Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Verkehr hat am 16. März 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hirsch, Dichganz, Mertes, Jacobi und Genossen betr. Verschmutzung des Rheins — Drucksache VI/466 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/537 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministers für Wirtschaft hat am 17. März 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Weigl, Hösl, Dr. Warnke, Dr. Fuchs, Dr. Jobst, Röhner, Niegel, Schlee, Dr. Schulze-Vorberg, Roser und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet — Drucksache VI/432 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/545 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministers der Verteidigung hat am 17. März 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Klepsch, Ernesti, Damm, Dr. Zimmermann, Dr. Marx , Dr. Wörner und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Unfallversorgung der Soldaten — Drucksache VI/436 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V1/549 verteilt.
Nach einer Mitteilung des Haushaltsausschusses wird auf die Überweisung gemäß § 96 der Geschäftsordnung der Vorlage des Bundesministers der Verteidigung betr. Verbesserung der „Beschädigtenversorgung" der wehrpflichtigen Soldaten und ihrer Hinterbliebenen — Drucksache VI/441 — verzichtet.
Einziger Punkt der Tagesordnung: Fragestunde
— Drucksachen VI/525, VI/548 —
Meine Damen und Herren, zur heutigen Frage-
stunde liegt eine Reihe Dringender Mündlicher Fragen vor, die zugelassen worden sind, und zwar die Fragen der Abgeordneten Seefeld, Haage, Gewandt und Lemmrich aus ,dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Ich rufe zunächst die Frage 1 des Abgeordneten' Seefeld auf:
. Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um die seit dem 17. März 1970 einseitig von der italienischen Regierung eingeführte Besteuerung des Straßengüterverkehrs in Höhe von ca. 10 DM pro Tonne sofort wieder rückgängig machen zu lassen?
Zur Beantwortung Herr Bundesminister Leber.
Herr Präsident, ich beantworte die Frage des Abgeordneten Seefeld wie folgt.
Erstens. Die Steuer, die eingeführt worden ist, wird mit einem ,Gesetz aus dem Jahre 1959 begründet. Bisher wurde dieses Gesetz für Länder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, für die Schweiz und für Jugoslawien nicht praktiziert. Die Steuer wurde also de facto nicht erhoben.
Zweitens. Der jetzige Schritt kommt überraschend. Er ist nicht angekündigt worden. Ich 'war vorige Woche in Rom und hatte dort lange und freundschaftliche Gespräche mit dem italienischen Verkehrsminister. Mir gegenüber ist keine Andeutung gemacht worden, daß der Finanzminister in dieser Woche eine solche Anordnung herausbringen würde. Ich halte es persönlich auch nicht für besonders stilvoll, so 'zu verfahren.
Drittens. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft in Brüssel ist nicht konsultiert worden. Die Bundesregierung hat sofort Verhandlungen aufgenommen. Eine Vertretung des Bundesverkehrsministeriums weilt seit einigen Tagen in Rom und ist seit dem 17. März morgens in direkter Verbindung mit der italienischen Regierung. Das Ziel, das verfolgt wird, lautet: Aufhebung der einseitigen diskriminierenden Steuer.
Viertens. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist aufgefordert worden, gegen den einseitigen Beschluß der italienischen Regierung mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen, einzuschreiten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ich darf aus Ihren Antworten entnehmen, daß auch Sie der Meinung sind, daß diese einseitige italienische Maßnahme in keiner Weise mit dem Geist der Römischen Verträge vereinbar ist.
Ich bin dieser Meinung.
Darf ich Sie weiter fragen, Herr Bundesminister, ob Ihnen bekannt ist, daß verschiedentlich die Frage erhoben wird, ob nach der Steuermaßnahme, die im Jahre 1959 von den Italienern angekündigt wurde, ein Abkommen zwischen der Bundesrepublik und Italien getroffen wur-
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Seefeldde, das jetzt eventuell ausgelaufen sein könnte, undob deshalb dieser Schritt vorgenommen worden ist.
Eine solche Begründung der italienischen Regierung ist mir nicht bekanntgeworden.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Gewandt.
Herr Minister, für den Fall, daß die Proteste der Kommission fruchtlos bleiben: wären Sie dann bereit, unter Umständen den Weg einer Klage zu beschreiten?
Herr Kollege Gewandt, 'ich kann Ihre Frage gern jetzt beantworten. Aber es sind 7 Fragen gestellt. Die Möglichkeiten der deutschen Reaktion werden noch unter Frage 6 erörtert.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 2 des Kollegen Seefeld auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Maßnahme nur gegenüber Lastkraftwagenunternehmen aus der Bundesrepublik Deutschland angewandt wird?
Ich nehme an, er legt wegen eventueller Zusatzfragen Wert auf getrennte Beantwortung.
Leber, Bundesminister für Verkehr und für 'das Post und Fernmeldewesen: Ich beantworte die Frage mit Ja.
Ihnen genügt das; danke schön. — Keine weiteren Zusatzfragen.
Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß wegen dieser Besteuerungsmaßnahme durch die italienische Regierung die Unternehmen der Bundesrepublik Deutschland im Italienverkehr daran gehindert werden, den Verkehr aufrechterhalten zu können, da für 25-t-Lastzüge eine zusätzliche Belastung von ca. 500 DM eintritt?
Herr Präsident, es ist zu befürchten, daß der Verkehr zum Erliegen kommt. Die Steuer ist so hoch, daß sie nach unserer Auffassung von prohibitiver Wirkung ist.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Frage 4 'des Abgeordneten Gewandt:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die neuerdings von Italien eingeführte Sondersteuer für deutsche LKW-Transporte im grenzüberschreitenden Verkehr eine Auswirkung der nicht EWG-konformen deutschen Straßengüterverkehrsteuer ist, und welche Schritte plant sie zur Beseitigung dieser diskriminierenden Maßnahme?
Herr Kollege Gewandt! Herr Präsident! Ich beantworte die Frage wie folgt.
Erstens. Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht.
Zweitens. Ich 'bedauere etwas, Herr Kollege Gewandt: die in Ihrer Frage enthaltene Feststellung, die Straßengüterverkehrsteuer in der Bundesrepublik sei eine nicht EWG-konforme Steuer, und zwar aus folgenden Gründen. Diese Steuer ist durch 'ein Gesetz des Deutschen Bundestages mit einer, wie ich mich erinnere, sehr breiten Mehrheit des Hohen Hauses eingeführt worden, Bevor der Deutsche Bundestag 'damals entschied, ist die EWG-Kommission ordnungsgemäß, wie es in den Römischen Verträgen steht, konsultiert worden.
Drittens. Die Straßengüterverkehrsteuer ist mit Billigung der EWG-Kommission — an einigen Stellen sind Monita angefügt, an die haben wir uns gehalten — seit dem 1. Januar 1969 in Kraft, also weit mehr als ein Jahr. Diese deutsche Beförderungsteuer ist keine einseitige, gegen irgend jemanden im 'besonderen gerichtete Maßnahme, sondern eine Steuer, 'die den gesamten Verkehr dann, wenn er sich in der Bundesrepublik bewegt, trifft, also den binnendeutschen Verkehr ebensosehr wie jeden ausländischen Verkehr in dem Augenblick, in dem er die deutsche Grenze überschritten hat. Ich weiß, daß 'diese Beförderungsteuer von einigen Ländern angefochten wird, aber nicht an dem Punkt, an dem die 'italienische Regierung jetzt ansetzt, sondern vor allem wegen der besonderen Bestimmungen, die wir mit Rücksicht auf die 'Gleichstellung unserer Häfen mit den Rheinmündungshäfen getroffen haben.
Eine Zusatzfrage.
Aber es ist Ihnen doch 'bekannt, Herr Minister, daß die Kommission ihrerseits erklärt hat, eine solche Maßnahme sei nicht EWG-konform?
Die Kommission hat mir gegenüber eine solche Erklärung nicht abgegeben. Im Gegenteil, wir haben konsultiert und haben eine Antwort der EWG-Kommission bekommen. Ich nehme an, der Deutsche Bundestag hat damals auch das Ergebnis der Konsultation zur Kenntnis genommen. Und es ist doch wohl nicht zu einem Gesetz gekommen, das EWG-widrig wäre, Herr Kollege Gewandt. Bei dem Streit, der jetzt zwischen einigen anderen 'europäischen gelagerten Interessen besteht, geht es um ,die 170-km-Zone im Norden. Ich habe vorhin schon mein Bedenken angeführt, daß Sie mit der Feststellung, das Gesetz sei nicht EWG-konform, solche Interessenten unter Umständen noch ermutigen, zum Nachteil der deutschen Häfen in Brüssel tätig zu werden.
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Sie haben eine zweite Zusatzfrage.
Meine Feststellung in der Frage bezieht sich ja nicht auf 'das Problem der Seehäfen, Herr Minister.
Aber im wesentlichen ist nur diese Frage in der EWG angegriffen, nicht die Straßengüterverkehrsteuer an sich.
Herr Kollege Haage!
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß zwischen unserer Besteuerung und der jetzt in Italien erhobenen Steuer ein wesentlicher Unterschied besteht, da die italienischen Unternehmer dort gegenüber den Unternehmern innerhalb des EWG-Raums bevorzugt werden, während bei uns alle, die die. deutschen Verkehrsstraßen benutzen, der Beförderungsteuer unterliegen?
Ja, der Hauptunterschied besteht außerdem wohl darin, Herr Kollege Haage, daß die italienische Steuer ungewöhnlich höher ist als die Beförderungsteuer in der Bundesrepublik, die für alle, für die Deutschen und für jeden internationalen Verkehr, gilt. Sie ist um ein Mehrfaches höher und ist so hoch angesetzt, daß sie, wenn der Lkw-Unternehmer die Steuer nicht vom Verlader oder vom Empfänger ersetzt bekommt, prohibitiv sein wird. Sie unterbindet also praktisch den Lkw-Verkehr. Das ist unser jetziger Eindruck bei der Überlegung über die Folgen, die diese Steuer haben kann.
Herr Kollege Lemmrich, eine Zusatzfrage.
Lemmrich Herr Bundesminister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß die Einwendungen der EWG-Kommission gegen die Beförderungsteuer sich nicht nur auf die Seehäfen, sondern insbesondere auch auf die anderen regionalen Ausnahmeregelungen dieses Gesetzes beziehen?
Ja, aber mir sind solche Einwendungen, abgesehen von der Antwort auf das Konsultationsbegehren der Bundesregierung, bis jetzt noch nicht bekanntgeworden. Ich warte darauf, welche Entscheidung die EWG-Kommission nach der inzwischen stattgefundenen Verhandlung treffen wird, Herr Kollege Lemmrich. Aber ich darf an diesem Punkte die bescheidene Bitte äußern, daß der Deutsche Bundestag die Regierungsposition hier zur Wahrung des deutschen Rechtsstandpunktes nach Möglichkeit unterstützt — denn es ist ja ein Gesetz des Parlaments; das wir durchführen — und nicht mit der Bemerkung, dieses Gesetz. sei
EWG-widrig, den deutschen Standpunkt anderen Interessenten gegenüber aufweichen hilft.
Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Gewandt auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die italienische Maßnahme eine Beeinflussung der gegenwärtig laufenden Verhandlungen zur Verbesserung des deutschitalienischen Straßengüterverkehrs sein kann?
Auf die Frage 5 antworte ich wie folgt, Herr Präsident. Die laufenden Verhandlungen können durch das jetzige Verhalten der italienischen Regierung in dieser Frage beeinträchtigt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege?
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Lemmrich auf:
Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung gegen die von Italien seit dem 16. März 1970 einseitig eingeführte Sondersteuer für den deutschen LKW-Transport im grenzüberschreitenden Verkehr in Höhe von 1500 Lire je Ladetonne kurzfristig ergreifen?
Herr Präsident, wenn Sie erlauben, beantworte ich mit Zustimmung des Herrn Abgeordneten Lemmrich die Fragen 6 und 7 wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe ferner die Frage 7 Ides Herrn Abgeordneten Lemmrich auf:
Sieht die Bundesregierung in dieser Maßnahme Italiens eine ungerechtfertigte Diskriminierung der deutschen Transportunternehmen sowie einen Verstoß gegen den EWG-Vertrag, insbesondere die Artikel 76 und 95?
Erstens. Wir werden auf direktem Wege verhandeln. Diese Verhandlungen sind schon aufgenommen worden.Zweitens. Wir haben in Brüssel interveniert. Ich habe soeben telefonisch eine Auskunft über die Haltung der EWG-Kommission erbeten und von offizieller Seite folgende Antwort erhalten: Die EWG-Kommission teilt unsere Auffassung, daß das Vorgehen der italienischen Regierung EWG-widrig ist; sie ist ihrerseits dabei, bei der italienischen Regierung zu intervenieren.
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Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung eine Ausgleichsregelung vorzunehmen. Die zum Erlaß dieser
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Parlamentarischer Staatssekretär Rohde Rechtsverordnung notwendigen Prüfungen und Vorbereitungen sind eingeleitet.Für das Jahr 1969 können noch keine Angaben gemacht werden, weil die Rechnungsergebnisse erst im Laufe des Jahres 1970 festgestellt werden.Das Finanzänderungsgesetz 1967 hat die Finanzierung der Krankenversicherung der Rentner im Interesse einer gleichmäßigen Belastung der Rentenversicherung neu geregelt. Ob diese Regelung änderungsbedürftig ist, wird von der Kommission zur Weiterentwicklung der Krankenversicherung geprüft werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß es im Interesse der Beitragsklarheit und der Beitragswahrheit notwendig wäre, (den Krankenversicherungsträgern die Kosten zu ersetzen, die tatsächlich durch ,die Krankenversicherung der Rentner anfallen, weil ja die Personengruppen, die die Beiträge entrichten, an und für sich die gleichen sind?
Herr Kollege, diese Problematik, ,das wissen Sie, haben wir im Zusammenhang mit der Beratung des Finanzänderungsgesetzes 1967 eingehend erörtert. Wir haben eine Regelung gefunden, die sich auf eine breite Mehrheit in diesem Hause stützen kann. Ich darf noch einmal unterstreichen, daß alle weiteren Überlegungen angesichts der Komplexität dieses Problems in der Kommission angestellt werden sollen, die wir zur Weiterentwicklung der Krankenversicherung in diesem Frühjahr berufen werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung bereit ist, zumindest eine Regelung zu treffen, wonach der über die 20 % Eigenlastquote hinausgehende Betrag den Kassen erstattet wird?
Herr Kollege, ich möchte, weil es sich um ein Problem mit schwerwiegenden finanzwirtschaftlichen Auswirkungen handelt, den Sachberatungen hier nicht mit einer knappen Bemerkung vorgreifen und darf im übrigen hinsichtlich der Ausgleichregelung für 1968 auf meine entsprechende Antwort verweisen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Folger.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß bei der Prüfung der Frage, was die Rentner die Krankenversicherung kosten, auch berücksichtigt werden muß, was die Rentner vorher, während ihres aktiven Arbeitslebens, an Beiträgen an die Krankenversicherung bezahlt haben, ohne daß sie ,die Krankenversicherung nennenswert in Anspruch genommen haben; mit anderen Worten: daß man nicht nur den letzten Abschnitt dabei berücksichtigen darf, sondern beide Abschnitte zusammen berücksichtigen muß?
Herr Kollege, dieser von Ihnen mit Recht angeführte sozialpolitische Gesichtspunkt hat bei der Beschlußfassung im Jahre 1967 eine wesentliche Rolle gespielt.
Frage 48 des Abgeordneten Mursch :
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Durchführungsverordnung zu § 30 BVG von den Versorgungsämtern so gehandhabt wird, daß die letztjährige Sonderzulage im öffentlichen Dienst als bei Berechnung der Durchschnittswerte berücksichtigt angesehen worden ist, obwohl der Gesetzgeber bei Schaffung der Vorschrift an den Fall einer Sonderzuwendung, die ein Novum war, naturgemäß noch nicht gedacht haben konnte, und wie läßt sich diese Handhabung durch die Versorgungsämter mit dem Gesetz in Einklang bringen?
Herr Kollege, der Bundesregierung ist bekannt, daß seitens der Versorgungsämter so verfahren wird, wie Sie das in Ihrer Fragestellung angedeutet haben, Dieses Verfahren entspricht dem Gesetz, das bei der Ermittlung des Vergleichsabkommens einer pauschalierten Regelung den Vorzug vor einer konkreten Schadensermittlung gibt. Sonderzuwendungen der von Ihnen genannten Art gelten als von den in der Durchführungsverordnung festgesetzten Pauschbeträgen mitumfaßt. Das Bundessozialgericht hat die Richtigkeit dieser Auslegung mit Urteil vom 24. Juni 1969 bestätigt. Dieses Urteil behandelt die Anrechnung von Sonderzuwendungen aus den Jahren 1961 und 1962. Daraus erkennen Sie, daß schon seit 1961 so verfahren wird.
Die Bundesregierung verkennt nicht, Herr Kollege, das will ich hinzufügen, daß bei der wachsenden Bedeutung, die den jährlichen Sonderzuwendungen beizumessen ist, eine Überprüfung dieses Fragenkomplexes notwendig erscheint. Mein Haus hat deswegen bereits mit den beteiligten Ressorts Fühlung aufgenommen.
Eine Zusatzfrage.Mursch (CDU/CSU) : Glauben Sie, Herr Staatssekretär, daß diese Überprüfung in absehbarer Zeit abgeschlossen werden kann, und glauben Sie, daß gegebenenfalls, wenn sie ein im Sinne meiner Frage positives Ergebnis hat, eine Regelung mit rückwirkender Kraft erfolgen kann?
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2062 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1970
Herr Kollege, da es sich hierbei der Natur der Sache nach um ein Problem handelt, das nicht nur unser Haus berührt, sondern mit anderen Ressorts der Bundesregierung abgestimmt werden muß, kann ich auf diese Frage zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht definitiv antworten.
Mursch (CDU/CSU) : Verzeihen Sie, Herr Staatssekretär, den ersten Teil meiner Frage haben Sie wahrscheinlich überhört. Er betraf die zeitliche Abwicklung.
Herr Kollege, Sie haben in Ihre erste Zusatzfrage schon zwei Zusatzfragen eingepackt, um jetzt eine dritte anbringen zu können. Ich lasse sie noch zu.
Doch, Herr Kollege, ich habe auch den ersten Teil Ihrer Frage mit berücksichtigt, der sich auf den Zeitpunkt bezog. Hier handelt es sich auch darum, wie schnell die Besprechungen innerhalb der Ressorts der Bundesregierung abgeschlossen werden können.
Ich rufe die Fragen 49 und 50 des Abgeordneten Walkhoff auf:
Hält die Bundesregierung es für ausreichend, wenn ausschließlich dem Arbeitgeber die Entscheidung darüber überlassen wird, ob und unter welchen Bedingungen er seinen Arbeitnehmern Bildungsurlaub, der in der Regel nur der beruflichen Fortbildung dient, gewährt?
Wird verneinendenfalls eine umfassende gesetzliche Regelung des bezahlten Bildungsurlaubs unter Einbeziehung des Urlaubs für die Teilnahme an förderungswürdigen staatsbürgerlichen Bildungsveranstaltungen für sinnvoll und erforderlich angesehen?
— Der Herr Kollege ist im Saal. — Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Rohde, 'Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Die Bundesregierung hält es nicht für 'ausreichend
— wenn ich das im Zusammenhang der beiden Fragen sagen darf, Herr Kollege —, wenn ausschließlich dem Arbeitgeber die Entscheidung darüber überlassen wird, ob und in welchem Ausmaß er seinen Arbeitnehmern Bildungsurlaub gewährt. Der Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 ausgeführt, daß technischer Fortschritt und wirtschaftliche Entwicklung ständig neue Anforderungen an die Mobilität aller Erwerbstätigen stellen und deshalb die Einführung eines Bildungsurlaubs eine wichtige Aufgabe ist. Die Vorarbeiten für eine gesetzliche Regelung der bezahlten Freistellung der Arbeitnehmer für Bildungszwecke sind aufgenommen. Dabei sollte nach den Vorstellungen der Bundesregierung zugleich eine Freistellung für die Teilnahme an solchen Lehrgängen angestrebt werden, die der staatsbürgerlichen Bildung dienen.
Herr Kollege, Ihre beiden Fragen sind zusammen beantwortet worden. Keine Zusatzfragen. Danke!
— Herr Kollege, im Interesse 'der Abwicklung der Fragestunde lasse ich keine Zusatzfragen zu, zumal der Fragesteller keine Zusatzfrage hatte.
Ich rufe Frage 51 des Abgeordneten Pieroth auf.
— Ist der Herr Kollege Pierroth im Saal? — Das ist nicht der Fall. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Fragen 52 und 53 des Abgeordneten Dr. Früh auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß landwirtschaftliche Lehrlinge nach der bisherigen Förderungspraxis nur geringfügige, in der Regel aber keine Beihilfe erhalten, weil ihnen die freie Kost und Wohnung angerechnet wird, während diese Leistung bei Bauernsöhnen, die zu Hause ebenfalls verpflegt werden, aber eine außerlandwirtschaftliche Lehre absolvieren, nicht in Anrechnung kommt?
Ist die Bundesregierung bereit, diese offensichtliche Benachteiligung der landwirtschaftlichen Lehrlinge zu überprüfen und nach Möglichkeit einer positiven Regelung zuzuführen?
Ist der Herr Kollege Dr. Früh im Saal? — Das ist der Fall.
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, Lehrlingsentgelt muß nach den geltenden Bestimmungen in jedem Fall auf die Ausbildungsbeihilfen angerechnet werden, und zwar unabhängig davon, ob es in bar oder, wie in der Landwirtschaft und einigen anderen Tarifbereichen üblich, teilweise in Form von freier Unterkunft und Verpflegung gewährt wird. Das gilt auch für jene Lehrlinge in der Landwirtschaft oder im Handwerk, die ihre Lehre im elterlichen Betrieb ableisten. Ist also der Vater der Lehrherr eines landwirtschaftlichen Lehrlings, so müssen Kost und Logis angerechnet werden. Ist dagegen ein Lehrling, der bei der elterlichen Familie wohnt, anderswo in der Lehre, so werden Kost und Logis also Leistungen der Eltern auf Grund der gesetzlichen Unterhaltspflicht insoweit nicht angerechnet, als das Einkommen der Eltern bestimmte Höchstgrenzen nicht übersteigt. Auch hier bestehen keine Unterschiede zwischen Bauernkindern und Kindern nichtbäuerlicher Eltern.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für gerechtfertigt, daß die Verpflegung eines Sohnes, der eine außerlandwirtschaftliche Lehre absolviert, im bäuerlichen Haushalt als eine Pflicht der Eltern für ihren minderjährigen Sohn ausgelegt wird, während das bei dem Sohn, der als Lehrling auf dem Bauernhof ist, nicht der Fall ist? Dadurch werden nämlich an die Geschwister verschiedene Maßstäbe angelegt.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1970 2063
Ich habe schon gesagt, Herr Kollege, daß man nicht generell von dieser Ihrer Annahme ausgehen kann, weil hinsichtlich !der Leistungen der Eltern eines Jugendlichen, der außerhalb des eigenen Betriebs eine Lehre absolviert, für die Ausbildungsbeihilfen bestimmte Höchstgrenzen gelten. Hinzukommt, daß im Berufsbildungsgesetz die Lehrlingsvergütung allgemein vorgeschrieben ist.
Damit isst der Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung abgeschlossen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe die Frage 76 des Abgeordneten Leicht auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Abzugsfähigkeit von Spenden, auch wenn sie über 5 % des steuerpflichtigen Einkommens liegen, zu gewähren?
Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischl zur Verfügung.
Herr Präsident, wenn die Herren Kollegen einverstanden sind, würde ich gerne auch die beiden Fragen des Herrn Kollegen Ott und die Frage des Herrn Kollegen Picard mit der Frage des Herrn Kollegen Leicht zusammen beantworten. Da alle Fragen das gleiche Problem berühren, kann ich nur eine Antwort geben.
Wenn die Fragesteller einverstanden sind — ohne daß damit natürlich das Recht auf Zusatzfragen verkürzt wird —, können wir so verfahren. — Das ist der Fall.
Dann rufe ich auch die Fragen 77 und 78 des Herrn Abgeordneten Ott sowie (die Frage 79 des Herrn Abgeordneten Picard auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung einen Kommentar des Deutschen Aussätzigen-Hilfswerks Würzburg, daß die Politiker Gefahr laufen, unglaubwürdig zu werden, wenn sie auf der einen Seite immer wieder an die private Hilfsbereitschaft appellieren, andererseits jedoch an der viel zu niedrigen 5-%-Grenze für Spenden festhalten?
Ist die Bundesregierung bereit, im Interesse einer wesentlichen Förderung der freiwilligen privaten Hilfsbereitschaft, die oft auch der Einsparung öffentlicher Förderungsmittel aus Steuern dient, eine Erhöhung der Spendengrenze im Einkommensteuergesetz generell oder für besondere Fälle baldmöglichst in die Wege zu leiten?
Ist die Bundesregierung bereit, die Steuerabzugsfähigkeit von Spenden für besondere soziale Zwecke, wie z. B. Rehabilitation geistig und körperlich Behinderter, über die jetzt geltende Grenze hinaus zu erhöhen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Nach § 10 b des Einkommensteuergesetzes können Spenden zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser, wissenschaftlicher und staatspolitischer und aus besonders förderungswürdig anerkannter gemeinnütziger Zwecke als Sonderausgaben abgezogen werden. Der derzeit geltende Höchstsatz von 5 v. H. des Gesamtbetrags der Einkünfte, der sich für wissenschaftliche und staatspolitische Zwecke um weitere 5 v. H. erhöht, ist auch nicht zu gering.
Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, daß die Spenden bei den Spendern im Durchschnitt erheblich unter dem Satz von 5 v. H. des Gesamtbetrags der Einkünfte liegen. Die Begrenzung der Abzugsfähigkeit auf 5 v. H. wird zudem im Einzelfall dadurch gemildert, daß der Steuerpflichtige an Stelle dieser Grenze einen Abzug in Höhe von 2 v. T. der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter geltend machen kann. Die Meinungsäußerung des Deutschen Aussätzigen-Hilfswerks Würzburg, auf die der Herr Kollege Ott hingewiesen hat, die Politiker würden Gefahr laufen, unglaubwürdig zu werden, wenn sie den Vom-Hundert-Satz für die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden nicht erhöhten, geht daher von nicht zutreffenden Voraussetzungen aus.
Die Bundesregierung hält es aus den geschilderten Gründen zur Zeit nicht für notwendig, die Höchstsätze, bis zu denen Spenden steuerlich berücksichtigt werden können, allgemein zu erhöhen. Im Zusammenhang mit der Steuerreform wird jedoch auch diese Frage grundsätzlich geprüft werden müssen..
Herr Kollege Leicht!
Herr Staatssekretär, gibt gerade Ihre Antwort, die Grenze sei bisher kaum ausgenutzt worden, nicht Veranlassung, diese Grenze von 5 % heraufzusetzen, um insbesondere dort Anreize zu geben, wo es sich um besondere soziale Zwecke handelt, für die die Spenden gegeben werden?
Die Tatsache, daß bisher kaum jemand mit seinen Spenden diese 5-%-Grenze erreicht hat, spricht doch eigentlich dafür, daß die Spendenfreudigkeit nicht ganz so groß ist. Man kann höchstens einräumen, daß bei dieser Regelung die Möglichkeit bestimmter Ausnahmen fehlt, die die Verwaltung machen könnte. Aber ob man das kann, ob das die Gleichberechtigung nicht gefährden würde, vermag ich aus dem Stegreif nicht zu sagen. Deswegen meine ich ja auch, daß es richtig wäre, die Frage grundsätzlich im Zusammenhang mit der Steuerreform zu prüfen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Leicht.
Ich möchte die Frage umgekehrt stellen. Sollte man dann nicht bei denjenigen diese Ausnahme zulassen, die mehr als 5 % ihrer Einkommen für soziale Zwecke opfern wollen, insbesondere auch unter Berücksichtigung dessen, daß wir im staatspolitischen und wissenschaftspolitischen Bereich weit mehr Möglichkeiten geschaffen haben?
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2064 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1970
Ich darf zunächst einmal sagen, daß der Nachholbedarf bei den Wissenschaften der Grund zu einer höheren steuerlichen Begünstigung war.
Ich halte eine Regelung, die diese Möglichkeiten im Einzelfall gibt, nicht für zulässig; ich glaube, darin stimmen wir überein. Ich halte es aber auch nicht für gut, jetzt durch besondere Gesetze Teilregelungen zu treffen, bevor die Reform der Einkommensteuer im Rahmen der Steuerreform behandelt wird. Das ist für die Regierung der einzige Grund, warum sie im Augenblick keine der Steuerbegünstigungen — ganz gleich, welcher Art — antasten möchte.
Herr Kollege Ott!
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir, da Sie vorher erklärt haben, daß in den Fällen, in denen die 5 % von den Einkünften nicht ausreichen, die andere Möglichkeit von Umsatz und Lohnsumme in Anspruch genommen werden kann, zu, wenn ich sage, daß diese Inanspruchnahme nach der Lohnsumme und dem Umsatz in einer Vielzahl von Fällen dort nicht möglich ist, wo es sich um unselbständige Einkünfte handelt, und zum Teil auch dort nicht, wo es sich um selbständige Einkünfte handelt?
Bei den unselbständigen Einkünften möchte ich Ihnen prima facie recht geben. Diese Frage müßte man überprüfen, weil es sich dabei ja um eine Ersatzregelung für die andere handelt, die für alle gemeinsam gilt. Ich bin gerne bereit, diese Frage noch einmal nachprüfen zu lassen und Ihnen dann vielleicht in einer sehr viel ausführlicheren Weise schriftlich Auskunft zukommen zu lassen.
Herr Kollege Ott!
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß es in besonderen Fällen, z. B. in Katastrophenfällen, wünschenswert wäre, daß der Teil, der helfen will, mehr als 5 % seiner Einkünfte als Spende für solche Zwecke ausgeben kann, und daß die gegenwärtige Regelung hier vollkommen unbefriedigend ist?
Herr Kollege, ich sagte ja schon, ich sehe wegen des Grundsatzes der Gleichheit .der Besteuerung keine Möglichkeit, hier von uns aus eine Änderung vorzunehmen. Daß der Gesetzgeber für solche Sonderfälle einen anderen Satz festlegen könnte, möchte ich nicht ausschließen, denn das wäre wohl nicht unbedingt verfassungswidrig.
Aber ich sagte schon, wir wollen an alle diese Fragen nur im Zusammenhang mit der Steuerreform herangehen, weil die Steuerreformkommission die Frage all dieser Freibeträge, Grenzen usw. prüft und wir ihr nicht vorgreifen wollen. Aber wir drängen auf Beschleunigung.
Bitte, Herr Kollege!
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es in solchen Fällen, in denen die 5 % der Einkünfte nicht ausreichen, nicht zu vertreten ist, daß mit den Spenden für gemeinnützige, wohltätige, soziale und karitative Zwecke gewartet werden muß, bis Sie mit der Steuerreform kommen, sondern daß die Spenden eben jetzt erfolgen sollen?
Herr Kollege, es nützt alles nichts, wir haben im Augenblick dieses Gesetz, wie es ist. Die Verwaltung kann nichts anderes tun, als dieses Gesetz anzuwenden. Selbst eine gesetzgeberische Maßnahme würde eine erhebliche Zeit dauern, zumal diese Frage für sich allein meines Erachtens nicht behandelt werden kann.
Sie haben eine letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie nicht doch prüfen, ob an Stelle der gegenwärtigen Möglichkeit mit dem Umsatz und der Lohnsumme, die bei vielen nicht zum Tragen kommt, eine andere, gleichwertige Ersatzlösung möglich ist?
Herr Kollege, das habe ich Ihnen ja schon deshalb zugesagt — und aus diesem Grunde habe ich auch eine schriftliche Antwort auf diese Frage zugesagt —, weil ich nach der Frage, die Sie aufwerfen, auch Zweifel habe, ob die gegenwärtige Regelung tatsächlich für alle gleich ist. Diese Frage werden ich nachprüfen lassen und werde Ihnen die Antwort zukommen lassen.
Frau Kollegin Funcke!
Herr Staatssekretär, würden Sie den Mitgliedern des Finanzausschusses — zur Objektivierung dieser Frage und ihrer Beurteilung —einmal eine Ubersicht vorlegen, in welchem Umfang die 5 % oder — im wissenschaftlichen Bereich —die 10 % überschritten worden sind und inwieweit die Ersatzgrenze Lohnsumme oder Umsatz hilfsweise herangezogen wurde, was 'ja bekanntlich nicht für Personengesellschaften, sondern nur für Kapitalgesellschaften möglich ist? Könnten Sie uns das einmal angeben, um beurteilen zu können, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Änderungen des Einkommensteuergesetzes überhaupt praktische Auswirkungen haben würden?
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1970 2065
Ich bin gerne bereit, dem Finanzausschuß einmal umfassend darüber zu berichten, wobei ich nur nicht ganz sicher bin, ob wir aus den vorliegenden Unterlagen immer werden ersehen können, ob die Aufwendungen in Wirklichkeit über diesen Sätzen lagen. Das kann man ja wohl nur dann, wenn die entsprechenden Beträge in voller Höhe in der Steuererklärung aufgeführt worden sind. Aber hier wird ja im Vorverfahren durch Steuerberater usw. in der Regel schon manches gar nicht mehr geltend gemacht. Das ist das Problem. Aber ich bin gern bereit, dies im Einvernehmen mit den Landesfinanzverwaltungen einmal nachzuprüfen.
Danke schön.
Ich rufe Frage 80 des Kollegen Offergeld auf:
Welche Ergebnisse haben die seit Jahren mit der Schweiz schwebenden Verhandlungen über eine Revision des Doppelbesteuerungsabkommens bislang erbracht, und bis wann ist mit einem Abschluß der Verhandlungen zu rechnen?
Herr Staatssekretär!
Ich bitte um Verständnis, wenn ich mit Rücksicht auf die internationale Übung und die ausdrückliche Absprache zwischen. den beiden Delegationen keine Einzelheiten über den Stand der Verhandlungen über die Revision des Deutsch-Schweizerischen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mitteilen kann.
Ich darf aber so viel sagen, daß es in den bisherigen sehr schwierigen Verhandlungen gelungen ist, die Problemkreise und ihre Lösungsmöglichkeiten herauszuschälen, die vordringlicher Gegenstand des revidierten Abkommens sein sollen. Dies umschließt auch Fragen, in denen die schweizerische Seite bisher noch nicht nachgegeben hat, in denen ihr aber nach deutscher Auffassung ein Nachgeben zugemutet werden kann.
Für April ist ein Treffen der Delegationsleitungen vorgesehen. Die deutsche Seite hat dazu ein Memorandum, das den 'zentralen Problemkreis der schweizerischen Basisgesellschaften behandelt, unterbreitet. Die bevorstehenden Gespräche sollen den beiden Seiten zumutbaren Lösungsspielraum auch in den 'Einzelheiten so abklären, daß anschließend die Gesamtdelegationen zu einer oder zwei abschließenden Verhandlungsrunden zusammentreten können.
Bei diesem Sachstand läßt sich ein Termin für den Abschluß der Verhandlungen noch nicht nennen. Bei günstigem Verlauf sollte die Paraphierung eines Entwurfs bis zum Ende dies Jahres möglich erscheinen. Die 'deutsche Delegation wird alles in ihren Kräften Liegende tun, um dies zu erreichen.
Keine Zusatzfrage?
Ich rufe die Frage 81 des Abgeordneten Hussing auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Voraussetzungen zu schaffen, daß die für die Wiederherrichtung der Häuser und Wohnungen anfallenden Kosten nach den Hochwasserkatastrophen bei der Lohn- und Einkommensteuer als „außergewöhnliche Belastung" abgesetzt werden können?
Herr Staatssekretär!
Der Bundes-, minister der Finanzen hat in einem Fernschreiben vom 13. März 1970 vorweg seine Zustimmung zu Billigkeitsrichtlinien der obersten Finanzbehörden der Länder zugunsten der Hochwassergeschädigten erteilt. In diesem Erlaß sind großzügige steuerliche Regelungen für die mit der Beseitigung von Hochwasserschäden verbundenen Aufwendungen vorgesehen. Ich bin bereit, Herr Kollege, Ihnen einen Abdruck des Erlasses zuzuleiten.
Danke. Ich habe in der Zwischenzeit davon Kenntnis genommen.
Ich brauche es Ihnen also nicht mehr zuzuleiten?
Nein.
Damit ist diese Frage beantwortet.
Herr Kollege Unland ist nicht im Saal; die Fragen 82 und 83 werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 84 des Abgeordneten Weigl auf:
Wird die Bundesregierung die steuerliche Vergünstigung für Ausbildungsversicherungen aufheben und durch die Gewährung von staatlichen Prämien ersetzen, damit diese Vergünstigung auch jenen Arbeiter- und Bauernkindern zugute kommt, deren Eltern auf Grund ihres geringen Einkommens weder Lohn- noch Einkommensteuer bezahlen?
Herr Staatssekretär!
Nach geltendem Recht können Beiträge zu Ausbildungsversicherungen als Beiträge zu Lebensversicherungen im Rahmen der Höchstbeträge als Sonderausgaben abgezogen werden. Das bedeutet, daß eine steuerliche Auswirkung nur dann eintritt, wenn eine Steuerbelastung gegeben ist. Die Frage, ob die Sonderausgabenbegünstigung von Beiträgen zu Ausbildungsversicherungen durch eine Prämienbegünstigung ersetzt werden sollte, muß zusammen mit der generellen Frage des Sonderausgabenabzugs von Beiträgen zu Lebensversicherungen gesehen werden. Dabei handelt es sich um ein Problem der Harmonisierung der Sparförderung, das im Rahmen der eingeleiteten Steuerreform geprüft werden wird.Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Steuerreform nicht durch die Vorwegentscheidung einzelner damit in Zusammenhang stehender Fragen präjudiziert werden sollte.
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2066 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1970
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir genaue Zahlen über den Personenkreis nennen, der keine Einkommen- bzw. Lohnsteuer bezahlt und deshalb auch die steuerliche Vergünstigung für die Ausbildungsversicherung zugunsten der Kinder nicht in Anspruch nehmen kann?
Ich habe diese Zahl nicht präsent, bin aber bereit, sie Ihnen mitzuteilen.
Keine weitere Zusatzfrage? — Danke schön.
Ich rufe die Frage 85 des Abgeordneten Lenzer auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Bestimmungen des § 9 bzw. § 9 a des Einkommensteuergesetzes sowie den § 20 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung, wonach Beiträge zu Verbänden, die nicht Berufsverbände sind, nicht als Werbungskosten anerkannt werden?
Herr Staatssekretär!
Als Werbungskosten sind bei Arbeitnehmern solche Aufwendungen anzuerkennen, die durch die berufliche Tätigkeit veranlaßt sind, soweit die Aufwendungen nach der Verkehrsauffassung nicht in den Bereich der persönlichen Lebenshaltung fallen. Diese Grundsätze gelten auch für die Beurteilung, ob Beiträge zu Verbänden zu den Werbungskosten gehören. Ein Zusammenhang von Verbandsbeiträgen mit der beruflichen Tätigkeit kann im allgemeinen nur angenommen werden, soweit es sich um Beiträge zu Berufsverbänden handelt. An dieser Regelung muß festgehalten werden, wenn Mißbräuche verhindert werden sollen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnten Sie nicht vielleicht doch einmal das Argument überprüfen, daß manche Verbände inzwischen eine ähnliche Tätigkeit betreiben wie Berufsverbände, also z. B. Rechtshilfe für ihre Mitglieder gewähren oder regelmäßige Beratungen einrichten, Sprechstunden abhalten und ähnliche Dinge?
Diese Fragen werden mit Sicherheit im Zusammenhang mit der Steuerreform zu prüfen sein. Aber das vorweg zu entscheiden, wäre wirklich unmöglich.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich dann, weil sehr oft von der Steuerreform gesprochen wird in diesen Zusammenhängen — und das ist ein Argument, das ich auch einsehe —, fragen, wann etwa mit dieser Reform zu rechnen ist und wieweit die entsprechenden Überlegungen in Ihrem Hause schon gediehen sind?
Herr Kollege, diese Zusatzfrage steht nicht in einem unmittelbaren Sachzusammenhang mit der von Ihnen eingereichten Frage. Ich lasse sie daher nicht zu.
Ich rufe Ihre Frage 86 auf:
Durch welche Maßnahmen kann die Bundesregierung dazu beitragen, zu einer einheitlichen Auslegung der Lohnsteuerrichtlinien seitens der Finanzämter bei der Gewährung eines Lohnsteuerfreibetrages für ein Arbeitszimmer in der eigenen Wohnung zu kommen?
In Abschnitt 28 der Lohnsteuer-Richtlinien ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bestimmt, daß Aufwendungen von Arbeitnehmern für ein häusliches Arbeitszimmer nur in Ausnahmefällen als Werbungskosten anzuerkennen sind, nämlich wenn feststeht, daß das Zimmer ausschließlich für berufliche Zwecke benutzt wird. Diese Bestimmung ist eindeutig und läßt eine unterschiedliche Auslegung nicht zu. Ob allerdings eine ausschließlich berufliche Nutzung vorliegt, kann nur nach Lage des Einzelfalls entschieden werden, wobei von den Finanzämtern Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht getroffen werden müssen.
Damit sind die beiden Fragen des Kollegen Lenzer beantwortet.
Der Herr Kollege Schmidt ist nicht im Saal. Seine Frage, die Frage 87, wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 88 des Abgeordneten Maucher auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die jetzigen steuerfreien Pauschbeträge, die fünf Jahre nicht mehr geändert worden sind, die Aufwendungen, die infolge der Behinderung entstehen, bei weitem nicht ausgeglichen sind?
Ich wäre dankbar, wenn ich beide Fragen im Zusammenhang behandeln dürfte.
Wenn der Herr Kollege einverstanden ist, bitte. Dann rufe ich auch die Frage 89 des Abgeordneten Maucher auf:
Nach den erst kürzlich von den obersten Finanzbehörden der Länder getroffenen Feststellungen sind bisher Anträge auf Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen über die steuerfreien Pauschbeträge hinaus nur in ganz seltenen Ausnahmefällen gestellt worden. Es erscheint deshalb die Annahme begrün-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1970 2067
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischldet, daß die geltenden Pauschbeträge zur Deckung der durch die Behinderung entstehenden Mehraufwendungen noch ausreichen. Eine Erhöhung der Pauschbeträge könnte erst in Erwägung gezogen werden, wenn festgestellt wird, daß sich die Pauschbeträge in der überwiegenden Zahl der Fälle als zu niedrig erweisen. Die weitere Entwicklung wird von der Bundesregierung beobachtet.Ich darf noch darauf hinweisen, daß die steuerfreien Pauschbeträge ungekürzt, d. h. ohne die sonst vorgeschriebene Anrechnung einer sogenannten zumutbaren Eigenbelastung, gewährt werden. Die zumutbare Eigenbelastung ist aus Vereinfachungsgründen schon bei der Bemessung der Pauschbeträge berücksichtigt worden. Die zumutbare Eigenbelastung richtet sich unter anderem nach der Einkommenshöhe. Die Entwicklung der Einkommensverhältnisse in den letzten Jahren würde es an sich geboten erscheinen lassen, die zumutbare Eigenbelastung stärker als bisher zu berücksichtigen. Die Bundesregierung wird hiervon aber absehen, weil für denselben Zeitraum — 1965 bis 1970 — auch eine Änderung der Preisverhältnisse nicht bestritten werden kann. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß der Verzicht auf eine stärkere Berücksichtigung der einkommensabhängigen Eigenbelastung die geltend gemachten Preissteigerungen auffängt. Eine Erhöhung der Pauschbeträge wird hiernach zur Zeit nicht für erforderlich gehalten.Unabhängig hiervon werden im Rahmen der Steuerreform, wie ich vorhin schon ausgeführt habe, sämtliche Freibeträge und Pauschbeträge überprüft werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß an sich heute noch die gleichen Grundsätze gelten, die bei der Einführung dieser steuerfreien Pauschbeträge gegolten haben, und daß zusätzliche Anträge vielfach deshalb nicht gestellt werden, weil die Beschädigten davon ausgehen, daß weitere Anträge nicht mehr gestellt werden können?
Das wäre aber doch mehr eine Frage der Aufklärung der Geschädigten, Herr Kollege. Ich verstehe nicht ganz, warum wir deswegen die Vorschriften ändern sollten.
Sind Sie nicht der Meinung, daß sich das so eingebürgert hat, daß weitgehend die Meinung herrscht, daß mit dem Pauschbetrag alle Vergünstigungen abgegolten sind, und daß aus diesem Grunde vielfach Anträge nicht gestellt werden?
Ja, aber, Herr Kollege, das ist nun wirklich eine Frage der Aufklärung der beteiligten Personenkreise und nicht so sehr eine Frage der Änderung eines Gesetzes, weil die Betroffenen von den Möglichkeiten des Gesetzes keinen Gebrauch machen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht dennoch unabhängig davon der Meinung, daß die Maßstäbe, die vor 10, 15 Jahren und seit der letzten Änderung gegolten haben, auch heute noch gelten? Wenn nicht, sind Sie nicht der Meinung, daß dann früher die Pauschbeiträge zu hoch angesetzt worden wären?
Zu hoch? Nein. Ich bin der Meinung, daß sie im Zusammenhang mit der Steuerreform ohnehin überprüft werden müssen. Vorher — ich habe es vorhin schon in einem anderen Zusammenhang gesagt — können wir nicht noch an Einzelheiten der Steuergesetze herumpusseln. Sonst wird nie etwas aus der Steuerreform.
Darf ich abschließend also feststellen — —
Herr Kollege, Sie können fragen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Entschuldigung. — Darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß im Rahmen der Steuerreform die ganze Frage geprüft wird und daß überlegt wird, wie dann eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse vorgenommen werden kann?
Ja.
Damit sind die beiden Fragen beantwortet.
Der Herr Abgeordnete Pieroth ist nicht im Saal. Seine Frage, die Frage 90, wird schriftlich beantwortet.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Die Fragestunde ist abgelaufen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 20. März 1970, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.