen Waffen und Geräte dort kaufen, wo sie am preiswertesten zu haben sind — ob dies z. B. in Frankreich ist oder in der Bundesrepublik, z. B. in England oder in den Vereinigten Staaten.
Die Bundesregierung vermag auch kein Interesse an der Wiederauferstehung einer ausgedehnten nationalen Rüstungsindustrie zu erkennen. Die Produktion von Rüstungsgütern macht in der Bundesrepublik weniger als 2 % der gesamten Industrieproduktion aus. Zweifellos liegen wir damit erheblich unter dem Durchschnitt aller großen Industrienationen der Welt; aber dies ist weder innen- noch wirtschaftspolitisch, weder außen- noch sicherheitspolitisch ein Nachteil.

(Sehr richtig! und Beifall bei der SPD.)

Soweit die Bundeswehr Aufträge vergibt, tut sie dies unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs und der fairen Chance für alle, wobei der Wettbewerb dort seine Grenze hat, wo beispielsweise bei der Vergabe von Entwicklungsaufträgen durch Wettbewerb unnötige zusätzliche Kosten entstünden. Bei Inlandsaufträgen berücksichtigen wir stärker als früher die mittelständische Wirtschaft, soweit dies nicht zu Verteuerungen führt.
Eine durchgreifende Reorganisation des gesamten Rüstungsbereichs des Ministeriums und der Beschaffungsorganisation nach den Erfahrungen und Einsichten modernen industriellen Managements und den Erfahrungen und Einsichten der Bundeswehr selber, die sie in eineinhalb Jahrzehnten gewonnen hat, läßt für die Zukunft eine weitere Rationalisierung des Rüstungsaufwandes erwarten. Dies bringt für die beteiligten Mitarbeiter außerordentliche Umstellungen mit sich, die diese — was hier mit Dank vermerkt werden soll — nach sorgfältiger Diskussion bereitwillig auf sich genommen haben.
Meine Damen und Herren, Sie selbst müssen sich jedes Jahr vor der Verabschiedung des Verteidigungshaushaltes erneut die Frage vorlegen, die vor mehr als zehn Jahren Maxwell Taylor so formuliert hat: „Wieviel ist genug?" Diese Frage kann in keinem Jahr pauschal beantwortet werden; sie kann auch niemals mit einem Prozentsatz vom Bruttosozialprodukt beantwortet werden.
Wer in seinem Lande eine Berufsarmee unterhält, muß einen wesentlich höheren Anteil des Bruttosozialprodukts für diese Armee aufwenden als ein anderer, der eine vergleichbare Armee auf der Basis allgemeiner Wehrpflicht unterhält. Wer für seine Streitkräfte nuklear-strategische Waffen entwickelt und beschafft, muß einen höheren Anteil seines Sozialprodukts für die Verteidigung aufwenden als derjenige, der sich — wie etwa die Bundesrepublik Deutschland — ausschließlich auf konventionelle Waffen beschränkt.
Es ist notwendig, diese Feststellung einmal zu treffen, um abwegiger Kritik aus dem Ausland wie aus dem Inland entgegenzutreten, die sich nur am Bruttosozialprodukt orientiert.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Im übrigen kann die Bundesrepublik Deutschland — und das ist ein Verdienst mehrerer Bundesregierungen, die einander gefolgt sind — für sich in Anspruch nehmen, daß sie bei internationalem Vergleich nicht nur einen außerordentlich hohen Anteil ihrer Kampftruppen am Gesamtumfang ihrer Streitkräfte aufrechterhält, sie kann auch in Anspruch nehmen, daß sie außerdem stärker als jeder andere westeuropäische Partner mit konventionellen Streitkräften zur gemeinsamen Abschreckung durch das Bündnis beiträgt.
Die militärische Wirksamkeit der in der Bundesrepublik Deutschland aufgewandten Haushaltsmittel ist im internationalen Vergleich hoch zu bewerten. Einsatzwert und Kampfkraft der Bundeswehr werden regelmäßig durch die integrierten militärischen Kommandobehörden der NATO bewertet. Einsatzwert und Kampfkraft der Bundeswehr brauchen keinen internationalen Vergleich zu scheuen. Der NATO-Rat hat Ende 1970 bestätigt, daß unser Land die übernommenen Verpflichtungen erfüllt.
Herr Präsident, ich komme zum Schluß. Ich stimme
mit meinem Amtsvorgänger Dr. Gerhard Schröder
überein, der zuletzt am 19. März — in diesem Monat
also — erneut hervorgehoben hat — ich zitiere —:
daß in einem geteilten Land wie Deutsch
land derzeit Außenpolitik, Sicherheitspolitik, Verteidigungs- und Bündnispolitik auf eine möglichst
breite Mehrheit, unabhängig von jeder Koalition,



Bundesminister Schmidt
gestellt werden sollten". Er hat sodann das Wort „möglichst" noch einmal besonders unterstrichen.
Wie schwierig dies gegenwärtig im Verhältnis zwischen Regierungsparteien und Opposition auch sein mag: für die Bundeswehr jedenfalls sehe ich keinen Grund, daß dieses Hohe Haus diesem Grundsatz nicht folgen wollen sollte. Dies wäre nicht nur zum Nutzen der Bundeswehr, es diente auch, meine Damen und Herren, der Aufrechterhaltung des Vertrauens unserer Bürger draußen im Lande in die Stabilität unserer äußeren Sicherheit.

(Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0611117900
Meine Damen und Herren! Nach der von dem Herrn Bundesverteidigungsminister abgegebenen Regierungserklärung treten wir in die Aussprache ein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zimmermann von der Fraktion der CDU/CSU. Seine Fraktion hat für ihn eine Redezeit von 60 Minuten angemeldet.

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0611118000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Verteidigungsminister begann seine Ausführungen mit dem Satz: „Aus Anlaß der vorliegenden Großen Anfragen gebe ich eine Regierungserklärung ab." Das Büro des Herrn Verteidigungsministers scheint zur Zeit nicht gut zu funktionieren, denn um 9 Uhr hat der Präsident eine Vereinbarung des Ältestenrats bekanntgegeben, daß die Debatte über die Großen Anfragen vertagt worden ist und daß von der Regierung gewünscht ist, eine Regierungserklärung abzugeben.
Diese Regierungserklärung, nach der ich am Anfang dieser Woche die engsten Mitarbeiter des Herrn Verteidigungsministers fragte, war ihnen clamais unbekannt. Sie sagten: Wir wissen gar nichts von einer Regierungserklärung. Als ich im Kabinettsreferat anfragen ließ, sagte man mir: Der Minister wird eine Rede halten, aber eine offiziell vorliegende Regierungserklärung wird es nicht geben. Ich hatte darum gebeten, sie nach gutem Brauch wenigstens am Abend vor einer solchen Debatte erhalten und lesen zu dürfen. Der Herr Minister hat heute eine verlesene Regierungserklärung abgegeben; die Stenographen haben sie gehabt, der Sprecher der Opposition hat sie nicht haben dürfen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Das ist ein Beispiel dafür, wie in diesem Hause in dieser Woche wieder und wieder die Prärogativen des Parlaments unterlaufen und uns Regierungserklärungen vorgesetzt werden, die wir nicht einmal vorher zur Kenntnis nehmen dürfen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es wäre ja wohl ganz angebracht gewesen, daß, wenn die Stenographen die Rede haben dürfen, dann auch der Sprecher der Opposition sie wenigstens zur gleichen Zeit lesen darf, wenn er sie schon nicht gestern abend bekommen hat, um sich fairerweise darauf vorbereiten zu können; denn die Großen Anfragen hatten ein wesentlich anderes Thema, als der
Verteidigungsminister es heute in seiner Regierungserklärung gewählt hat.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr! — Zuruf von der SPD: Haben Sie nicht mehr zu sagen?)

Oh, ich habe viel mehr zu sagen. Wenn ich Ihrem Sachverstand damit auf die Beine helfe, von dem ich bisher nichts gespürt habe, — gerne!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Herr Verteidigungsminister hat eine ganz auf Moll gestimmte Erklärung abgegeben. Im ersten, langen Teil seiner 90 Minuten war der Beifall weder seiner eigenen Fraktion noch der FDP gerade stürmisch.

(Abg. Buchstaller: Er spricht ja nicht wegen des Beifalls!)

— Nein, aber wenn er viel ausgesprochen hätte, was Sie zu besonderem Beifall herausgefordert hätte, Herr Kollege Buchstaller, dann hätten Sie ja sicher etwas mehr geklatscht.

(Zuruf von der SPD: Das war nur eine Unterstreichung unseres Wissens!)

Aber nachher wurde es ein wenig munterer, wobei diese auf Moll gestimmte Rede natürlich ihren Grund hat.
Es ist zur Zeit wenig Anlaß zum Jubel für die politische Leitung im Bundesministerium der Verteidigung.

(Abg. Haase [Kassel] : Nicht nur da!)

Der Herr Bundesminister der Verteidigung hat sich bemüht, die Lage in der Truppe zu skizzieren und zu zeichnen, wie er sie sieht. Er hat sie sehr geschminkt dargestellt. Sie ist in Wirklichkeit ganz anders. ich werde versuchen, das zu begründen.
Herr Minister Schmidt hat selbst auf eine Rede, die er vor etwa fünf Jahren als Sprecher der damaligen Opposition in diesem Hause gehalten hat — das war am 21. September 1966 — abgehoben. Ich habe diese Rede nachgelesen, schon vorher, bevor ich seine Rede kannte.

(Zuruf des Abg. Dr. Barzel.)

Er sollte sie selbst einmal wieder nachlesen — als Minister hat er heute eine ganz andere Rede gehalten , dann würde er sehen, wie er damals als Sprecher der Opposition artikuliert und argumentiert hat. Er ist dabei, wie ich meine, weit über die Grenzen des kollegial und menschlich Erträglichen hinausgegangen und hat eine echte Anklagerede gegen den damaligen Bundesminister der Verteidigung gehalten, die unerhört scharf und außerordentlich verletzend gewesen ist.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr wahr!)

Wir werden uns diesem Stil nicht anpassen, wir werden das, was gemeinsam erledigt und gemacht werden kann, durchaus auch gemeinsam zu erledigen versuchen.
Den aktuellsten Anlaß zu dieser Debatte liefert das Ergebnis einer Arbeitstagung von 30 Kompaniechef s. jetzt auch als Hauptleute-Studie bezeichnet. Das Er-



Dr. Zimmermann
gebnis dieser Arbeitstagung ist im Dezember des letzten Jahres niedergelegt worden, und zwar, wenn wir recht informiert sind, auf Wunsch des Divisionskommandeurs der 7. Panzergrenadierdivision. .Jetzt im März ist das Papier an die Öffentlichkeit gelangt.

(Abg. Jung: Durch wen?)

— Herr Jung, wenn Sie die Frage stellen, beantworten Sie sie doch! — Nicht durch mich. Ich habe am Tage der Veröffentlichung von diesem Papier überhaupt nichts gewußt, nicht einmal die Tatsache seiner Existenz. Aber vielleicht waren es die wenig befriedigenden Gespräche, die die Hauptleute mit ihrer militärischen Führung haben konnten.
In dem Brief an den Verteidigungsminister, in dem der Sprecher dieser Gruppe ihn ausdrücklich seiner absoluten ungeschmälerten Loyalität und Achtung versichert, steht, daß die Aussprache mit dem Generalinspekteur nach Auffassung der 30 Kompaniechefs eine weitestgehende Übereinstimmung mit dem Generalinspekteur hervorgebracht hätte. Nachdem ich die Maßregelung des Generalinspekteurs gegenüber den 30 Hauptleuten gelesen habe, bleibt mir nur der Schluß, daß hier ein Dissens besteht, etwas, was man als offenen Dissens bezeichnet. Offenbar haben die Hauptleute den Eindruck von Zustimmung durch den Generalinspekteur gehabt, während er offenbar bei sich selbst den Eindruck gehabt hat, er habe sich außerordentlich scharf gegen die Studie geäußert.
Es ist interessant, meine verehrten Damen und Herren, einmal zu vergleichen, was in diesem Ergebnis einer Arbeitstagung von 30 Kompaniechefs — wie Sie mir zugeben werden, sind die Kompaniechefs das Rückgrat der Streitkräfte überhaupt — und was in der Studie des Führungsstabes

(Zuruf des Abg. Würtz)

— Herr Würtz, das wissen Sie als Hauptmann a. D. doch am besten

(Abg. Würtz: Die Unteroffiziere sind es!)

— die Unteroffiziere auch an ihrem Platze, aber im Offizierkorps sind es die Hauptleute, meine ich —, und was also in der Studie des Führungsstabes des Heeres vom Sommer 1969, die der Minister ebenfalls zitiert hat, steht. Ich zitiere immer zuerst die Studie des Führungsstabes des Heeres, bekannter geworden unter dem Namen „Schnez-Studie", und dann das Ergebnis der Arbeitstagung der Hauptleute: Mangelhafte Entschlossenheit der Bürger, der Sicherung der Freiheit und des Friedens den gebührenden Raum einzuräumen.
Hauptleute: Notwendigkeit der Verteidigung wird von der Mehrheit der Staatsbürger in Uniform nicht erkannt.
Heeresstudie: Erziehung der Jugend zum Staatsbürger wird gefordert.
Hauptleutestudie: obligatorische sachliche Information über die Bundeswehr in allen Schulen. Der Herr Minister hat hier mit Recht Klage über Lehrer geführt. Ich würde ihn doch bitten, die gleiche Klage noch forcierter, mit mehr Möglichkeiten des Einflusses, an die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zu richten. Da wäre einiger Anlaß dazu vorhanden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Heeresstudie: Anerkennung des Primats der Politik und der parlamentarischen Kontrolle; unverändert in der Hauptleutestudie.
Kritik an Wehrdisziplinarordnung und Wehrbeschwerdeordnung wird uneingeschränkt in beiden Papieren ausgedrückt.
Absicherungsbefehle: Absicherung als wesentliches Element der Befehlsgebung: unverändert in beiden Papieren.
Mangel an Ausbildern: unverändert in beiden Papieren.
Kritik an Presse, Literatur, Forderung nach Beitrag zur Erziehung zum Wehrwillen: unverändert in beiden Papieren. Die Beispiele könnten beliebig fortgesetzt werden.
Neu in der Studie der Hauptleute als Ergebnis ihrer Tagung sind nur drei Punkte: Verfälschung des tatsächlichen Kräfteverhältnisses zwischen Ost und West in der Darstellung der Leitung, Klage über Politisierung der Armee und eine Vertrauenskrise gegenüber der politischen und militärischen Führung.
In der Heeresstudie vor zwei Jahren findet sich am Schluß ein Satz, den ich ausdrücklich zitieren möchte. Er lautet:
Aufgabe des Soldaten ist es, den verantwortlichen politischen und militärischen Stellen die Lage zu schildern, Lösungsmöglichkeiten zu zeigen, ihre Realisierung zu fordern und im Rahmen der eigenen Zuständigkeit alle Möglichkeiten auszuschöpfen.
Daran hat es gefehlt, meine Damen und Herren. Wenn es heute noch so wäre, hätte es vielleicht keine Hauptleutestudie zu geben brauchen.
Aber diese Studie des Heeres — zählen Sie bitte einmal nach, wie viele ihrer Mitverfasser sich noch in den Streitkräften befinden! — ist von der neuen politischen Führung aus politischen Gründen pauschal verdrängt worden.

(Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

Solche Verdrängungen haben sich noch immer gerächt.

(Abg. Haase [Kassel] : Neurosen gibt das!)

Dieselben Fragen sind zwei Jahre später nicht an der Spitze des Heeres, sondern aus dem Offizierskorps des Heeres hochgekommen,

(Abg. Dr. Barzel: So ist es!)

verstärkt, und sie kommen dann möglicherweise so hoch, daß sie unkontrollierbar werden können.

(Beifall bei der CDU/CSU.) Ich zitiere aus dem Weißbuch, Ziffer 150:

Offen ist die Bundeswehr auch gegenüber einer Vielfalt von Meinungen. Sie ist ein Teil unserer pluralistischen Gesellschaft. Es ist deshalb gut und richtig, daß in der Bundeswehr diskutiert wird, und nur natürlich, daß dabei gegensätz-



Dr. Zimmermann
liche Positionen bezogen werden, auch extrem konservative und extrem progressive.
Zitat von Helmut Schmidt aus der Debatte im September 1966:
Der Soldat darf nicht nur zum Gehorsam erzogen werden. Er muß auch zu Zivilcourage in Uniform und zur selbständigen Entscheidung erzogen werden.
Der Minister hat heute die Behandlung von „Soldat 70" und „Leutnant 70" in einem außerordentlich milden Licht dargestellt. Die Wirklichkeit von damals ist ein wenig anders geworden. Die Beurteilung war so — wenn ich mich recht erinnere, Herr Minister —, daß Sie über die Thesen der Leutnante 70 sinngemäß sagten, diese Leutnante hätten der Bundeswehr einen unschätzbaren Dienst erwiesen, während heute bei dem Papier der Hauptleute Ablehnung der Diskussion, Zurückweisung, Befehl des Divisionskommandeurs, das allein als dienstliche Angelegenheit zu behandeln, und Weisungen, mit der Presse darüber nicht zu sprechen, die Auswirkungen dieser freien Meinungsäußerung sind. Ich hoffe doch, daß das nicht bedeuten soll, daß dieser neue Stil nur dann akzeptiert wird, wenn er der eigenen Politik nützt.
Sie selbst haben in der Armee seit eineinhalb Jahren neue Gesprächsebenen geschaffen unter Ausschaltung der Vorgesetzten, und Sie haben auf all diesen Ebenen das Gespräch geführt. Ich will daran nichts kritisieren. Nur muß man, wenn man das tut, wissen, daß man dann auch bereit sein muß, die Reaktionen der Gesprächspartner, auch wenn sie einmal in dieser Form kommen, zu akzeptieren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Niemand wird der CDU/CSU-Fraktion vorwerfen oder unterstellen können, daß sie bereit sei, Disziplinlosigkeiten in der Armee zu dulden, zu feiern oder zu unterstützen. Im Gegenteil! Aber darum geht es hier nicht. Es geht um die offenbar gewordene Not von engagierten, tüchtigen, realistisch eingestellten und ideologisch keineswegs verengten Soldaten. Wir hoffen sehr, daß diesen Leuten kein Nachteil entsteht, und wir werden sehr genau acht darauf geben.
Diese Studie ist nur ein Symptom von mehreren. Eine zunehmende Zahl hervorragender jüngerer Offiziere quittiert gegenwärtig den Dienst. Das weiß der Verteidigungsminister. Ich wäre ihm außerordentlich dankbar, wenn er uns einmal eine Zahl geben würde, wie oft es seit dem 1. Januar 1970 bis Ende März 1971 in allen drei Teilstreitkräften der Fall gewesen ist, daß Offiziere unter Zurücklassung ihrer wohlerworbenen Rechte und Ansprüche die Armee verlassen haben, weil sie ihr Dienst nicht mehr freut, weil sie das Gefühl haben, ihr Auftrag werde nicht mehr gesehen oder nicht ernst genug genommen, weil sie sehen, daß sie offenbar unter anderen Voraussetzungen Offizier geworden sind, als sie heute, im Jahre 1971, gegeben sind.
Meine Damen und Herren, aus diesem Papier der Hauptleute spricht einerseits ein volles berufliches
Engagement, andererseits ein nicht zu übersehendes
Stück Resignation, um nicht zu sagen: Verzweiflung.

(Zuruf von der SPD: Na!)

— Ja, wenn man es genau liest, kann man sich dieses Eindrucks nicht erwehren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist die Stimmung der Truppe!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0611118100
Herr Abgeordneter Zimmermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt (Würgendorf)?

Hermann Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0611118200
Herr Dr. Zimmermann, was sagen Sie zu der Ablehnung dieser Studie der Hauptleute durch eine Reihe von Hauptleuten und Oberleutnanten aus dem 3. Korps? Wie qualifizieren Sie diese Leute ein?

(Abg. Wienand: Die sind natürlich nicht gut!)


Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0611118300
Herr Wienand, ich bin doch gefragt worden und nicht Sie! Sie sollen die Antwort noch nicht vorweg geben. Herr Kollege Schmidt (Würgendorf) will ja meine Antwort hören. Die Ihre kennt er wahrscheinlich schon längst.

(Abg. Schmidt [Würgendorf] : Ich habe noch nicht mit ihm gesprochen!)

Ich akzeptiere das, was Hauptleute aus dem 3. Korps zu dieser Studie gesagt haben, genauso als Diskussionsbeitrag wie das, was diejenigen aus der 7. Panzergrenadierdivision gesagt haben. Nur, Herr Kollege Schmidt (Würgendorf), täuschen Sie sich bitte nicht: Der Grad der Solidarisierung mit den Thesen der 30 von Unna hat einen hohen Barometerstand erreicht. Daß es auch andere Meinungen gibt, darüber sollten wir sehr froh sein; denn wenn es nur mehr die Meinung dieser 30 Hauptleute gäbe, dann könnten Sie die Armee morgen schließen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber woran liegt es denn, meine Damen und Herren, daß wir heute in der Truppe feststellen müssen, daß dort das Klima schlecht ist, daß das Mißtrauen umgeht? Es beginnt mit dem Wort des Bundespräsidenten vor seinem Amtsantritt, daß sich die Bundeswehr um besserer politischer Lösungen willen in Frage stellen lassen müsse. Es geht fort damit, daß Gleichstellung, ja, Aufwertung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung in den offiziellen Publikationen dieser Bundesregierung oft vor dem Wehrdienst erscheint.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr wahr!)

Ich erinnere an die Verteufelung der Soldaten und die Verherrlichung der Kriegsdienstverweigerer in der Broschüre „Ernstfall Frieden", die mit Steuermitteln von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegeben worden ist. Diese Broschüre macht zunächst einen harmlosen Eindruck; erst bei genauer Lektüre wird klar, wie massiv hier für die Wehrdienstverweigerung geworben wird. Oder ist es nur Dilettantismus, daß die Autoren deutlich ihre Sympathie für jene extremen Schulen der Friedens-



Dr. Zimmermann
forschung bekunden, die mehr revolutionäre Ideologien propagieren als wissenschaftliche Analyse betreiben?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ist es bloße Ignoranz der Verfasser, daß der Begriff Abschreckung penetrant falsch interpretiert wird und daß unter der Überschrift „Friedensdienste der Bundesrepublik Deutschland" die Bundeswehr neben anderen Organisationen nicht aufgeführt wird?

(Abg. Damm Hört! Hört!)

Ich darf hierzu zitieren, was die Tageszeitung „Die Welt" am 2. Februar 1971 kommentiert hat:
Gewiß, auch Soldaten kommen zu Wort. Aber sie wirken in dieser Schrift so verloren wie die Konzessionsschulzes in den preußischen Garderegimentern von einst: arme Leute in einer Pflicht, die von allen im Parlament vertretenen Parteien noch für nötig gehalten wird. Demgegenüber geben Kriegsdienstverweigerer durch ihren anderen Dienst ein ,Beispiel für die neue Welt'.
Das fällt in Ihr Ressort, Herr Kollege Kiep. — Bei
solcher Bewertung kann die Anzeige, mit der die Streitkräfte in diesem Heft Freiwillige zu gewinnen hoffen, wohl als blanke Ironie gelten.
Der Herr Bundesminister der Verteidigung erwähnte gerade vorher das Problem der Kriegsdienstverweigerer und sagte, daß es ihm Sorge mache. Wir haben im Jahr 1968 rund 12 000 gehabt, im Jahr 1969 14 500, im Jahr 1970 19 363, und wir haben im Januar und Februar dieses Jahres, in zwei Monaten, 7900 Antragsteller. Unter Berücksichtigung der empirischen Tatsache, daß sich das im Laufe des Jahres etwas abschwächt, haben wir in diesem Jahr mit 35- bis 40 000 Wehrdienstverweigerern zu rechnen.

(Abg. Haase [Kassel] [zur SPD] : Was Sie gesät haben!)

Das ist eine Zahl, die alarmieren muß. Und das, obwohl wir seit dieser Bundesregierung einen Beauftragten für den zivilen Ersatzdienst haben, den ehemaligen Kollegen Iven. Dabei ist für mich besonders interessant, zu beobachten, wie er in seiner geistigen Einstellung, wie er die Dinge sieht, von Tag zu Tag einen Schritt zur Mitte und nach rechts macht. Die unmittelbare Befassung mit diesen Problemen hat es dazu gebracht, daß er heute ganz anders als 1966 — Sie wissen, was ich meine die Dinge in diesem Staat, in dieser Armee und die Probleme in der Gesellschaft zwischen Nicht-Dienen und Dienen sieht.

(Abg. Pawelczyk: Wieso haben Sie die Probleme nicht rechtzeitig angepackt und diese Entwicklung zugelassen! Das Problem der Wehrungerechtigkeit ist alt!)

— Das Problem der Wehrungerechtigkeit, das Problem des Ersatzdienstes das Problem der Kriegsdienstverweigerung sind nicht von heute, sondern von gestern und vorgestern. Nur, Herr Kollege Pawelczyk, noch niemals waren die Zahlen in all diesen Bereichen so alarmierend wie heute.

(Zuruf des Abg. Pawelczyk.)

Wir haben heute im Ruhrgebiet rund 80 % Abiturienten, die Antragsteller für die Kriegsdienstverweigerung sind. Wir haben 12 % eines Abiturientenjahrgangs in der Bundeswehr und haben 54 % des gleichen Jahrgangs bei den Kriegsdienstverweigerern — trotz eines Beauftragten für den Ersatzdienst. Dieser hat erst 6400 Ersatzdienstplätze, während mindestens 14 000 sofort gebraucht würden. Das bedeutet, daß der anerkannte Kriegsdienstverweigerer immer noch eine wesentlich größere Chance hat, nicht zum Ersatzdienst herangezogen zu werden, als der Wehrpflichtige, nicht zum Wehrdienst eingezogen zu werden.

(Abg. Würtz: Das sollte man nicht so laut sagen!)

— Man sollte es vielleicht nicht so laut sagen, Herr Kollege Würtz; aber Sie dürfen ganz sicher sein: die, die es angeht, wissen es noch besser als Sie und ich.
Die Aufklärung ist vorzüglich. Die IG Metall hat eine Tonbildschau veranstaltet mit dem Titel „Dein Recht, den Kriegsdienst zu verweigern". Ist das Sache der IG Metall? Die Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr in Oberhausen hat unlängst bei der Ausstellung der Bundeswehr mit dem Titel „Unsere Luftwaffe" Flugblätter verteilt, die die Gedanken des Menschen-Tötens, Städte-
und-Fabriken-Zerstörens, des Ernte-Vernichtens mit der Ausstellung der Luftwaffe in Zusammenhang brachten.

(Abg. Buchstaller: Sprechen Sie auch noch zur Regierungserklärung?)

— Soweit mir das, nachdem ich sie vorher nicht bekommen habe, möglich ist. Aber die Regierungserklärung, Herr Kollege Buchstaller, hat sich mit der Lage in der Truppe beschäftigt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Minister Schmidt hat 90 Minuten darauf verwendet, 90 Minuten!

(Abg. van Delden: Und Zimmermann analysiert es!)

Warum das heute in der Truppe so ist, das auszudrücken, das zu artikulieren müssen Sie mir schon gestatten.
Schauen Sie, das ist ja alles nicht durch eine Maßnahme, durch eine Äußerung, durch eine ÖTV, durch eine IG Metall, durch e i n Wort des Bundespräsidenten und ... und ... und ... herbeigeführt worden, es ist die Summierung, die sich heute deutlich macht und die die Unruhe bringt.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Die ganze psychologische Landschaft! — Abg. Kiep: Die Saat geht auf!)

Es ist nicht allein die Neuregelung von Gruß und Anrede und nicht allein der Haar- und Bart-Erlaß. Es ist nicht allein die Diskussion um die Abschaffung oder Änderung von Eid und Gelöbnis.

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Die Saat geht auf!)




Dr. Zimmermann
Es ist alles zusammen, es ist die Summierung, die den Kreis schließt und die eben draußen die Frage entstehen läßt: Ist das noch unser Auftrag, der von der politischen Führung richtig gesehen wird?
Niemand von uns ist gegen lange Haare, gegen Stiefel, gegen Knickerbocker, gegen Pluderhosen, bunte Westen, lustige Mützen. Niemand von uns!

(Abg. Haase [Kassel] : Die Jusos sind gegen bunte Unterwäsche!)

Nur, niemand von uns, meine Damen und Herren, würde ja auch unbedingt eine gelbe Strickkrawatte zum Smoking tragen.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]: Warum nicht?)

— Haben Sie es schon einmal getan? Ich hoffe nicht. Alles, wo es hingehört! Die Fotografie des Soldaten mit den langen Haaren und mit dem Haarnetz

(Zuruf von der SPD: Ha, ha!) ist einfach witzig, aber nicht mehr.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein Jammer!)

Was heißt denn „Truppe", „Streitkräfte",
„Armee"? Was heißt denn „Uniform"? — Das heißt „gleich". Warum gleich? — Weil das Leute sind, die Waffen in der Hand haben, weil das Leute sind, die eine bewaffnete Macht darstellen, weil das Leute sind, bei denen Disziplin und Gehorsam besonders wichtig sind und die Verantwortung für sie besonders groß ist, weil sie deshalb einheitlich gekleidet sein müssen, damit die Einheitlichkeit des Befehls sichergestellt ist, der diese uniforme Einheit trifft und für sie gilt. Deswegen sollte auch das äußere Erscheinungsbild dem angepaßt sein, was den Auftrag betrifft. Sonst empfehle ich, schon jetzt in Vorbereitung zu nehmen — über das Haarnetz hinaus — die Lockenwickler für die Generation von morgen. Das wäre nur konsequent.

(Abg. Würtz: Und was ist mit den bunten Krawatten?)

Wenn gemeint wird — wie der Herr Minister das mit Recht etwas humoristisch sagte , daß wir früher großartige Soldaten mit Schnauzbart und sogar mit Zöpfen hatten,

(Zuruf von der CDU/CSU: Verlausung!)

dann kann ich dazu nur sagen: da gab es eigene Utensilien, die von der Armee gestellt wurden, die der Pflege dieser Haare dienten.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Eine Zwischenfrage!)

— Das habe ich langst gesehen, Herr Schafer, weil der Herr ja direkt vor mir steht. Aber überlassen Sie es doch mir, wann ich diese Frage beantworten möchte, nicht?
Das hat es alles gegeben, aber die Putzutensilien für den Soldaten wurden gleich mitgeliefert, während wir jetzt aus den ersten Garnisonen hören, daß dort bereits der Gang zur Entlausung angetreten werden mußte. Ganz sicher hat man auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr, wenn man dort 14 Tage ist, nicht die richtige Zeit, das lange Haar und
einen schönen Bart so sorgfältig zu pflegen, wie das im zivilen Leben möglich ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0611118400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeornetden Dr. Beermann?

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0611118500
Ja, bitte sehr!

Dr. Friedrich Beermann (SPD):
Rede ID: ID0611118600
Herr Abgeordneter, wissen Sie, daß in der indischen Armee die besten Soldaten die Sikhs sind,

(Zuruf von der CDU/CSU: In der indischen!)

und wissen Sie, daß bei diesen Sikhs die Haare in Schulterlänge herunterfallen, wenn sie ihren Turban abnehmen?

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das hat dort ein religiöses Motiv! — Abg. Dr. Jahn [Braunschweig] : Turban anstelle von Stahlhelm! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU: Den nehmen sie ja nicht ab!)


Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0611118700
Herr General — nachdem Sie mich mit „Abgeordneter" angesprochen haben, darf ich Ihnen diese Ihre ehemalige Berufsbezeichnung zuteil werden lassen —, mir sind die Sikhs aus eigener Anschauung bekannt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Eine Schlafmütze aufsetzen!)

Sie wissen, daß das Tragen dieser langen Haare dort ein religiöses Motiv hat, und Sie wissen, daß der Soldat der Sikhs im Kampf selbstverständlich den Turban trägt, weil ihn seine Haare sonst außerordentlich behindern würden.

(Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU.)

Der Turban ist sein Haarnetz; das ist eine alte Tradition.

(Aha-Rufe und Lachen bei der SPD.)

— Langsam, langsam! Nur: die Sikhs sind eine Elitetruppe,

(Zuruf von der SPD: Ja, unsere auch!)

und ich empfehle Ihnen, den Gedanken konsequent fortzuführen, Herr General, und auch in der Bundeswehr eine Elitetruppe von Langhaarigen aufzustellen. Das würde sich sicher sehr gut machen.

(Sehr gut! und Heiterkeit bei der CDU/ CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0611118800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Beermann?

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0611118900
Bitte sehr!

Dr. Friedrich Beermann (SPD):
Rede ID: ID0611119000
Herr Abgeordneter, sollten wir nicht auch diese unsere Armee an der Spitze des Fortschritts marschieren lassen und sozusagen



Dr. Beermann
eine neue Tradition mit einem Haarnetz für langhaarige Soldaten begründen?

(Zurufe von der CDU/CSU: Darauf würde ich gar nicht eingehen! — Das ist ganz neu!)


Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0611119100
Nach meiner Meinung eigentlich nicht. Wissen Sie, warum? Letzte und vorletzte Woche bei der Truppe habe ich viele Soldaten gesehen, die Sie und ich als unrasiert bezeichnen würden. Sie waren nicht glattrasiert, und sie hatten keinen Bart: sie waren unrasiert. Auf die Frage, warum das so sei, antwortete der Chef, die Kameraden erklärten, sie ließen sich jetzt gerade einen Bart stehen. — Sehen Sie, Herr General, und das sieht halt einfach miserabel aus.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Könnten wir uns eigentlich, wenn wir schon die Wehrpflichtzeit von 18 auf 16 Monate herabsetzen, nicht darauf einigen, daß es dann vor dieser Zeit möglich ist, lange Haare und Bart zu tragen, aber in dieser Zeit eben möglichst nicht? Das wäre, glaube ich, eine sehr vorteilhafte und eine sehr soldatische Regelung.
Aber ich möchte mich nicht weiter mit diesem sehr interessanten Problem beschäftigen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0611119200
Ich glaube, das Thema hat allmählich einen Bart.

(Zuruf: Ja, eben!)

Ich würde vorschlagen, daß wir in ,der Sache weiterkommen.

(Abg. Dr. Beermann meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage.)


Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0611119300
Ich bin da völlig der Meinung des Herrn Präsidenten und darf Sie bitten, nun die dritte Zwischenfrage nicht mehr zu stellen.

(Abg. Pawelczyk: Jetzt müßten Sie eigentlich über die Fingernägel reden! — Abg. Dr. Klepsch: Wo ist denn eigentlich unser Minister?)


Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0611119400
Die Forschung stößt im Hochschulbereich zunehmend auf Schwierigkeiten.

(Abg. Dr. Klepsch: Wo ist denn eigentlich der Minister?)

Vor kurzem wurde ein Sanitätsoffizier, der zunächst als Redner für eine wissenschaftliche Veranstaltung eingeladen war, wegen der Situation an den Hochschulen wieder ausgeladen.
Meine Damen und Herren, das alles hat ernste Hintergründe. Das alles gehört mit in den Kreis, von dem ich jetzt gerade einige Beispiele anführte.
Und ich darf Sie, meine Herren von der Bundesregierung und von den Koalitionsparteien, doch sehr bitten, nehmen Sie auch bei den Gewerkschaften und bei den anderen Institutionen und Organisationen die Bundeswehr und ihre Soldaten in Schutz.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nehmen Sie sie in Schutz — jetzt wandle ich ein
Wort des Herrn Bundesfinanzministers Möller ab
— gegen Leute, die sie angreifen und die Ihnen näherstehen als uns!

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, Sie wissen doch auch
— und die Leitung des Ministeriums weiß es ebenfalls —, daß wir ein erhebliches Ansteigen der Delikte eigenmächtige Abwesenheit von der Truppe und Fahnenflucht zu verzeichnen haben. Die Belastung der Disziplinarvorgesetzten wächst auch aus diesen Gründen. Sie wissen, daß man in der Truppe überhaupt nicht versteht, warum von der Leitung des Verteidigungsministeriums verfügt worden ist, daß der Ersatz der Kosten für die Fahndung nach einem Fahnenflüchtigen, der bisher von demjenigen, der sich unerlaubt von der Truppe entfernte, verlangt werden konnte — diese Kosten machten fühlbare Beträge von einigen hundert Mark aus —, in Zukunft von den Betroffenen nicht mehr verlangt wird. Ein vollkommen unverständlicher Erlaß!
Sie wissen auch, daß die Ausbildungsziele nur mehr durch einen anomalen, auf die Dauer nicht durchzuhaltenden Aufwand an körperlichen und seelischen Kräften der Unterführer erreicht werden können. Gleichwohl sagt die erste Studie des Rahmenkonzepts über die Bildung, daß diese Mehrbelastungen überwindbar seien. Gleichwohl wird die Reduzierung des Wehrdienstes, die eine weitere Belastung bringen muß, weiter betrieben. Der Wehrbeauftragte hat vor nicht allzu langer Zeit gesagt, der Abstand zwischen Truppe und Führung sei noch nie so groß gewesen wie heute. Ich hoffe, Sie nehmen das nicht als eine überspitzte Darstellung der Opposition.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0611119500
Herr Abgeordneter Zimmermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Horn?

Erwin Horn (SPD):
Rede ID: ID0611119600
Herr Kollege Zimmermann, halten Sie es nicht für redlich, dann, wenn Sie diese Aussage des Wehrbeauftragten zitieren, auch wenigstens seine Presseerklärung zu zitieren, in der es heißt, daß die hier beschriebenen Vorgänge viel tieferliegende Ursachen haben, die auf jahrelange Versäumnisse zurückgehen, die wiederum im wesentlichen die jetzigen Oppositionsparteien verschuldet haben?

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0611119700
So hat sich der Herr Wehrbeauftragte überhaupt nicht ausgedrückt, Herr Kollege Horn. Da haben Sie ihn außerordentlich frei zitiert oder besser gesagt interpretiert. Ich empfehle Ihnen, seinen letzten Jahresbericht zu



Dr. Zimmermann
lesen. Wir werden darüber ja in vier oder sechs Wochen debattieren.

(Abg. Horn: Den habe ich schon gelesen!)

Dort finden Sie eine Fülle von Anhaltspunkten, wie kritisch der Wehrbeauftragte selber die Truppe sieht.
Ich zitiere noch einmal Helmut Schmidt. Er sagte am 21. September 1966:
Die Truppe weiß, daß sie an vielen Stellen psychologisch, personell, materiell und ausbildungsmäßig überfordert ist, und sie leidet unter dieser Überforderung.
Das sagte Helmut Schmidt vor fünf Jahren. Er sagte weiter:
Ein schreckliches System hat sich breitgemacht, indem oben jeder den Eindruck macht, er wolle sich nur nach unten abdecken, er habe ja alles angeordnet, und die armen Schweine in der Truppe baden das aus.
Ein letztes Zitat von Helmut Schmidt:
Ich wage die Vorhersage, daß die Resignation innerhalb der Bundeswehr in vielen ihrer Ver bände noch nicht den Tiefpunkt ganz erreicht hat.
Das hat Helmut Schmidt vor viereinhalb Jahren völlig richtig gesehen. Er hat hinzugefügt:
Die Armee beschäftigt sich stärker, als es gesund wäre, mit ihrer eigenen Situation. Es ist psychologisch unglücklich, wenn sie zu sehr auf Analyse und Erforschung des eigenen Selbst geworfen ist.
Warum? Dazu wird im Rahmenbildungskonzept gesagt:
Das Studium soll bewirken, daß der Studierende
seine künftige berufliche Situation reflektiert.
Der Herr Bundesminister der Verteidigung hat heute sinngemäß gesagt — über dieses Wort war ich froh —, die wissenschaftliche Ausbildung des Offiziers werde sich auch in Zukunft an seinen Funktionen orientieren. Herr Kollege Wienand hat in seiner letzten Rede in der Haushaltsdebatte etwas anderes gesagt. Auch im Ellwein-Konzept steht etwas anderes. Dort wird der künftige Zivilberuf des Offiziers als die Zielprojektion dargestellt. Der Offizierberuf als solcher erscheint nur mehr als Übergang zu diesem zivilen Beruf.

(Abg. Dr. Klepsch: So ist es!)

Meine Damen und Herren von der Koalition, wer ergreift eigentlich einen Beruf, der bei all diesen Schwierigkeiten, die wir heute geschildert haben, bei all dieser Mühsal, diesen Sorgen, dieser geringen Anerkennung auch noch nur mehr ein Übergang zu seinem eigenen, eigentlichen zivilen Beruf sein soll?

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Pawelczyk: Gilt für Sie der Schlüssel 60 : 40 für Zeitund Berufsoffiziere nicht?)

— Herr Pawelczyk, Sie haben Gelegenheit, selbst
zu reden. Im übrigen komme ich jetzt, wo ich zur
Politisierung der Armee komme, unmittelbar zu Ihnen,

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

unmittelbar zu Ihrer Äußerung vom 20. Januar 1971, die man sich immer wieder vor Augen halten muß und die in der Truppe, wie ich mich überzeugen konnte, noch heute außerordentlich stark diskutiert wird. Ich zitiere wörtlich:
Ich halte es aber für unumgänglich, daß in Zukunft bei personellen Veränderungen Männer für bestimmte Positionen berücksichtigt werden, die von der Richtigkeit sozialdemokratischer Verteidigungspolitik überzeugt sind.
So weit, so gut.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : So schlecht!)

— So weit, so schlecht, Herr Kollege Marx, jawohl.
Aber lassen Sie mich einige Feststellungen zu der Frage treffen: Gibt es seit eineinhalb Jahren eine Politisierung in den Streitkräften?

(Abg. Schmidt [Würgendorf] : Parteipolitisierung!)

— Eine Parteipolitisierung.
Bundeswehrbeamte aller Laufbahnen ergreifen scharenweise die Flucht aus dem Ressort, weil Leistungsprinzip und Innere Führung mißachtet werden. Ein neuer Personalführungserlaß ist ausgebrütet worden, der bei den Beamten Cascade-Erlaß genannt wird, analog zur Waschmittelreklame „Zwingt Schwarz raus und zwingt Rot rein".

(Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Abg. Pawelczyk: Wie kommt das Schwarz hinein? Abg. Würtz: Da muß sehr viel schwarz sein!)

Das Referat ES Ermittlung in Sonderfällen — ist
der Leitung des Hauses unmittelbar unterstellt und um die sogenannte „Deliktrevision" — ein sehr hübsches Wort — erweitert worden, d. h. um die politische Inquisition. Es sind Erwägungen im Gange, zur Ermittlung undichter Stellen im BMVg eine ständige Telefonabhörung einzuführen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Bei den Personalratswahlen hat der Herr Verteidigungsminister unter Verletzung seiner Neutralitätspflicht offen mit den Vertretern der ÖTV sympathisiert, aber die Vertreter der ÖTV haben trotzdem eine totale Niederlage hinnehmen müssen.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Der Minister hat auch eine neue Kategorie von Befehlen geschaffen. Im SPD-Pressedienst vom 3. Dezember 1970 ist von ihr die Rede. Er sagt: „die sozialdemokratischen Befehle", — eine interessante Formulierung. Ich möchte gerne wissen, was „sozialdemokratische Befehle" eingentlich sind.
Die Berufung von Professor Ellwein und Genossen, die Behandlung der Affäre Zoll in Bergneustadt — der Vorgang war am 6. Oktober 1970 —; die Reaktion des Generalinspekteurs nach 31/2 Monaten, erst nach massiven Protesten der Öffentlichkeit und im Parlament, war eine typische Jein-Entscheidung; der Inhalt der Sonderinformationen an



Dr. Zimmermann
die Kommandeure war enttäuschend. Die Ablösung des Stellvertreters von Herrn Eilwein wäre das einzig Richtige gewesen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

weil nämlich die Bundeswehr kein Tummelplatz für antimilitärisch veranlagte Soziologen ist und keiner sein darf.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Auflösung des Instituts für Erziehung und Bildung in Heide, um die ideologisch untauglichen Dozenten besser loszuwerden, und die Neugründung des Instituts in München kennzeichnen, wie diese Dinge vor sich gegangen sind. Gleichzeitig ist der Umfang des Personals dieses Instituts auf über 100 Personen erhöht worden, also auf das Vierfache; das ist der größte Braintrust innerhalb der Bundesregierung. Wenn der nicht die ideologische Umfunktionierung vorbereiten soll, dann weiß ich eigentlich nicht, was er soll.
Helmut Schmidt hat damals — wieder 1966 — gesagt: „Wir sind uns in diesem Hause einig oder sollten uns einig sein, daß es für einen Minister absolut unzulässig wäre, die Bundeswehr im Sinne einer bestimmten politischen Partei zu politisieren." Damit stimmten wir damals und stimmen wir heute überein. Aber ich hoffe, es begegnet Ihnen noch, wie es mir an einem Dutzend Stellen im Bundesgebiet in den letzten Wochen begegnet ist, unabhängig von Garnison zu Garnison, daß mir die Offiziere sagen: „Wir sehen uns heute im Kasino um, wer neben oder hinter uns steht, wenn wir über Politik sprechen." So ist es geworden. Nehmen Sie das zur Kenntnis!

(Abg. Würtz: Üble Hetze! — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Das ist keine üble Hetze, sondern jetzt zitiere ich Ihnen den Bericht aus dem Juli 1970, den der General für das Erziehungs- und Bildungswesen im Heer an seinen Heeresinspekteur erstattet hat:
14. Politisierung der Truppe:
Ich kann in diesem letzten Halbjahresbericht meiner Tätigkeit nur noch einmal warnend auf die schleichende Politisierung in der Bundeswehr hinweisen. Nicht nur eigene Erfahrungen über unkameradschaftliches, parteipolitisch gefärbtes Verhalten von Offizieren bei Fü S und IPZ bewegen mich dazu, sondern auch die Erfahrung, daß nicht wenige Offiziere in der Truppe immer weniger riskieren, ihre Meinung frei zu sagen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Wie kommen denn die Studien zustande?)

Häufig wird die Auffassung vertreten,
— so schreibt der General für das Erziehungs- und
Bildungswesen im Juli 1970 an seinen Inspekteur —
daß man in den Offizierskorps der Wehrmacht freier sprechen konnte als heute in der Armee eines freiheitlichen Rechtsstaates.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD.)

Irgendwie werden über ÖTV oder auf dem Parteidienstweg unbequeme Aussagen lanciert, meist verzerrt und dann im „Spiegel" oder in anderen Journalen in entsprechender Aufmachung gebracht.

(Zuruf von der SPD: „Welt. am Sonntag"!)

Bei einer Abenddiskussion mit dem Offizierskorps einer Brigade anläßlich eines Abends im Offizierheim, in Gegenwart von rund 40 eingeladenen Reserveoffizieren, nahmen nur diese das Wort, kein aktiver. Von mir befragt, warum sie sich an der Aussprache nicht beteiligt hätten, antwortete ein Hauptmann etwas beschämt: „Man weiß doch nie, was von einer Diskussion nach außen dringt! Darob angegriffen zu werden, können wir uns nicht erlauben."
Ein begabter Major einer HOS übersendet mir eine vorzügliche, allerdings kritische Studie über die Bildungsreform im Heer mit der Frage, ob eine eventuelle Veröffentlichung seiner Laufbahn schaden würde.
Ein Oberstleutnant verweigert einer Zeitschrift, die eine bestimmte Richtung vertritt, einen ausgezeichneten Artikel, den er verfaßt hat, unter seinem Namen zu bringen, weil ihm das mit Sicherheit schaden würde.
Manche Offiziere schreiben bereits unter Pseudonym, weil eine zwar proklamierte, aber in der Tat nicht offene Diskussion doch nur insoweit möglich erscheint, als sie die konforme herrschende Meinung bestätigt. Wer dagegen etwas sagt, ist von einer bestimmten Presse und in den Massenmedien mit Rufmord bedroht.
Eine derartig schleichende Unaufrichtigkeit muß Spuren in Geist und Charakter der Offiziere hinterlassen und beeinträchtigt Zusammenhalt und Moral.

(Abg. Buchstaller: Vor allem den Charakter!)

Junge Offiziere bedeuten mir spöttisch:
— so schreibt der General des Erziehungs- und Bildungswesens, dessen intellektuelle Qualifikation wohl niemand hier im Hause in Zweifel zieht --

(Zuruf von der SPD: Wer war denn das?) „Wir sind auf der Suche nach Keitel!"


(Zuruf von der SPD: Nennen Sie doch einmal den Namen! — Zuruf von der CDU/ CSU: Das reicht!)

— Ich möchte doch annehmen, daß Sie lange genug im Verteidigungsausschuß sind, um zu wissen, wer General für das Erziehungs- und Bildungswesen im Jahre 1971, im Jahre 1970, 1969 und früher gewesen ist. Sie brauchen hier von mir überhaupt keinen Nachhilfeunterricht.

(Zuruf von der SPD: Kolumnist von „Welt am Sonntag" !)

Was sind die Schlußfolgerungen? Die Schlußfolgerungen aus dem allen: Dieses Papier der 30 Kompaniechefs zeigt, daß sich die Truppe den Blick für das Wesentliche, für das, was sie für wesentlich hält,



Dr. Zimmermann
absolut bewahrt hat. Das wird nicht geändert durch die Beförderung von 4000 Majoren und Oberstleutnanten, wozu mir viele Kommandeure in diesen Tagen sagen mußten: So schön das vom Geld her ist, aber daß ich an einem Tag meinen Bestqualifizierten und den Schlechtesten gleichzeitig befördern mußte, das paßt mir nicht, und das trägt neue Unzufriedenheit und Spannung hinein. Die Soldaten wollen nicht nur Hobby-Shops und Zuschüsse für die Sauna. Sie wollen die Überzeugung, daß sie einen wichtigen und sinnvollen Auftrag haben, daß sie ihn mit den vorhandenen Mitteln durchführen können und daß die politische Führung sie uneingeschränkt und rückhaltlos und jedem gegenüber für diesen Auftrag in Schutz nimmt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, es gibt Gott sei Dank noch Männer, die Soldaten sein wollen und die die Bundeswehr nicht nur als Übergang zu einem Zivilberuf betrachten. Wenn es nicht gelingen sollte, ihnen das Gefühl für die Wichtigkeit ihrer Funktion wiederzugeben, dann wird die Armee in wenigen Jahren nicht mehr aktionsfähig sein, und zwar weder als eine Wehrpflichtarmee noch gar als eine Berufsarmee.
Alle gesellschaftlich relevanten Kräfte in dieser Gesellschaft und in diesem Lande müssen sich anders als bisher um den Auftrag der Verteidigungsstreitkräfte bemühen. Sie stellen sich damit hinter den Soldaten und auch hinter das Bündnis. Bundesregierung und Parlament haben den Auftrag, sich vor die Streitkräfte zu stellen, und zwar nicht nur durch ein Lippenbekenntnis oder einen Pflichtakt. Sie haben das Recht und die Pflicht zu treuem Dienen vor das Recht zu stellen, den Wehrdienst zu verweigern, um das einmal deutlich zu sagen. Die Bundesregierung weiß, daß auf den Streitkräften, auf dem Bündnis ihre außen- und innenpolitische Bewegungsfreiheit beruht. Wenn das in den Streitkräften so weiterginge, wenn dem nicht Einhalt geboten würde, wenn die Abwanderung, das Quittieren des Dienstes, weiter Schule machte und die besten Offiziere die Armee verließen, weil sie in dieser Armee keine Zukunft mehr sehen, was würde daran hängen? —Die Truppenpräsenz, das Bündnis, das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten und damit alles, was an Bewegungsfreiheit für eine Politik in diesem Lande vorhanden ist!

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr wahr!)

Wer möchte so ungeschützt in einigen Jahren in eine etwaige Konferenz über die europäische Sicherheit gehen?

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Was wäre der Preis?
Die CDU/CSU-Fraktion, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, geht auf allen Wegen mit, die Sie beschreiten möchten, um die Truppe zu stärken und dem Offizier- und dem Unteroffizier-korps wieder Mut zu machen. Wir allein können das nicht, wir sind die Minderheit. Es ist notwendig, daß die Bundesregierung und die Mehrheitsfraktionen vorangehen. Herr Verteidigungsminister, Herr Bundeskanzler, setzen Sie hier auch persönlich ein Zeichen!

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Wo ist er eigentlich?)

Es ist spät, aber noch nicht zu spät.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Wehner.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0611119800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jung von der Fraktion der FDP. Seine Fraktion hat eine Redezeit von 60 Minuten angemeldet.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0611119900
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Zimmermann hat vorhin unter dem Applaus einiger empfindsamer Kollegen von seiner Fraktion den Stil der heutigen Debatte gerügt. Vielleicht sollte die Information innerhalb der Opposition ein wenig verbessert werden; denn der Ablauf der heutigen Plenarsitzung wurde doch, soweit ich informiert bin, in der vorletzten und in der letzten Sitzung des Ältestenrates von Herrn Rasner so vorgeschlagen. Nach diesem Vorschlag haben wir dann eben Ende April die Möglichkeit, in die Detaildiskussion der Großen Anfrage einzusteigen.
Eine zweite Vorbemerkung. Herr Kollege Zimmermann hat darum gebeten, daß gewisse Institutionen belehrt werden sollten, nicht die Bundeswehr anzugreifen, oder anders ausgedrückt: die Bundeswehr vor Angriffen zu schützen. Ich hoffe, Herr Kollege Zimmermann, Sie haben das nicht in unsere Richtung gesagt; denn eine solche Aufforderung würden wir mit aller Entschiedenheit zurückweisen müssen. Wir stehen zur Bundeswehr!
Die heutigen sicherheitspolitischen Erklärungen werden zu einem Zeitpunkt abgegeben, zu dem vor allem aktuelle Ereignisse aus dem Bereich der Bundeswehr und der Verteidigung im Vordergrund stehen: das Bildungs- und Ausbildungskonzept, der Bericht der Wehrstrukturkommission zur Wehrgerechtigkeit und der Rahmenerlaß zur Neuordnung des Rüstungswesens im Bundesministerium der Verteidigung. Aber auch die Starfighter-Absturzserie zu Beginn dieses Jahres, die Niederschrift von 30 Hauptleuten der Bundeswehr und vieles andere mehr sind Diskussionsthemen, auf die sich das sicherheitspolitische Interesse gegenwärtig konzentriert. Diese Zusammenballung von sicherheits- und wehrpolitischen Aussagen kann nicht als Zufall angesehen werden; sie ist vielmehr Ausdruck der Tatsache, daß die Tatbestände im Bereich der Sicherheit und der Bundeswehr sich durch die Kumulation ihres Eigengewichtes gegenwärtig selbst die ihnen zukommende Priorität verschaffen.
Die Bundestagsfraktion der FDP ist der Meinung, daß sich der Bundestag heute und in der geplanten großen Debatte Ende April diesen Problemen unvermittelt und nachdrücklich widmen sollte. Es gilt, politische Entscheidungen zunächst vorzubereiten und später in Kraft zu setzen, die für dieses Jahrzehnt, wahrscheinlich aber noch wesentlich darüber hinaus, politische Bedeutung haben werden.



Jung
Die FDP hat aus dieser Erkenntnis und gemeinsam mit dem Koalitionspartner Ende Januar 1971 eine Große Anfrage eingebracht, die Ende April hier zur Detailberechnung anstehen wird.
Die CDU/CSU-Fraktion hat am 9. März ihrerseits eine Große Anfrage nachgeschoben und damit zu verstehen gegeben, daß auch sie unsere Sicherheitssituation und -politik für diskussionsbedürftig hält.
Inzwischen liegt die Antwort des Bundesministers der Verteidigung auf diese Großen Anfragen vor. Damit sind Voraussetzungen gegeben, über einen Zeitraum von einigen Wochen hinweg sowohl die aktuellen Vorstellungen der Regierung und der sie tragenden Parteien als auch der Opposition zu diskutieren. Die Gelegenheit zu dieser Diskussion begrüßen wir Freien Demokraten ganz außerordentlich, und wir wollen versuchen, zur Schaffung von Klarheiten über den sicherheitspolitischen Weg der Bundesrepublik beizutragen, und zwar nicht nur für einen durch aktuelle Anlässe gekennzeichneten kurzen Zeitabschnitt, sondern darüber hinaus für die kommende Dekade.
Wir hielten es für zu kurz geschossen, meine Damen und Herren, sollte sich diese Debatte lediglich auf aktuelles und technisches Hick-Hack beschränken und dadurch auf die Behandlung der Grundfragen unseres Themas verzichten. Politisch wäre es doch wohl unrentabel. Die Bürger, vor allem die Bundeswehr, erwarten von diesem Hause und von der sicherheitspolitischen Aussprache heute und in den kommenden Wochen mehr.
Lassen Sie mich zunächst auf einige sicherheitspolitische Vorstellungen der Bundesregierung eingehen, wie sie in der ausgedruckten Antwort des Verteidigungsministers auf die Großen Anfragen knapp skizziert sind.
Der Obmann der Arbeitsgruppe „Verteidigung" der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der Herr Kollege Klepsch — ich sehe ihn im Augenblick nicht —, qualifiziert diese Antwort pauschal als enttäuschend und als von geringem Informationswert ab. Dieser einseitigen und wohl mehr propagandistisch gemeinten Beurteilung vermag ich nicht zuzustimmen.
Lassen Sie mich nur eine Stelle aus der Antwort der Regierung zitieren, deren Informationswert, vor allem aber deren politische Bedeutung, einen allerdings hellwach machen kann. Dort heißt es — ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten —:
Hinsichtlich des Kampfpanzers 70 und der Fregatte 70 war entscheidend, daß finanzieller Aufwand und militärische Wirksamkeit nicht mehr in ein vertretbares Verhältnis zueinander gebracht werden konnten. Dieser Sachverhalt hätte ebenso schon einige Jahre früher erkannt werden können wie die Tatsache, daß der vorgefundene Rüstungsplan und die vorgefundene mittelfristige Finanzplanung nicht mehr zur Deckung zu bringen waren.
Soweit das Zitat.
Mit dieser diplomatisch-höflichen Umschreibung soll doch offensichtlich die beschämende Tatsache dargestellt werden, daß in den Jahren vor der
6. Legislaturperiode im Bereich der Rüstung und Beschaffung Unordnung herrschte und folglich Steuergelder verwirtschaftet wurden.

(Sehr richtig! und Beifall bei den Regierungsparteien.)

Den Informationswert dieser Mitteilung halten wir Freien Demokraten für so erheblich, daß wir den Minister in diesem Zusammenhang direkt fragen möchten, ob er in der Lage ist, die politisch Verantwortlichen zu nennen,

(Abg. Dr. Klepsch: Der Minister hört nicht zu!)

ob er ferner in der Lage ist, die genannten Planungsfehler geldwertmäßig darzustellen. Vielleicht wird der Herr Minister auch in der Lage sein, Herrn Klepsch demnächst durch einige zusätzliche Hintergrundinformationen zu dem sehr sachlichen und nüchternen Text der Antwort der Bundesregierung doch etwas den Informationswert zu verdeutlichen. Es ist ja nicht ausgeschlossen, daß einige Oppositionspolitikern das Verständnis für die politische Bedeutung mancher Aussage dieser Antwort bei etwas gründlicherem Lesen nachträglich noch kommt. Vielleicht können wir darüber im April noch einmal etwas Selbstkritisches oder Durchdachtes von den Kollegen der Opposition hören.
Ich möchte nicht polemisch werden, kann aber nicht umhin, mich mit Blickwendung zu Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, einer recht eigenartigen Erscheinung zuzuwenden. Folgt man nämlich den sicherheitspolitischen Auslassungen der einschlägig befaßten Oppositionspolitiker — Herr Kollege Klepsch, Sie sind inzwischen anwesend

(Abg. Dr. Klepsch: Herr Jung, ich war immer da!)

— entschuldigen Sie bitte, ich habe Sie vorhin nicht gesehen —;

(Abg. Dr. Klepsch: Aber der Minister, von dem Sie reden, war nicht da und ist auch jetzt nicht da! Den interessiert das nicht, was Sie reden!)

in diesem Zusammenhang darf ich Sie auf die „Informationen zur Verteidigungspolitik", die unter Ihrem Namen herausgegeben werden, hinweisen —, so müßte es in diesem Hause und im politischen Leben dieses Landes Politiker geben, die auch in diesem, im militärischen Bereich alles richtig gemacht haben, alles richtig machen und alles richtig machen werden, die von Natur aus gleichsam fehlerfrei geschaffen sind. Diese Politiker verbindet ein Kennzeichen: der Sitzplatz auf den Oppositionsbänken. Ein ganz kleiner Rest irgendwelcher anderer Politiker, die durch eine irrige Laune des Schicksals zufällig in die Regierung gelangt sind, macht demgegenüber alles falsch und ist seiner ganzen Natur nach dazu bestimmt, Bankrott zu machen. Das sind dann die Abgeordneten und Politiker hauptsächlich der Regierungsparteien.
Man braucht dieser Auffassung nur zuzustimmen, man braucht nur zu bestätigen, daß früher alles besser war und man am besten alles beim alten lassen soll, dann liegt man angeblich politisch rich-



Jung
tig. Nachdem diese Alleskönner, Alleswisser und politischen Tausendsassas sich nun aber dennoch in der Opposition wiederfinden, hat ihr Selbstverständnis den reziproken Wert angenommen, so etwa, wenn Kollege Rommerskirchen die Koalitionsfraktionen FDP und SPD treuherzig ermahnt, die Kontrollfunktion des Parlaments nicht nur zur Sache der Opposition werden zu lassen. So ist das also: Die in die Opposition gekantete Staatspartei CDU/ CSU, die natürlich entsprechend ihrer höchsten Berufung die Last der Verantwortung für Land und Volk nun erst recht mutig und unerschütterlich trägt, bittet die Koalitionsfraktion, sich doch wenigstens nicht nur auf bestellten Applaus für die Regierung zu beschränken und der Opposition doch wenigstens ein ganz klein bißchen von der unerhörten Bürde der parlamentarischen Kontrolle abzunehmen.

(Abg. Schmidt [Würgendorf] : Herr Jung, uns sind die Tränen gekommen!)

— Das wollte ich an sich erreichen.

(Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

Es fällt einem wirklich schwer, sehr verehrte Kollegen von der Opposition, hier nicht allzu polemisch zu werden und Worte wie Hoffart, Gigantomanie oder ähnliches zu verwenden.
Aber ich möchte mich mit wichtigeren Dingen befassen als mit der Selbsteinschätzung, dem Selbstverständnis und der primadonnenhaften Empfindlichkeit der Opposition, wie sie vorhin wieder bei dem Auftritt von Herrn Kollegen Zimmermann deutlich wurde. Herr Kollege Zimmermann, auch wir haben diese Erklärung nicht vorliegen gehabt. Ich habe eingangs darauf hingewiesen, wie das Prozedere dieser Plenarsitzung des heutigen Vormittags zustande kam, nämlich im wesentlichen auf die Intervention des parlamentarischen Geschäftsführers der CDU/CSU-Fraktion.
Die Thesen der 30 Kompaniechefs spielten eine Rolle sowohl bei den Ausführungen des Ministers als auch bei denen des Herrn Kollegen Zimmermann. Vieles davon kann man in offiziellen Veröffentlichungen der Bundesregierung wiederfinden, sei es im Weißbuch, sei es im Kommissionsbericht der Wehrstrukturkommission. Ich will nur auf einen Punkt eingehen. Die 30 Kompaniechefs haben sich auch zur Frage des Kräfteverhältnisses geäußert. Ich meine aber, sie sind dabei auch — ich will härtere Wertungen vermeiden — einigen Fehlinformationen aufgesessen, die — auch das ist nicht zu leugnen — unter dem Namen einiger Herren Kollegen von der Opposition in die Bundeswehr gepumpt wurden. Dort werden Behauptungen über das Ost-West-Kräfteverhältnis verbreitet, die sich jetzt in der Niederschrift der Hauptleute wiederfinden, die aber von der Einschätzung abweichen, wie sie in den amtlichen Unterlagen der NATO, der NATO-Parlamentarierkonferenz und dem Weißbuch der Bundesregierung für jeden nachlesbar ist.

(Zuruf von der SPD: Und der „Welt" vor allen Dingen! — Weitere Zurufe von der SPD.)

Durch solche Kaffeesatzdeuterei, meine Damen und
Herren von der Opposition, wird Unruhe und eine
unangebrachte politische Polarisierung in die Bundeswehr getragen. Und diese Scheinheiligen vergießen dann Krokodilstränen über die angebliche Politisierung der Bundeswehr.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Das wollen die ja!)

Was mir an diesem Vorgang zu denken gibt, ist folgendes: Eine ganz bestimmte Presse einer wohlbekannten Hamburger Provenienz, ein Ruhestandsgeneral der nämlichen Provenienz und deren parteipolitische Hintermänner wollen in unserem Staate im Trüben fischen.

(Sehr gut! bei den Regierungsparteien. — Oh-Rufe hei der CDU/CSU.)

Sie mißbrauchen dazu Offiziere mit ehrlichen, vielleicht teilweise über das Ziel hinausschießenden Anliegen. Die Hauptleute wollten helfen, die Manipulatoren dagegen wollten Wunden schlagen, vielleicht um selbst dann aus dem Hinterhalt als die großen Retter in Erscheinung treten zu können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Diese Methode der politischen Auseinandersetzung lehnen wir ab. Sie schadet der Bundeswehr, unserer Demokratie, uns allen.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren, damit sind wir beim Thema Bundeswehr und Gesellschaft. Manche behaupten, bestimmte reformbereite politische Parteien oder Kräfte dieses Landes seien daran, die Bundeswehr zu politisieren und umzufunktionieren, sie zu einem Debattierclub zu reformieren und sie damit letztlich ihres Kampf- und Abschreckungswertes zu entkleiden. Das ist natürlich unrichtig. Richtig ist vielmehr, daß wir noch nicht in allen Fragen die richtigen Verhaltensweisen und Spielregeln in der Armee unserer jungen deutschen Demokratie gefunden haben, daß wir aber in den Güterabwägungen jeweils zwischen etwas mehr individueller Selbstgestaltung oder etwas mehr straffer Zucht und hierarchischer Ordnung in der Bundeswehr, in der Güterabwägung zwischen etwas mehr Diskussion und mehr Mitdenken oder etwas weniger Diskussion und weniger Mitdenken in der Regel lieber den Weg weisen, der den gesamtgesellschaftlichen und Verfassungsprinzipien näher ist, auch wenn dieser Weg nicht den „wohlbewährten" Methoden früherer deutscher Armeen entspricht.
Der Wehrbeauftragte hat in seinem Bericht jedoch absolut zutreffend hervorgehoben, daß es nicht genüge, hier nur Tendenzen festzulegen, sondern daß für einen Organismus wie die Bundeswehr auch klare und für den letzten Soldaten verständliche und überschaubare Einzelregelungen gegeben und — das ist wichtig — begründet werden müßten. Wir stimmen mit dem Wehrbeauftragten ebenfalls vollständig darin überein, daß die Skizzierung moderner militärischer Verhaltensweisen in allererster Linie eine Aufgabe der politischen Führung ist. Diese Aufgabe hat nach unserer Meinung eine außerordentlich hohe Priorität im Aufgabenkatalog des Ministeriums.



Jung
Man komme uns nun nicht mit dem Einwand: Aha, jetzt meckert die FDP am SPD-Minister Schmidt herum. Wir haben großes Verständnis für bestimmte Nachwirkungen nach der Übernahme der politischen Verantwortung in einem Ministerium, das seit Anfang seines Bestehens von CDU-Politikern geführt wurde, von Politikern, die zeitweise mehr auf die Zahl 508 000 bzw. 460 000 oder 12 Divisionen starrten als auf die politischen, psychologischen und menschlichen Probleme, die der Aufbau eines derartigen Riesenapparates notwendigerweise mit sich bringen mußte.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Einem Minister zuzumuten, mit einem derartigen Apparat einen schroffen Kurswechsel zu vollziehen, hieße in jedem Falle, ein Zerstörungswerk zu beginnen. Die FDP hat folglich Verständnis für die Sorgfalt, die die Bundesregierung auf die Prüfung derjenigen Pläne und Maßnahmen verwendet, die sich auf die Zukunftsentwicklung der Bundeswehr und die künftige Sicherheitspolitik der Bundesregierung auswirken werden.
Hier nun den Vorwurf zu erheben, die Bundesregierung habe kein Konzept für die Zukunft der Bundeswehr, ist natürlich billige, um nicht zu sagen: schlitzohrige Agitation. Ich könnte leicht den Spieß umdrehen und sagen: die Opposition hat keine sicherheitspolitische Konzeption. Aber mir wäre diese Retourkutsche, selbst wenn sie einen vordergründigen Propagandaeffekt erzielen sollte, zu billig. Ich behaupte vielmehr: die Opposition hat ein Konzept, allerdings ein falsches. Das Gerippe dieses dünnblütigen Konzepts besteht darin, das einfach fortzusetzen, was bei der jetzigen Opposition 18 oder 20 Jahre lang als Sicherheitspolitik ausgegeben wurde.

(Abg. Dr. Wulff: Sind Sie denn überhaupt nicht dabei gewesen?)

Das Konzept besteht ferner darin, im wesentlichen nach mehr Soldaten, Einheiten, Waffen und Geld für diese Verbände zu rufen und undifferenziert, ja, manchmal blind, auf jeden einzudreschen,

(Abg. Dr. Wulff: Sie sind auf beiden Augen blind!)

der zu bedenken gibt, daß Sicherheit auf dieser Grundlage in gesellschaftspolitische Unsicherheit umschlagen kann, wenn man die allgemeine Entwicklung derart vernachlässigt. — Ich glaube, damit habe ich auch die richtige Antwort auf Ihren Zwischenruf gegeben.
Dem Verteidigungsminister sind durch die Auswirkungen dieser Politik die Hände in manchen Bereichen derart gebunden, daß wir ihn um seine Zuständigkeit nicht beneiden. Wir möchten andererseit den Verteidigungsminister bestärken und ermutigen: lassen Sie sich nicht durch die normative Kraft des Faktischen oder die stummen Zwänge des Überkommenen daran hindern, Alternativen für die Weiterentwicklung unserer Bundeswehr und die Zukunftsoption für die nächsten 10, 15 und 20 Jahre auszuarbeiten!
Auch das Gerede von einer Krise in der Bundeswehr ist natürlich Unsinn. Man braucht hier gar nicht sachlich zu untersuchen, wie weit daran etwas Wahres sein könnte. Es gibt genügend Aussagen und Stellungnahmen — nicht nur aus dem Bereich der Bundesluftwaffe oder Marine, sondern auch aus dem Bereich des Heeres und der Kampftruppen —, die eine einigermaßen kontinuierliche, befriedigende Entwicklung erkennen lassen. Es gibt Beispiele dafür, leider anscheinend erst punktuell — immerhin habe ich vor wenigen Tagen ein solches erlebt —, daß Meldungen als Zeitsoldaten in letzter Zeit stark zugenommen haben, und zwar nicht nur als Zeitsoldaten Z 2, sondern insbesondere als Z-4-Zeitsoldaten. Hier kann ich auf das Beispiel des Luftwaffenausbildungsregiments in Germersheim verweisen, wo mir der Kommandeur, Herr Oberst Weiß, am vergangenen Freitag eine derartige Auskunft gegeben hat. Wegen der Überzahl der Meldungen werden diese Bewerbungen dort sogar sehr kritisch geprüft und müssen Bewerber möglicherweise auch abgewiesen werden. Hier entsteht die Frage, inwieweit die Bundeswehr in sich selbst solche Meldungen rasch, unbürokratisch und damit für den einzelnen ansprechend auch in andere Teilstreitkräfte vermitteln kann. Dazu — das als Beispiel genommen würde die sogenannte Bundeswehrlösung sehr viel beitragen.
Wir wissen alle, daß es in der Bundeswehr Wachstumsschwierigkeiten gibt, für die die Soldaten selbst ebensowenig verantwortlich gemacht werden können wie ein heranwachsendes Kind oder ein heranwachsender Jugendlicher für die Entwicklungsschwierigkeiten, die nun einmal in dem Lebensprozeß eines Organismus liegen und die in der ganz großen Mehrheit aller denkbaren Fälle ganz und gar nichts mit Krisen oder Katastrophen zu tun haben. Wenn wir hier, und zwar kritisch, über Schwächen, Fehler und Mängel reden, sprechen wir also über einen Wachstumsprozeß. Wir müßten eigentlich in einigen Fällen auch über das Versagen der Erzieher sprechen, — und das, meine Damen und Herren, sind wir alle hier, und das ist in unserem Falle insbesondere eine Regierung mit jahrzehntelanger CDU-Dominanz.
Weil mir aber die Zeit für das ewige gegenseitige Aufrechnen zu schade ist, verzichte ich auf diese frustrierende Vergangenheitsbewältigung. Tatsache ist, daß die Bundeswehr zu rasch in einen zu großen Anzug hineinwachsen mußte. Nicht alle Gliedmaßen wuchsen in gleichem Tempo mit, so daß bei den länger dienenden Soldaten eine außerordentlich angespannte Personallage besteht, der mit punktuellen materiellen Anreizen und sonstigen Einzelmaßnahmen nicht wirklich nachhaltig begegnet werden konnte.
Herr Barzel, wie richtig war es doch, zu sagen, daß die Einführung von Baretten, die Übernahme von Saunabetriebskosten in Kasernen durch den Bund und ähnliche Maßnahmen als ein Kurieren am Symptom zu bezeichnen ist! Das ist sehr richtig. Nur habe ich bei Ihnen nicht nachlesen können, wie Sie an die Ursachen herankommen wollen; denn da liegen natürlich die Probleme und wahrscheinlich die wesentlichen Meinungsverschiedenheiten.



Jung
Es ist Tatsache, daß das Problem der Wehrgerechtigkeit und der Kriegsdienstverweigerung noch nicht wirklich gelöst wurde und dadurch ein erhebliches Maß an innerer Unsicherheit in der Bundeswehr fortbesteht. Herr Kollege Zimmermann hat vorhin auf die wachsende Anzahl der Kriegsdienstverweigerer hingewiesen. Wir haben vor zwei oder drei Jahren den damaligen Minister für Arbeit und Sozialordnung aufgefordert, nun endlich die entsprechenden Ersatzdienstplätze zu schaffen. Was ist geschehen? Außer einer Zusage nichts!

(Zustimmung bei der SPD.)

Es ist Tatsache, daß sachliche Veränderungen und finanzielle Umschichtungen im Rüstungsplan bzw. in der mittelfristigen Finanzplanung erforderlich wurden, die selbst heute noch Sicherheitseinbußen bedeuten. Die FDP ist mehr denn je überzeugt, daß die seinerzeitige Ausstattung der Bundeswehr mit nuklearen Trägerwaffen ebenso ein militärischstrategischer wie ein sicherheitspolitischer Fehler war. Dieser Fehler wirkt, wenngleich etwas reduziert, heute noch fort.
Es ist auch Tatsache, daß bei einer sehr einseitigen Betonung des Wertes präsenter Kampftruppen ein unerhörtes Sicherheitspotential von bald anderthalb Millionen Wehrpflichtigen praktisch brachliegt und die hier getätigten Investitionen für unsere Sicherheit keinen wesentlichen Nutzeffekt mehr bringen, die Grundsätze der Inneren Führung zwar im Prinzip bejaht werden, Berufsziele, Berufsinhalte, Bildungswege und modellhafte Verhaltensweisen jedoch ungenügend definiert sind.
Ich habe diese Tatsachen, meine Damen und Herren, nicht aufgezählt, um hintenherum auf irgend etwas Krisenhaftes herauszukommen. Ich möchte vielmehr zeigen, daß die Bundeswehr in eine Wachstumsphase, in ein Entwicklungsstadium einzutreten im Begriffe ist oder bereits eingetreten ist, in dem für einen etwas längeren Zeitabschnitt notwendigerweise eine Weichenstellung erfolgen muß. In der Tat ist es in der jetzigen Situation nicht mit dieser oder jener kosmetischen Operation getan. Obgleich sicherlich bei einem so riesenhaften Organismus wie der Bundeswehr ständig irgendwelche Neuregelungen erforderlich sind, geht es heute um eine prinzipielle Weichenstellung für einen längeren Zeitabschnitt. Bildhaft gesprochen, es geht nicht darum, ob Heranwachsende von der einen Klasse in die nächste versetzt wird, sondern darum, welchen Beruf er ergreifen will, ob er studieren will und, wenn ja, was. Herr Barzel, es geht um eine bedeutende Reform im vollen Sinne des Wortes.
Lassen Sie mich deshalb versuchen, eine knappe Skizze dessen zu entwerfen, was der Freien Demokratischen Partei auf diesem Felde als Option für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre als richtig erscheint und was wir im Rahmen der wenigen theoretisch möglichen wehrpolitischen Alternativen für das eine Eckmodell halten.
Eine Bundeswehr, die den zukünftigen Erfordernissen unserer Sicherheit, vor allem aber auch den allgemeinen Entwicklungsbedingungen einer demokratischen Gesellschaft in einem hochentwickelten
Industriestaat unmittelbar an der Scheidegrenze der großen politischen Weltsysteme entsprechen soll, müßte etwa nach folgenden Prinzipien gestaltet werden.
Erstens. Die Spitzengliederung in der politischen Führung der Landesverteidigung müßte weiterhin gestrafft und den unmittelbaren Einsatzerfordernissen angepaßt werden. Unterhalb des Ministers und des Parlamentarischen Staatssekretärs als seines politischen Stellvertreters stehen an der Spitze die zwei Staatssekretäre und der ihnen gleichgestellte Generalinspekteur. Der Generalinspekteur ist in den Befehls- und Kommandostrang voll einbezogen. Ihm unterstehen auf der Ebene der Hauptabteilungsleiter Rüstung, Verwaltung und Recht die Inspekteure der Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe und Marine, womit das Ministerium faktisch zwei zivil- und drei militärisch geführte Hauptabteilungen besitzt. Mit dieser Spitzengliederung, die sachentsprechend, funktionsgerecht und in Über- und Unterordnung auch logisch und schlüssig ist, wird die sogenannte Bundeswehrlösung als Fernziel angesteuert. Dies ist aus vielerlei Gründen die zukunftweisende Lösung. — Meine Damen und Herren, ich sage hier nichts Neues, sondern das, was ich vor über drei Jahren hier in diesem Hause in der Frage des Organisationsgesetzes Ihnen vorzutragen die Ehre hatte.
Zweitens. Die Bundeswehr gliedert sich weiterhin in drei Teilstreitkräfte, Heer, Luftwaffe und Marine, deren Verbund jedoch nach Bedarf verstärkt werden kann. Die Spitzengliederung enthält diese Option. Die Teilstreitkräfte Luftwaffe und Marine möchte ich in ihren bisherigen Strukturen erhalten wissen. Ihre Umfangszahlen bleiben deshalb im wesentlichen auf dem bisherigen Niveau. Die Masse der Angehörigen dieser beiden Teilstreitkräfte besteht aber nach unseren Vorstellungen aus länger-dienenden Soldaten, weil man in diesen hochtechnisierten Teilstreitkräften ganz einfach auf solchen Spezialisten aufbauen muß. Nach Abschluß der Heeresreform wird geprüft, inwieweit sich Konsequenzen für Luftwaffe und Marine ergeben, die dort zu Anpassungen führen.
Drittens — dies ist der wichtigste Punkt, weil auch in den Thesen der 30 Hauptleute insbesondere die Situation der Kampfgruppen angesprochen wurde —: Die Teilstreitkraft Heer wird reorganisiert. Sie gliedert sich künftig in zwei Elemente, nämlich in aktive Einsatzverbände und in ein milizartiges Wehrpflichtsystem, das ich der Einfachheit halber als Milizverbände bezeichnen möchte.
Viertens. Die aktiven Einsatzverbände haben einen Umfang von 240 000 Mann, die sich gliedern in Heerestruppen (15 000) in sechs Korps (mit 81 000), in 36 mechanisierte Brigaden (mit 144 000). Wie Sie sehen, entfällt die Divisionsebene.
Fünftens. Die aktiven Einsatzverbände bestehen zu maximal 25 % aus Wehrpflichtigen. Das heißt, der Wehrpflichtigen-Anteil von zirka 60 000 Mann maximal gewährleistet ein Verhältnis von 75 % Längerdienenden zu 25 % Wehrpflichtigen. Die Wehrpflichtdauer wird generell auf zwölf Monate



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festgesetzt. Die maximal 60 000 Wehrpflichtigen der aktiven Einsatzverbände schöpfen damit rund ein Viertel bis ein Fünftel der nach den vorliegenden Unterlagen auf absehbare Zeit, bis etwa 1980, gegebenen Jahrgangsstärken von 200 000 bis 300 000 tauglichen oder eingeschränkt tauglichen Wehrpflichtigen aus.
Sechstens. Der Auftrag der aktiven Einsatzverbände lautet in Übereinstimmung mit dem Auftrag der gesamten Bundeswehr: volle Präsenz zur Abwehr von Überraschungsangriffen, Zeitgewinn für Krisenmanagement, politische und Mobilisierungsmaßnahmen. Die aktiven Einsatzverbände sind der NATO voll assigniert und entsprechen den Anforderungen der NATO in wesentlich höherem Maße als die jetzigen Kampftruppenverbände. Sie hätten auch einen wesentlich höheren Abschreckungswert. Wir sind uns darüber im klaren, daß diese Punkte natürlich besonders mit unseren Partnern in der NATO verhandelt werden müssen. Deshalb auch unsere Aufforderung, darüber zu sprechen.
Siebtens. Die Milizverbände haben einen Umfang von bis zu 80 000 Mann, die sich in Kaderpersonal von 15 000, Längerdienende und 65 000 Wehrpflichtige gliedern. Zu diesen 80 000 Mann kommen dann noch Plätze für bis zu maximal 20 000 Wehrübende.
Achtens. Für die Wehrpflichtigen in den Milizverbänden würde hei einer gleichfalls generellen, auf zwölf Monate befristeten Wehrpflichtdauer eine gleitende Dienstzeit eingeführt werden können. Diese kann auch je nach Truppen- oder Waffengattung bzw. Verwendung — denken Sie z. B. an die berühmte Zweitfunktion —auf eine variable Zahl von weniger als zwölf Monaten festgelegt werden. Der Rest bis zu zwölf Monaten wird in späteren Wehrübungen auf den dafür vorgesehenen Wehrübungsplätzen abgeleistet.
Durch das Zahlenverhältnis in den Milizverbänten und die Einführung einer gleitenden Dienstzeit werden die restlichen vier Fünftel bis drei Viertel, d. h. die restlichen 140 000 bis 240 000 Tauglichen oder eingeschränkt Tauglichen eines Geburtsjahrgangs, faktisch komplett zum Wehrdient erfaßt. Es wird ein hohes Maß von Wehrgerechtigkeit erreicht, und das gesamte Milizheer hat eine Struktur, die genügend Flexibilität aufweist, um bestimmte zahlenmäßige Schwankungen in den Jahrgangsstärken und Musterungsergebnissen mühelos abzufangen.
Meine Damen und Herren, wenn ich Ihnen das etwas detailliert vortrage, dann deshalb, weil ja immer wieder der Vorwurf kommt, wir berechneten die Folgen nicht. Hier trete ich den Beweis an, daß diese unsere Überlegungen, die wir gemeinsam auf unseren wehrpolitischen Kongressen erarbeiten, eine gesunde Basis haben und daß man auf dieser Basis diskutieren kann, zumindest für das nächste und übernächste Jahrzehnt.
Neuntens. Der Auftrag der Milizverbände entspricht in Abwandlung des Gesamtauftrages der Bundeswehr ihrem Charakter: gesamte Rekrutenausbildung, darunter auch für die aktiven Einsatzverbände, Unterstützung der Einsatzverbände unter Erhaltung der Operationsfreiheit der gesamten Bundeswehr — das betrifft die Logistik, das Transportwesen, Verkehr, das Ordnungswesen, Gesundheitswesen, Heimatschutz, Objektschutz — und Integration von militärischer und ziviler Verteidigung.
Die Milizverbände sind der NATO nicht assigniert, bilden aber durch die veränderte Spitzengliederung der Landesverteidigung und ihren eigenen Auftrag ein wesentliches Element der direkten Unterstützung der westlichen Verteidigungsallianz.
Zehntens. Durch die Gewinnung einer in sich völlig defensiven, politisch jedoch wirkungsvoll einsetzbaren Mobiliserungskapazität erlangen Bundeswehr und NATO einen bedeutenden Abschreckungs-
und damit Sicherheitszuwachs. Der Gesamtumfang der Bundeswehr bleibt bei dieser Konzeption mit etwa 320 000 Mann der Teilstreitkraft Heer — aktive Einsatzverbände plus Milizverbände — und mit zirka 95 000 Mann Luftwaffe und zirka 35 000 Marinesoldaten ungefähr auf dem jetzigen Stand von 450 000, wobei das natürlich variabel ist. Hinzu kämen bis zu 20 000 Wehrübende. Politische Erfordernisse können durch flexible Handhabung der Einsatzzahl im Bereich der Milizverbände und Wehrübenden aufgefangen werden, indem hier zeitweilig zahlenmäßige Veränderungen eintreten. Die aktiven Einsatzverbände werden hierdurch jedoch nicht mehr in Mitleidenschaft gezogen. Die NATO-Anforderungen können unbeeinträchtigt erfüllt werden.
Elftens. Bei konsequenter Realisierung des Konzeptes können die Kasten der Bundeswehr im Rahmen der Ansätze der mittelfristigen Finanzplanung abgedeckt werden. Umschichtungen im Verteidigungshaushalt sind allerdings unvermeidlich, wie wir sie ja seit 1968 in der Haushaltsdebatte angekündigt und exakt mit Zahlen belegt haben.
Mit der hier in elf thesenartigen Forderungen wiedergegebenen Konzeption würden verläßlichere Grundlagen für unsere Sicherheit und Landesverteidigung geschaffen, ohne daß die alten Fundamente etwa weggerissen würden. Ein allmählicher und schrittweiser Übergang in flexiblen Phasen und Maßnahmen wäre möglich und auch notwendig. Ursachen heutiger Friktionen und Schwierigkeiten würden von der Wurzel her beseitigt.
Lassen Sie mich selbst fragen, welche die verschiedenen Konsequenzen einer solchen Bundeswehr-und insbesondere Heeresreform wären. Zunächst und zuerst: Was werden die Soldaten der Bundeswehr zu diesem FDP-Rahmenkonzept sagen? — Ich kann eigentlich nur erkennen, daß ihnen hier eine Menge Sorgen abgenommen und auf viele ungelöste Fragen hilfreiche Antworten gegeben werden. Wir sind, glaube ich, mit den Soldaten in voller Übereinstimmung.
Wie werden die Bürger der Bundesrepublik unser Rahmenkonzept beurteilen? — Wir glauben, daß mit diesem Konzept der erste ernsthafte Versuch in unserer Geschichte unternommen wird, eine Landesverteidigung aufzubauen, die die Vorteile der Berufsarmee mit denen der Wehrpflichtarmee verbindet, die in ihrer Tendenz militärische und zivile Landesverteidigung zu einem großen Instrument
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — I11. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1971 6545
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unserer Sicherheit zusammenfügt, das von jedem Bürger einen ebenso großen eigenen Einsatz verlangt, wie es ihm Schutz und Frieden gewährleistet, die diesen Frieden zu rentablen Preisen, d. h. Steuerlasten, sichert, die unserer geographischen Lage an der Grenze des Westens zum Osten und unserer politisch-historischen Situation als geteilte Nation im Zentrum des geteilten Europas entspricht, die fester als bisher jede deutsche Armee — mit Ausnahme vielleicht der Zeit der Freiheitskriege -im Volk verwurzelt, mit den Bürgern verbunden ist, die dem Frieden verschworen ist und ihrem ganzen Wesen nach der Aggression abgeschworen hat und die die Demokratie in unserem Lande wie einen Augapfel hütet und schützt, weil sie weiß, daß die Auseinandersetzungen unserer Zeit und unserer Nation nicht mit militärischen Mitteln zu bereinigen sind. — Ich glaube also, wir befinden uns auch in Übereinstimmung mit den Bürgern.
Drittens. Wie werden sich unsere Alliierten zu diesem Rahmenkonzept stellen? - Es gibt, soweit ich sehen kann, in unserem Konzept nichts, was den Interessen eines einzelnen Verbündeten zuwiderliefe; ebensowenig werden Interessen des Bündnisses als eines ganzen verletzt. Im Gegenteil, eine Bundeswehr, wie wir sie vorschlagen, wäre ein wertvoller Bundesgenosse aller Partnerstaaten. Unser Beitrag zur Sicherheit der gesamten Allianz im Sinne der Strategie der flexiblen Reaktion wäre höher zu veranschlagen als zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Diese Bundeswehr böte schon durch ihre Struktur Handhaben für ein politisches Krisenmanagement an. Unser Rahmenkonzept enthält Vorstellungen, die möglicherweise in den Partnerstaaten Anregungen für eigene Strukturüberlegungen sein können. Die gegenwärtigen Reorganisationspläne unseres amerikanischen Verbündeten — nicht zuletzt die Konzeption der realistischen Abschreckung, die Minister Laird kürzlich verkündete — antworten letztlich auf ähnliche Fragen wie unser Konzept. Man sollte dabei nicht erwarten, daß sich alle Lösungsvorstellungen schematisch gleichen; dazu sind die geographischen, die innen- und außenpolitischen, aber auch die Größenverhältnisse zu verschieden. Im Prinzip befinden wir uns jedoch, so glaube ich, nicht im Widerspruch zu unseren Alliierten, sondern in Übereinstimmung mit. ihnen.
Und wie werden unsere östlichen Nachbarn, wie wird die DDR dieses FDP-Rahmenkonzept einschätzen? — Nehmen wir einmal an, sie könnten auf Propaganda verzichten: dann müßten sie das Argument vom aggressiven Charakter der Bundeswehr, von der ungeheuren Bedrohung durch die Bundeswehr und die Bundesrepublik im allgemeinen fallenlassen. Wir schaffen uns nämlich eine Landesverteidigung, die so im Volke verankert ist, daß auf der anderen Seite begriffen werden muß: politische Meinungsverschiedenheiten und Systemunterschiede können auch von dort aus nur noch mit politischen, und zwar friedlichen Mitteln, ausgetragen werden. Sie wollen friedliche Koexistenz — nun gut, das können sie haben. Wir werden mit dieser Bundeswehr im friedlichen Wettbewerb der Gesellschaftssysteme nicht schlecht dastehen. Mit anderen Worten, wenn
sie dort drüben wirklich Frieden wollen, stehen wir ihnen dabei nicht im Wege, mit dieser Bundeswehr nicht.
Nebenbei, wenn es zu einer Konferenz über die Sicherheit Europas kommt: dieses Rahmenkonzept gestattet es, über MBFR, über multilateral balanced force reduction, zu diskutieren, ohne das eigene Sicherheitspotential permanent zu verunsichern. Das Modell ist in sich schlüssig. Es ist funktionsfähig und politisch begründet und abgestützt. Eine Reihe wehrpolitischer Probleme der Gegenwart wird von den Ursachen her gelöst. Andere Probleme — z. B. Probleme der Kriegsdienstverweigerung, des Ersatzdienstes und der Inneren Führung — stellen sich anders, so daß ihre Lösung wesentlich erleichtert wird. Auch die Diskussion über die sogenannte Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft — ich meine, daß dieser Begriff ohnehin falsch ist, weil die Bundeswehr durch diese Demokratie geschaffen wurde und demzufolge von vornherein in diese Gesellschaft integriert sein muß — bekäme einen neuen Inhalt. Die Übergänge vom zivilen in den militärischen Bereich der Gesellschaft und umgekehrt wären nicht derart schicksalhafte, häufig existenzbedrohende Einschnitte im Leben des einzelnen. Die Grenzen würden durchlässiger und überschaubarer. Das ist eine ganz grundlegende liberale Forderung in allen Sektoren der Gesellschaft. Fragen der Bildung und Ausbildung würden leichter realisierbar, für dien einzelnen besser planbar und für die Bundeswehr und die Gesellschaft rentabler.

(Vorsitz: Vizepräsident Frau Funcke.)

Meine Damen und Herren von der Opposition, ich weise Sie hier auf das Interview hin, das Generalleutnant Rall „Wehr und Wirtschaft" gegeben hat, und bitte Sie, den letzten Satz besonders zu beachten.
Die Freien Demokraten bieten diesem Haus und der Öffentlichkeit dieses Rahmenkonzept an. Es ist zweifellos in jeder Hinsicht das eine Eckmodell von zwei möglichen. Es formt die eine von zwei möglichen Hauptalternativen aus. Ich meine nun nicht,
daß unser Konzept unveränderbar, daß es ein Dogma sei. Viele Details, auch Zahlen, können variiert und optimiert werden; sie können auch in manchen Abstufungen einander zugeordnet werden. lin Kern entspricht dieses Modell aber der liberalen politischen Grundauffassung und einer politischen Lagebeurteilung. Weil das so ist, läßt sich voraussagen, daß es notwendigerweise ein Für und Wider geben wird. Ich ahne auch, aus welcher politischen Himmelsrichtung. Wir werden alle Probleme geduldig ausdiskutieren. Allerdings werden wir nicht auf den letzten Zauderer warten können. Es wird etwas schneller gehen müssen, weil sonst Züge abfahren,
die nicht mehr einzuholen sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hatte den Anlaß und die Möglichkeit, Ihnen das Rahmenkonzept der FDP für die zukünftige Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Bundesrepublik darzulegen. Ich hotte, wir werden gemeinsam darüber nachdenken und in den nächsten Wochen auch gemeinsam darüber diskutieren. Ich hoffe, wir werden dar-

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über hinaus gemeinsam etwas zum Nutzen unseres Landes, zum Nutzen unserer Bundeswehr und zum Nutzen unserer Allianz tun.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611120000
Das Wort hat der Abgeordnete Wienand.

Karl Wienand (SPD):
Rede ID: ID0611120100
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Verständnis, wenn ich nicht in der Ausführlichkeit auf die Ausführungen des Kollegen Zimmermann eingehe, wie es der Fall wäre, wenn mehr Zeit zur Verfügung stände. Ich glaube jedoch, man könnte sich hier einmal mit folgendem Vorschlag befassen. Herr Kollege Zimmermann, wenn man Ihre Rede ausgedruckt der Truppe zur Verfügung stellte, würde in der Truppe genau das Maß an Frustration zu verzeichnen sein, das Sie nach 16monatiger Verantwortung des jetzigen Verteidigungsministers in der Truppe schlagartig feststellen zu können glauben.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU: Blödsinn!)

Ich will das nur an Hand von zwei oder drei Beispielen belegen. Sie haben davon gesprochen — in diesem Zusammenhang haben Sie die Studie der 30 Hauptleute zitiert —, daß die Disziplin unter dem fortschreitenden Abbau der Erziehungsmittel leide. Sie haben dann unter anderem, um dies zu beweisen, darauf hingewiesen, daß das unerlaubte Entfernen von der Truppe überhandnehme. Das bestreitet keiner. Sie haben weiter gesagt, jetzt würde man sogar diejenigen, nach denen gefahndet wird und die gefunden werden, nicht mehr in Regreß nehmen, wie das früher der Fall gewesen sei. Das ist nie der Fall gewesen, weil das aus Rechtsgründen immer unmöglich war. Sie sollten hier nicht unterschwellig etwas einführen, nicht so tun, als würde gerade durch diese Regierung oder durch diesen Verteidigungsminister etwas Neues eingeführt, was überhaupt nicht mit unserem Rechtsverständnis und mit den bisherigen rechtlichen Vorschriften in Einklang zu bringen ist.

(Zustimmung bei der SPD.)

Sie haben das nicht nur an einer Stelle getan, sondern Sie haben es sich an mehreren Stellen so leicht gemacht. Ich kann als Entschuldigung hier nur mit anführen, daß Ihnen die Ausführungen des Ministers vorher nicht schriftlich vorgelegen haben; das haben sie uns auch nicht.
Aber die Studie der Hauptleute hat Ihnen vorher vorgelegen, und man sollte sie nicht kritiklos übernehmen. Sie hat gewiß verdient, daß wir sie sehr kritisch prüfen und daß wir den Hauptleuten dort recht geben, wo sie recht haben, daß wir ihnen aber auch dort helfen, wo ihnen geholfen werden muß. Nach Ihren Ausführungen mußte der Eindruck entstehen, als wäre Ihnen diese Studie gerade recht gekommen, um der Öffentlichkeit klarzumachen, was alles in 16 Monaten verwirtschaftet worden sei. Die Truppe ist nicht vor 16 Monaten aufgelöst und neu aufgebaut worden, und es liegt auch nicht alles in der Verantwortung dieser Regierung, was
sich heute als Bild der Truppe darstellt. Man muß doch die Truppe in der Kontinuität ihres Wachsens, ihres Entwickelns sehen. Sie haben selber auf Reden des jetzigen Verteidigungsministers, die er aus der Rolle der Opposition gehalten hat, hingewiesen. Sie haben gesagt, daß er damals in viel schärferem Ton, als Sie es heute zu tun beabsichtigten, Anklagereden gehalten habe. Vieles, was Sie heute gesagt haben, hat in der retrospektiven Betrachtung dem damaligen Oppositionssprecher Schmidt recht gegeben, und er hat sich bemüht, gerade dem seit seinem Amtsantritt Rechnung zu tragen.

(Zustimmung bei der SPD.)

Sie haben in diesem Zusammenhang die Heeresstudie angesprochen. Man muß doch zur Kenntnis nehmen, daß die betreffenden Dinge zur Zeit des Vorgängers des Herrn Schmidt, nämlich des Herrn Schröder, geschehen sind. Vieles ist damals ausgewertet und schon auf den Weg gebracht worden. Herr Schmidt hat nicht die Bundeswehr über Nacht geändert, sondern von sich aus eine Bestandsaufnahme eingeleitet, die im Weißbuch ihren Niederschlag gefunden hat. Erst jetzt wird das, was in diesem Weißbuch zusammengefaßt zur Diskussion gestellt wurde, in die Tat umgesetzt. Deshalb wird erst in absehbarer Zeit auch für Sie mit etwas Zeitverzögerung sichtbar, was in Wirklichkeit besser geworden ist. Das wird auch in der Truppe so gesehen, und das werden auch die kritischen Hauptleute nicht in Frage stellen, die Sie hier so in etwa als Kronzeugen angeführt haben.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch ein weiteres Beispiel nennen. Sie haben auf die Wehrdienstverweigerer hingewiesen. Wir haben das Problem auch sehr früh erkannt. Wir sind bemüht — die Vorlage wird in der nächsten Woche zur ersten Lesung kommen , zumindest bezüglich der gleichen Behandlung die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen. Aber das Thema ist doch nicht erst seit einigen Monaten ein Problem, ist doch nicht erst ein Problem, seit diese Regierung im Amt ist. Das Problem liegt über 10 Jahre zurück und hat sich auf Grund der Versäumnisse der Vergangenheit zu dieser Größe entwickelt, wie wir es heute vor uns stehen haben. Ich glaube, Sie tun Hans Iven einen Gefallen — und das meine ich jetzt ironisch —, wenn Sie in den Chor derjenigen einstimmen, die von ganz links in unserem Staatswesen teilweise sich schon selbst daneben stellend — den Minister bekämpfen, weil er eine gleiche Behandlung aller zustande zu bringen versucht.

(Beifall bei der SPD.)

Eine abschließende Bemerkung zu Ihren Ausführungen! Mir wäre es lieber gewesen, wenn Sie eine substantiierte Anklagerede gehalten hätten, denn dann könnte man sich mit den Fakten, die in einer Anklagerede enthalten sein müssen, auseinandersetzen. Dies, verehrter Herr Kollege Zimmermann, haben Sie nicht getan. Sie haben von Parteipolitisierung gesprochen, ohne Beweise anzutreten. Sie haben von politischer Inquisation gesprochen — das Wort muß man auf der Zunge zergehen lassen, wenn es von Herrn Zimmermann kommt —, ohne dafür Beweise anzutreten. Sie haben davon gesprochen,



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daß sich die Offiziere in den Kasinos umsehen, wenn sie über Politik sprechen — als stände immer einer hinter ihnen, der sie dann aufs Haupt hauen würde oder der dann ihre Laufbahn beenden würde —, ohne dafür konkrete Beweise anzutreten.
Wenn man solche Verallgemeinerungen bringt und dann selbst von der schleichenden Unaufrichtigkeit spricht, kann man dem, glaube ich, nur begegnen, wenn man von dem überzeugt ist, was man sagt, indem man selbst aufrichtig argumentiert und Roß und Reiter nennt und sich nicht auf Allgemeinplätzen bewegt, von denen vielleicht etwas beweisbar ist, das meiste aber im Unbeweisbaren verbleiben muß.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir werden nach Ostern gewiß Gelegenheit haben, uns im Rahmen der sicherheitspolitischen Debatte zusammen mit dem Bericht des Wehrbeauftragten konkreter mit all diesen Fragen zu befassen. Sie haben hier, von der Studie der 30 Hauptleute ausgehend, nach der Aufgabe der Soldaten gefragt, und Sie haben so getan, als sei die von dieser Regierung in Frage gestellt. Ich darf daran erinnern, daß der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung im Oktober 1969 betonte — ich zitiere wörtlich —:
Wir werden ... in und gegenüber dem Bündnis die bisherige Politik fortsetzen und erwarten dies auch von unseren Bündnispartnern und von ihren Beiträgen zur gemeinsamen Sicherheitspolitik und zu den vereinbarten gemeinsamen Sicherheitsanstrengungen.
Wir haben bis zur Stunde insgesamt keine Ersatzlösung, keinen billigeren und besseren Vorschlag zur Gewährleistung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, als er seit Jahren praktiziert und angestrebt worden ist, nämlich Sicherheit vor fremdem Zugriff zu gewährleisten, indem wir die Abschreckungsanstrengungen gemeinsam mit dem Bündnis erhöhen und durch Entspannungsbemühungen und durch beiderseitige 'Rüstungsverminderungen zur wirklichen Sicherheit beitragen.
Ich habe gelegentlich der Debatte zum Bericht zur Lage der Nation ausgeführt, daß die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung Sicherheit durch Entspannung zum Grundsatz hat, und ich habe gesagt: Wir nehmen nicht in Anspruch, das allein erfunden zu haben, sondern dieses neue Teilkonzept endlich mit- und nachvollzogen zu haben. Wir haben weiter darauf hingewiesen, daß die Entspannungsbemühungen der Bundesregierung inhaltlich in Einklang stehen mit der Entspannungspolitik unserer Verbündeten. Drittens ist darauf hingewiesen worden, daß die Entspannungspolitik dieser Bundesregierung im Effekt nicht weniger Sicherheit schafft, sondern mehr Sicherheit, wenn sie zum Ziel geführt werden kann, und in diese Situation findet sich die Bundeswehr gestellt.
Es geht nicht um eine neue sicherheitspolitische Konzeption. Es geht nicht darum, die bestehenden Streitkräfte in Frage zu stellen. Es geht darum, daß die Strategie der Abschreckung nur für den, der
noch den sicherheitspolitischen Vorstellungen der voratomaren Zeit verhaftet ist, einiges in Frage stellt, aber nicht für diejenigen, die in der Öffentlichkeit und in der Bundeswehr über diesen Verteidigungsauftrag nachdenken.
Neu ist — das gebe ich allerdings zu — die Tatsache der wechselseitigen Abhängigkeit nur für den, der die sicherheitspolitischen Auswirkungen der waffentechnologischen Entwicklungen der letzten 20 Jahre nicht zur Kenntnis nimmt. Für uns, die Abgeordneten dieses Bundestages, die sich seit anderthalb Jahrzehnten oder länger mit diesen Fragen befassen, müßte es doch allmählich so weit sein, daß wir frei von Emotionen das Für und Wider erörtern können, wie wir der Bundeswehr helfen, wie wir uns insgesamt befähigen, zu den einleitend genannten Zielen zu kommen.
Wie schon die ersten Tätigkeitsberichte des Amtes Blank, so hat auch Herr Strauß als zweiter Verteidigungsminister der Bundesrepublik den Sinn der NATO doch darin gesehen, den dritten Weltkrieg zu verhindern. In der Atomdebatte des Bundestages im März 1958 bezeichnete er unter Zustimmung des ganzen Hauses — ich habe es nachgelesen — als Aufgabe deutscher Sicherheitspolitik, die kriegsverhindernde Barriere, die kriegsabschreckende Wirkung der Gesamtbündnisstaaten um unseren Anteil zu erhöhen und um dieses Maß auch die Aussicht zu erhöhen, den dritten Weltkrieg nicht erleben zu müssen. In diesem Ziel waren und sind sich die Parteien dieses Hauses einig. Darin liegt die Aufgabe der Bundeswehr. Das hat meines Wissens noch keiner in Frage gestellt.
Was uns trennte und was uns auch heute zu trennen scheint, sind die Mittel und Wege zu diesem Ziel. Auch hier sei den besorgten Kollegen des Herrn Strauß in Erinnerung gerufen, was er bereits vor 13 Jahren deutlich gemacht hat, als er sagte:
Die Strategie der indirekten Verteidigung beruht darauf, daß man das, was man früher aufgeboten hat, um einen Krieg zu gewinnen, heute aufbieten muß, um ihn zu verhindern.
Das muß man auch diesen Hauptleuten sagen, wenn man mit ihnen diskutiert,

(Zuruf des Abg. Biehle)

und das muß man in die Gesamtdiskussion einbringen. Ich habe den Eindruck, daß von Ihnen über die Folgen dieser richtigen Erkenntnis, zumindest wenn Sie solche Zwischenrufe machen, zuwenig nachgedacht worden ist oder daß Sie einiges verdrängt haben.
Wie wäre es denn sonst zu erklären, daß den Entspannungsbemühungen der Bundesregierung mit so viel Skepsis und Ablehnung begegnet wird, und wie wäre es sonst möglich, daß das dann auch, teils offen, teils unterschwellig, in die Truppe hineingetragen wird? Gibt es denn jemanden in diesem Hause, der tatsächlich annimmt, Kriege zwischen den Staaten der NATO und des Warschauer Paktes könnten allein durch die Bereitstellung stets weiterentwickelter, insgesamt ausgeglichener Militärpotentiale verhindert oder gar dauerhaft vermieden werden, wenn man nicht auch versuchte, die anderen



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Elemente der Sicherheitspolitik, die mittlerweile zum Allgemeingut der NATO und unserer Bündnispartner geworden sind, mit in diese Politik einzubeziehen?

(Abg. Damm: Seit 1957!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, nachdem ich noch einmal umrissen habe, worauf es auch sicherheitspolitisch ankommt, die Gelegenheit benutzen, einige Bemerkungen über den Dienst in der Bundeswehr zu machen. Unsere Wehrverfassung hat bewirkt — ich halte das für gut —, daß die Mitglieder dieses Bundestages mit den Schwierigkeiten der Streitkräfte, mit den Problemen der Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere, wesentlich besser vertraut sind, als es Parlamentarier je zuvor waren. Mißstände in der Bundeswehr werden heute ebenso schnell bekannt wie Unzulänglichkeiten in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes, und das finde ich gut. Aber weil wir sie schneller erkennen können und weil wir sie auch tatsächlich erkennen, muß besonders schnell reagiert werden, damit sie beseitigt werden können. Ich betrachte jeden kritischen Beitrag, gleichviel, von wem er kommt, unter diesem Gesichtspunkt. Wir alle, Regierung und Parlament, sollten dann bemüht sein, Abhilfe zu schaffen, sofern Abhilfe geschaffen werden kann.

(Abg. Damm: Wie z. B. gestern im Verteidigungsausschuß!)

Regierung und Parlament haben Fehlentwicklungen in den Streitkräften mit Vorrang zu korrigieren, nicht nur, weil in der Bundeswehr in ständigem Wechsel eine Viertelmillion Wehrpflichtiger einem besonderen Gewaltverhältnis unterworfen sind, das weder frei gewählt wurde noch von ihnen gekündigt werden kann, nicht nur, weil die Bundeswehr auf
Beschluß des Gesetzgebers mit ihrem Anteil — über
20 % — am Bundeshaushalt eines der kostspieligsten oder, ich möchte sagen, kostbarsten Instrumente unseres Staates darstellt oder darstellen sollte, sondern weil anders als je zuvor diese Streitkräfte mit wesentlichen Teilen ständig in Bereitschaft sind. Die Aufrechterhaltung des Friedens, das Fernhalten jeglicher Gewaltanwendung von außen, das ist der tägliche Ernstfall, in dem sich unsere Soldaten im Verein mit den NATO-Partnern seit nunmehr rund 15 Jahren erfolgreich behaupten und bewähren.
Als Abgeordneter, der die Entstehung und Entwicklung der Bundeswehr von ihrer Konzipierung an verfolgt hat, muß ich mich immer wieder über eines wundern, nämlich über das mangelnde Selbstbewußtsein unserer Soldaten, über den unterentwickelten Stolz auf diese ihre eigentliche Leistung, die unterstrichen und sichtbar gemacht werden muß.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Rommerskirchen.)

Der neue Auftrag, für den wir zunächst mit den Soldaten der alten Wehrmacht die Streitkräfte der Bundesrepublik von Grund auf neu aufgebaut haben, ist unseren Soldaten so scheint mir — auch durch Verschulden der Diskussion in der Öffentlichkeit zu wenig deutlich geworden. Den Werbespruch „Wir produzieren Sicherheit" halten viele für einen bloßen Reklametrick, weil ihnen die Funktion der
Bundeswehr im täglichen Dienst nie genügend deutlich gemacht wurde. Zu wenige erkennen, daß und wie die Bundeswehr einen wesentlichen Beitrag zum Abschreckungspotential der NATO liefert und daß so — nur so! — eine Voraussetzung zur Aufrechterhaltung des Friedens geschaffen wird.
Zum sogenannten gesunden Selbstbewußtsein des Bundeswehrsoldaten könnten u. a. die folgenden Überlegungen gehören: Der Soldat leistet einen sinnvollen Dienst, den Schutz der Bundesrepublik, eines freien Gemeinwesens, vor fremdem Zugriff; seine Mitarbeit in den Abschreckungsverbänden der NATO macht die von außen ungestörte Entwicklung unserer Gesellschaft und damit ihres Staates möglich. Dies ist eine lohnende Aufgabe nicht zuletzt auch für den Soldaten selbst; denn er besitzt im wesentlichen die gleichen staatsbürgerlichen Entfaltungsrechte wie jeder andere Bürger auch. Das war ein Wagnis und — wie ich finde — ein lohnendes; denn die Erfolge zeigen sich.

(Zustimmung bei der SPD.)

Dieser Soldat nimmt, wie jeder sonstige Angehörige des öffentlichen Dienstes, im vollen Umfang an der wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung teil.
Der Soldat leistet einen verantwortungsvollen Dienst. Seine militärische Dienstleistung wirkt sich unmittelbar politisch aus. Glaubhafte oder realistische Abschreckung — wie die Amerikaner nunmehr sagen -- ist eine Dienstleistung zur Erzeugung eines bestimmten Verhaltens auf der Gegenseite, zur Erzeugung einer Verzichthaltung gegenüber kriegerischem Waffengebrauch, zur Erzeugung der Erkenntnis, daß der kriegerische Einsatz militärischer Mittel keinerlei politische Erfolge verspricht.
Für diesen Zweck ist tägliche, ja stündliche Arbeit in allen drei Teilstreitkräften der Bundeswehr erforderlich; denn Abschreckung ist ein dynamischer, sich ständig erneuernder Prozeß und nicht lediglich die Anhäufung von Personal und Material. In diesem Prozeß darf es leider für kein wichtiges Waffensystem, aber auch für kein Kontrollsystem eine Pause geben. Deswegen können wir es uns auch nicht leisten, daß Waffensysteme stillgelegt werden, bevor nicht Alternativen, die den gleichen Zweck erfüllen, da sind.
Daraus folgert nach meiner Meinung: Der Soldat leistet heute einen unmittelbar gegenwartsbezogenen Dienst, einen täglich zu erneuernden Dienst zur Versorgung dieser Gesellschaft, zur Sicherheit von außen her gesehen, damit nicht andere hier hineinwirken können.
Die sogenannte Friedensphase der Streitkräfte ist nicht mehr wie bei früheren Soldatengenerationen lediglich eine Vorbereitungszeit für einen vielleicht imaginären Sieg nach dem Tage X des Kriegsausbruches; nein, die Friedensphase, jener Zeitraum, in dem es gelingt, durch täglich erneuerte Abschreckungsleistungen den Kriegsausbruch zu verhindern, ist die eigentliche Bewährungsphase der Bundeswehr und damit jedes einzelnen Soldaten.



Wienand
Das ist der vielzitierte, vielleicht nicht immer verstandene Primärzweck der Bundeswehr, für den wir Wehrpflichtige einberufen und für den wir ein Fünftel unseres Bundeshaushaltes bereitstellen.
Soldat sein heute heißt aber deshalb auch einen meßbaren, nachprüfbaren Dienst leisten. Voller Selbstbewußtsein kann eine wachsende Zahl von Soldaten darauf hinweisen, daß die militärische Leistungsfähigkeit ihrer Einheiten und Verbände exakt nachgemessen und verglichen werden kann.
Es ist wichtig für die Mentalität einer Leistungsgesellschaft, wie wir sie haben, daß auch ihre Soldaten ständig die Erfahrung machen, daß ihre Leistungen — nach nationalem und internationalem Standard verglichen und gewertet — von allen Seiten voll anerkannt werden. Die Ergebnisse verschiedener NATO-Vergleichswettkämpfe berechtigen die Soldaten der Bundeswehr, mit ihren Leistungen zufrieden zu sein. Um ein besseres Leistungsbewußtsein zu erzeugen, ließen sich gewiß noch andere Praktiken entwickeln. Wir sollten gemeinsam darüber nachdenken. Denn nur so setzt sich bei allen Soldaten das Bewußtsein durch, daß zu einem echten Dienstlastungsberuf auch gehört, daß er in täglicher Bewährung sich diesem Beruf und diesen Forderungen zu stellen hat.
Mit Beruhigung können wir feststellen, daß eine zunehmende Zahl funktional denkender Soldaten für die Wehklagen Älterer oder auch Jüngerer, die im Denken älter sind, kein Verständnis mehr aufbringt. Hier unterscheide ich mich ausdrücklich von den Denkkategorien, die Herr Zimmermann vorhin in seinem Vortrag bei diesen Kriterien angeführt hat. Ich erkenne die angebliche Paradoxie des Soldatenberufes in dem Zusammenhang, wie ich den Soldatenberuf sehe, nicht, aber es ist unsere Aufgabe, denen, die ihn noch so empfinden, behilflich zu sein, daß sie auch zu dieser Schau des Leistungsprinzips in dieser Gesellschaft kommen. Ich halte es für sehr bedenklich und in bezug auf das erforderliche Selbstwertgefühl für gefährlich, diesem Denken weiter Raum zu geben, verehrter Herr Kollege Zimmermann. Denn nichts widerspricht so sehr der Behauptung, der Soldat ergreife einen Beruf, den er nicht ausübe, wie der tägliche Dienst in den Einheiten und Verbänden der Bundeswehr.

(Abg. Damm: Das wurde doch gar nicht behauptet!)

Was hier täglich geleistet wird, ist vollständige soldatische Berufsausübung zum Zwecke der Friedenssicherung. Soldaten aller Dienstgrade können in ihrem Tagesdienst zum Zweck der Kriegsvermeidung ihre eigentliche Phase beruflicher Bestätigung sehen. Wir sollten sie in der Auffassung unseres Bundespräsidenten bestätigen, daß für uns alle der Frieden der Ernstfall ist, in dem wir uns alle, auch die Soldaten, zu bewähren haben.

(Abg. Dr. Wörner: Das brauchen Sie den Soldaten nicht erst zu sagen!)

— Leider muß man es hier sagen nach solchen unterschwelligen Reden, wie sie der Kollege Zimmermann
gehalten hat. Das ist doch die Krux dieses Hauses, daß man immer wieder darauf zurückkommen muß, verehrter Herr Kollege Wörner.

(Beifall bei der SPD.)

Da nützt auch die zurückhaltende Vornehmheit nichts; sagen Sie das dem Kollegen Zimmermann und denen, die bei den Soldaten so argumentieren, daß sie verunsichert werden. Dann brauchen wir in der Tat diese Reden nicht zu halten.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Zimmermann: Das ist wohl die Umkehrung der Verhältnisse!)

— Hier werden keine Verhältnisse umgekehrt, verehrter Herr Kollege Zimmermann. Ich bin im Rahmen des bayerischen Landtagswahlkampfes leider drei- bis viermal auf Ihren Spuren in Garnisonen gekommen und habe erlebt, in welchem Maße Sie mit Reden, die Sie hier nicht halten, Offiziere und Unteroffiziere verunsichert haben.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Rösing: Erbringen Sie doch den Nachweis! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Die Geschichte der Bundesrepublik berechtigt die Soldaten, mit ihren Leistungen als Soldat für den Frieden zufrieden zu sein. Bis heute haben sich unsere Streitkräfte — so sehen wir dies — in ihrer Funktion bewährt.
Nun kann niemand bestreiten, daß der Bundeswehr Nachwuchs fehlt.

(Zuruf des Abg. Biehle und weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Je älter sie wird, desto schwieriger findet sie geeignete Bewerber und Bleiber in der nötigen Anzahl. Das allein ist Grund genug, das bestehende System der Heranbildung und Förderung qualifizierter Zeit- und Berufssoldaten zu reorganisieren. Denn nur eine Bundeswehr, welche die jeweils benötigte Zahl von Fach- und Führungskräften an sich zieht und genügend lange bei sich behält, kann die ihr gestellte Aufgabe wirklich erfüllen. Hier hat diese Regierung Versäumnisse früherer Regierungen

(Zuruf von der CDU/CSU: Wieder einmal! — Abg. Biehle: Alte Platte!)

— an denen ich mich zum Teil als mitschuldig bekenne, weil es uns aus der Opposition nicht gelungen ist, Ihnen mehr Druck zu machen, damit diese Versäumnisse nicht diese Auswirkungen hatten — aufzuholen,

(Zustimmung bei der SPD. — Lachen bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben sogar noch in die entgegengesetzte Richtung gedrückt!)

nämlich den deutschen Beitrag zum militärischen Potential der NATO durch ein neues Bildungskonzept zu stärken. Ich finde, dies ist die eigentliche Aufgabe der Kommission zur Neuordnung der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr. Unsere Streitkräfte sind nicht, verehrter Herr Kollege Dr. Barzel, zur Berufsförderung da, vielmehr müssen



Wienand
sie Fach- und Führungskräfte heranbilden und fördern, weil unsere Gesellschaft die Bundeswehr braucht, solange unsere äußere Sicherheit anders als durch die Präsenz von Streitkräften nicht aufrechtzuerhalten ist. Der Fehlbestand an Personal gefährdet unsere Sicherheit und erfordert zusätzliche Bildungsinvestitionen innerhalb der Bundeswehr. Diese dienen primär — ich gebrauche den Ausdruck noch einmal — der Produktion von Sicherheit, sekundär dem Nutzen des einzelnen Soldaten und tertiär der Entlastung anderer Bildungseinrichtungen unserer Gesellschaft, wenn auch nur im kleinen Maßstab. Aus dieser Perspektive gewinnen die Vorschläge der Kommission ihre Bedeutung, und aus dieser Perspektive sollte sachlich über die Vorschläge diskutiert werden.
Folgt man den Vorschlägen, dann stellt die Bundeswehr erstens dem Bündnis künftig Fach- und Führungsoffiziere zur Verfügung, die sich durch besondere Qualifikation ausweisen. Offiziere werden als Organisations- und Betriebswirte, als Techniker für Maschinenbau oder Luft- und Raumfahrt, als Elektrotechniker oder Bauingenieure, als Pädagogen oder Biologen ein ordentliches Studium abgeschlossen haben, bevor man sie mit militärischen Aufgaben betraut. Durch wissenschaftliches Training der Köpfe statt durch Erhöhung der Kopfzahl kann und soll die Effizienz des deutschen NATO-Beitrages wesentlich gesteigert werden. Die in der Bundeswehr heute schon vorhandene Technik verlangt qualifizierte Ausbildung auf allen Ebenen; denn von den differenzierten Fähigkeiten und Kenntnissen ihres Personals sind moderne Streitkräfte mit ihren aufwendigen Waffen-, Nachrichten- und Versorgungssystemen ebenso abhängig wie industrielle Großunternehmen. Hier wie dort legt man aus Gründen der Effizienzmaximierung größten Wert auf wissenschaftliche Ausbildung und regelmäßige Fortbildung der Mitarbeiter.
Zugleich bietet das neue Konzept dem einzelnen Soldaten erhebliche Anreize. Die Kommission bricht mit der Vorstellung, es gäbe den Soldatenberuf oder das Berufsbild des Soldaten schlechthin. Wir müssen auch damit rechnen, weil wir überwiegend Zeitsoldaten haben wollen, die später wieder in dieser Leistungsgesellschaft, ohne daß sie schlechter anfangen müssen, den Platz finden, zu dem wir ihnen verhelfen. Sie bietet unter der Sammelbezeichnung „Soldat" eine Palette verschiedenster Berufe an, deren Träger nur noch durch den gemeinsamen Auftrag miteinander verbunden sind, im übrigen jedoch durch Ausbildungsgang und Tätigkeit ihren zivilen Kollegen näherstehen als ihren uniformierten Kameraden in anderen Verwendungsreihen. Auch der Offizier hat künftig einen Beruf, zumindest eine Ausbildung mit ziviler Vergleichbarkeit und Entsprechung. Seine Berufswahl liefert ihn nicht mehr lebenslänglich einem Monopolarbeitgeber aus.

(Oh-Rufe von der CDU, CSU.)

— Ja, jetzt will ich einmal in den Kategorien diskutieren, in denen draußen diskutiert wird, und
dann sagen Sie „furchtbar", weil Sie hier etwas
Esoterisches in den Raum zu stellen versuchen, was in Wirklichkeit überhaupt nicht gegeben ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Auch der Offizier hat künftig einen Beruf — ich
wiederhole es —, zumindest eine Ausbildung mit ziviler Vergleichbarkeit und Entsprechung. Die vorgeschlagenen Studiengänge an staatlich anerkannten Bundeswehrhochschulen mit Diplomabschlußprüfungen, die denen herkömmlicher Hochschulen in jeder Beziehung entsprechen und wie diese zum Aufbaustudium berechtigen, sind ein attraktives Angebot für die zur Bundeswehr einrückenden Abiturientenjahrgänge. Die Chance, eine vielseitig nutzbare Hochschulausbildung zu absolvieren, eine militärische Ausbildung zu erhalten und anschließend fünf Jahre als Einheitsführer erste Berufserfahrungen zu sammeln, macht nach unserer Meinung die Bundeswehr auch für jene interessanter, denen die bisherige Offiziersausbildung zu schmalspurig erschien.
Drittens. Die Entlastung bestehender Bildungseinrichtungen unserer Gesellschaft kann dabei eine erwünschte Nebenwirkung sein. Die sicherheits- und personalpolitisch erforderliche Neuordnung des bundeswehreigenen Ausbildungs- und Bildungswesens reduziert, wenn auch in bescheidenem Maße, den wachsenden Zustrom zu den Universitäten. An einigen Orten wird eine weitere Entlastung durch den Einbau der Bundeswehrhochschulen in die zu schaffenden Gesamthochschulen erfolgen. Bundeswehreigenes Forschungs- und Lehrpersonal mit seinen zum Teil hochmodernen Einrichtungen wird die Kapazität mancher integrierter Gesamthochschulen beträchtlich erweitern. Die erforderliche Vergrößerung des Zeitoffizieranteils schließlich wird in fernerer Zukunft regelmäßig 32jährige Hochschulabsolventen für Zivilberufe zur Verfügung stellen, die von und in der Bundeswehr ausgebildet wurden und dort qualifizierte Berufserfahrungen gesammelt haben und damit werbender in der Gesellschaft tätig sind, als alle Reden von Abgeordneten hier es sein können.
Insgesamt, so meine ich, weist das zur Diskussion stehende Rahmenkonzept zur Neuordnung der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr den richtigen Weg. Mir erscheint es als eine gangbare Alternative, über die diskutiert und um die gerungen werden sollte.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611120200
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0611120300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bundeskanzler sollte nicht zu den polemischen Teilen dieser Debatte heute beitragen. Ich möchte sagen, unsere äußere Sicherheit ist für Volk und Land eine unverzichtbare Voraussetzung für die außenpolitische Handlungsfreiheit unseres Staates. Diese Sicherheit finden wir in der Zugehörigkeit zum Nordatlantischen Bündnis. Dies ist nach dem Willen seiner Mitglieder und in seiner militärischen Gestaltung ausschließlich auf Verteidigung eingerichtet.



Bundeskanzler Brandt
Nun wissen wir, daß es im nuklearen Zeitalter keine absolute, sondern nur eine relative militärische Sicherheit geben kann. Dies gilt für alle Länder, auch für die Weltmächte. Aber Verteidigungsanstrengungen sind deshalb nicht überflüssig, sondern sie sind, auch und gerade was uns angeht, unerläßlich.
Die Erhaltung des Friedens beruht, worauf der Bundesverteidigungsminister schon sehr frühzeitig hingewiesen hat, bis auf weiteres auf einem Gleichgewicht der Abschreckungsmittel. Zur Aufrechterhaltung dieses Gleichgewichts trägt die Bundesrepublik Deutschland mit der Bundeswehr in beachtlichem Umfang bei. Der oft mühevolle Dienst, den die Soldaten in der Bundeswehr leisten, ist wichtig und wertvoll. Er wird von der Bundesregierung voll gewürdigt, und dies gilt, wie ich weiß, auch für die Fraktionen dieses Hauses. Die Bundeswehr wie auch die anderen Instrumente, die unserer Sicherheit dienen, stehen in der Obhut des Staates. Er wird auch in Zukunft die erforderlichen Mittel bereitzustellen haben, um ihnen die Erfüllung ihrer Aufgaben zu ermöglichen.
Wir müssen mit Sorge die innere Abwendung eines Teils der heranwachsenden Generation von den Pflichten sehen, die ihnen von Staat und Gesellschaft abverlangt werden. Ich glaube zwar, meine Damen und Herren, daß dies eine vorübergehende Erscheinung ist; aber das Ansteigen der Zahl der Militärdienstverweigerer kann die Regierung nicht unbeteiligt lassen. Wir müssen deshalb die Anstrengungen um mehr Wehrgerechtigkeit verstärken und denjenigen entgegentreten, die das unbestrittene Recht der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissengründen za ganz anderen Zwecken ausnutzen.

(Beifall auf allen Seiten.)

Ich will übrigens ausdrücklich unterstreichen: Wir werden, so wie die Dinge liegen, und dort, wo die Bundesrepublik Deutschland liegt, für alle jetzt übersehbare Zeit auf die Wehrpflicht angewiesen sein.
Friedens- und Sicherheitspolitik — darauf ist
mehrfach hingewiesen worden — bilden eine Einheit. Sie als Grundtatsache unserer politischen Situation gerade den jungen Menschen einsichtig zu machen ist eine der wichtigen Aufgaben der Schulen. Der Vertedigungsminister hat heute vormittag schon erwähnt — ich darf mich darauf beziehen —, daß ich kürzlich in einem Brief an den Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz die Bitte ausgesprochen habe, diesem Thema im Sozial- und im Gemeinschaftskundeunterricht die notwendige Beachiung zu schenken. Aus diesem Grunde möchte ich aber auch gerade die Universitäten und die Forschungsstätten auffordern, die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr zu pflegen oder dort, wo dies schon der Fall ist, noch besser zu pflegen.

(Allgemeiner Beifall.)

Die Beziehungen zwischen der Gesellschaft und den Streitkräften sind heute ganz anders als in früheren Abschnitten unser jüngeren Geschichte, z. B. auch anders als in der Weimarer Zeit. Die Bundeswehr, wie sie heute ist, will sich nicht abkapseln, sondern sie sucht den Kontakt, sie will keine Isolierung. Die Gesellschaft darf sich diesem Wunsch nicht verschließen.
Mit besonderer Genugtuung möchte ich feststellen, daß das Verhältnis der Streitkräfte zur Arbeiterschaft und zu den Gewerkschaften selten von so viel Verständnis getragen wurde wie jetzt. Ich sage dies auch im Hinblick auf gegenteilige Beispiele; es gibt in keinem Bereich nur positive und günstige Feststellungen zu treffen. Ich sage dies als Gesamturteil des Verhältnisses zwischen Streitkräften und Arbeiterschaft oder Arbeitnehmerschaft und ihren Gewerkschaften. Das Verhältnis war in keinem Abschnitt unserer Geschichte so sehr auf Verständnis aufgebaut, wie wir es heute verzeichnen können. Darauf kann man weiter aufbauen.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Es liegt auf der Hand, daß die Bundeswehr im demokratischen Staat von allen Entwicklungstendenzen unserer Gesellschaft berührt wird; denn die Soldaten, ob Freiwillige oder Wehrpflichtige, sind ein unlösbarei Teil dieser Gesellschaft. Ich begrüße es deshalb, daß vom Verteidigungsminister Reformen eingeleitet wurden, deren Ziel es ist, dieser Tatsache zunehmend Rechnung zu tragen. Naturgemäß ergibt sich daraus eine lebhafte Diskussion zwischen Anhängern neuer Konzeptionen und solchen, die mehr traditionsorientiert sind. Dieser Dialog wird, so hoffe ich, dazu beitragen, die Bundeswehr noch leistungsfähiger, attraktiver und gesellschaftsnäher zu machen.
Ich möchte hier ganz deutlich sagen: Diese Regierung und die sie tragenden Parteien stehen der Bundeswehr weder fremd noch gleichgültig gegenüber. Wir sind lebhaft daran interessiert, daß die Streitkräfte ihren Auftrag in optimaler Weise erfüllen können. Dasselbe gilt für die anderen Institutionen, die der Sicherheit und der Landesverteidigung dienen.
Lassen Sie mich deshalb aus aktuellem Anlaß ein paar Worte über den Bundesnachrichtendienst sagen. Der BND ist dazu da, der Regierung wichtige Entscheidungshilfen für ihr Handeln zu bieten. Es liegt in der Natur seiner Aufgabe und im Interesse des Staates, daß sich seine Arbeit nicht in aller Öffentlichkeit abspielen kann. Darüber ist sich dieses Haus hoffentlich einig. Die Führung des Dienstes hat das Vertrauen der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat die Pflicht, sich vor den Dienst zu stellen und ihn abzuschirmen, damit er seine Arbeit sachlich leisten kann, ohne in innenpolitische Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich glaube, daß auch dies unserer gemeinsamen Verantwortung für den Staat entspricht.
Ich darf zusammenfassend sagen: Unser demokratischer Staat kann den berechtigten Interessen der Bürger nur dann gerecht werden, wenn die Bürger das Bewußtsein haben, daß sie den Einrichtungen des demokratischen Staates Leistungen schulden.

Bundeskanzler Brandt
Der Dienst der Bundeswehr und der Dienst in ihr sind unentbehrlich für die Sicherheit und die außenpolitische Handlungsfreiheit dieses Staates. Unsere Verankerung im atlantischen Bündnis steht nicht im Widerspruch zu unserer auf den Abbau von Spannungen gerichteten Politik, sondern sie ist eine entscheidende Voraussetzung dieser Politik.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611120400
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wörner.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0611120500
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal darf ich auf Ihre Rede, Herr Bundeskanzler, feststellen, daß wir Ihre Auffassung teilen, daß die Erörterung von Vorgängen des Bundesnachrichtendienstes in der Öffentlichkeit diesem Dienst nur schaden kann. Wir sind wie Sie der Auffassung, daß eine Diskussion über die Probleme dieses Dienstes in dem dafür geschaffenen Gremium erfolgen muß; das ist das Gremium der Vertrauensmänner dieses Parlaments. Wir hoffen, daß die Disziplin, die die CDU/CSU-Fraktion in dieser Frage bis jetzt gewahrt hat, auch für die Äußerungen aus dem Lager der Regierungskoalition vorbildlich sein wird. Wir haben ausgedrückt — und ich wiederhole es hier —: Die CDU/CSU-Fraktion ist in großer Sorge über die Unruhe und Unsicherheit, in die der BND in der Amtszeit der gegenwärtigen Bundesregierung geraten ist, weil dadurch die Funktionsfähigkeit dieses für die Sicherheit unseres Landes unentbehrlichen Instruments ernstlich gefährdet wird.
Auch sonst dürfen wir — und ich benutze den Anlaß, das hier ganz klarzustellen — bei allem, was uns in diesem Hause auch in den Fragen, die ich nachher anschneiden werde, trennen mag, feststellen, daß es im Bereich der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik — vor allen Dingen auch nach dem, was Sie gesagt haben — in den Grundüberzeugungen, daß diese Bundeswehr zur Erhaltung des Friedens notwendig ist, daß eine vernünftige Sicherheitspolitik die Voraussetzungen jeder Entspannungspolitik ist, keinerlei Meinungsverschiedenheiten gibt.
Diese Bundeswehr ist unter der Verantwortung der CDU/CSU nicht etwa in der Absicht geschaffen worden, die anderen das Fürchten zu lehren, sondern um sich gegenüber einer Bedrohung zu schützen. Diese Bedrohung besteht heute noch fort, und solange sie fortbesteht, brauchen wir junge Menschen in diesem Staat, die sich hinstellen und ihre Pflicht tun und diesen Staat und seine Ordnung verteidigen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sicher sind auch — das sollten wir nicht zerreden — ein Großteil der Sorgen gemeinsame Sorgen in diesem Hause, und sicher ist auch eine Menge der Sorgen, die uns bewegen, wenn wir auf die Bundeswehr blicken, nicht erst von heute. Ich glaube, das gilt, wenn wir die Lage des Truppenführers ansehen, genauso, wie wenn wir auf die Gefahren sehen, die der Bundeswehr wie jeder anderen gesellschaftlichen Institution drohen, weil sie in die
Auseinandersetzung unserer Tage hineingeworfen ist, weil man sie aus dieser in unserer Gesellschaft im Augenblick in Gang befindlichen Auseinandersetzung nicht ausklammern kann. Es ist richtig, wenn der Herr Bundesverteidigungsminister sagt: Wir werden es nicht fertigbringen, und wir werden es auch gar nicht wollen, den Gärungsprozeß in unserer Gesellschaft von der Bundeswehr völlig fernzuhalten. Auch wir von der CDU/CSU träumen nicht von einer abgekapselten Bundeswehr, von einer Bundeswehr hinter Glaswänden. Wir wissen genauso wie Sie, daß eine solche Armee nicht mehr funktionsfähig wäre. Keiner von uns hat den Traum von einer Rückkehr in die völlig heile Welt. Wenn es einen solchen Traum gegeben haben sollte, so ist dieser Traum, glaube ich, jedem von uns zerbrochen.
Die Soldaten draußen und die Offiziere wissen auch, daß sie sich der Auseinandersetzung stellen müssen. Sie sind dazu auch bereit, manchmal allerdings nicht hinreichend vorbereitet. Es wird sicher eine der ganz großen Aufgaben sein, ihnen das Instrumentarium und die Mittel dafür an die Hand zu geben. Jedoch lassen Sie mich das ganz offen und nicht im Widerspruch zu dem sagen, was der Herr Bundeskanzler ausgeführt hat, auch nicht im Widerspruch zu dem, was der Herr Bundesverteidigungsminister gesagt hat, aber in der Absicht, einiges hier noch einmal zurechtzurücken —: Wenn wir von den Offizieren und von den Soldaten erwarten — und wir müssen das von ihnen erwarten —, daß sie sich dieser Auseinandersetzung stellen, dann müssen wir ihnen den Rücken stärken und dürfen sie dabei nicht im Stich lassen. Sie müssen wissen, daß sie dabei nicht alleingelassen werden gerade im Kampf gegen die Kräfte der Gesellschaft, die diese Bundeswehr verunsichern, und zwar bewußt verunsichern.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn Sie sagen: wir alle müssen uns mit dieser Bundeswehr identifizieren, so ist das richtig. Aber es genügt eben nicht, wenn man das in diesem Hause, und es genügt nicht, wenn man es der Bundeswehr sagt. Man muß es denen sagen, die das nicht wahrhaben wollen, man muß es denen sagen, die etwas ganz anderes mit der Bundeswehr im Sinn haben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist, wenn Sie so wollen, ein Appell gerade an den Bundesverteidigungsminister, dessen Stellung innerhalb seiner Partei wir ja kennen, an den Bundeskanzler und an Herrn Wienand, in Zukunft die Rede, die er hier gehalten hat, dort zu halten, wo sie ihm so nicht abgenommen würde.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Kollege Wienand, es ist nicht so, daß der Herr Zimmermann die Armee verunsichert. Ich persönlich bin auch schon auf den Spuren des Herrn Zimmermann gewandelt, und ich kann nur sagen, daß die Resonanz, die er gefunden hat — nicht wegen der Verunsicherung —, einfach darauf zurückgeht, daß er — und das ist seine Pflicht als Oppositionssprecher — an den Dingen nicht vorüberredet, son-



Dr. Wörner
dern auch die unangenehmen Seiten, in denen sich der Truppenführer heute befindet — dafür ist die Hauptmann-Denkschrift eben ein Beweis -- aufzeigt und den Finger auf die Wunde legt. Er wäre ein schlechter Sprecher der Opposition, wenn er das nicht mit aller Deutlichkeit hier getan hätte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Deswegen, Herr Bundesverteidigungsminister, nicht weil ich gegen die theoretische Überlegung etwas hätte, daß sich auch einmal jemand und auch einmal der Soldat in Frage stellen lassen müßte, habe ich gegen die Institution oder besser gesagt: gegen die Person, die Sie in diese Funktion berufen haben, mehr als einen Vorbehalt. Sie müssen einfach sehen, daß Sie sich selbst dadurch einen schlechten Dienst erwiesen haben, daß Sie Leute in die Armee hineingeschickt haben, die nach ihrem eigenen Bekenntnis mit ihr nie sehr viel im Sinn gehabt haben, denen der Soldat sehr fremd war und die jetzt die Verunsicherung, die aus der Gesellschaft kommt, nicht abbauen, sondern verstärken. Das ist doch das Problem.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

„Soldat 70" — gut. Wir hätten uns nur gewünscht — das wäre ein solches Beispiel gewesen , daß die Führung des Bundesverteidigungsministeriums den Offizieren draußen, die dort stehen und argumentieren müssen — das hat, wie ich glaube, der Wehrbeauftragte zu Recht gerügt —, etwas früher Material und überzeugende Argumente an die Hand gegeben hätte. Das verstehe ich darunter, der Bundeswehr in dieser ernsten Lage, in die sie — nicht durch unser aller Schuld — gekommen ist, zu helfen und ihr beizustehen.
Ich darf noch einmal die Sorgen zusammenfassen, die uns von der Opposition bewegen. Die erste Sorge, die ich nicht vertiefen möchte, weil wir darauf noch bei der Diskussion über unsere Große Anfrage eingehen werden, ist die einer langfristig drohenden Schwächung der Kampfkraft, wenn es uns nicht gelingt, den Engpaß im finanziellen Bereich zu überwinden.
Die zweite Sorge ist folgende. Wir sind mit dem Bundeskanzler in Sorge über die Entwicklung der Einstellung zur Wehrbereitschaft in unserem Volke. Es ist eben leider Tatsache, daß etwa gerade in Kreisen von Abiturienten immer mehr Zweifel daran erweckt werden, ob es sich denn noch lohne, für diesen Staat einzustehen, ob die Bundeswehr denn überhaupt noch eine Aufgabe habe. Ich glaube, in diesem Zusammenhang ist es einfach nicht damit getan, daß der Bundeskanzler einmal einen Brief an die Kultusminister schreibt. Dieser Brief war nützlich und notwendig. Aber damit ist es nicht getan, sondern was wir brauchen, ist ein fortlaufender Einsatz — und ich betone — aller Bundestagsfraktionen, aller Bundestagskollegen und insonderheit der Regierung draußen an unseren Schulen.
Das hängt auf das engste damit zusammen, ob es uns gelingt, das wirkliche Ausmaß der Bedrohung sichtbar zu machen. Ich bin nicht derjenige, der glaubt, man müsse jeden Tag einen schwarzen
Mann an die Tafel gemalt haben. Ich sehe wohl ein, daß man nicht tagtäglich nur davon reden kann.
Umgekehrt aber muß ich Ihnen sagen: es genügt natürlich auch nicht, wenn man im Weißbuch einmal den Kräftevergleich anstellt. Sie müssen doch einfach sehen, daß beispielsweise die Äußerungen aus dem Regierungslager, der Friede sei sicherer geworden, die Entspannung stehe vor der Tür, in einem ganz anderen Verhältnis zu dem stehen, wenn gelegentlich noch einmal von der Bedrohung geredet wird. Dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn das Bewußtsein der Bedrohung merklich nachläßt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es ist selbstverständlich, daß der Fachminister immer wieder davon redet. Ich habe ihn auch schon anderswo auf Tagungen gehört. Das ist das mindeste, was wir von ihm erwarten. Entscheidend sind aber die vielen Verlautbarungen der Regierung insgesamt. Wenn Sie auch nur einen bescheidenen Bruchteil der propagandistischen Anstrengungen, die Sie auf die Darstellung Ihrer Ostpolitik verwandt haben — das ging bis zu Heftchen im Comicstrips-Stil hin: solche Heftchen sind selbstverständlich keine nachahmenswerten Beispiele —, darauf verwandt hätten, kritischen jungen Menschen die Augen für das zu öffnen, was drüben wirklich noch an Streitkräften steht und was für Überlegungen drüben angestellt werden, unabhängig von den jeweiligen Ansichten und Absichten, dann hätten Sie der Bundeswehr und der Verteidigungsbereitschaft in unserem Volk einen sehr viel besseren Dienst getan.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Und was haben Sie früher gemacht, Herr Dr. Wörner?)

Wir haben die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zur Frage der Wehrdienstverweigerer mit großer Befriedigung zur Kenntnis genommen. Wir hätten uns eine solche oder eine noch deutlichere Stellungnahme schon früher — und in anderen Kreisen! — gewünscht. Ich hoffe, daß es nicht das letzte Mal war, daß wir in diesem Hohen Hause und anderswo von der Regierung eine solche Erklärung gehört haben. Auch die CDU/CSU respektiert in vollem Umfange das verfassungsmäßig garantierte Recht auf Wehrdienstverweigerung. Aber es muß klar sein, daß in diesem Staat derjenige, der seine Wehrpflicht erfüllt, nicht etwa moralisch schlechter dasteht als derjenige, der den Wehrdienst verweigert.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist das mindeste, was in diesem Staat sichergestellt sein muß.
Weiterhin macht uns die Abwertung des Militärischen und Soldatischen Sorge. Diese Bemerkung ist jetzt nicht speziell an Sie adressiert. Ich glaube, diese Abwertung war im Grunde genommen der Anstoß für die Studie der Hauptleute, die manches überspitzt ausgedrückt hat. Damit wir uns recht verstehen: Es geht nicht darum, einen Blick zurück im Zorn auf eine vergangene Zeit zu werfen. Daß
6554 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 111. Sitzung, Bonn, Freitag, den 26. März 1971
Dr. Wörner
das Bild des Soldaten und des Offiziers in einer Umwälzung begriffen ist, kann niemand bestreiten. Wir wollen nicht mißverstanden werden. Der Offizier allgemeiner Verwendungsbreite prägt leider oder Gott sei Dank nicht mehr das Bild der Truppe und des Soldaten von morgen. Wir alle wissen, daß die Rolle des Spezialisten in der Armee immer bedeutender wird.
Dennoch, es darf gerade bei denjenigen, die den Soldatenberuf für die Dauer ihres Lebens gewählt haben, und denjenigen, die draußen bei der Truppe in der Ausbildung Dienst tun, noch nicht einmal der Schimmer des Verdachts auftauchen, daß etwa das Militärische und das Soldatische, was man von ihnen verlangt und erwartet, geringer geachtet werde als das andere. Es kommt hier auf Gleichrangigkeit an. Es geht uns auch gar nicht darum, der Bundeswehr Sonderrechte in dieser Gesellschaft zu verschaffen. Wir haben mit Befriedigung gehört, daß die Rolle der Bundeswehr in dieser Gesellschaft — das haben Umfragen ergeben — inzwischen weithin als selbstverständlich anerkannt wird.
Es geht um folgendes — und dieses Problem muß gelöst werden —: Der Soldatenberuf, unabhängig von seinen verschiedenen Funktionen, die er aufweist, von den verschiedenen in sich gegliederten Berufsbildern, kann mindestens Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit mit jedem anderen zivilen Beruf beanspruchen. Das muß klar sein.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Pawelczyk: Wo wird denn das bezweifelt? — Abg. Rommerskirchen: In der Studie!)

— Ich kann Ihnen mehr als eine Stimme nennen. Herr Pawelczyk, Sie brauchen sich nicht zu ärgern. Sie haben vielleicht gemerkt, daß es mir nicht auf Polemik und auf eine Zuspitzung des Streits ankommt, sondern darauf, die Sorgen der Opposition im Blick auf die Bundeswehr hier darzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Selbstverständlich muß das auch in der künftigen Bildungskonzeption — das ist ja der Hauptansatzpunkt unserer Kritik an diesem Entwurf; wir halten diese künftige Konzeption für genauso wichtig wie Sie — zum Durchbruch kommen, und zwar nicht bloß verbal, sondern auch faktisch.
Zur Hauptmann-Studie nur noch eine ganz kurze Bemerkung! Ich unterstreiche, was Sie gesagt haben. Ich sage das auch den Hauptleuten: wer Disziplin fordert, muß Disziplin zeigen. Auch wir von der CDU/CSU sehen gewisse Grenzen der Meinungsäußerung von unten nach oben. Nur haben wir das im Unterschied von Ihnen etwas früher gesehen und bei anderen Gelegenheiten schon betont.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Umgekehrt muß gelten: wer Loyalität fordert, muß Verständnis zeigen und muß in vollem Umfang die geäußerten Sorgen ernst nehmen und seiner Fürsorgepflicht genügen.
Dazu gehört — damit lassen Sie mich schließen —, daß wir unabhängig von dem Meinungsstreit den Auftrag des Soldaten in dieser Gesellschaft verdeutlichen; da könnte ich vieles von dem, was der Herr Wienand gesagt hat, aufgreifen. Wir reden viel von Attraktivität. Fürsorgemaßnahmen sind gut. Bessere Ausbildung ist gut und ist sicher mit dazu geeignet. Bloß, letztlich entscheidet sich daran, glaube ich, nicht die Frage, ob der Soldatenberuf als solcher — und wir brauchen den Berufssoldaten, und wir brauchen die Soldaten mit längerer Dienstzeit — attraktiv ist. Diese Frage entscheidet sich doch daran, ob in diesem Volk und in seinen führenden Schichten, bei den Politikern und bei den Journalisten sich die Überzeugung durchsetzt, daß diesem Beruf, solange es ihn gibt — und das ist auf absehbare Zeit —, der gleiche Respekt gebührt wie jedem anderen Beruf auch. Es gibt keinen Beruf, der auf die Dauer ohne dieses Selbstbewußtsein und ohne diese Achtung in der Gesellschaft auskommt. Darum sollten wir alle zusammen ringen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611120600
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611120700
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Schwerpunkt dieser Debatte handelt von der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Außenpolitik eines Staates ist zugleich Sicherheitspolitik. In seiner Schrift über die Grenzen der Wirksamkeit des Staates sagt Wilhelm von Humboldt:,, Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine Kräfte auszubilden noch die Frucht derselben zu genießen. Denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit." Das Wort Humboldts gilt; es ist aktuell geblieben und wird aktuell bleiben.
Aber es bleibt auch immer die Frage, und sie ist immer neu zu stellen und zu beantworten, auf welche Weise Sicherheit zu erhalten, Sicherheit zu gewinnen sei. Die Politik dieser Bundesregierung hat sich aus gutem Grunde ganz besonders darauf konzentriert, die Sicherheit dadurch zu verbessern, daß sie versucht, Schritt für Schritt ganz beharrlich die Ursachen der Unsicherheit zu beseitigen und dort, wo das jetzt nicht gelingen kann oder nicht voll gelingen kann, wenigstens — das sage ich gerade auch den Sprechern der Opposition — die Erkenntnis für die Ursachen der Unsicherheit zu schärfen.
In dem oft und auch hier schon zitierten HarmelBericht, der von den Außenministern der NATO im Dezember 1967 angenommen worden ist, wird betont, daß militärische Sicherheit und eine Politik der Entspannung keinen Widerspruch darstellen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Diese Feststellung ist die Basis unserer Sicherheitspolitik und unserer Außenpolitik zugleich. Das westliche Verteidigungsbündnis schafft die Voraussetzungen und gibt die Möglichkeiten für eine Politik der Entspannung.
Die Qualität des westlichen Verteidigungsbündnisses ist von entscheidendem Wert für eine Politik, die sich um den Abbau der Konfrontation gegenüber unseren östlichen Nachbarn bemüht. Da wiederum die Bundeswehr ein wesentlicher Faktor in diesem westlichen Verteidigungsbündnis ist, gibt es nicht etwa einen Gegensatz zwischen Verteidigungs-



Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
politik und Ostpolitik. Vielmehr macht unsere Verteidigungspolitik die Ostpolitik überhaupt erst möglich. Ohne einen militärischen Rückhalt wären angesichts der Bedingungen dieser Welt eben Entspannungspolitik und Politik der Kooperation wenig erfolgversprechend.
Man muß immer wieder daran erinnern, daß sich die jetzige Bundesregierung bemüht, unter dem Aspekt der Sicherheit und damit der Freiheit im Sinne des bereits zitierten Harmel-Berichts, der die Aufgabenstellung der NATO umreißt, die Außenpolitik und die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland zu entwickeln. Die Hauptkomponenten hierzu sind einmal das NATO-Bündnis und die wirtschaftlich-politische Zusammenarbeit in der europäischen Gemeinschaft. Dazu ist die Ost- und Entspannungspolitik hinzuzufügen. Das Risiko einer Friedensverletzung wird zweifellos durch das westliche Verteidigungsbündnis und durch die wirtschaftlich-politische Zusammenarbeit in der europäischen Gemeinschaft erheblich vermindert. Aber die dauerhafte Sicherung des Friedens macht es außerdem notwendig, die Konfrontation in Europa, in Deutschland, in Berlin abzubauen.
Unsere NATO-Partner stimmen in diesen Fragen mit der Bundesregierung voll überein. Das ist wiederholt gesagt worden. Ich möchte es aber noch einmal verdeutlichen und darf deshalb darauf hinweisen, daß das Kommuniqué der Ministerkonferenz der NATO vom 4. Dezember 1970 die Verträge begrüßt, die die Bundesregierung mit der Sowjetunion und mit der Volksrepublik Polen abgeschlossen hat. Sie werden als Beiträge zur Minderung der Spannungen in Europa und als wichtige Elemente des Modus vivendi bezeichnet, den die Bundesrepublik Deutschland mit ihren östlichen Nachbarn herstellen will.
Die Bemühungen um Abrüstungs- und Rüstungskontrolle als wichtiges Element der Sicherheitspolitik sind von der Bundesregierung immer wieder genannt worden. Die Sowjetunion und ihre Verbündeten haben die Vorschläge der NATO vom Juni 1968 und vom Mai 1970 für eine gegenseitige ausgewogene Verminderung der Truppen in der mittleren europäischen Region nicht direkt beantwortet. Jedoch können als indirekte Reaktionen auf diese gemeinsame Entspannungsinitiative des NATO-Bündnisses zwei formelle Verlautbarungen der Mitglieder des Warschauer Pakts verstanden werden.
So wird im Budapester Memorandum vom 22. Juni 1970 die Auffassung begründet — ich zitiere —,
daß die Erörterung der Frage der Verminderung der ausländischen Streitkräfte auf dem Territorium der europäischen Staaten den Interessen der Entspannung und Sicherheit in Europa dienen würde.
Außerdem schlägt der Warschauer Pakt in diesem Zusammenhang vor, das Problem der Reduzierung der ausländischen Streitkräfte in einem Organ zu diskutieren, dessen Bildung auf einer gesamteuropäischen Konferenz vorgeschlagen wird, oder es sollte in einem anderen für die interessierten Staaten annehmbaren Verfahren zur Sprache kommen.
Zum zweiten wird in der Erklärung des Warschauer Pakts vom 2. Dezember 1970 nach längerer Zeit wiederum eine Passage der Bukarester Erklärung vom 6. Juli 1966 aufgegriffen, und zwar jene Passage, in welcher der Themenkomplex „Abbau der Militärblöcke" und „Abrüstungs- und Rüstungskontrolle" behandelt wird. Die NATO ist hierin als „aggressive Militärgruppierung" abqualifiziert und zugleich in Gegensatz zu den gegenwärtigen gesunden Tendenzen im internationalen Leben gebracht worden. Es wird in dieser Erklärung die Entschlossenheit des Warschauer Pakts festgestellt, seine Macht und Verteidigungsbereitschaft zu stärken, und es werden unter anderem die Beseitigung aller Militärstützpunkte, der Abzug aller ausländischen Truppen von fremden Territorien bis hinter ihre nationalen Grenzen und die Bildung atomwaffenfreier Zonen gefordert.
Die Bundesregierung faßt diese beiden Verlautbarungen nicht als positive Erwiderung auf die westlichen Vorschläge einer gegenseitigen und ausgewogenen Truppenreduzierung auf, weil sie sich nur auf ausländische Streitkräfte beziehen und dabei das Problem der Ungleichheit im geostrategischen Sinne, also der geostrategischen Asymmetrie, außer acht lassen. Wohl aber wertet die Bundesregierung die hier zitierten Reaktionen des Warschauer Paktes als einen Beweis für die Erkenntnis der Paktmitglieder, daß sie sich einer angemessenen Diskussion über die Probleme der militärischen Konfrontation im Zusammenhang mit der europäischen Sicherheit auf die Dauer nicht entziehen können. Eben auf diese Diskussion legt der Westen mit Recht großen Wert.
Der Herr Bundesminister der Verteidigung hat von dieser Stelle aus schon auf die bündnisinternen Initiativen der Bundesregierung bei den Ministerratstagungen der NATO in Rom im Mai 1970 und in Brüssel im Dezember 1970 hingewiesen. Niemand, meine Damen und Herren, kann übersehen, mit welchem Ernst die Bundesregierung den Bündnisauftrag, der in der Verbindung von militärischer Sicherheits- und Entspannungspolitik besteht, versteht und praktiziert. Ich will Ihnen hier nicht den ganzen Katalog unserer vielfältigen Bemühungen um
Abrüstung im einzelnen aufzählen. Wenn es bisher
auch nicht zu wirklichen Abrüstungsvereinbarungen gekommen ist, so bleibt doch erfreulich, daß eine Reihe von weltweiten Nichtrüstungsabkommen abgeschlossen werden konnten. Wir fördern diese Bemühungen, weil wir hierin einen Beitrag zur Festigung der Sicherheit und Entspannung sehen. Wir denken dabei u. a. an das Verbot von Kernwaffenversuchen, den Nichtverbreitungsvertrag und an den in Kürze von uns zu unterzeichnenden Meeresbodenvertrag.
Die seit Ende 1969 zwischen den Supermächten im Gang befindlichen Gespräche über eine Begrenzung der strategischen Waffen sind in diesem Zusammenhang von ganz besonderer Bedeutung. Wir hoffen, daß diese Bemühungen alsbald erfolgreich abgeschlossen werden können.
Überall dort — das darf ich noch einmal ausdrücklich betonen —, wo Abrüstungs- und Rüstungskon-



Parlamentarischer Staatssekretär Moersch trollmaßnahmen zu einem Mehr an Sicherheit und Entspannung führen, also der Festigung des Friedens dienen, ist die Bundesregierung zu vorbehaltloser Unterstützung und Mitarbeit bereit.
Man wird jedoch über Sicherheits- und Entspannungspolitik in Europa nicht reden können, ohne auf die in der Diskussion befindliche Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die KSE, hinzuweisen. Das Brüsseler Kommuniqué des NATO-Ministerrates vom Dezember 1970 hat die positive Haltung der Allianz zum Projekt einer KSE bestätigt. Die Bundesregierung hat die feste Absicht, eine konstruktive Rolle im Rahmen einer solchen Konferenz zu spielen. Die KSE kann nach unserer Auffassung nicht nur der Förderung der Zusammenarbeit dienen, sondern sie muß die wirklichen Sicherheitsfragen in die Diskussion einbeziehen.
Allgemein ist anzumerken, daß in jedem multilateralen Gremium und auf jeder Art von Konferenz, die sich ersnthaft und umfassend mit dem Problem der europäischen Sicherheit befassen soll, auch die Frage des Abbaus der militärischen Konfrontation zur Sprache kommen muß. Die Frage der Truppenverminderung kann unabhängig von der KSE behandelt werden. Kommt es indessen zur KSE, so müssen dort die Probleme der militärischen Sicherheit in angemessener Form erörtert werden.
Doch dieser Hinweis auf die Sicherheitskonferenz wäre unvollständig ohne den Hinweis auf das Problem Berlin. Die Bundesregierung hat sich dazu wiederholt klar geäußert und in Übereinstimmung mit ihren Verbündeten festgestellt, daß eine befriedigende Berlin-Regelung notwendigerweise einer KSE vorangehen muß, weil ohne Berlin-Regelung die KSE keine Aussicht auf Erfolg bieten kann. Multilaterale Kontakte zur Vorbereitung einer KSE werden mit dem Vorliegen einer befriedigenden Berlin-Regelung beginnen können, zumal zu erwarten ist, daß eine solche Berlin-Regelung wesentliche Fortschritte in den innerdeutschen Beziehungen enthalten wird.
Der belgische Außenminister Pierre Harmel hat jüngst in einem Beitrag im „Europa-Archiv" zu dieser Frage erklärt — und wir stimmen ihm hier zu —:
Es erscheint in der Tat unvorstellbar, eine allgemeine Konferenz in einer entspannten Atmosphäre abzuhalten, solange im Herzen Europas dieser Zankapfel
— gemeint ist die Berlin-Frage —
fortbesteht ... Die Verantwortung für die Zukunft Berlins liegt in erster Linie bei den vier Großmächten. Es ist daher wichtig, im voraus diese ganz besondere Frage aus der Gesamtheit der europäischen Streitfragen herauszunehmen.
Soweit der belgische Außenminister.
Diese Konferenz müßte — das ist wiederholt gesagt worden — der Entspannung in Europa dienen; und das heißt doch, sie müßte zu einer dauerhaften Verbesserung im Ost-West-Verhältnis führen. Dazu bedürfte es eines multilateralen Abkommens über den gegenseitigen Verzicht auf Anwendung oder Androhung von Gewalt, und es bedürfte eines einheitlichen Verständnisses über die allgemeine Anwendung von Grundsätzen bei der Gestaltung zwischenstaatlicher Beziehungen. Solche Grundsätze sind in Abs. 12 des Kommuniqués des NATO-Ministerrates vom Dezember 1970 in Brüssel genannt worden, nämlich: souveräne Gleichberechtigung; politische Unabhängigkeit; territoriale Unverletzbarkeit eines jeden europäischen Staates; Nichteinmischung und Nichteingreifen in die inneren Angelegenheiten eines Staates, unabhängig von seinem politischen und sozialen System; das Recht des Volkes eines jeden Staates, sein eigenes Schicksal frei von äußerem Zwang zu gestalten.
Im selben Kommuniqué ist zu einer eventuellen Sicherheitskonferenz außerdem gesagt worden, daß sie der engeren Zusammenarbeit der teilnehmenden Staaten auf kulturellem, wirtschaftlichem, technischem und wissenschaftlichem Gebiet sowie bei den Umweltproblemen dienen soll. Größere Bewegungsfreiheit von Menschen, Ideen und Informationen stellen dabei ein wesentliches Element für die Entwicklung einer derartigen Zusammenarbeit dar.
Die intensive Beschäftigung gerade des NATO-Ministerrates mit der Frage der KSE entspricht dem wiederholt zitierten Harmel-Bericht von 1967 und zeigt auch, daß die Bündnispartner das bestehende Bündnis als die Ausgangsposition für die gesamteuropäische Zusammenarbeit im Rahmen einer möglichen Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ansehen.
Die Bundesregierung ist sich stets bewußt gewesen — auch das will ich noch einmal betonen —, daß ihre der Entspannung dienende Ostpolitik nur sinnvoll und erfolgreich sein kann, wenn die Verteidigungsfähigkeit der Allianz gesichert bleibt und wenn das militärische Kräfteverhältnis stabilisiert wird.
Wir begrüßen in diesem Zusammenhang dankbar die Zusicherung Präsident Nixons, daß die Vereinigten Staaten bei entsprechendem Verhalten der übrigen Bündnispartner ihre eigenen Streitkräfte in Europa beibehalten und sie nur im Rahmen beiderseitiger Maßnahmen — auf östlicher wie auf westlicher Seite — verringern würden. Damit ist für die nächsten Jahre die notwendige Stabilisierung der Kräfteverhältnisse sichergestellt. Gleichzeitig hat die Erklärung Präsident Nixons die Grundlage für eine erfolgversprechende MBFR-Politik der Allianz geschaffen.
Die Einrichtung eines europäischen Programms zur Stärkung der NATO-Verteidigung durch die europäischen Bündnispartner ist ein Beweis für den fortdauernden Willen zur europäischen Zusammenarbeit. Der Bundesminister der Verteidigung hat sich gerade für dieses Programm besonders engagiert. Dafür gebührt ihm Dank.
Die Bundesregierung ist sich darüber im klaren, daß auch in Zukunft zusätzliche Verteidigungsanstrengungen notwendig sein werden, um der arne-



Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
rikanischen Regierung die Aufrechterhaltung ihrer Truppenpräsenz in Europa zu erleichtern.
Das europäische Programm ist insofern ein wichtiger erster Schritt zur Übernahme größerer Verantwortung für die gemeinsame Sicherheit durch die Europäer.
An dieser Stelle darf ich zu diesem Bereich der Sicherheits- und Außenpolitik noch einmal zusammenfassend sagen, daß Sicherheitspolitik immer auf zwei Säulen ruht. Sie ist durch die Notwendigkeit gekennzeichnet, Gleichgewichte zu sichern und zu erhalten, und sie ist durch die Notwendigkeit gekennzeichnet, die Ursachen der Unsicherheit zu beseitigen, d. h. eine Entspannung herbeizuführen.
Aber dieser Hinweis wäre doch unvollständig ohne die Feststellung, daß ausgeglichene wirtschaftliche und soziale Verhältnisse im Innern ein ganz wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Sicherheitspolitik sind. Die von der Bundesregierung im Inneren vorgenommenen und vorgesehenen Weiterentwicklungen — kurz „Reformen" genannt — dienen der inneren Sicherung unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung und sie lassen sich insofern auch nicht von all dem trennen, was auf militärischem und außenpolitischem Gebiet zur Sicherung dieser freiheitlichen Ordnung getan wird und getan werden muß.
Aber wie steht es mit dem Verständnis der Öffentlichkeit für das „Warum" und das „Wie" unserer Sicherheitspolitik? Es wird beklagt, das das Verständnis für die Notwendigkeit der militärischen Verteidigungsbereitschaft in unserer Bevölkerung nicht genügend ausgeprägt sei oder sich gar verringere.
Ich will jetzt nicht die Ursachen dafür im einzelnen untersuchen oder darüber spekulieren, aber ich will mir doch einen Hinweis gestatten, von dem ich glaube, daß er kaum Widerspruch hervorrufen kann. Die Distanz, die viele unserer Mitbürger zu den Sicherheitsfragen im militärischen Sinne haben, ist zu einem guten Teil auch verursacht durch die Sprache, in der diese Fragen heute behandelt werden. Es ist wohl kaum zu bestreiten: die Philosophen, mitunter auch die Soziologen und die Politologen sind nicht die einzigen, die sich der deutschen Sprache bedienen können, ohne daß die Umwelt sie versteht. Manche Sicherheitsexperten wetteifern mit ihnen, indem sie sich militärisch-technischer Fachausdrücke bedienen, die für die meisten von uns hinreichend unverständlich sind.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wie beispielsweise KSE!)

— Ich habe das vorhin aufgeschlüsselt, meine Herren. Ich bekenne mich mit schuldig in diesem Fall.
Aber ich nenne nur einige Abkürzungen, meine Herren vom Verteidigungsausschuß, die Sie offensichtlich mit diesem Vokabular ständig umgehen, wie ICBM, ABM, MIRV und MBFR, die Abkürzung für gegenseitige ausgewogene Truppenverminderung, die ich leider vorhin selbst benutzt habe.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nur die Punkte fehlen da, wie bei F.D.P.!)

Deshalb ist es nützlich, sich bei der Erörterung der militärischen Situation daran zu erinnern, daß uns recht konkrete Dinge beschäftigen, z. B. Mittelstrekkenraketen in großer Zahl, die blitzschnell auf Ziele in Mitteleuropa mit Atomsprengköpfen abgefeuert werden können.
Bei diesem Hinweis, meine Damen und Herren, wird auch klar, wie sehr sich die Welt in den letzten hundert Jahren verändert hat. Bismarck hat im Jahre 1870 den Vertretern des Norddeutschen Bundes gesagt: „Ich betrachte auch einen siegreichen Krieg an sich immer als ein Übel, welches die Staatskunst den Völkern zu ersparen bemüht sein muß."

(Abg. Damm: Das war Moltke!) — Das war Bismarck, glauben Sie es mir.


(Abg. Damm: Moltke aber auch!)

— Vielleicht, Herr Damm, Sie können es ja nachprüfen. —
Für ihn galt trotz dieser Einschränkung immer noch das Wort vom Clausewitz, daß der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sein könne. Heute im Atomzeitalter ist das Wort „Krieg" nicht mehr in einem gleichen oder auch nur ähnlichen Sinne zu gebrauchen, wie es noch vor hundert Jahren für Bismarck möglich war. Sicherheit vor dem Krieg ist längst zur Existenzfrage für die ganze Menschheit geworden, zur Frage des Überlebens überhaupt.
Da wird denn ein anderes Wort aktuell, das auch mehr als hundert Jahre alt ist; Jean Paul hat es geschrieben: „Der Krieg kommt endlich selber am Kriege um; seine Vervollkommnung wird seine Vernichtung ... Das Gute braucht zum Entstehen Zeit, das Böse braucht sie zum Vergehen."

(Abg. Wehner meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611120800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wehner?

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0611120900
Herr Kollege, da — ich muß es ehrlich gestehen — Jean Paul zu meinen Lieblingsschriftstellern gehört, darf ich Sie fragen, warum Sie anderen so wehe tun, bei dieser Gelegenheit zu so später Stunde dies hier alles zu sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611121000
Herr Kollege Wehner, ich danke Ihnen für diesen Hinweis. Sie haben ja selbst an der Unruhe einiger Kollegen von der CDU/CSU gesehen, daß sie offensichtlich mit Bismarck mehr als mit Jean Paul anfangen konnten.

(Abg. Windelen: Sie können uns doch nicht in Unruhe versetzen, Herr Staatssekretär!)

— Ja, sicher! Sie haben sich vorhin offensichtlich sehr fragend bemüht, und Herr Kollege Wehner hat, glaube ich, hierzu eine Frage gestellt, die Ihnen dazu etwas Aufklärung geben kann.



Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
Ich glaube, daß Sie sich diese beiden Komponenten, die hier zitiert worden sind — nicht nur die Blut- und Eisenkomponente —, vielleicht künftig doch mehr zu eigen machen sollten.

(Zurufe von der CDU/CSU: Aber die Frage hat gewirkt! — Gehorcht hat er sofort!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611121100
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kiep.

Dr. Walther Leisler Kiep (CDU):
Rede ID: ID0611121200
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Moersch hat hier eine außenpolitische Regierungserklärung abgegeben, auf die ich im einzelnen nicht eingehen möchte und die auch im Zusammenhang mit der Debatte wohl kein längeres Eingehen verdient. Aber ein Punkt scheint mir wichtig, und den möchte ich in zwei Sätzen festhalten: Herr Staatssekretär Moersch, Sie haben in Ihrer Erklärung, die Sie hier verlesen haben, einige Bemerkungen zur europäischen Sicherheitskonferenz gemacht, und Sie haben in diesem Zusammenhang — wenn ich Sie richtig verstand, und das war nicht ganz einfach, weil Sie sehr schnell gelesen haben in zwei Punkten die Linie verlassen, die nach unserer Ansicht bisher die gemeinsame Linie der Bundesregierung, der amerikanischen, der britischen und der französischen Regierung für das Zustandekommen einer solchen europäischen Sicherheitskonferenz war, indem Sie die Voraussetzungen für das Zustandekommen einer solchen europäischen Sicherheitskonferenz auf ein — wie ich sagen möchte — Minimum reduziert haben. Weder die amerikanische Regierung in ihren jüngsten Erklärungen noch die englische Regierung haben in ähnlicher Weise ihre Voraussetzungen für eine Teilnahme an einer Konferenz etwa reduziert, wie das hier geschehen ist. Ich meine, hierzu sollten Sie, wenn es sich um eine Änderung der Politik der Bundesregierung handelt, im Auswärtigen Ausschuß und auch hier im Bundestag klar Stellung beziehen und Aufklärung geben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611121300
Das Wort hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0611121400
Frau Präsident! Herr Kollege Kiep! Es ist keine Linie verlassen worden. Was ich gesagt habe, entspricht dem Inhalt des NATO-Kommuniqués und ist in jedem Satz auch die Meinung unserer Verbündeten.

(Abg. Barzel: Warum haben Sie es dann vorgetragen, wenn es altes Zeug ist?)

— Herr Dr. Barzel, weil ich aus der Frage der Opposition entnommen habe, daß sich die Opposition offensichtlich falsche Vorstellungen über den Inhalt gemacht hat.

(Abg. Dr. Wörner: Das ist Rabulistik!)

Wir haben das mit unseren Verbündeten so besprochen, wie ich es vorgetragen habe. Das ist nicht
nur der Standpunkt der Bundesregierung, das ist der Standpunkt des westlichen Bündnisses.

(Abg. Kiep: Nein!)

— Aber selbstverständlich, Herr Kiep. Sie müssen mir schon abnehmen, daß es so ist. Ich hatte diese Formulierungen wohlweislich notiert. Ich bin nicht von dem abgewichen, was die Bundesregierung in Gesprächen mit ihren Verbündeten über diese Fragen vereinbart hat. Wenn Sie das anders gesehen haben, sind Sie möglicherweise über diesen Inhalt nicht zutreffend informiert gewesen. Das halte ich allerdings für denkbar. Es ist hier aber keine neue Linie, sondern es ist eine Bestätigung, eine Kommentierung der Linie, die das Bündnis selbst auf der letzten NATO-Konferenz beschlossen hat.

(Abg. Dr. Klepsch: Darauf kommen wir zurück!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611121500
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0611121600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Fürchten Sie bitte nicht, daß ich mich noch zur Sache äußern will, sosehr ich das wünschte. Aber ich will hier — auch damit der verehrte Herr Vorredner nicht denkt, ich hätte mich persönlich an ihm reiben wollen — Ihnen etwas sagen, was ich sonst wortlos zu Protokoll gegeben hätte; das läßt unsere Geschäftsordnung aber nicht mehr zu.
Meine Frage ist: Wer soll verstehen, was dieses Parlament, dieser Bundestag, der sich ein Parlament nennt und auch so nennen läßt, sagen will, wenn es sich selbst so versteht, wie es um so offensichtlicher geworden ist, je länger diese Debatte dauerte, daß er sich als etwas versteht, was ich nur hart bezeichnen kann — und so wird er gesehen werden —als der Bundestag der leeren Plätze? Ich will mich heute über die Worte, die hier gefallen sind, und in Worten, die hier nötig sind, überhaupt nicht äußern, nicht weil ich nichts zu sagen hätte, sondern weil es mir leid tut und weil ich nichts weiter dazu sagen will. Ich will auch niemandem etwas vorwerfen oder mich von anderen unterscheiden. Das ist jetzt nicht meine Sache. Ich gehöre diesem Bundestag an, seitdem es einen Deutschen Bundestag gibt. Ich, meine Damen und Herren, schäme mich.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611121700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0611121800
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die letzte Bemerkung des Kollegen Wehner aufnehmen und ihn einladen — ebenso wie den Kollegen Mischnick —, diese Frage einmal zusammen mit dem Präsidium des Hauses zu erörtern, die nicht nur mit den leeren Bänken zu tun hat, sondern — ich sage dies völlig unpolemisch — die damit zu tun hat, daß wir uns in diesem Hause eine veränderte Geschäftsordnung mit 15-Minuten-Reden gegeben haben, von der keiner Gebrauch macht. Warum? Weil wir zum Beispiel — ich sage dies offen — in dieser Debatte die Chance haben, vielleicht zwei-, höchstens dreimal



Dr. Barzel
zu Wort zu kommen, weil die Regierung dauernd Erklärungen abgibt

(Zurufe von der CDU/CSU: Abliest!)

und dann die Koalitionsfraktionen sprechen. Wenn wir uns dann an 15 Minuten halten, haben wir die Chance, im Laufe eines Tages hier dreimal 15 Minuten zu reden.
Was die Bundesregierung heute durch drei Regierungserklärungen, von denen nur zwei in sachlicher Übereinstimmung standen, geboten hat, das gehört dann auch zu diesem Thema. Wenn der Kollege Wehner in der Absicht hier heraufgekommen sein sollte, daß wir miteinander aus der Situation lernen sollten — so habe ich ihn verstanden —, dann kann ich sagen: wir sind dazu bereit. Dazu gehört dann aber auch, diesem Hause sein Recht widerfahren zu lassen.
Ich möchte auch daran erinnern, wie es angefangen hat. Heute sollten zwei Große Anfragen behandelt werden. Dann kam die Regierung und sagte: keine Großen Anfragen, sondern eine Regierungserklärung. Schließlich wurden noch zwei andere darangehängt. Das, meine Damen und Herren, ist sicher nicht gut. Wir wollen uns auch überlegen, was wir im Hinblick auf die Verkehrsmöglichkeiten in Zukunft am Freitag machen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0611121900
Wird das Wort noch gewünscht? Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Damit ist die Tagesordnung für heute erschöpft.
Ich berufe das Haus auf Mittwoch, den 31. März, um 9.00 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.