Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Zu der in der Fragestunde der 221. Sitzung des Deutschen Bundestages am 19. März 1969 gestellten Frage des Abgeordneten Bauer , Drucksache V/3976 Nr. 4 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Barth vom 19. März 1969 eingegangen. Sie lautet:
Es trifft nicht zu, daß das Bayerische Kultusministerium und oberste Jugendbehörden anderer Länder die Mitarbeit im Kuratorium des Internationalen Jugendaustausch- und Besucherdienstes aufgekündigt haben. Eine Aufkündigung dieser Mitarbeit war schon deswegen nicht möglich, weil das Bayerische Kultusministerium und oberste Jugendbehörden der Länder nicht Mitglieder dieses Kuratoriums waren. Die Zusammenarbeit zwischen den Ländern und dem IJAB bei der Durchführung von Maßnahmen im Auftrage des Bundesministeriums für Familie und Jugend verläuft ohne Schwierigkeiten.
Soweit Besuchergruppen oder Delegationen Jugendeinrichtungen in den Ländern besichtigen, werden sie bei ihrem Aufenthalt in diesen Ländern genauso bezuschußt wie bei anderen Teilen des Programms. Auch insoweit trifft die der Frage zugrunde liegende Annahme nicht zu.
Wir beginnen mit der
Fragestunde
— Drucksache V/3976 —
Welchen Rat kann die Bundesregierung den Angehörigen eines Verstorbenen geben, der aus Niedersachsen nach Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg überführt werden soll, damit sie nicht Gefahr laufen, bei Nichtvorhandensein einer entsprechenden Überführungserlaubnis mit einem Bußgeld bis zu 1000 DM belegt zu werden, nachdem Niedersachsen keinerlei besondere Überführungserlaubnis fordert, Hessen lediglich die Genehmigung des Gemeindevorstehers verlangt, während in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ein offizieller Leichenpaß ausgestellt sein muß?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident, wenn Herr Abgeordneter Dr. Hauser einverstanden ist, möchte ich die Fragen 28 und 29 zusammen beantworten.
Das ist sicherlich zweckmäßig, Herr Kollege Hauser.
5) Siehe 221. Sitzung, Seite 11942 A
Ich rufe auch die Frage 29 des Abgeordneten Dr. Hauser auf:
Hält die Bundesregierung unter der Voraussetzung, daß die im Handelsteil der FAZ vom 1. Februar 1969 unter der Überschrift „Makabrer Föderalismus" gemachten Angaben den Tatsachen entsprechen, einen in alien Bundesländern vorgeschriebenen Totenschein auch dort, wo Sterbe- und Begräbnisort verschieden sind, für ein den gesundheits- und sicherheitspolizeilichen Erfordernissen genügendes Dokument, nachdem sich ja auch aus dem Totenschein die hierzu notwendigen Angaben ergeben?
Das Friedhofs- und Bestattungswesen gehört — mit Ausnahme der Sorge für die Kriegsgräber — zur ausschließlichen Zuständigkeit der Bundesländer. Diese haben zum Teil unterschiedliche Regelungen getroffen.
Die Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen haben mir auf Anfrage mitgeteilt, daß für Leichenüberführungen aus Niedersachsen kein Leichenpaß gefordert wird und daß infolgedessen auch ein Bußgeldtatbestand nicht gegeben ist. In Nordrhein-Westfalen wird dies nicht anders beurteilt werden können.
Das Land Hessen hat im übrigen den Artikel „Makabrer Föderalismus" in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 1. Februar 1969, auf den sich Ihre Frage bezieht, Herr Kollege Dr. Hauser, zum Anlaß genommen, eine Erörterung dieses Fragenkreises in der Arbeitsgemeinschaft der Innenminister der Bundesländer anzuregen.
Zusatzfrage, Kollege Dr. Hauser.
Herr Minister, wird das Ministerium bei der zuletzt genannten Konferenz der Länderreferenten eine Empfehlung dahin gehend geben, daß man möglichst vereinheitlicht?
Herr Kollege Dr. Hauser, sicherlich. Dies ist keine Konferenz der Länderreferenten, sondern der Minister, an der der Bundesinnenminister regelmäßig und gern teilnimmt. Ich werde die Gelegenheit benutzen, um auf die Wünschbarkeit einer Vereinheitlichung, soweit sie noch nicht vorliegt, hinzuweisen.
Frage 30 des Herrn Abgeordneten Dorn:
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12044 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Vizepräsident ScheelIst nach Ansicht der Bundesregierung die Klage der Ortsverwaltung Stuttgart der Deutschen Postgewerkschaft berechtigt, es bestehe nach wie vor der Eindruck, daß die Beamten nicht nach ihrer Leistung bezahlt würden, sondern immer noch als „Bettelknaben und Almosenempfänger" dastünden, besonders für die kleinen Beamten sei der Staat kein sozialer Arbeitgeber ?Bitte, Herr Bundesminister!
Ich möchte Ihre Frage mit Nein beantworten, Herr Kollege Dorn. Diejenigen Gesichtspunkte, die den kritischen Äußerungen in der Jahreshauptversammlung der Ortsverwaltung Stuttgart der Deutschen Postgewerkschaft zugrunde liegen, sind Gegenstand ausführlicher Diskussionen in diesem Hohen Hause bei der Beratung des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes gewesen. Ich brauche sicher nicht auf alle Einzelheiten der Debatte vom 28. Februar 1969 zu verweisen. Vielleicht darf ich ganz kurz einige Zahlen wiederholen, die die Frage betreffen, ob die Einkommen der unteren Beamtengruppen angemessen verbessert worden sind, und die nach meiner Auffassung beweisen, daß dies der Fall ist, und daher die Vorwürfe der Ortsverwaltung Stuttgart der Deutschen Postgewerkschaft nicht berechtigt sind. Während die Erhöhungen durch das Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz im allgemeinen bei etwa 5 % liegen, werden die Gesamtbezüge von repräsentativen verheirateten Beamten mit einem Kind wie folgt verbessert: bei einem Postoberschaffner in Ortsklasse S um 8,7 %, in Ortsklasse A um 11,1 %; bei einem Posthauptschaffner in Ortsklasse S um 8,5%, in Ortsklasse A um 10,5 %.
Auch eine langfristige Betrachtung seit 1957 bestätigt, daß die Besoldung der unteren Beamtengruppen durch zahlreiche gezielte Verbesserungen insbesondere über die sozialen Bestandteile der Besoldung, d. h. beim Ortszuschlag und beim Kinderzuschlag, wesentlich stärker angehoben worden ist als bei den oberen Beamtengruppen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Dorn.
Herr Minister, stimmen Sie mir aber zu, daß bei der Beibehaltung der prozentualen Anhebung von Beamtengehältern auf Dauer gesehen trotzdem vor allen Dingen für die Beamtengruppen des einfachen und mittleren Dienstes eine erhebliche Benachteiligung — wenn man die effektiv ausgezahlten Gehälter vergleicht — eintreten würde?
Nein, ich kann Ihnen gerade bei einer langfristigen Betrachtung nicht zustimmen, Herr Kollege Dorn. Ich darf noch einmal auf die Debatten anläßlich der Verabschiedung des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes verweisen, in denen ich auch Zahlen mitgeteilt habe, die ergeben, daß langfristig, d. h. in der Zeit etwa von 1957 bis heute, die unteren und mittleren Beamteneinkommen sich relativ stärker verbessert haben als die höheren Einkommen — also praktisch die Einkommen der Besoldungsordnung B —.
Zusatzfrage, Herr Kollege Strohmayr.
Herr Minister, sind Sie mit mir der gleichen Meinung, daß das Kotelett für einen Postschaffner genausoviel kostet wie für einen Besoldeten der Gruppe B 5?
Ich glaube, daß man Ihnen darin zustimmen kann, Herr Kollege Strohmayr.
Wenn Sie mit mir dieser Meinung sind, dann ist es wirklich unverständlich, daß immer wieder eine prozentuale Erhöhung bzw. eine lineare Erhöhung der Gehälter durchgeführt wird.
Entschuldigen Sie, Herr Kollege Strohmayr, beim Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz — soweit Sie sich darauf beziehen sollten — handelt es sich gerade nicht um eine lineare Erhöhung, sondern um eine strukturelle Veränderung, die natürlich zum Inhalt hat, daß die einzelnen Besoldungsgruppen unterschiedlich behandelt werden, allerdings aus sachlichen Gründen.
Wir kommen zu den Fragen 31 und 32 des Kollegen Strohmayr:
Entspricht es den Tatsachen, daß auf Grund der kommenden Luftschutzbestimmungen Innentanks in Häusern für Heizöllagerung in absehbarer Zeit wieder entfernt werden müssen?
Bei Bejahung der Frage 31: Wäre es dann nicht zweckmäßig, schon jetzt eine Verordnung zu erlassen, damit weiterer Schaden verhütet wird?
Bitte, Herr Bundesminister!
Ihre Frage 31, Herr Kollege Strohmayr, beantworte ich mit Nein. Es war und ist nicht beabsichtigt, Zivilschutzbestimmungen zu erlassen, wonach in Häusern Innentanks für Heizöllagerung entfernt werden müssen.
Die Beantwortung der zweiten Frage ergibt sich danach von selbst.
Eine Zusatzfrage, Herr Strohmayr.
Herr Minister, obwohl ich Ihre Antwort sehr begrüße — es sind ja eine ganze Reihe von Innentanks installiert worden —, möchte ich Sie doch fragen, ob nicht im Ernstfall die Innentanks eine große Gefährdung der Einwohner darstellen würden und ob das nicht doch zu untersuchen wäre.
Selbstverständlich ist dies eine Frage, die seit geraumer Zeit Gegenstand von Untersuchungen gewesen ist. Ich darf auf die im Juni 1967 herausgegebenen „Bautechnischen Grundsätze für Hausschutzräume des Grundschutzes" verweisen. Sie sind vom Bundes-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12045
Bundesminister Bendaminister für Wohnungswesen und Städtebau herausgegeben worden. Dort wird die Frage, wie gefährliche Anlagen behandelt werden müssen, um die von ihnen ausgehenden Gefahren zu vermeiden, im einzelnen geregelt. Wir glauben, daß diese Regelung ausreicht.
Ich rufe die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Kubitza auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das griechische Generalkonsulat in Frankfurt die gültigen Pässe griechischer Gastarbeiter in Deutschland, die als Gegner des Athener Regimes gelten, mit dem Ungültigkeitsstempel versieht, so daß diese Arbeiter zunächst ohne gültige Ausweispapiere sind?
Sie wird von Herrn Abgeordneten Dorn übernommen.
Ich wäre dankbar, wenn die Fragen 33, 34 und 35 zusammen beantwortet werden könnten.
Ich rufe dann auch die Fragen 34 und 35 des Herrn Abgeordneten Kubitza auf:
Läßt es sich mit dem deutsch-griechischen Gastarbeiterabkommen vereinbaren, daß das Generalkonsulat Eintragungen in sogenannte Loyalitätslisten verlangt?
Ist sichergestellt, daß die griechischen Gastarbeiter, die ordnungsgemäß angeworben worden sind und Arbeitsverträge mit deutschen Firmen haben, auch mit ungültig gestempelten Pässen die Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen müssen?
Der Bundesregierung ist eine Pressemeldung bekannt, in der Vorfälle, die der Frage des Herrn Abgeordneten Kubitza zugrunde liegen, geschildert werden. Eine amtliche Unterrichtung über die den Gegenstand der Pressemeldung bildenden Fälle liegt noch nicht vor. Bekannt ist aber, daß griechische Konsulate in der Bundesrepublik Deutschland schon seit längerer Zeit in einer beträchtlichen Anzahl von Fällen die Verlängerung ablaufender Pässe von griechischen Staatsangehörigen, die sich als Arbeitnehmer oder Studenten im Bundesgebiet aufhielten, abgelehnt haben. Teilweise ist dies mit der Begründung erfolgt, daß die Betroffenen zur Ableistung des Wehrdienstes in ihre Heimat zurückzukehren hätten. In einer Reihe anderer Fälle, in denen keine Begründung gegeben wurde, liegt nach den Gesamtumständen die Vermutung nahe, daß die Ablehnung der Paßverlängerung als Maßregelung gegen Personen gedacht war, die von griechischen Regierungsstellen zur politischen Opposition gerechnet werden.
Zur Frage 34 darf ich sagen, daß die deutschgriechische Anwerbevereinbarung vom 30. März 1960 keine Bestimmung enthält, aus der sich die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des griechischen Verlangens nach Eintragung in sogenannten Loyalitätslisten ergeben könnte. Die Frage ist daher nur nach völkerrechtlichen Grundsätzen, nicht aber nach dem Inhalt dieser Vereinbarung zu behandeln.
Schließlich zur letzten Frage: Es ist sichergestellt, daß von deutscher Seite keine Maßnahmen getroffen werden, die zur Folge hätten, daß Ausländer zur Rückkehr in ein Land gezwungen werden, in dem ihnen eine Verfolgung aus Gründen ihrer politischen Überzeugung droht. Wenn sich also Anhaltspunkte dafür ergeben, daß ein griechischer Staatsangehöriger bei der Rückkehr in seine Heimat politischer Verfolgung ausgesetzt wäre, dann wird er von deutscher Seite nicht zu einer solchen Rückkehr gezwungen, sondern kann, obwohl er einen gültigen Heimatpaß nicht mehr besitzt, im Bundesgebiet so lange verbleiben, wie diese Gefahr fortbesteht. Erforderlichenfalls stellen die deutschen Ausländerbehörden den betroffenen Griechen deutsche Fremdenpässe aus.
Eine Zusatzfrage, Kollege Dorn.
Herr Minister, wären Sie bereit, diesen Pressemeldungen, die Ihnen nach Ihren Ausführungen ja bekannt sind, nachzugehen und zu prüfen, ob die Besorgnisse, die in der deutschen Presse vorgetragen worden sind, daß die Maßnahmen für den einzelnen vielleicht doch bedrohlichen Charakter annehmen können, nicht doch begründet sind?
Ich habe schon gesagt, Herr Kollege Dorn, daß uns bereits Informationen darüber vorliegen, aus denen sich, um es noch einmal vereinfacht zu sagen, die Richtigkeit der Pressemeldungen ergibt. Ich glaube, daß es insoweit einer besonderen Nachprüfung nicht mehr bedarf, weil wir ausreichende Unterlagen darüber haben, daß tatsächlich ein solcher Sachverhalt vorliegt.
Eine weitere Zusatzfrage!
Darf ich Ihrer Beantwortung der dritten Frage des Kollegen Kubitza entnehmen, daß auf jeden Fall sichergestellt ist, daß niemand, der aus politischen Gründen hier ist, gegen seinen Willen in sein Heimatland zurückgebracht werden kann?
Ja, das ist völlig sichergestellt.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern erledigt.
:Wie beurteilt die Bundesregierung die Chancen der deutschen Industrie, bei der im Rahmen der indischen Industrialisierungspläne erwogenen Errichtung eines eigenen staatlichen Automobilwerks zumindest in der technischen Anlage berücksichtigt zu werden?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.Dann die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Blumenfeld:Ist die Bundesregierung im Rahmen der z. Z. geplanten Ergänzungsmaßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung bereit, die Anregung zu prüfen, aus dem Aufkommen an Ausfuhrumsatzsteuer auch Anpassungshilfen zugunsten deutscher Außen-
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12046 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Vizepräsident Scheelhandelsunternehmen zu gewähren, die sich außer im Exportgeschäft auch im Binnenhandelsverkehr des Gastlandes, beim Import von Gütern in die Bundesrepublik Deutschland oder im Transithandel betätigen?Der Abgeordnete Blumenfeld ist nicht anwesend.
— Gut, die Fragen werden, wie ich sehe, übernommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich hätte die Fragen 46 und 47 gern im Zusammenhang beantwortet.
Bitte sehr! Ich rufe dann noch die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Blumenfeld auf:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß binnenwirtschaftliche Anpassungsmaßnahmen der vorgenannten Art zugleich zu der seit langem unter außenwirtschaftlichen und währungspolitischen Gesichtspunkten erwünschten Verstärkung des privaten Kapitalexports beitragen und damit zu einem bedeutsamen Teilinstrument der wirtschaftspolitischen Gesamtsteuerung in der Bundesrepublik Deutschland werden könnten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, die Bundesregierung hat im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung binnenwirtschaftliche Strukturhilfen an Wirtschaftsbereiche und Regionen vorgesehen, die von den Auswirkungen des Absicherungsgesetzes in besonderem Maße nachteilig betroffen werden.
Außer einer Erhöhung der Mittel für strukturschwache Gebiete im regionalen Förderungsprogramm werden zunächst der. Steinkohle- und Eisenerzbergbau, der Flugzeugbau, die Werftindustrie und die Hochseefischerei berücksichtigt. In diesem Bereiche wird an bereits bestehende Programme dieser Art angeknüpft. Die Bundesregierung hat im Rahmen ihres Programms für weitere Maßnahmen zur Sicherung der Preisstabilität jedoch beschlossen, den Restbetrag nicht zur Verteilung freizugeben.
Die Verstärkung des privaten Kapitalexports, dem die Bundesregierung große Bedeutung beimißt, kann kein Kriterium für den Einsatz der Mittel aus diesem binnenwirtschaftlichen Anpassungsprogramm sein. Seine Zweckbestimmung ist allein, Strukturanpassung im binnenwirtschaftlichen Bereich zu erleichtern. Die Bundesregierung prüft aber, ob eine Ausweitung des bestehenden Förderungsinstrumentariums, z. B. durch Garantien, zweckmäßig und vertretbar ist.
Zusatzfrage? — Bitte schön!
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung denn bereit, in Übereinstimmung mit dem Hamburger Senat Außenhandelsunternehmungen, insbesondere solche, die, sagen wir einmal, Stützpunkte in Überseeländern haben — wie das in Frage 46 angedeutet worden ist—, auf andere Weise zu unterstützen oder ihnen Förderung angedeihen zu lassen, so daß sie die durch die außenwirtschaftliche Absicherung erschwerten Beziehungen und Exporte im Interesse der deutschen Gesamtwirtschaft werden aufrechterhalten und steigern können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, sofern sich derartige Erschwerungen herausstellen würden, sind wir gern bereit, alles in dieser Richtung zu prüfen.
Wir kommen dann zu der Frage 48 des Herrn Abgeordneten Blumenfeld:
Ist die Bundesregierung im Rahmen der geplanten Ergänzungsmaßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung bereit, den Vorschlag zu prüfen, die Bundesgarantien im Außenwirtschaftsverkehr gemäß § 20 des Haushaltsgesetzes auch auf Forderungen aus der Vorfinanzierung von Einfuhren aus Entwicklungsländern auszudehnen?
Auch diese Frage wird vermutlich übernommen, Herr Kollege? — Ja.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Frage wird von der Bundesregierung bereits in enger Fühlungnahme mit den Unternehmen geprüft. Unabhängig davon kann aber der Bund schon jetzt auf Grund des § 20 Abs. 3 des Haushaltsgesetzes Garantien zur Abdeckung politischer Risiken für deutsche Kapitalanlagen in den Entwicklungsländern übernehmen. Das gilt auch für Handelsunternehmen.
Dann kommen die Fragen 49 und 50 des Abgeordneten Berberich:
Welche Gründe waren maßgebend, daß die Kreise Buchen und Tauberbischofsheim noch nicht als Bundesausbaugebiete anerkannt wurden?
Bis wann ist damit zu rechnen, daß diese Anerkennung erfolgt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf die beiden Fragen zusammen beantworten, Herr Präsident.
Die Bundesausbaugebiete werden von der Bundesregierung auf Grund einheitlicher wirtschaftsstatistischer Kriterien ausgewählt. Diese Kriterien sind mit den Ländern abgestimmt. Es handelt sich um das Sozialprodukt pro Kopf und den Industriebesatz, d. h. den Anteil der Industriebevölkerung an der gesamten Bevölkerung.
Da die Landkreise Buchen und Tauberbischofsheim mit ihren statistischen Kennziffern über den bundeseinheitlich festgesetzten Schwellenwerten liegen, kommen sie als Bundesausbaugebiete nicht in Betracht. Die Städte Buchen und Tauberbischofsheim sind dagegen Bundesausbauorte und genießen die volle Förderung der für diese Kategorie in Frage kommenden Programme.
Zusatzfrage, Kollege Berberich.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der Schwellenwert des Kreises Buchen unter dem Schwellenwert des Kreises Mergentheim liegt und daß der Kreis Buchen überhaupt
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12047
Abg. Berberichden zweitniedrigsten Schwellenwert im Land BadenWürttemberg hat? Es ist mir bekannt, daß der Kreis Tauberbischofsheim um einige hundert Mark über diesem Schwellenwert liegt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das gilt nur für das Bruttoinlandsprodukt je Wirtschaftsbevölkerung, d. h. für die Kennziffer der allgemeinen Produktionskraft der Region. Es gilt nicht für den Industriebesatz. Da erreicht der Landkreis Buchen die doppelte Zahl des Schwellenwertes.
Weitere Zusatzfrage, Kollege Berberich.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen das Gutachten des Regierungspräsidiums Nordbaden bekannt, das im Hinblick auf die Umstrukturierung in der Landwirtschaft mit allem Nachdruck bei der Landesregierung — ich nehme an, daß das Wirtschaftsministerium des Landes das auch hier in Bonn getan hat — die Schaffung von weiteren Arbeitsplätzen, um diese Umstrukturierung überhaupt durchführen zu können, für unbedingt notwendig erachtet?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dieses Gutachten ist bekannt, und wir stehen auch in enger Fühlungnahme mit dem Land Baden-Württemberg. Das hat aber nichts mit der Frage zu tun, daß wir die Schwellenwerte nicht von Fall zu Fall ändern können. In etwa zwei bis drei Jahren ist aber eine prinzipielle Prüfung der damals gewählten Kriterien fällig und notwendig.
Zusatzfrage von Herrn Kollegen Richter.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, noch einmal zu prüfen, ob mit dem Gesetz über die Gewährung von Investitionszulagen und zur Änderung steuerrechtlicher und prämienrechtlicher Vorschriften den Vorstellungen des baden-württembergischen Wirtschaftsministers Dr. Hans-Otto Schwarz gefolgt werden kann, der im Bundesrat vorgeschlagen hatte, daß eine steuerliche Begünstigung der im Gesetz vorgeschlagenen Art schon aus Gründen der Gleichbehandlung ausschließlich an das Kriterium der Wirtschaftsschwäche geknüpft werden und daher auch den diesen gleichzusetzenden Gebieten, sogenannten Splitterkreisen, zugute kommen sollte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Deutsche Bundestag wird sich wahrscheinlich im Laufe des heutigen Tages mit dem Zweiten Steueränderungsgesetz beschäftigen. Die Position der Bundesregierung ist unverändert. Bundesausbaugebiete und Bundesausbauorte bekommen neben dem Zonenrandgebiet die Investitionsprämie. Die beiden Städte Buchen und Tauberbischofsheim würden also in den
Genuß der Investitionszulage kommen, genauer gesagt: Unternehmen, die in diesen Städten investieren. Für die Landkreise ist zur Zeit keine Möglichkeit vorhanden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Richter.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, den Änderungsantrag des Bundesrates zu dem genannten Gesetz zu berücksichtigen, wonach vor Erteilung der Bescheinigung gemäß § 1 Abs. 2 — da geht es um die Umsiedlung von Unternehmen aus Berlin — durch den Bundesminister für Wirtschaft das Benehmen mit „den von den beteiligten Landesregierungen bestimmten Stellen" herbeizuführen ist, um so sicherzustellen, daß bei der Verlagerung von Unternehmen über Landesgrenzen hinweg nicht nur das aufnehmende, sondern auch das abgebende Land gehört wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich im Moment nicht beurteilen.
Sie haben keine Zusatzfrage mehr, da Sie nicht der Fragesteller sind.
Zusatzfrage, Herr Logemann.
— Das ist nicht mehr zu machen.
Dann kommen wir jetzt zu den Fragen 51, 52 und 53 des Abgeordneten Dr. Jahn . Der Abgeordnete ist nicht da; die Fragen werden schriftlich beantwortet.
Frage 54 des Abgeordneten Wächter:
Beabsichtigt die Bundesregierung zur Verwirklichung des in der Drucksache V/3627 angekündigten Aktionsprogramms von sich aus den Bau eines Tunnels in der Unterweser etwa auf der Höhe von Motzen in der Gemeinde Berne durchzuführen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich bitte, die Fragen 54 und 55 zusammen beantworten zu dürfen.
Bitte sehr! Dann rufe ich auch die Frage 55 des Abgeordneten Wächter auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Land Niedersachsen in dem für den Raum Nordwest-Niedersachsen aufzustellenden Regionalprogramm auf die Notwendigkeit der in der Frage 54 angesprochenen Maßnahme hinweist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist zur Zeit nicht der Fall, da noch umfangreiche Untersuchungen des Herrn Bundesverkehrsministers zur Aufstellung des zweiten Ausbauplans für die Bundesfernstraßen im Gange sind,
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12048 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meinen Standpunkt, daß an sich die Verbindung von der B 6 bzw. der noch zu bauenden Autobahn von Bremen nach Cuxhaven über das Bremer Kreuz zur Hansalinie zumindest von der Zeit her günstiger ist, als wenn an der in meiner Frage bezeichneten Stelle ein Tunnel unter der Weser gebaut wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist ein Problem, das der Herr Bundesverkehrsminister für die Aufstellung dieses zweiten Ausbauplans sicherlich zu entscheiden hat. Ich würde vermuten, daß er zur Zeit etwa die Ihren Vorstellungen entsprechenden Prioritäten hat.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß gerade in diesem Raum verschiedene Fähren vorhanden sind, die mit erheblichen Mitteln ausgebaut worden sind und durch den Bau eines Tunnels eine Gefährdung ihrer Existenz erfahren werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Wächter, das ist bekannt und wird in die Untersuchungen über den zweiten Ausbauplan voll miteinbezogen. Bevor diese Untersuchungen aber nicht abgeschlossen sind, ist keine definitive Antwort dafür oder dagegen zu geben. Es liegt nun einmal im Charakter der Untersuchungen, daß Vor-Urteile vermieden werden sollen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Wächter.
Würden Sie dem Landkreis Wesermarsch, der zum Teil an diesen Fähren beteiligt ist, raten, in den Dispositionen über den weiteren Ausbau der Fähren vorläufig keine Einschränkungen vorzunehmen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich würde raten, abzuwarten und in engem Kontakt mit dem Bundesverkehrsministerium zu bleiben.
Ich rufe die Frage 56 des Herrn Abgeordneten Dr. Lohmar auf:
Würde die Bundesregierung, für den Fall, daß der HeinrichBauer-Verlag einen wesentlichen Anteil des Verlags Gruner & Jahr erwirbt, aus einem solchen Vorgang Folgerungen für ihre Bewertung von Konzentrationsvorgängen in der Presse ziehen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Lohmar, die Bundesregierung hat bereits in ihrer Stellungnahme zum Schlußbericht der Pressekommission erklärt, sie werde Untersuchungen darüber einleiten, „ob Konzentrationsvorgängen im Pressewesen durch die Einführung einer Fusionskontrolle begegnet werden soll". Sicherlich würde eine solche Transaktion wie die von Ihnen geschilderte die Überlegungen der Bundesregierung in dieser Richtung beschleunigen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Lohmar.
Wie beurteilt die Bundesregierung die mittlerweile bekanntgewordene mögliche Lösung, mit der es auf dem Wege einer privatrechtlichen Vereinbarung noch einmal erreicht werden könnte, die hier zu befürchtende Konzentrationsbewegung zu verhindern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das wäre sicherlich kein Anlaß für die Einführung einer Fusionskontrolle.
Weitere Zusatzfrage.
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, sich selber und die Öffentlichkeit in Zukunft rechtzeitig darüber ins Bild zu setzen, wenn sich ähnliche — auch von der Bundesregierung negativ beurteilte — Vorgänge abzeichnen sollten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir werden das prüfen, Herr Kollege Lohmar.
Ich rufe die Frage 57 des Abgeordneten Weigl auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß eine totale Liberalisierung der Porzellaneinfuhren aus den Ostblockländern und eine Erhöhung der Porzellaneinfuhren aus Japan um 20 % bei der geringsten Konjunkturabkühlung zur Massenkurzarbeit bzw. Massenarbeitslosigkeit in den ostbayerischen Zonenrandgebieten führen könnte?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Weigl, der Bundesregierung ist bekannt, daß ein Zusammentreffen derart extremer Bedingungen für die deutsche Porzellanindustrie zu den von Ihnen geschilderten Folgen führen könnte. Sie hat daher nicht im Sinn, diese Bedingungen herbeizuführen, nachdem sie sich zweieinhalb Jahre mit Erfolg bemüht hat, die Beschäftigungslage im bayerischen Grenzland zu verbessern.
Zu einer Zusatzfrage Herr Weigl!
Herr Staatssekretär, es ist aber doch unbestritten, daß Einfuhrkontingente erhöht werden sollen. Daher möchte ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß noch vor kurzer Zeit in der ostbayerischen Porzellanindustrie in größerem Umfang kurzgearbeitet werden mußte, und ob Sie die
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12049
WeiglAuffassung des Herrn Rosenthal teilen, daß es in der Porzellanwirtschaft keine Hochkonjunktur, nicht einmal eine gute Konjunktur gibt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Selbstverständlich teile ich die Auffassung von Herrn Rosenthal über die Lage der bayerischen Porzellanindustrie, Herr Kollege Weigl. Aber an die von Ihnen geschilderte Bedingung „totale Liberalisierung der Porzellaneinfuhren" hat innerhalb der Bundesregierung bisher niemand gedacht.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Weigl.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir dann sagen, welche Überlegungen die Bundesregierung angestellt hat, um die Einfuhren von Porzellan zu erhöhen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat bei ihrem weiteren Stabilisierungsprogramm generell die Möglichkeit von Importerleichterungen für Einfuhren aus Ostasien und aus Osteuropa erwogen und von der Vorlage des Bundeswirtschaftsministers zustimmend Kenntnis genommen. Alle Einzelmaßnahmen werden in der Zukunft für sich geprüft und vom Bundeswirtschaftsministerium verkündet. Eine der von Ihnen dargestellten Liberalisierungsmaßnahmen für die Porzellanindustrie ist nicht dabei.
Frage 58 des Abgeordneten Weigl:
Trifft es zu, daß die seit 1965 stagnierende Industrieansiedlung in den Zonenrand- und Bundesausbaugebieten weiterhin anhalten wird, weil die Bundesregierung entgegen bisherigen Zusagen eine Investitionszulage nicht mehr zum 1. Januar 1969, sondern erst zum 1. Januar 1970 gewähren will?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, Herr Kollege Weigl, die Bundesregierung hält nach wie vor an ihrer Absicht fest, die für das Zonenrandgebiet vorgesehene Investitionszulage ab 1. Januar 1969 einzuführen.
Dann kommen wir jetzt zur Frage 59 des Herrn Abgeordneten Fritsch :
Ist damit zu rechnen, daß der Landkreis Vilshofen als wirtschaftlich viertschwächster Landkreis Oberbayerns, der in seinem nördlichen Teil innerhalb der 40-km-Zone zur CSSR liegt, als Zonenrandgebiet anerkannt wird?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Fritsch, bei der Abgrenzung des Zonenrandgebietes werden nur solche Stadt- und Landkreise berücksichtigt, die mit ihrem überwiegenden Teil innerhalb des 40 km breiten Streifens entlang der Demarkationslinie oder der Staatsgrenze liegen. Diese Abgrenzung wurde vom Deutschen Bundestag am 2. Juli 1953 beschlossen.
Eine Sonderregelung für einen einzelnen Landkreis ist nicht möglich, da sich alle der über 40 Landkreise, die ebenfalls an das Zonenrandgebiet angrenzen, in einer ähnlichen Situation befinden. Eine allgemeine Ausweitung des Zonenrandgebietes auf diese Weise würde die Vorzugsbehandlung des seinerzeit und noch heute anerkannten Gebietes in der Wirkung nicht unerheblich vermindern.
Eine Zusatzfrage, Herr Fritsch.
Herr Staatssekretär, es muß natürlich in der Frage „Ostbayern" und nicht „Oberbayern" heißen, wie hier in dieser Frage verdruckt ist. Ich meinte also: der viertschwächste Landkreis Ostbayerns ist Vilshofen. Ich stelle die Frage, Herr Staatssekretär: Würden Sie nicht angesichts des Umstandes, daß ein gutes Drittel des Landkreises in die 40-km-Zone fällt, hier eine Ausnahme, ohne daß sie Bezugsfälle auslösen würde, für zulässig halten, auch mit Rücksicht auf den dargestellten Sachverhalt der erheblichen Wirtschaftsschwäche des gesamten Landkreises Vilshofen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Fritsch, die regionalpolitische Bedeutung der Stadt und damit auch des Landkreises Vilshofen ist von der Bundesregierung voll akzeptiert und honoriert worden. Vilshofen ist eine der 12 Gemeinden des Bundesgebiets, für die es einen 25%igen Investitionszuschuß für Neuansiedlung gibt.
Herr Staatssekretär, in dankbarer Anerkennung dieses Sachverhalts stelle ich doch noch die Frage, ob es Vorschläge des Landes Bayern gibt, den Landkreis Vilshofen in die Präferenzzone des Zonenrand- und Grenzgebietes mit einzubeziehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Fritsch, ich kann es mir nicht vorstellen. Das wäre ja contra legem und würde darauf hinauslaufen, die gesetzlich festgelegte Abgrenzung des Zonenrandgebietes zu verändern.
Ich bin für diese Antwort sehr dankbar.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich — — Da kommt noch eine Zusatzfrage zu Vilshofen.
— Eine Zusatzfrage nur zu der Sache! Es tut mir furchtbar leid.
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12050 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Vizepräsident Scheel— Nein, nur zu der gestellten Frage, keine Frage, die davon abweicht! Sie können nur zu Vilshofen sprechen. Kein anderes Sachgebiet! Wenn Sie Vilshofen mit besonderem Geschick in Ihre Frage einfügen könnten, würde ich sagen: in Ordnung.
Gibt die zweifellose Härte hinsichtlich des Landkreises Vilshofen nicht der Bundesregierung die Veranlassung,
noch einmal die gesamten Probleme der Förderung zu überdenken?
In dieser Form findet die Frage die Billigung des Präsidiums.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, selbstverständlich denkt die Bundesregierung auch im Zusammenwirken mit den Ländern unaufhörlich darüber nach, ob die gegenwärtigen Abgrenzungen glücklich sind. Aber jede Aufweichung dieser Abgrenzung würde zu einer Multiplikation der Fördergebiete und damit zu einer Verzettelung der Förderung führen. Wir müssen für eine gewisse Anzahl von Jahren möglichst enge Kriterien durchhalten, um die Gebiete, die unter diese regionalen Abgrenzungen fallen, erst einmal nach vorn zu bringen.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft beantwortet.
Wir kommen jetzt, Herr Staatssekretär, durch eine technische Panne etwas verspätet
zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen, und zwar zunächst zur Frage 38 des Herrn Abgeordneten Folger:
Ist es richtig, daß jedes Zollamt Briefe und Päckchen öffnen kann, nicht um sie auf zollpflichtigen Inhalt, sondern auf ihren Unzuchtsgehalt zu prüfen, gegebenenfalls beanstandete Sendungen einzuziehen und den Besteller zur Anzeige zu bringen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Ich darf diese Frage wie folgt beantworten, Herr Kollege. Die Zollämter haben nach § 1 Abs. 1 des Zollgesetzes die Einhaltung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze zu überwachen. Die Deutsche Bundespost ist verpflichtet, alle Postsendungen, bei denen sich der Verdacht eines Verstoßes gegen Einfuhrverbote ergibt, den zuständigen Zollämtern zu Bestellen. Die Einfuhr unzüchtiger Schriften verstößt unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen gegen das gesetzliche Verbot des § 184 des Strafgesetzbuchs.
Eine abschließende Entscheidung darüber, ob ein Verstoß gegen dieses Einfuhrverbot vorliegt und damit auch der Tatbestand nach § 396 der Reichsabgabenordnung erfüllt ist, können nicht die Zollbehörden treffen. Das ist Sache der zuständigen Staatsanwaltschaften und Gerichte. An diese sind deshalb gemäß § 437 der Reichsabgabenordnung die gestellten unzüchtigen Schriften abzugeben. Das Brief- und Postgeheimnis ist insoweit gemäß § 445 der Reichsabgabenordnung gesetzlich eingeschränkt.
Sache der Staatsanwaltschaft ist es, gegen den inländischen Bezieher ein Verfahren einzuleiten, wenn er gegen das Einfuhrverbot des § 184 Abs. 1 Nr. 1 a des Strafgesetzbuchs verstoßen und sich damit strafbar gemacht hat, oder die Schriften im objektiven Verfahren einziehen zu lassen, falls nur der ausländische Versender strafbar ist, oder die Schriften an den Empfänger herauszugeben, falls eine strafbare Handlung nicht nachgewiesen werden kann.
Im übrigen werden die Strafbarkeit der Verbreitung und insbesondere der Einfuhr unzüchtiger Schriften sowie die Regelung der einschlägigen Verfahrensvorschriften, wie aus dem Bundesjustizministerium verlautet, den Bundestag im Rahmen der Strafrechtsreform noch zu beschäftigen haben.
Zusatzfrage, Herr Kollege Folger.
Herr Staatssekretär, woher wissen denn die Post- und die Zollbehörden, daß die Briefe einen unzüchtigen Inhalt haben und der Bezieher die Sendung weiterverbreiten will? Die Weiterverbreitung ist nach dem Genfer Übereinkommen über die Einfuhr unzüchtiger Schriften und nach dem neuen § 184 Abs. 1 Nr. 1 a die Voraussetzung für die Strafbarkeit. Können die Beamten vielleicht den unzüchtigen Inhalt von außen riechen?
Das können sie zweifellos nicht, Herr Kollege. Ich habe Ihnen deshalb in aller Ausführlichkeit dargestellt, auf Grund welcher rechtlichen Vorschriften Eingriffsmöglichkeiten gegeben sind. Sie können natürlich auch auf Grund ihrer Erfahrungen, Herr Kollege, in dem einen oder anderen Fall feststellen oder ahnen, in welchen Sendungen solche Schriften drin sind. Daß sie es nun nicht in jedem Einzelfall treffen können, ist auch selbstverständlich. Ich habe Ihnen aber dargelegt, welche rechtlichen Möglichkeiten in diesem Fall gegeben sind und welche Folgerungen daraus zu ziehen sind.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihres Erachtens nicht in Wirklichkeit das Briefgeheimnis, das ein Grundrecht ist, verletzt, wenn sich herausstellt, daß der Verdacht, aus dem heraus ein Brief oder eine sonstige Sendung geöffnet worden ist, unbegründet war? Dann durfte doch das Briefgeheimnis gar nicht eingeschränkt werden. Halten Sie die Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses nicht für das höhere Recht gegenüber dem speziellen Recht
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Abg. Folgerdes Verdachts einer strafbaren Handlung in einem solchen Fall? Ist es nicht verständlich, daß sich dem Betroffenen dabei der Begriff „Inquisition" aufdrängt?
Herr Kollege, wenn man es so betrachtet wie Sie, wäre eine Verfolgung von Straftaten, wie ich meine, überhaupt nicht mehr möglich. Im übrigen habe ich Sie darauf aufmerksam gemacht, daß unter gewissen Voraussetzungen — nämlich denjenigen, die ich Ihnen hier genannt habe — das Grundrecht des Brief- und Postgeheimnisses eingeschränkt ist, um die Möglichkeit zu geben, gewisse Dinge festzustellen.
Frage 39 des Herrn Abgeordneten Cramer:
Wieviel Anträge liegen zum § 6 Abs. 3 des Gesetzes über Besteuerung des Straßengüterverkehrs beim Bundesfinanzminister vor?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, darf ich die Fragen des Herrn Kollegen Cramer, da ein sachlicher Zusammenhang besteht, vielleicht zusammen beantworten?
Bitte schön! Dann rufe ich noch die Frage 40 des Herrn Abgeordneten Cramer auf:
Wann ist mit einer Entscheidung über die bereits vorliegenden Anträge zu rechnen?
Zu § 6 Abs. 3 des Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs liegen meinem Hause etwa 120 Schreiben vor, in denen die Begünstigung von 133 Land- und Stadtkreisen außer dem bereits begünstigten Zonenrandgebiet und den Frachthilfegebieten beantragt oder empfohlen worden ist. Um eine dem Gesetzeszweck entsprechende gleichmäßige Auswahl der in Betracht kommenden Gebiete zu ermöglichen, sind von einem wissenschaftlichen Institut in Zusammenarbeit mit den beteiligten Ministerien objektive und konkrete Maßstäbe für die Auswahl auf Grund der gesetzlichen Kriterien erarbeitet worden. Eines Antrags für die Aufnahme in die Rechtsverordnung bedarf es daher nicht. Die Ergebnisse der Vorarbeiten sollen noch in diesem Monat mit den Ländern, deren Interessen durch die Rechtsverordnung berührt sind, besprochen werden. Es wird wesentlich von dem Ergebnis dieser Besprechung abhängen, ob die Verordnung noch im Monat April dieses Jahres erlassen werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Cramer.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Nur eine Zusatzfrage: Was geschieht mit den in der Zwischenzeit in den Gebieten, die in Zukunft vielleicht begünstigt werden, gezahlten Beträgen?
Eine Regelung darüber, Herr Kollege, wird natürlich erst getroffen werden können, wenn die Entscheidung, welche Gebiete darunter fallen, getroffen worden ist.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Cramer.
Diese Gebiete habe ich ja gerade gemeint. Was geschieht mit den Beträgen aus den Gebieten, die dann freigestellt werden?
Das kann ich Ihnen heute noch nicht sagen, Herr Kollege. Darüber wird eben dann eine Entscheidung getroffen werden müssen.
Herr Fritsch zu einer Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wird neben den zu erarbeitenden objektiven Kriterien, von denen Sie gesprochen haben, auch berücksichtigt werden, daß es z. B. im niederbayerischen Raum eine große Anzahl von Landkreisen — das trifft auch für die Oberpfalz zu — gibt, die ganz besonders wirtschaftsschwach sind und in denen die betroffenen Verkehrsunternehmer nun schon sehr ungeduldig auf eine diesbezügliche Entscheidung warten?
Ich meine, daß das, was Sie ansprechen, Herr Kollege, von den objektiven Kriterien mit erfaßt wird.
Wir kommen zur Frage 41 des Abgeordneten Dr. Schmidt:
Welche Gründe haben die Bundesregierung bewogen, in dem Erlaß des Bundesfinanzministers vom 9. Januar 1969 — III B/4 —V 9530 — 143/68 — an die Oberfinanzdirektionen die Höhe der bei Rücknahme des Einspruchs zu erhebenden Gebühr nach dem Gerichtskostengesetz davon abhängig zu machen, ob der Steuerpflichtige durch einen Bevollmächtigten beraten wurde oder nicht?
Die Frage wird von Herrn Petersen übernommen. Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Petersen, ich beantworte diese Frage wie folgt: In dem Streit um die Umsatzausgleichsteuer, die auch den Bundestag bereits verschiedentlich beschäftigt hat — ich darf nur auf die Mündlichen Anfragen des Kollegen Dr. Friderichs verweisen, die ich in der Fragestunde vom 14. November vergangenen Jahres beantwortet habe —, werden jetzt in zunehmendem Maße Einsprüche zurückgenommen. § 250 der Reichsabgabenordnung sieht bei der Rücknahme des Rechtsbehelfs eine Ermäßigung der Kosten auf ein Viertel der im Gerichtskostengesetz vorgeschriebenen Gebühr vor. Nach § 253 der Reichsabgabenordnung kann von der Erhebung der Gebühr ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn die Ein-
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Parlamentarischer Staatssekretär Leicht
legung des Rechtsbehelfs auf entschuldbarer Unkentnis der Verhältnisse oder auf Unwissenheit beruht oder wenn es aus sonstigen Gründen unbillig erscheint, die Kosten nach den gesetzlichen Vorschriften zu erheben.
Der Bundesminister der Finanzen hat in dem Erlaß vom 9. Januar 1969 folgende Regelung getroffen. Von der Erhebung der Gebühr bei Rücknahme des Einspruchs vor der Bekanntgabe der Entscheidung ist im allgemeinen nicht abzusehen, wenn die Einspruchsführer, insbesondere ihre rechtskundigen Bevollmächtigten — § 107 der Reichsabgabenordnung —, die Rechtslage zumindest als zweifelhaft ansehen und deshalb auch mit einem für sie unbefriedigenden Ausgang des Rechtsstreits rechnen mußten. Es ist nicht Sinn des § 253 Abs. 1 Abgabenordnung, der unterliegenden Partei das mit dem Rechtsbehelf verbundene Risiko abzunehmen. Auf Antrag ist jedoch die bei Rücknahme des Einspruchs zu erhebende Gebühr — darauf kommt es jetzt an — auf die Hälfte, das heißt auf ein Achtel der in § 10 Gerichtskostengesetz vorgeschriebenen Gebühr zu ermäßigen, wenn der Antragsteller glaubhaft darlegt, daß er sich lediglich auf Grund allgemeiner Informationen entschlossen hatte, den Einspruch gegen den Umsatzausgleichsteuerbescheid einzulegen, ohne durch einen Bevollmächtigten beraten zu sein.
Der Bundesminister der Finanzen hat also nicht die Höhe der Gebühr davon abhängig gemacht, ob der Steuerpflichtige durch einen Bevollmächtigten beraten wurde oder nicht. Die Gebühr wird, wie der erste Absatz der vorgetragenen Erlaßregelung besagt, grundsätzlich und unterschiedslos in der vom Gesetz vorgeschriebenen Höhe erhoben, und zwar auch dann, wenn der Einspruchführer nicht durch einen Bevollmächtigten beraten gewesen ist. Lediglich den Steuerpflichtigen, die sich dem damaligen Trend, gegen die Erhebung der Umsatzausgleichsteuer Rechtsbehelfe einzulegen, aus Unerfahrenheit angeschlossen haben, soll ausnahmsweise eine Ermäßigung der gesetzlichen Gebühr gewährt werden. Wer dagegen aus eigener Sachkunde in der Lage war, das Prozeßrisiko abzuschätzen, hat nicht lediglich auf Grund allgemeiner Informationen den Rechtsbehelf eingelegt und hat deshalb die gesetzlich vorgeschriebene Gebühr zu zahlen, selbst wenn er nicht durch einen Bevollmächtigten vertreten war.
Zusatzfrage, Herr Petersen.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß durch die von Ihnen soeben dargestellte Regelung der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen gewährleistet ist?
Ich würde diese Frage bejahen, denn die auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung im Erlaß, den ich soeben zitiert habe, getroffene Regelung steht mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen deshalb im Einklang, weil sie nicht willkürlich zu einer unterschiedlichen Gebührenerhebung führt. Die Bundesregierung macht die Frage, ob von der Erhebung der Gebühr aus Billigkeitsgründen teilweise abzusehen ist, im Rahmen ihres Ermessens davon abhängig, ob der Einspruch lediglich auf Grund allgemeiner Informationen oder in voller Kenntnis des Prozeßrisikos eingelegt worden ist. Diese Differenzierung ist unserer Meinung nach sachgerecht.
Wir kommen zur Beantwortung der Frage 42 des Kollegen Josten. Kollege Josten ist nicht da. — Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 43 des Abgeordneten Weigl auf:
Wann wird die Bundesregierung dem Bundestag geeignete steuerliche Maßnahmen für Arbeitnehmer in den Zonenrand- und Bundesausbaugebieten vorschlagen, z. B. eine Erhöhung der Kilometergeldpauschale oder eine Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrages, um die Abwanderung weiterer Fachkräfte bzw. die Überalterung der Bevölkerung in den wirtschaftsschwachen Gebieten der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern?
Ich möchte Ihre Frage, Herr Kollege Weigl, wie folgt beantworten. Nach Auffassung der Bundesregierung kommen steuerliche Maßnahmen zugunsten der Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet und in den Bundesausbaugebieten nicht in Betracht, um einer 'eventuellen Abwanderung junger qualifizierter Arbeitskräfte aus den genannten Gebieten entgegenzuwirken. Die Gründe, die gegen die Einführung einer steuerlichen Vergünstigung in diesem Sinne sprechen, sind Ihnen im einzelnen bereits in einem Schreiben des Staatssekretärs des Bundesfinanzministeriums vom 29. November 1966 dargelegt worden. Ich kann mich deshalb hier darauf beschränken, darauf hinzuweisen, daß der Abwanderung von Arbeitskräften aus wirtschaftsschwachen Gebieten besser mit gezielten Maßnahmen zur Sicherung vorhandener Arbeitsplätze und Schaffung neuer Arbeitsplätze begegnet wird. Maßnahmen dieser Art sind nicht nur bereits im Rahmen des Instrumentariums der regionalen Wirtschaftsförderung verfügbar, sondern auch neuerdings auf steuerrechtlichem Gebiet in dem vor kurzem mit dem Zweiten Steueränderungsgesetz 1968 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Investitionszulagen vorgesehen. Im Rahmen dieser Maßnahmen werden Anreize geschaffen, den Arbeitnehmern im Zonenrandgebiet und in den Bundesausbaugebieten in wohnungsnah gelegenen Arbeitsstätten die gleichen Verdienstchancen zu bieten, wie sie in anderen Gebieten der Bundesrepublik bestehen. Mit dem Wirksamwerden dieser Maßnahmen entfällt deshalb die Frage steuerlicher Sonderregelung zugunsten der Arbeitnehmer selbst. Im übrigen sind mit den gemachten Vorschlägen noch eine Reihe von Bedenken vor allem auch haushaltsmäßiger Art verbunden.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Fritsch.
Herr Staatssekretär, würden Sie angesichts Ihrer Ausführungen nicht zugeben, daß zunächst — wenn auch begrüßenswerter-
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Fritsch
weise — die Akzente der Förderung des Zonenrand- und Grenzgebietes auf der Arbeitgeberseite, also — wie Sie mit Recht ausgeführt haben — auf der Seite der Schaffung von Arbeitsplätzen gelegen haben, daß aber, wenn es richtig ist, daß diese Investitionsmöglichkeiten und die Präferenzen noch nicht zum gewünschten Erfolg geführt haben, auch daran gedacht werden soll, den mittlerweile noch in großer Zahl pendelnden und mit besonderen Belastungen versehenen Arbeitnehmern gewisse Vorzüge einzuräumen — wie das in der Frage aufgeführt wurde —, z. B. die Wiedererhöhung der Kilometerpauschale oder auch eine Pendlerprämie?
Sie werden mir aber zugeben, Herr Kollege, daß man das nicht nur für gewisse Gebiete tun kann.
Herr Staatssekretär, es ist aber doch sicher unbestritten, daß es bestimmte Gebiete gibt, in denen die Arbeitnehmer ganz besonders von der Wirtschaftsschwäche der Räume betroffen sind, so daß ich glaube, doch mit Berechtigung fragen zu können, ob man nicht dann auch die andere Seite in irgendeiner Form präferenzieren sollte, mindestens so lange, als nicht in diesen Räumen ein ausgeglichenes Wirtschaftsgefüge hergestellt ist.
Hier helfen nur, Herr Kollege, direkte Maßnahmen von der Art, wie ich sie aufgezeigt habe. Ich darf nur noch ergänzend erwähnen, daß wir z. B. in der Frage der regionalen Wirtschaftsförderung, wie Sie wissen, ja jetzt zusätzlich beabsichtigen, weitere 150 Millionen bereitzustellen, um eben die Strukturverbesserung in diesen Räumen auf direktem Wege zu beschleunigen.
Eine Zusatzfrage, Kollege Weigl.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob sich nicht beispielsweise in Berlin die Gesamtsituation eben dadurch günstig entwickelt hat, daß man Steuervergünstigungen für Arbeitnehmer gewährt, während das bei uns in den Zonenrand- und Bundesausbaugebieten nicht der Fall ist.
Ob die Ergebnisse in dieser Beziehung so positiv sind, wie Sie meinen, Herr Kollege Weigl, möchte ich jetzt nicht beurteilen. Das müßte ich zuerst noch prüfen.
Eine weitere Zusatzfrage!
Darf ich bitten, Herr Staatssekretär, mir das Ergebnis dieser Überprüfung möglichst bald zu geben?
Selbstverständlich, Herr Kollege.
Ich rufe die Frage 44 des Abgeordneten Felder auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für Verhandlungen mit dem amerikanischen Oberkommando in Heidelberg, die dem Ziele dienen müßten, den alten Exerzierplatz in Erlangen für die Bebauung mit Wohnhäusern und Gewerbebetrieben freizubekommen oder zumindest die wachsende Belästigung der Bevölkerung bei den durch das Stadtgebiet führenden Panzerfahrten zum Truppenübungsplatz Tennenlohe zu vermindern?
Die Frage wird mit Einverständnis des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen erledigt.
Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe die Frage 60 des Abgeordneten Dr. Hammans auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß besonders im Landesteil Rheinland des Landes Nordrhein-Westfalen die Mittel, die für Betriebe, von denen ein genehmigter Betriebsentwicklungsplan vorliegt, für die Zinsbeihilfen nicht ausreichen, um die vorliegenden Anträge zu bedienen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Ich bitte, mir zu gestatten, die beiden Fragen gemeinsam zu beantworten.
Ja, sicher. Dann rufe ich zusätzlich die Frage 61 des Abgeordneten Dr. Hammans auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, eine Abhilfe zu schaffen, besonders, da sich die Betriebe an den Grenzen zu Nachbarn sowohl nach Westfalen hin als auch an der Grenze zu anderen Bundesländern in ihren Wettbewerbsmöglichkeiten behindert sehen?
Der Bundesregierung ist bekannt, daß im Jahre 1969 beim Investitionsbeihilfeprogramm für landwirtschaftliche Betriebe ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den verfügbaren und den von den Ländern als benötigt angemeldeten Beihilfemitteln besteht. Das ist im übrigen zum erstenmal seit Einführung dieser Maßnahme der Fall. Diese Situation ist keineswegs nur auf Nordrhein-Westfalen oder den Landesteil Rheinland beschränkt; sie liegt praktisch in gleichem Maße in allen Bundesländern vor.Im übrigen weise ich darauf hin, daß die Bundesregierung auf die Verteilung der Mittel auf einzelne Landesteile innerhalb eines Landes keinen Einfluß nimmt. Das ist ausschließlich Angelegenheit des jeweiligen Landes. Die Aufteilung der Bundesmittel auf die Länder erfolgt nach einem im Einvernehmen mit diesen Ländern festgelegten Schlüssel.Die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit, den Haushaltsansatz 1969 von sich aus weiter aufzustocken; sie ist natürlich dankbar, wenn ihr solche Mittel durch das Parlament zur Verfügung gestellt
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Bundesminister Höcherlwerden. Das schließt jedoch nicht aus, daß bei der Durchführung des Haushalts alle Bemühungen unternommen werden, mit der inzwischen für 1969 getroffenen Kompromißlösung soweit als möglich einen Ausgleich zu erreichen.Ich darf daran erinnern, daß ich eine ausführliche Darstellung dieses Themenkreises sowie eine Erläuterung der inzwischen eingeleiteten Schritte bereits in der Fragestunde vom 26. Februar 1969 und in einer Reihe von schriftlichen Äußerungen des Ministeriums gegeben habe. In diesem Zusammenhang verweise ich auf das Protokoll der 218. Sitzung des Deutschen Bundestages. Auch der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wurde am 27. Februar 1969 über die Gesamtsituation eingehend unterrichtet.
Keine Zusatzfragen. Dann kommen wir zur Frage 62 des Abgeordneten Langebeck:
Ist die Bundesregierung bereit, die Bedingung für die Gewährung von Bundeszuschüssen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur des Privat- und Körperschaftswaldes in der Weise zu erweitern, daß der Wegebau, sofern es sich bei den Antragstellern um forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse handelt, mit Beihilfen bedacht werden kann?
Bitte, Herr Bundesminister!
Die Frage 62 möchte ich wie folgt beantworten. Die Richtlinien meines Hauses für die Förderung des Wirtschaftswegebaues vom 1. März 1966 brachten für den Forstwegebau spürbare Verbesserungen und sind auch gegenwärtig noch voll ausreichend. Es ist weder notwendig noch zweckmäßig, die besonderen Bedingungen für die Gewährung von Bundeszuschüssen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur des Privat- und Körperschaftswaldes durch Bestimmungen über die Förderung des Forstwegebaues zu erweitern. Überdies wäre es auch im Hinblick auf die vorgesehene Regelung der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes untunlich, diese Richtlinie im gegenwärtigen Zeitpunkt zu ändern.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Langebeck.
Herr Minister, halten Sie es für vertretbar, daß unter Berücksichtigung eines volkswirtschaftlichen Gesichtspunktes dieser Zweig unserer Wirtschaft, nämlich die Forstwirtschaft, deshalb nicht mehr lukrativ ist, weil sie nicht in der Lage ist, ihre Waldwege ohne öffentliche Mittel so instand zu halten, wie es erforderlich ist?
Ich bestreite das gar nicht. Die Rentabilität der Forstwirtschaft hängt aber nicht allein von der Erschließung der Wege ab, sondern von einer entsprechenden Preissituation, die sich in der letzten Zeit auch wiederum gebessert hat. Die Rentabilität ist sehr unterschiedlich je nach der Zusammensetzung und der Qualität des Bestandes.
Es gibt keinen Zweifel, daß hier die öffentliche Hilfe erwünscht ist, wie auch für viele andere Wege und Straßen; aber bei uns vollzieht sich alles in den Koordinaten Zeit und Geld.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Langebeck.
Herr Minister, würden Sie mir zugestehen, daß die Richtlinien für die Gewährung von Beihilfen nicht mehr sinnvoll sind, wenn z. B. Kulturvorbereitungen, Bodenbearbeitung, Düngung, deshalb beeinträchtigt sind, weil weite Gebiete wegen des schlechten Zustandes der Waldwege nicht erreicht werden können?
Herr Kollege, ich nehme nicht an, daß Sie von mir erwarten, daß ich den Sinn dieser Richtlinien bestreite, wie Sie es tun. Ich glaube vielmehr, daß die Richtlinien sehr sinnvoll und erfolgreich sind. Sie sind nur nicht finanziell so ausgestattet; das ist der einzige Grund. Es ist besser, Land- und Forstwirtschaft zusammenzuhalten, einmal wegen der unterschiedlichen Situation in den einzelnen Ländern. Darüber hinaus hat die Bundesregierung die Länder immer wieder gebeten, im Rahmen der Gesamtausstattung gerade den Forstwegebau entsprechend zu berücksichtigen.
Wir kommen zur Frage 63 des Abgeordneten Langebeck:
Reicht nach Auffassung der Bundesregierung die Beihilfe für die einmalige Anschaffung von Geräten, Maschinen und Fahrzeugen für den Wegebau und die Wegeinstandhaltung aus, um die Forstwirtschaft voll leistungsfähig zu machen?
Bitte, Herr Bundesminister!
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß sie mit der finanziellen Förderung des Forstwegebaues und der Beschaffung von Maschinen nach den erwähnten Richtlinien bisher ihr möglichstes getan hat. Zudem wurden die mit der Durchführung der Förderung betrauten obersten Landesbehörden, wie ich bereits sagen durfte, wiederholt gebeten, den Forstwegebau in Anbetracht der unbefriedigenden wirtschaftlichen Lage der meisten Forstbetriebe bei der Vergabe der Bundesmittel besonders zu berücksichtigen. Die einmaligen Beihilfen für Maschinen- und Gerätebeschaffung sind also nur ein Teil der Förderung. Sie sollen als Starthilfe den Zusammenschluß der Waldbesitzer und die Kooperation auf Jahre hinaus wirksam erleichtern.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Langebeck.
Herr Minister, halten Sie es für möglich, daß Ihr Haus zu einem anderen Ergebnis kommt, wenn die Bundesregierung nach § 8 des im Entwurf vorliegenden Gesetzes zur Erhaltung und Förderung des Waldes über die Wirtschafts-
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Langebeckergebnisse der Forstwirtschaft Bericht erstatten muß, wobei dann auch die Ursachen der wirtschaftlichen Lage dargestellt werden müssen?
Eine wesentliche Verbesserung verspreche ich mir mehr durch die Erzeugergemeinschaften, die auch im Forstbereich durch eine gesetzliche Regelung ermöglicht und begünstigt werden sollen. Ein Bericht allein vermag die Situation nicht zu verbessern. Aber die Bundesregierung ist sehr gern bereit, zusätzliche Mittel, die ihr zur Verfügung gestellt werden, für diesen Zweck einzusetzen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Langebeck.
Herr Minister, haben Sie darauf geachtet, daß ich gerade davon ausgegangen bin, daß es sich bei den Antragstellern um forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse handeln muß, so daß das auch weitgehend berücksichtigt wurde?
Ich glaube, wir sind da einer Meinung.
Ich rufe dann die Frage 64 des Abgeordneten Langebeck auf:
Können nach Auffassung der Bundesregierung die unter II Absatz 2 Buchstaben a bis d der Richtlinien aufgeführten Arbeiten wirkungsvoll gefördert werden, wenn die Wege selbst in einem Zustand bleiben, der den Anforderungen nicht gerecht wird?
Die Bedeutung eines gut ausgebauten Wegenetzes für die Forstwirtschaft ist der Bundesregierung bekannt. Sie ist deshalb auch bemüht, im Rahmen der ihr gegebenen finanziellen Möglichkeiten den Ausbau auch in der Zukunft zu fördern.
Wir kommen dann zur Frage 65 des Abgeordneten Cramer:
Ist die Bundesregierung bereit und in der Lage, das für den Entwässerungsverband Rüstringen geplante Schöpfwerk vorrangig in der Finanzierung und im Bauablauf sicherzustellen?
Die Erfüllung der staatlichen Aufgaben, wozu auch die Belange der Wasserwirtschaft gehören, ist nach Art. 30 des Grundgesetzes, wie Sie wissen, Herr Kollege, primär Sache der Länder. Der Bund leistet subsidiär Finanzierungshilfe durch Zuschüsse und Darlehen. Die Bundesmittel für die Wasserwirtschaft werden den Ländern als Globalkontingente zur Verfügung gestellt.
Über Auswahl und Reihenfolge der einzelnen Maßnahmen in Niedersachsen entscheiden das niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der Beauftragte des Bundes und des Landes Niedersachsen für den Küstenplan.
Dieses Verfahren hat sich bewährt und wird beibehalten.
Am 3. März dieses Jahres habe ich eine gleichlautende Anfrage des Entwässerungsverbandes Rüstringen in diesem Sinne beantwortet und das niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gebeten, dem Verband von dort aus einen Bescheid über Bau und Finanzierung des geplanten Schöpfwerkes zukommen zu lassen. Soweit ich informiert bin, soll im Jahre 1970 mit dem Bau des Schöpfwerkes begonnen werden, und zwar ist noch eine gewisse technische Voraussetzung zu erfüllen.
Zusatzfrage, Herr Cramer.
Herr Minister, kann ich eine Durchschrift dieses von Ihnen soeben erwähnten Schreibens an den Entwässerungverband bekommen?
Ja.
Eine Zusatzfrage, Kollege Wächter.
Herr Bundesminister, teilen Sie mit mir den Standpunkt, daß das geplante Schöpfwerk des Entwässerungsverbandes Rüstringen viel leichter und schneller gebaut würde, wenn das Land Niedersachsen seinen Verpflichtungen, insbesondere den im Küstenplan niedergelegten, besser nachkommen würde, als das bislang der Fall ist?
Eine solche Zensur des Landes Niedersachsen will ich mir nicht gestatten.
Weitere Zusatzfragen?
Ich rufe dann die Fragen 66, 67 und 68 des Abgeordneten Richarts auf:
Ich frage die Bundesregierung, ob sie für den deutschen Gartenbau und den deutschen Weinbau, diese bedeutsamen Zweige der deutschen Landwirtschaft, die in Zukunft dem Wettbewerb besonders ausgesetzt sein werden, ein eigenes Programm erarbeiten läßt.
Wird die Bundesregierung sich bei der Erarbeitung des Kapitels Forschung in diesem Programm allein der Empfehlung des Wissenschaftsrates bedienen oder eigene Analysen über die bestehenden Forschungseinrichtungen erstellen?
Bis wann kann spätestens mit der Vorlage dieses Programms gerechnet werden?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Teilt die Bundesregierung die Vorstellungen des Wissenschaftsrates vom 29. Oktober 1968, wonach die Weinbauforschung im wesentlichen in Hohenheim in Verbindung mit dem Geiweilerhof konzentriert werden soll?
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Ich bitte, die beiden Fragen 69 und 70 zusammen beantworten zu dürfen.
Bitte sehr!
Ich rufe dann auch die Frage 70 des Abgeordneten Erhard auf:
Hält die Bundesregierung die Forschungseinrichtungen der Lehr-und Forschungsanstalt Geisenheim nach der jetzt schon vorhandenen Ausstattung für ausbaufähig und ausbauwürdig?
Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Neuordnung von Forschung und Ausbildung im Bereich der Agrarwissenschaft sind in einem nicht veröffentlichten Entwurf vom 29. Oktober 1968 enthalten. Die Vorstellungen in bezug auf die Weinbauwissenschaft haben in Fachkreisen Unruhe hervorgerufen. Dagegen wird das Anliegen der Bundesregierung, die Forschungseinrichtungen zu konzentrieren und innerhalb der Weinwissenschaft eine enge Zusammenarbeit herbeizuführen, allgemein gutgeheißen.
Bevor ich daher zu den Empfehlungen des Wissenschaftsrates Stellung nehmen kann, werde ich die aufgeworfenen Probleme eingehend mit den weinbautreibenden Ländern erörtern.
Ich habe bereits meinen Staatssekretär beauftragt, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Bei diesen Beratungen wird auch die künftige Aufgabe der hessischen Lehr- und Forschungsanstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau im positiven Sinn berücksichtigt werden.
Wegen der Verteilung der Zuständigkeiten fällt jedoch der Bundesregierung in der Angelegenheit der Finanzierung eines möglicherweise notwendig werdenden Ausbaus dieser Anstalt mehr die Rolle des Zuhörers als des Wortführers zu. Die Finanzlage des Landes Hessen wird aber gestatten, was hier notwendig ist.
Meine Kollegen, ich bitte doch, zu ermöglichen, daß die Fragen beantwortet werden.
Wir kommen zur Frage 71 des Abgeordneten Wächter:
Trifft es zu, daß in Brüssel eine Verordnung betreffend die Gewährung von Beihilfen für die Verwendung von Milchfetten bei der Herstellung von Mischfuttermitteln vorbereitet wird?
Es trifft zu, Herr Kollege Wächter, daß die Kommission dem Rat einen entsprechenden Verordnungsentwurf vorgelegt hat. Er sieht vor, daß für Vollmilchpulver, das in der Zollaufsicht zu Mischfuttermittel verarbeitet wird, eine Beihilfe in Höhe von 220 DM pro 100 kg gewährt wird.
Zusatzfrage, Herr Wächter.
Herr Bundesminister, in welchem Umfang kann dadurch eine Verringerung der Butterüberschüsse innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erreicht werden?
Eine solche Frage kann nur prophetisch beantwortet werden, und ich fühle mich nicht als Prophet berufen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Wächter.
Wird die Verordnung Regelungen vorsehen, durch die die Schädigung der Mischfutterindustrie vermieden werden kann, weil damit zu rechnen ist, daß die Mischfutterindustrie Entschädigungsansprüche stellen wird?
Es ist noch lange nicht so weit, daß diese Verordnung Wirklichkeit wird. Es gibt da noch viele Fragen vorzuklären. Zudem ist es sehr zweifelhaft, ob der Verordnungsentwurf in dieser Form das Licht der Welt als Verordnung erblicken wird.
Meine Damen und Herren, damit ist die Fragestunde beendet.
Ich möchte Ihnen zunächst mitteilen, daß ein Einvernehmen der Fraktionen darüber hergestellt worden ist, den Antrag der Fraktion der FDP Drucksache V/3986 auf die Tagesordnung zu setzen und ihn im Zusammenhang mit dem Einzelplan 08 zu behandeln.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommen wir zu einer Serie von Abstimmungen. Ich würde Ihnen dankbar sein, wenn Sie es dem Präsidium ermöglichten, sie ordnungsgemäß durchzuführen. Das setzt aber voraus, daß Sie zunächst einmal Ihre Plätze einnehmen.
Ich rufe Punkt III der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Zwanzigsten Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes
— Drucksache V/3896 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Reischl
Ich frage, ob der Berichterstatter das Wort haben möchte. — Das ist der Fall. Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Reischl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Falle muß ein Bericht erstattet werden, da der Mündliche Bericht Drucksache V/3896 nur die Beschlüsse enthält und ohne eine Berichterstattung weder diesem Hause noch der weiteren Öffentlichkeit die Erwägungen
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Dr. Reischlbekanntwerden könnten, die den Vermittlungsausschuß zu seinem Vorschlag gebracht haben. Ich muß aus diesem Grunde bei meiner Berichterstattung auch etwas ausführlicher sein.Zunächst darf ich darauf hinweisen, daß der Bundestag die gesamte Finanz- und Haushaltsreform zusammen mit einer Reihe von Vorschriften zur Änderung des Zuständigkeitenkatalogs des Grundgesetzes in einem einheitlichen Gesetz, dem Zwanzigsten Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, zusammengefaßt hat. Der Bundesrat hat in seinem Vermittlungsbegehren beantragt, dieses Gesetzespaket aufzulösen, und zwar in die Einzelgesetze, die ursprünglich vom Bundestag im einzelnen beraten worden waren.Der Vermittlungsausschuß hat sich zu einer solchen Totalauflösung, die zu nicht weniger als sechs Änderungsgesetzen zum Grundgesetz geführt hätte, nicht entschließen können; er hat das „Paket" nur in drei Gesetze aufgeschnürt: 1. in das eigentliche Finanzreformgesetz, 2. in das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, das das Haushaltsreformgesetz enthält, und 3. in ein Gesetz zur Änderung des Zuständigkeitskatalogs in den Artikeln 74 und 75 des Grundgesetzes.Ich darf nun zur Begründung der einzelnen Vorschläge des Vermittlungsausschusses übergehen, zunächst zu Art. I Nr. 1 — Gemeinschaftsaufgaben —.1. Bei Art. 91 a Abs. 1 Nr. 1 ist der Vermittlungsausschuß dem Anrufungsbegehren des Bundesrates gefolgt. Durch die Worte „einschließlich der Hochschulkliniken" soll klargestellt werden, daß auch die Hochschulkliniken entsprechend Art. 91 a Abs. 4 in jedem Fall zu 50 % vom Bund mitzufinanzieren sind. Die Hochschulkliniken sind nach der Auffassung des Vermittlungsausschusses als ein Teil der Hochschule anzusehen, etwa so wie die anderen Institute, und bei ihnen steht der Forschungs- und Lehrzweck so eindeutig im Vordergrund vor dem Ziel der allgemeinen Krankenversorgung, daß erheblich höhere Bettenkosten gegenüber den allgemeinen Krankenhäusern verursacht werden.2. In Art. 91 a Abs. 3 hat der Vermittlungsausschuß entsprechend dem Begehren des Bundesrates die Ermächtigung zum Erlaß von allgemeinen Richtlinien zur Durchführung der Rahmenpläne gestrichen und insoweit die ursprüngliche Regierungsvorlage wiederhergestellt. Bei den Ausschußberatungen im Bundesrat war diese Ermächtigung vor allem eingefügt worden, weil man glaubte, sie sei notwendig, um die EWG-Verordnungen und EWG-Richtlinien den Ländern gegenüber besser zur Geltung bringen zu können. Der Vermittlungsausschuß hat sich davon überzeugt, daß dieses Ziel auch ohne eine besondere innerstaatliche Richtlinienkompetenz des Bundes erreicht werden kann.3. Der Vermittlungsausschuß schlägt weiter vor, in Art. 91 b das Zusammenwirken von Bund und Ländern auch bei der Bildungsplanung auf Grund von Verwaltungsvereinbarungen zu regeln. Der Bundesrat hatte verlangt, die vom Bundestag beschlossene Rahmengesetzgebungskompetenz für die Bildungsplanung in Art. 75 Nr. 1 a des Grundgesetzes zu streichen. Im Vermittlungsausschuß bestand über die Notwendigkeit einer Bildungsplanung keine Meinungsverschiedenheit. Ich glaube auch nicht, daß das in diesem Hause der Fall ist. Wir waren jedoch der Überzeugung, daß die Bildungsplanung praktisch administrativ geregelt wird und nicht durch gesetzliche Regelungen betrieben werden kann. Im Vermittlungsausschuß war zunächst erwogen worden, nur eine Gesetzgebungskompetenz für das Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Bildungsplanung zu begründen. Der Vermittlungsausschuß kam jedoch schließlich zu der Auffassung, daß das unbedingt notwendige Zusammenwirken von Bund und Ländern auf diesem Gebiet letztlich eine Aufgabe der Exekutive ist, die im Rahmen entsprechender Verwaltungsabkommen durchgeführt werden muß. Aus diesem Grunde schlägt er die Aufnahme der Bildungsplanung in Art. 91 b vor. Damit sollen die bisher schon bestehenden Verwaltungsabkommen legalisiert und neue derartige Verwaltungsabkommen in Zukunft ermöglicht werden.Nun zu Art. I Nr. 2, dem Art. 104 a des Grundgesetzes.1. Der Bundesrat wollte in Art. 104 a Abs. 3 eine gemeinschaftliche Finanzierung von Geldleistungsgesetzen, wie sie bisher vielfach vorgenommen worden war, gänzlich beseitigen und außerdem die Zustimmungsbedürftigkeit auf sämtliche Geldleistungsgesetze ausdehnen. Der Vermittlungsausschuß hat gegenüber diesem Begehren die Bundestagsfassung aufrechterhalten, die neben der Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Finanizerung vor allem auch eine Ausdehnung der Bundesauftragsverwaltung bei Geldleistungsgesetzen vorsieht. Der Vermittlungsausschuß hat dem Anliegen des Bundesrats jedoch insofern Rechnung getragen, als Geldleistungsgesetze dann zustimmungsbedürftig sein sollen, wenn die Länder ein Viertel oder mehr der Ausgaben tragen.2. Besonders schwierig war im Vermittlungsausschuß das Ringen um eine Einigung bei der Fassung des Art. 104 a Abs. 4, und zwar insbesondere, was die Finanzierung der Investitionen anlangt.Ich darf zunächst bitten, bei Art. 104 a Abs. 4 GG in der Vorlage eine redaktionelle Klarstellung vorzunehmen. Ich darf bitten, die Vorlage aufzuschlagen. Hier muß etwas eingefügt werden. Es fehlt nämlich entgegen der sonstigen Übung des Grundgesetzes hinter dem Wort „Gemeinden" der Klammerzusatz „''. Der Vermittlungsausschuß war — ich habe mich darüber noch einmal mit dem Herrn Berichterstatter im Bundesrat abgestimmt — einhellig der Meinung — das ergibt sich auch aus dem Protokoll —, daß nach diesem Abs. 4 selbstverständlich auch Finanzhilfen für Investitionen von Gemeindeverbänden gegeben werden können. Infolgedessen muß also in Abs. 4 gleich im ersten Satz hinter dem Wort „Gemeinden" in Klammern das Wort „Gemeindeverbände" eingefügt werden. Das ist also in Art. I Nr. 2 betr. Art. 104 a Abs. 4 GG, ganz am Anfang:
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Dr. ReischlDer Bund kann den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden gewähren, . . .
— Ich bin Berichterstatter in diesem Hause, und der Berichterstatter für den Bundesrat ist dort eingesetzt.Nach dieser Richtigstellung darf ich zu Art. 104 a Abs. 4 GG noch folgendes sagen. Der Bundesrat hatte in seinem Anrufungsbegehren gefordert, die vom Bundestag beschlossene Generalklausel „zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" durch eine Enumeration zu ersetzen, die das Gebiet der Verbesserung der gemeindlichen Verkehrsverhältnisse und die städtebauliche Erneuerung und Entwicklung in den Gemeinden erfassen sollte. Der Vermittlungsausschuß hielt eine derartige Enumeration für mit dem Rang der Verfassung nicht vereinbar, da dadurch eine ständige Änderung und Anpassung an neue Entwicklungen in der Zukunft erforderlich werden würden. Der Vermittlungsausschuß ist daher der Anregung des Bundesrates nicht gefolgt, sondern hat die Generalklausel der Bundestagsfassung konkretisiert, _um ihre Auslegung zu erleichtern und dadurch Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern zu vermeiden. Dabei bestand im Vermittlungsausschuß Einigkeit darüber, daß die neue Fassung sowohl die vom Bundesrat in seinem Vermittlungsbegehren aufgeführten Bereiche umfaßt, also die Verbesserung der gemeindilchen Verkehrsverhältnisse und die städtebauliche Erneuerung und Entwicklung in den Gemeinden, als auch dem Anliegen des Bundestages Rechnung trägt und z. B. Finanzhilfen für Investitionen im Bereich des Wohnungsbaus ermöglicht. Im einzelnen kann ich hierzu auf den Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses dieses Hauses verweisen.Zur Klarstellung möchte ich schließlich noch darauf hinweisen, daß die in Abs. 4 genannte Förderung des wirtschaftlichen Wachstums als eine der Komponenten des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts besonders hervorgehoben wurde. Während in der ersten Alternative von Abs. 4 die Abwehr von Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts angesprochen wird, betont die dritte Alternative besonders die Förderung des wirtschaftlichen Wachstums und meint damit in diesem Zusammenhang in erster Linie die Strukturpolitik.Schließlich hat der Vermittlungsausschuß in Abs. 4 Satz 2 zur Klarstellung die Bestimmung aufgenommen, daß die Vergabe von Finanzhilfen im Rahmen einer Verwaltungsvereinbarung nur auf Grund des Bundeshaushaltsgesetzes erfolgen kann. Keine Verwaltungsvereinbarung darf ohne entsprechende finanzielle Grundlage im Etat getroffen werden.Nun zu Art. I Nr. 3, zur Steuergesetzgebung! In Art. 105 Abs. 2 a GG wurde auf Anregung des Bundesrats das Wort „herkömmlichen" gestrichen, um das Steuererfindungsrecht der Länder und Gemeinden nicht zu beeinträchtigen. Allerdings soll durch einen entsprechenden Zusatz klargestellt werden, daß Länder und Gemeinden nicht eine einer bundesgesetzlich geregelten Steuer gleichartige Steuer, etwa eine Gemeindeumsatzsteuer oder so etwas Ähnliches, erfinden können.Nun zu Art. I Nr. 4, dem großen Steuerverbund!Erstens. Entgegen der Anregung des Bundesrats hat der Vermittlungsausschuß an der Grundkonzeption des Bundestages zum großen Steuerverbund festgehalten. Der Bundestag hatte die Aufteilung der Gemeinschaftssteuern völlig dem einfachen Gesetzgeber überlassen wollen; die Aufteilung sowohl hinsichtlich der Zahl als auch hinsichtlich der Art des Aufteilungsschlüssels sollte völlig dem einfachen Gesetz überlassen bleiben, das mit einfacher Mehrheit hätte erlassen werden können. Die Regelung des horizontalen Finanzausgleichs sollte nach den Vorschlägen des Bundestages in der Verfassung entfallen. Allerdings muß klargestellt werden, daß ein solcher horizontaler Finanzausgleich durch einfaches Gesetz auch nach der Fassung des Bundestages nicht ausgeschlossen gewesen wäre.Der Vermittlungsausschuß hat sich mit großer Mehrheit für den großen Steuerverbund ausgesprochen. Im Unterschied zur Bundestagsfassung legen die Vorschläge des Vermittlungsausschusses allerdings eine stärkere Betonung auf die Garantiefunktion der Verfassung, sowohl für die — ich sage das in Anführungszeichen, denn eigentlich gefällt mir der Ausdruck nicht — „reichen" als auch für die „armen" Länder, besser gesagt, die steuerkräftigen und die weniger steuerkräftigen Länder. Hier sollen also die Grundsätze für die Aufteilung der Steuern in der Verfassung selbst festgelegt werden, und darin liegt — das muß ganz klar gesagt werden — natürlich ein gewisser Schutz für beide Gruppen von Ländern, vor allem aber für die finanzschwachen, denn die finanzstarken Länder könnten ja in dem einfachen Gesetz praktisch alles mit einfacher Mehrheit durchsetzen, was sie sich hier vorstellen. Die Grundtendenz der neuen Regelung ist die, daß Bund und Länder gerade an den wachstumsträchtigsten Steuern, also an der Einkommen- und Körperschaftsteuer verfassungskräftig möglichst gleichmäßig beteiligt werden sollen.Zweitens. Zu Art. 106 Abs. 5, der sich mit der Gemeindefinanzreform befaßt, hat der Vermittlungsausschuß klargestellt, daß einerseits die Gemeinden einen originären Verfassungsanspruch auf Beteiligung am Aufkommen der Einkommensteuer haben, wie das ja auch in der Bundestagsfassung ausdrücklich festgelegt ist, daß andererseits aber dieser Anteil — und das war ein Anliegen des Bundesrates — nach der Konzeption unseres Grundgesetzes verwaltungsmäßig von den Ländern an ihre Gemeinden weiterzuleiten ist.Drittens. Zu Art. 106 Abs. 6 wurden entsprechend einem Wunsch des Bundesrates die Gemeindeverbände hinsichtlich des Aufkommens der Verbrauch- und Aufwandsteuern miterwähnt, um jedes Mißverständnis auszuschließen.Nun zu Art. 107. Den Art. 107 hatte der Bundestag bekanntlich gestrichen. Das Anrufungsbegehren des
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Dr. ReischlBundesrates richtete sich darauf, im wesentlichen die geltende Fassung des Art. 107 wieder herzustellen. Der Vermittlungsausschuß schlägt nunmehr vor, für die Einkommen- und Körperschaftsteuer am Grundsatz des regionalen Aufkommens festzuhalten, sie also so zu verteilen, wie sie bei den Finanzämtern der einzelnen Länder anfallen. Wie schon bisher sieht Art. 107 auch eine Bestimmung vor, nach der hier eine Steuerzerlegung durchgeführt werden kann. Für die Bemessung des Länderanteils an der Umsatzsteuer soll dagegen nicht das Prinzip des regionalen Aufkommens, sondern die Einwohnerzahl maßgebend sein. Ich darf dazu bemerken, daß mit der Einführung der Einwohnerzahl als Verteilungsmaßstab kraft Grundgesetzes ein neues, ein anderes, nämlich ein Bedarfsmerkmal für die Steuerverteilung in die Verfassung aufgenommen worden ist, also auch eine gewisse Garantie für die finanzschwachen Länder, denen ja ganz besonders an der Einführung eines solchen anderen Maßstabes lag. Ich darf noch einmal im Zusammenhang hier für dieses Haus erwähnen, daß nach der Bundestagsfassung eine solche Garantie nicht gegeben und es im einfachen Gesetz möglich gewesen wäre, mit der Mehrheit der steuerstarken Länder jeden beliebigen Verteilungsmaßstab durchzusetzen.Darüber hinaus schlägt der Vermittlungsausschuß aber nun vor, daß von dem Länderanteil am Aufkommen der Umsatzsteuer bis zu einem Viertel auf andere Weise verteilt werden kann, um die Steuerkraftunterschiede zwischen den Ländern vorweg auszugleichen. Das ist wieder ein ganz neues, auf den Bedarf abgestelltes Merkmal. Auch dieses wird im Gegensatz zur Bundestagsfassung im Grundgesetz selbst garantiert. Auch hierin liegt also eine gewisse Garantie für die finanzschwachen Länder.Das Institut des horizontalen Länderfinanzausgleichs ist beibehalten worden. Allerdings wird durch den erwähnten Verteilungsmodus der Umsatzsteuer einmal nach der Einwohnerzahl und zweitens durch die Vorwegverteilung eines Viertels des Länderanteils der Umsatzsteuer der horizontale Finanzausgleich jetzt schon auf ein Minimum, nämlich auf den echten Spitzenausgleich der Steuerkraftunterschiede, zurückgeschraubt. Es besteht an sich gar kein Bedenken, daß er im Laufe der Entwicklung eines Tages durch die übrige Verteilung einmal überflüssig werden könnte. Immerhin ist er aber als Grundsatz in der Verfassung noch garantiert, und auch nach der Bundestagsfassung wäre er ja nicht ausgeschlossen gewesen.Zu Art. I Nr. 6, der Steuerverwaltung. Hier ist der Vermittlungsausschuß dem Anrufungsbegehren des Bundesrates zu einer Änderung des Bundestagsbeschlusses über Art. 108 nicht gefolgt. Der Bundesrat wollte es beim gegenwärtigen Rechtszustand belassen, während der Vermittlungsausschuß der Fassung des Bundestages, also vor allem der Beseitigung der bisherigen Aufspaltung der Steuerverwaltungskompetenz bei einer einheitlichen Steuer, den Vorzug gab.Zu Art. I Nr. 8 betreffend Art. 115 k des Grundgesetzes — das ist die letzte Bestimmung der Finanzreform, also des ersten Teils der Änderungen —, darf ich sagen, daß der Vermittlungsausschuß die Bestimmung auf Wunsch des Bundesrats dahingehend geändert hat, daß nunmehr die einzelnen Artikel und nicht nur die betreffenden Abschnitte des Grundgesetzes besonders genannt werden. Eine inhaltliche Änderung bedeutet das nicht.Nun zum zweiten Gesetz, zu dem Haushaltsreformgesetz. Hier ist die Haushaltsverfassungsreform vom Bundesrat nur in einem Punkt angegriffen worden, und zwar hat der Bundesrat verlangt, die Bestimmung zu streichen, wonach sowohl der Haushalt selbst als auch etwaige Nachtragshaushalte gleichzeitig Bundestag und Bundesrat vorgelegt werden sollen. Diese Anregung hat der Vermittlungsausschuß nicht angenommen, so daß es völlig bei der Fassung des Bundestages bleibt.Dann zum dritten, dem letzten Gesetz, dem Gesetz zur Änderung der Kompetenzen. Zunächst zu Art. I Nr. 1.Erstens. In Art. 74 Nr. 13 des Grundgesetzes hat der Vermittlungsausschuß entsprechend dem Wunsch des Bundesrats die Worte „Förderung der Ausbildung" der Bundestagsfassung durch die Worte „Regelung der Ausbildungsbeihilfen" ersetzt. An sich entsprach die Bestimmung in dieser Fassung den Intentionen der Bundesregierung. Der Bundestag hatte hier nur gemeint, eine weitere, auch für die Zukunft allgemein brauchbare Fassung aufnehmen zu sollen. Aber es läßt sich auch mit der neuen Fassung arbeiten. Ich glaube, dem Haus die Annahme empfehlen zu können.Zweitens. Der Bundesrat hat in Art. 74 des Grundgesetzes darüber hinaus die vom Bundestag neu eingefügten Nrn. 19 a und 19 b, die das Gesundheitswesen betrafen, streichen wollen. Der Vermittlungsausschuß hat nur Nr. 19 b gestrichen, also Nr. 19 a ausdrücklich aufrechterhalten, die die „wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze" betrifft; das bleibt ausdrücklich bestehen. Nur Nr. 19 b soll gestrichen werden, weil der Vermittlungsausschuß der Überzeugung war, daß die zur Zeit bestehende Rahmenkompetenz des Bundes für den Wasserhaushalt ausreicht. Außerdem haben die Ländervertreter im Vermittlungsausschuß zu erkennen gegeben, daß die Kompetenz des Bundes zur Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung bereits in ausreichendem Maße durch die anderweitigen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes mit erfaßt wird.Zuletzt noch zu Art. I Nr. 2 Buchst. b: In Art. 75 Nr. 1 a der Bundestagsfassung ist die Bildungsplanung gestrichen worden und statt dessen, wie ich es bereits gesagt habe, in Art. 91 b des Grundgesetzes aufgenommen worden. Eine Gesetzgebungskompetenz für die Bildungsplanung erschien dem Vermittlungsausschuß — wie dort schon gesagt — nicht besonders effektiv. Dagegen hat der Vermittlungsausschuß dem Verlangen des Bundesrates, auch die Rahmengesetzgebungskompetenz für das Hochschulwesen zu streichen, nicht entsprochen. Auf diesem Gebiet hielt der Vermittlungsausschuß eine Rahmengesetzgebung nicht nur für möglich, sondern auch für dringend erforderlich. Um ganz deutlich zu
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Dr. Reischlmachen, daß es sich hier nur um eine Rahmenkompetenz handelt, hat der Vermittlungsausschuß die Gesetzgebungskompetenz ausdrücklich auf die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens beschränkt.Damit habe ich die Gründe vorgetragen — an Stelle eines Schriftlichen Berichts —, die den Vermittlungsausschuß zu seinen Entscheidungen bewogen haben. Ich darf nun bitten, allen drei Gesetzentwürfen in der Fassung, die ihnen der Vermittlungsausschuß gegeben hat, zuzustimmen.
Das Wort zu einer Erklärung hat Frau Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die FDP-Fraktion hat im Dezember vorigen Jahres die zur zweiten und dritten Lesung vorliegende Fassung der Finanzreform im Bundestag abgelehnt. Sie sah bereits damals in den Vorlagen eine entscheidende Abkehr von dem Gedanken einer wirklichen Reform. Die Regierungsvorlage hätte immerhin der Ausgangspunkt einer Reform sein können, wenn sie in einigen Punkten verbessert und fortentwickelt worden wäre. Aber in den Beratungen des Finanzausschusses und des Rechtsausschusses haben sich krasse Gegensätze in den Auffassungen und in den Zielsetzungen der Koalitionsparteien untereinander gezeigt. Sie haben dazu geführt, daß wesentliche Bestandteile gestrichen wurden und daß in vielen Fällen Kompromisse nur auf der Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners erreicht werden konnten. Damit wurden die Reformansätze wesentlich verwischt.Im Vermittlungsausschuß wurden dann noch einige der erhalten gebliebenen Restpositionen aufgegeben oder verwässert. Einem solchen „Wechselbalg" kann die FDP-Fraktion ihre Zustimmung nicht geben. Die FDP hält eine grundsätzliche Reform des Finanzwesens in der Bundesrepublik für dringend notwendig. Sie sollte ein erster Schritt zur Neugestaltung des inneren Gefüges unseres Staates sein. Ihr Gelingen hätte Mut zu weitergehenden und tiefgreifenden Reformen gemacht. So hatte die Regierung sie auch angekündigt.Unsere Vorstellungen dazu waren und sind folgende.1. Der Bund muß in der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern die notwendigen Zuständigkeiten bekommen, um den Verfassungsauftrag sicherzustellen, in der Bundesrepublik die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zu garantieren. Dazu gehört in unserer Zeit vorrangig die Bildungspolitik, da Bildung nicht Folge, sondern Voraussetzung wirtschaftlichen Wachstums ist.2. Die Finanzreform soll eine klare Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern bringen, um die grauen Zonen und Mischverwaltungen abzuschaffen. Das heißt auch Übertragung von Aufgaben des Bundes an die Länder dort, wo eine personennahe Verwaltung wünschenswert ist.3. Der große Steuerverbund soll die Finanzmasse sinnvoll zusammenfassen und entsprechend den Aufgaben verteilen, und zwar unmittelbar ohne einen mehrfachen Finanzausgleich mit seinem mehrfachen Verwaltungsaufwand und seinem ständigen Ringen um die Höhe des Ausgleichs.4. Das Verteilungssystem und die Verteilungsmasse sollen in gewissen Zeitabständen überprüft und dann geändert werden können, wenn die fortschreitende Entwicklung Verschiebungen im Schwerpunkt oder in der Verteilung der Aufgaben mit sich bringt. Darum sollen keine Quoten im Grundgesetz festgelegt werden, sondern im leichter abänderbaren Ausführungsgesetz.5. Eine sinnvolle Beteiligung der Gemeinden im Steuerverbund bei Abbau und Reform der Gewerbesteuer ist notwendig, um eine etwas gleichmäßigere Verteilung der gemeindlichen Finanzen und eine stabilere Einnahmequelle für die Gemeinden als die bisherige Gewerbesteuer zu erreichen.6. Eine ausreichende Verbesserung der Gemeindefinanzen bezüglich ihrer Höhe.7. Eine bundeseinheitliche Finanzverwaltung.Meine Herren und Damen, das sind die Grundsätze, deren Beachtung nach unserer Auffassung für eine sinnvolle Reform erforderlich gewesen wäre.Statt dessen liegt uns folgendes vor.1. Die bundeseinheitliche Finanzverwaltung wurde abgelehnt.2. Die Erhöhung der gemeindlichen Einnahmen bleibt unzureichend.3. Der Ausgleich der Gemeinden für die 40 %ige Abgabe aus der Gewerbesteuer ist verwaltungsmäßig kompliziert und bringt, da nach oben praktisch nicht begrenzt, etwa das gleiche Gefälle von reichen zu armen Gemeinden wie bisher.4. Die Gewerbesteuer wird nach den bisherigen Beschlüssen weder gesenkt noch reformiert. Das Gesetz als solches bleibt unverändert bestehen.5. Der große Steuerverbund wurde zwar durchgesetzt; doch in der Verteilung bleiben die alten Besitzstände der reichen Länder gegenüber den armen Ländern erhalten.6. Die Verteilung der Körperschaftsteuer nach örtlichem Aufkommen verstärkt mit wachsender Konzentration die Ungerechtigkeiten in der Verteilung über die Länder. Zudem, meine Herren und Damen von der CDU, verhindern sie die Fortentwicklung des Steuerwesens etwa im Sinne des Stützel-Plans.7. Die Festlegung der Verteilungsquoten bei der Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer im Grundgesetz behindert eine zeitnahe Anpassung bei neuen Entwicklungen.8. Statt einer vernünftigen Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern wird die graue Zone der Gemeinschaftsaufgaben geschaffen, die sich einer klaren parlamentarischen Entscheidung und Kontrolle entzieht.
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Frau Funcke9. Die dringend erforderliche Kompetenz des Bundes in Hochschul- und Bildungsfragen wurde von den Ländern zurückgeholt. Damit ist die Aussicht auf eine baldige und durchgreifende Reform im Bildungs- und Hochschulwesen zunichte gemacht.Meine Herren und Damen, die Verantwortung für diese Entwicklung bzw. für das Scheitern dieser Reform tragen die Koalitionsparteien. Noch nie hat eine Koalition über 90 % aller Sitze in diesem Hause und über 100% der Sitze im Bundesrat verfügt. Aber so schmählich ist auch noch keine groß angekündigte Reform zugrunde gegangen.
Diese Grundgesetzänderung verdient nicht den Namen einer Reform. Sie begräbt Hoffnungen weit über den Rahmen eines reinen Finanzgesetzes hinaus. Es ist der Sieg der Kleinstaaterei über den Gedanken einer Reform.„Mangelnde Zuständigkeiten sind vor der Geschichte keine Entschuldigung für unterbliebene Reformen." — Meine Herren und Damen, das sagte der Herr Bundeskanzler sinngemäß vor einigen Monaten in diesem Hause. In diesem Punkt teilen wir seine Auffassung.Die FDP-Fraktion lehnt mit Ausnahme der Haushaltsrechtsänderungen die Vorlagen ab. Sie möchte damit den Weg für eine wirkliche Reform freihalten.
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung über den ersten Teil des Antrags des Vermittlungsausschusses, nämlich die Vorlage in drei Gesetze aufzuteilen. Diese Abstimmung erfolgt mit einfacher Mehrheit. Dazu hat sich Herr Dr. Wilhelmi zur Geschäftsordnung gemeldet. Bitte sehr, Herr Dr. Wilhelmi!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Rechtsausschuß hat sich gestern im Auftrag des Herrn Bundestagspräsidenten eingehend mit den Fragen, wie die Abstimmung erfolgen soll, beschäftigt. Er ist gegen eine einzige Stimme zu dem Ergebnis gekommen, daß die Abstimmung über die Aufbündelung, wenn ich es einmal so bezeichnen darf, hier mit Zweidrittelmehrheit durchgeführt werden soll, und zwar deshalb, weil es sich nicht, wie man vielleicht auf den ersten Blick annehmen könnte, nur um eine Verfahrensabstimmung, um eine Art des Verfahrens handelt. Diese Abstimmung hat vielmehr ein materielles Ergebnis.
Von einem Vertreter des Bundesrates ist in der gestrigen Sitzung dies Rechtsausschusses vorgetragen worden, 'daß dann, wenn etwa die Anlage 1, also die eigentliche Finanzreform, abgelehnt würde, weil sie nicht die Zweidrittelmehrheit bekommt, überhaupt nichts vorläge, über das der Bundesrat beschließen könnte, denn früher habe ja der Bundestag ein einheitliches Gesetz beschlossen. Diese Einheitlichkeit sei auf Grund der Ablehnung eines Teils nicht mehrgegeben. Infolgedessen lebten die früheren Beschlüsse 'des Bundestages nicht wieder auf.
Ich halte diese Rechtsauffassung zwar für völlig unsinnig — und das war auch die einstimmige Meinung des Rechtsausschusses —; wenn aber von einem maßgeblichen Vertreter des Bundesrates so etwas angekündigt wird, müssen wir davon ausgehen, daß die Aufbündelung eine materielle Bedeutung haben kann. Wenn die Aufbündelung jetzt mit Zweidrittelmehrheit vom Bundestag beschlossen würde, kann es wirklich keinem Zweifel unterliegen, daß drei Gesetze vorliegen und daß diese drei Gesetze verschiedene Schicksale halben können.
Ic bitte deshalb, die Entscheidung dies Herrn amtierenden Bundestagspräsidenten zu ändern und in diesem Fall auch feststellen zu lassen, ob die Zweidrittelmehrheit erreicht worden ist.
Meine Damen und Herren, es kommt hier nicht darauf an, daß dieser Entscheidung eine materielle Bedeutung zukommt, sondern es kommt allein darauf an, ob diese Entscheidung grundgesetzändernden Charakter hat. Das hat sie nicht. Weil sie keinen grundgesetzändernden Charakter hat, ist hier eine Abstimmung mit einfacher Mehrheit am Platze. Herr Kollege, Sie wissen, nach der Geschäftsordnung bestimmt das der Präsident, und in Übereinstimmung mit § 128 der Geschäftsordnung ist das beschlossen und entschieden.
Meine Damen und Herren, ich bitte nun, darüber abzustimmen, ob in drei Gesetze aufgeteilt werden soll. Wer der Aufteilung in drei Gesetze zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Ich stelle fest, es ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, nunmehr müssen wir über die drei einzelnen Gesetze mit Zweidrittelmehrheit entscheiden.
Zunächst einmal hat Herr Dr. Möller zu einer Erklärung um das Wort gebeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dieser eben vollzogenen Abstimmung beginnt eine Serie von insgesamt zehn Abstimmungen, bei denen in jedem Fall die Zweidrittelmehrheit erreicht werden muß. Ich darf diese erste materielle Abstimmung zum Anlaß nehmen, eine generelle Erklärung für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion abzugeben, die sich auf diese und auf die folgenden Abstimmungen bezieht.Der Deutsche Bundestag hat am 11. Dezember 1968 in diesem Hause ein Gesetzeswerk verabschiedet, das wir nach wie vor für die beste Lösung halten. Der Streit zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern hat im Bundesrat dazu geführt, daß der Vermittlungsausschuß angerufen wurde. Vom Vermittlungsausschuß ist nach langen und schwierigen Beratungen diesem Hohen Hause ein Kompromiß vorgelegt worden. Es ist bekannt, daß gegen diesen Kompromiß bei den Ländern auch heute noch große Vorbehalte unterschiedlicher Art bestehen.
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Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. MöllerMeinen Freunden und mir ist es nicht leicht gefallen, alle Punkte dieses Kompromisses zu akzeptieren. Wir haben darüber in unserer Fraktion eine lange und gründliche Aussprache geführt. Am Ende dieser Debatte hat sich meine Fraktion schweren Herzens, aber mit klarer Mehrheit entschlossen, dem Kompromiß zuzustimmen. Wir halten ihn für eine vertretbare Lösung, die unsere Finanzverfassung gegenüber dem derzeitigen Zustand wesentlich verbessert. Auch gegenüber dem Regierungsentwurf zur Finanzverfassungsreform bedeutet diese Lösung einen entscheidenden Schritt nach vorn.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktionstimmt mit der Feststellung des Herrn Kollegen Althammer in seinem Interview vom 17. März überein — ich zitiere —:Insgesamt gesehen stellt die Finanzreform in der vorliegenden Fassung eine zwar nicht unkomplizierte, aber doch weise zu nennende Neuregelung der finanziellen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden dar.Ein besonderer Grund für unsere Haltung besteht in der Überzeugung, daß ohne die heutige Zustimmung zu dieser Vorlage des Vermittlungsausschusses die Finanzreform gescheitert sein wird. Es gibt zwar im Falle einer Ablehnung in diesem Hohen Hause theoretisch noch die Möglichkeit, daß Bundesregierung oder Bundestag nach der dann zu erwartenden Ablehnung des Bundesrates den Vermittlungsausschuß anrufen. Es ist aber erstens bei einer solchen erneuten Anrufung kein besseres Ergebnis im Vermittlungsausschuß zu erwarten. Im Gegenteil, es besteht die Gefahr, daß dieser Kompromiß noch verschlechtert wird, und zwar in Punkten, an denen gerade uns im Bundestag gelegen ist. Zweitens aber würde der durch die erneute Anrufung des Vermittlungsausschusses verursachte Zeitverlust dazu führen, daß die notwendigen Ausführungsgesetze in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden könnten. Ohne diese Ausführungsgesetze ist nach Auffassung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion die beabsichtigte Verfassungsänderung aber keine Finanzreform.Bei dieser und bei den folgenden Abstimmungen entscheiden wir daher nicht über Einzelteile, wir entscheiden auch nicht über mögliche Veränderungen, sondern wir entscheiden bei jeder dieser Abstimmungen über das Schicksal der Finanzreform selbst als ganzer.
Diese Tatsache möchte ich namens der sozialdemokratischen Fraktion vor dieser ersten Abstimmung in der Sache jedem einzelnen Mitglied dieses hohen Hauses nachdrücklich in Erinnerung rufen. Die Verantwortung ist groß. Jeder, der im Laufe dieses Vormittags einmal durch die Nein-Tür geht oder sich etwa enthält, sagt nicht nein zu irgendeiner einzelnen Bestimmung, sondern entscheidet über das Schicksal der gesamten Reform.
Ich appelliere insbesondere an jedes einzelne Mitglied der Koalitionsfraktionen, nun zu beweisen, daßdiese Große Koalition auch zu großen Reformen fähig ist.
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu den Abstimmungen.
Wir stimmen ab zunächst über die Nr. 1 der Anlage 1, Zusammenstellung des vom Deutschen Bundestag beschlossenen 20. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes — Artikel I Nrn. 3, 5 bis 9, 16 und 17 — und der Beschlüsse des Vermittlungsausschusses.
Zur Annahme ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, die unter Beteiligung der voll stimmberechtigten Abgeordneten erreicht werden muß. Wir müssen zur Abstimmung auszählen. Wer dem Vorschlag des Ausschusses zustimmt, stimmt mit Ja. Ich sage nochmals, es geht um Nr. 1 in der Anlage 1.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Es sind insgesamt 383 Stimmen abgegeben worden; von diesen 383 Stimmen sind 339 Ja-Stimmen, 42 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen. Die Zweidrittelmehrheit beträgt 331 Stimmen. Damit ist die Nr. 1 angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Nr. 2 der Anlage 1. Ich darf darauf hinweisen, daß bei Nr. 2 in Art. 104 a Abs. 4 in der dritten Zeile hinter „Gemeinden" hinzugefügt werden muß „Gemeindeverbände". Darf ich Sie bitten, daß die jenigen Kollegen, die dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zustimmen, bei der Abstimmung über Nr. 2 mit Ja abstimmen. Abstimmungsberechtigt sind alle voll abstimmungsberechtigten Kollegen.
Ich bitte, den Saal zu verlassen.
Meine Damen und Herren, ehe ich das Ergebnis der Abstimmung bekanntgebe, muß ich mitteilen, daß wir in eine Schwierigkeit geraten sind.
Es ist immer noch ,der bedauerliche Zustand gegeben, daß nicht alle Mitglieder dieses Hauses voll stimmberechtigt sind. Die Berliner Abgeordneten
dürfen bei dieser Abstimmung nicht mitgezählt werden. Mir ist gesagt worden,
Berliner Abgeordnete — —
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Vizepräsident Dr. Mommer— Nun, die mir das gesagt haben, werden dazu stehen, daß sie es gesagt haben: Das waren unsere Kollegen von der FDP-Fraktion.
Meine Damen und Herren, — —
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe. Herr Dorn hat sich zur Geschäftsordnung gemeldet.
— Verehrte Kolleginnen .und Kollegen, Sie wissen alle, was wir heute und morgen vor uns haben; deswegen bitte Erregung nicht hochgehen zulassen.Ehe ich Herrn Dorn das Wort zur Geschäftsordnung gebe, möchte ich darauf hinweisen, daß sich, wenn ich die Zahlen bekanntgebe, aus diesen Zahlen ergibt, daß mit oder ohne Berliner Stimmen das Quorum erreicht ist und dies dann vielleicht den Einwand hinfällig machen kann.Darf ich bekanntgeben, wie abgestimmt wurde. Es wurden insgesamt 392 Stimmen abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 357 Abgeordnete, mit Nein 35 Abgeordnete. Keine Enthaltungen. Die Zweidrittelmehrheit ohne Berliner Abgeordnete beträgt 331. Wir haben insgesamt 357 Ja-Stimmen. Die Zweidrittelmehrheit plus die 22 Berliner Abgeordneten wären 353, so daß auch für den Fall, daß alle Berliner Abgeordneten mitgestimmt hätten, immer noch die Zweidrittelmehrheit erreicht wäre. Habe ich da gut gerechnet, oder — —
Zur Geschäftsordnung hat Herr Dorn das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren!
Ihre Erregung ist völlig unbegreiflich, da es uns Freien Demokraten in dieser Frage darauf ankommt, eine Entscheidung zu treffen, die zumindest nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung dieses Hauses und des Grundgesetzes verfassungskonform ist. Wenn Sie das nicht wollen, dann haben Sie hier das Recht, pfui zu schreien, und dann schreien Sie pfui gegen die Verfassung, in deren Rahmen wir uns hier alle bewegen müssen.
— Ich lasse keine Fragen zu. Ich will hier sagen, um was es uns ging. Uns Freien Demokraten ging
es darum, daß eindeutig geklärt ist, daß die Berliner mitstimmen können. Wir haben dafür nicht nur in dieser, sondern auch in der vorigen Legislaturperiode in diesem Hause Vorschläge unterbreitet, um das volle Stimmrecht der Berliner zu erreichen.
Das ist bisher an dem gescheitert, was Sie dagegen eingewandt haben. Uns ging es darum, daß die Berliner mitstimmen können, daß aber das Quorum dann nicht 331 beträgt, sondern 346. Bei der ersten Abstimmung, meine Damen und Herren, haben wir deswegen unsere Bedenken vorgetragen — deswegen habe ich mich hier zur Geschäftsordnung gemeldet—, weil mit den abgegebenen Berliner Stimmen das erforderliche Quorum nicht erreicht worden ist. Sie sind unter 346 geblieben. Gott sei Dank haben wir es jetzt erreicht. Nur darauf kam es uns an,
daß das Quorum entsprechend der Zahl der tatsächlich Abstimmungsberechtigten hoch ist und daß Sie hier nicht verfassungswidrige Abstimmungen durchführen müssen.
Das Wort zur Geschäftsordnung wird nicht weiter gewünscht.
Ich habe den Ausführungen von Herrn Dorn nicht entnehmen können, ob er der Meinung ist, daß wir die Abstimmung wiederholen müssen. — Ist jemand im Saal, der der Meinung ist, daß wir die Abstimmung wiederholen müssen? — Wenn auch nur ein Abgeordneter der Meinung ist, wir müßten wiederholen, dann muß es geschehen, so umständlich das auch ist. Es ist weniger umständlich als alles, was daraus folgen könnte, wenn es Streit darüber gibt. Niemand wünscht dies.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den nächsten Punkt. Das ist Nr. 3 der Vorlage, betreffend Änderung des Art. 105 des Grundgesetzes. — Zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der SPD beantrage ich zu Nr. 3 namentliche Abstimmung.
Sie haben den Antrag gehört. Er ist ausreichend unterstützt. — Ebenfalls zur Abstimmung hat das Wort Herr Professor Schmid.
Herr Präsident! Ich glaube, daß wir die Abstimmung zu Nr. 1 wiederholen müssen.
Wir müssen, wenn die Berliner Abgeordneten mitstimmen, das Quorum um ihre Stimmen erhöhen.
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12064 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Dr. Schmid
— Ihr Verhalten unterliegt einer besonderen Fragestellung: ob Sie mit Ihrer Beanstandung wirklich nur
die Möglichkeit, die Berliner Rechte zu konsolidieren, angestrebt haben oder etwas anderes.
Offenbar besteht darüber im Hause nicht dieselbe Auffassung wie bei Ihnen.Wir müssen die erste Abstimmung wiederholen.
Es bleibt nichts anderes übrig. Über die Behandlung des Gesetzesbeschlusses des Bundestages, seit er dieses Haus verlassen hat, wird man recht verschiedener Meinung sein können. Ich fürchte, daß es deswegen eine ganze Reihe von Prozessen vor dem Verfassungsgericht geben wird. Doch unabhängig davon sollten wir jetzt so korrekt verfahren, wie es irgend geht.
Meine Damen und Herren, ich habe eben schon gesagt: Es genügt ein Einspruch, dann müssen wir wiederholen.
— Nur die erste; bei der zweiten war das Quorum auch auf andere Weise erreicht. Das steht nicht zur Debatte. Wir wiederholen dann die erste Abstimmung. — Zu dieser Abstimmung Herr Frehsee.
Ich modifiziere meinen soeben gestellten Antrag: Ich beantrage namentliche Abstimmung zu Nr. 1.
Sie haben den Antrag gehört. Er ist ausreichend unterstützt. Wir kommen zur namentlichen Abstimmung in Wiederholung der Abstimmung über Nr. 1. Die Frage der Stimmberechtigung stellt sich hier anders; denn bei namentlicher Abstimmung ist klar, wer Berliner Abgeordneter ist und wer nicht. Wir zählen dann nachher die Stimmen der Berliner Abgeordneten getrennt.Meine Damen und Herren, das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung — Wiederholung der Abstimmung zu Nr. 1 — liegt vor.
— Zu spät, ich bedaure. Die Abstimmung ist geschlossen. Die Stimme kann ich nicht mehr annehmen.Insgesamt abgegebene Stimmen: 397. Von den voll stimmberechtigten Abgeordneten haben 359 mit Ja und 37 mit Nein gestimmt. Ein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten. Von den Berliner Abgeordneten haben 19 mit Ja und einer mit Nein gestimmt.359 Ja-Stimmen; das Quorum ist 331. Die Nr. 1 ist angenommen und die Abstimmung im Hammel-sprung hiermit bestätigt.Endgültiges Ergebnis:Abgegebene Stimmen: 395 und 20 Berliner Abgeordnete. Ja: 357 und 19 Berliner Abgeordnete.Nein: 37 und 1 Berliner Abgeordneter.Enthalten: 1.JaCDU/CSUAdornoDr. AignerDr. AlthammerDr. Arnold Dr. ArtzingerBaierBalkenhol Dr. Barzel Bauknecht Prinz von BayernBeckerBerberich Berendsen Bewerunge BiecheleBlankBlöckerFrau Blohm BrandBremerBreseBühlerDr. Burgbacher BurgemeisterBurgerDr. Conring Dr. Czaja Dammvan Delden Deringer Dichgans Diebäcker Dr. Dittrich Dr. DollingerDraegervon Eckardt EhnesDr. ElbrächterEnkFrau EnselingErhard ErnestiErpenbeck ExnerFalkeFranke
Dr. Franz FranzenDr. FreyFritz
Dr. FurlerFrau Geisendörfer Geisenhofer GewandtGierenstein Dr. Giulini Dr. GleissnerGlüsing Dr. GötzGottesleben Frau GriesingerDr. h. c. GüdeFreiherr vonund zu GuttenbergHaase
Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. HammansHanz
Hauser
Dr. Hauser
Dr. Heck Dr. Hellige Dr. HesbergHöcherlHörnemann
HöslDr. Hofmann
Frau HolzmeisterHorstmeier Dr. Hudak Dr. Huys Frau Jacobi
Dr. JungmannFrau KalinkeKatzerDr. KempflerKiepFrau Klee KleinDr. Kliesing
Klinker Knobloch Köppler Dr. Kopf Krampe Krammig Dr. Kraske KrugFrau Dr. KuchtnerKühn
Kuntscher LampersbachLeichtLemmrichDr. Lenz
Lenz
LeukertDr. LindenbergDr. LudaLücke
Majonica Dr. MartinDr. Marx MaucherMeisMeisterDr. von MerkatzMüller
Müller
Dr. Müller-HermannMüserNiederaltDr. von NordenskjöldOrgaßOttPetersenFrau Pitz-SavelsbergPortenDr. PrasslerDr. Preiß
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12065
ProchazkaRainer Rasner RaweDr. ReinhardRiedel
Dr. RitgenDr. Ritz RockRöhner Rösing RommerskirchenRusse
Prinz zu Sayn-WittgensteinHohensteinSchlager SchleeDr. Schmid-Burgk SchmidhuberDr. Schmidt , SchmückerSchröder
Dr. Schulze-VorbergFrau Dr. SchwarzhauptDr. SerresDr. SiemerSpringorumStahlbergDr. Stark
StillerDr. StoltenbergFrau StommelStooßStormStrauß Struve Stücklen Teriete TobabenDr. Dr. h. c. Toussaint UnertlVogtWagner Weiland WendelbornFrau Dr. WexWieningerDr. WilhelmiDr. WörnerBaron von WrangelDr. Wuermeling WullenhauptZiegler ZinkBerliner AbgeordneteBendaFrau Dr. Maxsein LemmerMüller Frau PieserSPDAdamsAhrens (Gast) Dr. ApelDr. Arndt
AugeBading Bäuerle BalsBaltes Barche Dr. BardensDr. BayerlBazille BehrendtBergmannBerkhan Berlin Beuster BiermannBlume BöhmBörner Brück
Brünen BuchstallerBüttner BuschfortCollet CorterierCramer DiekmannDröscherEckerlandFrau EilersFrau Dr. ElsnerDr. EndersDr. EpplerEschmannEsters Faller Felder FellermaierFeuring Flämig Folger Franke
Frehsee Frau FreyhFritsch
Fritz
Geiger Gerlach Gertzen Glombig Haar
Haase HaehserHauck Hauffe HerbertsFrau HerklotzHermsdorfHerold HirschHöhmann HöhneHölzle HöraufHörmann Hofmann (Kronach) HufnagelIvenJacobi
Jahn
Jaschke Junker Kaffka KernKillatFrau KleinertDr. KochKönen Koenen (Lippstadt) KohlbergerFrau KorspeterDr. KreutzmannKulawigKurlbaumFrau Kurlbaum-Beyer LangeLangebeckLautenschlagerLeber LempLemperLendersLiedtkeLöbbertDr. LohmarLotzeMaibaum MarquardtMarx
Matthes MatthöferFrau MeermannDr. MeineckeMetzger MichelsDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Dr. MommerMüller
Müller Müller (Worms)Dr. Müller-EmmertDr. MüthlingDr. Nann NellenNeumann
PaulPeiterPorzner Raffert Dr. Rau Ravens Regling RehsDr. ReischlReitzFrau RengerRichterRiegel
Dr. RinderspacherRohdeRoßFrau RudollSänger SaxowskiFrau SchanzenbachFrau SchimschokDr. Schmid Schmidt (Braunschweig)Dr. Schmidt
Dr. Schmidt Schmidt (Würgendorf) Schmitt-Vockenhausen SchoettleSchonhofenSchulte Schwabe SeidelSeither Frau SeppiSpillecke Stephan Frau StrobelStrohmayrTallertDr. TambléTönjes VitWehner Welslau Wendt WestphalWiefel Wienand Wilhelm WischnewskiWolfWuwerZebischBerliner AbgeordneteDr. Arndt BartschBühlingFrau KrappeLiehrFrau LöscheMattickNeumann Dr. Schellenberg Dr. SchillerDr. Schulz Dr. SeumeUrbanWellmannFDPMaukNein CDU/CSUDr. BesoldFDPBusse Dr. DahlgrünFrau Dr. Diemer-Nicolaus DornDr. EmdeErtlDr. Friderichs Frau Funcke GeldnerFreiherr von Gemmingen GenscherGraaffDr. HaasFrau Dr. Heuser Dr. ImleJungKubitzaLogemannDr. MendeDr. Miessner MischnickMoerschDr. MühlhanPeters
PorschRammsReichmann SaamSanderScheelSchmidt
Schultz SpitzmüllerDr. Staratzke WächterWalterBerliner Abgeordnete BormEnthalten FDPDr. Bucher
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12066 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Vizepräsident Dr. MommerWir kommen dann zur Abstimmung über Nr. 3. Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist zurückgezogen. Wir stimmen über Nr. 3 durch Auszählung ab.Meine Damen und Herren, um weitere Irrtümer zu vermeiden, wiederhole ich, daß unsere Berliner Kollegen leider nicht voll stimmberechtigt sind. Sie können ihre Stimme getrennt abgeben und dies den Schriftführern getrennt mitteilen.Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. An der Abstimmung haben 387 Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja haben 348 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 39 Abgeordnete; kein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten. Ich wiederhole: das Quorum ist 331. Damit ist diese Nummer angenommen.Wir stimmen dann über Nr. 4 und 5 gemeinsam ab. Besteht im Hause darüber Einmütigkeit, daß wir über Nr. 4 und Nr. 5 gemeinsam abstimmen können? — Das ist der Fall.Darf ich einen Vorschlag für das Verhalten unserer Berliner Kollegen bei der Abstimmung machen: Ich bitte sie, zunächst im Saale zu bleiben und, ehe wir mit der Abstimmung durch Wiederhereinkommen und Auszählen beginnen, im Herausgehen abzustimmen, um jeden Irrtum zu vermeiden.
Zur Abstimmung Herr Professor Schmid!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wäre es nicht einfacher, daß die Berliner Abgeordneten genauso wie die Schriftführer nachher beim Büro abstimmen?
Das Haus ist damit einverstanden; dann werden wir so verfahren.
Wir stimmen über die Nrn. 4 und 5 durch Auszählen ab.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über die Nrn. 4 und 5 bekannt. An der Abstimmung haben 382 voll stimmberechtigte Abgeordnete und 6 Berliner Abgeordnete teilgenommen. Von den voll stimmberechtigten Abgeordneten haben 273 mit Ja gestimmt, 108 mit Nein; ein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten. 5 Berliner Abgeordnete haben mit Ja gestimmt, einer mit Nein.
Das Quorum für die Annahme beträgt 331 JaStimmen. Es wurden 273 Ja-Stimmen abgegeben; das Quorum wurde nicht erreicht. Die Nrn. 4 und 5 sind abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über die Nrn. 6, 7 und 8. Im Hause scheint Einvernehmen darüber zu bestehen, daß wir über diese Punkte gemeinsam abstimmen können. — Das ist der Fall. Wir stimmen durch Auszählen ab.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. An der Abstimmung haben 375 voll stimmberechtigte Abgeordnete und 5 Berliner Abgeordnete teilgenommen. Von den voll stimmberechtigten Abgeordneten haben 338 mit Ja und 37 mit Nein gestimmt. Keiner hat sich der Stimme enthalten. Ich rufe ins Gedächtnis: das Quorum ist 331. Wir haben 338 Stimmen erreicht. Damit sind die Nrn. 6, 7 und 8 angenommen.
Die Berliner Abgeordneten haben wir folgt abgestimmt: 5 mit Ja, keiner mit Nein, keine Enthaltung.
Meine Damen und Herren, wir kommen dann zur Abstimmung über Art. II: „Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1970 in Kraft." Wir müssen hier wieder auszählen. Ich verbinde damit die Abstimmung über Einleitung und Überschrift. — Zur Abstimmung Herr Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei beantrage ich namentliche Abstimmung über Art. II sowie Einleitung und Überschrift.
Der Antrag wird unterstützt. — Herr Wilhelmi hat das Wort zur Geschäftsordnung.
Ich bin der Auffassung, daß eine besondere Abstimmung über Art. II nicht notwendig ist, sondern daß er unter Nr. 8 fällt, über die wir abgestimmt haben.
Gibt es dazu andere Meinungen? — Ich glaube, die Meinung unseres Kollegen Wilhelmi wird nicht geteilt.
— Dann verfahren wir wie beantragt. Es wird über Art. II sowie Einleitung und Überschrift namentlich abgestimmt.Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis der Abstimmung bekannt. Es haben daran 390 voll stimmberechtigte Abgeordnete und 16 Berliner Abgeordnete teilgenommen. Von den ersteren haben 353 Abgeordnete mit Ja und 36 mit Nein gestimmt. Einer hat sich der Stimme enthalten.Von den Berliner Abgeordneten haben 15 mit Ja und einer mit Nein gestimmt. Das Quorum ist 331. Damit ist Artikel II — Einleitung und Überschrift — angenommen.Endgültiges Ergebnis:Abgegebene Stimmen: 389 und 16 Berliner Abgeordnete. Ja: 352 und 15 Berliner Abgeordnete.Nein: 36 und 1 Berliner Abgeordneter.Enthalten: 1.BauknechtPrinz von BayernBeckerBerberich Berendsen Bewerunge BiecheleBlankBlöckerFrau Blohm BrandJa CDU/CSUAdornoDr. AignerDr. Althammer Dr. ArnoldDr. Artzinger BaierBalkenhol
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12067
BremerBreseBühlerDr. Burgbacher BurgemeisterBurgerDr. ConringDr. Czaja Dammvan Delden Deringer Dichgans Diebäcker Dr. Dittrich Draeger von EckardtEhnesDr. ElbrächterEnkFrau EnselingErhard ErnestiErpenbeck ExnerFalkeFranke
Dr. Franz Dr. FreiwaldDr. FreyFritz
Dr. FurlerFrau Geisendörfer GeisenhoferD. Dr. Gerstenmaier GewandtGierensteinDr. GleissnerGlüsing Dr. GötzGotteslebenFrau GriesingerDr. h. c. GüdeFreiherr vonund zu Guttenberg Haase
Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. HammansHanz
Hauser Dr. Hauser (Sasbach)Dr. Heck Dr. HelligeDr. HesbergHöcherlHörnemann HöslDr. Hofmann Frau Holzmeister HorstmeierDr. HuysFrau Jacobi
Dr. JungmannFrau KalinkeKatzerDr. KempflerFrau Klee KleinDr. Kliesing KlinkerKnobloch Köppler Dr. Kopf Krampe Krammig Dr. Kraske KrugFrau Dr. KuchtnerKühn Kuntscher LampersbachLeichtDr. Lenz
Lenz
LeukertDr. LindenbergDr. Löhr Dr. Luda Lücke
Majonica Dr. MartinDr. Marx MaucherMeisMeister Memmel Dr. von MerkatzMickMüller Müller (Remscheid)Dr. Müller-HermannMüserNiederaltDr. von NordenskjöldOrgaßOttPetersen PicardFrau Pitz-SavelsbergPortenDr. PrasslerDr. Preiß Prochazka RainerRasnerRaweDr. ReinhardRiedel
Dr. Ritgen Dr. Ritz RockRöhnerRösingRommerskirchenRusse
Prinz zu Sayn-WittgensteinHohensteinSchlager SchleeDr. Schmid-Burgk SchmidhuberDr. Schmidt SchmückerSchröder SchulhoffDr. Schulze-VorbergFrau Dr. SchwarzhauptDr. SchwörerDr. Serres Dr. Siemer SpringorumStahlbergDr. Stark
StillerFrau StommelStooßStormStraußStruveStücklen TerieteTobabenDr. Dr. h. c. Toussaint UnertlVogtWagner WeiglWeiland WendelbornFrau Dr. WexWieningerDr. WilhelmiDr. WörnerBaron von Wrangel Dr. Wuermeling WullenhauptZieglerZinkBerliner AbgeordneteBendaFrau Dr. Maxsein Müller Frau PieserSPDAdamsAhrens (Gast) Dr. ApelDr. Arndt
AugeBading Bäuerle BalsBaltes Barche Dr. BardensDr. BayerlBazille BehrendtBergmannBerkhanBerlin Beuster BiermannBlume Böhm Börner Brück
Brünen BuchstallerBüttner BuschfortCollet CorterierCramer DiekmannDröscherEckerlandFrau EilersFrau Dr. ElsnerDr. EndersEschmannEsters Faller Felder FellermaierFeuring Flämig Folger Franke
Frehsee Frau FreyhFritsch
Fritz
Geiger Gerlach Gertzen GlombigHaar
Haase HaehserHauck Hauffe HerbertsFrau HerklotzHermsdorfHerold HirschHöhmann HöhneHölzleHöraufHörmann Hofmann (Kronach) HufnagelIvenJacobi
Jahn
Jaschke Junker Kaffka KernKillatFrau KleinertDr. KochKönen
Koenen KohlbergerFrau KorspeterDr. KreutzmannKulawig KurlbaumFrau Kurlbaum-Beyer LangeLangebeckLautenschlagerLeberLempLemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. LohmarLotzeMaibaum MarquardtMarx
MatthesFrau MeermannDr. MeineckeMetzger MichelsDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Dr. MommerMüller
Müller Müller (Worms)Dr. Müller-EmmertDr. Nann Neumann
PaulPeiterPorzner Raffert Dr. Rau Ravens Regling RehsDr. ReischlReitzFrau RengerRichterRiegel
Dr. RinderspacherRohde RoßSänger SaxowskiFrau SchanzenbachFrau SchimschokDr. Schmid Schmidt (Braunschweig) Dr. Schmidt (Gellersen)Dr. Schmidt Schmidt (Würgendorf) Schmitt-Vockenhausen SchoettleSchonhofenSchulte Schwabe Seidel Seifriz
Metadaten/Kopzeile:
12068 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Vizepräsident Dr. MommerSeither Frau SeppiSpillecke Stephan Frau StrobelStrohmayrTallertDr. TambléTönjes VitWehner Welslau Wendt WestphalWiefel Wienand Wilhelm WolfWuwerZebischBerliner AbgeordneteBartsch Bühling Frau KrappeLiehrFrau LöscheMattickNeumann
Dr. SchellenbergDr. SeumeUrbanWellmannNein FDPDr. BucherBusse
Dr. DahlgrünFrau Dr. Diemer-NicolausDornDr. Emde ErtlDr. FriderichsFrau FunckeGeldnerFreiherr von Gemmingen GenscherGraaffDr. Haas Dr. Imle JungKubitza LogemannMaukDr. MendeDr. MiessnerMischnick MoerschDr. MühlhanPeters
PorschRamms ReichmannSaamSanderSchmidt
Schultz SpitzmüllerDr. StaratzkeWächter WalterBerliner Abgeordnete BormEnthaltenCDU/CSU Dr. BesoldNunmehr müssen wir über die Gesamtvorlage abstimmen, soweit sie nach den Einzelabstimmungen noch existiert. In der Einzelabstimmung wurden die Nrn. 4 und 5 abgelehnt. In der Schlußabstimmung bleibt also abzustimmen über die Nrn. 1 bis einschließlich 3, 6 bis einschließlich 8, Artikel II — Einleitung und Überschrift. Das ist alles, was noch übrig ist. Was nicht die Zweidrittelmehrheit erreicht hat, steht nicht mehr zur Abstimmung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Reischl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, daß die Nrn. 4 und 5 des Vorschlags des Vermittlungsausschusses gestrichen worden sind. Das bedeutet, daß insoweit an die Stelle dieser beiden Nummern die entsprechenden Nummern der Bundestagsvorlage treten, also Artikel 106 in der Fassung des Bundestages. Das ist die Nr. 4. Die Nr. 5 lautet: Artikel 107 wird gestrichen. So war es nämlich früher, und so tritt es in Kraft. Über dieses Gesamtgesetz, teils Vermittlungsausschuß, teils Bundestagsvorlage, muß jetzt im ganzen abgestimmt werden.
Darüber scheinen sich die Rechtsgelehrten nicht ganz einig zu sein.
Herr Kollege Wilhelmi, Sie haben das Wort.
Das Ergebnis, das Herr Reischl vorgetragen hat, ist richtig. Im Ergebnis scheiden, wenn wir jetzt die Schlußabstimmung durchführen, wie es der Herr amtierende Präsident vorgeschlagen hat, die Nrn. 4 und 5 des Vorschlags des Vermittlungsausschusses aus, weil sie abgelehnt sind. Ohne jede weitere Abstimmung tritt meines Erachtens aber die alte Sache wieder auf. Herr Reischl nickt mir freundlich zu und ist einverstanden. Die Juristen sind sich also mal einig; das möchte ich hier festhalten.
Herr Frehsee!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage namentliche Schlußabstimmung.
Meine Damen und Herren! Wir schreiten also zur namentlichen Schlußabstimmung; im Sinne der Juristen, die sich einig sind.Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis der Schlußabstimmung über Anlage 1 bekannt. Es haben sich 394 voll stimmberechtigte Abgeordnete und 14 Berliner Abgeordnete beteiligt. Alle 14 Berliner Abgeordneten haben mit Ja gestimmt. Von den voll stimmberechtigten Abgeordneten haben 354 mit Ja und 38 mit Nein gestimmt. Zwei haben sich der Stimme enthalten. Damit ist die Anlage 1 in der Schlußabstimmung angenommen.Endgültiges Ergebnis:Abgegebene Stimmen: 393 und 14 Berliner Abgeordnete. Ja: 353 und 14 Berliner Abgeordnete.Nein: 38.Enthalten: 2.Ja CDU/CSUAdornoDr. AignerDr. Althammer Dr. ArnoldDr. Artzinger BaierBalkenhol BauknechtPrinz von Bayern BeckerBerberich Berendsen Bewerunge BiecheleBlankBlöckerFrau Blohm BrandBremerBreseBühlerDr. Burgbacher BurgemeisterBurgerDr. ConringDr. CzajaDammvan DeldenDeringerDichgansDiebäckerDr. DittrichDraegervon Eckardt EhnesDr. Elbrächter EnkFrau EnselingErhard ErnestiErpenbeckExnerFalkeFranke
Dr. FranzDr. Freiwald Dr. FreyFritz Dr. FurlerFrau Geisendörfer
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12069
GeisenhoferGewandt GierensteinDr. GleissnerGlüsing Dr. GötzGotteslebenFrau GriesingerDr. h. c. GüdeFreiherr vonund zu Guttenberg Haase
Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. HammansHanz
Hauser Dr. Hauser (Sasbach)Dr. Heck Dr. Hellige Dr. HesbergHöcherlHörnemann HöslDr. Hofmann Frau Holzmeister HorstmeierDr. HuysFrau Jacobi
Dr. JungmannFrau KalinkeKatzerDr. KempflerFrau Klee KleinDr. Kliesing KlinkerKnobloch Köppler Dr. Kopf Krampe Dr. Kraske KrugFrau Dr. KuchtnerKühn Kuntscher LampersbachLeichtLemmrichDr. Lenz Lenz (Brühl)LeukertDr. Lindenberg.Dr. Löhr Dr. LudaLücke MajonicaDr. MartinDr. Marx MaucherMeisMeister Memmel Dr. von MerkatzMickMüller Müller (Remscheid)Dr. Müller-Hermann MüserNiederaltDr. von Nordenskjöld OrgaßOttPetersen PicardFrau Pitz-Savelsberg PortenDr. PrasslerDr. Preiß Prochazka RainerRasner Rawe Dr. ReinhardRiedel
Dr. RitgenDr. Ritz RockRöhner Rösing RommerskirchenRusse
Prinz zu Sayn-WittgensteinHohensteinSchlagerSchleeDr. Schmid-Burgk SchmidhuberDr. Schmidt SchmückerSchröder SchulhoffDr. Schulze-Vorberg.Frau Dr. SchwarzhauptDr. SchwörerDr. SerresDr. SiemerSpringorumStahlbergDr. Stark
StillerFrau StommelStooß Storm Strauß Struve StücklenTeriete TobabenDr. Dr. h. c. Toussaint UnertlVogtWagnerWeigl WeilandWendelbornFrau Dr. WexWieningerDr. WilhelmiDr. WörnerBaron von WrangelDr. Wuermeling WullenhauptZiegler ZinkBerliner AbgeordneteBendaMüller Frau PieserSPDAdamsAhrens (Gast) Dr. ApelDr. Arndt
Auge Bading Bäuerle BalsBaltes Barche Dr. BardensDr. BayerlBazille BehrendtBergmannBerkhanBerlin Beuster BiermannBlume Böhm Börner Brück
Brünen BuchstallerBüttner BuschfortCollet CorterierCramer DiekmannDröscherEckerlandFrau EilersFrau Dr. ElsnerDr. EndersEschmannEsters Faller Felder FellermaierFlämig Folger Franke
Frehsee Frau FreyhFritsch
Fritz
Geiger Gerlach Gertzen GlombigHaar
Haase HaehserHauck Hauffe HerbertsFrau HerklotzHermsdorfHerold HirschHöhmann HöhneHölzle HöraufHörmann Hofmann (Kronach) HufnagelIvenJacobi
Jahn
Jaschke Junker Kaffka KernFrau KleinertDr. KochKönen Koenen (Lippstadt) KohlbergerFrau KorspeterDr. KreutzmannKulawigKurlbaumFrau Kurlbaum-Beyer LangeLangebeckLautenschlagerLeber Lemp Lemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. LohmarLotze MaibaumMarquardtMarx
MatthesMatthöferFrau MeermannDr. MeineckeMetzger MichelsDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Dr. MommerMüller
Müller Müller (Worms)Dr. Müller-EmmertDr. MüthlingDr. NannNellenNeumann
PaulPeiter Porzner Raffert Dr. Rau Ravens Regling RehsDr. ReischlReitzFrau RengerRichterRiegel
Dr. RinderspacherRohde RoßSänger SaxowskiFrau SchanzenbachFrau SchimschokDr. Schmid Schmidt (Braunschweig)Dr. Schmidt
Dr. Schmidt Schmidt (Würgendorf) Schmitt-Vockenhausen SchoettleSchonhofenSchulte SchwabeSeidel Seifriz Seither Frau SeppiSpilleckeStephan Frau StrobelStrohmayrTallertDr. TambléTönjes VitWehner Welslau Wendt WestphalWiefel WienandWilhelmWischnewskiWolfWuwerZebischBerliner AbgeordneteBartschBühlingFrau Krappe LiehrFrau Lösche MattickNeumann
Dr. SchellenbergDr. Seume UrbanWellmann12070 Deutscher Bundestag — S. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969Vizepräsident Dr. MommerNein CDU/CSUD. Dr. Gerstenmaier KrammigFDPDr. Bucher Busse
Dr. DahlgrünFrau Dr. Diemer-Nicolaus DornDr. Emde ErtlDr. FriderichsFrau Funcke GeldnerFreiherr von Gemmingen GenscherGraaffDr. HaasDr. ImleJungKubitzaLogemann MaukDr. MendeDr. Miessner MischnickMoerschDr. MühlhanPeters
ForschRammsReichmannSaamSanderSchmidt
Schultz SpitzmüllerDr: Staratzke WächterWalterEnthaltenCDU/CSU Dr. BesoldSPD FeuringWir kommen dann zur Abstimmung über die Anlage 2, das Haushaltsreformgesetz. — Das Wort wird nicht verlangt. Dann stimmen wir über die Vorlage ab; wir stimmen über sie im ganzen ab. Wir müssen wieder auszählen.Zur Abstimmung hat das Wort der Abgeordnete Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
Es ist namentliche Abstimmung verlangt, und ich unterstelle: genügend unterstützt.
Wir kommen dann zur namentlichen Abstimmung.Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis der Abstimmung über Anlage 2 insgesamt bekannt. An der Abstimmung haben 391 voll stimmberechtigte und 17 Berliner Abgeordnete teilgenommen. Alle Abstimmenden haben mit Ja gestimmt. Damit ist auch hier das Quorum erreicht, die Anlage 2 ist angenommen.Endgültiges Ergebnis:Abgegebene Stimmen: 391 und 17 Berliner Abgeordnete. Ja: 391 und 17 Berliner Abgeordnete.Nein: —.Enthalten: —.Ja CDU/CSUAdornoDr. AignerDr. Althammer Dr. ArnoldDr. Artzinger BaierBalkenholBauknechtPrinz von Bayern BeckerBerberich Berendsen Dr. Besold Bewerunge BiecheleBlankBlöckerFrau Blohm BrandBremerBreseBühlerDr. Burgbacher Burgemeister BurgerDr. Conring Dr. CzajaDammvan DeldenDeringerDichgansDiebäckerDr. DittrichDraegervon Eckardt EhnesDr. Elbrächter EnkFrau EnselingErhard ErnestiErpenbeckExnerFalkeFranke
Dr. FranzFranzenDr. Freiwald Dr. FreyFritz Dr. FurlerFrau Geisendörfer GeisenhoferD. Dr. Gerstenmaier GewandtGierenstein Dr. GleissnerGlüsing Dr. GötzGottesleben Frau Griesinger Dr. h. c. Güde Freiherr vonund zu Guttenberg Haase
Dr. HäfeleHärzschelHäusslerDr. Hammans Hanz
Hauser Dr. Hauser (Sasbach)Dr. HeckDr. HelligeDr. Hesberg HöcherlHörnemann HöslDr. Hofmann Frau HolzmeisterDr. HuysFrau Jacobi
Frau Kalinke KatzerDr. Kempfler KiepFrau KleeKleinDr. Kliesing KlinkerKnoblochKöpplerDr. KopfKrammigKrampeDr. KraskeKrugFrau Dr. KuchtnerKühn KuntscherLampersbachLeicht LemmrichDr. Lenz
Lenz
LeukertDr. LindenbergDr. LöhrDr. LudaLücke
MajonicaDr. MartinDr. Marx MaucherMeisMeister MemmelDr. von MerkatzMickMüller Müller (Remscheid)Dr. Müller-HermannMüser NiederaltDr. von NordenskjöldOrgaß OttPetersenPicardFrau Pitz-SavelsbergPortenDr. PrasslerDr. PreißProchazkaRainer Rasner Rawe Dr. ReinhardRiedel
Dr. RitgenDr. Ritz RockRöhner Rösing RommerskirchenRusse
Prinz zu Sayn-WittgensteinHohensteinSchlagerSchlee SchmidhuberDr. Schmidt SchmückerSchröder SchulhoffDr. Schulze-VorbergFrau Dr. SchwarzhauptDr. SchwörerDr. SerresDr. SiemerSpringorumStahlbergDr. Stark
StillerFrau StommelStooß Storm Strauß Struve StücklenTeriete TobabenDr. Dr. h. c. Toussaint UnertlVogtWagnerWeigl WeilandWendelbornFrau Dr. WexWieningerDr. WilhelmiDr. Wörner
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12071
Vizepräsident Dr. Mommer Baron von WrangelDr. Wuermeling WullenhauptZieglerZinkBerliner Abgeordnete BendaMüller
Frau PieserSPDAdamsAhrens (Gast) Dr. ApelDr. Arndt
AugeBading Bäuerle BalsBaltes Barche Dr. BardensDr. BayerlBazille BehrendtBergmannBerkhan Berlin Beuster BiermannBlume Böhm Börner Brück
Brünen BuchstallerBüttner BuschfortCollet CorterierCramer DiekmannDröscherEckerlandFrau EilersFrau Dr. ElsnerDr. EndersEschmannEsters Faller Felder FellermaierFeuring Flämig Folger Franke
Frehsee Frau FreyhFritsch
Fritz
Geiger Gerlach GlombigHaar
Haase HaehserHauck Hauffe HerbertsFrau HerklotzHermsdorfHerold HirschHöhmann HöhneHölzle HöraufHörmann Hofmann (Kronach) HufnagelIvenJacobi
Jahn
Jaschke Junker Kaffka KernKillatFrau KleinertDr. KochKönen
Koenen KohlbergerFrau KorspeterDr. KreutzmannKulawig KurlbaumFrau Kurlbaum-Beyer LangeLangebeckLautenschlagerLeberLempLemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. LohmarLotzeMaibaum MarquardtMarx
Matthes MatthöferFrau MeermannDr. MeineckeMetzger MichelsDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Dr. MommerMüller
Müller Müller (Worms)Dr. Müller-EmmertDr. MüthlingDr. Nann NellenNeumann
PaulPeiterPorzner Raffert Dr. Rau Ravens Regling RehsDr. ReischlReitzFrau RengerRichterRiegel
Dr. RinderspacherRohdeRoßSanger SaxowskiFrau SchanzenbachFrau SchimschokDr. Schmid Schmidt (Braunschweig)Dr. Schmidt
Dr. Schmidt Schmidt (Würgendorf) Schmitt-Vockenhausen SchoettleSchonhofenSchulte Schwabe SeidelSeifriz Seither Frau SeppiSpillecke StephanFrau Strobel StrohmayrTallertDr. TambléTönjes VitWehner Welslau Wendt Westphal Wiefel Wienand Wilhelm WischnewskiWolfWuwerZebischBerliner Abgeordnete Dr. Arndt BartschBühlingFrau KrappeLiehrFrau LöscheMattickNeumann Dr. Schellenberg Dr. Schulz (Berlin) Dr. SeumeUrbanWellmannFDPDr. BucherBusse Dr. DahlgrünFrau Dr. Diemer-Nicolaus DornDr. EmdeErtlDr. Friderichs Frau Funcke GeldnerFreiherr von Gemmingen GenscherGraaffDr. HaasDr. ImleJungKubitzaLogemannMaukDr. Miessner MischnickMoerschDr. Mühlhan Peters
PorschRammsReichmannSaamSanderSchmidt
Schultz SpitzmüllerDr. Staratzke WächterWalterBerliner Abgeordnete BormWir stimmen dann über die Anlage 3 in ihrem gesamten Wortlaut ab. — Das Wort zur Abstimmung hat Herr Frehsee.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich beantrage auch zu Anlage 3 namentliche Abstimmung.
Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist ausreichend unterstützt. Wir kommen zur namentlichen Abstimmung über Anlage 3.Meine Damen und Herren das vorläufige Ergebnis der Abstimmung über Anlage 3 liegt vor. Teilgenommen haben 391 voll stimmberechtigte Abgeordnete und 16 Berliner Abgeordnete. Von den Berliner Abgeordneten haben 15 mit Ja, einer mit Nein gestimmt. Von den voll stimmberechtigten Abgeordneten haben 323 mit Ja, 68 mit Nein gestimmt. Ich erinnere an das Quorum von 331. Die Zahl ist nicht erreicht; die Anlage 3 ist abgelehnt.Endgültiges Ergebnis:Abgegebene Stimmen: 389 und 16 Berliner Abgeordnete. Ja: 321 und 15 Berliner Abgeordnete.Nein: 68 und 1 Berliner Abgeordneter.Enthalten : —.Ja CDU/CSUAdornoDr. ArnoldDr. Artzinger BaierBalkenholBauknechtBecker BerberichBerendsenBewerungeBiecheleBlank BlöckerFrau BlohmBrand Bremer
Metadaten/Kopzeile:
12072 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
BreseBühlerDr. Burgbacher BurgemeisterBurgerDr. ConringDr. Czaja Dammvan DeldenDeringer Dichgans Diebäcker Draeger von EckardtDr. ElbrächterEnkFrau EnselingErhard ErnestiErpenbeckExnerFalkeFranke FranzenDr. FreiwaldDr. FreyFritz
Dr. FurlerFrau GeisendörferD. Dr. Gerstenmaier GewandtGlüsing Dr. GötzGotteslebenFrau GriesingerDr. h. c. GüdeHaase
Dr. HäfeleHärzschel Häussler Dr. HammansHanz
Hauser Dr. Hauser (Sasbach)Dr. HelligeDr. HesbergHöcherlHörnemann
Dr. Hofmann Frau HolzmeisterDr. HuysFrau Jacobi
Dr. JungmannFrau KalinkeKatzerKiepFrau Klee KleinDr. Kliesing KlinkerKnobloch Köppler Dr. Kopf Krammig Krampe Dr. KraskeKühn KuntscherLampersbachLeichtDr. Lenz Lenz (Brühl)Dr. LindenbergDr. Löhr Dr. LudaLücke MajonicaDr. MartinDr. Marx MaucherMeisMeisterDr. von MerkatzMickMüller Müller (Remscheid)Dr. Müller-HermannMüserDr. von NordenskjöldOrgaßPetersen PicardFrau Pitz-SavelsbergPortenDr. PrasslerDr. Preiß Rasner RaweDr. ReinhardRiedel
Dr. RitgenDr. Ritz RockRösing RommerskirchenRusse
Prinz zu Sayn-WittgensteinHohensteinSchleeDr. Schmid-BurgkDr. Schmidt SchmückerSchröder SchulhoffDr. Schulze-VorbergFrau Dr. SchwarzhauptDr. SerresDr. SiemerSpringorumStahlbergDr. Stark
Frau StommelStooßStorm Struve Teriete TobabenDr. Dr. h. c. Toussaint WeiglWeilandWendelbornFrau Dr. WexDr. WilhelmiDr. WörnerBaron von WrangelDr. Wuermeling WullenhauptZinkBerliner AbgeordneteMüller Frau PieserSPDAdamsAhrens (Gast) Dr. ApelDr. Arndt
AugeBading Bäuerle BalsBaltes Barche Dr. BardensDr. BayerlBazille BehrendtBergmannBerkhanBeuster BiermannBlumeBöhmBörnerBrück
BrünenBuchstaller Büttner Buschfort ColletCorterier Cramer Diekmann Dröscher Eckerland Frau EilersFrau Dr. ElsnerDr. Enders EstersFallerFelderFellermaierFeuring FlämigFolgerFranke FrehseeFrau FreyhFritsch
Fritz
GeigerGerlach Gertzen Glombig Haar
Haase HaehserHauckHauffeHerbertsFrau HerklotzHermsdorfHeroldHirschHöhmann HöhneHölzleHöraufHörmann Hofmann (Kronach) HufnagelIvenJacobi
Jahn
Jaschke JunkerKaffkaKernKillatFrau KleinertDr. KochKönen Koenen (Lippstadt) KohlbergerFrau KorspeterDr. KreutzmannKulawig KurlbaumFrau Kurlbaum-Beyer LangeLangebeckLautenschlagerLeberLempLemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. LohmarLotzeMaibaum MarquardtMarx
MatthesMatthöferFrau MeermannDr. MeineckeMetzger MichelsDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Dr. MommerMüller
Müller Müller (Worms)Dr. Müller-EmmertDr. MüthlingDr. Nann NellenNeumann
PaulPeiterPorzner Raffert Dr. Rau Ravens Regling RehsDr. ReischlReitzFrau RengerRichterRiegel
Dr. RinderspacherRohde RoßSänger SaxowskiFrau SchanzenbachFrau SchimschokDr. Schmid
Dr. Schmidt Dr. Schmidt (Offenbach) Schmidt (Würgendorf) Schmitt-Vockenhausen SchoettleSchonhofenSchulte SchwabeSeidel Seifriz Seither Frau SeppiSpilleckeStephanFrau StrobelStrohmayrTallertDr. TambléTönjes VitWehner Welslau Wendt WestphalWiefel WienandWilhelmWischnewskiWolfWuwerZebischBerliner AbgeordneteDr. Arndt Frau Berger-Heise BühlingFrau KrappeLiehrFrau LöscheMattickNeumann Dr. Schellenberg Dr. Schulz (Berlin) Dr. SeumeUrbanWellmann
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12073
Vizepräsident Dr. MommerNein CDU/CSUDr. AignerDr. Althammer Prinz von BayernDr. BesoldDr. Dittrich EhnesDr. FranzGeisenhofer Gierenstein Dr. Gleissner Freiherr vonund zu GuttenbergHöslDr. Kempfler KrugFrau Dr. KuchtnerLemmrichLeukertMemmelNiederaltOttProchazkaRainerRöhnerSchlagerSchmidhuber Dr. Schwörer StillerStraußStücklenUnertlVogtWagnerWieningerZieglerFDPDr. BucherBusse
Dr. DahlgrünFrau Dr. Diemer-Nicolaus DornDr. Emde ErtlDr. FriderichsFrau FunckeGeldnerFreiherr von Gemmingen GenscherGraaffDr. Haas Dr. Imle JungKubitza Logemann MaukMischnick MoerschDr. MühlhanPeters
PorschRamms ReichmannSaamSanderSchmidt
Schultz SpitzmüllerDr. StaratzkeWächter WalterBerliner Abgeordnete BormMeine Damen und Herren, ich rufe den Punkt IV der Tagesordnung auf:Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes— Drucksache V/3897 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. BucherZur Tagesordnung hat Herr Schmitt-Vockenhausen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, diesen Punkt heute von der Tagesordnung abzusetzen. In Kürze wird im Bundesrat das Entwicklungshelfergesetz behandelt, das einen entsprechenden Problemkreis betrifft, nämlich das Wahlrecht. Der Vermittlungsausschuß kann dann beide Gesetze gleichzeitig beraten.
Besteht Einverständnis über diese Absetzung? — Das ist der Fall.
Meine Damen und Herren, ehe ich dann noch einen kleinen Punkt aufrufe, den wir schnell erledigt haben, drängt sich doch eine Bemerkung auf. Unsere Erfahrung heute morgen mit unserer Auszählungsweise legt den Schluß nahe, daß wir nicht alle elektrischen Abstimmungsanlagen exportieren, sondern auch einmal bei uns eine einbauen sollten.
Wir kehren dann zur Haushaltsberatung zurück.
Ich rufe auf:
Einzelplan 07
Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz
— Drucksache V/3927 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Tamblé
Ich frage, ob das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht wird. — Das Wort wird nicht gewünscht. Änderungsanträge zu diesem Haushalt liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 07 auf Drucksache V/3927. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen.
— Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Einzelplan 07 ist bei Stimmenthaltung der Freien Demokraten angenommen.
Meine Damen und Herren, bevor wir in die Mittagspause eintreten, darf ich noch bekanntgeben, wie es weitergeht. Um 15 Uhr wollen wir wieder mit den Beratungen beginnen. Wir beraten dann wie vorgesehen die Einzelpläne 08 — Finanzen — und 09 — Wirtschaft —, dann wie vorgesehen Einzelplan 10 usw., so weit wie wir kommen. Auf morgen, Freitag, 10 Uhr, setzen wir die Beratungen der Einzelpläne 06
— Inneres — und 31 — wissenschaftliche Forschung —. Wir werden in der nächsten Woche am Mittwoch, morgens um 10 Uhr, den Einzelplan 02
— Bundestag — und nachmittags um 15 Uhr den Verkehrshaushalt, Einzelplan 12, beraten.
— Alles andere wird irgendwo dazwischen eingebaut.
Die Sitzung ist unterbrochen. Fortsetzung um 15 Uhr.
Die Sitzung ist wieder eröffnet.Wir fahren in der Beratung des Tagesordnungspunktes II fort, und zwar rufe ich jetzt auf:Einzelplan 08Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen— Drucksache V/3928 —Berichterstatter: Abgeordneter Hörmann
dazuErste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Gemeindefinanzen
— Drucksache V/3876 — dazuErste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än-
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12074 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Vizepräsident Schoettlederung des Länderfinanzausgleichsgesetzes 1965— Drucksache V/3967 — dazuErste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Spar-Prämiengesetzes und des Wohnungsbau-Prämiengesetzes— Drucksache V/3401 —In der gedruckten Tagesordnung sind anschließend zwei Entwürfe betreffend Vermögensbildung aufgeführt. Die Beratung dieser Vorlagen soll zusammen mit Einzelplan 11 erfolgen.In Verbindung mit Einzelplan 08 rufe ich weiter auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Investitionszulagen und zur Änderung steuerrechtlicher und prämienrechtlicher Vorschriften
— Drucksache V/3890 —Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung— Drucksache V/3986 —Ich frage den Berichterstatter zu Einzelplan 08 ob er das Wort wünscht. — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die Beratung. — Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn dieses Hohe Haus es gestattet, dann werde ich kurz über meinen Aufgabenbereich im Zusammenhang mit den angesichts der konjunkturellen Entwicklung beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung berichten und auch in kurzem das Zweite Steueränderungsgesetz 1968 begründen.Die Bundesregierung hat vorgestern auf Grund eines gemeinsamen Vorschlages des Bundesministers der Finanzen und des Bundesministers für Wirtschaft ein Programm für weitere Maßnahmen zur Sicherung der Preisstabilität beschlossen, in dessen Mittelpunkt haushaltswirtschaftliche Maßnahmen stehen. Gestatten Sie mir einige wenige Ausführungen zu diesem in der Öffentlichkeit stark diskutierten Problem, dessen bisher bekanntgewordene, durch nichts mehr jetzt zu ergänzende Teile auch die beachtliche Aufmerksamkeit aller parlamentarischen Kräfte gefunden haben.Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit wiederholt ihre Absicht bekundet, die weitere konjunkturelle Entwicklung sorgfältig zu beobachten. Sie hat ausdrücklich ihren Willen und ihre Entschlossenheit bekundet, auch bei Gefahr einer konjunkturellen Überhitzung der Nachfrage rechtzeitig die ihn nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz zu Gebote stehenden Instrumente einzusetzen. Ich darf besonders auf die Erklärung zur Finanzplanung 1968/1972 vom September vergangenen Jahres und auf den Jahreswirtschaftsbericht 1969 hinweisen.Schneller, als manche erwartet haben, ist der Zeitpunkt gekommen, in dem das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz in umgekehrter Richtung als bei Überwindung der Rezession seine Bewährungsprobe bestehen muß. Der Konjunkturaufschwung des Jahres 1968 hat der Wirtschaft in der Bundesrepublik eine volle Ausnutzung ihrer Kapazitäten zurückgebracht. Eine hohe Beschäftigung und eine kräftige Aufholbewegung im wirtschaftlichen Wachstumsprozeß haben gottlob alle pessimistischen Prognosen widerlegt, die bis weit in das Jahr 1968 hineinreichten. Zu Beginn des Jahres 1969 steht unsere Wirtschaft bereits in einer Phase der Hochkonjunktur. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß im magischen Viereck der Ziele die Preisniveaustabilität gegenwärtig im Vordergrund zu stehen hat.Ich will hier nicht alle Konjunkturdaten vortragen, die die Bundesregierung bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat, — auch angesichts dessen, daß der an diesem Programm, an der Kabinettsvorlage beteiligte Bundesminister für Wirtschaft anschließend zu der wirtschaftspolitischen Beurteilung und zu den damit verbundenen Zahlen Stellung nehmen wird. Deshalb darf ich mich auf wenige Brennpunkte beschränken.Ich verweise auf den Anstieg — den anhaltenden Anstieg — der industriellen Produktion. Schon seit dem vergangenen Herbst ist das jeweilige Vorjahresniveau übertroffen worden. Im Januar 1969 lag die industrielle Produktion 16,5 v. H. über dem Stand vom Januar 1968. Die Kapazitätsauslastung stieg auf 87 v. H. an, eine Zahl, die sonst nur in den Hochkonjunkturjahren erreicht wurde.Stärker noch als die Produktion nahmen die Auftragseingänge im Januar 1969 zu. Sie waren um 23,8 v. H. größer als im entsprechenden Monat des Vorjahres. Selbst gegenüber Dezember 1968 ist der Auftragseingang im Januar 1969 noch um 0,3 v. H. gestiegen, während er im Durchschnitt der Jahre 1964 bis 1968 saisonüblicherweise jeweils vom Januar bis zum Dezember um 3,8 v. H. zurückgegangen ist. Die Auftragsentwicklung verlief aber unterschiedlich je nach Wirtschaftsbereich. So war sie in der Grundstoffindustrie im Januar 1969 um 5,8 v. H. in der Verbrauchsgüterindustrie um 8,8 v. H. größer als im Dezember 1968. Andererseits gingen die Aufträge in der Investitionsgüterindustrie im Januar 1969 gegenüber Dezember 1968 um 6,8 % zurück. Insgesamt hat die Auftragsentwicklung im Januar 1969 zu einem weiteren Anwachsen der Auftragsbestände in den meisten Wirtschaftsbereichen geführt.Auch der private Verbrauch entwickelte sich kräftig. Die Einzelhandelsumsätze lagen im Januar 1969 12 % höher als im Januar 1968. Bei anhaltender Preissteigerung im Ausland muß trotz einer Verminderung des Außenbeitrags durch das von uns beschlossene Absicherungsgesetz auch weiterhin mit einer lebhaften Entwicklung des Außenhandels gerechnet werden.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12075
Bundesminister Dr. h. c. StraußDer Arbeitsmarkt zeigt erhebliche Anspannungssymptome. Zwar stieg die Zahl der Arbeitslosen von Ende Januar bis Ende Februar 1969 witterungsbedingt nochmals leicht um 5500 auf 374 100 an. Gleichzeitig nahm aber die Zahl der offenen Stellen mit 74 500 wesentlich stärker zu und verzeichnete Ende Februar mit 624 700 einen neuen Rekord, der zu dieser Jahreszeit nicht einmal in dem Jahr der hochschäumenden Konjunktur 1965 erreicht worden war.Die Anspannung der Wirtschaft hat dazu geführt, daß sich das Preisklima verändert hat. Die Indices sind nach oben gerichtet. Man muß berücksichtigen, daß dabei auch administrativ bedingte Preiserhöhungen ihre Rolle spielen, z. B. die jetzt zu diesem Zeitpunkt sich natürlich nicht erfreulich auswirkenden Konsequenzen der Mietgesetzgebung.Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einige Veröffentlichungen der letzten Tage verweisen, durch die der Leser, der täglich seine Tageszeitung liest, natürlich in Gefahr ist, beunruhigt zu werden. In der „Welt" vom 13. März heißt es: „Handel erwartet Preisauftrieb spätestens zum Herbst und im Winter". In der „Süddeutschen Zeitung" vom 14. März heißt es: „Stahlpreise ziehen kräftig an. Flachprodukte am kräftigsten gestiegen." Ich möchte jetzt nicht auf die Einzelheiten eingehen, aber das allgemeine Bild — auch in Details wiedergegeben — bestätigt, daß die Indices nach oben weisen und daß die Bundesregierung gemäß ihrer gesetzlichen Pflicht zu handeln hat, nicht um durch tief einschneidende, kahlhiebartige Maßnahmen eine Art Vollbremsung herbeizuführen, sondern um durch eine rechtzeitige Anwendung zwar auch spürbarer, aber doch nicht allzu schmerzlicher Maßnahmen etwas Dampf aus dem Kessel zu nehmen, wobei es manchmal nur um einen kleinen Betrag geht, der schon nach der einen wie nach der anderen Seite hin sehr wirksam wird.Wir stehen unter dem Zwang des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes. Es verpflichtet Bund und Länder in seinem § 1, bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen das Erfordernis des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Bundesregierung stand also nicht vor der Frage, ob sie etwas tun soll, sondern zur Debatte stand nur, was sie tun soll und eventuell wann sie es tun soll.Mit dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft bin ich der Auffassung, daß in erster Linie die öffentlichen Haushalte einen Beitrag zur Konjunkturpolitik leisten müssen. Es wäre umgekehrt mühsam oder sinnlos, wenn die privatwirtschaftliche Seite es auf die öffentlichen Haushalte und die für die Gestaltung der öffentlichen Haushalte Verantwortlichen es auf die privatwirtschaftliche Seite schieben würden. Wenn die öffentliche Hand nicht mit einem guten Beispiel vorangeht, ist es vergeblich, ein Klima für eine zurückhaltende Verhaltensweise bei Kostengestaltung und Preisgestaltung erwarten zu wollen.Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf verweisen, daß jetzt der Zeitpunkt eingetreten ist, von dem wir früher manchmal gesprochen haben. Damals hatten wir Sorge um den Aufstieg der Konjunktur, wegen der Entwicklung des Arbeitsmarktes und wegen der Zunahme und Dauer der Arbeitslosigkeit. Damals haben wir sehr gern das Wort von der antizyklischen Wirtschafts- und Finanzpolitik verwendet, deren Erfordernis es sei, tiefer in die Saiten zu greifen, Konjunkturanreize zu geben, auch wenn dadurch die Staatsverschuldung erhöht wird. Und diesem Bekenntnis zur Wiederbelebung der Wirtschaft, womit allerdings natürlich Maßnahmen weniger schmerzhafter Art verbunden waren, wurde auch der Rütlischwur sozusagen routinemäßig angeheftet, daß man nach Gelingen des Werkes, nach Eintritt des Erfolges, auch selbstverständlich die Disziplin aufbringen werde, auch dann noch der antizyklischen Finanzpolitik treu zu bleiben, wenn etwa verführerische Beispiele aus der Vergangenheit wieder Sirenengesänge in Richtung eines prozyklischen Verhaltens sehr nahelegen würden. An dem Zeitpunkt sind wir jetzt angekommen, und die Diskussion darüber, gleichgültig in welchem Kreise — wir alle haben es da und dort erlebt —, auch die einlaufenden Anregungen, Empfehlungen, Mahnungen und schon Beschwerden und Proteste deuten darauf hin, daß man eine antizyklische Finanzpolitik im Zeichen der Hochkonjunktur doch als sehr unangenehm empfindet. Man kann aber nicht in der Rezession antizyklisch und in der Hochkonjunktur prozyklisch fahren, weil man nämlich dabei jeweils in einer Phase in der falschen Richtung Gas geben würde.
Als im Oktober vergangenen Jahres der Bundeshaushalt 1969 im Deutschen Bundestag eingebracht wurde, konnte die Bundesregierung unter den damaligen Gegebenheiten mit Recht darauf hinweisen, daß der kunjunkturgerechte Rahmen nicht überschritten würde. Diese Auffassung wurde seinerzeit auch von der Deutschen Bundesbank geteilt. Diese Aussage hat unter den veränderten Umständen in der Zwischenzeit einen Teil ihrer Gültigkeit verloren: Heute stehen wir vor der Tatsache, daß sich das Konjunkturklima in dem von mir erläuterten Sinne geändert hat, und heute wissen wir vor allem auch, daß der Haushalt 1968 aus konjunkturellen Gründen nicht in dem vorgesehenen Umfang vollzogen werden durfte und auch nicht vollzogen wurde. Damit wird nachträglich bestätigt, wie gerechtfertigt seinerzeit eine auch von mir geäußerte Auffassung über eine Politik maßvoll dosierter Konjunkturanregung war.
Ich darf darauf verweisen, daß der Sachverständigenrat Ende 1967 empfohlen hatte, die Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden im Jahre 1968 um 10% gegenüber 1967 zu erhöhen und die öffentlichen Investitionen, das heißt all das, was unter diesen Begriff fällt, bei allen drei Gebietskörperschaften um 30% im Jahre 1968 gegenüber 1967 zu steigern, wenn das vom Sachverständigenrat unter diesen und noch anderen Voraussetzungen für erreichbar erklärte Ziel erreicht werden sollte, nämlich ein reales Wachstum unserer Wirtschaft im Jahre 1968 von 6,4 %. Deshalb sollten nicht nur die öffentlichen Ausgaben um 10%, darunter die Investitionsausgaben um 30%, auf allen drei Ebenen erhöht werden, sondern es sollte auch zur Erreichung
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12076 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Bundesminister Dr. h. c. Straußdieses Ziels die Investitionsteuer um ein Jahr ausgesetzt werden, was uns in diesem Jahr in die wenig beneidenswerte Lage bringen würde, sie ein Jahr oder wenige Monate vor einem großen politischen Ereignis wieder einführen zu müssen, was sicherlich auf hellichte Begeisterung in diesem Hause stoßen würde. Hinzukommen sollten Maßnahmen wie z. B. Gewährung von steuerlichen Investitionsprämien, Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuertarife usw.Sie wissen, daß im Jahre 1968 ohne zusätzliche Maßnahmen ein etwas stärkeres reelles Wachstum als 6,4 %, nämlich 6,9 % — nominal fast 9 % —, erreicht worden ist. Ich möchte damit nicht auf die Gefährlichkeit oder Überflüssigkeit von Prognosen hinweisen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß man sich von Prognosen im Zusammenhang mit dem damit genannten Instrumentarium nicht geradezu in Besitz nehmen lassen darf.
Manche Dinge lassen sich nicht mit der Präzision kalkulieren, wie es wünschenswert wäre, z. B. auch die Entwicklung des außenwirtschaftlichen Beitrags. Ich bin sehr dafür — um ja nicht mißverstanden zu werden —, auch weiterhin einen breiten Fächer von Prognosenentwicklern zu beschäftigen, die Institute, den Sachverständigenrat, die Organe, die wir in unseren Ministerien haben. Aber man muß sich der Grenzen, innerhalb deren man sich auf Prognosen verlassen kann, auch bewußt sein.
um nicht von Prognosen geblendet oder besessen zu werden.Deshalb nur wenige Worte zum Haushaltsvollzug 1968. Die Bundesausgaben von 1968 lagen bei Minderausgaben von rund 2 Milliarden DM in einem konjunkturpolitisch wünschenswerten, wenn auch am Anfang noch sehr bekämpften Sinne nur 0,5% über dem Ist des Jahres 1967. Das Ist des Jahres 1968 liegt nur 0,5 % über dem Ist des Jahres 1967 und nicht 10 %. Gleichzeitig war das Nettofinanzierungsdefizit, die Schuldenmehraufnahme, mit 4,7 Milliarden DM nur noch etwa halb so hoch wie 1967. Wir haben für das Jahr 1968 vom Parlament die Erlaubnis erhalten, für Haushaltszwecke 7,1 Milliarden DM Nettokredit, also Mehrverschuldung, aufzunehmen, und wir haben davon in der Größenordnung von 4,7 Milliarden DM Gebrauch gemacht, also 2,4 Milliarden DM weniger, als das Parlament erlaubt hat.Dazu muß ich noch ein grundsätzliches Wort sagen.Außerdem ist noch, ohne daß es im Haushalt eingeplant war, aber weil es die Finanzierungslage ermöglicht hat, ein Betrag von 1 Milliarde DM Schuldbuchforderungen frühzeitig, d. h. vor Ablauf der Fälligkeit, von den Rentenversicherungsträgern zurückgekauft wurden. Auch das war einerseits eine kontraktive Maßnahme, die aber andererseits verhindert hat, daß die Rentenversicherungsträger gezwungen waren, in dieser Größenordnung Rentenpapiere auf den Markt zu werfen und damit den höchst empfindlichen Rentenmarkt noch ihrerseits mit diesen Beträgen zu belasten, was um so schwieriger geworden wäre, als die Bundesbank ihre oberste Aufgabe mit Recht nicht darin sieht, in dieser Hinsicht eine Kurspflege zu betreiben und damit den normalen Ablauf des marktwirtschaftlichen Vollzugs auf dem Kapitalmarkt durch Interventionen etwas zu steuern. Wir wären also im letzten Jahre statt mit 4,7 Milliarden DM auch mit 3,7 Milliarden DM Nettokreditaufnahme ausgekommen, also mit 3,4 Miliarden DM weniger, als das Parlament erlaubt hatte.Wie ich vorhin andeutete, bin Ich mir der Gefahr bewußt, daß ich eventuell mißverstanden werden kann. Aber die unvermeidbare, aus der Natur der Sache heraus kommende Schwerfälligkeit der Aufstellung, Einbringung und parlamentarischen Prozedur des Haushalts steht natürlich in einem nicht auflösbaren Widerspruch zu den rasch wechselnden Sachlagen und den mit dem Wechsel der Sachlagen auftretenden Notwendigkeiten, den Vollzug des Haushalts anders zu gestalten, als es das Parlament erlaubt hat. Darum hat das Parlament damals, wie Sie wissen, aus gutem Grunde für das Überschreiten des Haushalts durch Konjunkturprogramme das Erfordernis der parlamentarischen Genehmigung — gegebenenfalls durch Verstreichenlassen der Frist — eingeführt, während es dasselbe Einwirkungsrecht für den Fall des Unterschreitens des Haushalts, der Nichtausgabe, nicht vorgesehen hat. Deshalb bitte ich um Verständnis dafür, daß die Bundesregierung in den Größenordnungen des Haushalts den Rahmen sieht, innerhalb dessen sie zu handeln ermächtigt und im allgemeinen auch verpflichtet ist, aber nicht mit der Maßgabe, daß man sie zwingen sollte, den vom Parlament genehmigten Rahmen auch dann bis zum letzten Pfennig auszuschöpfen, wenn es die rasche Entwicklung der konjunkturellen Lage erforderlich macht, hinter den Haushaltsansätzen zurückzubleiben.
Der Haushalt 1969 ist im Frühjahr 1968 aufgestellt worden. Im Frühjahr 1968 waren sich alle Propheten intra und extra muros noch ungewiß und unsicher, wie es weitergehen soll. Er ist im Herbst 1968 eingebracht worden. Dann erfolgte eine unerhört fleißige, natürlich bis in Detail gehende Arbeit der zuständigen Ausschüsse, an der Spitze des Haushaltsausschusses. Wir stehen jetzt vor der Verabschiedung. Ich könnte nicht empfehlen — ich bitte, hier nicht mißverstanden zu werden —, den Haushalt etwa im Rahmen der von der Bundesregierung gesperrten Mittel zu kürzen, um damit der Sicht von heute gerecht zu werden, sondern bitte, sich daran zu orientieren, daß die Bundesregierung einerseits die Grenze des Ermächtigungsrahmens im Haushalt sieht, wie er notfalls ausgenutzt werden kann, daß die Bundesregierung andererseits aber auch bereit ist, schmerzliche Abstriche, die wie immer im unvermeidlichen Widerstreit der Ressortinteressen nur mit großen Schwierigkeiten getätigt werden können, vorzunehmen, um dem Sinn und dem Auftrag des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes gerecht zu werden.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12077
Bundesminister Dr. h. c. StraußHier stehen wir an einem der Schnittpunkte, wo die Regeln der klassischen parlamentarischen Demokratie, wo die Zuständigkeiten des souveränen Parlaments mit seinem am deutlichsten ausgeprägten Recht der Budgetgestaltung, im Widerspruch stehen zu der Notwendigkeit eines rasch reagiblen, flexiblen Verhaltens der für die Ausgabengestaltung zuständigen Organe im Vollzug des Haushalts. Würde der Haushalt 1969 ohne Rücksicht auf diese veränderten Fakten in dem Ihnen vorliegenden, vom Haushaltsausschuß abgeschlossenen Entwurf verwirklicht, dann würde für 1969 unter Einschluß der Mittel, die sich aus den außenwirtschaftlichen Absicherungsmaßnahmen ergeben, und unter Einschluß der Mittel, die sich aus der Anleiheaufnahme im Zuge des Devisenausgleichs ergeben, ein Mehr von 9,5% gegenüber dem Ist des Jahres 1968 entstehen.Neben der niedrigen Basis des Haushalts 1968 wird diese Steigerungsrate auch in der Höhe von etwa 1 Milliarde DM beeinflußt durch das Ergebnis der außenwirtschaftlichen Absicherungsmaßnahmen, das etwa 500 Millionen DM ausmacht, und durch weitere 500 Millionen DM Anleihe für Devisenausgleichszahlungen. Die letztgenannten 500 Millionen DM würden allerdings nicht binnenmarktwirksam werden. Wenn man dann noch bedenkt, daß es etwa 800 Millionen DM Ausgabereste gibt, die zur Sicherung in Angriff genommener Programme bei Ende des letzten Jahres mit Zustimmung des Bundesfinanzministers nicht erloschen sind, sondern übertragbar gemacht worden sind, dann würde sich das Soll des Haushalts 1969, voll ausgegeben, gegenüber dem Ist 1968 auf etwa 10,5%Zuwachs belaufen. Wenn wir die Mittel für das Anpassungsprogramm stillegen und die auslandswirksame Offset-Anleihe sowie andere Auslandszahlungen abziehen, dann wäre es immer noch ein Zuwachs von 8,7 % und auch der ist angesichts der konjunkturellen Lage noch zu hoch.Deshalb hat sich die Bundesregierung in dem Ihnen bekannten Programm für die Stillegung, richtiger ausgedrückt: vorläufige Sperre in einer Größenordnung von 1,57 Milliarden DM entschieden, so daß der binnenmarktwirksame Zuwachs der Bundesausgaben bei immer noch etwa 6,2% liegen würde und damit eine Größenordnung hätte, die sich trotz allem vertreten läßt. Wenn aber — das darf ich mit Nachdruck sagen, ohne Ihnen damit lästig fallen zu wollen — ein Zuwachs der Bundesausgaben im Jahre 1968 gegenüber 1967 um 0,5 % den konjunkturellen Aufschwung nicht verlangsamt und uns nicht etwa von der Erreichung des Zieles abgebracht, sondern im Gegenteil trotzdem eine Überschreitung des Zieles erlaubt hat, so ist es doch im Jahre 1969, wo die Konjunkturbeurteilung unstreitig ist, nicht mehr zu verantworten, sich die volle Ausgabe des Haushalts von 9,5%, unter Einschluß der Ausgabenreste von 10,5 % vorzunehmen.Über diese sehr nüchternen und wenig erfreulichen Zahlen mag man solche oder solche Gefühle haben, aber an ihrer Richtigkeit und an der Konsequenz, die aus ihnen gezogen werden muß, sollte es keinen Zweifel geben. Wenn man sich die Zahlen des Bundeshaushalts 1968 im Vergleich zu denen des Jahres 1967 ansieht, kommt man zu bestimmten Schlußfolgerungen, an denen man einfach nicht vorbeigehen kann: Sachverständigenrat plus 10%, davon plus 30 % für Investitionen genehmigter Haushalt plus 5,4 %, davon für Investitionen plus 11 %; Ist nach Abschluß plus 0,5 % — allgemein — davon für Investitionen plus 3,5%.Deshalb hat die Bundesregierung als Kernstück ihres Programms für weitere Maßnahmen zur Sicherung der Preisstabilität — auch, um damit einen Signaleffekt zu geben — beschlossen, den Bundeshaushalt 1969 in seinem Vollzug konjunkturgerecht zu gestalten, und zwar in der Weise, daß über binnenmarktwirksame Ausgaben in Höhe von rund 1,8 Milliarden DM vorläufig nicht verfügt werden darf. „Vorläufig" heißt: bis zu einer Überprüfung, die spätestens im Laufe des Monats Juli stattzufinden hat und dann entweder zur Freigabe oder zur Kürzung der Ausgaben — teilweise oder ganz — in dem hier genannten Rahmen führen könnte. Es handelt sich hier also auch nicht um eine Dauerkürzung; selbst dann, wenn die Bundesregierung zu der Auffassung käme, daß die Mittel in diesem Jahr in dieser Größenordnung gesperrt zu bleiben hätten, heißt das nicht, daß die mit diesen Mitteln beabsichtigten Programme gestrichen werden. Es heißt vielmehr, daß dann bestimmte Programme gestreckt werden müssen, und zwar aus den Gründen, die zu erläutern ich mich eben bemüht habe.Ich verweise hier auch darauf, daß die Bundesregierung bereits mit der Verabschiedung der mehrjährigen Finanzplanung im September letzten Jahres einen Kabinettsbeschluß gefaßt hat, durch den der Bundesminister der Finanzen und der Bundesminister für Wirtschaft beauftragt wurden, von allen Bundesressorts mehrjährige Investitionsprogramme einzuholen und diese Investitionsprogramme dann nach Prioritäten zu gliedern. Das geschah damals schon mit der Absicht, für den Fall einer zunehmenden konjunkturellen Entwicklung, einer konjunkturellen Wärme, bereits die Möglichkeit zu haben, bei lebenswichtigen Investitionen den ungehinderten Ablauf zu gewährleisten, bei weniger dringlichen Investitionen aber eine Streckung vorzunehmen, d. h. sie noch zurückzustellen. Alle solche Dinge sind unangenehm und schmerzlich. Wenn man über Investitionen spricht, dann gibt es fast überhaupt keine nicht lebenswichtigen — jeweils in der Sicht des Betroffenen oder Verantwortlichen; das nehme ich keinem übel.Man mag hier auch noch einwenden, daß die Bundesregierung — wie Ihnen bekannt ist — beschlossen hat, den Investitionsanteil an den öffentlichen Ausgaben langsam, promilleweise, zu erhöhen, um eine Umstrukturierung des Haushalts zu erreichen. Das ist richtig; aber andererseits kann man nicht leugnen, daß von Investitionen überhaupt — deshalb auch von öffentlichen Investitionen — eine besonders belebende Wirkung ausgeht, weil sie neben dem Primäreffekt auch einen Sekundär- und Tertiäreffekt auslösen.Der zweite Gesichtspunkt ist folgender. Wenn nach dem Stabilitätsgesetz Ausgaben zu sperren, zu
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12078 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Bundesminister Dr. h. c. Straußkürzen oder Programme zu strecken sind, dann möge man mir sagen, welche konsumtiven Ausgaben, die im Bundeshaushalt in unzähligen Einzelplänen enthalten sind, nach diesem Gebot des Stabilitätsgesetzes gestreckt werden könnten. Denn die meisten konsumtiven Ausgaben sind gesetzlich gebunden oder durch rechtliche Gewohnheit nicht mehr Gegenstand möglicher finanzieller Manipulationen. Außerdem aber würde der Zugriff auf dem Konsumsektor in diesem Falle weniger wirksam sein, selbst wenn er möglich wäre, weil er den Auftragsbestand weniger angreifen würde. Der Auftragsbestand und die Entwicklung der Aufträge sind für das konjunkturelle Klima noch bedeutsamer und noch einschneidender als etwa der Umfang der Produktion, die Höhe der Umsätze und die gegenwärtige Auslastung der Kapazitäten.Die Bundesregierung wird spätestens im Juli dieses Jahres prüfen, ob die beschlossenen Maßnahmen weiterhin notwendig sind. Auf diese Weise wollen wir erreichen, daß wir beim Vollzug des Bundeshaushalts 1969 in konjunkturpolitisch notwendigem Maße beweglich bleiben und trotzdem die weitere Auftragsvergabe kurzfristig drosseln. Die Verfügungssperre über 1,8 Milliarden DM soll erreicht werden, erstens durch eine weitere Zurückstellung von Ausgabemitteln von zusammen 1,57 Milliarden DM bei bestimmten, vorwiegend investiven Ausgabegruppen mit festen Beträgen für die jeweiligen Einzelpläne — nicht einfach mit globalen prozentualen Kürzungen —, zweitens durch eine Zurückstellung von 195 Millionen DM im Rahmen des binnenwirtschaftlichen Anpassungsprogramms. Dieser Betrag war bisher noch nicht für bestimmte Zwecke aufgeteilt worden.Unter Berücksichtigung der beschlossenen vorläufigen Minderausgaben von 1,8 Milliarden DM würde sich die Steigerung der Bundesausgaben 1969 ohne Restnachdeckung von den erwähnten 9,5 % auf 7,2% verringern. Schaltet man die im Vergleich zu 1968 höheren Auslandszahlungen, die die inländische Nachfrage — jedenfalls nicht kurzfristig, höchstens langfristig und teilweise — beeinflussen, beim Vergleich der Ausgaben aus, so ergibt sich eine Steigerung der binnenwirksamen Ausgaben von 5 bis 6 %. Dieses Ausgabenwachstum dürfte unter den derzeitigen konjunkturellen Bedingungen als vertretbar anzusehen sein.Die durch die Zurückstellung von Ausgaben entstehende Verminderung des Finanzbedarfs von rund 1,8 Milliarden DM sowie die vom Haushaltsausschuß beschlossenen Kürzungen in Höhe von 60 Millionen DM und die nach den letzten Steuerschätzungen zu erwartenden Steuermehreinnahmen in Höhe von 177 Millionen DM, die wesentlich unter dem liegen, was die Länder an Steuermehreinnahmen gegenüber der letzten Schätzung zu erwarten haben, sollen zur Verminderung der Nettokreditaufnahme des Bundes, namentlich zur Tilgung von kurzfristigen Schulden, verwendet werden.Was die Verwendung von konjunkturbedingten Steuermehreinnahmen betrifft, so ist auch die Frage der etwaigen Zuführung dieser Mittel an eine Konjunkturausgleichsrücklage nach § 7 des Stabilitäts-und Wachstumsgesetzes geprüft worden. In Übereinstimmung mit der Deutschen Bundesbank — ich darf fast sagen: auch auf besonderen Hinweis der Deutschen Bundesbank — sind wir zu der Auffassung gekommen, daß die derzeitigen konjunkturellen Probleme durch eine Verminderung der Nettokreditaufnahme besser gelöst werden können als durch die Bildung einer Konjunkturausgleichsrücklage. Mir fällt auch keine Perle aus der Krone, wenn ich sage, daß ich ursprünglich für die Bildung einer Konjunkturausgleichsrücklage bei Bund und Ländern eingetreten bin, daß mich aber die Argumente der Bundesbank, nicht durch Stillegung des Geldes die Fungibilität des Kapitalmarktes einzuschränken und nicht dadurch einen Druck auf den Zinssatz nach oben auszuüben, überzeugt haben, weshalb in dreiseitiger Übereinstimmung — Bundesbank, Bundesminister für Wirtschaft und Bundesminister der Finanzen — die Verwendung der Minderausgaben bzw. der Mehreinnahmen zur Verminderung der Nettoverschuldung und nicht für die Bildung einer Konjunkturausgleichsrücklage unter dem heutigen Aspekt vorzuziehen ist.Die Bundesregierung ist weiter der Auffassung, daß die zur Konjunkturstabilisierung notwendigen haushaltswirtschaftlichen Maßnahmen nicht auf den Bundeshaushalt beschränkt bleiben können. Sie ist in Übereinstimmung mit dem Konjunkturrat und dem Finanzplanungsrat der Meinung, daß auch die Länder und Gemeinden dazu einen Beitrag leisten müssen, indem sie ihre Steuermehreinnahmen gegenüber ihren Haushaltsplänen zu einer Verminderung ihrer Nettokreditaufnahme verwenden.Ich darf hier noch auf eine besondere Schwierigkeit hinweisen, die eingehend in Vorgesprächen und innerhalb der Bundesregierung in der letzten Kabinettssitzung erörtert worden ist: Das ist die Frage des Zielkonflikts, der entsteht, wenn man einerseits angesichts der gegebenen Indikatoren konjunkturdämpfende Maßnahmen ergreifen muß, andererseits aber feststellen muß, daß es sowohl branchenmäßig wie regional noch gewisse wirtschaftsschwache Bereiche gibt, die nicht von konjunkturdämpfenden Maßnahmen zusätzlich getroffen werden sollen.
Wir sind uns über die unvermeidliche und durch keinerlei Dialektik aus der Welt zu schaffende Tatsache völlig im klaren gewesen, daß die Kumulierung aller sektoralen und regionalen Strukturmaßnahmen auch einen gewissen anwärmenden Effekt auf die Gesamtkonjunktur ausübt.
— Haben muß. — Aber wir waren uns genauso darüber im klaren, daß im Zeichen einer befürchteten Stagnation oder einer eingetretenen Stagnation oder einer befürchteten bzw. eingetretenen Rezession weder offene Subventionen noch Steuerhilfen Unternehmer zu Standortentscheidungen in diesem Bereich zu veranlassen vermögen.
Deshalb bleibt uns gar nichts anderes übrig, alsim Interesse der wirtschaftsschwächeren Regionen
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12079
Bundesminister Dr. h. c. Strauß— Bundesausbaugebiete, Bundesausbauorte, in Schleswig-Holstein, in Niedersachsen, entlang der bayerischen Nord- und Ostgrenze in der Hauptsache, aber auch anderswo, in Rheinland-Pfalz, im Saarland usw. — die regionalen Mittel aufrechtzuerhalten.Ich weiß, es droht hier die Gefahr, daß wir eines inkonsequenten Verhaltens bezichtigt werden. Aber Konsequenz allein ist noch kein Wert an sich, wenn konsequent sein heißt, sich im Zielkonflikt nur um des Prinzips willen stur zu entscheiden und hier nicht andere Notwendigkeiten regionaler oder branchemäßiger Art mit einer bestimmten höheren Priorität auszustatten.Ich habe deshalb nach einer längeren Aussprache mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister auch darauf verzichtet, bei den kommenden Verhandlungen im Finanzausschuß für das Steueränderungsgesetz 1968 das Inkrafttreten der Prämienzulagen für die Bundesausbaugebiete, Bundesausbauorte, landwirtschaftlichen Problemgebiete, Zonenrandgebiete usw. etwa vom 1. Januar 1969 auf den 1. Januar 1970 zu verschieben.
Wir müssen, wenn die offen ausgewiesenen Mittel der Regionalprogramme des Herrn Bundeswirtschaftsministers und des Herrn Bundeslandwirtschaftsministers ihren Sinn haben sollen, sie durch steuerliche Maßnahmen — Inkrafttreten vorgesehen ab 1. Januar 1969 — ergänzen, damit das gesamte Programm dann seine Wirkung hat. Wir wünschen ja alle nicht, daß diese Gebiete zugunsten der Ballungsgebiete entleert werden.
Rein arithmetisch gesehen wäre es ohne weiteres möglich, wenn man noch im alten Ägypten oder Babylon lebte, wo man Menschen einfach deportieren konnte, die Zahl der offenen Stellen zu vermindern, indem man die Menschen wenn nicht zwingt, so doch finanziell anreizt, aus Zonenrand- und Grenzgebieten, Ausbaugebieten, Problemgebieten in die Ballungsgebiete abzuwandern. Aber das wäre genau das Gegenteil dessen, was unter einer sinnvollen Raumordnung und Landesplanung verstanden werden kann.
Darum bleibt uns gar nichts anderes übrig, als die Zeiten der guten Konjunktur dazu zu benutzen, durch finanzielle Anreize, offene und steuerliche Subventionen auch diesen Gebieten eine stärkere Wirtschaftskraft zu geben, ein Ziel, das ja im übrigen auch durch die Finanzreform begünstigt und dessen Erreichung nicht durch ein nicht immer erfreuliches Spiel gefährdet werden sollte; um mich noch sehr vorsichtig und maßvoll auszudrücken.Meine Damen und Herren, ich habe Vertrauen in diese haushaltswirtschaftlichen Maßnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden, die noch durch eine zeitnähere Anpassung der Steuervorauszahlungen — die gewisse Liquidität entziehen soll — sowie durch eine Ausweitung der Einfuhrmöglichkeiten für Waren der gewerblichen Wirtschaft ergänzt werden.Das ist ein gutes Beispiel und ein Beitrag der öffentlichen Hand zur Stabilisierung der Konjunktur.Wenn ich sage: Entziehung der Liquidität durch Anpassung der Steuervorauszahlungen, so heißt das nicht ein mutwilliger Zugriff des Fiskus gegenüber jedermann, sondern es heißt nichts anderes — ich weiß, daß die betroffenen Kreise mich deshalb nicht gerade besonders loben werden —, als daß die infolge der höheren Gewinne 1968 der Wirtschaft vom Fiskus gewährten zinslosen Darlehen etwas abgebaut werden. Zweifellos sind die Gewinne im Jahre 1968 gegenüber 1966 und 1967 erfreulicherweise gestiegen. Die Selbstfinanzierungsfähigkeit der Wirtschaft hat sich erheblich verbessert. Die Schwierigkeit des Steuervollzuges führt im allgemeinen dazu, daß die Veranlagung erst 1 1/4 bis 1 1/2 Jahre nach Ende des Steuerjahres zugestellt werden kann. Durch diesen Ablauf entsteht ein Darlehen, dessen Umfang wir etwas vermindern wollen. Das ist jedenfalls eine wesentlich bessere Maßnahme, als wenn wir uns dazu entschlossen hätten, die Steuerschraube nach den Möglichkeiten des Stabilitätsgesetzes in Bewegung zu setzen, sei es in Richtung Abschreibungen, sei es in Richtung der Tarife der Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer.Damit sind Signale gesetzt worden, die von der Wirtschaft auf allen Seiten beachtet werden sollten. Es muß ein hohes Maß an Disziplin in Gestaltung der Kosten und Preise gewahrt werden. Es kommt auch darauf an, daß die Tarifpartner bei ihren Lohnverhandlungen die von der Bundesregierung gegebenen Orientierungsdaten beachten, aber nicht als Mindestgrundlage, von der aus kräftige Änderungen nach oben durchzusetzen sind. Alle sind aufgerufen, dafür Sorge zu tragen, daß einschneidendere Maßnahmen vermieden werden können.Wie Sie wissen, hat sich heute der Zentralbankrat ebenfalls mit der Konjunkturlage und dem Stabilisierungsprogramm der Bundesregierung befaßt. Er hat nach meiner Information beschlossen, die Rediskontkontingente der Kreditinstitute bei der Bundesbank mit Wirkung vom 1. April 1969 um 20 % herabzusetzen und mit Wirkung vom 21. März 1969 den Lombardsatz der Deutschen Bundesbank um 1/2% auf 4 % zu erhöhen, während der Diskontsatz mit 3 % unverändert bleibt.Da der Schwerpunkt der Konjunkturmaßnahmen eindeutig bei den öffentlichen Haushalten liegt, ist die Bundesbank entlastet worden. Sie konnte sich auf eine gewisse monetäre Ergänzung des Konjunkturprogramms der Bundesregierung beschränken. Dies ist um so mehr geboten, als es, wie gesagt, in dieser Konjunkturphase in erster Linie darauf ankommt, Nachfrage auf bestimmten Gebieten zu drosseln, ohne dabei unerwünschte Wirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Liquidität, die Zinsgestaltung und die außenwirtschaftliche Entwicklung auszuüben.Ich habe im Zusammenhang mit der Problematik „Konjunkturpolitik und regionale Förderung" bereits ein Wort zum Zweiten Steueränderungsgesetz 1968 gesprochen. Mit diesem Entwurf hat die Bun-
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12080 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Bundesminister Dr. h. c. Straußdesregierung alle gesetzgeberischen Maßnahmen auf dem Gebiet der Steuern von Einkommen und Ertrag einschließlich der Gewährung von Investitionszulagen und der Sparförderung zusammengefaßt, die wegen ihrer besonderen Dringlichkeit noch in dieser Legislaturperiode verwirklicht werden müssen. Weitere Maßnahmen auf diesen Rechtsgebieten sind — Überraschungen vorbehalten, aber ich glaube nicht daran — vorerst nicht beabsichtigt. Der Gesetzentwurf hat deshalb auch für diese Legislaturperiode den Charakter eines steuerlichen Schlußgesetzes.Mit dem Gesetzentwurf werden neben einigen Steuerrechtsänderungen von geringerer Bedeutung folgende Hauptziele verfolgt: 1. eine Verbesserung unserer Wirtschaftsstruktur durch Begünstigung bestimmter Investitionen, 2. ein weiterer Ausbau unserer Förderungsmaßnahmen für Wissenschaft und Bildung sowie für die betriebliche Forschung und Entwicklung, 3. eine verstärkte Förderung der Eigentumsbildung, besonders im Bereich der unteren und mittleren Einkommensbezieher, und 4. die Regelung handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit der Gründung einer Gesamtgesellschaft für das Steinkohlenbergbaugebiet Ruhr.Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen werden, bezogen auf das Entstehungsjahr 1969, zu Steuermindereinnahmen und Prämienmehrausgaben mit einem Volumen von insgesamt 650 Millionen DM bei einem Bundesanteil von 352 Millionen DM führen. Auf die Rechnungsjahre bezogen, werden sich ins Gewicht fallende Haushaltsbelastungen erst ab 1970 ergeben.Ich möchte besonders betonen, daß die sich durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1968 ergebenden Haushaltsbelastungen in der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes berücksichtigt sind und daß dieses Gesetz nicht eine Abweichung von der mehrjährigen Finanzplanung darstellt. Für weitergehende oder zusätzliche Vergünstigungen läßt die mehrjährige Finanzplanung des Bundes jedoch keinen Raum, weil sie durch diese Vorlage auf diesem Gebiet voll ausgeschöpft wird.Einige wenige Worte zu den einzelnen Punkten:Der Verbesserung unserer regionalen Wirtschaftsstruktur soll vor allem die vorgesehene Einführung einer 10 %igen Investitionszulage für das Zonenrandgebiet, die Bundesausbaugebiete und die Bundesausbauorte dienen. Durch die Vergünstigung soll besonders der Tatsache Rechnung getragen werden, daß die bezeichneten Gebiete wegen ihrer Randlage bzw. wegen ihrer überwiegend landwirtschaftlichen Struktur gegenüber den übrigen Gebieten der Bundesrepublik benachteiligt sind. Die Zulage soll anreizen, in diesen Gebieten neue Betriebe und Betriebsstätten zu errichten, bzw. bestehende Betriebe zu erweitern und damit neue Dauerarbeitsplätze zu schaffen, die als Ersatz für die durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft freigesetzten Arbeitskräfte dringend benötigt werden.Der von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachte Initiativgesetzentwurf zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur in entwicklungsbedürftigen Gebieten verfolgt die gleiche Zielsetzung. Er stimmt teilweise mit dem Vorschlag der Bundesregierung überein, teilweise geht er erheblich über den Vorschlag der Bundesregierung hinaus und verursacht demgemäß auch höhere Steuerausfälle, für die, wie vorher gesagt, in der mehrjährigen Finanzplanung kein Rahmen ist, weshalb dann entsprechende Ersatzmaßnahmen oder Ausgleichsmaßnahmen vorgeschlagen werden müßten.Im Hinblick auf die Bedeutung, die der betrieblichen Forschung und Entwicklung für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zukommt, werden die Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen der Unternehmen bereits seit 1965 durch Gewährung von Sonderabschreibungen auch steuerlich gefördert. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß diese Maßnahmen allein nicht ausreichen. Sie schlägt deshalb eine weitere Verstärkung der Förderungsmaßnahmen durch eine 10%ige Investitionszulage vor, die künftig neben den Sonderabschreibungen gewährt werden soll. Die Bundesregierung erwartet, daß diese Investitionszulage der deutschen Wirtschaft eine erhebliche Verstärkung ihrer Forschungs- und Entwicklungstätigkeit ermöglicht.Im Hinblick auf den Bericht der Pressekommission, nach deren Feststellungen besonders bei kleinen und mittleren Presseunternehmen die Gefahr besteht, daß sie dem Wettbewerb mit den Großunternehmen auf die Dauer nicht standhalten können, schlägt die Bundesregierung auch für diesen Bereich die Einführung einer 10%igen Investitionszulage vor. Die Investitionszulage, mit der zur Erhaltung der Vielfalt unserer Presse beigetragen werden soll, soll nur Verlegern von Zeitungen und Zeitschriften gewährt werden, die überwiegend der politischen Bildung und Unterrichtung dienen. In Anlehnung an die im Gesetz über die Gewährung einer einmaligen Umsatzsteuervergütung für Presseunternehmen vom 20. Mai 1968 getroffene Regelung sollen nur solche Verleger begünstigt werden, bei denen die verkaufte Auflage der bezeichneten Zeitungen und Zeitschriften insgesamt nicht mehr als 160 000 Stück beträgt. Die Bundesregierung erwartet, daß die Presseunternehmen die ihnen mit der Investitionszulage gewährte Hilfe zu einer durchgreifenden Modernisierung und Rationalisierung ihrer Betriebe und damit zu einer nachhaltigen Verbesserung ihrer Wettbewerbsverhältnisse nutzen.Eine weitere Frage, die nach Auffassung der Bundesregierung dringend einer Regelung bedarf, betrifft die Berücksichtigung von Verlusten ausländischer Betriebsstätten bei der inländischen Besteuerung. Nach der gegenwärtigen Rechtslage hat der Steuerpflichtige keine Möglichkeit, Verluste in ,ausländischen Betriebsstätten gegen inländische Einkünfte auszugleichen, wenn durch ein Doppelbesteuerungsabkommen das Recht zur Besteuerung der ausländischen Betriebsstätte dem ausländischen Staat zugewiesen ist. Hieraus ergeben sich Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft. Sie haben zu einer Beeinträchtigung erwünschter Auslandsinvestitionen geführt. Bemühungen, in gemeinsamer Vertragauslegung mit den Vertragspartnern
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Bundesminister Dr. h. c. Straußangemessene Erleichterungen zu schaffen, haben bisher zu keinem zufriedenstellenden Erfolg geführt. Daher soll nunmehr im Rahmen der innerstaatlichen Gesetzgebung die Möglichkeit geschaffen werden, ausländische Verluste, die sich bei solchen befreiten Einkünften insgesamt ergeben, mit den übrigen Einkünften auszugleichen und, soweit das nicht möglich ist, sie im Rahmen des § 10 d des Einkommensteuergesetzes in den folgenden fünf Jahren abzuziehen.Ungerechtfertigte Steuervorteile sollen dadurch ausgeschlossen werden, 'daß für den Fall einer doppelten Berücksichtigung der Verluste im Inland wie im Ausland eine Nachholung der Besteuerung vorgesehen ist. Die Regelung trägt einem langjährigen Anliegen der deutschen Wirtschaft Rechnung und findet sich in ähnlicher Form auch in den Steuerrechten anderer Industriestaaten wie Frankreich, Niederlande, Dänemark, deren Vorbild uns nach jahrelangem Warten veranlaßt hat, nunmehr der einschlägigen deutschen Wirtschaft insoweit Wettbewerbsgleichheit zu ermöglichen.Eine verstärkte Förderung der Wissenschaft und Bildung hat eine Neuregelung zum Ziel, mit der dazu angeregt werden soll, daß Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens einer gemeinnützigen Körperschaft zur Verwendung für Zwecke der Wissenschaft oder Bildung zugewandt werden. Nach der gegenwärtigen Rechtslage führt die Entnahme von Wirtschaftsgütern aus einem Betriebsvermögen in jedem Fall zur Aufdeckung und Versteuerung vorhandener stiller Reserven. Wiederholten Anregungen aus Kreisen der Wirtschaft und des deutschen Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft folgend, schlägt die Bundesregierung nunmehr eine Ausnahmeregelung vor. Sie stellt sicher, daß auf die Besteuerung der 'stillen Reserven dann verzichtet wird, wenn die entnommenen Wirtschaftsgüter im Anschluß .an die Entnahme einer gemeinnützigen Körperschaft zur Verwendung für wissenschaftliche Zwecke oder für Zwecke der Erziehung, Volks- und Berufsbildung zugewendet werden.Die dem Steuerpflichtigen damit gegebene Möglichkeit, die entnommenen Wirtschaftsgüter in diesen Fällen mit dem Buchwert anzusetzen, erfordert es andererseits, daß auch als Spendenbetrag, der nach § 10 b Einkommensteuergesetz als Sonderausgabe abgezogen werden kann, nur der Buchwert der zugewandten Wirtschaftsgüter geltend gemacht werden kann. Eine entsprechende Ergänzung des § 10 b Einkommensteuergesetz stellt das sicher.Im Hinblick auf unsere derzeitige außenwirtschaftliche Lage, die durch ein Ungleichgewicht zwischen sehr hohen Exporten und noch nicht befriedigend hohen Importen gekennzeichnet ist, schlägt die Bundesregierung vor, die Ermächtigung über die Zulassung eines Bewertungsabschlages für bestimmte Importwaren des volkswirtschaftlich vordringlichen Bedarfes, deren Geltungsdauer em 31. Dezember 1968 endete, um zwei Jahre zu verlängern. Die Verlängerung des Bewertungsabschlages erscheint angezeigt, weil die Vergünstigung geeignet ist, die Unternehmer zu einer verstärkten Einfuhr zu veranlassen. Sie kann deshalb dazu beitragen, daß unsere Importe erhöht und die erhöhten Ausfuhrüberschüsse vermindert werden.Wie bereits erwähnt sollen die Sonderabschreibungen für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen künftig auch neben der vorgesehenen Investitionszulage gewährt werden. Die Bundesregierung hält darüber hinaus eine Verbesserung der Sonderabschreibungsvergünstigung als solcher für erforderlich. Nach der bisherigen Rechtslage sind die Sonderabschreibungen erstmals im Wirtschaftsjahr der Lieferung oder Fertigstellung der begünstigten Wirtschaftsgüter zulässig. Diese Regelung ist unbefriedigend, weil die Unternehmen, besonders in Fällen, in denen hochwertige Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt werden, bereits erhebliche Zeit vor deren Lieferung oder Fertigstellung mit hohen Kosten, z. B. durch Anzahlungen oder Teilzahlungen, belastet sind. Der Gesetzentwurf sieht deshalb eine Ergänzung der Ermächtigung über die Zulassung von Sonderabschreibungen für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen vor. Sie sollen es ermöglichen, die Sonderabschreibungen künftig bereits für Anzahlungs- und Teilherstellungskosten zuzulassen.In Artikel 5 des Zweiten Steueränderungsgesetzes sind die Vorschriften zusammengefaßt, die die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Gründung einer Gesamtgesellschaft für das Steinkohlenbergbaugebiet Ruhr für erforderlich hält. Die Vorschriften sollen die Gründung der Gesamtgesellschaft und die Durchführung der ihr obliegenden Maßnahmen handelsrechtlich, steuerrechtlich und kostenrechtlich erleichtern. Sie sehen neben der Regelung von Bewertungsfragen, einer Bilanzierungshilfe für die Gesamtgesellschaft bei Stillegungsverlusten und einer Zweckbindung der von ihr erwirtschafteten Überschüsse auch steuerrechtliche und kostenrechtliche Erleichterungen vor.Wie Ihnen sicher bekannt ist, sind über die mit der Gründung der Gesamtgesellschaft für das Steinkohlenbergbaugebiet Ruhr zusammenhängenden Fragen auch nach Einbringung des Gesetzentwurfs noch eingehende Verhandlungen geführt worden. Auf Grund des Ergebnisses dieser Verhandlungen, die sich buchstäblich bis in die letzten Tage erstreckt haben und die vom Bundesminister für Wirtschaft gottlob zu einem Abschluß gebracht werden konnten, sind bei den Vorschriften des Artikels 5 gewisse Änderungen gegenüber dem Ihnen vorliegenden Text erforderlich geworden.Von der Bundesregierung wird deshalb zur Zeit eine Neufassung des Artikels ausgearbeitet. Die Arbeiten sind noch nicht ganz abgeschlossen, weil sie ungewöhnlich schwierig sind. Ich bitte um Verständnis, wenn diese Neufassung den Ausschüssen erst bei der Beratung des Gesetzentwurfs als Beratungsunterlage überreicht werden kann.Ein weiteres Vorhaben von Bedeutung wird mit den Vorschlägen der Bundesregierung auf dem Gebiet der Sparförderung aufgegriffen. Der Entwurf sieht neben verschiedenen mehr technischen Vorschriften besonders folgendes vor: erstens Erhöhung
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12082 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Bundesminister Dr. h. c. Straußder Sparprämie und der Wohnungsbauprämie zugunsten der Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen, je nach der Anlageform 20, 30 oder 40% der bisherigen Sätze zusätzlich; ferner besondere Vorschriften, die darauf gerichtet sind, das Wertpapiersparen stärker zu fördern.Die Bundesregierung legt mit diesen Vorschlägen diejenigen eigentumspolitischen Maßnahmen vor, die sich, ohne daß damit einer späteren grundlegenden Reform vorgegriffen werden soll, nach ihrer Auffassung noch in dieser Legislaturperiode verwirklichen lassen. Die in diesem Gesetzentwurf zum Ausdruck kommenden Vorschläge sind das Ergebnis einer ausführlichen Besprechung, die zwischen den Bundesministern für Wirtschaft, für Arbeit und der Finanzen stattgefunden hat.Die Bildung von Eigentum breitester Bevölkerungsschichten muß als eines der wichtigsten Ziele unserer Politik angesehen werden. Eine breit gestreute Vermögensbildung ist unter allen denkbaren Maßnahmen am besten geeignet, die Unabhängigkeit des einzelnen wie auch die freiheitlich-demokratische Grundordnung als Ganzes zu erhalten. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß die Eigentumsbildung unabhängig von den Notwendigkeiten einer sich am Konjunkturverlauf orientierenden Wirtschaftspolitik nach wie vor mit staatlichen Mitteln zu fördern ist. Allerdings sollen die dafür zur Verfügung stehenden — naturgemäß knappen —Mittel wirksam und gezielt eingesetzt werden, d. h. besonders den Bevölkerungsschichten zugute kommen, die bei der Bildung von Eigentum und Vermögen noch am ehesten einer Hilfe bedürfen.
Bereits im Zuge des Steueränderungsgesetzes 1966 wurde mit der Einführung des Kumulierungsverbots, das in dieser Form nach meiner Überzeugung noch nicht ausreicht, das Schwergewicht der Sparförderungsmaßnahmen stärker auf die einkommensschwächeren Bevölkerungskreise verlagert. Ein weiterer Schritt in dieser Richtung soll jetzt mit den einkommensabhängigen Zusatzprämien gegangen werden. Die vorgesehenen Einkommensgrenzen von 6000 DM zu versteuernden Einkommen für Alleinstehende und 12 000 DM zu versteuerndem Einkommen für Ehegatten sind nicht so niedrig, wie es in der Kritik an den Vorschlägen der Bundesregierung teilweise dargestelt wird. Wenn man die Sonderausgaben, wenn man die Freibeträge, wenn man Kinderfreibeträge, wenn man sonstige Pauschbeträge oder Freibeträge für besondere Belastungen noch hinzuzählt, kommt man erst zu dem sogenannten Bruttoeinkommen, das wesentlich über den hier genannten, scheinbar niedrigen Sätzen liegt. Denn diese Grenzen beziehen sich eben auf den zu versteuernden Einkommensbetrag. Bei einem verheirateten Arbeitnehmer mit zwei Kindern entspricht die Grenze z. B. einem Bruttoarbeitslohn von 1450 DM im Monat. Das ist ein Arbeitslohn, der in einem Bereich liegt, wie er für die Mehrheit unserer Arbeitnehmer noch in Betracht kommt; nur eine Minderheit dürfte darüber liegen.Ein weiterer kritischer Punkt ist die Verwaltungsmehrarbeit bei der Prüfung der Einkommensgrenze. Da gibt es teilweise erhebliche Kritik. Diese Erschwernis muß aber eben leider in Kauf genommen werden, wenn man die Zielsetzung des Gesamtgesetzentwurfs bejaht, die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen stärker zu fördern. Niemand würde es heute für gerechtfertigt halten, hier etwa überhaupt keine Einkommensgrenze vorzusehen und die zusätzlichen Prämien jedermann zugute kommen zu lassen. Hier sind wir immer wieder an dem alten Dilemma, daß ein möglichst hohes Maß an — sozialpolitisch gemessen — steuerlicher Gerechtigkeit in einem unauflöslichen Widerspruch zu dem Gebot der Verwaltungsvereinfachung und einer einfachen Administration der Steuergesetze steht.
Darüber wird oft sehr schlau geredet, aber in Wirklichkeit stoßen sich die Dinge viel härter im Raum, als manche glauben. Die Zielsetzung erfordert es leider auch hier, eine gewisse Erschwerung in Kauf zu nehmen.Die Vorschläge der Bundesregierung sehen im übrigen für den großen Teil der für diese Prämien in Betracht kommenden Sparer besonders bei der Einkommensermittlung Lohnsteuerpflichtiger eine Pauschalierung vor, die die Prüfung der Einkommensgrenzen außerordentlich vereinfacht.Schließlich noch ein Wort zu der besonderen Förderung des Wertpapiersparens. Besondere Bedeutung mißt die Bundesregierung den Maßnahmen bei, die auf eine stärkere Förderung des Wertpapiersparens gerichtet sind. Der Entwurf sieht vor, daß für das Wertpapiersparen eine besonders hohe Zusatzprämie von 40% gewährt wird, während für die übrigen Sparformen nur eine solche von 20% — Wohnungsbau — bzw. 30 % — Kontensparen — vorgesehen ist. Außerdem soll das Wertpapiersparen durch die Einführung eines ,,Wertpapier-Sparratenvertrags" und die Möglichkeit, auf Sparkonten festgelegte Gelder zum Kauf von Wertpapieren zu verwenden, gefördert werden.Diese Förderungsmaßnahmen halte ich für erforderlich, weil das Wertpapiersparen leider bisher weitgehend ein Privileg wohlhabenderer Kreise war, weil es in der Bundesrepublik unterentwickelt ist, obwohl gerade diese Sparform für eine langfristige Vermögensbildung besonders geeignet ist.Jüngst habe ich mich zu diesem Thema geäußert und habe gesagt, daß Kontensparen mit 3 1/2 oder 4% Zins keine sehr sinnvolle Anlage sei. Das hat unvermeidlicherweise in einer verkürzten und entstellenden Darstellung leider auch zu Mißverständnissen geführt. Denn es hat wirklich keinen Sinn, daß — wie es heute in manchen Bevölkerungskreisen noch der Fall ist —, nicht kurzfristige Gelder, nicht kleine Konten, sondern Jahr für Jahr Tausende, Abertausende, zum Schluß auch Zehntausende von Mark, zum Teil sogar in der Form von Tagesgeldern oder in der Form von auf drei Monate kündbaren Geldern, auf gesetzliche Kündigungsfrist angelegt werden. Das ist vielfach der Fall bei denen, zu denen
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12083
Bundesminister Dr. h. c. Straußunsere Aufklärungsarbeit über die Vorteile des Wertpapiersparens noch nicht vorgedrungen ist, bei denen, die im Hinblick auf die Erfahrungen ihrer Großeltern und Eltern vor dem Wertpapier Angst haben und glauben, es würde abermals wiederum einer Entwertung, einer Inflation zum Opfer fallen. Deshalb legen sie es, wenn sie das Geld schon nicht zu Hause halten, auf täglichen Abruf oder auf kürzestmögliche Kündbarkeit an. Diese Anlageform halte ich als Dauersparen für größere Beträge, wozu oft auch die Bezieher relativ kleiner Einkommen gelangen, wenn sie fleißig und sparsam sind, für nicht sinnvoll. Denn sie bedeutet für sie einen Einkommensausfall. Der Anreiz des Sparens, der in einer höheren Rendite liegt, geht eben verloren. Das ist ein Umstand, auf den ich hier nur mit wenigen Worten zu sprechen kommen wollte.Den denkbaren Einwand, das Wertpapiersparen sei für den Personenkreis, der hier angesprochen wird, nicht empfehlenswert, muß ich allerdings zurückweisen. Selbstverständlich muß bei der Anlage eine vernünftige Auswahl getroffen werden. Es gibt aber genügend risikolose Papiere mit beachtlicher Rendite, deren Erwerb auch für den kleinen Sparer durchaus interessant ist. Ich darf nur nebenbei, ohne Lobbyist zu sein, an den Bundesschatzbrief erinnern, der auf die schwerste Konkurrenz anderer Institutionen stößt.Auf dem Gebiete der Sparförderung liegen mit den Initiativentwürfen der Fraktion der CDU/CSU — Drucksachen V/3401 und V/3402 — weitere Vorschläge vor. Sie müssen im Zusammenhang mit der Regierungsvorlage erörtert werden. Ich will es mir deshalb versagen, auf diese Vorschläge hier im einzelnen einzugehen.Ich bitte, das zweite Steueränderungsgesetz 1968 den beteiligten Ausschüssen — federführend dem Finanzausschuß — zu überweisen, und ich bitte in Kenntnis des großen Arbeitspakets des Finanzausschusses und der anderen eventuell damit befaßten Ausschüsse, es so rechtzeitig zu verabschieden, daß es noch als ein Stück steuerlicher Abschlußgesetzgebung dieser Regierung und dieser Koalition vor der parlamentarischen Pause mit den vorgesehenen Fristen, die im Entwurf enthalten sind, in Kraft gesetzt werden kann.
Nachdem der Herr Bundesminister der Finanzen mit dieser Rede bereits einen großen Schritt in die Konjunkturdebatte hinein vollzogen hat, halte ich es für zweckmäßig, daß wir die Beratung nunmehr auch auf den Einzelplan 09 ausdehnen. Ich rufe deshalb auf:
Einzelplan 09
Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft
— Drucksachen V/3929, zu V/3929 —
Berichterstatter: Abgeordneter Westphal.
Ich erteile dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Anschluß an die Ausführungen des Bundesfinanzministers möchte ich hier einige wirtschaftspolitische Erklärungen abgeben. Sie werden daraus übrigens ersehen, daß wir beide, der Bundesfinanzminister und der Bundeswirtschaftsminister, uns nach wie vor, auch in einer neuen Konjunktursituation ganz symmetrisch verhalten. Dabei lasse ich offen, ob es sich um soziale Symmetrie oder um politische Symmetrie handelt.Doch nun zur Materie selbst. Als erstes, meine Damen und Herren, möchte ich grundsätzlich folgendes feststellen. Die Beschlüsse der Bundesregierung zur Sicherung der Preisstabilität vom 18. März stellen keine Schwenkung der gesamten Finanz- und Wirtschaftspolitik dar. Sie bewegen sich vielmehr auf der Linie unserer seit 1967 konsequent auf Stabilität und Wachstum gerichteten Aktivität. Man könnte sagen, dieser neue Kampf um Stabilität im Aufschwung ist nur die Fortsetzung unserer Politik mit anderen Mitteln.Meine Damen und Herren, die Instrumente zu dieser Politik nehmen wir aus demselben Werkzeugkasten, eben dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, aus dem wir in einer ganz anderen Lage 1967 entsprechend andere Werkzeuge gegriffen haben. Niemand kann anzweifeln, daß wir es mit jener seit 1967 betriebenen Politik geschafft haben, mit einer Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts im Jahre 1968 in Höhe von real 7% und einer Steigerung des Lebenshaltungskostenindex von 1,5 % für dasselbe Jahr eine Verbindung zu erreichen, die für manche Länder, ja für die meisten Länder in unserer Nachbarschaft eine Traumkombination darstellt. Ich glaube, es wäre ein Fehler, wenn wir aktuelle konjunkturpolitische Beschlüsse oder möglicherweise kommende konjunkturpolitische Beschlüsse ohne Blick auf jenes Jahresendergebnis von 1968 fassen oder beurteilen würden.Übrigens, wenn manche meinen — das klang gestern auch etwas an —, es sei leichter gewesen, den Aufschwung herbeizuführen, als den Boom zu bändigen, so bitte ich doch, sich ein klein wenig daran zu erinnern, welche Mühe es die beteiligten Ressorts gekostet hat, im Jahre 1967 die Sonderabschreibungen, die beiden Konjunkturprogramme und den Wandel in unserer Geld- und Kreditpolitik durchzusetzen. Nun, in der neuen Lage, die auch Sie, meine Herren auf dem rechten Flügel, angeht, ist es doch unser aller Aufgabe, die Früchte des Wachstums und des Aufschwungs zu ernten. Auch Sie wollen davon ernten. Diese Früchte des Aufschwungs sollten nicht unreif vom Baum geschüttelt werden, etwa durch ein hektisches, überhastetes Abkappen der Konjunktur. Aber zugleich — und das ist die andere Seite — wollen und müssen wir verhindern, daß die Früchte des Wachstums in der zu starken Hitze eines exzessiven Booms verdorren und damit ebenfalls ungenießbar werden. Dieser doppelten Gefahr auf beiden Seiten will das Programm der Bundesregierung vom 18. März erneut begegnen.
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12084 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Bundesminister Dr. SchillerDabei mußten wir zweierlei tun: Wir mußten erstens rechtzeitig handeln und nicht erst eingreifen, wenn die Konjunktur tatsächlich überschäumt, wovon heute keine Rede sein kann. Wir waren' zweitens von vornherein allesamt, Bundesfinanzminister, Bundeswirtschaftsminister und Bundesbank, in den Vorbesprechungen und dann das Kabinett, darin einig und entschlossen: diesmal darf das Geschäft der konjunkturpolitischen Gegensteuerung im Aufschwung nicht, wie in den Jahren 1965/66 allein der Bundesbank überlassen bleiben.
Diesmal, so ist es unsere Absicht, sollen Bund, Länder und Gemeinden mit ihren Maßnahmen entsprechend dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz die Bundesbank entlasten.Nun gibt es einige Stimmen, die da meinen, die wohldosierten Maßnahmen der Bundesregierung seien dadurch verursacht, daß unsere früheren konjunkturanregenden Maßnahmen zu stark angelegt gewesen seien. Dazu muß ich sehr deutlich folgendes sagen:Erstens. Seit dem Zweiten Konjunktur- und Strukturprogramm des Bundes, der Länder und der Gemeinden vom Sommer 1967, dessen letzte Ausläufer bis in das Jahr 1968 hineinreichen, gab es kein weiteres Konjunkturprogramm.
Das sogenannte Dritte Konjunkturprogramm ist eine Legende. Meine Damen und Herren, es hat im Kabinett oder in einem Ressort nie, wenigstens nicht in den Ressorts, die ich übersehe, ein solches Drittes Konjunkturprogramm zur Debatte gestanden.
— Dann, lieber Herr Luda, sind Sie Mitglied eines Bundesressorts geworden, was ich sehr begrüßen würde, da Ihre Kräfte dann an irgendeiner Stelle nutzbringend verwertet würden, — nicht aber im Wirtschaftsministerium, was ich doppelt bedaure. Dort ist es nicht behandelt worden.
— Wir haben die letzte konjunkturpolitische Debatte anläßlich der I-Steuer gehabt. Das war im Januar 1968, und da ging es gerade darum, die I-Steuer für 1969 heraufzusetzen. Das hätte antizyklisch gewirkt und nicht wie heute die Senkung der I-Steuer, prozyklisch. Das sollen Sie wissen. Aber Sie müssen sich wirklich noch in einigen Ministerien umtun; vielleicht erfahren Sie dann mehr.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Minister?
Gerne.
Herr Bundesminister, erinnern Sie sich an die Kampfabstimmung im Kabinett, wo es sich darum handelte, die Investitionsteuer von 8 % auf 5 % herabzusetzen, und wo dieser Antrag mit den Stimmen der Minister aus der CDU/CSU abgelehnt wurde?
Ich kann Ihnen sagen — ich habe es soeben erwähnt —: Es ging um eine Abstimmung über die Herabsetzung der Steuer von 8 % auf 6 % oder über eine Egalisierung. Das war im Januar 1968. Es war kein drittes Konjunkturprogramm; im Gegenteil. Wenn man im Jahre 1968 von 8 auf 6 % gesenkt hätte und es jetzt bei 7 % belassen hätte — das war der Plan —, dann hätte man eine antizyklische Bewegung der Investitionssteuer. Ein Teil der heutigen expansiven Tendenzen im Rahmen der Maschinenbau- und Investitionsgüterindustrie ist doch tatsächlich auf die Absenkung der Investitionssteuer von 8 auf 7 % in diesem Jahr zurückzuführen. Aber Sie werden wirklich nicht behaupten können, daß diese eine Maßnahme vom Januar 1968, über die man verschiedener Meinung sein konnte und die einmal entschieden werden mußte, ein drittes Konjunkturprogramm darstellt. Davon kann gar keine Rede sein.
— Nein, das sollte gleichzeitig eine Maßnahme zur Stabilisierung der Preise darstellen.
— Ja natürlich. Aber Sie sprechen nun nicht über ein drittes Konjunkturprogramm, sondern Sie sprechen ja wirklich über den Schnee vom vorletzten Winter.
Da wird eine Legende kreiert. Ein Bundesminister, den ich außerordentlich schätze und den ich in vielen Fällen sehr unterstützt habe, weil er es bei manchen harten Entscheidungen sehr schwer hatte, hat sich neuerdings auch geäußert, im Frühjahr 1968 habe es so etwas wie eine Debatte um ein drittes Konjunkturprogramm gegeben. Ich muß Ihnen sagen, Herr Luda, daß das ein reiner Gedächtnisfehler bei dem von mir im übrigen sehr verehrten früheren und jetzigen Kollegen von der anderen Seite ist.Zweitens. Wer trotz dieser Tatsachen heute behauptet — und der Bundesfinanzminister hat sich im Kabinett dahingehend ausgesprochen, daß er mit mir in der Dosierung, die wir damals vorgenommen haben, einig ist —, wir hätten zu lange und zuviel angekurbelt, der plädiert doch nachträglich für Verlängerung der Arbeitslosigkeit, für Verschärfung der Strukturkrisen, für Verschleuderung von Sozialprodukt und, was manche nicht bedenken, für einen noch höheren Exportüberschuß als gehabt und damit für eine stärkere Notwendigkeit der außenwirtschaftlichen Absicherung.Ein Drittes. Wer unbelehrbar darauf beharrt, daß wir uns zu lange auf expansivem Kurs befunden hätten, übersieht folgende Realitäten: Seit Sommer 1968 war es klar, daß die autonomen Kräfte des
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Bundesminister Dr. SchillerMarktes den Aufschwung in voller Stärke selbst tragen. Wir können nun sehr leicht nachweisen, daß eine Reihe von schon beschlossenen Maßnahmen oder von neuen politischen Entscheidungen rechtzeitig gegen eine weitere Expansion der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage gerichtet war. Das waren einmal die, wie man es in den angelsächsischen Ländern nennt, „eingebauten Stabilisatoren", d. h. die schon vorher gegebenen Entscheidungen, die gegen die Expansion der Nachfrage gerichtet waren. Wir sind doch in diesen Aufschwung mit steigenden Steuer- und Beitragssätzen hineingegangen — ich sage das ganz wertfrei. Ich halte das in diesem Fall für positiv —, z. B. mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer am 1. April 1968 und — bei aller sozialpolitischen Problematik — mit der Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge um 1 % vom 1. Januar 1969 an. Beides war, sehen wir von den sozialen Folgen ab, doch ein Beitrag zur antizyklischen Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Die zweite, wichtigste und deutlichste stabilitätspolitische Maßnahme, die weithin sichtbar allen als solche bewußt wurde, war natürlich das Gesetz zur außenwirtschaftlichen Absicherung vom 30. November 1968.Alles das zeigt uns doch: Es wäre ein fundamentaler Irrtum, den Aufschwung der Jahre 1968/69 in irgendeine Parallele mit den Jahren 1965/66 zu bringen. Damals — das wissen Sie doch alle — begann das Spiel mit einer ausgesprochen prozyklischen Maßnahme, nämlich der Einkommensteuersenkung vom November 1964. Die öffentlichen Hände steigerten sodann ihre Ausgaben mit Hilfe vermehrter Kreditaufnahmen, und so wurde, wie wir damals alle festgestellt haben, 1965 das Jahr der konjunkturpolitischen Sünde, besonders der öffentlichen Hände, — einer Sünde, der dann unweigerlich die Restriktionen durch die Notenbank jeweils auf dem Fuße folgten, bis hinein in den dann schon 1966 erfolgten Rückschlag. Denken Sie an die letzte Diskonterhöhung im Mai 1966.
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Ertl? —
Herr Minister, stimmen Sie mir zu, daß es sich bei den Einkommensteuersenkungen im Jahre 1964 vorwiegend um die Beseitigung des sogenannten Mittelstandsbogens handelte,
— nein, ich spreche für Iden Herrn Minister und seine körperliche Verfassung —
und sind Sie nicht der Meinung, daß diese Begradigung sozial damals längst überfällig war?
Sicherlich war das eine strukturell durchaus zu begründende Maßnahme. Nur konjunkturpolitisch, lieber Herr Kollege, war sie absolut falsch terminiert. Sie wirkte in dem Augenblick prozyklisch und trug zu der Überexpansion der öffentlichen Ausgaben mit Kreditaufnahmen im Jahre 1965 bei. Darüber sind wir, glaube ich, alle einig. Ich mache
Ihnen übrigens keinen Vorwurf; denn ich weiß, daß
wir alle zusammen Sünder auf diesem Gebiet waren.
Ich sage das, meine Damen und Herren, um die heutige Lage zu kennzeichnen. Der entscheidende Unterschied dm augenblicklichen Aufschwung ist also der: Heute stehen wir nicht in einer Überexpansion, die sozusagen durch fiskalische Kraftnahrung hervorgerufen wurde. Im Gegenteil, die Maßnahmen des letzten Jahres seit Juli 1968 und die neuen Maßnahmen der Bundesregierung wollen ja gerade das Abrutschen der öffentlichen Hände 'in eine Überexpansion der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage vermeiden.
Nun, meine Damen und Herren, möchte ich noch in anderer Hinsicht den Aufschwung dieser Jahre im Verhältnis und Vergleich zu früheren Jahren charakterisieren. Ich meine — und das muß auch an dieser Stelle, da wir uns über dämpfende Maßnahmen unterhalten, gesagt werden — die Lohnpolitik der Tarifvertragsparteien auf beiden Seiten. Wir hatten bekanntlich im Jahreswirtschaftsbericht 1968 ein Orientierungsdatum für die Tariflohnsteigerungen auf Stundenbasis von 4 bis 5 % formuliert. Tatsächlich haben wir bis Ende 1968 im Endergebnis eine Tariflohnerhöhung von 4 1/2% erreicht.
Das Resultat dieser Feststellung ist, glaube ich, klar: niemand kann heute behaupten, daß wir uns in einer Überhitzung befänden, die durch eine aggressive Tariflohnpolitik der deutschen Gewerkschaften verursacht sei.
Es dürfte dieses Hohe Haus interessieren, daß noch in der neuesten Veranstaltung im Rahmen der konzertierten Aktion am 28. Februar dieses Jahres alle Beteiligten, und zwar auch alle Repräsentanten der Unternehmerverbände, in voller Übereinstimmung mit den übrigen Beteiligten folgenden Satz unterschrieben haben:
Die Beteiligten stellten fest, daß im bisherigen Verlauf des Aufschwungs die Entwicklung des Preisniveaus durch andere Faktoren 'al's durch die Tariflohnpolitik bestimmt worden ist.
— Das ist die Ausgangsbasis, von der wir bis heute auszugehen haben. Wir haben jetzt für Ute im Sinne der Orientierung für das weitere Jahr Weichen zu stellen, damit wir bei diesem 'Ergebnis stehenbleiben können, das von beiden Seiten bekräftigt ist.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage? — Bitte, Herr Dr. Burgbacher!
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß zwischen der anerkennenswerten Tatsache, daß sich im Jahre 1968 die Löhne und Gehälter nur zwischen 4 und 5% erhöht haben, und der ebenso anerkennenswerten Tatsache, daß sich die Preise in diesem Zeitraum nur um 1,5% erhöht haben, ein unlösbarer, enger Zusammenhang
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Dr. Burgbacherbesteht, der fraglich wäre, wenn Löhne und Gehälter entsprechend dem Wachstum gestiegen wären?
— Die ist ja differenziert.
Herr Kollege Burgbacher, darf ich Ihnen eine Antwort geben: dieser unlösbare Zusammenhang unmittelbar in einem Jahr besteht nicht. Sie begehen den leichten Fehler der, wie die Sachverständigen es nennen — ich habe noch keinen anderen Ausdruck dafür gefunden —, Simultanzurechnung, indem Sie meinen, daß augenblicklich stattfindende Lohnerhöhungen die Ursache für gleichzeitig in derselben Lohnperiode stattfindende Preiserhöhungen sind. So geht es nicht. Sie wissen ganz genau, daß dies ein Prozeß ist, der sich über mehr als ein Jahr erstrekken und sowohl von der Nachfrage- als auch von der Kostenseite her kommen kann.
Ich würde eher sagen, Herr Burgbacher: wir wären heute in bezug auf die Steigerung des Preisindex für die Lebenshaltung in Höhe von 2,3 %, die ohnehin — worüber wir uns alle einig sind — überwiegend durch administrative Preiserhöhungen bedingt ist, in einer weitaus schwierigeren Situation, wenn sich die Gewerkschaften nicht schon im vorigen Jahr in diesem Punkt
so verhalten hätten.
Ich möchte aber gerade zu der jetzigen Situation kommen.
Herr Minister, der Abgeordnete Luda steht zu einer Frage bereit. Sind Sie zur Beantwortung bereit?
Ja, bitte!
Herr Minister, was die Bedeutung der Lohnpolitik der Gewerkschaften im Jahre 1968 betrifft, gebe ich Ihnen völlig recht. Aber sind Sie nicht bereit, dem Sachverständigenrat recht zu geben, der die Haltung der Gewerkschaften auf Ihre Zielprojektion zurückgeführt hat, die darauf hinauslief, daß für das Jahr 1968 ein reales Wachstum von 4 % zu erwarten sei, die darauf hinauslief, daß sich die Lohnsteigerungsrate deshalb bis zu 5 % entwickeln dürfe, während in Wahrheit dann die reale Steigerungsrate 6,9 % betragen hat, und würden Sie der Auffassung des Sachverständigenrats zustimmen, daß der Gewerkschaftsbund, wenn er nicht auf Ihre falschen Projektionen vertraut hätte, eine um 2 % höhere Lohnsteigerungsrate konjunkturneutral hätte durchsetzen können?Dr. Schiller: Bundesminister für Wirtschaft: Lieber Herr Luda, ich kann Ihnen darauf zweierlei antworten. Erstens. Wir haben bis Sommer vorigen Jahres gesehen, daß die Tarifvertragsparteien auf Grund des Schocks durch die Rezession bei ihren bisherigen Abschlüssen noch nicht einmal weit über 4 % hinausgegangen sind. Deswegen bin ich — nicht zur Freude von Ihnen allen — das ganze restliche Jahr 1968 durch die Lande gezogen und habe gesagt: Nutzt diese Orientierungsspanne aus, die ja auch noch sektorale und regionale Ausnahmen ermöglicht.Ein zweites. Wir haben in der konzertierten Aktion im Sommer 1968 allesamt, Unternehmer, Gewerkschaften und Regierungsvertreter, festgestellt, daß es eine Möglichkeit gibt, die zu niedrig angesetzten Orientierungsdaten auch und gerade für die Lohnbewegung nach oben zu korrigieren. Das, Herr Luda, ist im Sommer vorigen Jahres klar und deutlich von den Gewerkschaften und der Mehrheit der Verbände der Unternehmer ausgesprochen worden. Die Lohnfortzahlung für Arbeiter im Krankheitsfall war das Mittel, die Sache nach oben zu bringen.
Ihr und mein Kollege Katzer und ich selber stehen vor der bedauerlichen Tatsache, daß eine im richtigen Augenblick von den Gewerkschaften und einem Teil der Unternehmerverbände eingeleitete Initiative zur Korrektur nach oben und damit zur Durchführung einer Reform, die schon lange fällig war, über den Zeitpunkt hinaus, wo sie konjunkturpolitisch ganz richtig war, aus vielen anderen Gründen, über die wir gar nicht reden wollen, so lange verschleppt wurde, daß wir praktisch einen Zeitverlust von einem Jahr für die Initiative vom 5. Juli 1968 zu registrieren haben werden. Das ist allerdings eine andere Sache, die nicht jene Initiative und auch nicht den Bundeswirtschaftsminister betrifft.Meine Damen und Herren, ich komme nun zur Situation von heute, die die Bundesregierung zum Handeln veranlaßt. Alle unsere Statistiken — der Herr Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen — deuten darauf hin, daß auch bei der erfolgten außenwirtschaftlichen Absicherung die autonomen Kräfte des Aufschwungs weiterhin sehr stark sind. Dabei stellen wie jetzt allerdings eine stärkere Erhöhung der Auftragseingänge aus dem Inland im Vergleich zu den Auftragseingängen aus dem Ausland fest. In dieser seit der Jahreswende festzustellenden Differenzierung zeigt sich schon deutlich eine Auswirkung unserer Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung. Zugleich aber, und auch das sollte bei dieser rasch nach oben gehenden Produktion, die mehr von der Inlandseite, aber doch auch sehr temperamentvoll von der Ausfuhrseite her angeregt wird, betont werden, konstatieren wir eine überraschend große Elastizität unseres Produktionsapparates, vor allem in der Industrie. Die gesamtwirtschaftliche Produktivität pro Beschäftigten ist im Jahre 1968 um 6,6 % gestiegen, während die Steigerung 1967 nur 3,4 % betragen hatte. Damit ist doch wohl das Märchen beseitigt —
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Bundesminister Dr. Schillerdas ist auch so eine Legende, die immer in der neuen, aber nicht verbesserten Ausgabe von Grimms Märchen aufbewahrt wurde —, daß der eigentliche Produktivitätsfortschritt in der Rezession stattfinde. Im Gegenteil: den ganz großen Produktivitätsfortschritt haben wir im Jahr des steilen Aufschwungs, im Jahr 1968 gemacht. Das Jahr 1968 war — ich gebrauche das Wort nicht gern, es kommt von der industriellen Seite — in der deutschen Wirtschaft ein Jahr des Produktivitätswunders.
— Das ist einfach das Produktionsergebnis in Bezug zur Beschäftigten- und Stundenzahl
unmittelbar in den Produktionsstätten, und nicht die Auswirkung von Lohnerhöhungen. Aber lieber Herr Luda, Sie haben leider meinen nächsten Satz nicht lesen können; so weit reicht Ihr Scharfsinn nicht.
.
Wenn wir nämlich diesen Produktivitätszuwachs von 6,6 % im Jahre 1968 pro Beschäftigten mit der Lohnentwicklung im Jahre 1968, auch mit der Effektivlohnentwicklung vergleichen, Herr Luda, dann erkennen wir wohl alle noch einmal die maßvolle Haltung der deutschen Gewerkschaften.
Ich glaube, manch einer der — sehr kooperativ in der konzertierten Aktion mitwirkenden — Arbeitgeberverbände, der früher die Theorie des sogenannten produktivitätsbezogenen Lohns vertreten hat, wird in Anbetracht der Ergebnisse des Jahres 1968 ein bißchen nachdenklich werden und die ganze Theorie ein bißchen bedauern, denn aus ihr ergibt sich sehr leicht die These von dem berechenbaren Nachholbedarf auf der Basis des von den Arbeitgebern jahrelang vertretenen Grundsatzes des produktivitätsbezogenen Lohnes. — Aber das nur nebenbei.Ich komme auf die Auswirkung unserer Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung vom November zurück. Denn das alles fließt ja zusammen mit anderen Faktoren und zusammen mit den Maßnahmen, die die Bundesregierung am 18. März beschlossen hat.Zu der Auswirkung der außenwirtschaftlichen Absicherung darf ich folgendes sagen. Wir hatten das ganze Jahr 1968 hindurch, bis zum November, einen Abfall unserer Ausfuhrpreise. Im Dezember 1968 — nach Wirksamwerden der Exportsteuer — und besonders im Januar 1969 haben wir für beide Monate zusammen, eine Ausfuhrpreissteigerung in Deutschland von 2,6 % zu verzeichnen. Auf Investitionsgüter, also auf Maschinen, entfällt eine Ausfuhrpreissteigerung von 3,6 %. Hier zeigt sich also, daß ein Teil der Exportsteuer auf die ausländischen Abnehmer abgewälzt werden konnte und daß die außenwirtschaftliche Absicherung effektiv ist.
Ein Teil der so stärker belasteten Produzenten wendet sich dem Binnenmarkt zu. Die Exportzunahme im Monat Januar gegenüber dem Vorjahr beträgt nur 5 %. Der gesamte deutsche Export ist im Dezember und zu Jahresanfang gewiß verzerrt, Herr Luda, weil wir im Dezember jenen Exportstoß durch die Abwicklung von Altverträgen hatten, die hier in diesem Hause als Kompromiß ausgehandelt wurde. Aber sicherlich zeigt sich der Trend noch deutlicher auf der Einfuhrseite, deren Entwicklung ja nicht durch irgendwelche Kompromisse beeinflußt worden ist. Im Januar 1969 lag die deutsche Einfuhr um 25 % über dem Niveau des entsprechenden Vorjahresmonats.
— Auch bei einem Vergleich mit Dezember ergibt sich eine Steigerung.
— Sie müssen beides nehmen, und in beidem schlägt sich zweierlei nieder: Importverbilligung mit Mehreinfuhren und natürlich der weitergehende innere Aufschwung mit der weitergehenden inneren Nachfrageexpansion, mit der Stärkung des Binnenmarktes, die wir wollen.Bei dieser Betrachtung der außenwirtschaftlichen Absicherung möchte ich eine meiner früheren Aussagen wiederholen, und zwar mit allem Bedacht, gerade weil dieses steuerpolitische Gesetz immer noch sehr stark im Mittelpunkt des Streites der Wagen und Gesänge steht. Erst war es das geringere Übel, dann ein Ungeheuer. Nun hat man sich ein bißchen damit abgefunden. Einige bezahlen das so etwas aus der Westentasche; das ist nun alles sehr verschieden. Ich möchte wie derholen: Die außenwirtschaftliche Absicherung war und ist notwendig. Wir haben damals den steuerpolitischen Weg der außenwirtschaftlichen Absicherung nicht aus dogmatischen Gründen gewählt. Wir haben ihn in der Bundesregierung gewählt, um uns die politische Handlungsfreiheit gegenüber Veränderungen im Ausland zu erhalten. Im übrigen können wir — wie immer bei solchen Maßnahmen — den vollen, umfassenden Effekt der außenwirtschaftlichen Absicherung, der Quasi-Aufwertung, der steuerpolitischen Aufwertung, jetzt noch nicht beurteilen. Ich habe in meinem Ministerium viele und sehr verdiente Experten, die den entsprechenden valutarischen Vorgang im Jahre 1961 mitgemacht haben. Sie haben mir bestätigt, daß sie sich genauso wie wir heute monatelang in einem Übergangsstadium befanden und Monat für Monat aus den Aus- und Einfuhren, den Preis- und Produktionstatistiken die Auswirkungen der damaligen valutarischen Maßnahme zu erkennen versuchten. Wir befinden uns jetzt noch immer in diesem Übergangsstadium, und schon deshalb kann sich die Bundesregierung nicht der These einer allgemeinen, aktuellen Überhitzung der Konjunktur anschließen, einer These, die bisher manchmal draußen — nicht in diesem Hause — vertreten wurde und mit der man so tat, als ob wir uns in voller Überhitzung
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12088 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Bundesminister Dr. Schillerund in offener Inflation befänden, wovon keine Rede sein kann.
Allerdings mußten wir seit Herbst vorigen Jahres sehr sorgsam gewisse immanente Preissteigerungstendenzen registrieren. Ich muß aber noch einmal sagen: Bei einer Zunahme des Lebenshaltungskostenindex von 2,3 % für Februar dieses Jahres gegenüber dem Februar 1968 — das ist die letzte Zahl — einer Zunahme, die zudem überwiegend durch administrative, vom Gesetzgeber gewollte Preisentzerrungen bestimmt ist, ist es völlig unangebracht, in eine allgemeine Preishysterie zu verfallen.
Es gab manche Stimmen draußen, die das Klima unnötigerweise angeheizt haben. Trotzdem mußten und müssen wir in der Bundesregierung wachsam sein, einmal, weil besonders im Investitionsgüterbereich eine starke in- und ausländische Nachfrage wirksam ist, und vor allem, weil wir in einer Welt leben, in der unsere wichtigsten Handelspartner jährliche Preissteigerungsraten im Lebenshaltungskostenindex von 4,5 oder 6 % im letzten Jahr verzeichnet haben oder in diesem Jahr noch verzeichnen.Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen für die Bedingungen, unter denen wir gegenüber dem Ausland in bezug auf diese Preisdisparitäten leben. Für die USA wurde nach der scharfen Steuererhöhung im Sommer vorigen Jahres von allen, auch von der neuen Administration, gesagt, die wirkliche Dämpfung, der wirkliche Einbruch in der Nachfrage und die wirkliche Reduktion der Inflation würden im ersten Quartal 1969 eintreten.
Das war die allgemeine Meinung. Jetzt sehen wir, daß alle Indikatoren in den USA in diesem ersten Quartal 1969 la hausse gerichtet sind. Es kann keine Rede davon sein, daß dieser Einbruch erfolgt ist, obgleich die neue Administration gerade in diesem Punkte besonders nachdrücklich geschworen hat, sie wolle die Bekämpfung der Inflation kontinuierlich fortsetzen.Was die Länder der Europäischen Gemeinschaft betrifft, so darf ich aus einem ganz neuen Papier der Brüsseler Kommission folgendes — mit Erlaubnis des Präsidenten — wörtlich zitieren:Errechnet man die Abweichungen der Preisniveauentwicklung jedes Mitgliedslandes zwischen 1966 und 1969 im Vergleich zu Deutschland, das die geringsten Preissteigerungen aufweist, so zeigen sich bezogen auf 1966 die folgenden prozentualen Divergenzen des Preisniveaus: Deutschland/Italien 1,7 %, Deutschland/ Belgien 5,5%, Deutschland/Niederlande 7,0 %, Deutschland/Frankreich 8,4 %.Meine Damen und Herren, das ist also die Welt, in der wir leben und in der wir versuchen müssen, mit allen Anstrengungen — übrigens im Augenblick und schon eine ganze Weile zusammen mit Italien — so etwas wie eine Stabilitätsinsel sogar innerhalb derEWG zu bilden. So müssen wir unsere Lage angesichts solcher Preisdisparitäten zu unseren Handelspartnern sehen, in einem Lande, in dem mehr als 20% der verbrauchten Güter aus dem Ausland stammen und von dessen Produktion gut 25 % in das Ausland gehen.Trotzdem gibt es Leute im Lande, die zwar für Stabilität sind, die dafür eintreten — das ist eine schöne Sache —, die dafür schwärmen, die aber noch nicht wissen oder nicht erkannt haben, daß Stabilität in einer solchen Welt nur mit großen Anstrengungen zu erreichen oder zu halten ist. Sicher hat das Absicherungsgesetz — und das ist eine seiner wirklich guten Seiten außer dem Inhalt selbst mit den 4% —vielen im Lande klargemacht, daß das Problem der Preisdisparitäten, d. h. der außenwirtschaftlichen Absicherung als politischer Maßnahme, wirklich existiert. Und mit den neuen Maßnahmen der Bundesregierung vom 18. März haben wohl nun auch andere erkannt, daß Stabilität wehtun kann, wenn man es ernst damit meint. Ich denke weniger daran, daß das in einzelnen Ressorts wehtut, sondern ich denke dabei vor allen Dingen daran, daß es bei denjenigen wehtut, die uns wegen einer Förderung der Einfuhr in die Bundesrepublik zum Zwecke der Stabilität waschkörbeweise Fernschreiben ins Haus geschickt haben. Trotzdem, meine Damen und Herren: dieses Problem wird draußen in der allgemeinen Debatte immer noch — sagen wir einmal — im Sinne des Unvereinbaren, das man einfach vereint, dargestellt. Wer z. B. lauthals mehr Preisstabilität in diesem Lande fordert, sich jedoch gleichzeitig gegen Maßnahmen der außenwirtschaftlichen Absicherung wendet, verstößt gegen die elementaren Regeln der Logik.Ich kann ein zweites Beispiel geben. Jeder von uns weiß, daß die marktwirtschaftliche Ordnung, die mit einem regen und möglichst unbeschränkten Leistungswettbewerb verbunden ist, zu den Grundlagen des Wiederaufstiegs unserer Volkswirtschaft nach dem Kriege gehört. Mit diesem Satz sind Sie sicherlich einverstanden.
Wir wissen aber auch, daß es in unserer Volkswirtschaft, so wie sie ist, immer noch zahlreiche Wettbewerbsbeschränkungen gibt, etwa durch ganz bestimmte Preisbindungen in der Zahl von über 100 000.
Meine Damen und Herren, diejenigen, die die Aufrechterhaltung jener Wettbewerbsbeschränkungen — sprich: Preisbindungen — befürworten, mögen ihre guten Gründe haben, und ich respektiere sie. Ich sage das ohne Polemik. Ich respektiere sie so, wie man Mehrheitsbeschlüsse zu respektieren hat. Aber wie jemand in dieser Lage in Deutschland nach mehr Preisstabilität rufen und gleichzeitig jene Wettbewerbsbeschränkungen befürworten kann, bleibt mir nach wie vor rätselhaft.
Das nur wollte ich sagen. Das ist ein Widerspruch in sich.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12089
Bundesminister Dr. SchillerEs gibt noch ein drittes. Manche meinen, Bundesregierung und Bundesbank hätten härter einzugreifen. Dabei wissen wir, daß scharfe restriktive Maßnahmen die binnenländische Nachfrage zurückdrängen und unseren Exportdruck erhöhen würden. Ein scharfer Restriktionskurs würde unweigerlich, wie man in der Bundesbank mit Recht sagt, „selfdefeating" sein, d. h. eines Tages zu einer Umkehr der Geld- und Kapitalströme in die Bundesrepublik führen und damit eine neue währungspolitische Situation verursachen.Ich sage deswegen also: Wer für Preisstabilität, aber gegen Maßnahmen der außenwirtschaftlichen Absicherung ist und dazu gleichzeitig für einen scharfen Restriktionskurs plädiert, verstößt noch mehr als die anderen beiden, die ich nannte, gegen die Regeln der ökonomischen Logik. Wir allesamt in diesem Hause sollten die gegebene, sehr diffizile Problematik unserer heimischen Stabilitätspolitik und unserer Außenwirtschaftslage mit der Überschußposition nüchtern erkennen und in dem Geist jener intelektuellen Redlichkeit behandeln, wie Max Weber sie von Wissenschaftlern und Politikern immer wieder gefordert hat.Meine Damen und Herren, ich sagte schon vorhin, daß wir selber die Preisentwicklung sehr genau und kritisch beobachten. Ich will das alles nicht verniedlichen, was sich zur Zeit zeigt. Dennoch ist der Vergleich mit den Steigerungsraten des Preisindex für die Lebenshaltung interessant, die in früheren Aufschwüngen jeweils den Höhepunkt bildeten. Dabei sehe ich natürlich von den exorbitanten Preissteigerungsraten des ersten Booms, des Korea-Booms, ab. Die zweite Spitze — nach dem zweiten Boom — wurde im Mai 1956 mit einer Steigerungsrate von 3,7 % erreicht. Die dritte Spitze — nach dem dritten Boom — wurde im Februar 1963 mit 4,1 % und die vierte im April 1966 mit 4,5 % erklommen.So weit die Preisstatistik. Ich sage das ohne Wertung. Das alles ist kein Vorbild. Aber dieser Rückblick auf die Preisstatistik sollte der Ernüchterung der allgemeinen Diskussion über eine Preisindexänderung von 2,3% dienen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Luda?
Jawohl.
Herr Minister, darf ich fragen, auf welchen Zeitraum sich die Steigerungsraten von 3,7, 4,1, 4,5 % jeweils beziehen?
Jeweils auf den Vorjahreszeitraum, also auf den Vorjahresmonat.
Sind das monatliche Steigerungsraten?
Nein: Jahresraten, bezogen auf den Vorjahresmonat. Es ist genauso, wie wenn wir heute von 2,3 % im Februar sprechen. Dann vergleichen wir Februar 1969 mit Februar 1968. So ist bei all den Zahlen der jeweilige Jahresvergleich Monat zu Monat gewesen.
Das habe ich verstanden, Herr Minister. Es sind also keine Kalenderjahresdurchschnittszahlen, sondern monatliche Durchschnittszahlen.
Nein:
Dann habe ich jetzt die sachliche Frage, Herr Minister: das müssen Sie meines Erachtens doch in Bezug setzen zu dem letzten Monatsbericht der Bundesbank, wo dargestellt wurde, daß die Preissteigerungsrate in den letzten sechs Kalendermonaten 2% betragen hat.
1,7!
Die Bundesbank schreibt 2 %. — Wenn man das auf das Jahr, also auf 12 Monate umlegt, sind es 4 %, und die haben wir für ein ganzes Jahr noch niemals gehabt. Das, was Sie eben gesagt haben, waren immer nur Zeiträume von einem Monat.
Herr Luda, Sie haben bei dieser Sache zwei Dinge übersehen: erstens, daß wir inzwischen die Auswirkung des außenwirtschaftlichen Absicherungsgesetzes erlebt haben als ein Mittel, durch Exportbesteuerung und Importverbilligung zur Preisstabilität beizutragen, und zum zweiten, daß wir neue Maßnahmen ergriffen haben. Wir haben also zweimal gehandelt.
Im übrigen gibt es nicht 4 %, sondern einmal 1,7. Alles andere ist noch offen.
Herr Bundesminister, würden Sie eine weitere Frage — von Herrn Illerhaus — zulassen?
Ja.
Herr Bundesminister, Sie haben wiederum einmal eine Attacke für das Verbot der Preisbindung der zweiten Hand geritten.
Das ist aber schon lange her.
Nein, jetzt gerade im Augenblick, vor zehn Minuten. — Im Rahmen der Diskussion um die Preisentwicklung haben Sie jetzt immerhin die Spitzen der verschiedenen Preisstei-
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Illerhausgerungsbooms der letzten Jahre genannt. Glauben Sie wirklich, daß sich bei einem Verbot der Preisbindung diese Preissteigerungsraten in Prozenten hinter dem Komma noch ausdrücken würden, wenn Sie das gesamte Preisniveau nehmen?
Ich kann Ihnen schlicht und ergreifend die urdeutsche Antwort geben: jawohl.
Würden Sie eine weitere Frage gestatten?
Es hat bisher keine Auflösung einer Preisbindung der zweiten Handgegeben, die nicht mit erklecklichen Preissenkungen verbunden war.
Darf ich eine Zusatzfrage stellen, Herr Bundesminister. Sind Sie nicht mit mir auch der Meinung, daß, wenn es zu einem Verbot der Preisbindung käme, die Gesamtkalkulation in den einzelnen Unternehmungen geändert werden müßte, um zu einer Rendite zu gelangen, und daß das Preisniveau als Ganzes sich verändern würde?
Herr Illerhaus, die Rechnung, die Herr Gewandt einmal in jenem sagenhaften Elysium, genannt Kreßbronner Kreis, aufgemacht hat, wo er, wie ich auch, zu Gast geladen war, war die: 10 % ,aller Waren, die über den Ladentisch gehen, gleich welcher Art, ob konventioneller Einzelhandel oder inkonventioneller Einzelhandel — wie ich das neulich gelernt habe —, sind preisgebunden.
— Herr Gewandt hat aber behauptet: 10 %. — Nehmen wir nur an, das würde aufgehoben. Es gibt jetzt so schöne Listen im Register; Sie können das ja alles nachlesen. Es gibt bei besonderen Artikeln Spannen von 200, 300%. Wenn wir bloß annehmen, daß im Schnitt bei diesen 10 % nur um 10 % gesenkt wird, Herr Illerhaus, dann wäre von dem Gesamtindex der Einzelhandelspreise, von 2,3%, um davon mal auszugehen, durch die Aufhebung der Preisbindung der zweiten Hand .die Hälfte weg.
— Herr Illerhaus, ich habe hier keinen Antrag eingereicht; ich habe gesagt: ich respektiere Mehrheitsbeschlüsse. Ich habe nur gesagt: man kann nicht zweierlei gleichzeitig sagen. Man kann nicht sagen: wir sind für ganz harte, absolute Preisstabilität, und wir wollen zugleich Wettbewerbsbeschränkungen und die Preisbindung der zweiten Hand. Das kann man nicht zusammen sagen.
Meine Damen und Herren, zu dem neuen Programm der Bundesregierung, soweit es den haushaltswirtschaftlichen Teil darstellt, hat der Bundesfinanzminister das Nötige gesagt.
— Das Nötige und das Angebrachte! — Es bedeutet, daß alle Einnahmen über die bisherigen Schätzungen hinaus nicht zu Mehrausgaben führen und daß bei Bund, Ländern und Gemeinden — abgesehen von den Investitionsaufgaben der Gemeinden — dann bis zu 3,5 Milliarden DM öffentlicher Mittel entweder für die kommenden Monate gestreckt oder, was dasselbe ist, als öffentliche Nachfrage hinausgeschoben und der Schuldentilgung zugeführt werden.
Ich weiß gar nicht, warum Sie so erregt sind.
— Seien Sie ganz ruhig. Ich soll Ihnen ja Bericht erstatten über das, was wir beschlossen haben und was Ihnen vorliegt.
Der Beitrag der Wirtschaft bei der Operation „Steuervorauszahlung" soll ungefähr 1 bis 1 1/2 Milliarden DM erbringen, ein Liquiditätsentzug im Sinne der Einengung der privaten Nachfrage. Gleichzeitig soll die Kontingentsaufstockung, das wissen Sie, eine Importvermehrung um etwa 500 Millionen DM erbringen. Wir wissen, daß dabei die Mengen für die einzelnen Industriezweige nicht von Bedeutung sind, daß sie aber für die Preisbildung auf bestimmten Märkten von besonderer Bedeutung sind. Meine Damen und Herren, im übrigen haben wir hier die Klausel angebracht — ich beziehe mich da auf den Bundesfinanzminister —, daß wir bei dieser Importaufstockung auf besondere strukturelle und regionale Probleme Rücksicht nehmen wollen und daß wir unsere regionale und sektorale Strukturpolitik unabhängig von den Ausgabeverschiebungen fortsetzen.Meine Damen und Herren, wenn wir das Ganze überblicken, wissen wir, daß wir auf unserer Seite den Beitrag gegenüber der Bundesbank geleistet haben, der ihr ermöglicht, eine bilanzorientierte Geldpolitik fortzusetzen. Wir wissen, daß die Aufgabe der Bundesbank — das ist Herrn Ertl sicherlich alles geläufig — gar nicht leicht ist. Im Gegenteil! Die Bundesbank ist in einer besonders delikaten Position. Sie hält insbesondere an unserer außenwirtschaftlichen Flanke Wacht. An dieser außenwirtschaftlichen Flanke sind wir verwundbar, und zwar durch die Preissteigerungen im Ausland und deshalb, weil wir uns im internationalen Währungssystem seit der Krise vom November und seit der Bonner Konferenz der Gruppe der Zehn immer noch in einem Zustand der Rekonvaleszenz befinden. Mehrere Defizitländer haben mutig eigene Maßnahmen zur Korrektur ihrer eigenen Fehlentwicklungen ergriffen, aber es bedarf von unserer Seite gegenüber dem Rekonvaleszenten „internationale
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Bundesminister Dr. SchillerWährungsordnung" einer besonders vorsichtigen Politik. Auch deswegen also unser Wunsch — nicht aus eigenem Interesse allein —, der Bundesbank ihr schwieriges Geschäft zu erleichtern.Der Bundesfinanzminister hat schon auf die heute gefaßten flankierenden Beschlüsse des Zentralbankrates hingewiesen, Rediskontkontingentkürzung um 20 % bzw. bei den Privatbankiers um 10%, Wiederherstellung der alten Spanne von 1 % zwischen Lombard- und Diskontsatz, der selber unverändert bleibt. Ebenfalls unverändert — das darf ich noch hinzufügen — bleiben die Mindestreservebestimmungen.Sie sehen, genauso wie wir geht auch die Bundesbank mit ihren heutigen Beschlüssen schon wegen der außenwirtschaftlichen Lage sehr behutsam vor. Die Maßnahmen der Bundesregierung und der Bundesbank bringen uns keinen Bruch in unsere Konjunkturentwicklung. Sie bringen uns keine Freisetsetzung von Arbeitskräften oder von industriellen Kapazitäten. Wir dienen damit unserem eigenen Interesse, aber auch dem der anderen Länder.Ich war gerade in den letzten Wochen in mehreren Hauptstädten unserer Nachbarländer, und immer wieder habe ich — auch bei der Europäischen Kommission — folgendes festgestellt: Nirgends wurde irgendein Wunsch geäußert oder gar eine Pression auf uns in bezug auf Änderung unseres eigenen finanz- und wirtschaftspolitischen Kurses ausübt. Aber in einem waren sich die Brüsseler Kommision und die Regierungen in Rom und Paris einig. Sie hatten einen deutlichen Wunsch, nämlich den, Deutschland möge nicht etwa zu einer abrupten Drosselung seiner eigenen Konjunktur übergehen. Dieser Wunsch scheint mir berechtigt zu sein, im Interesse der Partnerländer und in unserem deutschen sowie im europäischen Interesse.Was das Programm insgesamt angeht, so lege ich Wert darauf festzustellen, daß es im ganzen außerordentlich flexibel gehalten ist. Es ist ausdrücklich gesagt, daß es zu einem bestimmten Datum überprüft werden soll. An einer besonderen Stelle ist sogar eine zeitliche Dosierung gefordert.Konjunkturpolitik ist natürlich eine permanente Aufgabe. Wir müssen dafür gewappnet sein, daß irgendwann im Laufe des Jahres außenwirtschaftliche Ereignisse oder binnenwirtschaftliche Entwicklungen uns neues Überdenken abverlangen. Weil wir mit unseren eigenen Maßnahmen früh begonnen haben, konnten wir relativ milden Instrumenten ansetzen. Spätere Entschlüsse hätten sicherlich härtere Anforderungen an uns gestellt und uns gar in den Griff einer scharfen Restriktionspolitik von der monetären Seite her hineingezwungen.Ich bin .der Überzeugung, daß unsere Politik der Behutsamkeit und der Prophylaxe das Richtige für die augenblickliche Lage ist. Die Regierung und die Bundesbank haben gehandelt, aber sie haben überlegt und mit sanften Mitteln gehandelt. Wir haben dabei für unsere Unternehmer und — auch das ist wichtig — für die Arbeitnehmer ein Höchstmaß an Beständigkeit der Daten, die für ihre eigenen Dispositionen wichtig sind, bewahrt.
Würden Sie eine Zwischenfrage erlauben, Herr Bundesminister?
Dann bekomme ich wieder Tadel von einer bestimmten Fraktion, weil ich nicht gleich zum Schluß komme. Aber ich bin gerne bereit.
Herr Minister, darf ich, da Sie sozusagen beim Schlußwort sind und Ihre Maßnahmen aufgezählt haben, feststellen, daß auf dem Gebiet des Interzonenhandels keine — wie Sie sonst immer sagen — sogenannten flankierenden Maßnahmen beabsichtigt sind.
Die Fragen des Interzonenhandels stehen für die nächste Kabinettsitzung auf der Tagesordnung.
Im übrigen möchte ich mit allem Nachdruck betonen: Mit dem Gesamtpaket von Maßnahmen finanzpolitischer und wirtschaftspolitischer Art und mit den monetären Maßnahmen der Bundesbank halten wir uns beweglich gegenüber möglichen neuen Entwicklungen. Niemand von uns hat die prognostische Kraft, die zukünftige Entwicklung in der Weltwirtschaft in diesem Jahr vorauszusagen. Von unseren eigenen Maßnahmen können wir wenigstens sagen, wir haben uns auf jeden Fall, soweit es in unseren Kräften steht, für die weiteren Wege und auch für mögliche weitere Schritte alles offengehalten, vor allen Dingen im Hinblick auf den Welthandel.
Wir wissen, daß eine Reihe von Übergangsdirigismen im Welthandel existieren, und wir möchten, daß diese Dirigismen möglichst bald verschwinden. Dieser Gesichtspunkt sollte den Abschluß meiner Ausführungen bilden: Wir sind und bleiben orientiert an der Entfaltung eines weiterhin freien und kräftig expandierenden Welthandels. Das ist auch der Sinn dieser flexiblen Maßnahmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Staratzke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt anderthalb oder zwei Vorlesungen erhalten. Ich muß Ihnen ehrlich sagen, daß ich jedenfalls bezüglich der Konjunktur- und der Preissituation dadurch nicht schlauer geworden bin.
Eines steht doch nun einmal fest: zur Zeit kann über das Ausmaß der Preisentwicklung und damit auch über die zu ergreifenden Maßnahmen im Rahmen einer Stabilitätspolitik hier keine einheitliche Meinung vorhanden sein, auch nicht durch die Ausführungen der beiden Minister. Meine Freunde und ich sind selbstverständlich der Meinung, daß es die Aufgabe der Bundesregierung ist, aufzupassen und rechtzeitig, aber ebenso vorsichtig dieses Instrumentarium der Stabilität, des Stabilitätsgesetzes, in ge-
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12092 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Dr. Staratzkewissen Bereichen einzusetzen, ohne — da teile ichdie Meinung des Herrn Wirtschaftsministers — dieFrüchte des Wachstums vom Baume fallen zu lassen.Insofern können wir auch der Auffassung der Bundesregierung zustimmen, daß dämpfende Maßnahmen um so sanfter sein können, je frühzeitiger sie eingesetzt werden. Meine Freunde und ich begrüßen deshalb zunächst im Grundsatz auch die beabsichtigten finanzpolitischen, besser gesagt: haushaltswirtschaftlichen Maßnahmen des Bundes, der Länder und der Gemeinden. Bei dieser grundsätzlichen Zustimmung möchten wir allerdings einige kritische, ich möchte sagen, sehr kritische Anmerkungen machen, auf die ich gleich im einzelnen zu sprechen komme.Zuvor aber möchte ich noch eine Begründung dafür geben, warum wir die finanzpolitischen Maßnahmen im Grundsatz für richtig halten. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, daß notwendige Maßnahmen mit Aussicht auf Erfolg nicht von der Bundesbank allein erwartet werden können. Insoweit stimme ich auch den beiden Ministern zu, die das ja zum Ausdruck gebracht haben. Denn das beträchtliche Liquiditätspolster im Bankensystem sowie der drohende Kapitalimport bei restriktiven kreditpolitischen Maßnahmen lassen eben eine kurzfristig wirkende Diskont- und Mindestreservenpolitik einfach als unrealistisch erscheinen. Das soll nicht heißen, daß die Bundesbank nicht in ihrem Bemühen fortfahren sollte, das Kreditpotential durch eine ständige Absorbtionspolitik abzubauen. Jedoch — und ich glaube, darüber herrscht kein Zweifel — der Versuch, mit der Kreditpolitik allein zu bremsen, würde ganz sicher nicht nur dazu führen, daß der Bremsweg viel zu lang wird, sondern weil die Kreditpolitik eine „Einradbremse" darstellt, würde sie uns auch, wie wir es schon einmal erlebt haben, schwer ins Schleudern bringen. Das sind im wesentlichen die Gründe — ganz nüchtern — dafür den haushaltswirtschaftlichen Maßnahmen im Grundsatz zuzustimmen.Das hält uns natürlich nicht davon ab, einige sehr kritische Anmerkungen zu machen. Zunächst komme ich — und damit bin ich eigentlich schon beim Hauptpunkt — auf die Frage, ob denn die vorgesehenen Einsparungen echte Bindungen sind, die die Bundesregierung sich und den Ländern hier auferlegen will, oder ob es sich um bloße Absichtserklärungen handelt, vielleicht um eine Art „psychologische Kriegsführung". Wenn sie nämlich wirklich 2 Milliarden DM, die ja im einzelnen aufgeschlüsselt sind — wir haben bisher ja leider nur das Pressekommuniqué; mehr bekommt man ja dazu nicht, um sich für solche Ausführungen vorzubereiten —, wenn sie wirklich diese 2 Milliarden DM, die ja auf der einen Seite Einsparungen darstellen und auf der anderen Seite Steuer- und sonstige Mehreinnahmen sind, zur Verminderung der Nettokreditaufnahme verwenden will, warum ist sie dann nicht bereit, den Haushalt für 1969 um diesen Betrag echt zu mindern?Wir erlauben uns, dazu zwei Änderungsanträge einzubringen — und das will ich hiermit gleich tun —, die Ihnen auf den Umdrucken 599 *) und 600**) vorliegen. Dabei sehen wir einmal vorsichtig den Betrag von rund 1,8 Milliarden DM Minderausgaben vor. Sie können da auch eine andere Ziffer hineinschreiben; inzwischen sind ja in den Zahlen offenbar Verschiebungen vorgenommen worden. Aber den Restbetrag, also die 200 Millionen DM oder 195 Millionen DM, die aus dem Absicherungsgesetz resultieren und die doch wohl zu gegebener Zeit für binnenwirtschaftliche Anpassungsprogramme verwendet werden sollen, haben wir in diesem Betrag noch nicht einmal vorgesehen. Ich betone also noch einmal, daß es uns darauf ankommt, daß die Bundesregierung mit diesen Minderausgaben ernst macht und sich nicht in puren Absichtserklärungen bewegt.Ein weiterer Punkt, der im Zusammenhang mit den finanzpolitischen oder haushaltswirtschaftlichen Maßnahmen angesprochen werden muß: In der Presse — wir können uns ja in der Tat nur auf Pressemitteilungen berufen; denn wir haben ja eine Kabinettsvorlage in diesem Sinne höchstens hintenherum erhalten, und ich habe sie jedenfalls erst sehr spät gesehen — war zu lesen, daß der Herr Bunfinanzminister mit den einzelnen Ressorts bei der Aushandlung der Ausgabenminderungen einige Kraftakte absolvieren mußte. Wenn es zutrifft, daß er erklärt hat, diese Abstriche in den verschiedenen Haushalten seien so gering, daß sie sich im Rahmen der in früheren Jahren durchschnittlich nicht verausgabten Haushaltsreste bewegten, dann muß man natürlich die Frage stellen, ob man nicht durch eine geschicktere Ausgabenpolitik der einzelnen Ressorts Haushaltsreste in dem früheren Umfang vermeiden und damit die geplante Konjunkturdämpfung einfach unterlaufen kann.Eine dritte kritische Anmerkung. Wie wir schon einmal erlebt haben — allerdings im umgekehrten Sinn —, sollen die Länder und Gemeinden an diesen antizyklischen Maßnahmen beteiligt sein. Selbst wenn man davon ausgeht, daß ihre Beteiligung angestrebt wird und dies der Wunsch und Wille der Bundesregierung ist, stellt sich zumindest für einen normal denkenden Menschen die Frage nach den Fristen, innerhalb deren eine solche Beteiligung konjunkturpolitisch real ist.Hier darf ich auf einen Punkt hinweisen, auf den ich schon einmal in der Diskussion der mittelfristigen Finanzplanung hingewiesen habe und auf den heute — was mich sehr freut — der Herr Bundesfinanzminister eingegangen ist, nämlich auf die Frage der Prioritätenschaffung, auf die Frage der Prioritäten bei den Investitionsprojekten der Gebietskörperschaften. Ich meine, daß es an der Zeit ist, eine solche Prioritätenliste zu schaffen und laufend zu ergänzen, weil nämlich im Ernstfall — ich meine, schon jetzt könnte dieser Fall gegeben sein — ganz sicher Ratlosigkeit darüber entstehen wird, an welcher Stelle, in welcher Reihenfolge und wieviel hier gekürzt werden muß.Im übrigen frage ich die Bundesregierung in diesem Zusammenhang, warum sie sich eigentlich nicht*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3
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Dr. Staratzkean § 19 des Stabilitätsgesetzes gehalten hat und durch Rechtsverordnung bestimmt, daß die Beschaffung von Geldmitteln im Wege des Kredits durch die öffentlichen Haushaltsträger beschränkt wird. Warum hat sie nicht diesen doch im Stabilitätsgesetz vorgesehenen Paragraphen angewendet?Soviel zu den haushaltswirtschaftlichen Maßnahmen. Wir sind selbstverständlich im Grundsatz dafür, daß hier etwas getan wird, aber wir haben doch sehr arge Bedenken, daß man dies auch realisieren kann;- denn wenn man es nicht realisiert, wenn man wieder zurückzieht, überprüft oder sonst etwas tut, oder nicht tut, dann fürchte ich, daß eines Tages in diesem Jahr, die privatwirtschaftlichen Bremsen gezogen werden, was wir gern vermeiden wollen.Nun zu Abschnitt IV des Pressekommuniqués; ich kann immer nur zu dem Pressekommuniqué sprechen, weil ich etwas anderes nicht kenne. Hier scheint etwas entstanden zu sein, was sehr merkwürdig ist. Es besteht doch nicht der geringste Anlaß dazu, spezielle und gezielte Dämpfungsmaßnahmen in Bereichen der privaten Wirtschaft vorzunehmen; obendrein noch in den privatwirtschaftlichen Bereichen, die überhaupt nicht betroffen sind, die überhaupt nicht schuld sind, die vielmehr als Prügelknaben benutzt werden. Zu einem Zeitpunkt, da noch nicht einmal die Wirkung des Absicherungsgesetzes und die vierprozentige Importvergütung in allen Bereichen bekannt ist, sollte man wirklich nicht daran gehen, die noch bestehenden geringen Einfuhrhemmnisse — die aus ganz anderen Gründen geschaffen wurden, für anormale Einfuhren — abzubauen, zumal da gerade in diesen Bereichen von einer Überhitzung der Konjunktur überhaupt nicht die Rede sein kann. Tatsächlich entfällt von den Preissteigerungen der jüngsten Vergangenheit ein lächerlich bescheidener Teil auf die industriellen Konsumgütererzeugerpreise, was im übrigen der Herr Bundeswirtschaftsminister — ich darf ihn an Berliner Gespräche erinnern — zum Ausdruck gebracht und zugegeben hat und was — gestern war es wohl — der Fraktionsvorsitzende der SPD bei seiner Grobanalyse der Preissteigerungen indirekt bestätigt hat. Der Herr Bundeswirtschaftsminister weiß doch selbst ganz genau, daß bei einer Anwendung der Maßnahmen, die hier unter IV vorgesehen sind, keine entscheidenden Wirkungen auf den Ladentischpreis bzw. idem Verbraucher gegenüber zu erreichen sind. Ich kann mich wirklich nicht des Eindrucks erwehren, daß hier eine Sache betrieben wind, die mit Preisdämpfung im Binnenmarkt gar nichts mehr zu tun hat, daß sich der Herr Bundeswirtschaftsminister hier vielmehr ein Alibi verschaffen will, um eben sagen zu können: Wir haben auch etwas dazu getan.
Leider trifft er natürlich — ich sagte es schon — die Falschen, diejenigen, die vollkommen unschuldig sind. Ich bin fast versucht, einmal zu fragen — ich tue das, um die Stimmung im Saal zu vierbessern, weil es ein bißchen ernst und monoton geworden war —, ob es denn nicht richtig isst, was „Der Spiegel" geschrieben hat:Im Freundeskreis frohlockte der auch weiter aufs Wirtschaftswachstum abonnierte Professor Schiller: „Wir werden mit der Peitsche ins Wasser hauen. Das macht einen lauten Knall, aber keine Wellen."
Meine Damen und Herren, ich hatte eingangs bemerkt, daß man mit den Maßnahmen, die man zu ergreifen beabsichtigt, sehr vorsichtig sein müsse, und wir sind ja hier Realpolitiker genug, um das auch zu erkennen. Gestatten Sie mir dazu einen kurzen Rückblick. Ich muß sagen, daß mich der Herr Bundesfinanzminister eigentlich dazu animiert hat, einmal diesen kleinen Rückblick zu geben. Es soll keine Polemik sein, sondern es sind rein sachliche Bemerkungen.Der Herr Bundeswirtschaftsminister, der sich auf Globalsteuerungsmethoden und auf die Instrumente des Stabilitätsgesetzes stützt, erhebt natürlich mit Recht den Anspruch, den Wirtschaftsablauf gleichmäßiger lenken zu können, um die Sache in einer Art von Vorprogrammierung, von Zielprojektion — das klingt schöner —, besser im Griff zu haben. Wenn wir uns einmal die Soll- und die Ist-Ziffern der vergangenen Jahre 1967 und 1968 ansehen, stellen wir fest, daß die Zielprojektion in bezug auf fast alle Daten gewaltig danebengeschossen hat. Lassen Sie mich hier einige wichtige Unterschiede zwischen Projektion und Tatsachenentwicklung und zwar des Jahres 1968, nennen. Ich schenke mir das Jahr 1967. Das reale Bruttoinlandsprodukt war mit einem Zuwachs von 4 % gegenüber dem Vorjahr projektiert. Der tatsächliche Zuwachs betrug 6,8 %.
Die Anlageinvestitionen sollten um 7,1 % zunehmen. Sie erreichten 9,7 %. Der Import sollte um 9,8 % steigen. Er stieg um 13,2 %. Der Export sollte um 6,4 % steigen. Er stieg in Wirklichkeit um 13,1 %. Der Privatverbrauch sollte nach der Projektion um 3,9 % zunehmen. Tatsächlich stieg er um 5,5 %. Meine Damen und Herren, das sind alles Berechnungen auf Grund von amtlichen Zahlen des Statistischen Bundesamts und der Bundesbank.Nun kann man natürlich sagen: Das ist doch sehr erfreulich, das ist doch besser geworden; es ist doch erfreulich, wenn es einen solchen Unterschied zwischen Soll- und Ist-Zahlen geben kann. Nun, ich meine, wer etwas von der Nationalökonomie, vor allen Dingen von der Wirtschaftspolitik, versteht, muß eigentlich sehr starke Bedenken haben. Denn hier handelt es sich ja um Differenzen in den Soll- und Ist-Zahlen von 25 % bis 100 % und mehr.Nun kann man natürlich .sagen, auch die Forschungsinstitute und auch das Sachverständigengutachten hätten in ihren Vorhersagen danebengehauen. Der Unterschied ist aber, daß das private Vorhersagen sind; sie haben informativen Charak-
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Dr. Staratzketer. Von den Zielprojektionen aber sollte man annehmen, daß sie einen fundierteren Charakter, eine Art amtlichen Orientierungscharakter über eine wirtschaftspolitisch gewünschte Entwicklung haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ravens?
Herr Kollege Staratzke, können Sie mir helfen? Ich bin mir da nicht ganz sicher; aber waren Sie es nicht, der im vergangenen Jahr bei der Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht hier feststellte, die Zahlen und Projektionen des Jahreswirtschaftsberichts dürften auf keinen Fall eine starre Peitsche oder ein starres Korsett für den Bundeswirtschaftsminister werden, sondern seien Daten, die eine Projektion vorwegnähmen, Abweichungen davon müßten möglich sein, man dürfe ihnen nicht sklavisch folgen wollen?
Und darf ich eine zweite Frage dazu stellen. Erinnern Sie sich daran, daß der Bundeswirtschaftsminister im vergangenen Jahr zu seiner Projektion erklärt hat - auf der Grundlage des Klimas, das wir damals hatten —, es handle sich um eine Mindestprojektion?
Herr Kollege Ravens, erstens habe ich solche Bemerkungen nicht gemacht. Zweitens bin ich der Meinung, daß selbstverständlich eine Elastizität darin sein muß. Aber wenn Sie Abweichungen von 25 bis über 100 % in den Daten als Elastizität bezeichnen, dann kann ich Ihnen nicht mehr folgen.
Herr Kollege Ravens, ich habe nie gesagt, daß ich grundsätzlich gegen Voraussagen sei. Nur meine ich, wenn man sie in dieser Form macht und danach die Wirtschaftspolitik, die Tarifpolitik, die Konjunkturpolitik und alles ausrichten will, dann muß man vorsichtiger sein, dann kann man nicht mit solchen Unterschieden operieren.
Denn, meine Damen und Herren — dies schließt sich jetzt an die Frage an —, in diesen Zahlen verbergen sich ja doch wirtschaftspolitische Vorstellungen und Absichten. Wenn Sie das jetzt auf die heutige Situation projizieren und solche Differenzen vorhanden sind, muß ich die Bundesregierung wirklich fragen, ob das nicht größte Gefahren für eine — wie der Herr Bundeswirtschaftsminister immer sagt „Wirtschaftspolitik nach Maß" bringt.
Ich will mich nicht gerade der „Süddeutschen Zeitung" anschließen, die in einem Artikel, den ich gerade gelesen habe, von „Illusionen nach Maß" geschrieben hat. Ich meine nur — und ich meine das sehr ernst —, wenn die Zielprojektionen mehrfach in diesem Umfange von der tatsächlichen Entwicklung abweichen, verlieren sie für die Konjunkturpolitik, für die Tarifpolitik, für das Verhalten der öffentlichen Hand einfach an Glaubwürdigkeit. An dieser Stelle kann ich nur sagen, solange die Fehlerquote nicht wesentlich herabgesetzt werden kann, ist es äußerst gefährlich, die in Zahlen ausgedrückten Wunschträume mit der Wirklichkeit gleichzusetzen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dichgans?
Herr Staratzke, sind Sie der Meinung, daß die Voraussagen des Bundeswirtschaftsministers hätten richtiger sein können, wenn die Beamten des Bundeswirtschaftsministers fleißiger gearbeitet hätten?
Herr Kollege, ich will jetzt nicht in eine Beurteilung der sehr fleißigen Beamten eintreten; aber wenn Sie mich so fragen, könnte ich wirklich der Meinung sein, daß es dann noch schlimmer geworden wäre.
Gestatten Sie, eine weitere Frage, Herr Kollege.
Sind Sie der Meinung, daß man auf die Voraussagen überhaupt verzichten sollte, weil gelegentlich unvermeidlich Fehler vorkommen?
Nein, niemals. Wenn Sie meine nächste Passage gekannt hätten, hätten Sie die Frage nicht gestellt. Ich möchte nämlich in aller Objektivität sagen, daß ich nicht ein absoluter Gegner jeder Vorausschau bin. Ich meine aber, daß die Wirtschaftsentwicklung zwar in gewisser Weise tendenziell beeinflußbar, aber niemals „machbar" ist. Die vergangenen Jahre und die Differenzen zwischen Zielprojektionen und Wirklichkeit haben deutlich gemacht, daß sich die oft belächelten Selbstheilungskräfte der Wirtschaft, nämlich die Kräfte des Marktes, nicht in das Korsett amtlicher Zahlengerüste pressen lassen. Das meine ich damit.
Nun, wir wollen uns nicht in gewisse Emotionen hineinsteigern. Davon bin ich weit entfernt. Wir wollen sachlich bleiben. Über das Jahr 1969 haben wir etwas gehört. Wir werden uns im Zusammenhang mit dem Jahreswirtschaftsbericht — und hier komme ich wieder auf die Zielprojektionen — und über den schon notwendig gewordenen Nachtrag dieses Jahreswirtschaftsberichts unterhalten müssen.Lassen Sie mich zum Schluß noch eine spezielle Frage aufgreifen. Wir wollen hier ja keine langen Reden halten, sondern das Wesentliche herausstellen. Vorhin ist hier leider wieder diese Spezialfrage der Preisbindung angeklungen. Dazu muß ich in aller Deutlichkeit einmal folgendes sagen: Dieses
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Dr. StaratzkeThema wird immer wieder mit konstanter Hartnäckigkeit hochgespielt, ohne daß die Argumente dadurch besser werden. Immer wieder wird die uralte Behauptung aufgestellt, die preisgebundene Tube Zahnpasta bedrohe die Preisstabilität der Volkswirtschaft. Offensichtlich ist dieses Thema bei den Herren im Bundeswirtschaftsministerium eine Art Lebensziel. Ich kann es mir nicht anders denken. Jahr für Jahr türmen sie teils alte, teils neue Argumente auf. Es gibt aber keinen vernünftigen und einleuchtenden Anhaltspunkt dafür, daß ein Absinken des Verbraucherpreisniveaus eintritt, wenn die Preisbindung der Markenware überall verboten wird.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ravens?
Bitte!
Herr Kollege Staratzke, können Sie mir bitte den Preis für Farbumkehr-Dia-Filme vor Aufhebung und nach Aufhebung der Preisbindung nennen?
Sehen Sie, Herr Kollege Ravens, nun kommen auch Sie wieder damit und greifen einen Artikel heraus. Wir sprechen doch von dem Preisniveau generell. Wir sprechen davon, ob man mit festen Preisen werben soll oder nicht. Wir sprechen davon, ob das zum Schluß im Warenkorb für den Verbraucher eine Veränderung gibt oder nicht. Nun greifen Sie doch bitte nicht das, was hier vorhin schon wieder gesagt worden ist, einzeln heraus! So kommen wir doch nicht weiter. Bestimmte Meinungen sind wohl nicht zu ändern. Dann müssen wir eben in den Ansichten konträr bleiben. Wer einmal mit Markenartikeln in der Wirtschaft gestanden hat, der weiß, daß dort eine unerhörte Konkurrenz untereinander herrscht, der weiß, daß es gegenüber dem anonymen Markt dort viel schwerer ist, eine Marke mit Preisbindung zu halten. Es geht doch wirklich nur darum, zu fragen, ob sich hier im ganzen gesehen eine Änderung ergibt oder nicht, Herr Ravens.
Würden Sie eine weitere Frage von Herrn Ravens zulassen?
Bitte sehr!
Genau darum geht es mir. Wissen Sie, daß neben der Preissenkung für Farbumkehrfilme gleichzeitig der Preis für eine Reihe von bisher preisgebundenen Kameras einiger Firmen bis zu 30 % gesenkt wurde, und können Sie mir sagen, ob dafür im Fotohandel andere Preise gestiegen sind?
Herr Kollege Ravens, die Tatsache, daß Preisbindungen kaputtgegangen sind, ist doch nur ein Beweis dafür, daß sie in der Konkurrenz stehen. Wenn irgendwo eine Marge zu hoch genommen worden ist und der Markt sie nicht mehr hergibt, dann geht die Preisbindung von allein kaputt, und dann soll sie auch kaputtgehen.
Das ist doch der beste Beweis dafür, daß wir uns in einer freien Marktwirtschaft befinden und daß die Betreffenden keinen Naturschutzpark um sich haben, sondern sich genauso der Konkurrenz stellen müssen wie alle anderen. Darum geht es mir.
Abschließend möchte ich den Herrn Bundeswirtschaftsminister als verantwortlichen Redakteur ansprechen. Herr Minister, Sie mögen noch so oft das Thema Preisbindung auf den Tisch legen, besser werden die Argumente nicht und schon gar nicht Ihre Schlußfolgerungen für die Preisstabilität.
Das Wort hat Herr Kollege Brand.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern wurden uns hier in diesem Raume in Form einer Pressemitteilung die Beschlüsse der Bundesregierung zur Stabilitätspolitik bekanntgegeben, die ja heute eine große Rolle in der Debatte spielen. Zu diesen Beschlüssen möchte ich im Namen der CDU/CSU-Fraktion eine Erklärung abgeben.Erstens. Die Fraktion der CDU/CSU nimmt Kenntnis von der Initiative der Bundesregierung für ein neues Stabilitätsprogramm. Vorbeugende Maßnahmen zur Sicherung eines stabilen Preisniveaus und einer kontinuierlich fortlaufenden, gesicherten Wirtschaftsentwicklung entsprechend der politischen Notwendigkeit. Die Erhaltung von Kaufkraft und Geldwert ist immer ein besonders dringendes Anliegen der CDU/CSU-Fraktion gewesen.Zweitens. Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung hat im Sinne des Stabilitätsgesetzes die Ausgewogenheit der Entwicklung mit allen Mitteln anzustreben. Arbeitnehmer, Unternehmer, Rentner und Sparer müssen über die Grundlagen ihrer Existenzsicherung volle Gewißheit haben.Drittens. Die Fraktion der CDU/CSU unterstützt mit Nachdruck die Bestrebungen der Bundesregierung, auch die Länder und Gemeinden zu wirksamen Stabilitätsbeiträgen anzuhalten. Ohne einen Erfolg dieser Bemühungen würden die Maßnahmen des Bundes in ihrer Wirkung zweifelhaft erscheinen. Die von der Bundesregierung gewählte Verminderung der Nettokreditaufnahme wird dem berechtigten Wunsch der Länder und Gemeinden auf Nichtschmälerung ihrer finanziellen Substanz gerecht.Viertens. Die Fraktion der CDU/CSU richtet die Aufmerksamkeit der Bundesregierung auf einige Punkte, die für die weitere Wirtschaftsentwicklung von Bedeutung sind:Noch vor einer verhältnismäßig kurzen Zeit empfahl der Herr Bundeswirtschaftsminister Maß-
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Brandnahmen, die zu den jetzt vorgeschlagenen in Widerspruch stehen.
Die am Wirtschaftsprozeß Beteiligten, insbesondere die Unternehmer, hatten sich auf die vom Herrn Wirtschaftsminister projizierten andersartigen Entwicklungen eingestellt und müssen sich jetzt neu orientieren. Bei allem Verständnis für die Fehlerquellen, die nun einmal mit einer rechenhaften Wirtschaftspolitik, mit Prognosen und Zielprojektionen verbunden sein können, muß doch erwartet werden, daß diese in einer Art abgegeben werden, bei der das Vertrauen der Bevölkerung in die Verläßlichkeit gegebener Hinweise nicht gefährdet wird.Die Deutsche Bundesbank hat sich in den vergangenen zwei Jahren als ein kritischer und zuverlässiger Beobachter und Beurteiler der konjunkturellen Entwicklung erwiesen. Die Fraktion der CDU/CSU spricht die Erwartungen aus, daß der kreditpolitische Kurs in harmonischem Zusammenwirken auf einer einheitlichen Beurteilungsbasis von Bundesbank und Bundesregierung entwickelt wird.Fünftens. Die weitere Liberalisierung der Einfuhrpolitik, welche die Bundesregierung jetzt einzuleiten gewillt ist, trifft vor allem existenzgefährdete Wirtschaftsbereiche, die größtenteils in strukturschwachen Regionen ansässig sind. Die Gründe, die in der Vergangenheit zu Importkontingenten und Importquoten geführt haben, sind nicht durch den allgemeinen Konjunkturablauf für die in Frage kommenden Branchen fortgefallen. Deshalb hat eine solche Maßnahme keine globale Wirkung, sondern trifft nur die Schwachen und die Schwächsten. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß die unter I bis III in den Beschlüssen der Bundesregierung aufgeführten Stabilisierungsmaßnahmen durch ihre Flexibilität kurzfristig geändert, d. h. einer veränderten Situation angepaßt werden können, während die Importmaßnahmen für längere Zeit wirksam, wenn nicht gar in ihren Wirkungen irreparabel sind.Aus diesen Gründen lehnt die Fraktion der CDU/ CSU die vorgeschlagenen Importmaßnahmen ab. Wenn die Bundesregierung der Meinung ist, daß dann das übrige Programm nicht ausreicht, erwarten wir Vorschläge, die global wirksam werden und die wir dann gern diskutieren werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ravens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat zu Anfang dieses Jahres durch ihren stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, meinem Kollegen Dr. Alex Möller, zu wiederholten Malen erklärt, „daß sie unabhängig von politischen Terminen die amtliche Wirtschaftspolitik jederzeit bei ihren Bemühungen unterstützen wird, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nach § 1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft voll nachzukommen". Zu dieser Erklärung stehen wir heute und werden auch künftig stehen.Wir sind uns wohl alle miteinander darüber einig, meine Damen und Herren, daß ,ein Spiel mit vier Bällen ein schwieriges Spiel ist, das ständiger Aufmerksamkeit bedarf. So bleibt es ebenso eine ständige Aufgabe für die Bundesregierung und für die in diesem Hause vertretenen Parteien, die in § 1 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes genannten Ziele der Vollbeschäftigung, der Preisniveaustabilität, des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts und des stetigen angemessenen Wachstums zu verwirklichen. Wir müssen dabei immer versuchen und immer wieder bestrebt sein, im magischen Feld der Wirtschaftspolitik die optimale Position anzusteuern. Eine Situation, in der wir die Hände in den Schoß legen können nach dem Motto: „Es ist erreicht!", gibt es einfach nicht.Wir müssen uns deshalb in der Bundesrepublik damit abfinden und daran gewöhnen, daß die Bundesregierung, wenn sie ihre Verpflichtung ernst nimmt den konjunkturellen Erfordernissen entsprechend und dem Zielkatalog des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes folgend stabilitätspolitsche Maßnahmen ergreift und diesem Hohen Hause zur Begutachtung vorlegt. Dies haben wir in den vergangenen zwei Jahren bereits mehrere Male erlebt, und dies ist heute wieder so, und ich meine, das wird auch in Zukunft so sein.Zur Überwindung der Rezession und auch nach der Überwindung der Rezession haben wir in diesem Hause mehrere Maßnahmen der Bundesregierung zur Stabilisierung der konjunkturellen Entwicklung beraten und verabschiedet. Die Neugestaltung der regionalen und sektoralen Strukturpolitik durch diesen Bundeswirtschaftsminister, die bereits mit den beiden ersten Investitionshaushalten eingeleitet wurde und nun mit den regionalen Aktionsprogrammen fortgesetzt wird, ist im Grundsatz eine Politik der Mobilisierung aller vorhandenen volkswirtschaftlichen Leistungsreserven. Diese Strukturpolitik ist damit gleichzeitig eine langfristig angelegte, prophylaktische Konjunkturpolitik, die auf eine ständige Ausweitung des Angebotspotentials gerichtet ist. Deshalb darf sie auch von kurzfristigen Stabilisierungsmaßnahmen nicht berührt werden. Wir begrüßen daher die Erklärung der Bundesregierung in diesem Hause, daß sie die Maßnahmen der Strukturpolitik, der regionalen Strukturpolitik, nicht in das Stabilisierungsprogramm einbeziehen wird.Bereits mit der Verabschiedung der Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung im November vergangenen Jahres wurde — für jeden erkennbar — eine Wende in der Zielrichtung der Konjunkturpolitik eingeleitet, einer Zielrichtung, die sich auf Wahrung des externen wie des internen Gleichgewichts richtete. Durch die Verteuerung der Exporte und die Verbilligung der Importe sollte da-. mals nicht nur ein Beitrag zum Ausgleich der Handelsbilanz, sondern auch eine partielle Umorientierung von Exportkapazitäten auf den Inlandsmarkt und eine Erhöhung des ausländischen Güterangebots im Inland, mithin also eine Stärkung des Inlandsangebots gegenüber der expandierenden Nachfrage und damit auch eine Stabilisierung des Preisniveaus erreicht werden.Ich brauche nicht daran zu erinnern, wie schwer es damals gefallen ist, die Maßnahmen in diesem
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12097
RavensHause so durchzusetzen, wie sie die Bundesregierung vorgeschlagen hatte. Da gab es eine Reihe von Kollegen, die meinten, man müsse doch mindestens die laufenden Verträge im Exportgeschäft von dieser 4 %igen Belastung ausnehmen. Da gab es einige, die meinten, das müsse man mit anderen Fristen machen. Da gab es einige, die meinten, nun gehe die ganze Konjunktur zum Teufel. Das ist noch gar nicht so lange her.Wir haben damals als sozialdemokratische Bundestagsfraktion sowohl im Finanz- als auch im Wirtschaftsausschuß dieses Hauses als auch hier im Hause einiges an Kraft aufbieten müssen, um eine ausreichende Mehrheit für diese Vorlage der Bundesregierung herbeizuführen. Ich sage das gar nicht mit dem Vorwurf des Besserwissenden, sondern aus der Erfahrung, daß man heute nicht so tun kann, als sei das alles eine Maßnahme zu spät und zu wenig, während man damals versuchte, möglichst große Löcher in diesen Käse zu bohren, damit das nicht so schwer wurde.
— Herr van Delden, wir wissen, wie lange wir unsere Sitzungen haben unterbrechen müssen, und ich brauche nicht an die Auseinandersetzungen zu erinnern, die wir gehabt haben.Ich tue das ja ,auch gar nicht mit Vorwurf, sondern ich möchte einmal deutlich machen, wie sehr wir noch im November Sorge davor hatten, daß mit diesen außenwirtschaftlichen Absicherungsmaßnahmen ein schwerer Rückschlag für bestimmte Bereiche unserer Industrie zu erwarten wäre. Das ist uns immer wieder gesagt worden.Die Wirkungen dieser Maßnahmen der außenwirtschaftlichen Absicherung waren damals, zum Zeitpunkt der Erstellung des Jahreswirtschaftsberichtes, Ende vergangenen Jahres, noch nicht abzusehen. Ich glaube, wir sind uns einig darin, daß die Wirkungen auch heute noch nicht in vollem Umfang zu übersehen und genau abzuschätzen sind. Trotz dieser Ungewißheit hat die Bundesregierung aber schon damals im Jahreswirtschaftsbericht keinen Zweifel daran :gelassen, daß sie im Falle einer sich abzeichnenden konjunkturellen Überhitzung nicht zögern würde, rechtzeitig von den Instrumenten des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes Gebrauch zu machen.Uns allen ist bekannt, daß sich die Lebenshaltungskosten vom Januar dieses Jahres im Vergleich zu dem entsprechenden Vorjahresmonat um 2,1 % und im Februar 1969 im Vergleich zu Februar vorigen Jahres um 2,3 % erhöht haben. Dabei muß meiner Meinung nach allerdings berücksichtigt werden, daß diese Preisbewegung zu einem guten Teil administrativ oder saisonal begründet war. Aus diesem Grund begrüßen wir nachdrücklich die Erklärung der Bundesregierung, für 1969 keine weiteren Quellen administrativer Preiserhöhungen zuzulassen.
— Administrative Preiserhöhungen! Herr Kollege, ich denke daran, daß z. B. durch einen Beschluß des Deutschen Bundestages die Mieterhöhungen weitergehen als ein gewollter Akt der Entzerrungdes Mietgefüges in Deutschland. Das aber schlägt im Februar mit 0,7 % gegenüber Januar zu Ruche. Das macht das aus. Das sind für mich administrative Maßnahmen. Die Lohnfortzahlung steht genau 'in der Differenz dessen, was an Produktivität und Lohnerhöhungen im Vergleich dazu möglich ist. Das muß man einmal sagen. Man muß dabei auch die Zahlen einmal wieder ins richtige Licht rücken.Ich meine, daß die Bundesregierung auch recht getan hat — der Herr Bundeswirtschaftsminister hat es hier schon beantwortet, so daß ich es mir eigentlich sparen kann —, als sie im vorigen Jahr den Versuch machte, die Schere, die durch das Auseinanderlaufen zwischen allgemeinen Masseneinkommen und den Gewinnerwartungen der Unternehmen entstanden war, wieder zu schließen, und zwar zu dem damaligen Zeitpunkt. Daß es so lange gedauert hat, liegt daran, daß wir eine Reihe von unterschiedlichsten Referentenentwürfen gehabt haben und daß wir auch heute noch immer nicht so weit sind, daß wir eine Beratung beginnen können.Aber man muß dabei sehen, daß die Lebenshaltungskosten von Januar auf Februar um 0,2% gestiegen sind. Wenn man jedoch die besonders saisonal abhängigen Nahrungsmittel dabei herausrechnet, bleiben es noch 0,1%. So sind z. B. in diesem Zeitraum die Preise für Frischgemüse um 2 % und für Frischobst um rund 12 % aus saisonalen Gründen angestiegen Daß draußen Schnee liegt, ist keine Auswirkung der Konjunkturpolitik, das ist eine Saisonfrage, und darauf sind diese Preissteigerungen zurückzuführen.Insgesamt ergab sich nach den Berechnungen der Deutschen Bundesbank im Index für Saisonwaren ein Preisanstieg von 0,5%. Bei den Wohnungsmieten haben wir erlebt, daß sie von Januar auf Februar eine Erhöhung um durchschnittlich 0,7 % gehabt haben.Bei diesen Bestimmungsgrößen für die Preiserhöhung bei der Lebenshaltung kann man schwerlich behaupten, daß die Lebenshaltungskosten gegenwärtig von der konjunkturellen Entwicklung bestimmt seien. Es kann dabei beispielsweise nicht übersehen werden, daß sich nach vorliegenden Preisindizes die gewerblichen Erzeugnisse für die Lebenshaltung seit November vergangenen Jahres bis Anfang Februar noch nicht verteuert haben.Wir sind der Auffassung, daß die augenblickliche wirtschaftliche Lage zur Dramatisierung keinen Anlaß gibt. Auf der anderen Seite- sehen wir auch noch keinen Grund zum Wehklagen. Ich habe den Herrn Bundesfinanzminister im Anfang ein bißchen erschrocken angesehen. Er nannte eine ganze Reihe von Pluszahlen, und dabei war immer ein ein wenig klagender Unterton zu bemerken. Herr Bundesfinanzminister, klagen würde ich, wenn an Stelle des Plus bei diesen Zahlen ein Minus stünde. Dann wäre es Zeit, zu dramatisieren und zu klagen. Mir jedenfalls und meinen politischen Freunden ist es viel lieber, in einer solchen Situation einer günstigen Konjunktur zu überlegen, wie wir die Hochkonjunktur mit gesicherten Arbeitsplätzen steuern können, statt im tiefen Schatten einer Talsohle sitzend dar-
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12098 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Ravensüber nachsinnen zu müssen, wie wir die Karre wieder aus dem Dreck kriegen. Das muß man auch einmal sehen.
Von daher gibt es also zunächst zur Dramatisierung keinen Anlaß. Die konjunkturell bedingte Preisentwicklung kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedenfalls noch als relativ ruhig angesehen werden.Bei all den Möglichkeiten, die wir prophylaktisch gehabt haben, haben wir natürlich — darüber haben wir eben hier schon im Fragenbereich gestritten — eine Chance vergeben, nämlich die, prophylaktisch im Zuge des Aufschwungs das an Wettbewerbsverzerrungen und an Wettbewerbsbeschränkungen aus unserem Wirtschaftsbereich herauszunehmen, das eigentlich in die Mottenkiste hineingehört, nämlich die Preisbindung der zweiten Hand. Über den Wert und Unwert haben wir hier gestritten; ich will das jetzt nicht mehr vertiefen.Aber lassen Sie mich noch folgendes sagen. Die konjunkturelle Preisentwicklung ist im augenblicklichen Zeitpunkt noch als relativ ruhig anzusehen. Dazu darf ich einmal die Deutsche Bundesbank zitieren. Sie hat sich in einem Gutachten vom 21. Juli 1965 sehr eingehend mit der Frage der Entwicklung des Geldwerts auseinandergesetzt. Dieses Gutachten wurde im Monatsbericht der Bundesbank vom März 1968 veröffentlicht. Sie hat dieses Gutachten damals im Auftrage oder auf Bitten des Bundesfinanzhofes für 1965 erstellt. Die Bundesbank stellte zur Frage des Geldwerts fest — Herr Präsident, ich darf mit Ihrer Erlaubnis zitieren —:Im allgemeinen wird es noch nicht als Geldwertminderung zu werten sein, wenn der Preisindex für die Lebenshaltung der mittleren Verbrauchergruppen um vielleicht 1 v. H. pro Jahr steigt, und nur mit Einschränkungen kann es als Indiz für Geldwertverschlechterungen gelten, wenn der Index sich zwischen 1 und 2 v. H. im Jahr erhöht. Jenseits dieser Grenze freilich ... ist eindeutig eine Verringerung der Kaufkraft des Geldes auf der Verbraucherebene festzustellen. Allerdings wird man auch eine solche Kaufkraftverringerung unterschiedlich beurteilen müssen, je nach dem, ob es sich um eine kurzfristige konjunkturelle oder auf exogenen Faktoren beruhende Erscheinung handelt oder aber ob eine lang andauernde Entwicklung vorliegt.Ich darf hinzufügen, daß wir mit dieser Beurteilung einig gehen. Dort, meine Damen und Herren, wo es zu konjunkturellen Preiserhöhungen gekommen ist, können diese in keinem Fall auf die Entwicklung der Löhne zurückgeführt werden.Der rasche Produktivitätszuwachs im Jahre 1968, der sich in diesem Jahr fortsetzt, sowie die zurückhaltende Tarifpolitik der Gewerkschaften im vergangenen Jahr gab für Preiserhöhungen keinen Anlaß und gibt für dieses Jahr den Spielraum für eine kostenneutrale Erhöhung der Löhne, wie das Orientierungsdatum der Bundesregierung für die Tariflohnentwicklung im Jahre 1969 im Jahreswirtschaftsbericht besagt.Allerdings läßt die derzeitige konjunkturelle Situation kräftige Auftriebstendenzen erkennen. Alle wichtigen Konjunkturindizes zeigen nach oben. Die gegenwärtige Lage ist durch hohe Kapitalauslastung, Knappheit der Arbeitskräfte und eine anhaltende kräftige Ausweitung der Investitionsgüternachfrage gekennzeichnet. Eine Politik des Laisser-faire in dieser Situation würde die Durchsetzung ungerechtfertigter Preiserhöhungen, überdurchschnittlicher Preiserhöhungen auf breiter Front erleichtern, die dann ihrerseits zu überhöhten Lohnforderungen führen könnten.Deshalb meinen wir, daß die konjunktur- und preisstabilisierenden Maßnahmen der Bundesregierung zum richtigen Zeitpunkt einsetzen. Sie scheinen uns eine flexible Antwort auf die wirtschaftliche Entwicklung zu sein. Wir werten diese Maßnahmen gleichzeitig als ein Signal der Bundesregierung gegenüber der Wirtschaft, daß sie das erneute Aufkommen eines inflationistischen Preisklimas und einer Inflationsmentalität in der Bundesrepublik nicht dulden wird und daß sie im Falle konjunktureller Überhitzungen nicht zögern wird, im Rahmen des Stabilitätsgesetzes weitere Maßnahmen zu ergreifen.In der gegenwärtigen Situation müssen wir allerdings auch auf das außenwirtschaftliche Bemühen und auf das außenwirtschaftliche Gleichgewicht Rücksicht nehmen. Bei der Bedeutung unserer Wirtschaft und unserer Außenwirtschaft und bei der Bedeutung dieser unserer Verpflichtung gegenüber unseren Partnern auf dem Gemeinsamen Markt müssen alle Maßnahmen so eingesetzt werden, daß sie für die Zukunft unseren Partnern Gelegenheit zu einer Pause geben, um die im November abgesprochenen Konsolidierungsmaßnahmen auch wirksam werden zu lassen.Die Maßnahmen der Bundesregierung, so scheint es uns, geben der Bundesbank die Möglichkeit, daß sie ihre primär zahlungsorientierte Politik fortsetzen kann. Das haben wir heute an den Beschlüssen der Bundesbank gesehen, die wir ausdrücklich begrüßen. Die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der Bundesbank ist ein erfreuliches Zeichen und ein erfreuliches Faktum. Wir begrüßen es.Wir müssen uns davor hüten, in dieser Situation zu sagen: Wir wollen Preisstabilität, aber wir wollen sie immer beim anderen erreichen. Wir wollen auf alle Fälle alles verhindern, was dem einen oder anderen Bereich wehtun kann. — Die Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft können nicht nur zu Lasten des Bundeshaushalts laufen, und sie können auch nicht nur mit Maßnahmen des Bundeshaushalts in Ordnung gebracht werden. Vielmehr wird auch die private Wirtschaft ihren Teil beizutragen haben. Deswegen wird, so schwerwiegend und so schmerzhaft das auf der anderen Seite sein mag, auch auf der Angebotsseite und damit im Bereich der bisherigen Importkontingente einiges zu tun
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Ravenssein. Die Bundesregierung hat dazu etwas gesagt. Ich vermag allerdings, Herr Kollege Brand, nicht zu verstehen, wie man sagen kann: Wir begrüßen und unterstützen das Programm der Regierung, aber alles das, was die Regierung hinsichtlich der privaten Wirtschaft macht, wollen wir nicht, denn das ist eine schreckliche Geschichte.Ich habe versucht, darzustellen, daß vom Haushalt oder von der Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand im Moment noch keine anreizenden oder überschäumenden Auswirkungen ausgehen. Deswegen muß das Bündel breit angesetzt werden. Wenn wir diese Chance versäumen, werden wir morgen und übermorgen zu härteren Maßnahmen greifen müssen. Das wiederum wird dazu führen, daß wir übermorgen als Folge davon, daß unsere Wirtschaft auf den Export ausweicht, wieder vor Fragen währungspolitischer Art stehen. Dann werden wir wieder in den Kreislauf des vergangenen Jahres zurückfallen müssen, und das kann ja wohl keiner wollen.Im übrigen meine ich, daß der Begriff der Stabilität im Bewußtsein unseres Volkes ein Schlüsselbegriff des politischen Verständnisses geworden ist, der weit über den Bereich der wirtschaftlichen Begriffe hinausgeht. Im wirtschaftlichen Bereich hat dieser Begriff durch die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre eine durchaus realistische Differenzierung erfahren. Heute bedeutet Stabilität Sicherheit des Arbeitsplatzes, keine wirtschaftliche Stagnation und keine Strukturkrisen, keine Inflation und keine Währungskrisen. Es sind diese Faktoren — keineswegs nur ein einzelner —, an denen Erfolg oder Mißerfolg der Wirtschaftspolitik letztlich gemessen wird. Es wäre gut, wenn wir uns darüber im klaren wären und bei der Stabilität nicht immer nur die Frage nach der Geldwertstabilität stellten.Wir müssen uns auf der anderen Seite — das sage ich noch einmal — darauf verständigen, daß es unzulässig ist, einerseits nach Stabilisierung zu rufen, aber auf der anderen Seite bei allen Eingriffen, die verlangt werden müssen, zu sagen: das gefälligst beim anderen. Stabilisierungspolitik kann nicht die Politik des Rosinenhandels sein, daß der eine sich die Rosinen aus dem Teig holt, während der andere mit den trockenen Krümeln auskommen muß. Stabilisierungspolitik muß über den ganzen Bereich aller Möglichkeiten gehen.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen van Delden?
Aber natürlich.
Herr Kollege Ravens, sind Sie sich darüber im klaren, daß gerade in der Erklärung der CDU/CSU gesagt wird: „ ... über alle Bereiche", während das Kapitel IV der Rede des Bundeswirtschaftsministers — so an die Presse gegeben — nur selektiv einzelne Bereiche vorsieht, wo solche Maßnahmen ergriffen werden sollen, und danach, wie wir den letzten Worten entnehmen mußten, auch der Interzonenhandel offenbar noch mit einbezogen werden soll?
Herr Kollege van Delden, ich habe die Erklärung des Kollegen Brand so verstanden, daß er den Abschnitt IV ablehnt. Er hat gesagt: Das lehnen wir ab.
— Nun frage ich Sie: welche globalen Maßnahmen in dieser Situation, wenn wir gleichzeitig, wie ich versucht habe darzulegen, die außenwirtschaftliche Situation im Auge behalten müssen? Wollen Sie jetzt voll auf die Bremse gehen, damit wir dann übermorgen vor einer neuen Währungskonferenz stehen?
Eine weitere Frage.
Darf ich die Gegenfrage stellen, Herr Kollege Ravens: Wollen Sie, daß einzelne Bereiche die ganze Last von Maßnahmen tragen, die sowieso global nicht ziehen, um nachher doppelt zur Kasse gebeten zu werden?
Nein, Herr Kollege, was ich möchte, ist, daß wir auf der Angebotsseite die Möglichkeiten des Imports nutzen.
Würden Sie jetzt vielleicht noch eine Frage des Kollegen Westphal beantworten?
Herr Kollege Ravens, teilen Sie mit mir die Auffassung, daß es nicht richtig ist, wie Herr Kollege van Delden eben gesagt hat, daß es sich um ein Programm des Wirtschaftsministers handelt, und daß es sich vielmehr um ein Programm der Bundesregierung handelt, das hier vertreten worden ist?
Ich danke Ihnen sehr. Ich hatte das überhört. Das muß man mit allem Nachdruck sagen: Hier handelt es sich um ein Programm dieser Bundesregierung und nicht des Bundeswirtschaftsministers.
— Nur möchte ich, Herr Kollege van Delden, daß wir das hier richtig darstellen. Das ist ein Programm der Bundesregierung und nicht des Bundeswirtschaftsministers.
Das Wort hat jetzt der Kollege Gewandt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beratungen der Haushaltspläne 08 und 09 geben uns Gelegenheit, diese Pläne zu würdigen und auch die Arbeit dieser Häuser einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Diese Aufgabe — insbesondere die Aufgabe, einen Dialog zu führen — ist natürlich etwas schwierig, wenn die Herren Minister, mit denen man sich
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Gewandtauseinanderzusetzen beabsichtigt, nicht gegenwärtig sind.
— Aber es ist nicht gut, nicht wahr?
Gestatten Sie eine Frage des Herrn Kollegen Hermsdorf?
Herr Kollege Gewandt, entschuldigen Sie, daß ich gleich am Anfang eine Frage stelle. Sie sind der Auffassung, daß wir Haushaltsberatungen haben. Ich habe den Eindruck, Sie sind der einzige Kollege, der der Auffassung ist, daß bisher Haushaltsberatung gewesen ist.
Ich fasse Haushalt etwas weiter auf als Sie. Ich glaube, Haushaltsberatung ist nicht das Addieren von einzelnen Zahlen, sondern es kommt auf die Würdigung der gesamtpolitischen Linie an.Ich möchte nicht, Herr Kollege Hermsdorf — um ein „Spiegel"-Zitat zu nehmen — mit der Peitsche das Wasser hauen, damit es knallt. Das will angeblich Herr Schiller nach dem „Spiegel" in bezug auf die Konjunkturpolitik machen. Er kann sich dazu leider nicht äußern, weil wir nicht das Vergnügen haben, ihn hier bei uns zu sehen.
Zu Beginn der Arbeit der Großen Koalition konnte das von der Regierung Erhard eingebrachte Gesetz zur Förderung der Stabilität verabschiedet werden. Damit hatte eine Bundesregierung erstmals ein umfassendes und perfektes Instrumentarium zur Regelung der Konjunktur zur Verfügung. Nun meine ich, wir sollten hier ganz offen sein. Die Rezepte für eine Belebung der Konjunktur sind seit Keynes bekannt und verfeinert. Es ist also keine Meisterleistung, in einer Flaute anzukurbeln. Die Stunde der Bewährung für dieses Gesetz und für jene, die es zu handhaben haben, beginnt nach meiner Auffassung jetzt in dieser Stunde, in der man berechtigt ist, von der Gefahr — der Gefahr! — der Überhitzung zu sprechen.Die abgelaufenen Jahre haben allerdings auch eine Reihe von Illusionen zerstört: die Illusion von der Machbarkeit der Wirtschaftspolitik, die Illusion, daß es möglich sei, Wachstum nach Maß zu verordnen und maßgerecht zu erhalten.
Aber eines sollte man unterstreichen, und das ist das Positive der Erfahrung der letzten beiden Jahre: In der Marktwirtschaft hat sich die Regenerierungsfähigkeit, die Anpassungsfähigkeit der unternehmerischen Wirtschaft wieder bewiesen.
Das Entscheidende für die Wirtschaftspolitik ist nach meiner Auffassung die Stetigkeit und die Prinzipientreue. Während von rechts nach links, also von Herrn Schlamm bis zu Herrn Scheel, dem Bundeskanzler gelegentlich vorgehalten wird, er sei zu gelassen, können wir diesen Vorwurf, meine ich, dem Herrn Bundeswirtschaftsminister ganz bestimmt nicht machen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß 'in unserer Wirtschaftspolitik etwas zuviel Hektik vorhanden ist. „Öfter mal was Neues" ist sicher in der Textilbranche ein guter Werbeslogan, aber kein Prinzip der Wirtschaftspolitik.
Nun muß ich allerdings den Herrn Bundeswirtschaftsminister auch loben. Er hat gelernt, und er hat aus den Fehlschätzungen der Vergangenheit Konsequenzen gezogen. Er ist etwas vorsichtiger geworden. Man vernichtet jetzt auch in den Prognosen darauf, hinter dem Komma noch ganz genau anzugeben, wie es laufen wird. Man vernichtet also auf den Anschein präziser Zukunftskenntnisse auch hinter der Dezimalstelle.Nach einer relativ kurzen Zeit der New Economics von Schiller/Arndt — ich darf Sie mit einbeziehen, Herr Staatssekretär, weil Sie das Ressort jetzt vertreten —
ist die Preisstabilität wieder zu einem wichtigen und wirtschaftspolitisch erstrebenswerten Ziel geworden. Deshalb hat die deutsche Öffentlichkeit, nach meiner Auffassung mit Recht, mit Befremden davon Kenntnis genommen, daß vor noch nicht allzu langer Zeit — man könnte eigentlich sagen: vor Tagen — der Herr Bundeswirtschaftsminister immerhin bereit war, Preissteigerungen von 2 bis 2,5 % hinzunehmen, d. h. weit mehr, als die Normen des Stabilitätsgesetzes zulassen. Ich glaube, es ist nicht möglich, derartige Steigerungen hinzunehmen. Aber ich möchte auch davor warnen, sich nun so in die Defensive zu beigeben, daß man eine Preissteigerung auseinanderdividiert, um dann zu sagen: Das ist ja eigentlich gar keine.
Administrative Preise hat es immer gegeben; aber wenn man darüber spricht, dann sollte man alle nennen, z. B. den Leber-Plan. Und wenn man sich auf der einen Suite den Verfall der Nahrungsmittelpreise im vergangenen Jahr als Verdienst zurechnet, dann muß man natürlich auch gleichzeitig das Aufholen der Verbrauchspreise im Jahre 1969 den konjunkturellen Ursachen zurechnen. Man kann also exogene Faktoren nicht wahlweise mal so und mal so heranziehen. Ich glaube, das wird den Wahrheitsgehalt solcher Aussagen, die ohnehin schwierig sind, außerordentlich beeinträchtigen.
Über die Exaktheit der Prognosen ist heute viel gesagt worden. Man kann ja nicht darauf ver-
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Gewandtzichten, immer wieder das zu unterstreichen, was der Herr Finanzminister gesagt hat: Es handelt sich um eine Leitlinie, sie zeigt einen Trend auf; aber es wäre vermessen anzunehmen, es käme nun genau so, es ginge nach Maß. Im Jahre 1967 sollte 4 % Steigerung eintreten — Wachstum gleich Null. Das hat Gründe, und ich habe an dieser Stelle auf die Gründe hingewiesen. Es genügt nicht, ein Instrumentarium zu haben, um die Konjunktur anzukurbeln; man muß auch das nötige Vertrauen unter den Investoren haben. Wenn man jahrelang eine gute Konjunktur in den Boden geredet hat, wenn man eine leichte Rezession dramatisiert hat,
und wenn man dann noch, meine Herren, mit unklaren Begriffen wie sozialer Symmetrie arbeitet,
dann durfte man sich nicht wundern, daß im Jahre des Heils 1967, dem ersten Jahr der neuen Wirtschaftspolitik, Wachstum nicht vorhanden war.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Mit großem Vergnügen.
Herr Gewandt, sind Sie der Auffassung, daß der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am 13. Dezember 1966 die Situation zu unrecht dramatisch dargestellt hat?
Ich bin der Meinung, Sie interpretieren es verkehrt. Er hat die Situation so dargestellt, wie er sie vorzufinden glaubte.
Ich habe nur auf die Gründe hingewiesen, warumim Jahre 1967 ein Zuwachs nicht möglich war.Nun aber zurück zu den Prognosen! Im Jahre darauf sollten es 4 % werden; erzielt wurden 7 %. Das zeigt also, daß man nicht in den Duisdorfer Amtsstuben Wirtschaftswachstum macht und daß Wirtschaftspolitik keine Arithmetik ist.Nun ist der zu erwartende Preisauftrieb höher als das, was in der Prognose des Bundeswirtschaftsministers anvisiert worden ist, und auch höher als das, was er versprach. Erlauben Sie mir, nun auch einmal an den Wahlkämpfer und Oppositionsredner Schiller zu erinnern: Der hat 1965 gesagt, er würde die Preisauftriebe schrittweise von 3% auf 2 % und auf 1 % herabdrücken. Sie sehen, in welcher Entwicklung wir uns befinden, daß uns also Herr Schiller etwas prophezeit hat, was er nicht einhalten konnte. Heute haben die Sachverständigen ja eine Verfallsrate der Preise von 3 bis 3,5 % prophezeit, und wir begrüßen es, daß die Bundesregierung mit einem Stabilitätsprogramm mit gutem Beispiel vorangeht.Der Preisindex für die Lebenshaltung — um kurz noch einmal auf dieses Thema einzugehen — lag im Dezember 1968 um 2,7 % über dem vergleichbaren Vorjahresstand. Von Mitte Dezember 1968 bis Januar 1969 hatten wir einen Anstieg von 0,7%. Wenn man das einmal in einem Jahr summiert, kann man verstehen, daß die Bundesregierung entschlossen ist, hier Einhalt zu gebieten; denn wir kämen sonst in einen Boom mit all seinen unerwünschten Folgen.Der Herr Finanzminister hat in diesem Zusammenhang auch auf die Notwendigkeit der Vermögensbildung hingewiesen. Wenn man es damit ernst meint, muß man natürlich auch die Preisstabilität ernst nehmen. Der Sparer würde nämlich bei einer Weiterentwicklung die Zinsen verlieren. Ich möchte auf das hinweisen, was Eick in der FAZ geschrieben hat, daß nämlich bei einem privaten Geldvermögen von 350 Milliarden DM 3% Verlust 10 Milliarden DM Verlust für den Sparer, also für den kleinen Mann, bedeuten würden.
Ich glaube, man sollte auch nicht in Wirtschaftsberichten der Regierung die harte und ehrliche Aussage scheuen, indem man neue Formulierungen findet. „Preiskomponente" ist die neue Vokabel für eine Wertminderung des Geldes.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat auch heute wieder in seiner bemerkenswert defensiven Rede darauf hingewiesen, daß es Länder gebe, die bei 3 bis 4 % beglückt wären. Das kann ich verstehen; es gibt in Südamerika Länder, die haben 40 % Inflationsrate. Wir in Deutschland haben aber auf diesem Gebiet unsere besonderen Erfahrungen. Deshalb frage ich noch einmal — ich bedauere, daß Herr Schiller nicht da ist; deshalb kann er nicht antworten —, ob es zutrifft, daß er in Frankfurt, wie die Presse berichtete, gesagt hat, die Erhaltung der Preisstabilität stelle ja nur 25 % des Auftrags dar, den die Bundesregierung aus dem Stabilitätsgesetz ableiten könne.
Das Stabilitätsgesetz hebt — ich glaube, gleichrangig — Preisstabilität, Vollbeschäftigung, Wachstum und außenwirtschaftliches Gleichgewicht ausdrücklich hervor. Meine Damen und Herren, wo kämen wir hin, wenn wir sagten, wir betrachteten auch die Vollbeschäftigung nur zu 25% als erstrebenswertes Ziel!
Ich glaube, da sind wir alle einer Meinung.Es hat sich gezeigt, daß wir — wie Herr Strauß und auch wir es seit langem prophezeit haben — mit sanftem Gegensteuern — so, wie im „Spiegel" stand: mit der Peitsche aufs Wasser hauen, damit es knallt und nichts passiert — der Lage nicht Herr werden. Wir müssen das Stabilitätsgesetz anwenden; wir sind froh, daß es die Regierung tut.Bei dieser Gelegenheit muß man natürlich erwähnen, daß Herr Schiller damals, als es dieses Gesetz noch nicht gab, zusammen mit seiner Partei empfohlen hat, wir sollten dieses Problem in Form von Staatsverträgen regeln. Es ist doch immerhin ganz
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Gewandtamüsant, sich das jetzt noch einmal vor Augen zu halten.
Jetzt braucht man einen Sündenbock.
Es gibt administrative Preise, und zum anderen gibt es die Preisbindung. Hierzu muß man natürlich noch einmal etwas sagen, da sonst eine Legende entsteht. Zunächst einmal stellen wir fest: der Anteil der Waren mit gebundenen Preisen am Warenkorb sinkt ständig; zur Zeit beträgt er etwas über 7 %. Es gibt keine wissenschaftlich exakte Beweisführung darüber, daß bei einer Aufhebung eine Senkung des Preisniveaus stattfindet. Der Herr Präsident des Bundeskartellamtes — gewißlich kein Freund der Preisbindung — hat darauf hingewiesen, daß sogar eine gegenteilige Wirkung nicht ausgeschlossen sei.Selbst wenn man in Rechnung stellt, daß in der Vergangenheit preisgebundene Artikel als Lockvogel mißbraucht wurden, aus der Preisbindung ausschieden und dann natürlich zu einer Preissenkung führten, sagt das doch über das Preisniveau insgesamt gar nichts aus. Der Wirtschaftstheoretiker Schiller kennt auch das Thema Mischkalkulation und die Kreislauftheorie: wenn irgendwo ein Preis sinkt und damit Kaufkraft frei wird, ist damit zu rechnen, daß sie auf andere Märkte drängt und dort möglicherweise die Preise anhebt. Im übrigen haben wir eine Bescheinigung des Bundeskartellamtes darüber, daß sich bei Einführung der Mehrwertsteuer die gebundenen Preise als besonders stabil erwiesen haben.
Ich möchte noch auf folgendes aufmerksam machen. Das Land mit dem höchsten Anteil gebundener Preise — weit mehr als bei uns —, die Schweiz nämlich, hat ein Maximum an Preisstabilität; die soviel gepriesenen skandinavischen Länder, bei denen man keine gebundenen Preise kennt, befinden sich seit Jahren in einer ständigen Entwertungsphase ihres Geldes.
Ich glaube, man muß eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung anstellen und darf nicht einen Lockvogelherausgreifen und darauf irgend etwas konstruieren.Ich glaube, der Bundesfinanzminister hat rechtzeitig erkannt, daß in der ständigen Ausweitung der Binnenkonjunktur Gefahren liegen. Wohin wären wir gekommen — das muß man doch einmal ganz offen ansprechen —, wenn das Kabinett dem Herrn Bundeswirtschaftsminister bei der Gestaltung des Haushalts gefolgt wäre?
— Darauf komme ich noch. Herr Schiller hat ja Anlaß gegeben, dieses Thema etwas zu vertiefen.Der Herr Bundesfinanzminister hat sich durchgesetzt. Er konnte sich rühmen, erreicht zu haben, daß wir das Haushaltsvolumen des vergangenen Jahres nur um 0,5 % — im investiven Bereich um 3,5% — erhöht haben und damit im Zuwachs des Haushaltsvolumens weit hinter dem zurückgeblieben sind, was Herr Schiller projiziert hat, der seinerzeit dem Kabinett 5,5 % Haushaltszuwachs und 11% im investiven Bereich einreden wollte. Wenn wir dann noch in Betracht ziehen, daß sich der Herr Bundeswirtschaftsminister wiederholt um neue Ankurbelungsmaßnahmen — im Gegensatz zu seinen Darstellungen; das muß ich sagen — bemüht hat, kann man nur froh sein, daß er sich damit nicht durchgesetzt hat. Wir wissen, daß er im Mai vergangenen Jahres im Finanzkabinett mit seinen Vorschlägen — Hebung der Kilometerpauschale und weitere Spitzen — unterlegen ist, und wir wissen, daß Herr Blessing interveniert hatte, als im Januar vergangenen Jahres weitere Ankurbelungsmaßnahmen in steuerlicher Hinsicht durchgeführt werden sollten.Wir meinen also, jetzt kommt die Bewährungsprobe des Stabilitätsgesetzes, und man sollte der Regierung und dem Bundesfinanzminister folgen, nicht aber der Ausweitung der Binnennachfrage ständig den Vorrang geben
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Müller-Hermann?
Ja, bitte!
Herr Kollege Gewandt, können Sie sich vorstellen, daß dieser relativ rasche Wiederaufschwung unserer Wirtschaft möglich gewesen wäre, wenn der Ausgangspunkt tatsächlich eine tiefgehende Wirtschaftskrise gewesen wäre?
Nein. Meine Herren, wir kennen ja die Ursache der vorübergehenden Rezession. Wir haben nämlich damals nicht die Mehrheit gehabt, um das Stabilitätsgesetz zu verabschieden,
das es uns ermöglicht hätte zu handeln. Das muß gesagt werden. Deshalb war Herr Blessing gezwungen, auf die Bremse zu treten.
Hätten Sie eher mitgemacht, hätten wir eher handeln können.
Gestatten Sie eine Frage von Herrn Ravens?
Ja, bitte schön!
Herr Kollege Gewandt, glauben Sie, daß Sie diesem Hause und denen, die an den Beratungen teilgenommen haben, wirklich weiß machen können, daß man mit Hilfe des Stabilitätsgesetzes in der damals vorgelegten Form tatsäch-
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Ravenslich in der Lage gewesen wäre, angesichts der Haltung der Bundesregierung die Stabilisierung herbeizuführen? Wenn sie es gewollt hätte, hätte sie es mit anderen Maßnahmen, nämlich im eigenen Haushalt, gekonnt.
Sie meinen, Herr !Ravens, die von Ihnen vorgeschlagenen Staatsverträge. Ich glaube, dazu braucht man nichts mehr zu sagen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, die Frage der Geldstabilität hat auch eine Bedeutung für unseren Export. Verkennen wir nicht, daß sich alle mit uns konkurrierenden Länder darum bemühen, die Stabilität zu erreichen, und wir also auch die Pflicht dazu haben, wenn wir nicht ins Hintertreffen kommen wollen. Ich möchte die Gründe, die die Bundesregierung bewogen haben, nicht aufzuwerten, durchaus würdigen. Auf die Dauer allerdings müssen wir davon ausgehen, daß man monetäre Probleme mit fiskalischen Methoden nicht lösen kann.
Meine Damen und Herren, es wäre auch ein Fehler, zu meinen, daß man die Räder der Wirtschaft durch eine Politik des leichten Geldes, einer leichten Inflation, schmieren müsse. Reales Wachstum läßt sich nur erreichen, wenn wir endlich zu einer systemvollen Strukturpolitik kommen und alle Reserven im Bereich der Bildung und der Infrastruktur ausschöpfen und in den Dienst eines qualitätsorientierten realen Wachstums stellen.
Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gelehrt, daß man in der Zeit des Aufschwungs Strukturprobleme ohne soziale Härten am besten löst.
Man sollte auch nicht die globale Wachstumsrate zum alleinigen Wertmesser des Erfolgs einer Wirtschaftspolitik machen.
Die Steigerung der globalen Wachstumsrate ist also nicht das primäre Ziel; man muß zu einer qualitativen Betrachtung kommen.Ich meine, die leidvollen Erfahrungen anderer Volkswirtschaften, beispielsweise der englischen, in der Strukturprobleme verschleppt wurden,
sollten wir hier nicht wiederholen.
Es ist im Zusammenhang mit der Preisbindung auf die Wettbewerbspolitik eingegangen worden. Es ist in diesem Zusammenhang auch — — Nein, entschuldigen Sie, Herr Schiller bittet um Verständnis; er hat sich mit einem Herrn aus den Vereinigten Staaten zurückgezogen. Also mein Verständnis hat er.
Gestern ist hier der Kollege Müller-Hermann von den Kollegen der FDP wegen einiger kritischerWorte zur Wettbewerbspolitik und zu bestimmten Konzentrationserscheinungen apostrophiert worden. Herr Minister Schiller hat gesagt, er wolle einen funktionsfähigen Wettbewerb. Ein sehr bekannter Nationalökonom in den Vereinigten Staaten hat gesagt, es gebe ebenso viele Vorstellungen von „funktionsfähigem Wettbewerb", wie es funktionsfähige Nationalökonomen gebe.
Im Augenblick sehe ich mit einer gewissen Skepsis, daß man bei der Anwendung des Kartellrechts gewisse Schwerpunkte bilden will. Ich habe immer angenommen, ein Recht wird für alle gleich und so, wie der Buchstabe des Gesetzes ist, angewendet. Man könnte ein bißchen den Verdacht haben, daß eine gescheiterte Novelle, nun, ich möchte nicht sagen: „außerhalb der Legalität", aber am Bundestag vorbei realisiert werden soll.
Es fehlen konkrete Vorstellungen bezüglich der Wettbewerbspolitik, und die jüngste Entwicklung im Bereich der Fusion zeigt, daß dem Wettbewerb als universellem Ordnungsprinzip Gefahren drohen.Niemand von uns wird sagen, daß Konzentration an sich gefährlich sei.
Es gibt Bereiche, in denen sie erwünscht und förderungswürdig ist; man muß es nur in den richtigen Dimensionen sehen. Aber wenn man dazu käme, immer mehr Einheitsgesellschaften in immer mehr Branchen zu bilden, dann käme man zu nationalen Monopolen, die bedenklich sind.
— Oh, meine Herren, darauf komme ich gleich, wer das alles will.
Meine Damen und Herren, dadurch würde der Wettbewerb funktionsunfähig.Wir haben von weiteren Einheitsgesellschaften gehört. Ich komme jetzt auf die einzelnen zu sprechen; zunächst auf das Thema einer einheitlichen Erdölgesellschaft.Wir haben uns immer — mit „wir" meine ich die Christlichen Demokraten — dafür eingesetzt, daß unsere Firmen einen Zugang zu Erdölquellen kriegen. Aber die Sozialdemokraten — ich darf einmal den sehr geschätzten Kollegen Westphal zitieren — haben hier gesagt: „Der Herr Staatssekretär Neef und auch die anderen haben uns von der Opposition" — das war damals die SPD — „aufgefordert, beim Thema Erdöl nicht zu räsonieren". Man habe sie aufgefordert, mitzuhelfen, daß durch Darlehen für die Erschließung neuer Erdölfelder außerhalb des Bundesgebiets geholfen werden könne. Herr Westphal erklärte damals weiter, daß die Vorstellung bestehe, beim Aufsuchen neuer Felder die deutschen Firmen zu sogenannten integrierten Gesellschaften zu entwickeln. Damals sagte dann Herr
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GewandtWestphal, man glaube nicht, daß sie gegenüber den internationalen Gesellschaften bestehen könnten; er sagte: „Das haben wir schon immer bezweifelt." Sie fanden eine Mehrheit; auch aus fiskalischen Gründen. Damit war natürlich der Erdölpolitik ein schwerer Schlag versetzt, weil die Firmen, denen Zusagen gegeben worden waren, sich getäuscht fühlten und weil eine Unterbrechung eintrat. Dann kam plötzlich ein Artikel im „Vorwärts", und da erfuhren wir, daß nun 550 Millionen DM zur Erreichung der Ziele gegeben werden sollten, die wir immer angestrebt haben.Aber auch in anderen Bereichen wird sehr viel stärker zur Konzentration geraten. Denken Sie an die Luftfahrt, denken Sie an die Konzentrationsfreudigkeit im Falle Thyssen und Mannesmann. Man muß also über die Fragen der Funktionskontrolle und der Aufsicht sprechen, und dazu muß man eine Antwort des Bundeswirtschaftsministers haben. Eine besonders hohe Konzentrationsrate haben wir im EWG-Bereich. Wenn man 100 als Durchschnitt nimmt, sind wir bei 150 angelangt. In einigen Bereichen mag das ein Vorteil sein. Aber hierüber müssen wir in einer wettbewerbsorientierten Wirtschaft sprechen.Eines möchte ich hier natürlich nicht verhehlen: ein sozialistischer Minister, der offenbar die Konzentration fördert, setzt sich natürlich dem Verdacht aus, daß er sich mit bestimmten Vorstellungen einiger Herren des Deutschen Gewerkschaftsbundes identifiziert. Ich möchte daran erinnern, daß Herr Brenner auf einem Kongreß einmal gesagt hat:Mitbestimmung, Wirtschaftsdemokratie und sozialistische Gesellschaftsordnung gehören zusammen, bilden ein System. Die Forderung nach Mitbestimmung ist vornehmlich politisch motiviert. Es geht um die Abschaffung der Leitungsbefugnis der Kapitaleigentümer. Der Weg führt über die Mitbestimmung zum Sozialismus.Die Sozialdemokraten wollen mit ihrer Vorlage die Mitbestimmung in dem Großbereich. Sie werden verstehen, meine Damen und Herren, daß wir dann einige Erläuterungen haben möchten. Das ist zuviel auf einmal. Die FAZ hat vielleicht gar nicht so unrecht, wenn sie sagt, man könnte eine Methode darin vermuten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Westphal?
Bitte schön, Herr Kollege.
Abgesehen davon, daß ich Ihre Angst vor dem demokratischen Sozialismus nicht teile, möchte ich Sie doch fragen, ob Sie nicht mit mir die Tatsache anerkennen müssen, daß die Konzentration in der Luftfahrtindustrie eine von diesem Hause gewollte Sache ist und die Regierung beauftragt worden ist, sie zu betreiben,
und daß die von Ihnen erwähnte mögliche Konzentration im Stahlbereich auf den entschiedenen Widerstand des Wirtschaftsministers dieser Regierung stößt.
Herr Westphal, wir haben in einer Reihe von Bereichen Konzentrationsvorgänge, die uns Veranlassung geben, auf eine Klärung der wettbewerbspolitischen Leitsätze der Bundesregierung zu dringen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ravens?
Ja, bitte schön.
Herr Kollege Gewandt, ich möchte auf das letzte nicht mehr eingehen — das ist mir zu niedrig —, sondern nur die Frage stellen: Ist Ihnen bekannt, daß der Herr Bundesfinanzminister ein Steuerumwandlungsgesetz als Regierungsvorlage ein Steuerumwandlungsgesetz als Regierungsvorlage eingebracht hat, wonach auch die Fusionierung steuerbegünstigt werden soll, ohne daß es darin eine Klausel der Fusionskontrolle gibt, und ist Ihnen bekannt, daß die Ansätze, die im Rahmen meiner Fraktion gemacht worden sind, die Steuervorteile zu versagen, wenn die Fusionierung zu Machtzusammenballungen auf dem Markt führt, bisher von Ihren Kollegen abgelehnt worden sind? Ich kann doch nicht im Plenum und vor dem Fernsehen die Fusionskontrolle predigen und in den Ausschüssen genau das Entgegengesetzte tun!
Herr Ravens, Sie müssen zwei Dinge auseinanderhalten. Wir haben von Anfang an gesagt: wir wissen, daß es Bereiche gibt, in denen eine Fusion und eine Konzentration erwünscht ist.
Es gibt Bereiche — das gilt nicht nur für Großgesellschaften, sondern auch für Personengesellschaften —, in denen man eine vernünftige Gesellschaftsform nicht an steuerlichen Gesetzen scheitern lassen sollte. Die eine Sache ist das Steuergesetz, und die andere Sache ist das Kartellgesetz. Soeben habe ich über das Kartellgesetz und über die wettbewerbspolitischen Vorstellungen der Regierung gesprochen.
Erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Gewandt, können Sie sich vorstellen, daß wir volkswirtschaftlich und wettbewerbspolitisch unerwünschte Fusionen nicht auch noch mit Steuergeldern finanzieren wollen?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12105
Hier geht es doch nicht um die Förderung unerwünschter Zusammenschlüsse und Fusionen. Das hat doch damit gar nichts zu tun. Hier geht es nur darum, daß wir ein Wettbewerbsgesetz haben, das unerwünschte Fusionen und Konzentrationen unmöglich macht. Das hat doch mit der steuerlichen Förderung unerwünschter Konzentrationen gar nichts zu tun.
Herr Ravens hat den Wunsch, eine weitere Frage zu stellen.
Bitte schön!
Herr Kollege, darf ich dann fragen, ob Ihnen nicht bekannt ist, daß es in der letzten Legislaturperiode Ihre Fraktion war, die die Verschärfung des § 22 a des Kartellgesetzes verhindert hat, in dem diese Kontrolle gefordert war?
Wenn man eine bestimmte Form nicht für tunlich hält, dann ist man doch nicht im Prinzip degegen; das ist doch der wesentliche Unterschied. Es handelt sich ja hier nur um einen Formenstreit und nicht um einen Prinzipienstreit, und wir möchten einmal hören, wie sich der Herr Bundeswirtschaftsminister in der neuen Landschaft die Anwendung des Kartellgesetzes und seiner wirtschaftspolitischen Leitsätze vorstellt.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Friderichs?
Herr Kollege Gewandt, sind Sie wirklich der Meinung, daß das geltende Kartellgesetz geeignet ist, unerwünschte Fusionen zu verhindern?
Nein. Deshalb haben wir es ja bedauert
— nein, nein; ich komme noch darauf —, daß durch die völlig unbegründete Verbindung eines Detailproblems, nämlich der Preisbindung der zweiten Hand, mit diesem Problem eine Weiterentwicklung des Kartellrechts gescheitert ist.
Nun, meine Damen und Herren, möchte ich doch darauf hinweisen — —
Gestatten Sie eine weitere Frage?
Gestatten Sie, daß ich weiterrede. Dann können sich die Herren das vielleicht auch etwas überlegen.Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, daß wir uns heute in der Wirtschaft in die Zukunft orientieren und den technologischen Erfordernissen 'entsprechen müssen. Deshalb ist es, meine ich, auch für uns außerordentlich aufschlußreich, was zu Wettbewerbsgesetzen und zur wirtschaftlichen Entwicklung die Hearings im Senat der Vereinigten Staaten ergeben haben. Sie haben nämlich aufgeräumt mit der These: Großbetrieb gleich technologische Superleistung gleich Sozialsuperleistung. Wir haben die Erkenntnis gewinnen können, daß gerade von kleinen und mittleren Unternehmen Impulse für die technologische Weiterentwicklung ausgegangen sind, die jene der Großbetriebe übertreffen. Ich meine, daß man dies bei der Weiterentwicklung des Kartellrechts berücksichtigen sollte.Meine Damen und Herren, ich möchte nun noch zu einem Thema Stellung nehmen, das an Bedeutung für die Wirtschaftspolitik zunimmt. Es ist das Thema der sogenannten konzertierten Aktion. Hier entwikkelt sich eine Eigendynamik, von der ich nicht annehme daß der Gesetzgeber sie gewollt hat. Ich sehe hier eine Umfunktionierung. Herr Schiller hat neulich einmal gesagt: Eine solche konzertierte Aktion ist im übrigen eine Veranstaltung, in der zum erstenmal seit vielen Monaten den autonomen Gruppen, d. h. gleichberechtigt auch den Gewerkschaften usw., die Gelegenheit gegeben wird, permanent die Vorbereitung der Wirtschafts- und Finanzpolitik des Staates zu beeinflussen und an dieser Vorformung der Politik gleichberechtigt mitzuwirken.Meine Damen und Herren! Nach dem Gesetz ist die konzertierte Aktion dazu da, Orientierungsdaten zur Verfügung zu stellen. Ichglaube, es ist auch nicht richtig, daß man versucht, legislative Maßnahmen dadurch zu präjudizieren, 'daß man alle Bereiche der Wettbewerbspolitik und der Gesellschaftspolitik dort in Unterkommissionen abhandelt.Meine Damen und Herren! Die konzertierte Aktion ist ein closed shop. Niemand hat Anspruch darauf, aufgenommen zu werden. Es wird vom Bundeswirtschaftsminister entschieden, und niemand hat die Möglichkeit zu intervenieren, um in die konzertierte Aktion hineinzukommen, in der nicht, wie es im Gesetz steht, nur Orientierungsdaten erarbeitet werden, sondern in der, wie Herr Schiller sagt, die Politik vorgeformt und eine permanente Vorbereitung der Wirtschaftspolitik betrieben wird.Meine Damen und Herren! Wegen der vorgerückten Zeit möchte ich nur noch ganz kurz abschließend etwas zum Haushalt sagen. Ich glaube, wirr sind froh darüber, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister der Stabilitätspolitik seines Kollegen Strauß gefolgt ist. Er hat noch vor kurzem der Textilwirtschaft geraten, im Windhundsystem zur Kasse des Bundes zustreben. Heute wird dann gesagt, wir müßten die Einfuhrschleusen öffnen, um offenbar der damals so subventionsbedürftigen Textilindustrie zu helfen. Die in Blüte befindliche Stahlindustrie erhielt ja auch die Offerte, an die Staatskasse heranzutreten, offenbar in einer Fehleinschätzung der konjunkturellen Lage. Wir sind froh, daß es nicht so gekommen ist, denn sonst würden wir uns durch die Überdosis der Förderungsmaßnahmen bereits in einer galoppierenden, Inflation befinden.Meine Damen und Herren, es ist natürlich schmerzlich, wenn wir bei all diesen Maßnahmen
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12106 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Gewandtfeststellen müssen, daß das von der Bundesregierung angestrebte stärkere Wachstum der investiven Ausgaben gegenüber den konsumtiven Not leidet. Wir kennen aber alle die objektiven Schwierigkeiten, die einer Änderung dieses Verhältnisses tatsächlich entgegenstehen. Ich verkenne das nicht. Es kam mir auch nicht darauf an, hier den Herrn Bundeswirtschafsminister global zu kritisieren. Ich wollte vor allem auf Gefahren hinweisen, die latent vorhanden sind. Ich möchte vor allen Dingen sagen: Lassen Sie uns doch wieder zu den bewährten Grundsätzen der Marktwirtschaft zurückkommen. Ein neuer Säulenheiliger der FDP, Herr Dahrendorf, hat in seinem Buch „Demokratie in Deutschland" geschrieben, daß in der von Erhard gestalteten Marktwirtschaft Deutschland zum erstenmal in seiner Geschichte der egalitären Gesellschaft am nächsten gekommen sei. Von Ausnahmebereichen abgesehen, hat die Wettbewerbswirtschaft ja auch verhindert, daß verkrustete Strukturen, die wir in anderen Bereichen haben, sich in der Wirtschaft erhalten.
Wir müssen auf dem Wege dieser sozial verpflichteten Gesellschaft weiterschreiten. Nur eine Leistungsgesellschaft ermöglicht uns die Verwirklichung und den Ausbau des sozialen Rechtsstaates. Wir dürfen nicht nur an heute denken, wir müssen an morgen denken, denn wir wollen nicht nur heute Wohlstand, sondern auch in Zukunft.
Das Wort hat Herr Dr. Friderichs.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Es ist nicht ganz einfach, um diese Uhrzeit nach dem heutigen Nachmittag zu diesem Thema noch etwas zu sagen. Als es 17.00 Uhr war und die beiden zuständigen Ressortminister immer noch das Rednerpult blockierten, konnte ich mich nicht des Eindrucks erwehren: Wer viel redet, hat nichts zu sagen.
Das ist der Eindruck des heutigen Nachmittags gewesen. Man könnte allerdings auch mit Schiller sprechen — ich meine, mit dem richtigen —:
Getretener Quark wird breit, nicht stark. Auch das stimmte für den heutigen Nachmittag.
Nun gut, das ist jetzt ja alles sehr viel besser geworden. Vor allen Dingen danke ich dem Kollegen Gewandt für seine letzte Bemerkung, in der er mit einer für uns sehr erfreulichen Offenheit, einer Offenheit, die wir bei seiner Fraktion nicht immer gewöhnt sind, festgestellt hat,
daß wir einen Säulenheiligen der Marktwirtschaft
aufgestellt haben. Wissen Sie, Herr Gewandt, wir
mußten das machen, nachdem Sie Ihren Säulenheiligen der Marktwirtschaft abmontiert haben. Wir wollten gerne, daß wenigstens noch einer steht.
Weil wir etwas von der Marktwirtschaft halten,
dachten wir uns, wir stellen einmal einen auf; denn
wir haben dem damaligen auch dabei geholfen, sie
einzuführen. Daß Sie ihn dann etwas vorschnell abmontiert haben, nun ja, das ist halt so ein Problem.
— Lieber Herr Müller-Hermann, wenn wir jetzt prüfen sollten, ob er an uns gescheitert ist oder an denjenigen, die in Ihrer Fraktion hinter ihm standen, würde das eine interessante Klausurstunde.
Dann könnten wir lange darüber diskutieren.
Aber, Herr Kollege Gewandt, an sich müßten wir uns ja aus einem weiteren Grund bedanken, da Sie heute die Reihen der Opposition tatkräftig oder jedenfalls stimmkräftig verstärkt haben; denn bis zur Stunde hatte ich nicht den Eindruck, daß Ihre Fraktion diese Regierung trägt,
wobei ich ein gewisses Verständnis, meine Damen und Herren, dafür habe, daß Sie sich einmal vorsorglich in der Oppositionsrolle üben. Man weiß ja nie! Das ist gar nicht so schlecht.
Da muß Ihnen ein Kompliment aussprechen: So schlecht haben Sie es gar nicht gemacht; man könnte es glatt wagen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Althammer?
Natürlich!
Herr Kollege, hatten Sie nicht den Eindruck, daß es die derzeitige Opposition eigentlich ein bißchen nötig hatte, unterstützt zu werden?
Herr Kollege Althammer, wenn ich die Presse der letzten Wochen verfolge und die Reaktionen einer Partei, die in diesem Hause mit der stärksten Fraktion vertreten ist, in den letzten Wochen beobachte, dann habe ich den Eindruck, andere haben es nötig.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12107
Dr. FriderichsIch meine, so nach Berlin und so.
— Nein, es war deutlich, Herr Kollege.Der Herr Bundeswirtschaftsminister Schiller hat heute gesagt — aber da bin ich nicht ganz mitgekommen —, daß er und sein Kollege Strauß sich symmetrisch verhalten würden; da sind die sich also offensichtlich einig. Mir ist ein Widerspruch aufgefallen, Herr Gewandt: Daß Sie ihn dann kritisieren, bedeutet doch, daß Sie gleichzeitig den Finanzminister mitkritisieren.
— Moment! — Oder aber Sie sind der Meinung, daß sie sich nicht symmetrisch verhalten. Da würde ich Ihnen zustimmen; denn der Herr Bundeswirtschaftsminister hat offensichtlich noch nicht alle technologischen Probleme erfaßt. Wenn die Strecke besonders schwierig ist — so habe ich mir von meinem Autohändler sagen lassen —, soll man assymmetrische Reifen nehmen und keine symmetrischen. Die Sache ist im Moment sehr schwierig. Wir müssen ihm diese Wortbelehrung zuteil werden lassen. Sonst ist er ja anerkannt ein Meister des Wortes, nicht ohne Grund.Aber nun zu den Problemen, die heute noch anstehen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat gesagt, er mache eine Wirtschaftspolitik konsequent weiter, die 1966 mit Ihrer Koalition begonnen habe, und setze sie lediglich mit anderen Mitteln fort. Was die anderen Mittel betrifft, so habe ich mir einmal überlegt, was er eigentlich 1965/66 gesagt hat. Da saß er noch nicht da auf der Regierungsbank, sondern noch dort unten als Oppositionssprecher. Da hat Herr Schiller, als Ihr damaliger Säulenheiliger der Marktwirtschaft noch auf der Regierungsbank saß, in einer harten Debatte, an der ich mich hinterher auch noch beteiligt habe, gesagt: Eine Inflationsquote von 2 bis 3 % bedeutet währungspolitischen Schlendrian.
Das Wort stammt also gar nicht von uns, sondern das hat er damals gesagt.
In der Tat muß ich zugeben, daß wir eine andere Regierung mit einer anderen Politik haben. Denn diese Regierung hat, wie ich dem Jahreswirtschaftsbericht entnommen habe, diese Maxime zum Gegenstand ihrer Politik gemacht. Damals war das nur Schlendrian, jetzt ist es offizielle Politik; denn in dem Jahreswirtschaftsbericht steht diese Quote exakt als die Quote des Jahres 1969 drin. Da würde ich Ihnen also zustimmen, Herr Gewandt: das ist neu, daß der Schlendrian — ich zitiere wörtlich — nunmehr zum Gegenstand der Politik gemacht wird.
— Herr Haase, vorsichtig, ganz vorsichtig! Der damalige Bundesfinanzminister von der FDP wurde immer verantwortlich gemacht. Leider müssen wir dann auch den jetzigen mit zur Verantwortung ziehen. Denn so können Sie es natürlich nicht machen: Für das eine ist der Schiller zuständig, nämlich für das, was nicht so läuft, wie Sie es wünschen, und für das, was so läuft, wie Sie es wünschen, ist der Strauß zuständig. Das geht nicht ganz gut!
Wir müssen das schon einmal schön zusammennehmen. Wissen Sie, einer ist nämlich mit Sicherheit zuständig, der wieder einmal nicht da ist, weil er wahrscheinlich gerade die Richtlinien der Politik bestimmt; ich meine den Bundeskanzler.
Wenn Sie einen Kanzler hätten — das hat sich doch heute hier gezeigt —, der die Fähigkeit hätte, diese Regierung in dieser Situation zu führen, dann wäre eine Debatte, in der Sie sich hier in einer wirtschaftspolitisch schwierigen Situation bekriegen, einfach unmöglich. Lassen Sie sich das von der Opposition sagen.
Ihre Regierung, Ihr derzeitiger Noch-Säulenheiliger, nicht für Marktwirtschaft, sondern für starke Regierung, Herr Kiesinger — —
— Herr Althammer, ich bin erkältet, deswegen der Schluck Wasser. — Der Herr Kiesinger hat bei Antritt dieser Bundesregierung die Reduzierung der Preissteigerungen auf 1 % mit zum Gegenstand seiner Regierungspolitik gemacht. Die parlamentarische Opposition stellt fest: das ist nicht gelungen.Lassen Sie mich noch ein paar Sätze zur konjunkturpolitischen Lage sagen. Dabei gestehe ich offen, daß mir die Debatten des Nachmittags — und ich betone hier: die Reden beider Ressortminister — deswegen nicht gefallen haben, weil sie eine Fülle von jedem wirtschaftspolitisch Interessierten bekanntem Zahlenmaterial auf den Tisch gelegt haben, aber das, was man Zielprojektion nennt, was man politisches Wollen nennt, haben uns beide Herren freundlichst verheimlicht. Dazu haben sie nämlich nichts, aber auch überhaupt nichts gesagt. Sie haben lediglich vorgetragen, da gebe es ein Viereck und da gebe es ein Dreieck und man könne nicht alles gleichzeitig. Aber was sie nun wirklich wollen, ist bis zur Stunde nicht klargeworden.
Etwas zu dem Problem der „großartigen" Leistung des Absicherungsgesetzes. Ich habe im November den Herrn Bundeswirtschaftsminister gefragt, ob er wirklich glaube, daß mit diesem 4-%-Absicherungsgesetz das Ziel zu erreichen sei. Es war, wie er erfreulicherweise zugegeben hat, ein fauler Kompro-
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Dr. Friderichsmiß in der Regierung gegen seinen Willen; ich weiß das, weil ich vorher mit ihm darüber gesprochen hatte. Dieses Gesetz hat seine Wirkung eben nicht erreicht. Das, was im Jahreswirtschaftsbericht steht und was uns heute wieder gesagt worden ist— nämlich: man drücke den Leistungsbilanzüberschuß auf 12,5 Milliarden DM und könne damit die Stabilität erreichen —, scheint nicht zu stimmen. Jedenfalls ist das Mitglied des Sachverständigenrates, der gleichzeitige Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrates und Röchling-Bankier Schäfer, der Meinung — und ich teile seine Meinung —, daß wir einen Leistungsbilanzüberschuß von wiederum 14 bis 15 Milliarden DM bekommen werden, trotz des 4-%-Gesetzes. Was das heißt,- brauche ich Ihnen nicht zu sagen.Nun ist der Herr Bundeswirtschaftsminister hier in einer ganz schwierigen Lage. Wenn er aufwerten würde — oder das auch nur vorschlagen würde —, müßten Sie einen neuen Kanzler suchen. Denn der Kanzler hat gesagt: Solange ich Kanzler bin, wird nicht aufgewertet. Das ist eine ganz schwierige Lage.
Er liefe ja in dieser Lage, wenn er im Interesseder Wirtschaft — das könnte ja mal im Interesseder Wirtschaft liegen — aufwerten würde, es könnte— bei dieser Kombination sogar im Interesse des Staates liegen aufzuwerten, sogar Gefahr, daß gleichzeitig ein neuer Kanzler gesucht werden müßte, und der Bundeswirtschaftsminister liefe Gefahr, daß er seinen bisherigen symmetrischen Partner im Finanzressort verlöre. Insofern habe ich Verständnis dafür, daß Sie, Herr Schiller, aus zweierlei Gründen im Augenblick dazu nichts gesagt haben. Wir hätten es an sich sehr begrüßt, wenn Sie uns ein bißchen darüber erzählt hätten, wie Sie sich eigentlich die Fortenwicklung der Bilanz nach draußen vorstellen. Sie haben nur gesagt: „Die 4 %, das war ein fauler Kompromiß." Darin stimmen wir Ihnen sogar zu.Aber ein weiterer Punkt! Dieses „Wachstum nach Maß" — so, glaube ich, hieß diese Sache — scheint mir nicht ganz eingetreten zu sein. Denn, Herr Bundeswirtschaftsminister, da muß ich Sie nun mal persönlich ansprechen, das ist ja Ihr Begriff gewiesen: zum Wachstum nach Maß gehört ja an sich auch eine Außenhandelsbilanz nach Maß. Zweifellos ist diese etwas in das Übermaß geraten. Deswegen verstehe ich die Sorge vieler Leute im Lande, die sagen, dann könnte möglicherweise auch der andere Punkt, nämlich die Preisstabilität, im Übermaß, aber im Negativen, ausufern. Aber dazu werden wir ja sicher gleich noch etwas hören.Ein weiterer Punkt scheint mir zu sein, daß man diese konzertierte Aktion, von der wir Freien Demokraten nie etwas gehalten haben, jetzt .einmal unter die Lupe nimmt. Das ist ja ein Gebilde, dem ich immer mit einiger Skepsis gegenübergestanden habe; im Gegensatz zu Ihnen, meine Herren.
Ich hatte aber doch den Eindruck, daß die CDU in einer gewissen Phase nicht opponiert hat und der Bundeskanzler darauf verzichtet hat, diese Aktion dm Rahmen seiner Richtlinienkompetenz zu zerschlagen. Was Will ich damit sagen?
Die konzertierte Aktion — das -muß man zugestehen — hat zweifellos bei dem Versuch, die Wirtschaft anzukurbeln, eine gewisse Funktionsfähigkeit bewiesen. Das ist auch logisch, weil alle Beteiligten, nämlich die Bündnispartner dieses Apparats — Sie können auch sagen: die Tarifpartner —, den Aufschwung nach Maß zur Befriedigung ihrer Eigeninteressen gewünscht haben. Insofern war die konzertierte Aktion in der damaligen Zeit zweifellos ein funktionsfähiger Mechanismus. Ich bezweifle aber, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß sich diese konzertierte Aktion in einer Situation, in der Sie entgegengesetzt operieren müssen, als ein brauchbares Instrument erweisen kann, weil die Eigeninteressen der Beteiligten notwendigerweise nicht mit dem Gemeinwohl kongruent sind. Das ist ein Grund, weswegen ich sie ablehne. Ich lehne sie auch aus anderen Gründen ab, weil nämlich in dieser konzertierten Aktion organisierte Verbände und Interessen in einem Ausmaß und mit einer Durchschlagskraft vertreten sind, daß vieles, was in der konzertierten Aktion unkontrolliert vereinbart worden ist, automatisch seinen Niederschlag in diesem Hause gefunden hat, jedenfalls solange die beiden größten Fraktionen — zur Zeit noch größten Fraktionen —
dieses Hauses sich freudig in den Armen lagen. Aber das wird sich ja sicher alles ändern.
— Sie sehen, wir gehen sehr optimistisch in dieses Jahr und nicht so verkrampft wie Sie z. B.
Ein Wort noch zur Wettbewerbspolitik. Herr Gewandt, ich finde es irgendwie rührend, daß Sie nun mit der Wettbewerbspolitik anfangen. Ich könnte nun ja sagen: Sie haben auch einmal den Bundeswirtschaftsminister gestellt, und zu der Zeit, als wir noch in der Regierung waren, haben wir — jedenfalls ich — auch manchmal einen großen wettbewerbspolitischen Wurf vermißt.Mir gefallen die Einheitsgesellschaften ganz und gar nicht. Uns hat aber diese Kohleeinheitsgesellschaft von Anfang an nicht gefallen; im Gegensatz zu Ihnen, Herr Gewandt, der Sie ihr zugestimmt haben. Es ist doch wohl keine Frage, daß die CDU/CSU- Fraktion der Kohleeinheitsgesellschaft mit überwältigender Mehrheit zugestimmt hat. Sie müssen es Herrn Schiller lassen, daß er mit Ihrer Zustimmung diese Politik betrieben hat, und zwar gegen den Wil-
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Dr. Friderichslen der Opposition. Das ist doch überhaupt keine Frage!
Ich hatte sogar den Eindruck, daß uns Herr Schiller in der damaligen Situation, was die Argumentation angeht, sehr aufgeschlossen gegenüberstand, aber aus bestimmten Gründen diese Einheitsgesellschaft, auf die ich jetzt nicht näher eingehen will, gemacht hat oder vielleicht sogar machen mußte.Ganz köstlich finde ich allerdings Ihre Theorie, die Kartellnovelle sei an der Preisbindung gescheitert, und daran sei der Wirtschaftsminister schuld. Ich meine, Sie hätten sie doch ohne Preisbindung verabschieden können, wenn Sie sie hätten haben wollen.
— Aber entschuldigen Sie bitte, was ist denn das für eine Regierung, die ein Wettbewerbsgesetz an der Frage der Preisbindung scheitern läßt? Sagen Sie einmal: Wo ist denn da Ihr Bundeskanzler? Schafft der nicht einmal mehr das? Wegen der Preisbindung verzichten Sie darauf, das Grundgesetz der Marktwirtschaft zu ändern, wenn Sie es ansonsten für nötig halten, und das mit 90% der Mandate im Parlament? Wo ist denn eigentlich Ihr Selbstbewußtsein, das Sie früher einmal hatten?
Herr Kollege, es ist Ihnen doch klargeworden, daß es in dieser Frage der Kartellnovelle hier eben keine 90%ige Mehrheit gibt, sondern daß es bei den beiden großen Fraktionen wegen der Verkoppelung dieser Frage mit der Preisbindung unterschiedliche Auffassungen gibt?
Ja. Aber, Herr Gewandt, Sie müssen ganz einfach zur Kenntnis nehmen, daß ich es nicht hinnehme, daß eine Bundesregierung auf die von ihr als notwendig erkannte gesetzliche Regelung von wettbewerbspolitischen Fragen nur deswegen verzichtet, weil dieses Appendix Preisbindung dem einen Teil dieser Regierung nicht gefällt. Da, muß ich Ihnen sagen, hätte ich Ihnen so viel staatsmännisches Verhalten zugetraut — —
— Ich meine die ganze Partei, Herr Hermsdorf.
Verehrte Damen! Meine Herren! In der Tat ist spürbar, daß in der Frage der Wettbewerbspolitik, soweit sie bis jetzt bekannt ist, unterschiedliche Meinungen in der Regierung vorhanden sind. Ich möchte mich aber dazu nicht äußern, weil uns die detaillierten wettbewerbspolitischen Vorstellungen bis zur Stunde hier nicht beschäftigt haben. Das ist heute auch nicht unbedingt der Gegenstand.
Zum Schluß muß ich sagen, es ist verantwortungslos, daß sich in einer Situation, in der die breite
Öffentlichkeit mit Sorge darauf achtet, ob es dieser Bundesregierung gelingt, die Stabilität der Preise zu halten, ob es dieser Bundesregierung gelingt, auf Dauer Wachstum und Vollbeschäftigung zu sichern, diese Bundesregierung, jedenfalls vertreten durch ihre Parlamentsfraktionen, dem deutschen Volk als ein zerstrittener Haufen präsentiert.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst pflichtgemäß die Einbringung und Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Spar-Prämiengesetzes und des Wohnungsbau-Prämiengesetzes, Drucksache V/3401, vorzunehmen. Ich werde es kurz machen und bitte um Ihr Verständnis, wenn ich danach einige wenige allgemeine Bemerkungen mache.Sie wissen, daß wir die breite Eigentumsstreuung bisher in den verschiedensten Gesetzes gefördert haben und daß wir nunmehr einen neuen Entwurf vorgelegt haben, nach dem die Festlegungsfristen verkürzt werden sollen, für über 65 Jahre alte Sparer eine weitere Verkürzung eintreten soll, das strenge Kumulationsverbot nach dem Steueränderungsgesetz durch die Einführung eines gemeinsamen Höchstbetrages aufgelockert werden und schließlich der Übergang vom Kontensparen auf andere Anlagearten ermöglicht werden soll. Als wir diese Vorlage einbrachten — das war im Oktober —, haben wir schon zum Ausdruck gebracht, daß wir die damals angekündigten und nun vorliegenden Regierungsentwürfe mit unseren beiden Entwürfen — nächste Woche wird das Vermögensbildungsgesetz begründet — verbunden beraten wollen und daß wir bei der verbundenen Beratung auf die Einhaltung der Beschlüsse über die mittelfristige Finanzvorausschau zu achten haben werden, so daß möglicherweise zur Schaffung der für diese Vorlage notwendigen Mittel Kürzungen etwa bei der Prämiierung höherer Einkommen vorgenommen werden müssen.Ich erlaube mir, zu beantragen, daß diese Vorlage an den Finanzausschuß als federführenden Ausschuß und an den Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung überwiesen wird.Soweit zu unserer Vorlage.Nun einige wenige allgemeine Bemerkungen. Wir sind in der Haushaltsberatung der Regierung einer Koalition, und ich möchte am Anfang meiner Bemerkungen zunächst den beiden Ministern, dem Bundesfinanzminister und dem Bundeswirtschaftsminister, Dank für ihre Arbeit aussprechen.
Sie, meine Herren Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei, sollten uns natürlich nicht unnötig zum Widerspruch reizen,
indem Sie es offenbar an keinem Tag unterlassenkönnen, die Legende von dem ernsten, krisenhaften
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12110 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Dr. BurgbacherZustand der deutschen Wirtschaft bei der Bildung der großen Koalition zu verbreiten.
Das ist eine Legende. Es war keine Krise, es war eine Rezession. In dem Jahr ist das Bruttosozialprodukt um 0,5 % zurückgegangen, und die Zahl der Arbeitslosen ist niemals über die international anerkannte Krisenschwelle gestiegen. Dann aber haben Sie kein Recht, von einer Krise zu sprechen. Sie können nur von einer Rezession sprechen.
Diese Betrachtung veranlaßt mich, auch einmal die andere Seite der Rezession kurz zu beleuchten. Wer in dieser Zeit in der Praxis, an der Front, betriebswirtschaftliche Erfahrungen gesammelt hat, der weiß ganz genau, daß die Rezession neben den bekannten unangenehmen Erscheinungen eine sehr gewichtige Wirkung für Rationalisierung, für Technisierung, für Kostenersparnis und viele andere betriebswirtschaftlich positive Folgen gehabt hat. Diese Wirkung der Rezession ist eine der Ursachen dafür, daß das Kapazitätsvolumen der deutschen Wirtschaft nach Abschluß der Rezession de facto größer war, als es vorher ohne die Rationalisierung war.
Ich möchte Sie freundlich bitten, das in Betracht zu ziehen.Als Zweites zur Rezession: Die beinahe absolute Stabilität, die nach Abschluß der Rezession zu verzeichnen war, ist — ich bitte um Entschuldigung — primär eine Folge der Rezession. Alle, Unternehmer und Arbeitnehmer, standen noch unter dem Eindruck der Gefahr, daß die Rezession sich verschärfte. Das hat dazu geführt, daß wir eine ganze Zeitlang eine fast absolute Stabilität hatten. Ich bitte Sie also darum, daß wir uns hier nicht so darstellen, als ob einer dem anderen die Regierungsfähigkeit absprechen wollte. Das wäre für keinen nützlich und für die Demokratie schlecht. Wir sollten in allem Maß halten.
— In allem Maß halten. Jawohl, was ich sage, gilt für alle.Am Schluß habe ich noch einen ganz anderen Gedanken, den ich den Herren Ministern nur ans Herz legen kann. Ich möchte ein kurzes Wort von der Teufelei der Durchschnittszahlen sagen. Der Menschengeist braucht primitive Stützen zur Anschaulichkeit, das ist alles richtig. So sind wir gewohnt, mit Durchschnittszahlen zu arbeiten. Die wichtigste Durchschnittszahl ist die Veränderung des Bruttosozialprodukts. Die nächstwichtige ist die Entwicklung der Lebenshaltungskosten. Beide sind problematischer Natur, wenn man sie zur Maxime allen Handelns macht. Denn die Durchschnittszahl der Steigerung des Bruttosozialprodukts ergibt sich aus einer Mischung von vielleicht branchenmäßigen oder betriebsgrößenmäßigen oder automationsgradmäßigen Veränderungen zwischen minus 10 oder 20 und plus 10 oder 20 %. Im Schnitt kommen 5, 6, 7, 8 oder 9 % heraus. Wenn das zur Maxime des Handelns gemacht wird, können Spannungen nicht ausbleiben. Dann ist im Ergebnis die Stabilität durch die Durchschnittszahl gefährdet, sofern man allein danach handelt. Ich weiß, wie schwierig es ist, es anders zu machen. Aber schließlich sind wir ja alle auf der Welt, um unseren Kopf anzustrengen, über das Schwierige das relativ Richtige zu finden. Wir müssen in unsere Wirtschaftspolitik in höherem Maße sektorale und regionale Betrachtungen einführen und etwas weniger von Durchschnittszahlenarithmetik reden.
Das Wort hat der Abgeordnete Westphal.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Opposition gewandt: Herr Dr. Friderichs, ich möchte Sie dem Herrn Wirtschaftsminister überlassen, der ja inzwischen wieder eingetroffen ist und zugehört hat. Er war bekanntlich vorher bei der Rede von Herrn Gewandt nicht anwesend. Ich muß Herrn Gewandt übernehmen.Herr Gewandt, ich habe den Eindruck, daß ich, wenn ich hier Bemerkungen mache, es eigentlich nicht zu tun habe mit der CDU/CSU, sondern mit der „CDU " — gleich Mittelstand —, die hier vorn so konzentriert gesessen und geklatscht hat, woraus deutlich wird, daß es sich nicht um eine Koalitionsauseinandersetzung insgesamt zwischen den beiden großen Partnern handelt, sondern nur mit einem Teilausschnitt, mit dem wir uns hier ein wenig kräftig anzulegen haben, nachdem Sie so kräftig, wenn auch nicht gewandt — aber doch mit dem Namen versehen — diese Bemerkungen hier gemacht haben.Herr Gewandt, Sie haben den ehemaligen Bundeskanzler Erhard als denjenigen zitiert, der das Stabilitätsgesetz eingebracht hat. Daraus geworden ist ein Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, das die Regierung Kiesinger/Brandt mit 17 Änderungsanträgen, die aus der Sozialdemokratischen Partei kamen, dann erst zu dem vollständigen Instrumentarium gemacht hat, das uns in die Lage versetzte, jede Art von konjunktureller Entwicklung mit dem notwendigen Werkzeug anzugehen.
Was Herr Erhard damals vorgelegt hat, hätte in gar keiner Weise ausgereicht, mit dem fertigzuwerden, vor dem die neue Regierung stand. Das war eine Vorlage, die mit der Idee zu tun hatte, wir hätten eine Hochkonjunktur zu bekämpfen, während aber zu jenem Zeitpunkt, als der Erhard-Entwurf vorgelegt wurde, die Konjunktur gerade ins Abwärts ging. Das war die Problematik. Was daraus gemacht werden mußte, war ein Gesetz, das uns befähigte, diesen Aufschwung des Jahres 1968 herbeizuführen, und das gleichzeitig für andere, künftige Möglichkeiten jeder Art von Konjunkturpolitik zur Verfügung steht.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12111
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage von Herrn Abgeordneten Dorn?
Herr Abgeordneter Westphal, meinen Sie nicht auch, daß es für die Opposition in diesem Hause in der Behandlung, die sie sich nun gefallen lassen muß, etwas problematisch ist, wenn Sie sich gegenseitig die Rosinen aus dem Kuchen herauspicken und für uns zum Schluß leider nur noch der Teig übrigbleibt?
Die Art von Teig, der Ihnen übrigbleibt, überlasse ich Ihnen gern. Ich habe aber noch ein paar Punkte, bei denen ich auch die FDP noch ein wenig zu behandeln gedenke. Zuvor muß ich mich jedoch mit Herrn Gewandt auseinandersetzen, und ich darf darin fortfahren.
Um dieses Instrumentarium für den Aufschwung ging es. Sie haben, als Sie davon sprachen, gesagt, wir hätten eine leichte Rezession dramatisiert, und auch Herr Burgbacher hat soeben darauf angespielt, ob es Rezession oder Krise war. Entschuldigen Sie bitte, aber denken Sie an das Schicksal von mehr als 650 000 Menschen, die zu dem Zeitpunkt, als die Politik Erhard Folgen trug, arbeitslos gewesen sind. Um deren Schicksal ging es, und da ist jeder zuviel.
Dies war eine Folge dessen, was Sie, Herr Professor Burgbacher, Rezession nennen. Ich streite mich nicht um den Begriff; aber die Lage war problematisch und sie mußte mit Kraft angegangen werden. In diesem Sinne habe ich dargestellt was war, und nicht etwas dramatisiert.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Burgbacher?
Woher haben Sie die Zahl 650 000?
Ich würde sagen: sie ist noch etwas untertrieben. Es gab über 670 000 Arbeitslose; dazu kamen noch die Kurzarbeiter.
Nein, das stimmt nicht! Wieviel Prozent sind denn 500 000?
Es geht nicht um Prozente, sondern um das Schicksal von arbeitenden Menschen!
Wollen wir hier über die ernste Frage der Lage einer Volkswirtschaft sprechen, oder wollen wir — entschuldigen
Sie — emotional usw. reden? Entscheiden Sie sich!
Herr Professor Burgbacher, ich entscheide mich. Für mich ist das Schicksal von Menschen, die arbeitslos werden, ein ganz ernster Teil der volkswirtschaftlichen Entwicklung.
Ich habe noch eine Bemerkung zu Herrn Gewandt zu machen. Er philosophierte darüber, wie exakt Prognosen sein können. Er war ein wenig triumphierend in seiner Darstellung, daß es sich ja erwiesen habe, daß solche Zahlen, die als Prognosen genannt worden sind und genannt werden, nicht genau eingehalten werden, was man auf Grund der Resultate feststellen könne.
Herr Gewandt, Sie müssen dieses Setzen von Prognosen, das Aussprechen von Daten, an denen man sich orientieren kann, und das Vorfeststellen von dem, was sich entwickeln könnte, erstens so sehen, daß es Teil einer Aufgabenstellung ist, die von dafür auf Grund von Gesetzen, die wir hier — wenn ich nicht irre — gemeinsam geschaffen haben, eingesetzten Gremien zu erfüllen ist.Zweitens bekämen wir dann, wenn wir das alles wieder wegschaffen würden, wenn wir eben keine Prognosen mehr stellten, wenn wir keine Orientierungsdaten setzen würden, genau wieder diesen Schlendrian, aus dem wir mit einem solchen Setzen von Maßstäben endlich herausgekommen sind.
Wissen Sie, was dann kommt? Alles wieder wegnehmen heißt darauf loswursteln, ohne Klarheit, ohne Leitideen, heißt, nachher im Sinne von „Haltet doch bitte Maß!" den Versuch machen, Wirtschaftspolitik unter dem Gesichtspunkt des Gesundbetens zu betreiben.Herr Gewandt, Sie schaffen es nicht, den Erfolg zu zerreden, den die Schillersche Wirtschaftspolitik für unser Volk erreicht hat.
Die Hunde bellen, die Karawane zieht vorüber.Ich darf Ihnen — mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten — ein Zitat bringen. Ich möchte dieses Zitat bringen, bevor ich den Namen dessen nenne, der es geprägt hat. Es heißt dort, Professor Schiller habe nach seinem Amtsantritt bewiesen, daß er konkrete und zutreffende Vorstellungen darüber gehabt habe, wie in einer solchen Wirtschaftsflaute antizyklische Politik auszusehen habe, die er dann auch eindrucksvoll realisiert habe.
— Ja Herr Dr. Luda hat das vor der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft am 11. Juni 1968 gesagt.
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12112 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Gestatten Sie eine Frage von Herrn van Delden?
Bitte schön!
Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß eine angesehene Zeitung und ein angesehenes Wirtschaftsinstitut — der Leiter ist mit Herrn Professor Schiller sogar befreundet — in den letzten Tagen gesagt haben, daß seine Stärke wohl eher im Wachstum als in der Stabilität liege.
Ich habe den Eindruck, daß dieser Wirtschaftsminister derjenige gewesen ist, der vom ersten Moment an dafür Sorge getragen hat, daß die beiden Komponenten einer sinnvollen Wirtschaftspolitik, Stabilität u n d Wachstum, gleichermaßen gesehen worden sind. Daher kommt auch der Gedanke des „Aufschwungs nach Maß", die Überlegung, daß man die Entwicklung beeinflussen muß, daß man dauernd dafür Sorge tragen muß, daß das magische Viereck, das unsere Wirtschaft beeinflußt und bei dem es immer wieder neue Ungleichgewichte gibt, an der richtigen Stelle angegangen wird.Ich möchte an einem weiteren Punkt ansetzen. Auch hier gibt mir das, was Herr Gewandt sagte, den Übergang zu anderen Überlegungen. Er sprach von der Notwendigkeit systemvoller Strukturpolitik, die endlich einsetzen müßte; das würde uns helfen. Herr Gewandt, ich habe den Eindruck — und das ist verbunden mit dem Gedanken einer Einheitsgesellschaft —, daß der Versuch einer solchen systemvollen Strukturpolitik inzwischen zur Überwindung dessen, was man eine handfeste Strukturkrise nennen kann, geführt hat. Ich meine das, was im deutschen Steinkohlenbergbau vor sich gegangen ist, und möchte dazu trotz der schon späten Stunde gern ein paar Bemerkungen machen, weil ich finde, daß es ein Beispiel dafür ist, wie man Strukturprobleme angehen und auf diesem Gebiet auch zu Erfolgen kommen kann.Erinnern Sie sich bitte an die Lage!
— Ich habe Ihren Zwischenruf nicht verstanden, Herr Moersch. Aber mir fällt in diesem Zusammenhang ein, daß Herr Dr. Friderichs auch nicht gerade mit der Einheitsgesellschaft einverstanden war. Er bezog sich auf die Kohle und sagte, die Einheitsgesellschaft sei gegen den Willen der FDP entstanden. Gut, das ertragen wir, Herr Dr. Friderichs. Bloß, wo war denn Ihr Wille dagegen? Den haben wir nicht zu spüren bekommen. Es fehlte doch bei Ihnen wirklich jeder konstruktive Gedanke dazu, wie diese Strukturkrise hätte überwunden werden können. Sie freuen sich mit uns über den Erfolg. Insofern muß man also sagen: Auch hier ist das Problem so gestellt, daß Leistungen gesetzt worden sind, und Sie „bellen" ein wenig hinterher.
Ich möchte an die Lage erinnern, vor der wir in früheren Energiedebatten standen. Ich habe davon nur eine im November 1966 miterlebt. Das war kurz bevor die Regierung Erhard/Mende stürzte, als wir ,anfingen zu überlegen, was im Energiebereich Neues und Entscheidendes geschehen könnte. Ich erinnere daran — Herr Schmücker sitzt im Saal —, daß einer der wichtigsten Schritte damals gemeinsam gegangen worden ist, daß eines der Beine — was notwendig war — auf die 'Erde gestellt worden ist, um in der Kohlepolitik zu Rande zu kommen. Ich meine das berühmte Zweite Verstromungsgesetz, durch das wir dafür gesorgt haben, daß Mittel des Staates bereitstehen, um die Verstromung .der Kohle zu fördern und dadurch den Absatz auf einem wichtigen Gebiet zu sichern.Das zweite Bein, das wir dann später unter der neuen Regierung auf die Erde brachten, war die Beihilfe im Kokskohlebereich, bei der es um den Einsatz von Kohle in der Stahlindustrie und in der eisenschaffenden Industrie geht. Beides sind wichtige Pfeiler dessen, worauf es ankam, um den ersten Schritt zu tun.Sehen wir aber auf die zwei Jahre, die inzwischen vergangen sind. Welche beachtliche Entwicklung hat es gegeben! Tatsache ist, daß die Verträge über die Einheitsgesellschaft Ruhrkohle heute unter Dach und Fach sind. Ich darf Ihnen feinmal — das ist wohl erlaubt — aus meinem Wahlkreis mitten im Ruhrgebiet ein Beispiel bringen. Als wir damals, Anfang 1967, vor dem neuen, intensiven Versuch einer wirklichen Überwindung der Strukturkrise standen, kündigte eine der Gesellschaften des Kohlebergbaus an, daß sie zwei wichtige Zechen stillegen wolle, nämlich die Zechen „Hansa" und „Pluto", eine davon, „Pluto", in meinem Wahlkreis in WanneEickel. Heute, nicht einmal volle zwei Jahre nach dieser Ankündigung, von der man dann wegen der Mitteilung von Bundeswirtschaftsminister Schiller: wir geben bei konzerninternen Entscheidungen über Stillegungen, die nicht gesamtwirtschaftlich abgestimmt sind, keine Stillegungsprämie, abgerückt ist, wird auf der Zeche „Pluto" eine neunte Sohle aufgefahren. Das heißt, dort wird neu ausgebaut, weil man sicher ist: In dieser Zeche wird weiter Kohle abgebaut. Das ist eine entscheidende Veränderung, die sich insbesondere auf die Empfindungen und Meinungen der dort arbeitenden Menschen ausgewirkt hat. Sie haben wieder ein Gefühl der Sicherheit bezüglich ihres Arbeitsplatzes gewonnen. Das ist inzwischen erreicht worden.Ich darf dazu ein Weiteres sagen. Hier ging es um ein Problem, bei dessen Lösung der konjunkturelle Aufschwung sicher mitgeholfen hat, den wir durch wirtschaftspolitische Maßnahmen erreichten. Es war aber gleichzeitig eine entschlossene Strukturpolitik mit kräftigen Eingriffen, die man nicht scheute, um Gesundheit in einem wichtigen Wirtschaftsbereich zu erreichen.Zunächst wurden — ich habe darauf hingewiesen — die beiden „Beine", Verstromung und Kokskohlebeihilfe fest auf den Boden gestellt. Dann kam das Kohlegesetz mit seinen Hauptzielsetzungen: Anpassung der Kohleförderung an die Absatz-
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Westphalmöglichkeiten, also Sicherung des Anteils der Kohle an der Deckung des Energiebedarfs;zweites Ziel: Umstrukturierung der Steinkohlenreviere durch das Heranholen neuer, anderer Wirtschaftszweige, also Schaffung krisensicherer neuer Arbeitsplätze in den dortigen Gemeinden;dritte Überlegung dieses Kohlegesetzes: dieser Prozeß mußte sozial abgesichert werden, damit der Arbeitnehmer, das schwächste Glied in der Kette, nicht unter der Änderung zu leiden hat.Die im Kohlegesetz vorgesehene Behörde, der Kohlebeauftragte der Bundesregierung, wurde schnell geschaffen; in wenigen Monaten war er da und arbeitete. Ich finde, es ist hier der Platz, einmal ein Dankeschön an die Männer und Frauen zu sagen, die sowohl in der Energieabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums als auch gerade beim Kohlebeauftragten in Tag- und Nachtarbeit — ich kann das ein wenig beurteilen — zusammengesessen haben, um die Probleme, deren Lösung wir ihnen aufgetragen haben, auch tatsächlich zu lösen. Da war rechtzeitig zum kurzfristig gesetzten Datum die Absatzvorausschätzung auf dem Tisch; da war rechtzeitig zum kurzfristig gesetzten Datum die Definition dessen auf dem Tisch, was man unter einer optimalen Unternehmensgröße zu verstehen habe.Zur gleichen Zeit wurden die Verhandlungen über die Schaffung einer Einheitsgesellschaft für den Ruhrkohlebereich begonnen. Am 14. Juni 1968 wurde das Konzept vereinbart. Dann hat es harte Verhandlungen gegeben, vielfache Verhandlungen, lange Verhandlungen, und dabei auch manche Pressionen. Am 6.17. März — es ist schon einmal darauf hingewiesen worden, daß es gerade neun Monate von der Konzeption bis zur Geburt waren, also offensichtlich ein sehr natürlicher und gesunder Vorgang — ist dann der Abschluß gemacht worden, und die vertraglichen Vereinbarungen sind so klar, daß sie nun unterzeichnet werden können. Man kann heute sagen, daß dies eine Lösung ist, in die wahrscheinlich auch die restlichen Zechengesellschaften einsteigen werden, so daß wir eine volle Lösung für das ganze Ruhrgebiet bekommen.Diese Einheitsgesellschaft wird keine Feldergrenzen mehr kennen. Sie kann gezielt investieren. Sie wird ein Förderungsprogramm auf lange Sicht aufstellen können. Sie kann einen Maschinenausgleich betreiben. Sie wird ,die Ausrichtung neuer Teufen oder die Ausbau- und Vorbereitungsarbeiten zentral planen können. Sie schafft sich einen einheitlichen Einkauf und einen einheitlichen Verkauf. Sie treibt langfristige, einheitliche Belegschaftspolitik. Sie wird, so meine ich wirklich sagen zu können, auch das erforderliche Gesamtanpassungsprogramm bewältigen können. Ich will hier auf keine weiteren Einzelheiten eingehen. Ich bin froh darüber, daß es gelungen ist. Ich glaube, daß es die richtige Politik war, mit Deutlichkeit zu sagen, daß das, was dieser Bundesetat verbürgt, bei der Schaffung der Einheitsgesellschaft nicht noch aufgestockt wurde, als einige der Unternehmer noch einen Schluck mehr aus der Pulle nehmen wollten. Es war richtig, bei der Verbürgung von 2,1 Mlliarden DM zu bleiben.Doch es gibt, das sei hier auch angemerkt, Kohle nicht nur im Ruhrgebiet. Es gibt sie auch in Aachen und vor allen Dingen an der Saar. Dies ist eigentlich die Bemerkung, die insbesondere Herrn MüllerHermann angeht, der uns ja vor kurzem von der Gefahr der „nationalen Einheitsgesellschaften" etwas gesagt hat. Die Tatsache, daß das Ruhrgebiet nicht die ganze Nation darstellt und daß die Ruhrkohle- AG eine unter mehreren Gesellschaften ist und bleiben wird, muß hier in Erinnerung gerufen werden. Es geht also nicht an, den Popanz an die Wand zu malen, hier gebe es möglicherweise gar keine Konkurrenz mehr. Es ging darum, so kräftige, starke Einheiten zu schaffen, daß sie in der Lage sind, in Zukunft die Konkurrenz mit anderen Energieträgern, so gut das möglich und denkbar ist, und mit der Hilfe des Staates, in guter Weise zu meistern.Die Saar hat bereits seit längerer Zeit eine solche Einheitsgesellschaft. Sie erhält die gleichen Hilfen. Die Strukturprobleme dort machen uns aber noch mehr zu schaffen. Dort sind die Sorgen noch nicht so weit, wie wir sie im Ruhrrevier haben wegschaffen können. Aber auch dort gibt es keine Feierschichten mehr. Auch dort ist es so, daß ein Abbau der Halden kräftig vorangeht.Ich möchte diesen Vorgang noch mit ein paar Worten würdigen. Ich finde, man kann aus dem, was hier geschehen ist, ablesen, daß die Kohlepolitik dieser Regierung Erfolg gehabt hat. Wir sind endlich aus der Krisenlage heraus. Die Gesundung vollzieht sich im Aufschwung und ist deshalb natürlich leichter zu meistern. Dem Arbeitnehmer, dem Kumpel in den Revieren, konnte das Gefühl des sicheren Arbeitsplatzes wiedergegeben werden. Ich finde, es ist nicht nur eine Geste, sondern ein Ausdruck dessen, was hier passiert ist, daß dieser Bundeswirtschaftsminister dort einen Wahlkreis annimmt und bekommt, wo Bergarbeiter zu Hause sind, selbst in einer Stadt, in der noch vor zwei Jahren eine unkontrollierte Stillegung drohte.In diesem Feld der Kohlepolitik gibt es keine Illusionen, aber es gibt auch keine Angst mehr. Sicherheit ist eingetreten. Es werden sogar Bergarbeiter gesucht, und — das hat uns unser Kollege Walter Arendt immer und immer wieder gesagt — das Nachwuchsproblem in den Revieren muß groß geschrieben werden. Der Beruf des Bergmanns muß heute sogar auch wieder materiell attraktiver gemacht werden.Gewiß, es wurde ein hoher Preis für diese Lösung gezahlt. Wir haben die Unternehmer in die Lage versetzt, ihr Kapital neu anzulegen. Allerdings haben wir das mit der Pflicht versehen, daß die Investitionen in denselben Revieren neu erfolgen und damit im Sinne einer Umstrukturierung der Reviere, einer besseren Struktur geholfen wird.In diesem Jahr haben wir für Kohlemaßnahmen weniger öffentliche Mittel einzusetzen brauchen, als das im vergangenen Jahr der Fall war. Im Etat 1969, den wir hier zu verabschieden haben, stehen 590 Millionen DM für die verschiedensten Maßnahmen im Kohlebereich; im vergangenen Jahr waren es noch 715 Millionen DM. Gewiß bei der Größenordnung des Jahres 1969 wird es sicher noch eine Reihe
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Westphalvon Jahren bleiben. Die Entwicklung ist übersehbar. Aber wir können sagen, hier wird der Staat nicht mehr nur einfach zur Kasse gefordert, sondern hier ist ein Strukturproblem gemeistert worden, und wir helfen ihm dabei, daß das auf Dauer so bleiben kann. Wir sollten deshalb die Bundesregierung ermutigen, ihre Kohlepolitik fortzuführen. Wir müssen z. B. erwarten, daß die Altgesellschaften, die die Einheitsgesellschaft durch die Einbringung alles dessen, was den Bergbaubesitz darstellt, geschaffen haben, nun auch die in den Verträgen übernommene Pflicht erfüllen, diese künftige Einheitsgesellschaft zu stützen. Wir sollten unsererseits sagen, daß die von der Bundesregierung geplante Absichtserklärung für ihre Bereitschaft, in dem notwendigen Rahmen weiterzuhelfen, auch gegeben werden kann, — ich hoffe, mit Unterstützung dieses Parlaments. Diese Absichtserklärung geht in beide Richtungen, sowohl an die Unternehmer als auch an die Arbeitnehmer. Einerseits geht es darum, die Bereitschaft zu erklären, die absatzstabilisierenden Maßnahmen, soweit erforderlich, fortzuführen, um eine dauerhafte Gesundung des Steinkohlenbergbaus zu ermöglichen, und andedererseits geht es um die Bereitschaft, eine befriedigende Regelung der sozialversicherungsrechtlichen Belange für diejenigen Arbeitnehmer zu treffen, die bei den Altgesellschaften verbleiben und vorher knappschaftlich versichert gewesen sind.Auf diese Überlegungen möchte ich mich beschränken. Hier ist ein Modell geschaffen worden, wie man schwierige Strukturprobleme lösen kann. Zu dem Erfolg, der auf diesem Gebiet erreicht worden ist, können wir diese Bundesregierung und ihren Wirtschaftsminister beglückwünschen.
Meine Damen und Herren, ich muß Sie einmal an die Geschäftslage erinnern. Ich will niemand zensieren, aber es ist eine Tatsache, daß wir bei der Haushaltsberatung an einem Punkt stehen, wo wir sehen müssen, daß wir bei weitem nicht einmal die Hälfte dessen erledigt haben, was zu erledigen wäre. Natürlich muß alles gesagt werden, was gesagt worden ist — dagegen habe ich gar nichts —, aber irgendwie müssen wir uns ja überlegen, in welchem Maße man das sagt und wie das in die Abwicklung unserer Geschäfte hineinpaßt. Ich habe jetzt noch sechs Wortmeldungen.
— Ich bin ja nicht dafür, daß sich jemand beschimpfen läßt. Ich möchte nur zur Besinnung mahnen und bitten, daß wir die Dinge in Grenzen halten.
Ich sage Ihnen eines mit aller Offenheit: Ich bin noch bereit, diesen Punkt und den Einzelplan 10 zu erledigen, aber dann stehe ich auf und breche die Sitzung ab, wenn ich sehe, daß die Haushaltsberatungen in Gegenwart von 20 oder 30 Abgeordneten stattfinden. Das mache ich nicht mit.
Irgendwo hat es ja seine Grenzen, und wenn man die Haushaltsberatungen nicht zur Farce machen will, dann muß man sie wenigstens mit dem Ernst und mit der Beteiligung durchführen, die der Sache gemäß ist.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Kurlbaum-Beyer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Einzelplan 08 waren auch das Steueränderungsgesetz, das Sparprämiengesetz und das Vermögensbildungsgesetz der CDU/CSU aufgerufen. Der Zuhörer hat heute den Eindruck, daß wir hier in Bonn den Wahlkampf im Parlament begonnen haben. Herr Gewandt, ich kann nicht umhin, zu sagen: Ihre Rede war nicht nur schlechter Stil, sondern Ihnen sitzt allem Anschein nach die Angst im Nacken,
daß die Erfolge des Bundeswirtschaftsministers vom Wähler auch honoriert werden.
— Wir haben keine Angst vor der Wahrheit, sondern Sie haben die Wahrheit verdreht. Sie haben die Wahrheit heute immerzu verdreht. Das kann man Ihnen auch in einzelnen Punkten immer wieder nachweisen.
Ich möchte das aber hier nicht fortsetzen. Mein Kollege Westphal hat dazu schon einiges gesagt, und ich hoffe, daß auch der Herr Bundeswirtschaftsminister noch einmal Stellung nehmen wird.
Es ist bedauerlich, daß er auf Grund anderer Verpflichtungen nicht immer hat hier sein können.Ich darf zum Zweiten Steueränderungsgesetz kurz etwas sagen und ,an den Anfang stellen, daß wir den Teil des Zweiten Steueränderungsgesetzes für besonders wichtig halten, der die Verbesserung der Sparförderung zum Inhalt hat. Die sozialdemokratische Fraktion hat nämlich schon im Jahre 1962 einen Gesetzentwurf eingebracht, der höhere Sparprämien für Bezieher niedriger Einkommen vorsah. Gegen Einkommensgrenzen wurde damals und auch in jüngster Zeit geltend 'gemacht, sie führten zu unüberwindllichen Verwaltungsschwierigkeiten. Diese Widerstände sind nun in der Großen Koalition zu unser aller Freude überwunden worden. — Die Steuerreformkommission wird sich auch mit dem Problem der Einkommens- und Vermögensverteilung befassen müssen, und es wird daher Aufgabe der nächsten Bundesregierung sen, in dieser Frage ausgereifte Vorschläge vorzulegen. Wir betrachten nämlich den vorliegenden Vorschlag als eine Minimallösung und mithin auch nur als 'einen ersten Schritt.
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Frau Kurlbaum-BeyerWie notwendig eine 'stärkere Begünstigung gerade der kleinen Einkommen ist, beweist eine Untersuchung von Professor Krelle. Nach dieser Untersuchung verfügten im Jahre 1960 nur 350 000 Haushalte — das sind 1,7 % aller privaten Haushalte — über 35,1 % und fast 18 Millionen Haushalte — das sind 98,3 % aller privaten Haushalte — über nur 64,9 % des privaten Vermögens.Die CDU/CSU-Fraktion hat nun am 23. Oktober 1968 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Sparprämiengesetzes und des Wohnungsbauprämiengesetzes eingebracht. Herr Burgbacher wollte zwar dazu sprechen, aber er hat sich dann auch auf eine ähnliche Linie eingelassen, wie sie leider von dem Koalitionspartner eingeschlagen wurde. Der Entwurf, der von der CDU/CSU vorgelegt wurde, sieht eine Verkürzung der Festlegungsfristen nach dem Sparprämiengesetz von sechs auf fünf Jahre und bei Sparern, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, auf drei Jahre vor. Ähnlich ist es auch bei dem Wohnungsbauprämiengesetz. Dazu soll die kumulative Inanspruchnahme der Sparbegünstigung nach dem Prämiengesetz und dem Wohnungsbauprämiengesetz zugelassen werden, wobei allerdings ein gemeinsamer Höchstbetrag von 1200, für Verheiratete von 2400 DM vorgesehen ist. Ich freue mich, Herr Burgbacher, daß heute Ihr Finanzminister — wir sprechen ja neuerdings von „Ihr" und „Euch", obwohl es eine Regierung ist; das ist der Stil von Herrn Gewandt, der heute hier eingeschlagen wurde — deutlich gemacht hat, daß die kumulative Einengung heute noch nicht ausreichend ist. Ihr neuer Vorschlag soll nun noch weitergehen. Bei der Verabschiedung eines solchen Entwurfs würden zweifelsohne weitere Sparanreize für mittlere und höhere Einkommensschichten geschaffen; eine Einkommensgrenze ist bei Ihnen nämlich nicht vorgesehen. Außerdem würde die Verkürzung der Festlegungsfristen das Revolvieren vorhandener Ersparnisse erneut fördern, und das wollten wir ja in den bisherigen Gesetzen immer wieder einengen. Jedenfalls war das bisher auch Ihr Wille. Beim Wohnungsbausparen käme die Verkürzung im übrigen nur den unechten Sparern zugute, da die Sperrfrist für Bauwillige ohnehin ohne Bedeutung ist.Mein Kollege Junghans hat bereits am 18. Oktober zu diesen Entwürfen Stellung genommen und ausgeführt, daß die Gesetzentwürfe nicht in die mittelfristige Finanzplanung von 1968 bis 1972 eingepaßt sind. Er sagte dann, daß solche Anträge nach sozialdemokratischer Auffassung mit dem Grundsatz einer soliden Finanzpolitik, wie wir sie nun seit 1966 im Rahmen der Großen Koalition betrieben haben, nicht zu vereinbaren sind. Ich brauche dem persönlich nichts hinzuzusetzen. Im übrigen sind sie auch mit den Ländern bisher in keiner Weise abgesprochen.Die Bundesregierung hat mehrfach in Übereinstimmung mit der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion darauf hingewiesen, daß in dieser Legislaturperiode bei der Vermögensbildung das Ziel verfolgt wird, die Spartätigkeit der Bezieher kleiner und niedriger Einkommen bevorzugt zu fördern und mit dem Abbau bestehender Ungerechtigkeiten in der Sparförderung zu beginnen. Hierfür sind Mittel vorgesehen, und ich finde, dem sollten wir auch nachkommen.Auch zu dem FDP-Antrag, der uns heute auf den Tisch gelegt worden ist, müssen wir ähnliche Bedenken geltend machen. Wir halten ihn unter diesen Gesichtspunkten für genauso problematisch. Wir werden darüber im Ausschuß zu sprechen haben.Ich kann jedenfalls für meine Fraktion sagen, daß unser Bemühen darauf gerichtet sein wird, bisherige Ungerechtigkeiten abzubauen und Steuermittel für Sparbegünstigungen nur noch da zu bewilligen, wo sie zur Vermögensbildung derjenigen dienen, die bisher nur wenig oder überhaupt nicht gespart haben und auch nicht sparen konnten. —Nun sind in dem Gesetzentwurf außerdem Investitionszulagen vorgesehen. Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt diese Form der Investitionshilfe. Auf ihr Drängen hin wurde im Stabilitätsgesetz ein erster Schritt weg von den Sonderabschreibungen zu Investitionsprämien getan. Die Weiterentwicklung zur Investitionszulage ist unter dem Gesichtspunkt der steuerlichen Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Effizienz zu begrüßen.Die Verquickung der Investitionsprämie mit der zu zahlenden Steuer hat nicht selten zur Folge gehabt, daß neugegründete Unternehmen wegen der zunächst zu verzeichnenden Anlaufverluste nicht in den Genuß der Prämie gelangen konnten. Demgegenüber hat die Zulage so, wie sie jetzt vorgesehen ist, den Vorteil, daß sie außerhalb des Veranlagungsverfahrens, also unabhängig von der Höhe der zu zahlenden Steuern, stets in voller Höhe ausgezahlt wird. Es spricht daher viel dafür, von der Prämie, die bereits einen erheblichen Fortschritt gegenüber den Sonderabschreibungen darstellt, abzugehen und statt dessen Investitionszulagen einzuführen.Nun kritisiert der Bundesrat, daß die Investitionszulage gegen die Grundsätze der Haushaltswahrheit und -klarheit verstoße. Es ist richtig, daß die Zulage so, wie sie der Gesetzentwurf vorsieht, nicht im Haushaltsplan ausgewiesen wird — jedenfalls nicht in diesem Plan —, sondern von den Einnahmen abzusetzen ist. Mit diesem Argument müssen wir uns sicher auch noch im Finanzausschuß und im zuständigen Ausschuß auseinandersetzen.Hierbei wird zu beachten sein, daß im Finanzreformgesetz die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur als Gemeinschaftsaufgabe vorgesehen ist — das haben wir ja heute beschlossen — und außerdem die Einnahmen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer — das ist allerdings noch offen — 50 : 50 aufgeteilt werden sollen. Damit ist die Frage der Investitionszulage, zumindest soweit es sich um regionale Wirtschaftsförderung handeltim Bund-Länder-Verhältnis künftig anders zu beurteilen als bisher, jedenfalls, wenn die Finanzreform beschlossen ist.Was nun die Investitionszulage für das Zonenrandgebiet und die Bundesausbaugebiete wie auch die Bundesausbauorte betrifft, so wird es hier wohl
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Frau Kurlbaum-Beyerkeine Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Notwendigkeit solcher Maßnahmen geben. Wie bereits in der Begründung der Regierungsvorlage ausgeführt wurde, hat gerade die Rezession 1966/67 die noch bestehenden Unterschiede in der regionalen Wirtschaftskraft ganz deutlich zutage treten lassen. Ich will darauf verzichten, aufzuführen, was hierzu von der Bundesregierung im einzelnen ausgeführt wurde. Dazu kommen noch die regionale Wirtschaftsförderungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Agrarprogramm. Daß die Zonenrandgebiete hier eine besonders schwache Entwicklung aufweisen, ist uns allen bekannt. Die sozialdemokratische Fraktion hat sich seit Jahren bemüht, zusätzliche Anreize zur Ansiedlung in den betroffenen Räumen zu geben.Was die Höhe des Satzes betrifft, meine Damen und Herren, so ist sicher schwer zu sagen, welche Höhe die richtige ist. Der Entwurf der CDU/CSU — Drucksache V/3450 — schlägt nunmehr den Satz von 15% statt 10 % vor. Das ist natürlich eine Haushaltsfrage. Meine Fraktion war und wird immer bemüht sein, jede erdenkliche Hilfe zu leisten. Wir haben daher grundsätzlich keine Bedenken, den Satz auf 15% aufzustocken.Bezüglich der Investitionszulage für Forschung und Entwicklung muß ich darauf hinweisen, daß der Gesetzentwurf zu einer Zeit ausgearbeitet wurde, als wir über stabilisierende Maßnahmen noch nicht zu sprechen hatten. Es wird daher Aufgabe des Parlaments sein, gerade die für diesen Bereich vorgeschlagenen Investitionszulagen einer besonders sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Damit will ich keineswegs den Streichungen das Wort reden. Aber der Bundesrat hatte wohl ähnliche Überlegungen, als er in seiner Stellungnahme zum Ausdruck brachte, daß im weiteren Gesetzgebungsverfahren geprüft werden müsse, wie sichergestellt werden könne, daß durch Gewährung der Investitionszulage unerwünschte Auswirkungen auf die konjunkturelle Entwicklung vermieden werden könnten.Meine Fraktion hat aber auch generelle Bedenken. Die Abgrenzung der Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen von anderen Investitionen läßt sich in der Praxis nämlich außerordentlich schwer vornehmen. Die im Gesetzentwurf gegebene Definition von Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen muß auch jetzt als unzureichend angesehen werden.Ich darf weiter bemerken, daß z. B. nach § 51 Abs. 1 und 2 schon heute für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Forschung und Entwicklung dienen und bis zum Jahre 1971 von Steuerpflichtigen angeschafft werden, Sonderabschreibungen existieren. Das bedeutet, daß bis 1971 beide Regelungen nebeneinander Geltung haben würden.Zu bedenken ist außerdem: Das Ausmaß solcher Vorhaben hängt letztlich von den Marktdaten und im besonderen vom Wettbewerb ab. Wir stehen vor der Frage, ob mit dieser Maßnahme im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht lediglich die Kosten verringert werden und ob die vorgesehene Investitionszulage als strukturpolitische Maßnahme dem Grundsatz der Gezieltheit entspricht.Auch gegen die vorgesehene Maßnahme für Presseunternehmen ist einzuwenden, daß hier nach dem Gießkannenprinzip stützungsbedürftige und nicht stützungsbedürftige Verleger gleichermaßen bedacht werden. Sicher hat man hier mit der Auflage bis zu 160 000 eine Grenze gesetzt. Auch soll von sachkundigen Bescheinigungsbehörden der Länder entschieden werden, ob Investitionen geeignet sind, die Wettbewerbsfähigkeit des Zeitungs- oder Zeitschriftenverlags nachhaltig zu verbessern. Gegen diese zweite Einschränkung wird jedoch schon eingewandt, daß das vorgesehene Bescheinigungsverfahren für die Finanzverwaltung nicht korrekt zu praktizieren sei.Im übrigen sind im Entwurf eine Fülle von Punkten enthalten, die in der ersten Lesung keiner näheren Ausführung bedürfen. Wir werden bei den Beratungen in den Ausschüssen ja Gelegenheit haben, zu den einzelnen Fragen Stellung zu nehmen. Auf jeden Fall sollten wir bereit sein, die Vorlage so schnell wie möglich zu verabschieden, damit die Ziele des Entwurfs realisiert werden können. Damit entsprechen wir ja auch dem Wunsch, den heute der Bundesfinanzminister zum Ausdruck gebracht hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Stücklen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident, Sie haben vor wenigen Minuten diesem Hause die Rüge erteilt, daß es nicht der Würde und Aufgabe des Parlaments entspricht, Haushaltsberatungen in dieser Besetzung durchzuführen. Es ist zwar so wie in der Kirche, daß immer die Falschen das hören.
Aber in der Sache — Herr Präsident, es ist an sich nicht Aufgabe eines Abgeordneten, dem Präsidenten zuzustimmen; ich möchte es dennoch ausdrücklich tun — haben Sie völlig recht.
Es ist auch für diejenigen, die hier in der Debatte oder in der Begründung eines Gesetzentwurfs oder in der Stellungnahme zu einem Gesetzentwurf sprechen sollen, eine Zumutung, vor einem so wenig gefüllten Parlament zu sprechen.
Aus diesem Grunde möchte ich auch von der mündlichen Begründung des Gesetzentwurfs zur Förderung der unterentwickelten Gebiete absehen und Sie bitten, mir die Genehmigung zu geben, meine Begründung zu Protokoll zu geben *).
Ich muß eine Bemerkung zu dieser Bemerkung des Herrn Kollegen Stücklen machen. Ich finde, in seiner Situation — wenn es sich um eine Begründung handelt — ist es vertretbar, die Rede zu Protokoll zu geben. Aber im*) Siehe Anlage 8
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Vizepräsident Schoettleallgemeinen halte ich ,es für nicht zweckmäßig, ja, ich möchte sagen, geradezu für schädlich für die parlamentarische Auseinandersetzung, wenn Reden zu Protokoll gegeben werden. Möglicherweise sind in diesen Reden Angriffe, polemische Attacken auf andere enthalten, Ausführungen, auf die dann nicht geantwortet werden kann, weil die Reden erst im Protokoll erscheinen, während die Angegriffenen davon keine Kenntnis haben, daß sie angegriffen worden sind. Das ist eine Methode, mit der wir Schluß machen sollten.
Ich glaube nicht, daß das den Gepflogenheiten einer parlamentarischen Debatte entspricht.Aber, Herr Stücklen, in Ihrem Falle akzeptiere ich das; es handelt sich um eine Begründung.Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Borm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube in der glücklichen Lage zu sein, daß das Thema, zu dem ich zu Ihnen zu sprechen habe, nicht kontrovers sein wird. Es handelt sich um eine ernste politische Daueraufgabe, um die Investitionszulage für das Zonenrandgebiet.Die beabsichtigte Einführung einer Investitionszulage für das Zonenrandgebiet und die Ausbaugebiete im Zweiten Steueränderungsgesetz gehört zu denjenigen Problemen, die sowohl für das Zonenrandgebiet als auch besonders für die Stadt Berlin wichtiger sind als spektakuläre, vielfach nutzlose und manchmal auch schädliche Deklamationen. Nicht nur Berlin, sondern auch das Zonenrandgebiet leben — bei aller Anerkennung der Notwendigkeit politischer Absicherung — nicht von gesamtdeutschen Reden, und Präsenzen, sondern von konkreter wirtschaftlicher Förderung. Hier zeigt es sich — kann sich zeigen, muß sich zeigen —, wie ernst eine Regierung es mit ihren Bekenntnissen meint. Gerade in der Wirtschaftsförderung muß die politische Zielsetzung deutlich werden.Drei Stufen in den Präfenrenzen sollten stets erkennbar bleiben: 1. Berlin, 2. das Zonenrandgebiet und 3. die übrigen wirtschaftsschwachen Gebiete. Wenn diese Abstufung verwischt wird — und manchmal hat man den Eindruck, daß das der Fall ist —, stimmt die politische Zielsetzung eben nicht mehr.Bevor ich nun zu Art. 1 § 1 des Entwurfs des Zweiten Steueränderungsgesetzes Stellung nehme, gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung. Ich möchte mein Bedauern darüber ausdrücken, daß mein Kollege Dr. Starke, der ebenfalls dazu sprechen wollte und dessen Bestrebungen und Erfolge auf dem Gebiet der Förderung des Zonenrandgebiets Ihnen allen bekannt sind, heute nicht zu Ihnen sprechen kann, weil er erkrankt ist. Ich betone aber gern und ausdrücklich, daß meine Ausführungen mit ihm abgestimmt sind.Meine Damen und Herren, im Rahmen der regionalen Wirtschaftsführung des Bundes war dem Zonenrandgebiet wegen seiner politisch bedingten Standortnachteile von Anfang an eine Vorrangstellung, eine Präferenz eingeräumt worden. Diese Präferenz für das Zonenrandgebiet bestand unter anderem darin, daß die Förderungsmaßnahmen nicht zuletzt auch und gerade auf die Erhaltung der bestehenden Wirtschaftsbetriebe ausgerichtet waren. Die Notwendigkeit dazu ergab sich einfach daraus, daß es im Zonenrandgebiet eben keineswegs nur um die Ansiedlung neuer Industriebetriebe in industriearmen Räumen ging und geht. Das Zonenrandgebiet umfaßt vielmehr Gebiete ganz unterschiedlicher Struktur. Neben industrieleeren und industriearmen Gebieten sind auch stark industrialisierte Gebiete vorhanden, etwa Salzgitter. Aber in allen diesen Räumen wirkt sich die Teilung Deutschlands nachteilig aus. Die durch diese Teilung eingetretene Verschlechterung oder gar Umkehrung der Standortbedingungen betrifft gerade auch die stark industrialisierten und heute zum Teil weit abseits liegenden Räume.In diesem Sinne ist auch die Bestimmung des Art. 92 des EWG-Vertrages zu verstehen, und so ist sie auch immer verstanden worden. Es heißt dort in Nr. 21 — es geht darum, was mit den Zielen des Gemeinsamen Marktes vereinbar ist und was nicht vereinbar ist—:Mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind Beihilfen für die Wirtschaft,— gemeint ist die bestehende Wirtschaft bestimmter von der Teilung Deutschlands betroffener Gebiete, die Wirtschaft des Zonenrandgebietes —soweit diese Beihilfen zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind.Dies vorausgeschickt, begrüßt die Fraktion der FDP grundsätzlich eine Intensivierung der regionalen Strukturpolitik durch die zusätzlichen Maßnahmen. Wir müssen jedoch feststellen, daß die Bundesregierung die Priorität des Zonenrandgebietes in den letzten zwei Jahren öfters nicht nur mißachtet, sondern durch die Investitionsprämien an Ruhr und Saar geradezu ins Gegenteil verkehrt hat.
— Natürlich, wir haben im Ausschuß ja lange darüber gesprochen.
Auch wir erkennen die Strukturprobleme anderer Gebiete an, insbesondere die an Ruhr und Saar. Die Lösung dieser Probleme darf aber nicht dazu führen, daß das Zonenrandgebiet und schon gar nicht Berlin relativ oder gar absolut schlechtergestellt werden. Der Bundesrat weist in seiner Stellungnahme— Drucksache 3890 — daher mit Recht darauf hin, daß sich insbesondere der Rückstand Berlins gegenüber dem Bundesgebiet weiter vergrößern würde— das ist eine wichtige Feststellung —, wenn mit den in diesem Gebiet vorgesehenen Förderungsmaßnahmen keine Verbesserung der Berliner Investitionsförderung verbunden wäre. Die FDP wird
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Bormauf diesen Punkt bei den kommenden Ausschußverhandlungen hinweisen.Die FDP begrüßt selbstverständlich die Einführung einer Investitionszulage auch für das Zonenrandgebiet und die Ausbaugebiete und sieht darin die Beseitigung eines argen Nachteils, den man dem Zonenrandgebiet vor mehr als einem Jahr zugefügt hat. Der Schaden, der dem Zonenrandgebiet durch diese Benachteilung gerade in dem Zeitraum konjunktureller Aufwärtsbewegung zugefügt worden ist, muß nach den Erfahrungen, die überall gesammelt worden sind, leider recht hoch bewertet werden. Hinzu kommen noch andere Komplikationen, die sich aus den verschiedenen Vergaberichtlinien für öffentliche Aufträge ergeben und die trotz meiner Aufforderung im Bundestag vom Dezember 1968 bis jetzt immer noch nicht ausgeräumt sind. In Zukunft sollten neue Maßnahmen von vornherein besser mit bereits bestehenden Maßnahmen koordiniert werden.Bedauerlicherweise hat die Bundesregierung jedoch die Situation im Zonenrandgebiet nur einseitig unter dem Aspekt der Ansiedlung neuer Betriebe gesehen. Den im Zonenrandgebiet gleichwichtigen Aspekt der Erhaltung bestehender Betriebe und der dort vorhandenen Dauerarbeitsplätze trotz der durch die Teilung Deutschlands nachteilig veränderten Standortbedingungen hat sie geglaubt vernachlässigen zu können. Wir glauben nicht, daß das angängig ist. Damit würde man ohne Not und ohne Begründung von den bisher für das Zonenrandgebiet geltenden Grundsätzen abweichen.Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren Kollegen, und besonders die Aufmerksamkeit der Bundesregierung außerdem darauf lenken, daß auch der Raumordnungsbericht vom 12. März 1969 diese meine Argumente stützt, der auf Seite 43 betont, daß die Beseitigung der Entwicklungsunterschiede in der Beschäftigung dadurch begrenzt werde, daß — ich zitiere wörtlich — „ein wesentlicher Teil des Wachstums der Beschäftigung in bereits bestehenden Betrieben stattfindet". Berücksichtigt man weiter, daß die Gesamtbeschäftigung in den strukturschwachen Gebieten trotz aller Förderungsmaßnahmen bis 1980 zurückgehen wird — der Raumordnungsbericht schätzt für Niederbayern einen Rückgang um 12 % und für die Oberpfalz um 10 % —, so wird es klar, daß die Förderung bestehender Betriebe ein außerordentlich dringendes Problem geworden ist.Die Freien Demokraten schlagen daher im Hinblick auf diese besondere Situation im Zonenrandgebiet vor, die Investitionszulage auch auf Investitionen bestehender Betriebe zur Rationalisierung, Modernisierung oder Anpassung anzuwenden, die den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 des Gesetzentwurfs entsprechen und die zusätzlich der Sicherung von Dauerarbeitsplätzen dienen.Die von uns vorgeschlagene Änderung des Entwurfs ist besonders notwendig, wenn die Bundesregierung dazu übergeht, in Räumen mit weitaus günstigeren Standortbedingungen die gleichen staatlichen Vergünstigungen für die Errichtung neuerBetriebe einzuräumen wie im Zonenrandgebiet. Das gibt dem Zonenrandgebiet für die Errichtung neuer Betriebe noch weniger Chancen als schon bisher. Wer wird schon in das Zonenrandgebiet gehen, wenn er woanders bei gleichen Präferenzen eine bessere Infrastruktur vorfindet?Noch immer und gewiß auf absehbare Zeit ist in weiten Bereichen des Zonenrandgebiets die ansässige Wirtschaft Existenzgrundlage der hier lebenden Bevölkerung und deshalb unentbehrlich für die materielle und kulturelle Entwicklung dieser Räume. Um so dringlicher wäre es — und das sollte für jeden gelten, der sich einen politischen Blick erhalten hat —, daß dann wenigstens die bereits im Zonenrandgebiet ansässigen Betriebe pfleglich behandelt werden. Sie sind an seinerzeit günstig gewesenen Standorten errichtet worden. Ihre Standortbedingungen sind ohne ihr Verschulden durch die Teilung Deutschlands verschlechtert, zum Teil sogar ins Gegenteil verkehrt worden. Sie tragen unmittelbar seit über 20 Jahren die Last der deutschen Teilung. Keineswegs gehören dabei diese Betriebe — wie gelegentlich fälschlicherweise behauptet wird — samt und sonders überalterten Strukturen an. Eine Abgrenzung der zu begünstigenden Investitionen ist durch das Bescheinigungsverfahren nach § 1 Abs. 2 des Gesetzentwurfs und nach den dort gekennzeichneten Voraussetzungen, zu denen noch die Voraussetzungen der Sicherung von Dauerarbeitsplätzen hinzuzutreten hätte, an Hand der bisherigen Praxis in den Länderministerien ohne weiteres möglich.Die Fraktion der FDP begrüßt daher den Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur in den entwicklungsbedürftigen Gebieten, der auf Drucksache V/3450 vorliegt und zu dem Herr Kollege Stücklen befürwortende Ausführungen zu Protokoll gegeben hat, und wird ihn unterstützen, um ihm zur Annahme zu verhelfen.Zu den Äußerungen des Bundesrates noch ein Wort. Der Bundesrat befürchtet durch die neuen Maßnahmen mit Recht eine Beeinträchtigung der Präferenz für Berlin, so wie es hier für das Zonenrandgebiet ausgeführt worden ist. In Art. 1 § 1 Abs. 2 Nr. 2 des vorliegenden Investitionszulagengesetzes wird aber bestimmt, daß die Förderung nur auf Grund einer Bescheinigung möglich ist, nach welcher die Errichtung oder Erweiterung einer Betriebsstätte nicht mit einer Betriebsverlagerung, diesmal aus Berlin-West, im Zusammenhang steht. Es muß geprüft werden, ob im Sinne der Warnung des Bundesrates vor der Abwerbung von Betrieben aus anderen geförderten Gebieten diese Bestimmung nicht weiter gefaßt und auf Betriebsverlagerungen oder Teilverlagerungen aus allen anderen geförderten Gebieten ausgedehnt werden sollten.Regionale Förderungsmaßnahmen sollten streng von konjunkturpolitischen Aspekten getrennt werden. Regionalförderung muß ihrer Natur nach konstant und langfristig sein. Sie darf auf keinen Fall von tagespolitischen Ereignissen beeinflußt werden. Konjunkturbedingte Maßnahmen sind ihrer Natur nach mit dem Zyklus der Konjunktur verbunden und müssen flexibel sein; sie sind nicht .auf die Dauer
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Bormvorzunehmen. Zusätzliche Förderungsmaßnahmen können selbstverständlich aus konjunkturpolitischen Gründen notwendig werden. Aber die langfristige Wirtschaftsförderung und Raumordnungspolitik muß davon unabhängig bleiben.Aus Gründen, die ich Ihnen dargelegt habe, daß nämlich die Priorität des Zonenrandgebietes aus gesamtpolitischen Gründen unbedingt gesichert bleiben muß, beantrage ich namens der Fraktion der FDP, den Gesetzentwurf außer an die sonstigen fachlich zuständigen Ausschüsse an den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zur Mitberatung zu überweisen.Meine Damen und Herren, ich bitte um Entschuldigung, daß ich dies verhältnismäßig ausführlich vorgetragen habe. Aber ich hoffe, daß der Ernst des Gegenstandes mir dafür Ihre Nachsicht zukommen läßt. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Schlee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem nun einmal das Zweite Steueränderungsgesetz und der Entwurf der Fraktion der CDU/CSU für ein Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur in entwicklungsbedürftigen Gebieten heute in erster Beratung auf der Tagesordnung stehen, bitte ich um Geduld, wenn ich in der gebotenen Kürze in dieser Stunde noch einige Bemerkungen dazu bringe. Ich muß deswegen um Geduld bitten, weil ich meine Rede leider nicht so konzipiert und verfaßt habe, daß ich dem Beispiel meines Kollegen Stücklen folgen könnte.Die beiden Gesetze, sowohl das Zweite Steueränderungsgesetz wie auch der Entwurf der Fraktion der CDU/CSU für ein Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur in entwicklungsbedürftigen Gebieten, lassen jeweils in ihrem § 1 das Ziel erkennen, die Raumordnung und das Raumordnungsgesetz mehr ins Leben zu rufen. Wir wollen damit nicht nur erreichen, daß wir den begünstigten Gebieten und insbesondere auch dem Zonenrand neue Betriebe zuführen, sondern wir wollen vor allem auch erreichen, daß diejenigen Betriebe, die dort bereits bestehen — ich habe schon einmal an dieser Stelle ausgeführt, daß die Struktur des Zonenrands sehr unterschiedlich ist —, erhalten bleiben. Daher bitte ich Sie um Verständnis dafür, daß wir 15% als Investitionszulage für den Zonenrand vorschlagen, um ein Gefälle zugunsten des Zonenrandes zu schaffen, mit dem die Nachteile ausgeglichen werden sollen, die der Zonenrand gegenüber anderen Förderungsgebieten und gegenüber den Ballungsräumen innerhalb des Gebietes der Bundesrepublik von Natur aus hinzunehmen hat.Ich bitte Sie weiter um Verständnis dafür, daß wir uns bei den Beratungen sehr dafür einsetzen werden, daß nicht nur die Errichtung und Erweiterung von Betrieben, sondern auch die Rationalisierung, die Anpassung, die Modernisierung und dieUmstellung bestehender Betriebe für derartige Förderungen in Betracht kommen.Meine Damen und Herren, wir werden großen Wert auch darauf legen, daß dabei die Förderung der sogenannten Agrarproblemgebiete nicht außer acht gelassen wird, wo mehr und mehr landwirtschaftliche Arbeitskräfte Arbeit suchen. Denn alle Vorstellungen von landwirtschaftlichem Zu- oder Nebenerwerb bleiben ein nutzloses Gerede, wenn wir die Arbeitsplätze nicht so bereitstellen können, daß sie leicht erreichbar sind. Wenn, wie z. B. in meinem Wahlkreis, der Mann, der von seinem Hof aus eine Arbeit sucht, morgens eineinhalb Stunden zur Arbeit fahren muß und abends eineinhalb Stunden braucht, um wieder zurückzukehren, dann kann er weder einen Zu- noch einen Nebenerwerb führen, oder er muß sein landwirtschaftliches Anwesen aufgeben.Ich möchte mich vor allen Dingen mit einem Blick auf die bisherigen Ergebnisse 'befassen und darf vortragen, was das Landesarbeitsamt Nordbayern für Ende Januar 1969 über die Arbeitsmarktlage festgestellt hat. Ich betone ausdrücklich, daß ich das nur als Beispiel nenne und daß ich mich nicht etwa als ein besonderer Interessenvertreter dieses Hauptbezirks fühle. Das Landes-Arbeitsamt Nordbayern hat festgestellt, .daß am Ende des Monats Januar 1969 die Arbeitslosigkeit in diesem Amtsbezirk mit 3,8 % den höchsten Grad in der Bundesrepublik Deutschland erreicht hatte. Der Satz, den es dazu schreibt, gilt wohl für alle vergleichbaren Gebiete: „Die strukturelle Benachteiligung kommt gerade in der Arbeitslosigkeit des Winters jeweils deutlich zum Ausdruck."Das Bundesministerium für Arbeit hat im Jahre 1968 einen Bericht über die Standortwahl der Industriebetriebe in der Bundesrepublik Deutschland herausgegeben. Der Bericht ist im Institut für Raumordnung ,erarbeitet worden. Ich darf 'einige wenige Feststellungen dieses Berichts hier vortragen, weil ich annehmen muß, daß Sie nicht alle ihn so studiert haben wie wir, die wir dazu Veranlassung haben.In dem Berichtszeitraum 1964/65 wurden noch 30% aller neuen Betriebe in den Bundesfördergebieten, also im Zonenrandgebiet, in den Bundesausbaugebieten und in den Bundesausbauorten errichtet, und diese 30% aller neuen Betriebe umfaßten damals 30,6% aller Beschäftigten, die in den neuen Betrieben Arbeitsplätze fanden. Im Berichtszeitraum 1966/67 waren es nur noch 21,1% der neu errichteten Betriebe, die ihren Standort in den Bundesfördergebieten fanden, und diese neuen Betriebe in den Bundesfördergebieten beschäftigten nur noch 20,8 % der Beschäftigten in den neuen Betrieben.Interessant ist auch die unterschiedliche Entwicklung der Ansiedlung von Betrieben in ländlichen Gebieten und in Ballungsräumen. Im Berichtszeitraum 1964/65 wurden noch 75 % der neuen Betriebe in ländlichen Gebieten und 25% in Ballungsräumen errichtet. Im Berichtszeitraum 1966/67 waren es noch 65 % der neuen Betriebe, die in ländlichen Gebieten errichtet wurden; 35% wurden in den Ballungsräumen errichtet. Bei den Beschäftigten ergibt sich folgendes Verhältnis: In dem Berichtszeitraum
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Schlee1964/65 beschäftigten die neuen Betriebe in den ländlichen Gebieten 73 % und die neuen Betriebe in den Ballungsräumen 27 % der Beschäftigten. Im Berichtszeitraum 1966/67 beschäftigten die neuen Betriebe in den ländlichen Gebieten 55 % und die neuen Betriebe in den Ballungsräumen 45 % der Beschäftigten.Besonders interessant scheint mir zu sein: Während in dem Berichtszeitraum 1964/65 von zehn neuen Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten nur einer in einem Ballungsraum errichtet wurde, sind in dem Berichtszeitraum 1966/67 von sieben neuen Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten allein vier in Ballungsräumen und die übrigen mit einer Ausnahme am Rande von Ballungsräumen errichtet worden.Sicher hat — das ist heute wiederholt ausgesprochen worden — die. Rezession einigen Einfluß auf diese Zahlen gehabt; aber ich glaube, die Tendenz kommt hier ganz klar zum Ausdruck: daß der Zug zu den Ballungsräumen vorhanden ist und daß es große Anstrengungen erfordert, ihm entgegenzuwirken.Das Interessanteste ist eine Untersuchung über die Gründe für die Standortwahl. Dabei ist festgestellt worden, daß von 1028 Betrieben, die in ländlichen Gebieten errichtet wurden, 445 Betriebe —43 % — deswegen dort errichtet wurden, weil man Gelände, weil man Raum fand; 391 Betriebe —38 % — wurden in ländlichen Gebieten errichtet, weil es Arbeitskräfte gab; nur 49 Betriebe — zwischen 4 und 5% — wurden in ländlichen Gebieten mit Rücksicht auf die öffentliche Förderung errichtet.Von den 487 Betrieben, die in der gleichen Zeit in Ballungsräumen errichtet wurden, war bei 28 Betrieben — etwa 6% — ebenfalls die öffentliche Förderung maßgebend. Es ist sehr interessant — und eigentlich deswegen habe ich das Wort ergriffen —, daß dieser Bericht zeigt, daß die öffentliche Förderung aus Mitteln des Bundes und der Länder keineswegs eine so ganz entscheidende Wirkung hat, wie wir das erwartet haben.Wir wissen natürlich, daß wir bei der Befolgung der Raumordnungsziele an die Grenzen des Grundgesetzes gebunden sind. Der Bericht zeigt uns aber eindeutig, daß wir allein mit materiellen, steuerrechtlichen Anreizen, mit Investitionszulagen auch nicht annähernd eine Raumordnung erreichen werden, wie wir sie uns vorstellen. Es ist wohl vielmehr so, daß wir zunächst einmal dafür sorgen müssen, daß Gelände in guter Erschließung, mit guter Infrastruktur und zu billigen Preisen bereitgestellt wird.Ich meine, daß die Bereitstellung industriellen Geländes in der Zukunft nicht mehr die Aufgabe jeder einzelnen Gemeinde sein kann und daß die Raumordnung sicher nicht gefördert wird, wenn jede kleine und kleinste Gemeinde versucht, einen Betrieb an sich zu ziehen. Es wird die Aufgabe größerer Gemeindeverbände sein, die Raumordnung zu planen und durchzuführen und Gelände bereitzustellen. Ich sage immer gern: Ich habe nichts gegen Ballungsräume; ich möchte nur einige mehr haben. Wir müssen mehr Gegenden haben, wo durch eine gewisse Konzentrierung der Industriebetriebe auch eine Standfestigkeit der industriellen Beschäftigung erreicht wird.Wir müssen ferner in der Zukunft dafür sorgen, daß die Heranbildung von Facharbeitskräften mehr im Ziel gefördert wird als bisher. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß verschiedene Ansiedlungen neuer Betriebe daran gescheitert sind, daß, obwohl Arbeitskräfte — vor allen Dingen aus der Landwirtschaft — vorhanden gewesen wären, diese Arbeitskräfte noch nicht in der Lage waren, den Bedürfnissen der Betriebe gerecht zu werden.Zum anderen glaube ich, daß wir vor allen Dingen die Infrastruktur fördern müssen, und zwar nicht nur die Infrastruktur schlechthin, also Straßen, Schulen und dergleichen. Der Raumordnungsbericht der Bundesregierung weist darauf hin, daß diese schlecht strukturierten Gebiete vor allen Dingen darunter leiden werden, daß sie die Aufgaben der Infrastruktur zu erfüllen haben; auch sie müssen ihre Straßen, Schulen und Krankenhäuser errichten.Sie erleben dann, daß gerade die jungen, tüchtigen und energischen Arbeitskräfte, die in ihren Gegenden herangewachsen und ausgebildet worden sind, diese Gegenden verlassen, weil sie dort keinen Arbeitsplatz finden, vor allen Dingen aber, weil sie oft erleben müssen, daß in diesen ungenügend mit Arbeitsplätzen ausgestatteten Gebieten der Freizeitwert für ihre Lebensverhältnisse nicht befriedigend ist.Es ist, glaube ich, auch eine ganz entscheidende Voraussetzung für eine Verbesserung der Raumordnung, daß in den Gebieten, die einer Förderung bedürfen, auch der Freizeitwert durch die Errichtung von kulturellen Einrichtungen, Sportanlagen, Schwimmbädern, durch alles, was das Leben uns angenehm macht, entsprechend gefördert wird.Meine Damen und Herren, ich bin damit am Schluß. Ich möchte nur noch einen Satz sagen, der vielleicht etwas übertrieben ist: Wenn wir allein auf die Anreize finanzieller und steuerlicher Art schauten, entspräche das, könnte man meinen, Vorstellungen, wie man sie in einem Lehrbuch der Volkswirtschaft des 19. oder des frühen 20. Jahrhunderts findet. Ich glaube aber, allein mit solchen Vorstellungen können wir die Probleme der Raumordnung, die sich uns in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellen, nicht lösen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte mich zu Wort gemeldet, um einige wenige Bemerkungen zum Haushalt 08 zu machen. Die Äußerungen des Herrn Gewandt von heute nachmittag zwingen mich aber dazu, für meine Fraktion folgendes zu erklären.
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Vizepräsident SchoettleDie Art und Weise, wie Herr Gewandt heute hier die Regierung attackiert hat, hat zeitweise Zweifel daran aufkommen lassen, wer diese Regierung trägt. Ich stehe nicht an, in aller Form zu erklären, daß Herr Friderichs bei seinen kritischen Bemerkungen zur Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung diesem Hause gegenüber seine Auffassung wesentlicher sachlicher und formgerechter vertreten hat, als es hier Herr Gewandt getan hat.
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Bei der Ausführung des Bundeshaushaltsplans kann im Falle einer die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Nachfrageausweitung die Bundesregierung den Bundesminister der Finanzen ermächtigen, zur Erreichung der Ziele des § 1 die Verfügung über bestimmte Ausgabemittel, den Beginn von Baumaßnahmen und das Eingehen von Verpflichtungen zu Lasten künftiger Rechnungsjahre von dessen Einwilligung abhängig zu machen. Die Bundesminister der Finanzen und für Wirtschaft schlagen die erforderlichen Maßnahmen vor. Der Bundesminister der Finanzen hat die dadurch nach Ablauf des Rechnungsjahres frei gewordenen Mittel zur zusätzlichen Tilgung von Schulden bei der Deutschen Bundesbank zu verwenden oder der Konjunkturausgleichsrücklage zuzuführen.
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weil ich die Artikel Ihrer vielen Minister sehr sorgfältig studieren muß, und manches, was ich selbst im Kabinett nicht erfahre, erfahre ich auf diesem Wege, womit höchstens die Gleichheit der Verhältnisse wiederhergestellt wäre.
Ich bin als amtierender Präsident leider nicht in der Lage, mich in diese Debatte zu mischen, obwohl ich als Vorsitzender des Haushaltsausschusses dazu auch einiges zu sagen hätte.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat ein Zweites Steueränderungsgesetz vorgelegt, das wir Freien Demokraten im Prinzip bejahen, dessen Sparförderungsteil allerdings unseren Vorstellungen von geeigneten und gezielten Maßnahmen nicht entspricht. Wir glauben, daß hier zu undifferenziert und in einer nicht ganz logischen Weise vorgegangen werden soll. Wir haben uns deshalb erlaubt, in der Drucksache V/3986 einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen, dessen u. a. wesentlicher Teil der Vorschlag ist, zu einer besseren Vermögensbildung gerade für die sozialschwachen Schichten zu kommen. Wir wollen dazu insbesondere dadurch beitragen, daß wir unseren früher gemachten Vorschlag, die Tilgung von Bauspardarlehen ebenfalls zu begünstigen, hier wieder einbauen.
Ich möchte Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen und vor allen Dingen die wartenden Kollegen von der Landwirtschaft nicht länger aufhalten und darf daher die weitere Begründung dieses Teils mit der Erlaubnis des Präsidenten zu Protokoll geben *), wobei ich die Mahnung beherzige, daß in diesem schriftlichen Teil keine Polemik enthalten sein soll. Sie dürfen sicher sein, daß ich, wenn in diesem Teil Polemik enthalten wäre, es nicht vermeiden würde, sie hier vorzutragen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will es kurz machen.Zunächst aber will ich noch einmal um Entschuldigung bitten, daß ich etwa eine Dreiviertelstunde lang nicht im Plenarsaal war. Der neuernannte Herr Staatssekretär der Treasury der Vereinigten Staaten von Amerika hat heute nachmittag seinen Antrittsbesuch hier in Bonn gemacht und war auch in diesem Hause. Er ist zuständig für Geld-, Kredit- und Währungspolitik, und es war wohl ein Gebot der Höflichkeit, daß ich mit ihm zusammenkam.Natürlich habe ich dabei viel verpaßt. Ich habe Herrn Gewandt verpaßt; das ist mir klar. Nach allem, was hier aufgeschrieben worden ist, hat Herr Gewandt aber weiß Gott nicht so geschickt gesprochen, wie sein Name „Gewandt" eigentlich von ihm verlangen würde.
Nun aber einige wenige Worte zu den Sachfragen selbst!Herr Staratzke, die Aufstockung der Importkontingente betrifft in der Tat Bereiche, die in ihrer Preisbewegung über den industriellen Erzeugerpreisen liegen. Wenn wir einen Vergleich anstellen wollen, so kann ich Ihnen sagen, daß die Preissteigerung in der Gesamtindustrie im Vorjahresvergleich 0,3 % betrug, während die Zahlen für feinkeramische Erzeugnisse 2,4 %, für Textilien 2,1 %, für Bekleidung 1,2 % lauten. Das sind überdurchschnittliche Preissteigerungen. Da ist die Aufstokkung der Kontingente tatsächlich ein wirksames Mittel. Das sage ich auch Herrn Brand.Wir wissen doch alle, lieber Herr Brand: Wenn eine Importverbilligung gegeben wird — oder eine Aufwertung; das ist in diesem Fall in der Wirkung gleich — und zugleich ein Kontingent besteht, dann bezieht der Inhaber dieses Kontingents eine Kontingentsrente, die er einsteckt, weil der Absatz nicht erweitert werden kann. Und genau dem wollen wir abhelfen durch Aufstockung.Im übrigen würden bei Einbeziehung der Kontingentsaufstockung, wie wir es vorhaben, die Anteile der Einfuhren bei diesen in Frage kommenden Produkten steigen um 0,3 % bei Keramik, 5 % bei*) Siehe Anlage 7
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Bundesminister Dr. SchillerPorzellan, 0,6% bei Leder, 0,9 % bei Schuhen, 3,6 % bei Baumwollgeweben, 2,4 % bei Oberbekleidung, 1,3 % bei Wollgewebe und 1,5 % bei Geweben aus Chemiefasern. Das sind die Einfuhren dm Verhältnis zur inländischen Produktion. Ich glaube, niemand kann unter Einreichung der Aufstockung — —
- Ich möchte mich kurz fassen. — Niemand kann aus solch minimalen Einfuhrquoten einen Untergang erwarten, allerdings sind sie für die Preisbildung wichtig. Deswegen kommt ja auch der Widerstand.
Herr Kollege Brand, Sie haben eine sehr interessante Erklärung Ihrer Fraktion zu diesem Programm der Bundesregierung zur Sicherung der Preisstabilität abgegeben. In einem Punkte darf ich Ihnen widersprechen. Wir sind im Moment nicht in der Lage, schnell — und wir wollen ja schnell handeln — zu liberalisieren. Wenn wir liberalisierten, d. h. Kontingente aufheben würden, müßten wir unzählige andere Stellen fragen. Wir wollen nur aufstocken. Das ist keine Liberalisierung.Zum Zweiten. Lieber Herr Brand, Sie sagen, das sei nicht richtig; Sie möchten auch mehr bei den Importmaßnahmen, Sie möchten bei der Erweiterung der Importmaßnahmen globale Maßnahmen. Sie erwarten Vorschläge, die global wirksam werden. Nun, ich freue mich, daß der Ausdruck „global" und „Globalsteuerung" und „globales Wirksamwerden" auch bei Ihnen Platz greift, aber was meinen Sie damit? Das möchte ich fragen. Wollen Sie z. B., daß wir das Gesetz, das hier heute sehr scharf kritisiert wurde, das außenwirtschaftliche Absicherungsgesetz etwa von 4 % auf Ausfuhr- und Einfuhrseite um weitere 2% erhöhen, um damit einen Effekt im Sinne der Verbilligung herbeizuführen, oder nicht? Das muß man wohl sagen.
— Gut, da ist eine andere Möglichkeit, darüber hat Herr Friderichs sich geäußert, und ich komme darauf zurück.Dann haben Sie an einer anderen Stelle gesagt, ich hätte durch den Wirtschaftsbericht, durch die neuen Maßnahmen, die Wirtschaft veranlaßt, sich erneut anders zu orientieren. Ich weiß nicht, was Sie damit meinen. Wir haben doch ausdrücklich außer diesen Einfuhrmaßnahmen und der Einkommensteuervorauszahlung die wesentlichen Daten für die deutsche Wirtschaft bestehen lassen.Das einzige, was Sie als Änderung ansehen können, ist folgendes: Aus dem steuerlichen Absicherungsgewinn war ein Betrag von 195 Millionen DM für das Frühjahr dieses Jahres für bestimmte Wirtschaftszweige zur Debatte gestellt. Das haben wir durch Kabinettsbeschluß zur Überprüfung auf den Juli verschoben. Im übrigen muß man, wie ich glaube, derartig leichte Korrekturen in einer Situation, die uns vor solche Maßnahmen stellt, doch wohl der Wirtschaft zumuten können.Nun zu Herrn Gewandt. Sie haben unter anderem gesagt, bei der Wirtschaftsentwicklung 1967 handelte es sich im wesentlichen um eine Dramatisierung einer leichten Rezession. Ich darf verlesen:Es droht sogar die Gefahr eines gesamtwirtschaftlichen Rückschlages. ... die Vorausschätzungen der wissenschaftlichen Institute und des Sachverständigenrates für 1967 haben den Ernst der Lage deutlich gemacht. Die Talsohle in der Konjunkturentwicklung kann sogar noch vor uns liegen ...
— Das tut sehr weh, was Sie eben gesagt haben. Denken Sie, daß der Bundeskanzler Kiesinger sich drei, vier Seiten vom damals dienstaltersmäßig sehr jungen Bundeswirtschaftsminister hinsetzen läßt
und das hier verliest? Na also, Sie haben vielleicht Vorstellungen von Ihrem Bundeskanzler!
Und dann diese Verharmlosung! Es hat im Februar 674 000 Arbeitslose gegeben, und 300 000 Gastarbeiter haben das Land verlassen. Die Prognose großer und wesentlicher Unternehmerverbände, daß wir de facto 1 Million Arbeitslose und 100 000 Kurzarbeiter haben würden, war damals, im Frühjahr 1967, erfüllt. Daran gibt es gar nichts zu deuteln. Was der Verlust dieser Rezession war, die Sie durch den Herrn Bundeskanzler als nur dramatisiert ansehen, kann ich nur sagen: 30 Milliarden DM Verlust an Sozialprodukt. Dann will ich hier eine andere praktische Stimme wiedergeben. Vor kurzem hat uns ein ostbayerischer Regionalpolitiker, der Ihrer südlichen Schwesterpartei nahesteht oder angehört, gesagt, durch diese Rezession 1966/67 sei die gesamte Regionalpolitik um 10 Jahre zurückgeworfen.
Damit haben Sie einmal ein Wort aus der Praxis und keine globale Aussage.
Dann haben Sie, Herr Gewandt, nicht sehr „gewandt" als zweites gesagt, die Ursache der Rezession sei darin zu sehen, daß man nicht rechtzeitig eine Mehrheit für das Stabilitätsgesetz bekommen habe.
Herr Gewandt, wenn einer vom ersten Tage an sichzu dem Stabilitätsgesetzentwurf positiv gestellt hat,dann ist das die sozialdemokratische Fraktion im
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Bundesminister Dr. SchillerBundestag durch ihren damaligen wirtschaftspolitischen Sprecher Karl Schiller.
Wir haben vom ersten Tage an mitgemacht. Wir haben festgestellt, daß der damalige Entwurf schief war. Er war nur auf Restriktion und nicht auf die andere Lage ausgerichtet. Er basierte auf einer eklatanten Fehldiagnose desjenigen, der damals die Richtlinien der Politik bestimmte. Ich erinnere mich daran, wie ich mit anderen Kollegen aus meiner Fraktion wegen des Stabilitätsgesetzes im September 1966 bei demjenigen war, der damals die Richtlinien der Politik bestimmte. Ich fragte ihn: Herr Bundeskanzler, welche der Ermächtigungen werden sie als erste in Kraft setzen, wenn mit Gottes und der Sozialdemokraten Hilfe — mit Zweidrittelmehrheit — dieses Stabilitätsgesetz im Januar 1967 in Kraft tritt? Und was sagte er? „Ich werde den Schuldendeckel für die Gemeinden und für die Länder erklären." Meine Damen und Herren, eine solche Fehldiagnose! Das war derselbe Januar, in dem sich die neue Bundesregierung unter Bundeskanzler Kiesinger und mit Finanzminister Strauß gezwungen sah, in Anbetracht der von Ihnen übertriebenen Rezession 2,5 Milliarden DM als ersten Eventualhaushalt zu bewilligen. Das war die Situation.
Auf die 25 %, die die Bundesbank im Bereich dieser Ziele vertritt, will ich gar nicht eingehen. Das ist bei Herrn Dietz in Frankfurt ein sehr schöner Neujahrsempfang gewesen. Ich habe aus dem „Volkswirt" zitiert, einer wohl auch Ihnen bekannten Wochenzeitschrift. Hoffentlich lesen Sie sie jedesmal. Sie ist sehr modern, sehr progressiv eingestellt, und sie kann Ihnen noch helfen. Darin steht, daß die Bundesregierung vier Ziele zu verfolgen hat und die Bundesbank eines der vier Ziele, und daraus hat sie diese 25% gemacht.Im übrigen werden Sie, Herr Gewandt, nach allem, was ich hier aufgeschrieben bekommen habe, bereuen, was Sie heute abend gesagt haben, bereuen gegenüber Ihren Freunden und der Regierung und dem Herrn Bundeskanzler. Sie haben von sich aus ziemlich deutlich das Tischtuch zwischen Ihnen und der Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung zerrissen.
Ich frage mich, in welche Lage der Herr Bundeskanzler kommt, dem ich, wie Sie wissen, in voller Loyalität die ganze Zeit zugearbeitet habe und das auch weiterhin tun werde, solange dieses Kabinett besteht. Ich frage mich nämlich, was er in Anbetracht Ihrer Äußerung in Zukunft tun wird, wenn er sagt: „Der Bundeswirtschaftsminister Schiller ist der Wirtschaftsminister meines Kabinetts Kiesinger."
Ich möchte wissen, in welche Verlegenheit er kommt, wenn er Ihre Äußerungen ernst nimmt.
Zur konzertierten Aktion darf ich zu Ihren Ausführungen — und zu den sachlichen Ausführungenvon Herrn Friderichs — nur eines sagen. Die konzertierte Aktion kann nicht nur nach dem § 3 Abs. 2 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes behandelt werden, in der Weise, daß der Bundeswirtschaftsminister einmal im Jahr die Orientierungsdaten des Jahreswirtschaftsberichtes auf Verlangen einer Seite der konzertierten Aktion — so ist es da beschrieben — erläutert. Ein solcher einmaliger Jahres-Morgenappell: „Alle mal herhören, hier die Orientierungsdaten, hier die Erläuterung", — Herr Friderichs und der Gewandt, das ist doch im sozialen Leben völlig unmöglich. Wir müssen die konzertierte Aktion doch auch nach dem Gesetz ,als eine Veranstaltung auffassen, die .die Verhaltensweisen der Gewerkschaften, der Unternehmerverbände und der Gebietskörperschaften aufeinander abstimmt. So steht es im Gesetz. Dazu darf man nicht nur in Notzeiten zusammenkommen. Ich möchte wenigstens nicht in die Lage kommen, daß ich die Gewerkschaften nur in der Krise an den Runden Tisch mit den Unternehmern bitte und daß sich im übrigen, wenn es bessergeht, singe: „Geht alle nach Hause, wir sehen uns wieder, wenn irgend etwas Unvorhergesehenes passiert."
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage des Herrn Dr. Friderichs?
Herr Bundeswirtschaftsminister, sind Sie bereit; zur Kenntnis zu nehmen, daß Ihnen meine Ausführungen zu diesem Teil offensichtlich nicht korrekt übermittelt worden sind?
Ich habe einen wesentlichen Teil Ihrer Äußerungen mitbekommen. Aber wenn ich nicht alles — —
Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich mich zu der Frage der Tagungshäufigkeit überhaupt nicht geäußert habe, sondern daß ich die konzertierte Aktion an sich in Frage gestellt habe, ihre Funktionsfähigkeit im Aufschwung und in der Rezession? Dazu habe ich mich geäußert.
Lieber Herr Friderichs, darauf möchte ich Ihnen antworten: wir müssen, wenn die konzertierte Aktion nach dem Gesetz, die eine Verpflichtung des Wirtschaftsministers und der gesamten Regierung ist— nicht der anderen; die sind alle freiwillig dabei —, funktionieren soll, sie als regelmäßige Veranstaltung abhalten. Es geht einfach nicht, sie nur, ich hätte beinahe gesagt: im Sinne eines Notgremiums zu handhaben, das beim Notstand im Wohlstand zusammentritt.
— Sie haben soeben selber von der Funktion in den verschiedenen Konjunkturzyklen gesprochen. Ich bin der Meinung: sie ist funktionsfähiger auch im Aufschwung, wenn man sie regelmäßig zusammenruft.
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12126 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969
Bundesminister Dr. SchillerAber Sie haben auch — so ist mir gesagt worden — geäußert, das Parlament würde dadurch vielleicht ein wenig präjudiziert. Das würde ich sehr ernst nehmen, denn ich bin ja auch Mitglied des Parlaments. Da möchte ich noch einmal sagen, daß jedesmal, wenn Themen angesprochen werden, die die Gesetzgebung oder die Entscheidungsbefugnis der Regierung betreffen, von mir gesagt wird, daß die vorletzte Entscheidung bei der Regierung liegt und daß bei einem Gesetzgebungsakt die allerletzte Entscheidung, die endgültige Entscheidung beim Parlament liegt. Auch das möchte ich hier nur klargestellt haben, um Mißverständnisse zu beseitigen.Sie haben — das habe ich nun selber vernommen — einiges zum Thema Wettbewerbspolitik gesagt und auch Fragen an mich gerichtet. Sie haben auch Dissense festgestellt. Über einen Dissens gibt es keinen Zweifel. Die Kartellgesetznovelle ist mit zwei Begründungen — und das muß man einfach respektieren; ich habe schon einmal gesagt, Mehrheitsbeschlüsse sind zu respektieren — zurückgewiesen worden. Einmal wurde gesagt, sie gehöre nicht zum abgesprochenen Pensum der Koalitionsfraktionen, und zum zweiten hieß es, es bestehe der bekannte sachliche Dissens in der Angelegenheit der Preisbindung der zweiten Hand.Was meine eigene Wettbewerbskonzeption betrifft, die doch wohl auch zur Debatte stand, so möchte ich darauf hinweisen, daß der Schöpfer des heute noch gültigen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Ludwig Erhard, bei der Schlußabstimmung im Jahre 1957 — ich habe hier zufällig gerade eine Notiz darüber — ja selber das Wort genommen hat, um dem Parlament mitzuteilen, daß dieses Kartellgesetz sich nicht mit seiner Konzeption decke. Es sei nur ein Anfang. Die Mängel könnten später behoben werden. Meine Vorstellung von der Weiterentwicklung — und diese war in der Kartellgesetznovelle verarbeitet — ist die Vorstellung des funktionsfähigen Wettbewerbs und nicht mehr die Vorstellung des atomistischen Wettbewerbs. Aber damit will ich dieses Thema verlassen.Ich will nur noch zu zwei Dingen etwas sagen. Hier wurde von der Kohle und von der Einheitsgesellschaft gesprochen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die deutsche Steinkohle hat seit 1895, seit Kaiser Wilhelms Zeiten, keinen Wettbewerb gekannt. Es hat das Syndikat gegeben, und später hat es die Verkaufsgesellschaften gegeben. Wir selbst — nach § 18 Abs. 1 und 2 des Gesetzes, das Sie in Abstimmung mit den Beteiligten beschlossen haben — bringen nun ein Unternehmen „Ruhrkohle AG" auf die Beine, jene berühmte Gesamtgesellsellschaft nur für die Ruhrkohle, die die Erzeugung auf die besten Zechen konzentrieren soll, so daß die Kohle eines Tages von den Subventionen des Steuerzahlers befreit und wettbewerbsfähig wird. In dieser Sache sind wir in der Zielsetzung durch Gesetz und Politik ausgesprochen marktwirtschaftlich, im Sinne des Wettbewerbs orientiert.Was den Stahl betrifft, so kann ich Ihnen nur eins sagen: Als ich in das Bundeswirtschaftsministerium einzog, war das Kartell — die vier Stahlkontore — schon unterwegs. Es war schon von Luxemburg genehmigt. Im übrigen war es — trotz Herrn Gewandt — eine Zeit der Rezession. Die Stahlindustrie in diesem Augenblick aus dieser Sache herauszubringen, hätte einen schweren Rückschlag gebracht. Ich habe aber damals gesagt: Ich kann mit diesem Kartell nur leben, wenn dieses Stahlkartell mit den vier Walzstahlkontoren Trainingszentrum für die Herausbildung optimaler Unternehmenseinheiten ist und wenn sich nach Ablauf des Kartellvertrages — er ist im Jahre 1966 auf fünf Jahre abgeschlossen worden — diese optimalen Unternehmenseinheiten herausgebildet haben. Wir haben heute über 25 Stahlunternehmen. In anderen Ländern sind es zwei, drei oder vier. Dort sind die Unternehmen also sehr viel größer als viele unserer Unternehmen. Wenn dieser Prozeß durchgeführt ist, müssen diese Stahlunternehmen in das kalte Wasser des Wettbewerbs getaucht werden; dann hat das Institut der Walzstahlkontore als Kartell seine Arbeit getan.
— Ich habe den Herren selber geraten, Herr Moersch: Geht zum Anhörungsverfahren nach Berlin, nicht vor das Kammergericht, sondern zum Kartellamt, damit die Sache mit dem 66%igen Marktanteil ordnungsgemäß dargelegt und geprüft wird.Nun zu den sehr, sehr nachdenklich stimmenden Worten von Herrn Friderichs zum Thema Währungspolitik. Herr Friderichs, ich glaube, ich habe in meinem Bericht deutlich gesagt, daß ich nicht dogmatisch an dem Instrumentarium des steuerlichen Absicherungsgesetzes hänge; ich glaube, die ganze Regierung nicht. Wir sind jenen Weg aus Gründen der politischen Handlungsfähigkeit gegangen. Vielleicht sind Sie auch für eine Erhöhung des Steuersatzes im Absicherungsgesetz oder für eine andere Lösung. Ich habe sehr zurückhaltend auf die besondere außenwirtschaftliche Lage hingewiesen, mit der sich die Deutsche Bundesbank bei ihren Beschlüssen besonders zu befassen hat. Ich habe gesagt: Dieses neue Programm der Bundesregierung, das ein Beitrag zur Sicherung der Preisstabilität in diesem Lande sein soll, ist zugleich ein Programm der Flexibilität und soll uns die Wege offenhalten für weitere Lösungen in der Zukunft. Ich glaube, Herr Friderichs, Sie sind ein viel zu guter Volkswirt, um nicht das zu verstehen, was hier mit jenem Wort des offenen Weges gesagt worden ist. Im übrigen meinten Sie, wenn wir währungspolitisch irgendwie auf eine andere Lösung kämen, so wären wir da zementiert. Ich würde dann meinen verehrten Herrn Bundeskanzler verlieren. So habe ich Sie, glaube ich, verstanden. Dazu darf ich nun zweierlei sagen.Erstens ein Wort in allem Ernst: Der Herr Bundeskanzler hat im November mit großem Ernst nach Abschluß der Konferenz der Gruppe der Zehn, als dieses Gesetz hier im Parlament behandelt wurde, eine sehr harte und klare Äußerung formuliert, und zwar auch zu dem Zweck, um die Spekulation auf
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Bundesminister Dr. Schillerdie D-Mark und gegen den Franc abzutöten und um die Spekulationsgelder heimzuschicken. Das ist ihm gelungen.Ein Zweites — und nun zum Abschluß ein Wort des Scherzes: Der Herr Bundeskanzler hat wohl gesagt, in diesem Kabinett komme eine Änderung der Währungspolitik nicht in Frage. Lieber Herr Friderichs, das Bundeskabinett ist am 7. Februar 1969 umgebildet worden. Wir haben seit jenem Tag an Stelle von Herrn von Hassel Herrn Windelen unter uns. Wir sind also in einem neuen Bundeskabinett.
Das Wort hat der Abgeordnete van Delden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, der Anregung des Kollegen Hermsdorf zu folgen und so ruhig wie möglich zu sprechen, obwohl mir das vom Temperament her eigentlich gar nicht liegt. Ich stelle aber fest, daß am ruhigsten nach dieser Anregung der Herr Bundesfinanzminister gesprochen hat. Denn auch Herr Hermsdorf ging nachher sehr ins Temperament hinein.
Ich glaube, meine Damen und Herren, wir sollten die „Elogen", die wir uns gegenseitig mehr oder weniger temperamentvoll gemacht haben, nicht so ernst nehmen.
Es ist erstaunlich, meine Damen und Herren. Ich muß mich jetzt wirklich bemühen, ruhig zu bleiben. Sie sind immer sehr empfindlich und reagieren so empfindlich auf jede Kleinigkeit.
Wer hat denn eigentlich angefangen, meine Damen und Herren? Das sind doch Sie gewesen mit Ihren Anzeigen in den Zeitungen, die sehr polemischer Natur waren.
Darauf sind wir bisher überhaupt nicht eingegangen.
Es hat also keinen Sinn, zu versuchen, hier die Wogen etwas zu glätten.
Ich möchte aber — und hier wende ich mich an die FDP — die unqualifizierten Angriffe von Herrn Friderichs gegen den Herr Bundeskanzler, die hart an der parlamentarischen Grenze waren, mit Nachdruck zurückweisen.
Zur Sache selbst nur noch eine Bemerkung an den Herrn Bundeswirtschaftsminister. Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben hier den Preisindex zitiert. Man kann natürlich über die Zusammensetzung eines Preisindex streiten. Aber einmal unterstellt, es wäre so, dann darf ich Sie darauf hinweisen — das wissen Sie —, daß die Textilindustrie aus 50 oder mehr verschiedenen Branchen besteht. Auch wenn der Satz, den Sie nannten — 2,1 % waren es, glaube ich —, zutreffen sollte, so gibt es in diesen Bereichen bestimmte Zweige, die weit darunter liegen, die nicht nur unter 1% liegen, sondern möglicherweise sogar unter Null. Darum geht es. Diese Zweige, die unter Null liegen, werden wahrscheinlich die sogenannten geschützten Bereiche sein. Da diese global nichts bringen — dieser Tatsache sollte unsere Erklärung dienen —, bitten wir Sie, noch einmal genau zu überprüfen, ob es tatsächlich vertretbar ist, daß Sie die Schleusen irreparabel öffnen und dadurch ganze Wirtschaftszweige in eine kritische Lage bringen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache geschlossen.Wir kommen zunächst zur Verabschiedung des Einzelplans 08. Der Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/3928 besagt:Der Bundestag wolle beschließen,den Entwurf des Einzelplans 08 mit den aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsummen, im übrigen unverändert nach der Vorlage anzunehmen.Wer diesem Antrag des Auschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Der Einzelplan 08 ist gegen die Stimmen der FDP angenommen.Wir haben nun die damit verbundenen Vorlagen zu bescheiden, zunächst das Gemeindefinanzreformgesetz in erster Beratung, Drucksache V/3876.Der Ältestenrat schlägt die Überweisung an den Finanzausschuß als federführenden Ausschuß sowie an den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. — Diesen Überweisungsvorschlägen wird nicht widersprochen; dann ist so beschlossen.Nun kommt das Gesetz zur Änderung des Länderfinanzausgleichsgesetzes 1965, Drucksache V/3967. Hier wird vorgeschlagen, die Vorlage an den Finanzausschuß zu überweisen. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Ferner das Gesetz zur Änderung des SparPrämiengesetzes und des Wohnungsbau-Prämiengesetzes, Drucksache V/3401. Der Vorschlag des Ältestenrates geht dahin, den Entwurf an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen als federführenden Ausschuß zu überweisen. Hier scheint eine gewisse Streitfrage zu bestehen, ob der Finanzausschuß oder der Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen federführend sein soll.
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Vizepräsident Schoettle— Stimmt das Plenum diesem Vorschlag zu, den Entwurf dem Finanzausschuß als federführendem Ausschuß sowie dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen, dem Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen und dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen? — Kein Widerspruch gegen diesen Vorschlag; es ist so beschlossen.Dann das Zweite Steueränderungsgesetz 1968, Drucksache V/3890. Hier wird vorgeschlagen, den Finanzausschuß federführend mit der Behandlung der Vorlage zu betrauen, ferner die Vorlage zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. — Der Überweisung in diesem Sinne wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.Dann ist noch heute früh ein Antrag der Fraktion der FDP auf die Tagesordnung gesetzt worden, der in diesem Zusammenhang miterledigt werden soll. Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen federführend, Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen zur Mitberatung und Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Herr Abgeordneter Frehsee!
Darf ich fragen, Herr Präsident, um welche Vorlage es sich jetzt handelt.
Das ist die Drucksache V/3986, Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung.
Die Vermögensbildungsgesetze sollten doch alle beim Einzelplan 11 aufgerufen werden.
Nein, das ist geklärt.
Ach so! Ich bitte aber, Herr Präsident, diesen Gesetzentwurf der Fraktion der FDP betreffend Vermögensbildung zur Mitberatung an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen, weil erhebliche Teile dieses Gesetzentwurfs in den Bereich der Sozialpolitik fallen.
Wird diesem Vorschlag widersprochen? — Das ist nicht der Fall. Dann wird also neben den von mir genannten Ausschüssen auch der Ausschuß für Sozialpolitik mitberatend beteiligt. Es ist so beschlossen.
Wir haben dann über den Einzelplan 09, Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, zu entscheiden. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 09 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Einzelplan 09 ist gegen die Stimmen der FDP angenommen.
Ich rufe nun auf: Einzelplan 10
Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksachen V/3930, zu V/3930 —Berichterstatter: Abgeordneter Brese
Abgeordneter Röhner
dazu
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte
— Drucksache V/3959 — dazu
Erste Beratung der von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte
— Drucksache V/3970 — dazu
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Barzel, Stücklen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur in entwicklungsbedürftigen Gebieten
— Drucksache V/3450 —
Zunächst hat das Wort Herr Abgeordneter Röhner als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der jetzt aufgerufene Agrarhaushalt steht dem Volumen nach an dritter Stelle der einzelnen Ressorts. Aber ich glaube, nicht nur deshalb nimmt er in den Haushaltsberatungen eine gewisse Sonderstellung ein. Er wird auch stärker als vielleicht mancher andere Haushalt von Teilen der Öffentlichkeit und manchmal, möchte ich meinen, auch von Parlamentariern allzu leicht mit Kritik bedacht und mitunter wohl auch argwöhnisch betrachtet. Wir haben vielleicht alle schon einmal irgendwo halb im Scherz, halb im Ernst das Wort zitieren gehört: „Die Bauern sind uns lieb, aber teuer." Lassen Sie mich deshalb in Ergänzung des Schriftlichen Berichts einige zusätzliche Bemerkungen machen.Ich glaube, bei der Beurteilung dieses Haushalts darf nicht übersehen werden, daß der Agrarhaushalt sehr unterschiedliche und vielfältige Aufgaben zu erfüllen hat. Sicherlich fördert er zuerst durch seine markt-, preis-, struktur- und sozialpolitischen Maßnahmen die Landwirtschaft selbst; aber unübersehbar sind die Leistungen aus diesem Ressort gerade im Dienste der europäischen Integration. Nicht unerhebliche Mittel fließen aus diesem Haushalt in den Bereich der Forschung. Und nicht zuletzt — auch das, glaube ich, muß erwähnt werden — kommen die
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Röhnererheblichen Aufwendungen für die Vorratshaltung der gesamten Verbraucherschaft zugute.Lassen Sie mich zum zweiten ein Wort zu der Entwicklung des Gesamtvolumens des Agrarhaushalts sagen. Es ist wohl allgemein bekannt — und auch das wird häufig kritisiert —, daß dieses Gesamtvolumen in den letzten Jahren ständig und zum Teil erheblich gewachsen ist. Mir scheint, nicht so sehr bekannt ist, daß diese Mehrausgaben nahezu ausschließlich auf die Ausgaben für die EWG-Marktordnung zurückzuführen sind. Gerade diese Ausgaben sind beispielsweise von 475 Millionen DM im Jahre 1966 auf 2,7 Milliarden DM im Haushaltsjahr 1969 gestiegen. Von 1968 auf 1969 betrug die Steigerungsquote über 600 Millionen DM.Der Haushaltsausschuß war entsprechend der Regierungsvorlage zu diesen Mehrausgaben veranlaßt, weil im Jahre 1969 zum erstenmal die Ausgaben für die europäischen Marktorganisationen für Milcherzeugnisse, Rindfleisch und Zucker voll wirksam werden und weil zum anderen erstmalig die Interventionen für Magermilchpulver aufgenommen werden mußten. Es ist sicher richtig, daß auch die deutsche Landwirtschaft aus den gemeinsamen Marktorganisationen Nutzen zieht, vor allem dann, wenn diese gemeinsamen Organisationen so eingesetzt werden können, daß ein zufriedenstellendes Erzeugerpreisniveau gesichert wird.Auf der anderen Seite aber kann niemand bestreiten, daß die Bundesrepublik als Importland für fast alle Agrarerzeugnisse zwangsläufig für diesen Gemeinsamen Markt mehr aufzuwenden hat, als sie einzusetzen hätte, wenn sie nicht agrarisch integriert wäre. Fazit: Nicht in erster Linie die Landwirtschaft, sondern weit mehr die gesamte Volkswirtschaft ist über den größeren Industriemarkt, über die damit verbundene Ausweitung des Umsatzes und über das dadurch ermöglichte höhere Sozialprodukt Nutznießer dieses Gemeinsamen Marktes. Ein großer Teil des Preises für dieses höhere Sozialprodukt ist im Agrarhaushalt als Ausgabe für die gemeinsame Agrarmarktordnung eingestellt und aufzubringen, zum Teil auch — das muß erwähnt werden — auf Kosten der nationalen Verfügungsmittel.Nunmehr eine kurze Bemerkung aus der Sicht der Haushaltsberatung zu der Entwicklung der Förderungsmittel im Einzelplan 10 im nationalen Bereich. Im Haushalt 1969 erstrecken sich diese Mittel fast ausschließlich auf struktur-, sozialpolitische und die Absatzförderungsmaßnahmen.Auch hier ist darauf hinzuweisen, daß ein Rückgang des Volumens im nationalen Bereich von ehedem 4,1 Milliarden DM im Jahre 1965 auf 3,4 Milliarden DM im laufenden Haushaltsjahr festzustellen ist. Eingeschlossen in dieser Summe ist der Betrag von 265 Millionen DM für das neue Agrarprogramm.Man muß sich bewußt sein, daß mit diesem neuen Agrarprogramm — ich möchte das in dieser Haushaltsdebatte angeführt haben — eine fortzuführende neue Agrarprogrammatik eingeleitet worden ist. Dieses neue Agrarprogramm soll nach dem Willen des Ressortministers und der Bundesregierung derLandwirtschaft helfen, durch eine fortschreitende Integration in die arbeitsteilige Gesamtwirtschaft den Anschluß an die Entwicklung der Einkommen und der sozialen Lage im außerlandwirtschaftlichen Bereich zu gewinnen.Das bedeutet haushaltspolitisch meiner Meinung nach zweierlei. Erstens wird das Agrarprogramm der Bundesregierung als realistische Alternative zu anderen Vorschlägen, insbesondere auch zum EWG- Memorandum, in den kommenden Haushaltsjahren weitere und, wie ich glaube, erhebliche größere Mittel erfordern. Zweitens scheint es mir erforderlich zu sein, ständig zu überprüfen, inwieweit bei fortschreitender Integration andere Ressorts für das Konzept zur regionalen Gesamtentwicklung ländlicher Räume im Rahmen der Agrarpolitik mit zu beteiligen sind.Ich möchte noch eine vierte Bemerkung machen, und zwar zu einigen Einzelproblemen, die bei der Haushaltsberatung besonders anzusprechen waren. Eine erste Bemerkung zu der Zinsverbilligung. Der Ansatz für die Zinsverbilligungsaktion 1969 ist mit 10 Millionen DM um 2 Millionen DM niedriger als im Vorjahr. Demzufolge können 1969 Kredite in Höhe von 1 Milliarde DM neu in die Zinsverbilligung einbezogen werden. 1968 waren es noch 1,2 Milliarden DM. Da es dem Haushaltsausschuß bei der Beratung nicht ausgeschlossen schien, daß der für die Zinsverbilligung 1969 vorgesehene Rahmen nicht ausreicht, forderte er die beteiligten Ressorts auf, zu gegebener Zeit über die Entwicklung zu berichten und bei sich 'abzeichnenden Engpässen Abhilfe im Rahmen des Plafonds des Einzelplans 10 zu .ermöglichen.Ein zweiter Schwerpunkt sei angesprochen: die Investitionshilfe. Bei der Beratung dieses Titels sah sich der Haushaltsausschuß vor folgender Situation. Die Beihilfen beliefen sich 1966 auf 66 Millionen DM, 1967 auf 108 Millionen DM, 1968 bei einem Haushaltsansatz im Regierungsentwurf von 109 Millionen DM tatsächlich auf 164 Millionen DM. Im Regierungsansatz für 1969 waren ursprünglich 109 Millionen DM vorgesehen. Dieser Betrag wurde in der Beratung auf 136 Millionen DM aufgestockt, so daß für 1969 einschließlich einer Bindungsermächtigung von 20 Millionen DM für die Investitionshilfe insgesamt 156 Millionen DM zur Verfügung stehen. Dennoch ist unverkennbar, daß bei unbeschränkter Fortführung dieser Aktion eine erheblich höhere Summe erforderlich wäre. Eine Folge davon — wir kennen sie alle — ist bereits der vom Ernährungsminister verordnete Antragsstopp.Bei dieser Sachlage — und ich möchte in dieser Debatte darauf hingewiesen haben — scheint es mir dringend erforderlich, daß 'im kommenden Haushaltsjahr 1970 diese Entwicklung entsprechend berücksichtigt wird. Für das laufende Haushaltsjahr versuchte der Haushaltsausschuß insofern wenigstens eine gewisse Abhilfe zu schaffen, als er durch Herstellung von Deckungsfähigkeiten die Möglichkeit einräumen wollte, über die Bewirtschaftung des Einzelplans 10 eventuelle Restmittel nachschieben zu können.
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RöhnerEin Drittes sei noch ganz kurz erwähnt: die Strukturmaßnahmen und im Rahmen der Strukturmaßnahmen die Flurbereinigung. Sicherlich haben wir hier den Vorjahresansatz in etwa wieder eingestellt. Bei den Beratungen ergab sich aber von selbst die Frage nach der Entwicklung und nach der Tendenz der Förderungsmittel in diesem Bereich. Ein weiterer Abbau der Strukturmittel würde zweifellos nicht nur für die Landwirtschaft — es kommt mir darauf an, gerade auf diesen Punkt hinzuweisen —, sondern auch für die Neuordnung des gesamten ländlichen Raums, vor allem dort, wo diese Neuordnung durch Flurbereinigungsverfahren erheblich beeinflußt und verbessert werden kann, sehr abträglich sein.
Lassen Sie mich nur noch eine Abschlußbemerkung zum Einzelplan 10, zum Agrarhaushalt 1969, anfügen, und zwar im Zusammenhang mit der derzeitigen Diskussion — wir haben sie heute durch die vielfältigen Aussagen des Herrn Bundesfinanzministers und des Herrn Bundeswirtschaftsministers erlebt — über die Konjunkturentwicklung. Wenn ich diese Diskussion recht verstehe, geht es dabei nicht zuletzt darum, unter Berücksichtigung sektoraler und regionaler Gesichtspunkte dort Dämpfungsmaßnahmen einzuleiten, wo akute Überhitzungsgefahren entstehen könnten. Ich bin der Meinung — das wollte ich zum Abschluß noch ausgedrückt haben —, daß die über den Agrarhaushalt gesteuerten Investitionen überwiegend einem Bereich, nämlich den einzelnen ländlichen Räumen, zugutekommen, in denen weiter investiert werden kann und wo in Anbetracht der dortigen wirtschaftlichen Situation weiter investiert werden muß, ohne — und das ist das Entscheidende — daß dabei in diesen Räumen eine Überhitzungsgefahr drohen würde.
Bevor ich das Wort weiter erteile, möchte ich zur Abrundung der Geschäftslage in diesem Punkt noch folgende Bemerkung machen. Wir haben zum Einzelplan 10 zwei Änderungsanträge auf Umdruck 607 *) und auf Umdruck 605 **) zu behandeln. Ferner ist mit diesem Einzelplan die erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Barzel, Stücklen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur in entwicklungsbedürftigen Gebieten — Drucksache V/3450 — verbunden. Dazu sind bereits Begründungen und Debattereden beim vorhergehenden Punkt erfolgt, weil die beteiligten Kollegen sich nicht ganz klar darüber waren, wie die Anträge und Vorlagen zugeordnet werden sollten. Da ergab sich aus der gedruckten Tagesordnung für sie eine andere Information als für den Präsidenten, der hier oben andere Anweisungen hatte. Ferner haben wir dazu zu erledigen die Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Vierten
*) Siehe Anlage 5 **) Siehe Anlage 4
Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte und die Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte.
Die Aussprache ist eröffnet. Das Wort hat der Abgeordnete Peters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich werde ich mich wegen der fortgeschrittenen Zeit bemühen, mich kurz zu fassen. Aber vergessen wir doch nicht: von diesen sechseinhalb Stunden Diskussion haben über drei Stunden zwei Minister doziert; das hat der Debatte so viel Zeit weggenommen.Meine Damen und Herren, Wirtschaftsminister Schiller hat in der Agrardebatte vor einigen Wochen an dieser Stelle die Behauptung aufgestellt, die Agrarpolitik werde in dieser Koalition nach neuen Gesichtspunkten betrieben, sie sei nicht mehr eine isolierte Agrarpolitik, sondern in die allgemeine Wirtschaftspolitik eingebettet. Wir können allerdings nichts Neues an dieser Agrarpolitik feststellen. Wir nehmen den Haushalt als Spiegelbild der Politik der Regierung, und in diesem Haushalt können wir keine wirklich neuen Akzente in der Agrarpolitik feststellen.Das Volumen des Haushalts ist zwar um 130 Millionen DM gestiegen; aber von diesem Volumen sind 560 Millionen mehr für EWG-Marktordnungsmaßnahmen in Anspruch genommen, so daß in Wirklichkeit 400 Millionen DM weniger zur Verfügung stehen. Wir sehen keine neuen Ansätze in der Agrarpreispolitik, auch keine neuen Ansätze in der Agrarsozialpolitik und in der Agrarstrukturpolitik.In dem Bereich, den Herr Röhner soeben so entschuldigend angesprochen hat, dem Bereich der Investitionshilfen, können wir, glaube ich, sagen, daß sich die Bundesregierung vor einem Dilemma befindet. Hier stehen 135 Millionen DM Haushaltsmitteln 400 Millionen DM Anträge und 200 Millionen DM vorbewilligte Anträge gegenüber, so daß gegen Treu und Glauben jetzt der Prozentsatz der Beihilfen von 15% auf 10% und der Viehansatz reduziert werden sollen. Meine Damen und Herren von der Regierung, bemühen Sie sich in diesem Punkt, das Vertrauen bei der Landwirtschaft wiederherzustellen; auf diese Art werden Sie es mit Sicherheit verlieren.In der Strukturpolitik stellen wir Kürzungen bei ländlicher Siedlung von 30 Millionen DM, bei agrarstrukturellen Maßnahmen von 225 Millionen DM, bei Wirtschaftswegen von 10 Millionen DM und im Küstenschutz von 30 Millionen DM fest. Das sind zusammen 295 Millionen DM. Wenn Sie die 25 Millionen DM Mehrausgaben für Strukturverbesserungen hiervon abziehen, haben Sie bei Strukturmaßnahmen eine echte Haushaltskürzung von 270 Millionen DM.
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Diesen 270 Millionen DM stehen allerdings — das bestreiten wir nicht — 300 Millionen DM Kapitalmarktmittel und 115 Millionen DM Eigenmittel der Deutschen Siedlungs- und Landesretenbank gegenüber. Sie haben außerdem 100 Millionen DM mehr für die Marktstruktur vorgesehen. Von diesen 100 Millionen DM wollen Sie 30 Millionen DM beim Fondsgesetz für Sozialmaßnahmen wieder abziehen.Im ganzen bedeutet diese Zahlenbilanz, daß von einer neuen Agrarpolitik so gut wie nicht gesprochen werden kann. Und wenn Sie bedenken, daß Sie in der Strukturpolitik das Wichtigste, was eigentlich heute getan werden müßte vor sich herschieben, nämlich, die Tragbarkeit der Belastungen zu überprüfen, weil sie nicht mehr der Ertragslage der Landwirtschaft von heute entsprechen, dann muß man sich fragen: Was wollen Sie in Zukunft in der Strukturpolitik tun? Will denn ein Bauer überhaupt noch teure Strukturmaßnahmen in Kauf nehmen? Will er noch aussiedeln? Will er zu diesen Bedingungen noch Strukturmaßnahmen durchführen, oder lohnt sich das nicht mehr? Diese Frage muß man sich hier stellen.Nun zum Agrarsozialhaushalt. Über diesen Teil Ihres Haushalts ist viel geredet worden, geschehen ist wenig. In der Agrarsozialpolitik sollte Neues und Grundlegendes gemacht werden, und zwar aus zwei Gründen. Erstens besteht im ländlichen Bereich ein starker sozialer Nachholbedarf. Zum zweiten haben wir gegenüber unserem EWG-Partner Frankreich einen erheblichen Nachholbedarf. Wir können in der Agrarpolitik nur gleichziehen, wenn wir die Wettbewerbsverzerrungen in der Sozialpolitik ausräumen.Früher ist von der CDU eine Erhöhung der Altersrenten auf 135 DM und 200 DM angekündigt worden. Im Haushalt ist daraus eine Erhöhung auf 115 DM und 175 DM geworden. Der Vorstoß vom Juni vorigen Jahres war also mit Sicht auf die Bauern ein reiner Propagandaantrag. In den anderen Bereichen der Sozialpolitik haben Sie nichts oder sehr wenig gemacht.Bei den Zuschüssen zur Berufsgenossenschaft wollen Sie mit Ihrem jetzt vorliegenden Antrag wieder 30 Millionen DM ausgleichen. Sie wollen auf den Vorjahresansatz von 190 Millionen DM wieder heraufkommen. Aber in diesem Bereich muß vordringlich erreicht werden, daß einmal keine Beiträge erhöht werden und daß zum anderen die Schwerstbeschädigtenrenten um mindestens 50% angehoben werden. Allein dafür würden Sie 70 Millionen DM benötigen. Sie müssen dann für die weitere Zukunft in diesem Bereich zu Renten kommen, die den Renten in anderen Wirtschaftsbereichen gleichgestellt sind. Daß das erhebliche Bundeszuschüsse kosten wird, ist klar. Aber man wird um diese Maßnahme nicht herumkommen. Wir haben als erste Maßnahme diese 70 Millionen DM mit unserem Antrag auf Umdruck 607 beantragt.Nun zum dritten Teil in der Sozialpolitik, zur Krankenversicherung. Ich kann nur sagen: hier haben Sie viel angekündigt, aber nichts gemacht. Es mag noch zu entscheiden sein, ob wir zu einer Regelung der Krankenversicherungspflicht oder ob wir zu einer Pflicht zur Versicherung kommen. Ich will diese Frage nicht entscheiden. Aber eines ist klar: bei der Regelung werden wir nicht darum herumkommen, die Krankenversicherung für Altershilfeempfänger im wesentlichen durch Bundeszuschüsse zu finanzieren.
Auch das wird nicht billig sein.
— Sie haben dieses Problem überhaupt nicht angefaßt. Herr Schmidt, Sie haben vor Jahren große Ankündigungen gemacht. Was wollten Sie mit der CDU in dieser Koalition nicht alles tun! Wir stellen fest: in diesem Bereich ist nichts getan worden. In der Agrarsozialpolitik verdient die Koalition das Prädikat „mangelhaft".Nun zur Regionalpolitik. Ich will dazu nur wenige Worte sagen, schon aus zeitlichen Gründen. Wir hoffen, daß diese Regionalpolitik zum Erfolg führt. Wir hoffen, daß es Ihnen gelingen wird, außerlandwirtschaftliche Betriebe in ländliche Bereiche zur verlagern und Menschen aus der Landwirtschaft in diesen Betrieben unterzubringen. Es gibt Ansätze; das bestreiten wir nicht. Aber wenn ich das, was in der Studie von Herrn Schiller über das Volumen gesagt wird, mit dem vergleiche, was Sie durchführen wollen, so muß ich sagen: da klafft eine große Lücke. Auf die Landwirtschaft bezogen kann ich nur feststellen: Stellen Sie erst Arbeitsplätze auf dem Lande bereit, und dann fordern Sie die Bauern auf, aus der Landwirtschaft auszuscheiden!Ihnen muß klar sein, daß Sie durch Ihre Programme, durch das Schiller-Programm, durch das Höcherl-Programm, durch das lange Gerede um den Mansholt-Plan, eine Unruhe in die Landwirtschaft hineingebracht haben, daß jeder denkt: na, heute bin ich mit 10 ha, morgen mit 15 ha, übermorgen mit 20 ha dran. Stellen Sie hier die Ruhe her, und erklären Sie nunmehr, nachdem Sie von uns geradezu gedrängt worden sind, den Mansholt-Plan in seinem Strukturteil abzulehnen, klipp und klar, daß Sie den rationellen Bauernbetrieb wollen und in welcher Betriebsgröße und in welchem Förderungsrahmen Sie ihn wollen. Dann kriegen Sie wieder Ruhe, vorher nicht:Nun, meine Damen und Herren, wie soll es in der EWG-Agrarpolitik und wie soll es vor allen Dingen in der EWG-Agrarfinanzierung weitergehen? Die Regierung hat sich hier sehr lange ausgeschwiegen. Nachdem die Staatssekretäre aus dem Finanzministerium vor ungefähr einem Dreivierteljahr einmal einen Vorstoß gemacht haben, ist dann in diesem Bereich Stille eingetreten.Wir fragen die Bundesregierung:Erstens. Will sie bei den Verhandlungen über die EWG-Agrarfinanzierung, die ja ab 1970 neu vereinbart werden muß, auf den alten Beitragssatz, den ursprünglichen Beitragssatz des Vertrages von 28 % zurück? Das ist die erste Frage.
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Zweitens. Will die Bundesregierung sich bemühen, daß die Abführung von Abschöpfungen an den Fonds zusätzlich zu diesem Beitragssatz in der neuen Finanzierung nicht enthalten ist? Die Bestimmung, die wir bisher haben, ist geradezu widersinnig. Es werden hier nämlich diejenigen Länder, die keine Überschüsse haben, veranlaßt, besondere Beiträge zu erbringen, während diejenigen, die Überschüsse haben, geschont werden. Wir sind der Meinung, die Bemühung sollte dahin gehen, daß die Abschöpfung sowie die Zölle aus der Regelung herausgehalten werden sollten.Drittens. Wird die Bundesregierung dafür eintreten, daß es auch späterhin im EWG-Agrarfonds zwei Abteilungen, eine für Marktordnung — die Abteilung Garantie — und eine für Struktur — die Ausrichtungsabteilung —, allerdings beschränkt auf etwas mehr als 1 Milliarde DM heute geben wird, oder ist sie der Meinung, mit ihrer Ablehnung von Mansholt-Strukturmaßnahmen zur gemeinschaftlichen Finanzierung auch diesen Teil des EWG-Fonds konsequent wegbringen zu können? Auch das wäre schon ein Vorteil für die Bundesrepublik.Viertens. Soll das Verursachungsprinzip bei Überproduktion, z. B. bei Zucker und bei Milch, für die Aufbringung der Fondsmittel eine Rolle spielen für diejenigen, die diese Überproduktion haben?Minister Schiller hat in seiner Agrarrede vor einigen Wochen hier gesagt, die EWG-Agrarpolitik, in zehn Jahren entwickelt, sei in einer dicken Krise. Ja, meine Damen und Herren, das sieht jeder. Nur hat Herr Minister Schiller nicht den Weg gewiesen, wie wir aus dieser Krise herauskommen. Das war seine Schlußbemerkung in der Rede. Aber sie war natürlich abgestellt auf das Problem der Agrarpreise und der Agrarmengen in der EWG sowie auf das Problem des Agrarfonds.Die FDP hat sich um dieses schwierige Problem in der EWG in allen Diskussionen hier im Parlament nie herumgedrückt. Wir haben immer festgestellt, daß gesenkte Agrarpreise in der EWG nicht zu geringeren Erzeugungsmengen, sondern daß eine Senkung in einer Höhe von etwa 10, 15, 20 % — in diesem Rahmen — eher zu größeren Mengen, zu weiteren Überproduktionen führt. Aus dieser ersten Erkenntnis haben wir festgestellt, daß die Senkung des Getreidepreises 1967 eben grundsätzlich falsch war und daß sich aus dieser Senkung weitere schwierige Probleme ergaben, insbesondere die steigende Produktion im Veredelungsbereich.Meine Damen und Herren, aus diesen Folgerungen ist zu schließen, daß wir in der Agrarpreispolitik als erstes von der Bundesregierung fordern müssen, daß in der EWG von der Bundesregierung eine Getreidepreisanhebung betrieben wird, in der ersten Stufe für Weizen auf 475 DM pro Tonne und bei Futtergetreide auf 450 DM pro Tonne. Ich glaube, ich brauche hier nicht im einzelnen zu erklären, daß das keine Belastung für die Verbraucherschaft bedeuten würde. Wir bekämen dadurch im Veredelungsbereich eine Einengung, die für die EWG wünschenswert wäre.Die CDU hat im vorigen Jahr im Plenum einen Antrag in dieser Richtung gestellt. Dieser Antrag ist angenommen worden. Was ist aber im Kabinett aus diesem Antrag geworden? Im Kabinett ist aus der Preiserhöhung von 50 DM bei Weizen, die vorgeschlagen und angenommen wurde, Null DM geworden. Bei Futtergetreide ist aus 60 DM Erhöhung pro Tonne eine Erhöhung von 10 bis 20 DM pro Tonne geworden, also eine ganz leichte Erhöhung. Wenn eine Regierungspartei, die die Hauptlast der ,Regierungsverantwortung trägt, hier mit einem solchen Antrag kommt und der Antrag angenommen wird und wenn im Kabinett diesem Antrag in keiner Weise gefolgt wird, kann man wirklich die ehrliche Behauptung aufstellen, daß der Antrag ein reiner Propagandaantrag war und nicht mehr.
Das weitere Problem der Agrarpreise ist das Verhältnis der Agrarpreise zueinander. In diesem Bereich ist die Anhebung des Rinderorientierungspreises auf 280 DM je Doppelzentner, die die CDU ja damals ebenfalls beantragt hatte und die beschlossen worden war, erforderlich. Dort ist ebenfalls bisher nichts geschehen.
Schwieriger ist das Milchproblem, Herr Schmidt; darüber gibt es keinen Zweifel.
Es ist nicht unlösbar, aber es ist schwieriger. Die Vorschläge von Herrn Mansholt, diesem Problem beizukommen durch eine Abschlachtprämie für Kühe, durch Verteuerung von Milcheiweiß, Verbilligung von Milchfett, Besteuerung von Margarine und Margarinerohstoffen, ist keine praktikable Lösung. Wir sind vielmehr der Meinung, daß es besser wäre, zunächst einmal den Trinkmilchabsatz zu fördern durch Gratisschulspeisungen, die Trinkmilch weiter aufzufetten auf 3 1/2 %.
Durch den Absatz von Trinkmilch als Schulmilch lassen sich leicht 20 000 bis 30 000 t Butterfett wegnehmen.
Durch die Erhöhung des Fettgehaltes von 3 auf 3,3 °/o hat man 18 000 bis 20 000 t wegbekommen; erhöhen wir auf 3,5 °/o, werden wir noch einmal 15 000 t wegbekommen. Außerdem list als drittes Mittel die Anhebung des Rinderorientierungspreises wichtiger als die von Mansholt vorgeschlagenen Maßnahmen.Wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, Herr Schmidt, muß man sich weitere Mittel überlegen. Wir sind der Meinung, daß das letzte Mittel, um diesem Problem beizukommen, den Milchmarkt zu ordnen, darin besteht, nationale Mengenregelungen
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einzuführen. In den einzelnen Ländern müssen handelbare Kontingente nicht nach Milchmenge, sondern besser nach Kuhzahl festgelegt werden.
— Unter marktwirtschaftlicher Lösung kann ich mir nur vorstellen, daß Sie damit eine starke Senkung des Milcherzeugerpreises meinen. Diese starke Senkung lehnen wir allerdings ab.
Meine Damen und Herren, ich will zum Schluß kommen. Wenn die Koalition eine Agrarpolitik betreiben will, die in die Wirtschaftspolitik eingebettet wird, wie der Wirtschaftsminister das hier angekündigt hat, wie er behauptet hat, daß das schon geschehen sei, dann ist es erforderlich, 1. daß die Landwirtschaft in die volkswirtschaftliche Zielplanung mit einem jährlichen Preiszuwachs einbegriffen wird, 2. daß eine aktive Agrarpreispolitik von seiten der Bundesrepublik in der EWG betrieben wird, 3. daß sich die Bundesregierung bemüht, die Kosten in der EWG anzugleichen durch Harmonisierung aller Wirtschaftsbereiche — des Verkehrs, der Steuergesetzgebung, der veterinärärztlichen Bestimmungen usw. — und 4. daß ein eigenes Nachziehen in der Agrarsozialpolitik, in der wir autonom sind, auf den Status der Franzosen erfolgt.
— Ja, das wird in Deutschland mehrere hundert Millionen kosten, Herr Schmidt; darüber sind wir uns klar, daran gibt es keinen Zweifel. Aber ich nehme nicht an, daß Sie, weil Sie diese Kosten scheuen, die Agrarsozialpolitik in Zukunft ablehnen werden.Im letzten halben Jahr ist zwar viel über Agrarpolitik in diesem Hause geredet worden, aber von neuen und entscheidenden Maßnahmen für die Landwirtschaft können wir bisher nichts feststellen. Wir lehnen deshalb den Einzelplan 10 ab.
Das Wort hat der Abgeordnete Berberich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, heute abend noch kurz den Gesetzentwurf der CDU/CSU für die Altershilfe in der Landwirtschaft zu begründen.Wir haben von seiten der CDU/CSU-Fraktion einen vom Regierungsentwurf abweichenden Fraktionsentwurf eingebracht. Er weicht hauptsächlich in drei Punkten ab. Einmal betrifft das die Finanzierung der Altershilfe. Da sind wir der Meinung, daß Beitragserhöhungen, wie sie der Regierungsentwurf vorsieht, im gegenwärtigen Moment nicht diskutabel sind. Unsere zweite Abweichung besteht darin, daß wir eine Reihe von Bestimmungen, die sich heute als Härten herausgestellt haben, in diesem Entwurf gemildert oder beseitigt haben.Auch der damit verbundene Entwurf einer Landabgaberente weicht vom Regierungsentwurf ab. Die Einschränkungen bezüglich der Gewährung der Landabgaberente sind im Regierungsentwurf so weitgehend, daß die Auswirkungen eines solchen Gesetzes zu gering sind, wenn man sie daran mißt, welche Ziele mit einer Strukturveränderung in der Landwirtschaft erreicht werden sollen.Aus diesem Grund sind wir über den Regierungsentwurf hinausgegangen. Wir sind allerdings in den finanziellen Auswirkungen weitgehend im Rahmen des Regierungsentwurfs geblieben, weil wir uns darüber klar sind, daß die Vorstellungen, die Herr Kollege Peters hier entwickelt hat, bei unserer Haushaltslage keine Aussicht haben, realisiert zu werden. Mir ist ein Antrag in bescheidenem Umfang, der Aussicht hat, realisiert zu werden, lieber als utopische Zahlen, die sich hinterher nicht realisieren lassen.Meine Damen und Herren, ich habe auch noch den Auftrag — —
— Warten Sie ab, welche Zustimmung wir haben. Sie werden dann sehen, daß wir eine Mehrheit für unseren Entwurf innerhalb der Koalition bekommen werden.
Ich bin der Überzeugung, daß Sie diesem Entwurf letzten Endes ebenfalls zustimmen werden, daß Sie gar nicht den Mut haben, diesen Entwurf dann abzulehnen.
Ich darf nun noch den Antrag der Koalitionsfraktionen zur Unfallversicherung, Umdruck 605, mit ein paar Sätzen begründen. Wir haben diesen Antrag eingebracht, nachdem wir nach langen Überlegungen einen Deckungsvorschlag für die zusätzlichen 30 Millionen DM zur Aufstockung der Unfallversicherung gefunden hatten. Wenn wir nur um 30 Millionen und nicht um 70 Millionen aufstocken, wie es der Antrag der FDP Umdruck 607 vorsieht, dann genau aus denselben Gründen, aus denen wir uns auch beim Altershilfegesetz beschieden haben, nämlich aus finanziellen, haushaltsmäßigen Erwägungen. Wenn wir im Rahmen des Landwirtschaftsetats statt 30 Millionen 70 Millionen kürzten, dann würden einige dieser Positionen praktisch zur Bedeutungslosigkeit zusammengekürzt werden. Das kann nicht im Sinne der Sache sein.Im übrigen, Herr Kollege Peters, .haben wir gegen Ihren Antrag auf Änderung der Unfallversicherung mit einer 50%igen Erhöhung der Schwerbeschädigtenrente gar keine Einwände von unserer Seite.
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BerberichIch möchte Ihnen lediglich dazu sagen, daß Ihre Kostenvorausschätzungen etwas anders sind als die tatsächlichen Kosten. Beziehen wir die Erhöhung der Schwerbeschädigtenrente um 50 %a nur auf Betriebsinhaber und Ehegatten, so dürften dafür etwa 11 Millionen DM pro Jahr notwendig ein. Beziehen wir auch die mithelfendem Familienangehörigen mit ein, dann sind es etwa 18 bis 19 Millionen DM.Aber wie gesagt: wenn dieser Entwurf dem Sozialpolitischen Ausschuß zugewiesen wirnd, werden wir ihn dort, sofern es die Zeit zuläßt, sehr genau und positiv beraten.Bezüglich der Unfallversicherung darf ich das Hohe Haus bitten, unserem Antrag Umdruck 605 die Zustimmung zu geben, well. wir damit die Lage der Unfallversicherung so gestalten, daß die Mehrzahl der Unfallversicherungsträger in diesem Jahr ohne Beitragserhöhung durchkommen kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Saxowski.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann beginnen mit dem Wort „Zur späten Stunde in vertrauter Runde". Ich glaube, daß wir gar nicht so viele Argumente mehr zu tauschen brauchen, weil wir sie hinlänglich unter uns kennen und weil wir vor 14 Tagen so viel Gelegenheit hatten, über die Agrarpolitik allgemein zu sprechen, daß man die Kolleginnen und Kollegen keinen starken Belastungen mehr aussetzen sollte.
Darum nur einige kurze Bemerkungen.Wir begrüßen die Vorlage über das Altersgeld. Aber die widersprüchlichsten Aussagen, die sich hinziehen von dem Fraktionspapier der CDU/CSU bis hin zu der Vorlage des Ministeriums und zu den Aussagen des Finanzministers, lassen uns doch etwas kritisch sein. Bei den kommenden Beratungen im Ernährungsausschuß wollen wir eingehend Gelegenheit nehmen, uns über diese Fragen zu verständigen. Ich glaube, dazu kann man kommen.Dabei bitten wir allerdings zu berücksichtigen, daß auch unsere Vorstellungen vom Agrarstrukturgesetz mit einbezogen werden. Denn ich glaube, daß wir nicht nur über eine zufriedenstellende Altersregelung gehen müssen, sondern daß wir auch den Personenkreis in der Landwirtschaft berücksichtigen sollten, der mit weniger als 45 Jahren aus dem Wirtschaftsprozeß in seiner vertrauten Umwelt ausscheidet, weil die Existenzgrundlage für ihn nicht mehr ausreichend erscheint.Wir haben in unserer Fraktion in Übereinstimmung mit den Sozialpolitikern und mit unseren Haushaltspolitikern in Anlehnung an den heute ab und an geschmähten, aber auch viel zitierten Schiller Vorstellungen entwickelt, die diesen Personenkreis umfassen sollen. Wir wollen ein Einkaufen in die Sozialversicherung erreichen. Wir haben hier auch mit sehr präzisem Zahlenmaterial gearbeitet. Wir wollen erreichen, daß zumindest bei dem 45jährigen eine stärkere Hilfe gegeben wird als bei dem, der mit 25 Jahren oder jünger ausscheidet. Wir wollen auch eine angemessene Beteiligung des Betroffenen bei Verwertung seines Vermögens oder seiner anderen finanziellen Möglichkeiten.Herr Peters hat von der Fabrik auf der grünen Wiese gesprochen. In Schillers Papier werden sehr exakte Vorstellungen entwickelt, die von Raumerschließung, Verkehrsbedienung, Schulsituation und all dem unter einer Schwerpunktbildung ausgehen. Auch wenn wir die Fabrik dort bauen, wird sich ein 30- oder 40jähriger überlegen, ob er dort hingeht, wenn er nicht weiß, wie nachher seine Altersabfindung aussehen wird. Ich glaube, diesem Problem muß man große Aufmerksamkeit zuwenden.Ich will das heute nur andeuten. Weitere Ausführungen zur Altersgeld- und Unfallsituation, über die man durchaus reden könnte, wollen wir bei der dritten Lösung machen, wenn wir uns nicht schon vorher in der Koalition über strittige Fragen geeinigt haben. Ich glaube aber, das können wir erreichen.Nun noch ein, zwei Bemerkungen zum Haushalt selbst. Wir unterstützen die Umpolung der 30 Millionen DM zur Unfallversicherung. Wir wollen hoffen, Herr Struve, daß wir damit klarkommen, daß das ausreicht.Herr Peters, wir müssen auch sehen: trotz mittelfristiger Finanzplanung, trotz Anspannungen haben wir den Strukturtitel über das Zweckvermögen mit den 415 Millionen DM respektive 300 Millionen DM ganz schön aufstocken können. Uns allen war schon vor Jahren bekannt, daß wir hier Einschränkungen hinnehmen müssen, weil uns die Marktordnungstitel Schwierigkeiten machen werden. Heute wollen Sie nun sozusagen im Galopp eine stürmische Vorwärtsentwicklung der Agrarpolitik erreichen, indem Sie alles einbeziehen. Ich glaube aber, hier sollte man sehr überlegen, welchen Fuß man zuerst vor den anderen setzt. Alles andere wäre meiner Ansicht nach übereilt. Diese Dinge müssen wir sehr sorgfältig prüfen.Herr Minister, ich habe aber eine Bitte an Sie. Die 410 Millionen DM Dieselkraftstoffverbilligung liegen uns immer noch schwer im Magen. Der Subventionsbericht — anderthalb Jahre alt, es wurde eine Kommission gebildet, die über ihn reden soll, aber es wurde bisher noch nicht darüber geredet — schlummert irgendwo schön abgedeckt in Schubladen. Wir sollten eigentlich dazu kommen, daß man im Hinblick auf diese Dieselkraftstoffverbilligung, die ja die Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EWG auffangen soll, so wie auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt verfährt — Angleichung an die Betriebskosten auf mittlerer Ebene — und sie als Steuererleichterung und nicht als einkommenswirksame Subvention auffaßt.
Das ist eine Herabsetzung von Betriebskosten, diebeim gemeinsamen Preis auch untersucht werden
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Saxowskimüssen und meiner Ansicht nach einen wesentlichen Bestandteil ausmachen.Ich glaube, sonst haben wir alle Fragen, die den Haushalt betreffen, in der Koalition in einem guten Klima abhandeln können, und wir wollen hoffen, daß wir das, was vielleicht an Schwierigkeiten noch vor uns liegt, auch in der alten Bereitschaft des Zueinanderstehens erledigen werden.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei Ihnen, Herr Präsident, herzlich bedanken, daß Sie die Diskussion über die Agrarpolitik — Einzelplan 10 — aus den Polypenarmen der Finanz- und Wirtschaftspolitik gelöst und ihr noch zu später Stunde ein eigenes Forum verschafft haben.
Wir sollten auch gar nicht böse sein, daß die Stunde schon Viertel nach zehn Uhr schlägt. Andere Parlamente — auch im EWG-Bereich — tagen nur während der Nacht.
— Man kann ja in der Nacht Verschiedenes treiben, aber es wäre nicht das Schlechteste, über Agrarpolitik zu diskutieren.
Ich möchte mich nun einem Thema zuwenden, das fast nur zweitrangig behandelt worden ist. Ich meine den Haushalt. Der Haushalt — Einzelplan 10 — ist das eigentliche Thema dieser Debatte. — Der Herr Kollege Schmidt sieht jetzt schon wieder auf die Uhr. Ich habe nur zwei Sätze gesprochen. Einige Sätze müssen der Opposition ja schon gewidmet werden.
Ich möchte in aller Bescheidenheit feststellen — das hat auch der Außenminister getan, aber er konnte es nicht in der chemischen Reinheit machen wie ich —, daß der Einzelplan 10 keine einzige zusätzliche Stelle vorsieht. Ich glaube, das ist in einer Zeit, in der das Parkinsonsche Gesetz uns weiß Gott Schwierigkeiten macht, eine gute Einstellung, daß wir den Personalaufwand in den engsten Grenzen halten und hier dieselbe Bescheidenheit walten lassen wie die Landwirtschaft in ihrer Praxis.
In dem Schriftlichen Bericht des Kollegen Röhner, der in seiner mündlichen Ergänzung etwas mildere Töne angeschlagen hat als im Schriftlichen Bericht, in dem er natürlich strikt und korrekt den strengen Standpunkt des Haushaltsausschusses vertreten mußte, wird moniert, wir sollten den Haushalt noch etwas besser gliedern. Wir werden das tun. Ihr
Wunsch, Herr Kollege Röhner, der Wunsch des Haushaltsausschusses, ist uns Befehl. Wir werden das nächste Mal eine bessere Gliederung vorlegen. Wir sollten vor allem einmal die Maßnahmengruppen numerieren; warum nicht? Da gibt es keine Einwendungen. Ich könnte mir vorstellen, daß wir. wenn es sonst keine Schwierigkeiten gibt und wenn das mit entsprechenden Bewilligungen ausgeglichen wird, zu noch weiteren Klassifikationsleistungen in der Lage wären.
Herr Minister, Herr Abgeordneter Wächter möchte Sie gerne etwas fragen.
Herr Bundesminister, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß auf Grund Ihrer Feststellung, daß im Einzelplan 10 keinerlei Stellenvermehrungen vorgenommen worden sind, ein allgemeines Schmunzeln auf der Regierungsbank einsetzte? Ich darf daraus schließen, daß Sie mit Ihren Feststellungen nicht ganz recht hatten.
Das war ein Schmunzeln des Beifalls, Herr Kollege.
Herr Kollege Wächter, wenn der Präsident eine Bemerkung dazwischen machen darf: In manchen Fällen gilt eben auch das alte Wort — ich glaube, es ist von Busch —: Was Alter und Natur getan, das sieht der Mensch als Bessrung an.
Herr Präsident, ich danke sehr für die Ergänzung meiner Ausführungen.
Ich darf aber auf die Drucksache V/3930 verweisen. Dort heißt es in Kap. 10 01: In den Personalausgaben sind nach dem Regierungsentwurf Mittel für neue Planstellen oder Stellen nicht enthalten. Das ist der Text, auf Grund dessen wir verhandeln.Ich möchte mich hier ganz ausdrücklich bei dem Hohen Haus herzlich für die Beweglichkeit bedanken, die durch die gegenseitige Deckungsfähigkeit im Haushalt noch einmal erweitert worden ist. Das erleichtert unsere agrarpolitischen Überlegungen und Maßnahmen außerordentlich. Ich glaube, kein Haushalt sonst genießt diesen Vorzug. Wir müssen zwar mit bescheidenen Geldern zufrieden sein, aber immerhin bei größerer Mobilität. Das ist zwar kein gutes Geschäft, aber es ist nicht ganz uninteressant. — Herr Hermsdorf, ich weiß, Sie haben Ihren redlichen Anteil daran.Nun ein Wort zur Investitionshilfe. Ich darf Ihr Gedächtnis etwas strapazieren. Im Jahre 1966 hat sich das Landwirtschaftsministerium von den Einzelsubventionen etwas gelöst und ist auf eine Betriebs-
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Bundesminister Höcherlsubvention insgesamt umgestiegen. Das hat nicht geringe Schwierigkeiten gemacht. „Papierkrieg" war das mindeste, was uns vorgeworfen worden ist, und „Maßnahmen vom grünen Tisch" ist jeweils die erste Reaktion auf ministerielle Überlegungen. Nun, im Jahre 1966 wurde diese Maßnahme wenig in Anspruch genommen. Im Jahre 1967 haben wir die Positionen ausbauen können; das war schon in der Großen Koalition. Dort hat die Landwirtschaft richtig reagiert. Sie hat mit Investitionen zurückgehalten. Sie mußte abwarten, bis die neue Richtung erkennbar war.
Im Jahre 1968 war die Inanspruchnahme schon besser. — Ich darf gerade Ihnen von der Opposition noch eine kleine Anekdote in Erinnerung rufen. Sie erinnern sich doch: als ich aus dem Getreideausgleich 40 Millionen DM für die Investitionshilfe abzweigte, gab es den größten Widerstand von dieser rechten Seite. Ich glaube, daß diese kleine Erinnerung Sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückführen wird. — Im Jahre 1969 haben wir den größten Ansatz mit 136 Millionen DM und einer Bindungsermächtigung von 20 Millionen DM, zusammen 156 Millionen DM.Diese drei Jahre waren notwendig, um der Maßnahme im öffentlichen Bewußtsein der Landwirtschaft weite Verbreitung zu verschaffen. Jetzt sind für 400 Millionen DM Anträge eingereicht worden.Landauf und landab kann man von Enttäuschung, Vertrauensbruch usw. reden hören. Ich weiß nicht, wie das in anderen Haushalten ist, in der Gemeinde, im Kreis und im Land bis hinein in unseren Haushalt. Es scheint doch so zu sein, daß es für die Positionen gewisse feste Beträge gibt und daß sie wegen der Verwendung eingefärbt .sind, damit eine parlamentarische Kontrolle möglich ist. Das alles haben Sie beschlossen, und jetzt kommen Sie daher und reden von Vertrauensbruch. Geben Sie mir eine Milliarde; ich werde sie mit Vergnügen und mit Begeisterung ausgeben.
Was die Fragen der Zinsverbilligung betrifft, so überlegen wir uns ernsthaft, ob wir nicht allein mit der Zinsverbilligung fortfahren sollten. Sie erinnern sich, daß wir die Investitionshilfe als Beihilfe und die Zinsverbilligung gekoppelt haben, um nicht allein den besonders leistungsfähigen Betrieben eine Unterstützung zu geben, sondern auch denjenigen, die nicht soviel Eigenkapital oder soviel Kreditwürdigkeit aufbringen können, damit diese nicht ausgeschlossen werden. Aber ich könnte mir vorstellen, daß wir angesichts der Erschöpfung der Mittel vielleicht noch auf diesen Weg ausweichen. Auf jeden Fall darf ich Ihnen sagen: Dieses Thema ist auch für uns noch nicht abgeschlossen. Trotz der auslaufenden Legislaturperiode werden wir dem Hohen Haus, wie ich hoffe, in wenigen Wochen einen neuen Vorschlag machen können.Herr Peters hat die Frage der Berufsgenossenschaft angeschnitten. Das ist ein abendfüllendes Thema. Es handelt sich um ein Modell, das wir beimBergmann in einer vorbildlichen Weise gelöst haben : Leistungen bei schrumpfender Mitgliederzahl. Genau dasselbe Problem haben wir hier. Die Leistungen liegen im übrigen in einem weiten Abstand zu den Durchschnittsleistungen, die für andere Unfallversicherte gelten. Es Ist ein unerträglicher Zustand, daß der Landarbeiter mit einer höheren Unfallrente ausgestattet wird als derjenige — das ist die ganz große Masse —, der seinen eigenen Betrieb in eigener Arbeit betreibt. Deswegen bin ich der Meinung, daß wir hier eine grundsätzliche Neuordnung anstreben müssen. Ich bin außerordentlich dankbar für den Antrag und für die Unterstützung durch die SPD, damit wir die 160 Millionen DM um 30 Millionen DM, die zunächst nicht vorgesehen sind, auf 190 Millionen DM aufstocken können und damit im wesentlichen dieselbe Leistung erbringen können. Es wird kleine Beitragserhöhungen geben, weil nicht nur die Leistungen für die Schwerstbeschädigten, sondern auch die allgemeine Bemessungsgrundlage leicht angehoben werden. Das ist aber alles keine Lösung.Wir müssen sehr bald einen Weg finden; das ist eine Aufgabe der Allgemeinheit. Das Agrarkabinett hat den federführenden Sozialminister beauftragt, eine Neuordnung dieses Zweiges der Unfallversicherung vorzulegen. Das Berufsbild der Reichsversicherungsordnung paßt nicht mehr in unsere moderne Zeit. Ich glaube, der neue Bundestag sollte die Neuordnung schon im ersten Jahr in Angriff nehmen. Hier liegt etwas im Argen, das durch eine Entwicklung diesen Weg genommen hat, und das kann nicht mit Beitragssubventionen allein gelöst werden.Auf die EWG-Preise für Milch, Rindfleisch usw. komme ich im einzelnen noch ganz kurz zu sprechen.Es ist richtig, daß die Mittel für Strukturmaßnahmen zunächst um 235 Millionen DM gekürzt werden mußten. Aber die Kürzungen sind recht unterschiedlich ausgebracht. Wir haben in erster Linie die Mittel für Nebenerwerbssiedlungen im Eingliederungsbereich gekürzt. Ich glaube, das ist angesichts der heutigen Situation zu rechtfertigen. Darlehensmittel gleichen sehr vieles aus.Für die Vorschläge für eine verbesserte Ausstattung der Landabgaberente, von der wir uns sehr viel versprechen, bin ich dankbar. Ich muß innerhalb der Kabinettsdisziplin verbleiben, begrüße aber jede Verbesserung und jede bessere Ausstattung. Ich glaube auch, daß wir die finanziellen Möglichkeiten dafür finden werden.Zum erstenmal ist es gelungen, die Regionalpolitik im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftspolitik mit den Aufgaben, die vor uns stehen, zu koppeln; ich wiederhole es. Das .ist eine glückliche Entwicklung. Ich stelle sie mit Dankbarkeit fest.Herr Peters hat dann darauf hingewiesen, daß zwei Minister nun drei Stunden doziert hätten. Nun, obwohl die Politik in Wirklichkeit vom Parlament sanktioniert wird, muß aber das alte Spiel Geltung haben, daß die Regierung ihre Vorschläge verteidigt, auch wenn sie vom Parlament oft bis zur Unkenntlichkeit verändert werden.
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Bundesminister HöcherlAber dazu braucht man Zeit, und diese Zeit sollten Sie uns gewähren. Wir sind alle Mitglieder des Parlaments, und wir haben es gar nicht leicht. Es gibt eben Mitglieder erster Klasse und Mitglieder zweiter Klasse; wir sind Mitglieder zweiter Klasse.
Herr Kollege Peters, Sie sind auf das Thema Krankenversicherung eingegangen. Wir wollen es ganz offen beim Namen nennen: Es handelt sich gar nicht um die Krankenversicherung. 75 '0/o der in der Landwirtschaft Tätigen sind versichert, und 50 % der Altersgeldempfänger sind ebenfalls versichert. Es geht um etwas ganz anderes, nämlich um die große schwierige Frage, wie wir vor allem den Empfängern von niedrigem Altersgeld den nötigen Krankenversicherungsschutz geben. Es zeigen sich einige Entwicklungen, die man vielleicht für ein Modell verwenden könnte, Entwicklungen, wie sie bei einigen Landkrankenkassen — auch in meiner engeren Heimat — zu verzeichnen sind. Dort wurden die Satzungen mit aufsichtsrechtlicher Genehmigung dahingehend verbessert, daß jeder unabhängig von der Altersstufe eintreten kann und zu Sätzen versichert werden muß, die noch tragbar sind. Das sollte nach meiner Meinung das Modell sein. Das ist eine ernste Frage, die auch in der Bewirtschaftung der Höfe immerhin bis zur Existenzgrundlage reicht angesichts der Leistungen, die heute von Krankenkassen, Ärzten und Krankenhäusern verlangt werden. Ich werde es mir angelegen sein lassen, dem Hohen Hause nach diesem Modell einen Vorschlag zu machen. Wir dürfen einen durch den Schrumpfungsvorgang und durch viele andere Dinge, die reichlich überflüssig waren, im Vertrauen und in der inneren Einstellung erschütternden Berufsstand in dieser Schwierigkeit nicht im Stich lassen und müssen diesem Problem begegnen. Wir brauchen dazu kein großes Sozialwerk, wie Sie es oft vorgeschlagen haben. Es kann auch niemals eine eigene Krankenversicherung sein, sondern es muß eine Versicherung sein, die eine entsprechend breite Grundlage und eine Ausfallbürgschaft vom Bund hat. Das kann bei einem schrumpfenden Beruf gar nicht anders sein. Ich bin überzeugt, daß wir uns in der Großen Koalition wie in so vielen Bereichen auch hier verständigen werden.Was die Frage der Regionalpolitik betrifft — Sie haben es bereits angesprochen —, bin ich der Meinung, daß eine glückliche Kooperation zustande gekommen ist.Nun zur Neuordnung der EWG-Finanzierung. Herr Kollege Peters, Sie haben darin recht, daß dies vielleicht das wichtigste Thema ist, das nicht nur die Landwirtschaft betrifft, sondern weit darüber hinaus in die europäische Politik hineinreicht. Ich darf hier wiederholen: Die EWG-Agrarpolitik war der einzige Sektor in der gemeinsamen europäischen Politik, der alle Stürme überstanden hat und die einzige Klammer bildet. Daß es heute noch eine EWG, eine Zollunion, eine Kennedy-Runde usw. gibt, ist ausschließlich dieser viel geschmähten EWG-Agrarpolitik zu verdanken. Es wird zu den größtenLeistungen historischer Art der Agrarpolitik gehören, wenn sie auch nicht unseren Anforderungen — auch ästhetisch — genügt, daß sie das Movens war, das uns vielleicht ein integriertes Europa zu vermitteln vermag. Das heißt aber, daß all die Leistungen und all die Opfer, die hier aus politischen Gründen erbracht werden müssen, einen gerechten Ausgleich verlangen. Für diesen gerechten Ausgleich werde ich so lange kämpfen und arbeiten, wie ich Gelegenheit habe, diese ernste Verantwortung zu tragen. Dabei bin ich mir Ihrer Unterstützung sicher.
Das kann die Wiederherstellung der 28 % sein, das kann die Frage sein, wie die Abschöpfungen behandelt werden sollen. Das alles sind Dinge, die hier eine große Rolle spielen.Es wäre nicht in Ordnung, für Verhandlungen so ,schwieriger Art, die erst im Herbst dieses Jahres Beginnen können, hier ein Tableau zu entwerfen. Wir müssen abwarten, welchen Vorschlag die Kommission macht; ohne einen Vorschlag haben wir gar keine Möglichkeit und keine Basis.Ich darf Ihnen hier sagen, daß die Kommission bereits ein Papier vorbereitet hat, in dem vorgeschlagen wind, diese Frage um ein Jahr zu vertagen. Die Kommission sieht sich also nicht in der Lage, eine so schwere Last und eine so schwere Bürde in dieser kurzen Zeit zu klären. Damit hängen viele andere Fragen zusammen, auch die Außenpolitik; es ist eine Art Außenpolitik, auch wenn sie sich in ,der Europäischen Gemeinschaft vollzieht. Man kann das nur so abwickeln, daß die Regierung Vorbereitungen trifft und nachher um eine Sanktion und Bestätigung im Parlament nachsucht. Eine andere Form der Verhandlungen ist nicht möglich.Nun noch eine ganz kurze Bemerkung — das wird Sie interessieren — zu Herrn Peters. Herr Kollege Peters meinte, Herr Schiller habe von einer defensiven Situation der Agrarpolitik gesprochen. Nun, eine defensive Position muß gar nichts Schlechtes sein. Wir werden in der Lage sein, Lösungen zu finden.
— Wir wissen, daß er sehr formulierungskräftig ist. Vielleicht ist das etwas zuviel; ich empfinde es nicht als „dicke Krise". Volkswirtschaften, die zu solchen Leistungen in der Lage sind wie die deutsche Volkswirtschaft und wie die Volkswirtschaften der mit uns verbündeten und in einer Gemeinschaft stehenden Länder, werden in Gottes Namen ein Problem in der Größenordnung von 10 Milliarden DM abzuwickeln verstehen. Es handelt sich um die 10 Milliarden DM, die aus den nationalen Haushalten in einen gemeinsamen Haushalt überführt worden sind.Im übrigen darf ich Ihnen sagen, daß es innerhalb der Kommission eine interessante Überlegung gibt. Sie wissen, daß wir im Ausrichtungsfonds den unmittelbaren Verkehr zwischen den Ländern bzw. den Projektträgern und der Kommission haben. Die
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Bundesminister HöcherlKommission trägt sich mit dem Gedanken, einen Vorschlag dahin gehend zu machen, daß die ganze Agrarfinanzierung unmittelbar zwischen den Erstattungsberechtigten und der Kommission usw. abgewickelt wird. Ich hätte nichts gegen die Entwicklung und gegen eine solche Richtung einzuwenden. Dan it würden endlich einmal diese fälschlicherweise immer der Landwirtschaft angekreideten Beträge aus unserem Haushalt verschwinden und sachgerecht verbucht.
Nun noch zur berühmten Frage der nationalen Kontingente. Ich darf Ihnen das ganz kurz erklären. Nationale Kontingente passen gar nicht in die Landschaft; sie würden uns auch benachteiligen. Wir werden Mittel und Wege finden, auch in der Milchpolitik, um unter Aufrechterhaltung des besonderen Schutzbedürfnisses für die Grönlandbetriebe und die kleineren und mittleren Betriebe zu einer Lösung zu kommen.Herr Kollege Berberich hat eine Verbesserung der Altershilfe vorgeschlagen. Aber bei aller Kabinettdisziplin wäre ich dankbar, wenn Sie Möglichkeiten fänden, in Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium hier eine Verbesserung zu erreichen.Herr Saxowski, Sie haben einen sehr hilfsbereiten und sehr konstruktiven Beitrag geleistet.Lassen Sie mich zum Schluß, damit Sie auch zeitlich nicht überstrapaziert und überbeansprucht werden, folgendes sagen. Es ist eine kleine Runde hier; das ist nicht nur bei diesem Ressort so, sondern auch andere, größere Ressorts mußten sich mit einer kleinen Runde zufrieden geben. Das ist kein Merkmal unseres Parlamentes; Sie können die Parlamente landauf, landab, in aller Welt besuchen, Sie werden das immer erleben. Wir haben heute früh bei den großen Abstimmungen ein volles Haus gehabt. Jetzt sind diejenigen hier, die sich für diesen Bereich besonders verantwortlich fühlen, und es sind die Fraktionsvertreter anwesend. Es ist nicht eine Sache der vollen Anwesenheit, wie das in der Öffentlichkeit oft und unter vollständiger Verkennung der Arbeitsbelastung gerade in einer auslaufenden Legislaturperiode verlangt wird. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie solange ausgehalten haben und daß Sie alle so positiv zur Agrarpolitik stehen.Kürzlich waren sich alle drei Gruppierungen dieses Parlaments einig. In der Zwischenzeit muß Ihnen etwas über die Leber gekrochen sein, weil Sie den Einzelplan 10 gar nicht akzeptieren wollen; trotzdem machen Sie selbst Vorschläge für ihn. Wie Sie beides miteinander vereinbaren können, ist mir unerfindlich; aber der Phantasie der FDP sind in ihrer Gegensätzlichkeit eben keine Grenzen gesetzt.
Für mich kommt es darauf an, daß wir uns dessen bewußt bleiben, daß wir vor allem auf sozialpolitischem Gebiet für die Agrarpolitik, für diese hart arbeitenden Menschen, die ausgeschlossen sind von den selbstverständlichen Errungenschaften wie freies Wochenende und Urlaub, mehr tun müssen, um ihnen zu beweisen, daß sie nicht im Stich gelassen werden, daß wir sie brauchen, sie schätzen und auch für sie eintreten. Eine Volkswirtschaft von dieser Leistungsfähigkeit muß dazu in der Lage sein, und an der Bereitschaft habe ich keinen Zweifel.
Meine Damen und Herren, damit ist die Debatte geschlossen.Wir kommen nun zur Verabschiedung des Einzelplans 10, zunächst zu den Änderungsanträgen. Sie liegen vor auf Umdruck 605 und 607. Beide Änderungsanträge betreffen denselben Titel im Einzelplan 10 02. Der Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 607 geht beträchtlich weiter als der Antrag der Koalitionsfraktionen. Ich muß ihn deshalb zuerst zur Abstimmung stellen. Begründet ist er.Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt, selbstverständlich damit auch der Deckungsvorschlag, den der Antrag in den Ziffern 2 und 3 enthält.Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Umdruck 605. Wer stimmt diesem Antrag zu? — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist in der Tat einstimmig angenommen, — zu so später Stunde eine ganz erfreuliche Tatsache.Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 10 in der vorhin beschlossenen Form. Wer dem Einzelplan 10 in der Fassung der Ausschußvorlage mit der eben beschlossenen Änderung zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke! Die Gegenprobe! — Der Einzelplan 10 ist gegen die Stimmen der Freien Demokraten angenommen.Meine Damen und Herren, wir müssen noch die mit dem Einzelplan 10 verbundenen Gesetzesvorlagen erledigen, zunächst einmal den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur in entwicklungsbedürftigen Gebieten — Drucksache V/3450 —. Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — federführend —, an den Finanzausschuß — mitberatend — und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. Diesem Vorschlag wird nicht widersprochen. Dann ist so beschlossen.Der Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte soll nach dem Vorschlag des Ältestenrates an den Ausschuß für Sozialpolitik — federführend —, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. — Diesem Vorschlag wird nicht widersprochen. Dann ist so beschlossen.Der Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12139
Vizepräsident Schoettlefür Landwirte — Drucksache V/3970 — soll an den Ausschuß für Sozialpolitik — federführend —, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. — Auch diesem Vorschlag wird nicht widersprochen. Dann ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der heutigen Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 21. März, 9 Uhr, ein.Die Sitzung ist geschlossen.