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ID0522222000

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    Deutscher Bundestag 222. Sitzung Bonn, den 20. März 1969 Inhalt: Amtliche Mitteilung 12043 A Fragestunde (Drucksache V/3976) Fragen des Abg. Dr. Hauser (Sasbach) : Überführung von Leichen in andere Bundesländer Benda, Bundesminister . . .12043 B, C, D Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) . . 12043 D Frage des Abg. Dorn: Besoldung der Beamten des einfachen und mittleren Dienstes Benda, Bundesminister . . 12044 A, B, C Dorn (FDP) 12044 B Strohmayr (SPD) . . . . . . . 12044 C Fragen des Abg. Strohmayr: Heizöllagerung in Häusern Benda, Bundesminister . 12044 D, 12045 A Strohmayr (SPD) . . . . . . . . 12044 D Fragen des Abg. Kubitza: Ungültigmachung von Pässen griechischer Gastarbeiter — Eintragung in Loyalitätslisten Benda, Bundesminister . 12045 A, B, C, D Dorn (FDP) 12045 C, D Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Berücksichtigung der deutschen Industrie bei der Errichtung eines Automobilwerks in Indien 12045 D Fragen des Abg. Blumenfeld: Anpassungshilfen zugunsten deutscher Außenhandelsunternehmen — Verstärkung des privaten Kapitalexports Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 12046 B, C Damm (CDU/CSU) 12046 B Frage des Abg. Blumenfeld: Bundesgarantien im Außenwirtschaftsverkehr für Forderungen aus der Vorfinanzierung von Einfuhren aus Entwicklungsländern Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 12046 C Fragen des Abg. Berberich: Anerkennung der Kreise Buchen und Tauberbischofsheim als Bundesausbaugebiete Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . 12046 D, 12047 A, B, C Berberich (CDU/CSU) . . 12046 D, 12047 A Richter (SPD) . . . . . . . .12047 B, C Fragen des Abg. Wächter: Bau eines Tunnels unter der Weser Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 12047 D, 12048 A, B Wächter (FPD) . . . . . . . 12048 A, B Frage des Abg. Dr. Lohmar: Konzentrationsvorgänge im Pressewesen Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 12048 B, C Dr. Lohmar (SPD) 12048 C II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 Frage des Abg. Weigl: Beschäftigungslage der Porzellanindustrie im bayerischen Grenzland Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 12048 D, 12049 A Weigl (CDU/CSU) . . . 12048 D, 12049 A Frage des Abg. Weigl: Investitionszulage für das Zonenrand- gebiet Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 12049 B Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Anerkennung des Landkreises Vilshofen als Zonenrandgebiet Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . 12049 B, C, D, 12050 A Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . 12049 C, D Scheel, Vizepräsident 12049 D Dr. Kempfler (CDU/CSU) 12050 A Frage des Abg. Folger: Prüfung von Postsendungen durch Zollämter — Einfuhr unzüchtiger Schriften Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 12050 B, D, 12051 A Folger (SPD) . . . . . . . . 12050 C, D Fragen des Abg. Cramer: Anträge auf Begünstigung nach dem Gesetz über Besteuerung des Straßengüterverkehrs Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 12051 A, B, C, D Cramer (SPD) 12051 B, C Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . 12051 C Frage des Abg. Dr. Schmidt (Wuppertal) : Höhe der Gebühr bei Rücknahme des Einspruchs gegen den Umsatzausgleichsteuerbescheid Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 12051 D, 12052 B Petersen (CDU/CSU) . . . . . . 12052 B Frage des Abg. Weigl: Steuerliche Maßnahmen für Arbeitnehmer in den Zonenrand- und Bundesausbaugebieten Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 12052 C, 12053 A, B Fritsch (Deggendorf) (SPD) 12052 D, 12053 A Weigl (CDU/CSU) . . . . . . . 12053 B Frage des Abg. Felder: Freigabe des Exerzierplatzes in Erlangen 12053 C Fragen des Abg. Dr. Hammans: Zinsbeihilfen für Betriebe mit genehmigtem Entwicklungsplan Höcherl, Bundesminister . . . . . 12053 D Fragen des Abg. Langebeck: Bundeszuschüsse zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur des Privat- und Körperschaftswaldes für den Wegebau Höcherl, Bundesminister . . 12054 B, C, D, 12055 A, B Langebeck (SPD) . 12054 B, C, D, 12055 A, B Frage des Abg. Cramer: Schöpfwerk für den Entwässerungsverband Rüstringen Höcherl, Bundesminister . . . 12055 B, C, D Cramer (SPD) 12055 C Wächter (FDP) . . . . . . . 12055 C Fragen des Abg. Richarts: Programm der Bundesregierung für den Gartenbau und den Weinbau . . . . 12055 D Fragen des Abg. Erhard (Bad Schwalbach) : Konzentrierung der Weinbauforschung in Hohenheim — Lehr- und Forschungsanstalt Geisenheim Höcherl, Bundesminister 12056 A Frage des Abg. Wächter: EWG-Verordnung betr. Beihilfen für die Verwendung von Milchfetten bei der Herstellung von Mischfuttermitteln Höcherl, Bundesminister . . . . 12056 B, C Wächter (FDP) 12056 C Ergänzung der Tagesordnung 12056 D Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Zwanzigsten Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksache V/3896) Dr. Reischl (SPD) 12056 D Frau Funcke (FDP) 12060 A Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) (zur GO) . 12061 B Scheel, Vizepräsident 12061 C Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 12061 D Dr. Mommer, Vizepräsident 12062 D, 12063 C Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 III Dorn (FDP) (zur GO) 12063 B Frehsee (SPD) (zur GO) . 12063 D, 12066 C, 12068 C, 12071 D Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 12063 D Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) (zur GO) 12066 B Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) (zur GO) . 12066 C, 12068 C Hermsdorf (SPD) (zur GO) . . . . 12070 B Absetzung des Punktes IV von der Tagesordnung Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 12073 B Zur Geschäftsordnung Dr. Mommer, Vizepräsident . . . . 12073 B Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1969 (Haushaltsgesetz 1969) (Drucksache V/3300) ; Berichte des Haushaltsausschusses — Fortsetzung der zweiten Beratung — Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz (Drucksache V/3927) 12073 C Abwicklung der Tagesordnung 12073 C Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen (Drucksache V/3928) in Verbindung mit Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft (Drucksachen V/3929, zu V/3929), mit Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Gemeindefinanzen (Gemeindefinanzreformgesetz) (Drucksache V/3876) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Länderfinanzausgleichsgesetzes 1965 (Bundesrat) (Drucksache V/3967) - Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Spar-Prämiengesetzes und des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (CDU/CSU) (Drucksache V/3401) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Investitionszulagen und zur Änderung steuerrechtlicher und prämienrechtlicher Vorschriften (Zweites Steueränderungsgesetz 1968) (Druckache V/3890) — Erste Beratung — und mit Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung (FPD) (Drucksache V/3986)— Erste Beratung — Dr. h. c. Strauß, Bundesminister . . 12074 B, 12121 C Dr. Schiller, Bundesminister 12083 C, 12123 C Dr. Staratzke (FDP) 12091 D Brand (CDU/CSU) . . . . . . 12095 C Ravens (SPD) 12096 B Gewandt (CDU/CSU) 12099 D Dr. Friderichs (FDP) . . . . . . 12106 B Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . 12109 C Westphal (SPD) . . . . . . . 12110 C Schoettle, Vizepräsident 12114 B Frau Kurlbaum-Beyer (SPD) . . . 12114 C Stücklen (CDU/CSU) 12116 C Borm (FDP) 12117 A Schlee (CDU/CSU) 12119 A Hermsdorf (SPD) 12120 D Moersch (FDP) 12123 B van Delden (CDU/CSU) 12127 A Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen V/3930, zu V/3930) in Verbindung mit Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (CDU/CSU) (Drucksache V/3959) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (Drucksache V/3970) — Erste Beratung — und mit Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur in entwicklungsbedürftigen Gebieten (Abg. Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache V/3450) — Erste Beratung —Röhner (CDU/CSU) 12128 D Schoettle, Vizepräsident 12130 B Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 12130 C Berberich (CDU/CSU) . . . . . 12133 B Saxowski (SPD) . . . . . . . 12134 A Höcherl, Bundesminister . . . . 12135 A Nächste Sitzung 12139 C IV Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 Anlagen 12141 A Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 12141 A Anlagen 2 bis 5 Änderungsanträge Umdrucke 599, 600, 605 und 607 zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1969 (Drucksachen V/3300 Anlage, V/3950, V/3300, V/3951, V/3930) 12141 D Anlage 6 Schriftliche Erklärung des Abg. Jung zu Punkt II 3 der Tagesordnung 12142 D Anlage 7 Schriftliche Erklärung des Abg. Moersch zu Punkt II 7 der Tagesordnung . . . . 12146 A Anlage 8 Schriftliche Erklärung des Abg. Stücklen zu Punkt II 9 der Tagesordnung . . . . 12147 A Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Josten betr. Ausstattung der Betriebsprüfer mit dem Bundessteuerblatt Teil II . . . . . . . . . 12150 D Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12043 22 2. Sitzung Bonn, den 20. März 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigungen Es ist zu lesen: 220. Sitzung, Seite 11906 A, Zeile 2 statt „unbegründet" : „begründet" 221. Sitzung, Seite 11937 B, vierte Zeite von unten statt „ordentliches" : „stellvertretendes" Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Frau Albertz 28. 3. Arendt (Wattenscheid) 28. 3. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 31. 3. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 15. 5. Dr. Barzel 20. 3. Bauer (Wasserburg) 21. 3. Bauer (Würzburg) * 20. 3. Dr. Becher (Pullach) 29. 3. Beuster 28. 3. Blumenfeld 31. 3. Dr. Brenck 29. 3. Brück (Köln) 28. 3. Corterier ** 21. 3. Dr. Eckhardt 21.3. Dr. Even 29. 3. Dr. Frerichs 20. 3. Frieler 21.3. D. Dr. Gerstenmaier 21. 3. Gscheidle 28. 3. Haage (München) 28. 3. Hahn (Bielefeld) ** 21. 3. Hamacher 31.3. Hellenbrock 31. 3. Hilbert 21.3. Höhne 21.3. Horten 21.3. Frau Dr. Hubert 28. 3. Dr. Jaeger 28. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) 15. 6. Josten 21.3. Jürgensen 21. 3. Junghans 31.3. Kahn-Ackermann * 20. 3. Kriedemann ** 20. 3. Dr. Kübler 21. 3. Freiherr von Kühlmann-Stumm 28. 3. Kunze 30. 4. Lenze (Attendorn) 21. 3. Memmel ** 21. 3. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 26. 3. Mertes 21.3. Missbach 15. 4. Dr. Müller (München) * 20. 3. Müller (Worms) 21. 3. Neemann 19. 4. Opitz 21.3. Peters (Norden) 3. 5. Pöhler 15. 4. Dr. Pohle 20. 3. Richarts ** 21. 3. Rollmann 21.3. Frau Rudoll 21. 3. Ruf 21.3. Dr. Rutschke * 20. 3. Schmidt (Hamburg) 28. 3. Dr. Schmidt (Offenbach) 21. 3. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Schober 21.3. Frau Schroeder (Detmold) 21. 3. Seibert 20. 3. Dr. Sinn 21. 3. Dr. Süsterhenn 24. 3. Dr. Stammberger 14. 4. Dr. Starke (Franken) 20. 3. Stein (Honrath) 21. 3. Steinhoff 30. 4. Dr. Steinmetz 21. 3. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell 1. 4. Dr. Wahl * 20. 3. Weimer 21.3. Welke 21.3. Frau Wessel 31.3. Winkelheide 31. 3. Frau Dr. Wolf 27. 3. Wurbs 21.3. Dr. Zimmermann 28. 3. Zoglmann 20. 3. Anlage 2 Umdruck 599 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1969 hier: Einzelplan 60, Allgemeine Finanzverwaltung - Drucksachen V/3300 Anlage, V/3950 -. Der Bundestag wolle beschließen: Im Einzelplan 60 ist folgender neuer Titel auszubringen: „Minderausgabe im Bundeshaushalt 1969 1 800 000 000". Bonn, den 18. März 1969 Mischnick und Fraktion Anlage 3 Umdruck 600 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1969 hier: Haushaltsgesetz 1969 - Drucksachen V/3300, V/3951 -. Der Bundestag wolle beschließen: In § 19 Abs. 2 wird der Betrag „3 851 500 000" durch den Betrag „2 051 500 000" ersetzt. Bonn, den 18. März 1969 Mischnick und Fraktion * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments 12142 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 Anlage 4 Umdruck 605 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1969 hier: Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksachen V/3300 Anlage, V/3930 — Der Bundestag wolle beschließen: In Kapitel 10 02 wird der Ansatz des Titels 656 52 „Zuschüsse an die Träger der landwirtschaftlichen Unfallversicherung" um 30 000 000 DM auf 190 000 000 DM erhöht. Die Einsparung erfolgt bei dem entsprechend den Beschlüssen des Haushaltsausschusses (siehe Drucksachen V/3930 und zu V/3930) neu vorgesehenen Titel 682 45 „Zuschüsse an den zentralen Fonds zur Absatzförderung der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft", dessen Ansatz von 70 000 000 DM auf 40 000 000 DM verringert wird. Der im Regierungsentwurf bei Maßnahmengruppe C. „Landwirtschaftliche Sozialpolitik" vorgesehene Haushaltsvermerk: „Die Mittel des Titels 656 52 dürfen bis zur Höhe der bei Titel 656 51 erzielten Einsparungen überschritten werden" bleibt unverändert; die entsprechend den Beschlüssen des Haushaltsauschusses vorgesehene Ergänzung dieses Vermerks (siehe Drucksachen V/3930 und zu V/3930) entfällt. Die Erläuterungen zu Titel 656 52 werden wie folgt gefaßt: „Die Zuschüsse des Bundes an die Träger der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sind zur Senkung der Unternehmerbeiträge und damit zur kostenmäßigen Entlastung der landwirtschaftlichen Betriebe bestimmt. Die Aufwendungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften sind in den letzten Jahren auf Grund des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 30. April 1963, der Rentenanpassungsgesetze, des Gesetzes über die Anordnung allgemeiner Zwischenfestsetzungen durchschnittlicher Jahresarbeitsverdienste in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung vom 6. August 1964 (Bundesgesetzbl. I S. 602) und der Neufestsetzung der durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienste und der Ortslöhne gem. § 784 RVO zum 1. 1. 1969 erheblich angestiegen. Weitere Ausgaben haben sich aus dem Wegfall der Wartezeiten für Geldleistungen an landwirtschaftliche Unternehmer, deren Ehegatten und mitarbeitende Familienangehörige sowie aus dem Einsatz von Betriebshelfern und aus der Abfindung von Unfallrenten ergeben. Der Bundeszuschuß wird 1969 auf 190 000 000 DM festgesetzt. Durch die 1968 begonnene Abgrenzung des begünstigten Personenkreises, die 1969 weitergeführt werden soll, wird es den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften möglich sein, die Mehrausgaben weitgehend aufzufangen. Aus den Mitteln können auch Untersuchungen und Feststellungen auf dem Gebiet der sozialen Sicherung der bäuerlichen Bevölkerung durchgeführt werden." Bonn, den 19. März 1969 Dr. Barzel und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 5 Umdruck 607 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1969 hier: Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksachen V/3300 Anlage, V/3930 — Der Bundestag wolle beschließen: 1. In Kap. 10 02 Tit. 656 52 — Zuschüsse an die Träger der landwirtschaftlichen Unfallversicherung — wird der Ansatz von 160 000 000 DM um 70 000 000 DM auf 230 000 000 DM erhöht. Deckungsvorschlag 2. In Kap. 10 02 Tit. 882 44 — Zuweisungen zur Förderung der vertikalen Verbundwirtschaft — wird der Ansatz um 20 000 000 DM auf 163 750 000 DM gekürzt. 3. In Kap. 10 02 Tit. 682 45 — Zuschüsse an den zentralen Fonds zur Absatzförderung der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft — wird der Ansatz um 50 000 000 DM auf 20 000 000 DM gekürzt. Bonn, den 20. März 1969 Mischnick und Fraktion Anlage 6 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Jung (FDP) zu Punkt II 3 der Tagesordnung *). In den Verteidigungsdebatten der vergangenen Jahre hat die FDP immer wieder die Neuordnung unserer Sicherheitspolitik und deren Anpassung an die Realitäten unserer politischen und geographischen Lage im NATO-Bündnis gefordert. Wir haben mit der Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfes die Gesamtorganisation unserer Landesverteidigung so zu ändern versucht, daß ein Höchstmaß an Effektivität der Bundeswehr erreicht wird, indem z. B. der Bundeskanzler schon in Friedenszeiten die oberste Kommandogewalt innehat, die ihm im Ernstfall ohnehin nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung und möglicherweise ungenügender Vorbereitung übertragen wird, indem man eine durchgehende Kommandostruktur schafft, die es auch dem höchsten Soldaten ermöglicht, nicht nur Weisungen oder Empfehlungen zu geben, sondern Befehle in allen Teilbereichen der Bundeswehr durchzusetzen, indem unser Erfassungswesen reorgani- *) Siehe 221. Sitzung, Seite 12038 C Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12143 siert und der Aufbau von Kadereinheiten durchgeführt wird, damit eine sinnvolle Nutzung auch des Reservistenpotentials möglich wird. Wir haben zweitens auch die Neuordnung der Organisation des Bundesverteidigungsministeriums gefordert. Aber ich erinnere daran, welche Entrüstung insbesondere bei den Kollegen der CDU meinen Vergleich mit einem Wasserkopf hervorrief, nur weil ich die Unbeweglichkeit, das Schmoren im eigenen Saft — ich verwende diesen Ausdruck aus der Kochkunst, weil er zutreffend ist für den derzeitigen Regierungsstil überhaupt — beklagen mußte. Dieses Ministerium ist auch in der Tat damit beschäftigt, immer mehr und immer schwerer verständliche Vorschriften, Weisungen und Empfehlungen zu entwerfen, die unten in der Truppe gar nicht mehr verdaut werden können. Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften werden in eine immer größer wuchernde Bürokratie verstrickt, die sie ihrer eigentlichen Aufgabe immer mehr entzieht. Diese Vorschrifteninflation verlagert darüber hinaus die Verantwortung immer mehr auf die unteren Ebenen und erhöht damit besonders bei Offizieren und Unteroffizieren die Unsicherheit, was gewiß nicht zur Erhöhung der Verteidigungskraft beiträgt. Wer öfter mal in der Truppe unter den Soldaten weilt und mit Ihnen lebt, der weiß, daß das Unbehagen, der Unmut, die Unlust nicht zuletzt darauf zurückzuführen sind, daß die Truppe geführt und nicht verwaltet werden will. 'Wir haben auch immer wieder die Verbesserung der Personalstruktur — das gesunde Verhältnis zwischen längerdienenden Zeit- und Berufssoldaten und Wehrpflichtigen mit etwa 65 : 35 — gefordert, indem wir Vorschläge machten zur Besoldungsneuregelung, und zwar klare Zuordnung der Besoldungsgruppen zu den Dienstgraden von A 1 bis A 16, zur gesellschaftlichen Anerkennung des Soldaten, z. B. durch Laufbahnverbesserungen, durch Wiedereinführung des Zivilversorgungsscheines alter Art, -durch Anerkennung der bei der Bundeswehr erworbenen Lizenzen auch im zivilen Bereich, zur besseren Dienstzeitgestaltung und gerechteren Dienstzeitregelung für Ausbilder, zur Straffung der Ausbildung und zur Beseitigung des Gammeldienstes, um damit dann zur Dienstzeitverkürzung für Wehrpflichtige zu kommen. Wie zähflüssig und unbefriedigend aber sind die Ergebnisse der Regierungsarbeit in diesen Fragen gewesen! Die Regierung hat zwar Besoldungsverbesserungen in bescheidenem Maße vorgelegt, aber sie ist dabei auf halbem Wege stehengeblieben. Hat sie die geforderte klare Zuordnung erreicht? Hat sie dabei auch gerechte Dienstzeitregelungen herbeigeführt? Sie hat zwar eine neue Laufbahn eingeführt, aber hat sie auch z. B. befriedigende Übergangsregelungen für Stabsfeldwebel geschaffen und diese Laufbahn so breit ausgelegt, daß man den Bedürfnissen einer modernen Leistungsarmee in einer Leistungsgesellschaft gerecht wird? Sie hat zwar eine Regelung für S'trahlflugzeugführer eingeführt, die wir alle begrüßen, aber hat sie auch gleichzeitig daran gedacht, daß ähnliche Regelungen für andere fliegende Bereiche der Bundeswehr eingeführt werden müssen, damit wir nicht in Kürze schon ein ähnliches Dilemma erleben, wie wir es in der Vergangenheit in Strahlverbänden erleben mußten? Sie hat uns heute ein Eingliederungsgesetz vorgelegt, das unserer Forderung nach dem Zivilversorgungsschein alter Art gerecht werden soll. Aber ist das denn der Fall? Durch die Einschränkungen in § 9 — „wenn sie beamtenrechtliche Vorschriften erfüllen" — und durch die Beschränkung auf Unteroffiziere und Mannschaften ohne Einbeziehung auch der Offiziere auf Zeit hat sie die Wirksamkeit von vornherein in Frage gestellt. Also auch hier wurden — wie in der ganzen Wehrgesetzgebung der Vergangenheit — Hürden eingebaut, die Zündstoff für neue Unzufriedenheit ,sein werden und Zweifel an der Fürsorge des Dienstherrn aufkommen lassen. Wir wollen die Einschränkung der beamtenrechtlichen Vorschriften beseitigen, wir wollen den Bundeswehrfachschul-Abschluß anerkennen, indem Lehrpläne und Prüfungsordnung auf die mögliche Eingliederung in den öffentlichen Dienst abgestimmt werden, indem die Prüfungskommissionen auch mit Vertretern des Bundes, der Länder und der Gemeinden besetzt werden, und wir wollen auch Zeitoffizieren die Möglichkeit der Eingliederung in den Öffentlichen Dienst eröffnen. Hat die Regierungskoalition die Voraussetzungen geschaffen, daß die Abiturienten, die ihrer Wehrpflicht genügten, ohne Erschwernisse ihr Studium aufnehmen können? Hat sie bei den Kultusministerien der Länder durchsetzen können, daß für diese unbedingt die Immatrikulationsbedingungen gelten müssen, zu denen sie bei Beginn ihres Wehrdienstes ihr Studium hätten aufnehmen können, ohne Berücksichtigung des inzwischen eingeführten „Numerus clausus" oder ohne Berücksichtigung inzwischen erschwerter Aufnahmebedingungen oder erhöhter Anforderungen? Hat diese Regierungskoalition dazu beigetragen, die Voraussetzungen zu schaffen, daß dem Bund eine Rahmenkompetenz gegeben wird? Hat sie unseren Gesetzentwurf zur Änderung der Art. 74 und 75 unterstützt? Damit wäre ein Mitspracherecht in diesen Fragen eröffnet worden, damit wäre auch die Möglichkeit geschaffen, Lehrstühle für Wehrwissenschaften (Wehrtechnik, Wehrsoziologie usw.) an Universitäten, Technischen Hochschulen, IngenieurAkademien geschaffen. Alle diese Fragen kann man leider nur mit Nein beantworten. Wie auf vielen anderen Gebieten der Politik war diese Regierung auch hier erfolglos. Wir haben unsere Landtagsfraktionen auf diesen unbefriedigenden Zustand hingewiesen und gebeten, bei den Kultusministern der Länder darauf hinzuwirken, daß die erschwerten Immatrikulationsbedingungen für Abiturienten, die ihre Wehrpflicht erfüllt haben, aufgehoben werden. Wir fordern CDU/CSU und SPD auf, in gleicher Weise tätig zu werden, da die Kultusminister in den Ländern diesen beiden Parteien angehören. Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn eine zur Kritik erzogene Jugend kritisch urteilt, wenn die be- 12144 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 stehende Wehrungerechtigkeit psychologisch den Brunnen vergiftet, aus dem das Volk das Verständnis für die Wehrbereitschaft und den Wehrwillen schöpfen soll! Ich meine mit kritischer Jugend nicht den relativ kleinen, in sich zerstrittenen Haufen der APO, die aus ihrer Kontra-Stellung zum Staat und zur freiheitlichen demokratischen Gesellschaftsordnung grundsätzlich eine Änderung der Verhältnisse herbeiführen will, ohne zu wissen, was sie eigentlich will. Nein, ich meine damit die überwiegende Mehrheit junger Staatsbürger, die bereit und willens sind, ihre Pflicht gegenüber der Gesamtheit des Volkes zu erfüllen und in diesem ihrem guten Willen enttäuscht werden, weil sie die Wehrgerechtigkeit vermissen. Der Herr Kollege Schmidt (Hamburg) hat heute morgen pathetisch an die Bundesregierung appelliert, endlich Maßnahmen zu ergreifen, die die bestehende Wehrungerechtigkeit abbauen. Er hat dabei erklärt, er wisse zwar auch nicht, wie man dieses Ziel erreichen könne, erwarte aber von der Bundesregierung Vorschläge. Im vergangenen Jahr hat sich eine Unterkommission des Verteidigungsausschusses, der auch mehrere Mitglieder der SPD- Fraktion angehörten, monatelang um dieses Problem bemüht. Am Ende ist ein Vorschlag herausgekommen, der zwar auch nicht ideal ist, der aber immerhin eine praktikable Möglichkeit aufzeigt, den zur Zeit bestehenden völlig unbefriedigenden Zustand abzubauen. Diese Kommission hat ein ganzes Bündel von Vorschlägen gemacht und aufgezeigt, auf welche Weise man mehr Wehrpflichtige einziehen könnte und wie man die Wehrdienenden besser entschädigt. Die Kommission hat darüber hinaus vorgeschlagen, die Dauer dies Grundwehrdienstes zu verkürzen und diejenigen, die immer noch nicht einberufen werden können, einer lastenausgleichsähnllichen Abgabe zu unterziehen, die die Finanziellen Vorteile ausgleicht, die sie durch einen früheren Abschluß ihrer Berufsausbildung und früheren Gelderwerb gegenüber den Wehrdienenden haben. Ich bedaure sehr, sagen zu müssen, daß von allen drei Fraktionen nur die FDP diese Vorschläge im Prinzip gebilligt hat, wenn auch wir im einzelnen noch einige Veränderungen gewünscht hätten. Sowohl SPD als auch CDU haben die sorgsam ausgearbeiteten Vorschläge der Kommission mit zum Teil wenig stichhaltigen Argumenten vom Tisch gefegt und öffentlich bekämpft. Beide Fraktionen haben damit ihre eigenen Mitglieder, die in der Kommission mitgebarbeitet haben, desavouiert. Die SPD hat sich insbesondere an dem Gedanken einer Wehrausgleichsabgabe gestoßen und in bewußter Verdrehung der Vorschläge der Kommission von der Möglichkeit eines Freikaufs vom Wehrdienst gesprochen. Die CDU war nicht bereit, den Grundwehrdienst auch nur um drei Monate zu verkürzen. Wenn wir die Resonanz der beiden Regierungsfraktionen auf die Vorschläge dieser Kommission betrachten, können wir eigentlich die Krokodilstränen, die der Kollege Schmidt heute vormittag hier vergossen hat, nicht begreifen. Es ist aber nicht nur die Schuld der Bundesregierung, sondern auch der Mehrheit in diesem Parlament, daß brauchbare Vorschläge zur Wehrgerechtigkeit nicht verwirklicht werden. Angesichts dieser trostlosen Situation auf dem Gebiet der Wehrgerechtigkeit brauchen wir uns nicht darüber zu wundern, daß die Agitatoren, die die Wehrpflichtigen zur Kriegsdienstverweigerung auffordern, allmählich offene Ohren finden. Wir Freien Demokraten sind fest davon überzeugt, daß die Anträge auf Kriegsdienstverweigerung zurückgehen würden, wenn die bestehende Wehrungerechtigkeit eingeschränkt würde. Auch unabhängig davon gibt es aber auch Mittel und Wege, um Drückebergern das Geschäft zu verleiden, so daß wir es in Zukunft wieder nur noch mit echten Kriegsdienstverweigerern aus Gewissensgründen zu tun hätten. Diese Bundesregierung ist nicht einmal mit dem vergleichsweise leicht zu bewältigenden Problem des zivilen Ersatzdienstes fertig geworden. Sie hat es immer noch nicht geschafft, eine ausreichende Zahl von Plätzen im zivilen Ersatzdienst zur Verfügung zu stellen. Angebliche oder wirkliche Kriegsdienstverweigerer haben daher eine echte Chance, überhaupt nicht eingezogen zu werden und nicht einmal im zivilen Ersatzdienst dienen zu müssen. Zur Zeit werden nur ein Drittel aller Kriegsdienstverweigerer zum Ersatzdienst einberufen. Wer sich angesichts dieser Situation noch über ein Ansteigen der Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer wundert, muß naiv sein. Wundern muß man sich nur darüber, daß die Zahl der Anträge nicht noch größer ist. Die FDP hat mehrfach verlangt, daß alle diejenigen, die insbesondere aus der Truppe heraus Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellen, sofort in den zivilen Ersatzdienst übergeführt werden. Wird ihrem Antrag später stattgegeben, dann bleiben sie dort. Wird ihr Antrag abgelehnt, kommen sie wieder zurück zur Truppe und leisten ihren vollen Wehrdienst. Einen zeitlichen Vorsprung gegenüber den wehrdienenden Altersgenossen hätten diese Leute dann nicht. Sie könnten sich dann auch nicht beklagen, ungerecht behandelt worden zu sein. Das Ganze ist aber nur praktikabel, wenn eine ausreichende Anzahl von Plätzen im zivilen Ersatzdienst sofort geschaffen wird. Der Herr Bundesarbeitsminister als der verantwortliche Ressortminister scheint sich für dieses Problem überhaupt nicht zu interessieren. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, hierzu schon etwas von ihm gehört zu haben. Sein Verhalten paßt insofern zu dem des Bundesverteidigungsministers, der — wie Herr Kollege Berkhan es einmal formulierte — „angesichts der Schwierigkeiten in der Bundeswehr auch lange Zeit auf Tauchstation gegangen war", und jetzt, nachdem der Herr Minister mit dem Verteidigungsweißbuch wieder aufgetaucht ist, muß ich trotz seines Hinweises auf andere Weißbücher sagen, daß er uns — ich will den bildhaften Vergleich des Herrn Kollegen Berkhan weiterführen — dennoch nicht allzuviel Neues und Brauchbares vom Meeresgrund mitgebracht hat. Sein Weißbuch ist — im Gegensatz zum englischen nämlich durchaus kein Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12145 „waste of type" . Nach dem euphorischen Loblied, das Herr Rommerskirchen darauf sang, möchte ich annehmen, daß es eher mit einem Musiktitel, nämlich „a taste of honey", charakterisiert werden kann; zumindest schien es Balsam auf die wunde Seele des Herrn Kollegen Rommerskirchen zu sein. Das Unbehagen in der Bundeswehr hat nicht nur seine Ursache in der unbefriedigenden Situation auf gesellschaftspolitischem Gebiet, im personal- und besoldungspolitischen Bereich und in der Frage der Wehrungerechtigkeit. Die Zweifel an der Wirksamkeit unserer Verteidigung werden auch genährt durch eine nach unserer Meinung falsche Politik auf dem Gebiet der Bewaffnung und Ausrüstung. Immer wieder haben wir darauf verwiesen, daß auch unsere Rüstung unserer besonderen geographischen und politischen Situation innerhalb des Bündnisses entsprechen muß. Nicht nur die FDP, auch mutige, vorausschauende Generale — Herr Schultz erwähnte dies bereits — bekennen jetzt, daß die nukleare Komponente unserer Verteidigung eigentlich sinnlos ist, erstens, weil wir nicht über die atomaren Sprengsätze verfügen, noch deren Freigabe erreichen werden, und zweitens, weil der Einsatz solcher Waffen — auch der kleinen atomaren Gefechtsfeldwaffen — in unserem Bereich undenkbar ist. Er würde die Eskalation und damit die totale Vernichtung zur Folge haben. Unter diesem Gesichtspunkt wären alle Verteidigungsanstrengungen unglaubwürdig. Im Zusammenhang mit den deutsch-französischen Gesprächen hat nun auch Herr Staatssekretär Diehl als Sprecher der Bundesregierung eingeräumt, daß nicht auszuschließen ist, daß sich die Politik in Richtung auf die Ziele des Rapacki-Planes entwickelt. Wir haben im vergangenen Jahr Anträge zur Einsparung und Umschichtung von 1 Milliarde D-Mark vom nuklearen Bereich unserer Verteidigung auf den konventionellen und personellen Bereich eingebracht. Sie wurden allesamt abgelehnt. In diesem Jahr haben wir darauf verzichtet, weil durch die Haltung der beiden Regierungsfraktionen dieses Vorhaben von vornherein zur Aussichtslosigkeit verurteilt war, obwohl Milliarden im Laufe der Jahre einzusparen wären. Aber selbst wenn vielleicht bei einigen Abgeordneten auf der linken Seite die Einsicht in die Richtigkeit unserer Vorstellungen vorhanden wäre, ähnlich wie bei der Entscheidung über die „Phatom-Beschaffung" müßten sie — auf Anordnung von Herrn Schmidt — dann doch aus „politischen Gründen" umfallen. Ich will unsere Argumente gegen diesen Milliarden-Beschaffungsauftrag nicht wiederholen. Sie wurden inzwischen von sachverständigen Fachleuten mehr als bestätigt. Sie können dies in einem interessanten Artikel im Heft 1/69 von „Wehr und Wirtschaft" sowie in anderen Luftfahrtzeitschriften lesen. Ich möchte aber gerade auf unsere, in diesem Zusammenhang geäußerten Befürchtungen wegen des Rückschlags für die eigene Entwicklung eines neuen Kampfflugzeuges nochmals eingehen. Wir haben die negativen Auswirkungeen auf die deutsche Flugzeugindustrie im Falle des „Phantom"-Kaufes betont und statt dessen die vordringliche Entwicklung NKF gefordert. Alle Kollegen des Ausschusses haben auch einem entsprechenden Antrag auf Entwicklung des neuen Kampfflugzeugs zugestimmt, weil sie wohl alle wissen, welche positiven Impulse auf die gesamte deutsche Volkswirtschaft von der Förderung solcher Zukunftstechnologien ausgehen. Heute ist die Frage, ob es zu einer internationalen Gemeinschaftsentwicklung des MRCA 75 oder einer nationalen Entwicklung des NKF — im Falle des Scheiterns der internationalen Gemeinschaftsentwicklung — kommt, offener denn je. Ich will jetzt nicht auf Details eingehen, die unsere damals geäußerten Befürchtungen nur bestätigen würden, aber angesichts des Zeitdrucks — bedingt durch den Ablösungstermin der F 104/G 91 — müssen wir jetzt die Regierung zu einer schnellen Entscheidung auffordern und fragen, a) ob sie eine eigene Waffensystementwicklung (NKF/MRCA 75) verwirklichen wird, b) ob sie eine Anpassungsentwicklung an vorhandene ausländische Fluggeräte, z. B. entfeinerte Phantom-„International", als Interimslösung oder eine Fortentwicklung der französischen Mirage G in die Überlegungen einbezieht, c) oder ob sie letztendlich doch wieder ein neuentwickeltes amerikanisches Flugzeug-Waffensystem, die F 14 (bzw. FX) kaufen wird, aus Devisenausgleichsgründen, aus politischen Gründen oder aus welchen Gründen auch immer. Letzteres würde dann wohl gleichbedeutend sein mit dem Ende unserer eigenen Luft- und Raumfahrtindustrie. Unsere letzten Wissenschaftler und Techniker auf diesem Sektor würden die Aussichtslosigkeit ihres Wirkens hier in Deutschland endgültig erkennen und abwandern. Wir würden mit Lizenzkäufen leben und in den Zukunftstechniken und -wissenschaften weiter absteigen. Die Bundesrepublik Deutschland würde dann in der Futurologie bestenfalls das sechste Rad am Wagen sein. Die Verteidigungspolitik und der Verteidigungsetat sollten nicht zuletzt auch unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden. Deshalb ist es auch unverständlich, daß diese Bundesregierung immer wieder wichtige Entscheidungen vor sich herschiebt, klare Entschlüsse meidet und selbstbewußtes, mutiges Auftreten auch gegenüber starken Bündnispartnern scheut. Wenn der Herr Bundesaußenminister gesagt hat: Es gilt Arbeitsplätze, wachsenden Wohlstand durch umfassenderes Wissen und Bildung für morgen und übermorgen zu sichern, dann hat er damit auch dieses Problem angesprochen. Er sollte deshalb schnell handeln, bevor er sich endgültig dem Vorwurf aussetzt, daß diese übergroße Regierungskoalition vor lauter Kraft nicht gehen kann. Wir alle tragen die Verantwortung, und deshalb würden wir, die Opposition, die Koalition bei der Lösung dieses Problems gerne schon heute unterstützen. Ein klärendes Wort des Herrn Ministers ist unerläßlich. 12146 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 Anlage 7 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Moersch (FDP) zu Punkt II 7 der Tagesordnung Der Gesetzentwurf der FDP berührt im Hinblick auf die Sozialversicherung zwei Fragenkomplexe: 1. eine Befreiung von der Versicherungspflicht bei a) einer zurückgelegten anrechnungsfähigen Versicherungszeit von 30 Jahren oder b) bei einer zurückgelegten Beitragszeit (Wartezeit für das Altersruhegeld) von 15 Jahren, nach Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenze (1969 1700 DM), wenn eine entsprechende anderweitige Vorsorge durch eine Versicherung getroffen worden ist; 2. einen Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuß in der Höhe, wie er zu entrichten wäre, wenn die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung bestehen würde. Die Beschlüsse der Großen Koalition im Rahmen des Finanzänderungsgesetzes und auch die Absichten zur Lohnfortzahlung schränken den verfügbaren Anteil (Nettoeinkommen) der Arbeiter und Angestellten am Bruttoeinkommen immer stärker ein. Dieser Prozeß der Sozialisierung der Einkommen (Reduzierung der Nettoeinkommen) ist in der Vergangenheit nur während der Beteiligung der FDP durch die Steuerreform 1964 gestoppt worden. Dieses Politik führt zu einem Zielkonflikt mit der allseits propagierten und als notwendig erkannten Förderung privaten Eigentums und privater Vermögen. Gerade die Bezieher von Arbeitnehmereinkommen werden so mehr von der Möglichkeit ausgeschlossen, noch während des Arbeitslebens aus ihrem Erwerbseinkommen Vermögen zu bilden. Die FDP will daher durch die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht, wenn Ansprüche vorhanden sind, die eine Grundsicherung für das Alter bedeuten, dem einzelnen die Chance geben, selbst zu entscheiden, wie er einen Teil seines erarbeiteten Einkommens anlegen will. Eine befreiende Lebensversicherung gibt nicht nur die Möglichkeit, a) das angesparte oder sonst erworbene Vermögen zu vererben, sondern auch die Möglichkeit, b) die entsprechenden Werte vor der Leistung zu beleihen und entsprechend einzusetzen. Wir Freien Demokraten sind selbstverständlich auch bereit, andere Formen der Vermögensbildung alternativ an Stelle der Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung aufzunehmen (Bausparen usw.). Die Zielsetzung der Rentenreform von 1957 ist trotz Hochkonjunktur nicht erreicht worden und wird auch trotz steigender Beitragssätze, ohne entsprechend höhere Ansprüche, in absehbarer Zeit nicht erreicht werden. 60 % des vergleichbaren Bruttoeinkommens hat man 1957 demjenigen versprochen, der 40 anrechnungsfähige Versicherungsjahre aufzuweisen hat. Die Beitragssätze sind wesentlich höher geworden, und das Ziel ist nur zu drei Vierteln erreicht. Die FDP macht daher ihre Vorschläge im Hinblick auf ihre seit langem diskutierte Vorstellung (Mischnick-Plan) zu einer Altersversorgung und einer Altersvorsorge, bei der der einzelne Arbeiter und Angestellte noch während des Arbeitslebens die Chance erhält, über die Vermögensbildung und die Form der Vorsorge mit zu entscheiden. Das jetzige System ist unsozial gegenüber dem Beitragszahler und dessen Familienangehörigen, wenn er das durchschnittliche Lebensalter nicht erreicht. Er hat dann unter Umständen ein Leben lang hohe Beiträge entrichtet, ohne in den Genuß von Leistungen zu kommen und ohne seinen Familienangehörigen davon etwas zu hinterlassen, wenn sie nicht anspruchsberechtigt im Sinne der Rentenversicherung sind. Hier geht es darum, mehr Freiheit in Form und Ziel der Vermögensbildung und der Altersvorsorge zu geben. Zur Finanzierung. Der Einwand, aus finanziellen Gründen, im Hinblick auf die Lage der Rentenversicherung könne dem FDP-Vorschlag nicht zugestimmt werden, ist nicht stichhaltig. Die CDU und SPD haben ohne finanzielle Notwendigkeit alle Angestellten versicherungspflichtig gemacht, um dadurch zusätzliche Beiträge für die Angestelltenrentenversicherung von jährlich mehr als 600 Millionen DM zu erhalten, obwohl nach neuen Berechnungen nach dem geltenden Recht das Vermögen der Angestelltenrentenversicherung in den nächsten Jahren auf bis zu 20 Milliarden D-Mark ansteigen kann. Außerdem werden durch eine Zustimmung zu unseren Vorschlägen keine neuen grundsätzlichen Probleme geschaffen. Soweit sie vorhanden sind, sind sie von dieser Koalition nicht gelöst worden und werden mit den bekanntgewordenen Vorstellungen auch nicht gelöst, wenn man einmal davon absieht, daß die Bundesregierung selbst zu konkreten zukunftssicheren Vorschlägen und zu eigenen Gesetzentwürfen bisher nicht in der Lage war. Die Große Koalition, d. h. die CDU und SPD, haben nicht nur alle Angestellten zu Zwangsversicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung gemacht, obwohl bei dieser, wie erwähnt, gar kein entsprechender finanzieller Bedarf vorhanden war, sie haben gleichzeitig diejenigen materiell diskriminiert, die von einer befristeten Befreiungsmöglichkeit Gebrauch gemacht haben, in dem man ihnen, gegen die Vorschläge der FDP, einen Anspruch auf einen entsprechenden Arbeitgeberzuschuß vorenthalten hat. Das soziale Gewissen von CDU und SPD gegenüber den Angestellten ist nicht nur im Hinblick auf die Altersversicherung, sondern auch in der Krankenversicherung dort am Ende, wo sie auf Grund freiwilliger Entscheidungen oder auf Grund gesetzlicher Bestimmungen nicht Mitglieder einer gesetzlichen Einrichtung sind. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12147 Wir Freien Demokraten stellen hiermit erneut den Antrag, daß die Angestellten, die in einer anderen Form Altersvorsorge betreiben wollen oder Chancen der Vermögensbildung wahrnehmen, durch die Gewährung eines Arbeitgeberanteils denjenigen Angestellten materiell gleichgestellt werden, für die der Arbeitgeber die entsprechenden Leistungen zur gesetzlichen Rentenversicherung zu erbringen hat. Bei der Zustimmung oder Ablehnung dieses Vorschlages oder einer anderen entsprechenden Lösung wird sich zeigen, ob das soziale Gewissen der CDU und SPD auch für jeden einzelnen Angestellten schlägt oder ob es an den Interessen einzelner Institutionen und ihrer Mitglieder endet. Anlage 8 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Stücklen (CDU/CSU) zu Punkt II, 9 der Tagesordnung Mit der Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur in entwicklungsbedürftigen Gebieten hat die CDU/CSU-Fraktion die Initiative ergriffen, um ein zusätzliches Instrument zur Förderung der Wirtschaftskraft dieser Gebiete zu schaffen. Die Betonung liegt auf „zusätzlich", denn das bewährte System von Vergünstigungen soll nur ergänzt und nicht verändert werden. Die Initiatoren dieses Entwurfs sind sich dabei der Tatsache bewußt, daß die regionalen Förderungsmaßnahmen von vielen Seiten sehr kritisch betrachtet werden und der volkswirtschaftliche Effekt dieser Maßnahmen häufig in Zweifel gezogen wird. Ich möchte daher zwei Punkte besonders herausstellen: Erstens: Die bisherigen Bemühungen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur mit den begrenzten Haushaltsmitteln haben durchaus einen sichtbaren volkswirtschaftlichen Effekt erzielt. Zweitens: Eine Verstärkung unserer Bemühungen auf diesem Gebiet ist künftig dringend geboten, um zu einer optimalen Entwicklung der wirtschaftlichen Struktur zu gelangen. Denn diese optimale Entwicklung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Wachstum der deutschen Volkswirtschaft überhaupt. Die Bundesrepublik, ein Staat mit dem vergleichsweise kleinen Staatsgebiet von 250 000 qkm, weist ein erhebliches regionales Gefälle auf. Die Ballungsgebiete um Rhein-Ruhr, Rhein-Main und Rhein-Neckar, um Hamburg, Hannover und München umfassen lediglich 13% der Fläche der Bundesrepublik. Dort wohnen aber 45% der Einwohner der Bundesrepublik und 50% der Industriebeschäftigten, die in diesem kleinen Raum 80 % des gesamten Bruttosozialproduktes erzeugen. Auf der anderen Seite werden 30% der Fläche des Bundesgebietes von nur 10 % der Bevölkerung bewohnt, deren proportionaler Anteil am Bruttosozialprodukt weit unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Die Unionsparteien haben schon immer darauf hingewiesen, daß die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in unserem Land eine staatliche Daueraufgabe ist. Auf Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages im Jahre 1953, der auf eine Initiative der CSU zurückgeht, ist das Regionale Förderungsprogramm geschaffen worden. Für die Abgrenzung der Gebiete, die einer besonderen wirtschaftlichen Förderung bedürftig erschienen, wurden drei Schwerpunkte gebildet: 1. Die Bundesausbaugebiete, die eine Fläche von ca. 30% der Gesamtfläche des Bundesgebietes umfassen; 2. das Zonenrandgebiet mit einem 40 km breiten Gebietsgürtel an der Grenze zur Zone und CSSR; 3. die Bundesausbauorte als lokale Zentren in schwach strukturierten ländlichen Gebieten. Die bisher erbrachten Leistungen für die Bundesfördergebiete sind beachtlich. Aus dem. Regionalen Förderungsprogramm des Bundes sind bei einem momentanen jährlichen Ansatz von 170 Millionen DM in den Jahren 1951 bis 1968 insgesamt 2,2 Mrd. DM in die Fördergebiete geflossen, nicht gerechnet die Mittel des ERP-Sondervermögens, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Auch die Länder haben in ihren Haushalten ergänzend erhebliche Mittel bereitgestellt. Beim Vollzug der Investitionsprogramme wurde auf Grund einer Initiative der CDU/CSU zum Kreditfinanzierungsgesetz die bevorzugte Bedienung der Fördergebiete sichergestellt. Zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten hat das gemeinsame Strukturprogramm (Ruhr-Saar-Zonenrand-Bundesausbaugebiete und Bundesausbauorte) geboten, mit dem innerhalb von 3 Jahren ein Investitionsvolumen von insgesamt 1,3 Mrd, DM gefördert werden soll. Dabei darf allerdings nicht verschwiegen werden, daß der größte Teil dieser Gelder nicht in die traditionellen Fördergebiete fließt, sondern den Steinkohlebergbaugebieten zugute kommt, die durch die Instrumentarien des Kohleanpassungsgesetzes zusätzliche Begünstigungen erfahren haben. Durch das Finanzreformgesetz soll die Verbesserung der regionalen -Wirtschaftsstruktur eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern werden. Ziel dieses neuen Verfassungsinstituts soll es sein, eine bessere Abstimmung und Koordinierung der Förderungsmaßnahmen von Bund und Ländern zu erzielen. Mit dem Ausführungsgesetz wird sich der Bundestag alsbald zu befassen haben. Von seiner Gestal- 12148 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 tung wird es abhängen, ob es gelingt, dieses neue Instrument im Geiste des „kooperativen Föderalismus" wirksam werden zu lassen. Mit den bisherigen Maßnahmen ist es zwar gelungen, ein weiteres Absinken der Wirtschaftskraft in diesen Gebieten zu verhindern, von einer befriedigenden Annäherung der Wirtschaftskraft der Fördergebiete an den Bundesdurchschnitt sind wir jedoch noch weit entfernt. Es ist gewiß eine Utopie, zu erwarten, daß die regionalen Unterschiede in der Wirtschaftskraft völlig ausgeglichen werden können. Dem steht schon die im System der Marktwirtschaft den Unternehmern zustehende Freiheit der Standortwahl entgegen. So wie die Verhältnisse aber heute noch liegen, können sie vom Staat mit Rücksicht auf die gesellschaftspolitischen Maximen, die wir alle billigen, nicht tatenlos hingenommen werden, ohne daß die Gefahr besteht, daß wir in unseren politischen Maximen unglaubwürdig werden. Ich darf in diesem Zusammenhang verweisen auf den soeben vorgelegten Raumordnungsbericht 1968 der Bunderegierung. Er enthält u. a. folgende wichtige Feststellungen, die den gegenwärtigen Stand der wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik kennzeichnen: — das weitere Wachsen der Verdichtungsräume, — der fortschreitende Verstädterungsprozeß, — der zahlen- und flächenmäßige Rückgang der Landwirtschaft und — das räumliche Ungleichgewicht in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Bundesgebietes. Das wirtschaftliche Ungleichgewicht wird deutlich sichtbar aus den extremen Unterschieden im Bruttoinlandsprodukt in den verschiedenen Regionen unseres Landes. So beträgt beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt je Kopf der Wohnbevölkerung auf der Basis des Jahres 1966 in Wolfsburg 31 570 DM, Hamburg 13 930 DM, Düsseldorf 13 750 DM; demgegenüber in Lüneburg (Niedersachsen) 4180 DM, Prüm (Rheinland-Pfalz) 3690 DM, Neumarkt (Oberpfalz) 3050 DM. Obwohl die Vergleichszahlen für die Jahre 1967 und 1968 noch nicht vorliegen, gibt es sichere Kriterien, die den Schluß zulassen, daß sich in den traditionellen Fördergebieten der wirtschaftliche Rückgang im Jahre 1967 besonders schmerzlich ausgewirkt hat. Das nominale Wirtschaftswachstum von lediglich 0,7% 1967 ist das Resultat einer im Bundesgebiet ungleichmäßig verlaufenen Entwicklung. Es gab Räume, die 1967 ein Wachstum von + 4% erzielten und solche, in denen das Bruttoinlandsprodukt um 4 % abnahm. Daraus wird schon deutlich, daß sich die Schere noch weiter geöffnet hat. Der bayerische Wirtschaftsminister Schedl hat in einem im August 1968 dem Bayerischen Landtag vorgelegten Bericht über die wirtschaftliche Entwicklung des bayerischen Zonenrandgebiets im Jahre 1967 darauf hingewiesen, daß die industriellen Arbeitsplätze im Zonenrandgebiet wesentlich stärker gefährdet waren als im übrigen Bundesgebiet. Es gab im Frühjahr 1967 Landkreise in Bayern mit einer Arbeitslosigkeit bis zu 35 %. Es muß anerkannt werden, daß das Auftragsvolumen von 1,7 Milliarden DM, das im Zuge der Investitionshaushalte und zusätzlichen Strukturprogramme des Bundes ins Zonenrandgebiet floß, dazu beigetragen hat, die Lage zu verbessern. Dennoch gibt es beispielsweise im ostbayerischen Grenzland auch im Januar/Februar 1969 eine Anzahl Landkreise, die eine Arbeitslosigkeit zwischen 20 und 35 % ausweisen. Daß die Normalisierung des Arbeitsmarktes nicht im erwünschten Maße eingetreten ist, liegt daran, daß die zur Wiederbelebung der Konjunktur ergriffenen Maßnahmen im großen und ganzen global eingesetzt werden. Die Bundesregierung war der Auffassung, daß die besonders gravierenden Auswirkungen in den zurückgebliebenen Gebieten automatisch durch die Konjunkturbelebung wiedergutgemacht werden. Wie die vorgenannten Zahlen zeigen, hat sich dieses Vertrauen auf den Mechanismus der Konjunkturentwicklung als unangebracht erwiesen. Vielmehr bedroht die soziale Erosion nach wie vor die wirtschaftlichen Randgebiete, deren Selbstheilungsvermögen mit dem der wirtschaftlichen Ballungsräume nicht verglichen werden darf. Erst seit der ausführlichen Debatte im Januar 1968 in diesem Hause anläßlich der Großen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion betreffend sektorale und regionale Strukturpolitik wird diese Problematik von der Regierung voll erkannt und wird der regionalen Strukturpolitik der ihr gebührende Rang eingeräumt. Die Nöte der wirtschaftsschwachen Gebiete stehen im Schatten der sicherlich dringenden Bewältigung der sektoralen Schwierigkeiten im Kohlebergbau; das Ergebnis ist, daß das Kohlerevier infolge der laufenden Subventionen mit sektoralem Bezug und infolge der Fördermaßnahmen des Kohleanpassungsgesetzes und der Konjunktur- und Strukturprogramme heute einen weitaus größeren Anreiz für Industrieansiedlung bietet als die herkömmlichen Förderräume. Das Revier hat unbestritten den Vorteil einer schon bisher hervorragenden Verkehrserschließung, der Marktnähe und ausgebauter Infrastruktureinrichtungen. Die Bedingungen für die Industrieansiedlung im Revier sind so günstig, daß die traditionellen Fördergebiete mit den bisher zur Verfügung stehenden Anreizen nicht konkurrieren können. Zudem wiegt der Agglomerationsvorteil schwer; ein dicht besiedeltes Gebiet mit bereits vorhandener hoher Produktivität und einer zahlenmäßig starken Wirtschaftsbevölkerung läßt die Rentierlichkeit einer Investition schneller eintreten als das bei der gleichen Investition in einem dünn besiedelten Gebiet mit schwach entwickeltem regionalen Markt der Fall wäre. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12149 Wenn ich so ausführlich auf die strukturellen Vorteile des Steinkohlebergbaugebiets gegenüber dem Zonenrand- und Bundesausbaugebiet eingegangen bin, dann nicht einer kleinkarierten Rivalität wegen. Alle in diesem Hause haben die zur Lösung des Kohleproblems dringend erforderlichen Maßnahmen unterstützt und durch das Kohleanpassungsgesetz die Voraussetzungen für eine Gesundung des Steinkohlebergbaus geschaffen. Jetzt geht es darum, mit der gleichen Intensität die Wirtschaftsstruktur in den anderen mit Strukturproblemen belasteten Regionen zu verbessern. Dies ist die Zielsetzung des von der CDU/CSU- Fraktion vorgelegten Gesetzentwurfs. Dabei muß ganz klar herausgestellt werden, daß es sich hier gegenüber den Bergbaugebieten nicht um eine Bevorzugung, sondern nur um einen Versuch der Gleichstellung handelt, wenn als Gegengewicht zur Investitionsprämie nach § 32 des Kohleanpassungsgesetzes die Investitionszulage entsprechend diesem Gesetzentwurf eingeführt wird. Die Tatsache, daß im Gegensatz zur Investitionsprämie die Investitionszulage vom Steueraufkommen unabhängig ist, soll dabei einen gewissen Ausgleich zu den besonders schwerwiegenden Standortvorteilen bringen, die die Steinkohlebergbaugebiete ohnehin und unabhängig von staatlichen Investitionsanreizen begünstigen. Die vorhandenen Bundesfördergebiete sind überwiegend solche mit einer unterdurchschnittlichen landwirtschaftlichen Ertragskraft, in denen sich die sektoralen Probleme der Landwirtschaft mit agrarpolitischen Maßnahmen allein nicht bewältigen lassen. Wenn man die Industrieansiedlung in diesen Bereichen fördert, wird gleichzeitig ein wesentlicher Beitrag geleistet, den auf dem Gebiet der Landwirtschaftspolitik auf uns zukommenden schwierigen Aufgaben gerecht zu werden, deren Umfang und Bedeutung der Bundestag unlängst ausführlich diskutiert hat. Wir halten es für richtig, daß im Zuge des agrarpolitischen Programms der Bundesregierung die Industrialisierung ländlicher Räume als besonders vordringlich betont wird. Wir haben ferner die Absichtserklärung des Bundeswirtschaftsministers zur Kenntnis genommen, zu diesem Zweck 10 regionale Aktionsprogramme aufzustellen, die jeweils für 5 Jahre Planungsziel, Maßnahmen und jährliche Ausgaben festlegen und eine schwerpunktmäßige Förderung mit Mitteln des regionalen Förderungsprogramms erlauben. Ich möchte aber heute bereits mit Nachdruck darauf hinweisen, daß die CSU nicht damit einverstanden sein wird, wenn die Förderung nur auf Standorte beschränkt werden sollte, die einen Einzugsbereich von mindestens 20 000 Einwohnern haben. Im übrigen halten wir es für erforderlich, zur gleichen Zeit, zu der die EWG von uns durchgreifende Entscheidungen verlangt, den in der Landwirtschaft Beschäftigten durch konkrete Maßnahmen zu zeigen, daß wir für die Bereitstellung einer beruflichen Alternative sorgen. Anläßlich der Strukturdebatte in diesem Hause Anfang 1968 hat meine Fraktion in ihrem Entschließungsantrag neben vorrangigen Maßnahmen in den Steinkohlebergbaugebieten die Einbeziehung aller mit strukturproblemen belasteten Regionen, insbesondere das Zonenrandgebiet und die Bundesausbaugebiete, gefordert. Darüber hinaus hat sich die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Entschließungsantrag unter Hinweis auf den Umstrukturierungsprozeß in der deutschen Landwirtschaft ausdrücklich gegen die Bevorzugung eines bestimmten Problemgebietes ausgesprochen. Meine politischen Freunde haben bereits damals in der Debatte über die Große Anfrage zur Strukturpolitik neue steuerliche Anreize — ähnlich wie im Kohleanpassungsgesetz — gefordert. Demgegenüber verlangte die SPD-Fraktion in ihrem Entschließungsantrag die Aufstellung eines Strukturprogramms nur für die Steinkohlenbergbaugebiete und das Zonenrandgebiet. Wir begrüßen es daher, daß die Bundesregierung in ihr gemeinsames Strukturprogramm — entsprechend der Entschließung der CDU/CSU-Fraktion — nicht nur die Steinkohlebergbaugebiete und das Zonenrandgebiet, sondern auch die Bundesausbaugebiete und die Bundesausbauorte einbezogen hat. Das damalige Petitum nach neuen steuerlichen Anreizen — ähnlich dem Kohleanpassungsgesetz — soll mit diesem Gesetzentwurf in die Tat umgesetzt werden. Zu den Einzelheiten des Gesetzentwurfs! Die Vorschriften über die Investitionszulage folgen dem Muster des Berlin-Hilfegesetzes. Bemessungsgrundlage für die Zulage sind die Kosten der Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren beweglichen oder unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens mit Ausnahme der geringwertigen Wirtschaftsgüter. Der Entwurf bezweckt die zusätzliche Förderung der Industrieansiedlung und damit die Schaffung von gewerblichen Arbeitsplätzen in den bereits bisher vom Bund besonders geförderten Gebieten und räumt zugleich unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit ein, außerhalb dieser Gebiete die Investitionszulage in Orten zu gewähren, in denen der Anpassungsprozeß in der Landwirtschaft die Schaffung gewerblicher Arbeitsplätze erfordert. Im Gegensatz zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Zweiten Steueränderungsgesetzes 1968, dessen Artikel 1 die Einführung einer Investitionszulage vorsieht, will unser Entwurf die Zulage auch für Investitionen gewähren, die zur Erhaltung und Sicherung von bereits vorhandenen Arbeitsplätzen in den Bundesfördergebieten dienen, weil sonst die Gefahr besteht, daß solche Investitionen außerhalb der Fördergebiete vorgenommen werden. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die Produktionsstätten sowohl in den Fördergebieten als auch außerhalb unterhalten. Auch würde die in den Fördergebieten ansässige Industrie es nicht verstehen, wenn sie bei der Durchführung von Investitionen, die zur Erhaltung der Wettbewerbskraft erforderlich sind, schlechter gestellt 12150 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 würde als Betriebe, die im Fördergebiet neu ansiedeln oder erweitern. Für die Einbeziehung von Rationalisierungs-, Modernisierungs- und Anpassungsmaßnahmen spricht nicht zuletzt auch die Tatsache, daß der Erhaltung und Festigung der in den Fördergebieten bereits bestehenden gewerblichen Arbeitskräfte regionalwirtschaftlich eine fast noch stärkere Bedeutung zukommt, als der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Als weiterer wesentlicher Unterschied zu dem heute ebenfalls zur Beratung anstehenden Regierungsentwurf ist hervorzuheben, daß die Vorrangstellung des Zonenrandgebietes dadurch aufrechterhalten werden soll, daß dort die Investitionszulage 15 % betragen soll, während sie in den übrigen Gebieten auf 10 % beschränkt ist. Die Zulage wird unabhängig von der Gewinnlage des antragstellenden Unternehmens durch Bescheid des Finanzamtes festgesetzt und aus den Steuereinnahmen gewährt. Bund und Länder teilen sich die dadurch entstehenden Steuerausfälle im Verhältnis des Verteilungsschlüssels für die Einkommens- und Körperschaftssteuern. Da die Zulage nicht zu den Einkünften im Sinne des Einkommensteuerechts gehören soll, tritt nicht der unerwünschte Effekt wie bei den Investitionszuschüssen aus dem regionalen Förderungsprogramm ein, daß der Zuschuß entweder aktiviert werden muß oder daß Abschreibungen für Abnutzung in Höhe des durch den Zuschuß geförderten Investitionsvolumens nicht möglich sind. Bei der Investitionszulage werden Abschreibungsmöglichkeiten vom vollen Wert der angeschafften Einrichtungen einschließlich der Zulage gewährt. Die Bundesregierung schätzt die durch ihren Entwurf veranlaßten Steuerausfälle auf ca. 105 Millionen DM. Zweifellos wird unser Entwurf höhere Ausfälle verursachen, die im Zuge der Beratungen in den Ausschüssen noch zu klären sein werden. In welchem Verhältnis die Mindereinnahmen Bund und Länder treffen, wird sich letztlich im Zuge der Beratungen über die Finanzreform und den Gesetzentwurf über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" entscheiden. Gleichzeitig muß dabei die Investitionszulage in Zusammenhang mit den Zuschußgewährungen aus dem regionalen Förderungsprogramm gebracht werden. Der EWG-Vertrag beschränkt die staatlichen Beihilfen zur Verbesserung der unterstrukturierten Gebiete auf einen gewissen Prozentsatz (15 bzw. 25 %), so daß im Einzelfall Leistungen aus dem Zuschußprogramm und Leistungen auf Grund der Investitionszulage zusammengerechnet werden müssen. Nach dem Gesetzentwurf über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" erstattet der Bund die Hälfte der aus dem Vollzug der vom Land gemäß dem Rahmenplan getroffenen wirtschaftsfördernden Maßnahmen. Es muß die Frage gelöst werden, wie bei den Leistungen sowohl auf Grund des Investitionszulagegesetzes als auch auf Grund des Zuschußprogramms zu verfahren ist. Um sicherzustellen, daß im Zonenrandgebiet sowohl die konventionellen Förderungsmittel wie auch die Investitionszulage im Einzelfalle eingesetzt werden können, muß die Bundesregierung bei der EWG darauf hinwirken, daß diese ihre Zustimmung dazu erteilt, in einem besonders gefährdeten Gebiet, wie es das Zonenrandgebiet darstellt, Beihilfen bis zur Höhe von insgesamt 25 % der Investitionssumme zu gewähren. Gerade die gegenwärtige Konjunkturlage bietet günstige Voraussetzungen für eine Verstärkung der wirtschaftlichen Auftriebskräfte in den strukturell benachteiligten Gebieten und Wirtschaftsbereichen. Sie gilt es ohne viel Zeitverlust zu nutzen. Wir begrüßen daher den Beschluß des Konjunkturrates, konjunkturdämpfende Maßnahmen nicht auf strukturpolitisch wichtige Maßnahmen anzuwenden. Schnelle Verabschiedung tut not; denn danach richten sich auch die Unternehmerdispositionen, und danach wird es sich infolgedessen richten, ob es schon in naher Zukunft gelingt, ein Stück des wirtschaftlichen Abstandes der schwach strukturierten Gebiete gegenüber dem Bundesdurchschnitt und erst recht gegenüber den Ballungsgebieten aufzuholen. Lassen Sie mich zum Schluß ein Zitat aus dem Raumordnungsbericht 1968 bringen, das unserer Bitte nach schnellem Handeln beredten Ausdruck verleiht. Es lautet: Aus den gesamtwirtschaftlichen Strukturwandlungen und den voraussichtlichen Tendenzen der Standortwahl für Industriebetriebe ergibt sich, daß in den zurückbleibenden Gebieten industriell-gewerbliche Arbeitsplätze nur noch bis etwa 1975 in nennenswertem Umfang geschaffen werden können. Zeitlich müssen also die insgesamt langfristig erforderlichen Entwicklungsmaßnahmen vorgezogen und in den nächsten Jahren massiert werden, wenn sie den angestrebten Erfolg erbringen sollen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 20. März 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Josten (Drucksache V/3976 Frage 42) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß zur Ausstattung der Betriebsprüfer bei den Finanzämtern das Bundessteuerblatt Teil II gehört, aber die Sparmaßnahmen bei der Finanzverwaltung so weit gehen, daß die Zuteilung dieses Bundessteuerblattes nicht an alle Betriebsprüfer erfolgt? Die Ausstattung der Finanzämter und ihrer Bediensteten mit Gesetzestexten, Gesetzblättern usw. fällt in die Zuständigkeit der Finanzverwaltungen Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1969 12151 der Länder. Die Bundesregierung hat deshalb keine Möglichkeit, unmittelbar auf die Ausstattung der Betriebsprüfer mit dem Teil II des Bundessteuerblattes einzuwirken. Ihr ist auch nicht bekannt, ob alle Betriebsprüfer mit dem Teil II des Bundessteuerblattes ausgestattet sind. Die Frage einer ausreichenden Versorgung der Finanzämter mit Handausgaben, Gesetzblättern usw. war bereits Gegenstand von Erörterungen mit Vertretern der Finanzminister der Länder und wird bei nächster Gelegenheit erneut mit ihnen besprochen werden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn dieses Hohe Haus es gestattet, dann werde ich kurz über meinen Aufgabenbereich im Zusammenhang mit den angesichts der konjunkturellen Entwicklung beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung berichten und auch in kurzem das Zweite Steueränderungsgesetz 1968 begründen.
    Die Bundesregierung hat vorgestern auf Grund eines gemeinsamen Vorschlages des Bundesministers der Finanzen und des Bundesministers für Wirtschaft ein Programm für weitere Maßnahmen zur Sicherung der Preisstabilität beschlossen, in dessen Mittelpunkt haushaltswirtschaftliche Maßnahmen stehen. Gestatten Sie mir einige wenige Ausführungen zu diesem in der Öffentlichkeit stark diskutierten Problem, dessen bisher bekanntgewordene, durch nichts mehr jetzt zu ergänzende Teile auch die beachtliche Aufmerksamkeit aller parlamentarischen Kräfte gefunden haben.
    Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit wiederholt ihre Absicht bekundet, die weitere konjunkturelle Entwicklung sorgfältig zu beobachten. Sie hat ausdrücklich ihren Willen und ihre Entschlossenheit bekundet, auch bei Gefahr einer konjunkturellen Überhitzung der Nachfrage rechtzeitig die ihn nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz zu Gebote stehenden Instrumente einzusetzen. Ich darf besonders auf die Erklärung zur Finanzplanung 1968/1972 vom September vergangenen Jahres und auf den Jahreswirtschaftsbericht 1969 hinweisen.
    Schneller, als manche erwartet haben, ist der Zeitpunkt gekommen, in dem das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz in umgekehrter Richtung als bei Überwindung der Rezession seine Bewährungsprobe bestehen muß. Der Konjunkturaufschwung des Jahres 1968 hat der Wirtschaft in der Bundesrepublik eine volle Ausnutzung ihrer Kapazitäten zurückgebracht. Eine hohe Beschäftigung und eine kräftige Aufholbewegung im wirtschaftlichen Wachstumsprozeß haben gottlob alle pessimistischen Prognosen widerlegt, die bis weit in das Jahr 1968 hineinreichten. Zu Beginn des Jahres 1969 steht unsere Wirtschaft bereits in einer Phase der Hochkonjunktur. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß im magischen Viereck der Ziele die Preisniveaustabilität gegenwärtig im Vordergrund zu stehen hat.
    Ich will hier nicht alle Konjunkturdaten vortragen, die die Bundesregierung bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat, — auch angesichts dessen, daß der an diesem Programm, an der Kabinettsvorlage beteiligte Bundesminister für Wirtschaft anschließend zu der wirtschaftspolitischen Beurteilung und zu den damit verbundenen Zahlen Stellung nehmen wird. Deshalb darf ich mich auf wenige Brennpunkte beschränken.
    Ich verweise auf den Anstieg — den anhaltenden Anstieg — der industriellen Produktion. Schon seit dem vergangenen Herbst ist das jeweilige Vorjahresniveau übertroffen worden. Im Januar 1969 lag die industrielle Produktion 16,5 v. H. über dem Stand vom Januar 1968. Die Kapazitätsauslastung stieg auf 87 v. H. an, eine Zahl, die sonst nur in den Hochkonjunkturjahren erreicht wurde.
    Stärker noch als die Produktion nahmen die Auftragseingänge im Januar 1969 zu. Sie waren um 23,8 v. H. größer als im entsprechenden Monat des Vorjahres. Selbst gegenüber Dezember 1968 ist der Auftragseingang im Januar 1969 noch um 0,3 v. H. gestiegen, während er im Durchschnitt der Jahre 1964 bis 1968 saisonüblicherweise jeweils vom Januar bis zum Dezember um 3,8 v. H. zurückgegangen ist. Die Auftragsentwicklung verlief aber unterschiedlich je nach Wirtschaftsbereich. So war sie in der Grundstoffindustrie im Januar 1969 um 5,8 v. H. in der Verbrauchsgüterindustrie um 8,8 v. H. größer als im Dezember 1968. Andererseits gingen die Aufträge in der Investitionsgüterindustrie im Januar 1969 gegenüber Dezember 1968 um 6,8 % zurück. Insgesamt hat die Auftragsentwicklung im Januar 1969 zu einem weiteren Anwachsen der Auftragsbestände in den meisten Wirtschaftsbereichen geführt.
    Auch der private Verbrauch entwickelte sich kräftig. Die Einzelhandelsumsätze lagen im Januar 1969 12 % höher als im Januar 1968. Bei anhaltender Preissteigerung im Ausland muß trotz einer Verminderung des Außenbeitrags durch das von uns beschlossene Absicherungsgesetz auch weiterhin mit einer lebhaften Entwicklung des Außenhandels gerechnet werden.



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    Der Arbeitsmarkt zeigt erhebliche Anspannungssymptome. Zwar stieg die Zahl der Arbeitslosen von Ende Januar bis Ende Februar 1969 witterungsbedingt nochmals leicht um 5500 auf 374 100 an. Gleichzeitig nahm aber die Zahl der offenen Stellen mit 74 500 wesentlich stärker zu und verzeichnete Ende Februar mit 624 700 einen neuen Rekord, der zu dieser Jahreszeit nicht einmal in dem Jahr der hochschäumenden Konjunktur 1965 erreicht worden war.
    Die Anspannung der Wirtschaft hat dazu geführt, daß sich das Preisklima verändert hat. Die Indices sind nach oben gerichtet. Man muß berücksichtigen, daß dabei auch administrativ bedingte Preiserhöhungen ihre Rolle spielen, z. B. die jetzt zu diesem Zeitpunkt sich natürlich nicht erfreulich auswirkenden Konsequenzen der Mietgesetzgebung.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einige Veröffentlichungen der letzten Tage verweisen, durch die der Leser, der täglich seine Tageszeitung liest, natürlich in Gefahr ist, beunruhigt zu werden. In der „Welt" vom 13. März heißt es: „Handel erwartet Preisauftrieb spätestens zum Herbst und im Winter". In der „Süddeutschen Zeitung" vom 14. März heißt es: „Stahlpreise ziehen kräftig an. Flachprodukte am kräftigsten gestiegen." Ich möchte jetzt nicht auf die Einzelheiten eingehen, aber das allgemeine Bild — auch in Details wiedergegeben — bestätigt, daß die Indices nach oben weisen und daß die Bundesregierung gemäß ihrer gesetzlichen Pflicht zu handeln hat, nicht um durch tief einschneidende, kahlhiebartige Maßnahmen eine Art Vollbremsung herbeizuführen, sondern um durch eine rechtzeitige Anwendung zwar auch spürbarer, aber doch nicht allzu schmerzlicher Maßnahmen etwas Dampf aus dem Kessel zu nehmen, wobei es manchmal nur um einen kleinen Betrag geht, der schon nach der einen wie nach der anderen Seite hin sehr wirksam wird.
    Wir stehen unter dem Zwang des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes. Es verpflichtet Bund und Länder in seinem § 1, bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen das Erfordernis des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Bundesregierung stand also nicht vor der Frage, ob sie etwas tun soll, sondern zur Debatte stand nur, was sie tun soll und eventuell wann sie es tun soll.
    Mit dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft bin ich der Auffassung, daß in erster Linie die öffentlichen Haushalte einen Beitrag zur Konjunkturpolitik leisten müssen. Es wäre umgekehrt mühsam oder sinnlos, wenn die privatwirtschaftliche Seite es auf die öffentlichen Haushalte und die für die Gestaltung der öffentlichen Haushalte Verantwortlichen es auf die privatwirtschaftliche Seite schieben würden. Wenn die öffentliche Hand nicht mit einem guten Beispiel vorangeht, ist es vergeblich, ein Klima für eine zurückhaltende Verhaltensweise bei Kostengestaltung und Preisgestaltung erwarten zu wollen.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf verweisen, daß jetzt der Zeitpunkt eingetreten ist, von dem wir früher manchmal gesprochen haben. Damals hatten wir Sorge um den Aufstieg der Konjunktur, wegen der Entwicklung des Arbeitsmarktes und wegen der Zunahme und Dauer der Arbeitslosigkeit. Damals haben wir sehr gern das Wort von der antizyklischen Wirtschafts- und Finanzpolitik verwendet, deren Erfordernis es sei, tiefer in die Saiten zu greifen, Konjunkturanreize zu geben, auch wenn dadurch die Staatsverschuldung erhöht wird. Und diesem Bekenntnis zur Wiederbelebung der Wirtschaft, womit allerdings natürlich Maßnahmen weniger schmerzhafter Art verbunden waren, wurde auch der Rütlischwur sozusagen routinemäßig angeheftet, daß man nach Gelingen des Werkes, nach Eintritt des Erfolges, auch selbstverständlich die Disziplin aufbringen werde, auch dann noch der antizyklischen Finanzpolitik treu zu bleiben, wenn etwa verführerische Beispiele aus der Vergangenheit wieder Sirenengesänge in Richtung eines prozyklischen Verhaltens sehr nahelegen würden. An dem Zeitpunkt sind wir jetzt angekommen, und die Diskussion darüber, gleichgültig in welchem Kreise — wir alle haben es da und dort erlebt —, auch die einlaufenden Anregungen, Empfehlungen, Mahnungen und schon Beschwerden und Proteste deuten darauf hin, daß man eine antizyklische Finanzpolitik im Zeichen der Hochkonjunktur doch als sehr unangenehm empfindet. Man kann aber nicht in der Rezession antizyklisch und in der Hochkonjunktur prozyklisch fahren, weil man nämlich dabei jeweils in einer Phase in der falschen Richtung Gas geben würde.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Als im Oktober vergangenen Jahres der Bundeshaushalt 1969 im Deutschen Bundestag eingebracht wurde, konnte die Bundesregierung unter den damaligen Gegebenheiten mit Recht darauf hinweisen, daß der kunjunkturgerechte Rahmen nicht überschritten würde. Diese Auffassung wurde seinerzeit auch von der Deutschen Bundesbank geteilt. Diese Aussage hat unter den veränderten Umständen in der Zwischenzeit einen Teil ihrer Gültigkeit verloren: Heute stehen wir vor der Tatsache, daß sich das Konjunkturklima in dem von mir erläuterten Sinne geändert hat, und heute wissen wir vor allem auch, daß der Haushalt 1968 aus konjunkturellen Gründen nicht in dem vorgesehenen Umfang vollzogen werden durfte und auch nicht vollzogen wurde. Damit wird nachträglich bestätigt, wie gerechtfertigt seinerzeit eine auch von mir geäußerte Auffassung über eine Politik maßvoll dosierter Konjunkturanregung war.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich darf darauf verweisen, daß der Sachverständigenrat Ende 1967 empfohlen hatte, die Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden im Jahre 1968 um 10% gegenüber 1967 zu erhöhen und die öffentlichen Investitionen, das heißt all das, was unter diesen Begriff fällt, bei allen drei Gebietskörperschaften um 30% im Jahre 1968 gegenüber 1967 zu steigern, wenn das vom Sachverständigenrat unter diesen und noch anderen Voraussetzungen für erreichbar erklärte Ziel erreicht werden sollte, nämlich ein reales Wachstum unserer Wirtschaft im Jahre 1968 von 6,4 %. Deshalb sollten nicht nur die öffentlichen Ausgaben um 10%, darunter die Investitionsausgaben um 30%, auf allen drei Ebenen erhöht werden, sondern es sollte auch zur Erreichung



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    dieses Ziels die Investitionsteuer um ein Jahr ausgesetzt werden, was uns in diesem Jahr in die wenig beneidenswerte Lage bringen würde, sie ein Jahr oder wenige Monate vor einem großen politischen Ereignis wieder einführen zu müssen, was sicherlich auf hellichte Begeisterung in diesem Hause stoßen würde. Hinzukommen sollten Maßnahmen wie z. B. Gewährung von steuerlichen Investitionsprämien, Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuertarife usw.
    Sie wissen, daß im Jahre 1968 ohne zusätzliche Maßnahmen ein etwas stärkeres reelles Wachstum als 6,4 %, nämlich 6,9 % — nominal fast 9 % —, erreicht worden ist. Ich möchte damit nicht auf die Gefährlichkeit oder Überflüssigkeit von Prognosen hinweisen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß man sich von Prognosen im Zusammenhang mit dem damit genannten Instrumentarium nicht geradezu in Besitz nehmen lassen darf.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Manche Dinge lassen sich nicht mit der Präzision kalkulieren, wie es wünschenswert wäre, z. B. auch die Entwicklung des außenwirtschaftlichen Beitrags. Ich bin sehr dafür — um ja nicht mißverstanden zu werden —, auch weiterhin einen breiten Fächer von Prognosenentwicklern zu beschäftigen, die Institute, den Sachverständigenrat, die Organe, die wir in unseren Ministerien haben. Aber man muß sich der Grenzen, innerhalb deren man sich auf Prognosen verlassen kann, auch bewußt sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    um nicht von Prognosen geblendet oder besessen zu werden.
    Deshalb nur wenige Worte zum Haushaltsvollzug 1968. Die Bundesausgaben von 1968 lagen bei Minderausgaben von rund 2 Milliarden DM in einem konjunkturpolitisch wünschenswerten, wenn auch am Anfang noch sehr bekämpften Sinne nur 0,5% über dem Ist des Jahres 1967. Das Ist des Jahres 1968 liegt nur 0,5 % über dem Ist des Jahres 1967 und nicht 10 %. Gleichzeitig war das Nettofinanzierungsdefizit, die Schuldenmehraufnahme, mit 4,7 Milliarden DM nur noch etwa halb so hoch wie 1967. Wir haben für das Jahr 1968 vom Parlament die Erlaubnis erhalten, für Haushaltszwecke 7,1 Milliarden DM Nettokredit, also Mehrverschuldung, aufzunehmen, und wir haben davon in der Größenordnung von 4,7 Milliarden DM Gebrauch gemacht, also 2,4 Milliarden DM weniger, als das Parlament erlaubt hat.
    Dazu muß ich noch ein grundsätzliches Wort sagen.
    Außerdem ist noch, ohne daß es im Haushalt eingeplant war, aber weil es die Finanzierungslage ermöglicht hat, ein Betrag von 1 Milliarde DM Schuldbuchforderungen frühzeitig, d. h. vor Ablauf der Fälligkeit, von den Rentenversicherungsträgern zurückgekauft wurden. Auch das war einerseits eine kontraktive Maßnahme, die aber andererseits verhindert hat, daß die Rentenversicherungsträger gezwungen waren, in dieser Größenordnung Rentenpapiere auf den Markt zu werfen und damit den höchst empfindlichen Rentenmarkt noch ihrerseits mit diesen Beträgen zu belasten, was um so schwieriger geworden wäre, als die Bundesbank ihre oberste Aufgabe mit Recht nicht darin sieht, in dieser Hinsicht eine Kurspflege zu betreiben und damit den normalen Ablauf des marktwirtschaftlichen Vollzugs auf dem Kapitalmarkt durch Interventionen etwas zu steuern. Wir wären also im letzten Jahre statt mit 4,7 Milliarden DM auch mit 3,7 Milliarden DM Nettokreditaufnahme ausgekommen, also mit 3,4 Miliarden DM weniger, als das Parlament erlaubt hatte.
    Wie ich vorhin andeutete, bin Ich mir der Gefahr bewußt, daß ich eventuell mißverstanden werden kann. Aber die unvermeidbare, aus der Natur der Sache heraus kommende Schwerfälligkeit der Aufstellung, Einbringung und parlamentarischen Prozedur des Haushalts steht natürlich in einem nicht auflösbaren Widerspruch zu den rasch wechselnden Sachlagen und den mit dem Wechsel der Sachlagen auftretenden Notwendigkeiten, den Vollzug des Haushalts anders zu gestalten, als es das Parlament erlaubt hat. Darum hat das Parlament damals, wie Sie wissen, aus gutem Grunde für das Überschreiten des Haushalts durch Konjunkturprogramme das Erfordernis der parlamentarischen Genehmigung — gegebenenfalls durch Verstreichenlassen der Frist — eingeführt, während es dasselbe Einwirkungsrecht für den Fall des Unterschreitens des Haushalts, der Nichtausgabe, nicht vorgesehen hat. Deshalb bitte ich um Verständnis dafür, daß die Bundesregierung in den Größenordnungen des Haushalts den Rahmen sieht, innerhalb dessen sie zu handeln ermächtigt und im allgemeinen auch verpflichtet ist, aber nicht mit der Maßgabe, daß man sie zwingen sollte, den vom Parlament genehmigten Rahmen auch dann bis zum letzten Pfennig auszuschöpfen, wenn es die rasche Entwicklung der konjunkturellen Lage erforderlich macht, hinter den Haushaltsansätzen zurückzubleiben.

    (Beifall in der Mitte.)

    Der Haushalt 1969 ist im Frühjahr 1968 aufgestellt worden. Im Frühjahr 1968 waren sich alle Propheten intra und extra muros noch ungewiß und unsicher, wie es weitergehen soll. Er ist im Herbst 1968 eingebracht worden. Dann erfolgte eine unerhört fleißige, natürlich bis in Detail gehende Arbeit der zuständigen Ausschüsse, an der Spitze des Haushaltsausschusses. Wir stehen jetzt vor der Verabschiedung. Ich könnte nicht empfehlen — ich bitte, hier nicht mißverstanden zu werden —, den Haushalt etwa im Rahmen der von der Bundesregierung gesperrten Mittel zu kürzen, um damit der Sicht von heute gerecht zu werden, sondern bitte, sich daran zu orientieren, daß die Bundesregierung einerseits die Grenze des Ermächtigungsrahmens im Haushalt sieht, wie er notfalls ausgenutzt werden kann, daß die Bundesregierung andererseits aber auch bereit ist, schmerzliche Abstriche, die wie immer im unvermeidlichen Widerstreit der Ressortinteressen nur mit großen Schwierigkeiten getätigt werden können, vorzunehmen, um dem Sinn und dem Auftrag des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes gerecht zu werden.



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    Hier stehen wir an einem der Schnittpunkte, wo die Regeln der klassischen parlamentarischen Demokratie, wo die Zuständigkeiten des souveränen Parlaments mit seinem am deutlichsten ausgeprägten Recht der Budgetgestaltung, im Widerspruch stehen zu der Notwendigkeit eines rasch reagiblen, flexiblen Verhaltens der für die Ausgabengestaltung zuständigen Organe im Vollzug des Haushalts. Würde der Haushalt 1969 ohne Rücksicht auf diese veränderten Fakten in dem Ihnen vorliegenden, vom Haushaltsausschuß abgeschlossenen Entwurf verwirklicht, dann würde für 1969 unter Einschluß der Mittel, die sich aus den außenwirtschaftlichen Absicherungsmaßnahmen ergeben, und unter Einschluß der Mittel, die sich aus der Anleiheaufnahme im Zuge des Devisenausgleichs ergeben, ein Mehr von 9,5% gegenüber dem Ist des Jahres 1968 entstehen.
    Neben der niedrigen Basis des Haushalts 1968 wird diese Steigerungsrate auch in der Höhe von etwa 1 Milliarde DM beeinflußt durch das Ergebnis der außenwirtschaftlichen Absicherungsmaßnahmen, das etwa 500 Millionen DM ausmacht, und durch weitere 500 Millionen DM Anleihe für Devisenausgleichszahlungen. Die letztgenannten 500 Millionen DM würden allerdings nicht binnenmarktwirksam werden. Wenn man dann noch bedenkt, daß es etwa 800 Millionen DM Ausgabereste gibt, die zur Sicherung in Angriff genommener Programme bei Ende des letzten Jahres mit Zustimmung des Bundesfinanzministers nicht erloschen sind, sondern übertragbar gemacht worden sind, dann würde sich das Soll des Haushalts 1969, voll ausgegeben, gegenüber dem Ist 1968 auf etwa 10,5%Zuwachs belaufen. Wenn wir die Mittel für das Anpassungsprogramm stillegen und die auslandswirksame Offset-Anleihe sowie andere Auslandszahlungen abziehen, dann wäre es immer noch ein Zuwachs von 8,7 % und auch der ist angesichts der konjunkturellen Lage noch zu hoch.
    Deshalb hat sich die Bundesregierung in dem Ihnen bekannten Programm für die Stillegung, richtiger ausgedrückt: vorläufige Sperre in einer Größenordnung von 1,57 Milliarden DM entschieden, so daß der binnenmarktwirksame Zuwachs der Bundesausgaben bei immer noch etwa 6,2% liegen würde und damit eine Größenordnung hätte, die sich trotz allem vertreten läßt. Wenn aber — das darf ich mit Nachdruck sagen, ohne Ihnen damit lästig fallen zu wollen — ein Zuwachs der Bundesausgaben im Jahre 1968 gegenüber 1967 um 0,5 % den konjunkturellen Aufschwung nicht verlangsamt und uns nicht etwa von der Erreichung des Zieles abgebracht, sondern im Gegenteil trotzdem eine Überschreitung des Zieles erlaubt hat, so ist es doch im Jahre 1969, wo die Konjunkturbeurteilung unstreitig ist, nicht mehr zu verantworten, sich die volle Ausgabe des Haushalts von 9,5%, unter Einschluß der Ausgabenreste von 10,5 % vorzunehmen.
    Über diese sehr nüchternen und wenig erfreulichen Zahlen mag man solche oder solche Gefühle haben, aber an ihrer Richtigkeit und an der Konsequenz, die aus ihnen gezogen werden muß, sollte es keinen Zweifel geben. Wenn man sich die Zahlen des Bundeshaushalts 1968 im Vergleich zu denen des Jahres 1967 ansieht, kommt man zu bestimmten Schlußfolgerungen, an denen man einfach nicht vorbeigehen kann: Sachverständigenrat plus 10%, davon plus 30 % für Investitionen genehmigter Haushalt plus 5,4 %, davon für Investitionen plus 11 %; Ist nach Abschluß plus 0,5 % — allgemein — davon für Investitionen plus 3,5%.
    Deshalb hat die Bundesregierung als Kernstück ihres Programms für weitere Maßnahmen zur Sicherung der Preisstabilität — auch, um damit einen Signaleffekt zu geben — beschlossen, den Bundeshaushalt 1969 in seinem Vollzug konjunkturgerecht zu gestalten, und zwar in der Weise, daß über binnenmarktwirksame Ausgaben in Höhe von rund 1,8 Milliarden DM vorläufig nicht verfügt werden darf. „Vorläufig" heißt: bis zu einer Überprüfung, die spätestens im Laufe des Monats Juli stattzufinden hat und dann entweder zur Freigabe oder zur Kürzung der Ausgaben — teilweise oder ganz — in dem hier genannten Rahmen führen könnte. Es handelt sich hier also auch nicht um eine Dauerkürzung; selbst dann, wenn die Bundesregierung zu der Auffassung käme, daß die Mittel in diesem Jahr in dieser Größenordnung gesperrt zu bleiben hätten, heißt das nicht, daß die mit diesen Mitteln beabsichtigten Programme gestrichen werden. Es heißt vielmehr, daß dann bestimmte Programme gestreckt werden müssen, und zwar aus den Gründen, die zu erläutern ich mich eben bemüht habe.
    Ich verweise hier auch darauf, daß die Bundesregierung bereits mit der Verabschiedung der mehrjährigen Finanzplanung im September letzten Jahres einen Kabinettsbeschluß gefaßt hat, durch den der Bundesminister der Finanzen und der Bundesminister für Wirtschaft beauftragt wurden, von allen Bundesressorts mehrjährige Investitionsprogramme einzuholen und diese Investitionsprogramme dann nach Prioritäten zu gliedern. Das geschah damals schon mit der Absicht, für den Fall einer zunehmenden konjunkturellen Entwicklung, einer konjunkturellen Wärme, bereits die Möglichkeit zu haben, bei lebenswichtigen Investitionen den ungehinderten Ablauf zu gewährleisten, bei weniger dringlichen Investitionen aber eine Streckung vorzunehmen, d. h. sie noch zurückzustellen. Alle solche Dinge sind unangenehm und schmerzlich. Wenn man über Investitionen spricht, dann gibt es fast überhaupt keine nicht lebenswichtigen — jeweils in der Sicht des Betroffenen oder Verantwortlichen; das nehme ich keinem übel.
    Man mag hier auch noch einwenden, daß die Bundesregierung — wie Ihnen bekannt ist — beschlossen hat, den Investitionsanteil an den öffentlichen Ausgaben langsam, promilleweise, zu erhöhen, um eine Umstrukturierung des Haushalts zu erreichen. Das ist richtig; aber andererseits kann man nicht leugnen, daß von Investitionen überhaupt — deshalb auch von öffentlichen Investitionen — eine besonders belebende Wirkung ausgeht, weil sie neben dem Primäreffekt auch einen Sekundär- und Tertiäreffekt auslösen.
    Der zweite Gesichtspunkt ist folgender. Wenn nach dem Stabilitätsgesetz Ausgaben zu sperren, zu



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    kürzen oder Programme zu strecken sind, dann möge man mir sagen, welche konsumtiven Ausgaben, die im Bundeshaushalt in unzähligen Einzelplänen enthalten sind, nach diesem Gebot des Stabilitätsgesetzes gestreckt werden könnten. Denn die meisten konsumtiven Ausgaben sind gesetzlich gebunden oder durch rechtliche Gewohnheit nicht mehr Gegenstand möglicher finanzieller Manipulationen. Außerdem aber würde der Zugriff auf dem Konsumsektor in diesem Falle weniger wirksam sein, selbst wenn er möglich wäre, weil er den Auftragsbestand weniger angreifen würde. Der Auftragsbestand und die Entwicklung der Aufträge sind für das konjunkturelle Klima noch bedeutsamer und noch einschneidender als etwa der Umfang der Produktion, die Höhe der Umsätze und die gegenwärtige Auslastung der Kapazitäten.
    Die Bundesregierung wird spätestens im Juli dieses Jahres prüfen, ob die beschlossenen Maßnahmen weiterhin notwendig sind. Auf diese Weise wollen wir erreichen, daß wir beim Vollzug des Bundeshaushalts 1969 in konjunkturpolitisch notwendigem Maße beweglich bleiben und trotzdem die weitere Auftragsvergabe kurzfristig drosseln. Die Verfügungssperre über 1,8 Milliarden DM soll erreicht werden, erstens durch eine weitere Zurückstellung von Ausgabemitteln von zusammen 1,57 Milliarden DM bei bestimmten, vorwiegend investiven Ausgabegruppen mit festen Beträgen für die jeweiligen Einzelpläne — nicht einfach mit globalen prozentualen Kürzungen —, zweitens durch eine Zurückstellung von 195 Millionen DM im Rahmen des binnenwirtschaftlichen Anpassungsprogramms. Dieser Betrag war bisher noch nicht für bestimmte Zwecke aufgeteilt worden.
    Unter Berücksichtigung der beschlossenen vorläufigen Minderausgaben von 1,8 Milliarden DM würde sich die Steigerung der Bundesausgaben 1969 ohne Restnachdeckung von den erwähnten 9,5 % auf 7,2% verringern. Schaltet man die im Vergleich zu 1968 höheren Auslandszahlungen, die die inländische Nachfrage — jedenfalls nicht kurzfristig, höchstens langfristig und teilweise — beeinflussen, beim Vergleich der Ausgaben aus, so ergibt sich eine Steigerung der binnenwirksamen Ausgaben von 5 bis 6 %. Dieses Ausgabenwachstum dürfte unter den derzeitigen konjunkturellen Bedingungen als vertretbar anzusehen sein.
    Die durch die Zurückstellung von Ausgaben entstehende Verminderung des Finanzbedarfs von rund 1,8 Milliarden DM sowie die vom Haushaltsausschuß beschlossenen Kürzungen in Höhe von 60 Millionen DM und die nach den letzten Steuerschätzungen zu erwartenden Steuermehreinnahmen in Höhe von 177 Millionen DM, die wesentlich unter dem liegen, was die Länder an Steuermehreinnahmen gegenüber der letzten Schätzung zu erwarten haben, sollen zur Verminderung der Nettokreditaufnahme des Bundes, namentlich zur Tilgung von kurzfristigen Schulden, verwendet werden.
    Was die Verwendung von konjunkturbedingten Steuermehreinnahmen betrifft, so ist auch die Frage der etwaigen Zuführung dieser Mittel an eine Konjunkturausgleichsrücklage nach § 7 des Stabilitäts-
    und Wachstumsgesetzes geprüft worden. In Übereinstimmung mit der Deutschen Bundesbank — ich darf fast sagen: auch auf besonderen Hinweis der Deutschen Bundesbank — sind wir zu der Auffassung gekommen, daß die derzeitigen konjunkturellen Probleme durch eine Verminderung der Nettokreditaufnahme besser gelöst werden können als durch die Bildung einer Konjunkturausgleichsrücklage. Mir fällt auch keine Perle aus der Krone, wenn ich sage, daß ich ursprünglich für die Bildung einer Konjunkturausgleichsrücklage bei Bund und Ländern eingetreten bin, daß mich aber die Argumente der Bundesbank, nicht durch Stillegung des Geldes die Fungibilität des Kapitalmarktes einzuschränken und nicht dadurch einen Druck auf den Zinssatz nach oben auszuüben, überzeugt haben, weshalb in dreiseitiger Übereinstimmung — Bundesbank, Bundesminister für Wirtschaft und Bundesminister der Finanzen — die Verwendung der Minderausgaben bzw. der Mehreinnahmen zur Verminderung der Nettoverschuldung und nicht für die Bildung einer Konjunkturausgleichsrücklage unter dem heutigen Aspekt vorzuziehen ist.
    Die Bundesregierung ist weiter der Auffassung, daß die zur Konjunkturstabilisierung notwendigen haushaltswirtschaftlichen Maßnahmen nicht auf den Bundeshaushalt beschränkt bleiben können. Sie ist in Übereinstimmung mit dem Konjunkturrat und dem Finanzplanungsrat der Meinung, daß auch die Länder und Gemeinden dazu einen Beitrag leisten müssen, indem sie ihre Steuermehreinnahmen gegenüber ihren Haushaltsplänen zu einer Verminderung ihrer Nettokreditaufnahme verwenden.
    Ich darf hier noch auf eine besondere Schwierigkeit hinweisen, die eingehend in Vorgesprächen und innerhalb der Bundesregierung in der letzten Kabinettssitzung erörtert worden ist: Das ist die Frage des Zielkonflikts, der entsteht, wenn man einerseits angesichts der gegebenen Indikatoren konjunkturdämpfende Maßnahmen ergreifen muß, andererseits aber feststellen muß, daß es sowohl branchenmäßig wie regional noch gewisse wirtschaftsschwache Bereiche gibt, die nicht von konjunkturdämpfenden Maßnahmen zusätzlich getroffen werden sollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir sind uns über die unvermeidliche und durch keinerlei Dialektik aus der Welt zu schaffende Tatsache völlig im klaren gewesen, daß die Kumulierung aller sektoralen und regionalen Strukturmaßnahmen auch einen gewissen anwärmenden Effekt auf die Gesamtkonjunktur ausübt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Haben muß!)

    — Haben muß. — Aber wir waren uns genauso darüber im klaren, daß im Zeichen einer befürchteten Stagnation oder einer eingetretenen Stagnation oder einer befürchteten bzw. eingetretenen Rezession weder offene Subventionen noch Steuerhilfen Unternehmer zu Standortentscheidungen in diesem Bereich zu veranlassen vermögen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Deshalb bleibt uns gar nichts anderes übrig, als
    im Interesse der wirtschaftsschwächeren Regionen



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    — Bundesausbaugebiete, Bundesausbauorte, in Schleswig-Holstein, in Niedersachsen, entlang der bayerischen Nord- und Ostgrenze in der Hauptsache, aber auch anderswo, in Rheinland-Pfalz, im Saarland usw. — die regionalen Mittel aufrechtzuerhalten.
    Ich weiß, es droht hier die Gefahr, daß wir eines inkonsequenten Verhaltens bezichtigt werden. Aber Konsequenz allein ist noch kein Wert an sich, wenn konsequent sein heißt, sich im Zielkonflikt nur um des Prinzips willen stur zu entscheiden und hier nicht andere Notwendigkeiten regionaler oder branchemäßiger Art mit einer bestimmten höheren Priorität auszustatten.
    Ich habe deshalb nach einer längeren Aussprache mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister auch darauf verzichtet, bei den kommenden Verhandlungen im Finanzausschuß für das Steueränderungsgesetz 1968 das Inkrafttreten der Prämienzulagen für die Bundesausbaugebiete, Bundesausbauorte, landwirtschaftlichen Problemgebiete, Zonenrandgebiete usw. etwa vom 1. Januar 1969 auf den 1. Januar 1970 zu verschieben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir müssen, wenn die offen ausgewiesenen Mittel der Regionalprogramme des Herrn Bundeswirtschaftsministers und des Herrn Bundeslandwirtschaftsministers ihren Sinn haben sollen, sie durch steuerliche Maßnahmen — Inkrafttreten vorgesehen ab 1. Januar 1969 — ergänzen, damit das gesamte Programm dann seine Wirkung hat. Wir wünschen ja alle nicht, daß diese Gebiete zugunsten der Ballungsgebiete entleert werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Rein arithmetisch gesehen wäre es ohne weiteres möglich, wenn man noch im alten Ägypten oder Babylon lebte, wo man Menschen einfach deportieren konnte, die Zahl der offenen Stellen zu vermindern, indem man die Menschen wenn nicht zwingt, so doch finanziell anreizt, aus Zonenrand- und Grenzgebieten, Ausbaugebieten, Problemgebieten in die Ballungsgebiete abzuwandern. Aber das wäre genau das Gegenteil dessen, was unter einer sinnvollen Raumordnung und Landesplanung verstanden werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Darum bleibt uns gar nichts anderes übrig, als die Zeiten der guten Konjunktur dazu zu benutzen, durch finanzielle Anreize, offene und steuerliche Subventionen auch diesen Gebieten eine stärkere Wirtschaftskraft zu geben, ein Ziel, das ja im übrigen auch durch die Finanzreform begünstigt und dessen Erreichung nicht durch ein nicht immer erfreuliches Spiel gefährdet werden sollte; um mich noch sehr vorsichtig und maßvoll auszudrücken.
    Meine Damen und Herren, ich habe Vertrauen in diese haushaltswirtschaftlichen Maßnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden, die noch durch eine zeitnähere Anpassung der Steuervorauszahlungen — die gewisse Liquidität entziehen soll — sowie durch eine Ausweitung der Einfuhrmöglichkeiten für Waren der gewerblichen Wirtschaft ergänzt werden.
    Das ist ein gutes Beispiel und ein Beitrag der öffentlichen Hand zur Stabilisierung der Konjunktur.
    Wenn ich sage: Entziehung der Liquidität durch Anpassung der Steuervorauszahlungen, so heißt das nicht ein mutwilliger Zugriff des Fiskus gegenüber jedermann, sondern es heißt nichts anderes — ich weiß, daß die betroffenen Kreise mich deshalb nicht gerade besonders loben werden —, als daß die infolge der höheren Gewinne 1968 der Wirtschaft vom Fiskus gewährten zinslosen Darlehen etwas abgebaut werden. Zweifellos sind die Gewinne im Jahre 1968 gegenüber 1966 und 1967 erfreulicherweise gestiegen. Die Selbstfinanzierungsfähigkeit der Wirtschaft hat sich erheblich verbessert. Die Schwierigkeit des Steuervollzuges führt im allgemeinen dazu, daß die Veranlagung erst 1 1/4 bis 1 1/2 Jahre nach Ende des Steuerjahres zugestellt werden kann. Durch diesen Ablauf entsteht ein Darlehen, dessen Umfang wir etwas vermindern wollen. Das ist jedenfalls eine wesentlich bessere Maßnahme, als wenn wir uns dazu entschlossen hätten, die Steuerschraube nach den Möglichkeiten des Stabilitätsgesetzes in Bewegung zu setzen, sei es in Richtung Abschreibungen, sei es in Richtung der Tarife der Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer.
    Damit sind Signale gesetzt worden, die von der Wirtschaft auf allen Seiten beachtet werden sollten. Es muß ein hohes Maß an Disziplin in Gestaltung der Kosten und Preise gewahrt werden. Es kommt auch darauf an, daß die Tarifpartner bei ihren Lohnverhandlungen die von der Bundesregierung gegebenen Orientierungsdaten beachten, aber nicht als Mindestgrundlage, von der aus kräftige Änderungen nach oben durchzusetzen sind. Alle sind aufgerufen, dafür Sorge zu tragen, daß einschneidendere Maßnahmen vermieden werden können.
    Wie Sie wissen, hat sich heute der Zentralbankrat ebenfalls mit der Konjunkturlage und dem Stabilisierungsprogramm der Bundesregierung befaßt. Er hat nach meiner Information beschlossen, die Rediskontkontingente der Kreditinstitute bei der Bundesbank mit Wirkung vom 1. April 1969 um 20 % herabzusetzen und mit Wirkung vom 21. März 1969 den Lombardsatz der Deutschen Bundesbank um 1/2% auf 4 % zu erhöhen, während der Diskontsatz mit 3 % unverändert bleibt.
    Da der Schwerpunkt der Konjunkturmaßnahmen eindeutig bei den öffentlichen Haushalten liegt, ist die Bundesbank entlastet worden. Sie konnte sich auf eine gewisse monetäre Ergänzung des Konjunkturprogramms der Bundesregierung beschränken. Dies ist um so mehr geboten, als es, wie gesagt, in dieser Konjunkturphase in erster Linie darauf ankommt, Nachfrage auf bestimmten Gebieten zu drosseln, ohne dabei unerwünschte Wirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Liquidität, die Zinsgestaltung und die außenwirtschaftliche Entwicklung auszuüben.
    Ich habe im Zusammenhang mit der Problematik „Konjunkturpolitik und regionale Förderung" bereits ein Wort zum Zweiten Steueränderungsgesetz 1968 gesprochen. Mit diesem Entwurf hat die Bun-



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    desregierung alle gesetzgeberischen Maßnahmen auf dem Gebiet der Steuern von Einkommen und Ertrag einschließlich der Gewährung von Investitionszulagen und der Sparförderung zusammengefaßt, die wegen ihrer besonderen Dringlichkeit noch in dieser Legislaturperiode verwirklicht werden müssen. Weitere Maßnahmen auf diesen Rechtsgebieten sind — Überraschungen vorbehalten, aber ich glaube nicht daran — vorerst nicht beabsichtigt. Der Gesetzentwurf hat deshalb auch für diese Legislaturperiode den Charakter eines steuerlichen Schlußgesetzes.
    Mit dem Gesetzentwurf werden neben einigen Steuerrechtsänderungen von geringerer Bedeutung folgende Hauptziele verfolgt: 1. eine Verbesserung unserer Wirtschaftsstruktur durch Begünstigung bestimmter Investitionen, 2. ein weiterer Ausbau unserer Förderungsmaßnahmen für Wissenschaft und Bildung sowie für die betriebliche Forschung und Entwicklung, 3. eine verstärkte Förderung der Eigentumsbildung, besonders im Bereich der unteren und mittleren Einkommensbezieher, und 4. die Regelung handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit der Gründung einer Gesamtgesellschaft für das Steinkohlenbergbaugebiet Ruhr.
    Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen werden, bezogen auf das Entstehungsjahr 1969, zu Steuermindereinnahmen und Prämienmehrausgaben mit einem Volumen von insgesamt 650 Millionen DM bei einem Bundesanteil von 352 Millionen DM führen. Auf die Rechnungsjahre bezogen, werden sich ins Gewicht fallende Haushaltsbelastungen erst ab 1970 ergeben.
    Ich möchte besonders betonen, daß die sich durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1968 ergebenden Haushaltsbelastungen in der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes berücksichtigt sind und daß dieses Gesetz nicht eine Abweichung von der mehrjährigen Finanzplanung darstellt. Für weitergehende oder zusätzliche Vergünstigungen läßt die mehrjährige Finanzplanung des Bundes jedoch keinen Raum, weil sie durch diese Vorlage auf diesem Gebiet voll ausgeschöpft wird.
    Einige wenige Worte zu den einzelnen Punkten:
    Der Verbesserung unserer regionalen Wirtschaftsstruktur soll vor allem die vorgesehene Einführung einer 10 %igen Investitionszulage für das Zonenrandgebiet, die Bundesausbaugebiete und die Bundesausbauorte dienen. Durch die Vergünstigung soll besonders der Tatsache Rechnung getragen werden, daß die bezeichneten Gebiete wegen ihrer Randlage bzw. wegen ihrer überwiegend landwirtschaftlichen Struktur gegenüber den übrigen Gebieten der Bundesrepublik benachteiligt sind. Die Zulage soll anreizen, in diesen Gebieten neue Betriebe und Betriebsstätten zu errichten, bzw. bestehende Betriebe zu erweitern und damit neue Dauerarbeitsplätze zu schaffen, die als Ersatz für die durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft freigesetzten Arbeitskräfte dringend benötigt werden.
    Der von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachte Initiativgesetzentwurf zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur in entwicklungsbedürftigen Gebieten verfolgt die gleiche Zielsetzung. Er stimmt teilweise mit dem Vorschlag der Bundesregierung überein, teilweise geht er erheblich über den Vorschlag der Bundesregierung hinaus und verursacht demgemäß auch höhere Steuerausfälle, für die, wie vorher gesagt, in der mehrjährigen Finanzplanung kein Rahmen ist, weshalb dann entsprechende Ersatzmaßnahmen oder Ausgleichsmaßnahmen vorgeschlagen werden müßten.
    Im Hinblick auf die Bedeutung, die der betrieblichen Forschung und Entwicklung für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zukommt, werden die Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen der Unternehmen bereits seit 1965 durch Gewährung von Sonderabschreibungen auch steuerlich gefördert. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß diese Maßnahmen allein nicht ausreichen. Sie schlägt deshalb eine weitere Verstärkung der Förderungsmaßnahmen durch eine 10%ige Investitionszulage vor, die künftig neben den Sonderabschreibungen gewährt werden soll. Die Bundesregierung erwartet, daß diese Investitionszulage der deutschen Wirtschaft eine erhebliche Verstärkung ihrer Forschungs- und Entwicklungstätigkeit ermöglicht.
    Im Hinblick auf den Bericht der Pressekommission, nach deren Feststellungen besonders bei kleinen und mittleren Presseunternehmen die Gefahr besteht, daß sie dem Wettbewerb mit den Großunternehmen auf die Dauer nicht standhalten können, schlägt die Bundesregierung auch für diesen Bereich die Einführung einer 10%igen Investitionszulage vor. Die Investitionszulage, mit der zur Erhaltung der Vielfalt unserer Presse beigetragen werden soll, soll nur Verlegern von Zeitungen und Zeitschriften gewährt werden, die überwiegend der politischen Bildung und Unterrichtung dienen. In Anlehnung an die im Gesetz über die Gewährung einer einmaligen Umsatzsteuervergütung für Presseunternehmen vom 20. Mai 1968 getroffene Regelung sollen nur solche Verleger begünstigt werden, bei denen die verkaufte Auflage der bezeichneten Zeitungen und Zeitschriften insgesamt nicht mehr als 160 000 Stück beträgt. Die Bundesregierung erwartet, daß die Presseunternehmen die ihnen mit der Investitionszulage gewährte Hilfe zu einer durchgreifenden Modernisierung und Rationalisierung ihrer Betriebe und damit zu einer nachhaltigen Verbesserung ihrer Wettbewerbsverhältnisse nutzen.
    Eine weitere Frage, die nach Auffassung der Bundesregierung dringend einer Regelung bedarf, betrifft die Berücksichtigung von Verlusten ausländischer Betriebsstätten bei der inländischen Besteuerung. Nach der gegenwärtigen Rechtslage hat der Steuerpflichtige keine Möglichkeit, Verluste in ,ausländischen Betriebsstätten gegen inländische Einkünfte auszugleichen, wenn durch ein Doppelbesteuerungsabkommen das Recht zur Besteuerung der ausländischen Betriebsstätte dem ausländischen Staat zugewiesen ist. Hieraus ergeben sich Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft. Sie haben zu einer Beeinträchtigung erwünschter Auslandsinvestitionen geführt. Bemühungen, in gemeinsamer Vertragauslegung mit den Vertragspartnern



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    angemessene Erleichterungen zu schaffen, haben bisher zu keinem zufriedenstellenden Erfolg geführt. Daher soll nunmehr im Rahmen der innerstaatlichen Gesetzgebung die Möglichkeit geschaffen werden, ausländische Verluste, die sich bei solchen befreiten Einkünften insgesamt ergeben, mit den übrigen Einkünften auszugleichen und, soweit das nicht möglich ist, sie im Rahmen des § 10 d des Einkommensteuergesetzes in den folgenden fünf Jahren abzuziehen.
    Ungerechtfertigte Steuervorteile sollen dadurch ausgeschlossen werden, 'daß für den Fall einer doppelten Berücksichtigung der Verluste im Inland wie im Ausland eine Nachholung der Besteuerung vorgesehen ist. Die Regelung trägt einem langjährigen Anliegen der deutschen Wirtschaft Rechnung und findet sich in ähnlicher Form auch in den Steuerrechten anderer Industriestaaten wie Frankreich, Niederlande, Dänemark, deren Vorbild uns nach jahrelangem Warten veranlaßt hat, nunmehr der einschlägigen deutschen Wirtschaft insoweit Wettbewerbsgleichheit zu ermöglichen.
    Eine verstärkte Förderung der Wissenschaft und Bildung hat eine Neuregelung zum Ziel, mit der dazu angeregt werden soll, daß Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens einer gemeinnützigen Körperschaft zur Verwendung für Zwecke der Wissenschaft oder Bildung zugewandt werden. Nach der gegenwärtigen Rechtslage führt die Entnahme von Wirtschaftsgütern aus einem Betriebsvermögen in jedem Fall zur Aufdeckung und Versteuerung vorhandener stiller Reserven. Wiederholten Anregungen aus Kreisen der Wirtschaft und des deutschen Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft folgend, schlägt die Bundesregierung nunmehr eine Ausnahmeregelung vor. Sie stellt sicher, daß auf die Besteuerung der 'stillen Reserven dann verzichtet wird, wenn die entnommenen Wirtschaftsgüter im Anschluß .an die Entnahme einer gemeinnützigen Körperschaft zur Verwendung für wissenschaftliche Zwecke oder für Zwecke der Erziehung, Volks- und Berufsbildung zugewendet werden.
    Die dem Steuerpflichtigen damit gegebene Möglichkeit, die entnommenen Wirtschaftsgüter in diesen Fällen mit dem Buchwert anzusetzen, erfordert es andererseits, daß auch als Spendenbetrag, der nach § 10 b Einkommensteuergesetz als Sonderausgabe abgezogen werden kann, nur der Buchwert der zugewandten Wirtschaftsgüter geltend gemacht werden kann. Eine entsprechende Ergänzung des § 10 b Einkommensteuergesetz stellt das sicher.
    Im Hinblick auf unsere derzeitige außenwirtschaftliche Lage, die durch ein Ungleichgewicht zwischen sehr hohen Exporten und noch nicht befriedigend hohen Importen gekennzeichnet ist, schlägt die Bundesregierung vor, die Ermächtigung über die Zulassung eines Bewertungsabschlages für bestimmte Importwaren des volkswirtschaftlich vordringlichen Bedarfes, deren Geltungsdauer em 31. Dezember 1968 endete, um zwei Jahre zu verlängern. Die Verlängerung des Bewertungsabschlages erscheint angezeigt, weil die Vergünstigung geeignet ist, die Unternehmer zu einer verstärkten Einfuhr zu veranlassen. Sie kann deshalb dazu beitragen, daß unsere Importe erhöht und die erhöhten Ausfuhrüberschüsse vermindert werden.
    Wie bereits erwähnt sollen die Sonderabschreibungen für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen künftig auch neben der vorgesehenen Investitionszulage gewährt werden. Die Bundesregierung hält darüber hinaus eine Verbesserung der Sonderabschreibungsvergünstigung als solcher für erforderlich. Nach der bisherigen Rechtslage sind die Sonderabschreibungen erstmals im Wirtschaftsjahr der Lieferung oder Fertigstellung der begünstigten Wirtschaftsgüter zulässig. Diese Regelung ist unbefriedigend, weil die Unternehmen, besonders in Fällen, in denen hochwertige Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt werden, bereits erhebliche Zeit vor deren Lieferung oder Fertigstellung mit hohen Kosten, z. B. durch Anzahlungen oder Teilzahlungen, belastet sind. Der Gesetzentwurf sieht deshalb eine Ergänzung der Ermächtigung über die Zulassung von Sonderabschreibungen für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen vor. Sie sollen es ermöglichen, die Sonderabschreibungen künftig bereits für Anzahlungs- und Teilherstellungskosten zuzulassen.
    In Artikel 5 des Zweiten Steueränderungsgesetzes sind die Vorschriften zusammengefaßt, die die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Gründung einer Gesamtgesellschaft für das Steinkohlenbergbaugebiet Ruhr für erforderlich hält. Die Vorschriften sollen die Gründung der Gesamtgesellschaft und die Durchführung der ihr obliegenden Maßnahmen handelsrechtlich, steuerrechtlich und kostenrechtlich erleichtern. Sie sehen neben der Regelung von Bewertungsfragen, einer Bilanzierungshilfe für die Gesamtgesellschaft bei Stillegungsverlusten und einer Zweckbindung der von ihr erwirtschafteten Überschüsse auch steuerrechtliche und kostenrechtliche Erleichterungen vor.
    Wie Ihnen sicher bekannt ist, sind über die mit der Gründung der Gesamtgesellschaft für das Steinkohlenbergbaugebiet Ruhr zusammenhängenden Fragen auch nach Einbringung des Gesetzentwurfs noch eingehende Verhandlungen geführt worden. Auf Grund des Ergebnisses dieser Verhandlungen, die sich buchstäblich bis in die letzten Tage erstreckt haben und die vom Bundesminister für Wirtschaft gottlob zu einem Abschluß gebracht werden konnten, sind bei den Vorschriften des Artikels 5 gewisse Änderungen gegenüber dem Ihnen vorliegenden Text erforderlich geworden.
    Von der Bundesregierung wird deshalb zur Zeit eine Neufassung des Artikels ausgearbeitet. Die Arbeiten sind noch nicht ganz abgeschlossen, weil sie ungewöhnlich schwierig sind. Ich bitte um Verständnis, wenn diese Neufassung den Ausschüssen erst bei der Beratung des Gesetzentwurfs als Beratungsunterlage überreicht werden kann.
    Ein weiteres Vorhaben von Bedeutung wird mit den Vorschlägen der Bundesregierung auf dem Gebiet der Sparförderung aufgegriffen. Der Entwurf sieht neben verschiedenen mehr technischen Vorschriften besonders folgendes vor: erstens Erhöhung



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    der Sparprämie und der Wohnungsbauprämie zugunsten der Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen, je nach der Anlageform 20, 30 oder 40% der bisherigen Sätze zusätzlich; ferner besondere Vorschriften, die darauf gerichtet sind, das Wertpapiersparen stärker zu fördern.
    Die Bundesregierung legt mit diesen Vorschlägen diejenigen eigentumspolitischen Maßnahmen vor, die sich, ohne daß damit einer späteren grundlegenden Reform vorgegriffen werden soll, nach ihrer Auffassung noch in dieser Legislaturperiode verwirklichen lassen. Die in diesem Gesetzentwurf zum Ausdruck kommenden Vorschläge sind das Ergebnis einer ausführlichen Besprechung, die zwischen den Bundesministern für Wirtschaft, für Arbeit und der Finanzen stattgefunden hat.
    Die Bildung von Eigentum breitester Bevölkerungsschichten muß als eines der wichtigsten Ziele unserer Politik angesehen werden. Eine breit gestreute Vermögensbildung ist unter allen denkbaren Maßnahmen am besten geeignet, die Unabhängigkeit des einzelnen wie auch die freiheitlich-demokratische Grundordnung als Ganzes zu erhalten. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß die Eigentumsbildung unabhängig von den Notwendigkeiten einer sich am Konjunkturverlauf orientierenden Wirtschaftspolitik nach wie vor mit staatlichen Mitteln zu fördern ist. Allerdings sollen die dafür zur Verfügung stehenden — naturgemäß knappen —Mittel wirksam und gezielt eingesetzt werden, d. h. besonders den Bevölkerungsschichten zugute kommen, die bei der Bildung von Eigentum und Vermögen noch am ehesten einer Hilfe bedürfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bereits im Zuge des Steueränderungsgesetzes 1966 wurde mit der Einführung des Kumulierungsverbots, das in dieser Form nach meiner Überzeugung noch nicht ausreicht, das Schwergewicht der Sparförderungsmaßnahmen stärker auf die einkommensschwächeren Bevölkerungskreise verlagert. Ein weiterer Schritt in dieser Richtung soll jetzt mit den einkommensabhängigen Zusatzprämien gegangen werden. Die vorgesehenen Einkommensgrenzen von 6000 DM zu versteuernden Einkommen für Alleinstehende und 12 000 DM zu versteuerndem Einkommen für Ehegatten sind nicht so niedrig, wie es in der Kritik an den Vorschlägen der Bundesregierung teilweise dargestelt wird. Wenn man die Sonderausgaben, wenn man die Freibeträge, wenn man Kinderfreibeträge, wenn man sonstige Pauschbeträge oder Freibeträge für besondere Belastungen noch hinzuzählt, kommt man erst zu dem sogenannten Bruttoeinkommen, das wesentlich über den hier genannten, scheinbar niedrigen Sätzen liegt. Denn diese Grenzen beziehen sich eben auf den zu versteuernden Einkommensbetrag. Bei einem verheirateten Arbeitnehmer mit zwei Kindern entspricht die Grenze z. B. einem Bruttoarbeitslohn von 1450 DM im Monat. Das ist ein Arbeitslohn, der in einem Bereich liegt, wie er für die Mehrheit unserer Arbeitnehmer noch in Betracht kommt; nur eine Minderheit dürfte darüber liegen.
    Ein weiterer kritischer Punkt ist die Verwaltungsmehrarbeit bei der Prüfung der Einkommensgrenze. Da gibt es teilweise erhebliche Kritik. Diese Erschwernis muß aber eben leider in Kauf genommen werden, wenn man die Zielsetzung des Gesamtgesetzentwurfs bejaht, die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen stärker zu fördern. Niemand würde es heute für gerechtfertigt halten, hier etwa überhaupt keine Einkommensgrenze vorzusehen und die zusätzlichen Prämien jedermann zugute kommen zu lassen. Hier sind wir immer wieder an dem alten Dilemma, daß ein möglichst hohes Maß an — sozialpolitisch gemessen — steuerlicher Gerechtigkeit in einem unauflöslichen Widerspruch zu dem Gebot der Verwaltungsvereinfachung und einer einfachen Administration der Steuergesetze steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Darüber wird oft sehr schlau geredet, aber in Wirklichkeit stoßen sich die Dinge viel härter im Raum, als manche glauben. Die Zielsetzung erfordert es leider auch hier, eine gewisse Erschwerung in Kauf zu nehmen.
    Die Vorschläge der Bundesregierung sehen im übrigen für den großen Teil der für diese Prämien in Betracht kommenden Sparer besonders bei der Einkommensermittlung Lohnsteuerpflichtiger eine Pauschalierung vor, die die Prüfung der Einkommensgrenzen außerordentlich vereinfacht.
    Schließlich noch ein Wort zu der besonderen Förderung des Wertpapiersparens. Besondere Bedeutung mißt die Bundesregierung den Maßnahmen bei, die auf eine stärkere Förderung des Wertpapiersparens gerichtet sind. Der Entwurf sieht vor, daß für das Wertpapiersparen eine besonders hohe Zusatzprämie von 40% gewährt wird, während für die übrigen Sparformen nur eine solche von 20% — Wohnungsbau — bzw. 30 % — Kontensparen — vorgesehen ist. Außerdem soll das Wertpapiersparen durch die Einführung eines ,,Wertpapier-Sparratenvertrags" und die Möglichkeit, auf Sparkonten festgelegte Gelder zum Kauf von Wertpapieren zu verwenden, gefördert werden.
    Diese Förderungsmaßnahmen halte ich für erforderlich, weil das Wertpapiersparen leider bisher weitgehend ein Privileg wohlhabenderer Kreise war, weil es in der Bundesrepublik unterentwickelt ist, obwohl gerade diese Sparform für eine langfristige Vermögensbildung besonders geeignet ist.
    Jüngst habe ich mich zu diesem Thema geäußert und habe gesagt, daß Kontensparen mit 3 1/2 oder 4% Zins keine sehr sinnvolle Anlage sei. Das hat unvermeidlicherweise in einer verkürzten und entstellenden Darstellung leider auch zu Mißverständnissen geführt. Denn es hat wirklich keinen Sinn, daß — wie es heute in manchen Bevölkerungskreisen noch der Fall ist —, nicht kurzfristige Gelder, nicht kleine Konten, sondern Jahr für Jahr Tausende, Abertausende, zum Schluß auch Zehntausende von Mark, zum Teil sogar in der Form von Tagesgeldern oder in der Form von auf drei Monate kündbaren Geldern, auf gesetzliche Kündigungsfrist angelegt werden. Das ist vielfach der Fall bei denen, zu denen



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    unsere Aufklärungsarbeit über die Vorteile des Wertpapiersparens noch nicht vorgedrungen ist, bei denen, die im Hinblick auf die Erfahrungen ihrer Großeltern und Eltern vor dem Wertpapier Angst haben und glauben, es würde abermals wiederum einer Entwertung, einer Inflation zum Opfer fallen. Deshalb legen sie es, wenn sie das Geld schon nicht zu Hause halten, auf täglichen Abruf oder auf kürzestmögliche Kündbarkeit an. Diese Anlageform halte ich als Dauersparen für größere Beträge, wozu oft auch die Bezieher relativ kleiner Einkommen gelangen, wenn sie fleißig und sparsam sind, für nicht sinnvoll. Denn sie bedeutet für sie einen Einkommensausfall. Der Anreiz des Sparens, der in einer höheren Rendite liegt, geht eben verloren. Das ist ein Umstand, auf den ich hier nur mit wenigen Worten zu sprechen kommen wollte.
    Den denkbaren Einwand, das Wertpapiersparen sei für den Personenkreis, der hier angesprochen wird, nicht empfehlenswert, muß ich allerdings zurückweisen. Selbstverständlich muß bei der Anlage eine vernünftige Auswahl getroffen werden. Es gibt aber genügend risikolose Papiere mit beachtlicher Rendite, deren Erwerb auch für den kleinen Sparer durchaus interessant ist. Ich darf nur nebenbei, ohne Lobbyist zu sein, an den Bundesschatzbrief erinnern, der auf die schwerste Konkurrenz anderer Institutionen stößt.
    Auf dem Gebiete der Sparförderung liegen mit den Initiativentwürfen der Fraktion der CDU/CSU — Drucksachen V/3401 und V/3402 — weitere Vorschläge vor. Sie müssen im Zusammenhang mit der Regierungsvorlage erörtert werden. Ich will es mir deshalb versagen, auf diese Vorschläge hier im einzelnen einzugehen.
    Ich bitte, das zweite Steueränderungsgesetz 1968 den beteiligten Ausschüssen — federführend dem Finanzausschuß — zu überweisen, und ich bitte in Kenntnis des großen Arbeitspakets des Finanzausschusses und der anderen eventuell damit befaßten Ausschüsse, es so rechtzeitig zu verabschieden, daß es noch als ein Stück steuerlicher Abschlußgesetzgebung dieser Regierung und dieser Koalition vor der parlamentarischen Pause mit den vorgesehenen Fristen, die im Entwurf enthalten sind, in Kraft gesetzt werden kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nachdem der Herr Bundesminister der Finanzen mit dieser Rede bereits einen großen Schritt in die Konjunkturdebatte hinein vollzogen hat, halte ich es für zweckmäßig, daß wir die Beratung nunmehr auch auf den Einzelplan 09 ausdehnen. Ich rufe deshalb auf:
Einzelplan 09
Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft
— Drucksachen V/3929, zu V/3929 —
Berichterstatter: Abgeordneter Westphal.
Ich erteile dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Schiller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Anschluß an die Ausführungen des Bundesfinanzministers möchte ich hier einige wirtschaftspolitische Erklärungen abgeben. Sie werden daraus übrigens ersehen, daß wir beide, der Bundesfinanzminister und der Bundeswirtschaftsminister, uns nach wie vor, auch in einer neuen Konjunktursituation ganz symmetrisch verhalten. Dabei lasse ich offen, ob es sich um soziale Symmetrie oder um politische Symmetrie handelt.
    Doch nun zur Materie selbst. Als erstes, meine Damen und Herren, möchte ich grundsätzlich folgendes feststellen. Die Beschlüsse der Bundesregierung zur Sicherung der Preisstabilität vom 18. März stellen keine Schwenkung der gesamten Finanz- und Wirtschaftspolitik dar. Sie bewegen sich vielmehr auf der Linie unserer seit 1967 konsequent auf Stabilität und Wachstum gerichteten Aktivität. Man könnte sagen, dieser neue Kampf um Stabilität im Aufschwung ist nur die Fortsetzung unserer Politik mit anderen Mitteln.
    Meine Damen und Herren, die Instrumente zu dieser Politik nehmen wir aus demselben Werkzeugkasten, eben dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, aus dem wir in einer ganz anderen Lage 1967 entsprechend andere Werkzeuge gegriffen haben. Niemand kann anzweifeln, daß wir es mit jener seit 1967 betriebenen Politik geschafft haben, mit einer Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts im Jahre 1968 in Höhe von real 7% und einer Steigerung des Lebenshaltungskostenindex von 1,5 % für dasselbe Jahr eine Verbindung zu erreichen, die für manche Länder, ja für die meisten Länder in unserer Nachbarschaft eine Traumkombination darstellt. Ich glaube, es wäre ein Fehler, wenn wir aktuelle konjunkturpolitische Beschlüsse oder möglicherweise kommende konjunkturpolitische Beschlüsse ohne Blick auf jenes Jahresendergebnis von 1968 fassen oder beurteilen würden.
    Übrigens, wenn manche meinen — das klang gestern auch etwas an —, es sei leichter gewesen, den Aufschwung herbeizuführen, als den Boom zu bändigen, so bitte ich doch, sich ein klein wenig daran zu erinnern, welche Mühe es die beteiligten Ressorts gekostet hat, im Jahre 1967 die Sonderabschreibungen, die beiden Konjunkturprogramme und den Wandel in unserer Geld- und Kreditpolitik durchzusetzen. Nun, in der neuen Lage, die auch Sie, meine Herren auf dem rechten Flügel, angeht, ist es doch unser aller Aufgabe, die Früchte des Wachstums und des Aufschwungs zu ernten. Auch Sie wollen davon ernten. Diese Früchte des Aufschwungs sollten nicht unreif vom Baum geschüttelt werden, etwa durch ein hektisches, überhastetes Abkappen der Konjunktur. Aber zugleich — und das ist die andere Seite — wollen und müssen wir verhindern, daß die Früchte des Wachstums in der zu starken Hitze eines exzessiven Booms verdorren und damit ebenfalls ungenießbar werden. Dieser doppelten Gefahr auf beiden Seiten will das Programm der Bundesregierung vom 18. März erneut begegnen.



    Bundesminister Dr. Schiller
    Dabei mußten wir zweierlei tun: Wir mußten erstens rechtzeitig handeln und nicht erst eingreifen, wenn die Konjunktur tatsächlich überschäumt, wovon heute keine Rede sein kann. Wir waren' zweitens von vornherein allesamt, Bundesfinanzminister, Bundeswirtschaftsminister und Bundesbank, in den Vorbesprechungen und dann das Kabinett, darin einig und entschlossen: diesmal darf das Geschäft der konjunkturpolitischen Gegensteuerung im Aufschwung nicht, wie in den Jahren 1965/66 allein der Bundesbank überlassen bleiben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Diesmal, so ist es unsere Absicht, sollen Bund, Länder und Gemeinden mit ihren Maßnahmen entsprechend dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz die Bundesbank entlasten.
    Nun gibt es einige Stimmen, die da meinen, die wohldosierten Maßnahmen der Bundesregierung seien dadurch verursacht, daß unsere früheren konjunkturanregenden Maßnahmen zu stark angelegt gewesen seien. Dazu muß ich sehr deutlich folgendes sagen:
    Erstens. Seit dem Zweiten Konjunktur- und Strukturprogramm des Bundes, der Länder und der Gemeinden vom Sommer 1967, dessen letzte Ausläufer bis in das Jahr 1968 hineinreichen, gab es kein weiteres Konjunkturprogramm.

    (Abg. Dr. Luda: Nein, das haben wir verhindert!)

    Das sogenannte Dritte Konjunkturprogramm ist eine Legende. Meine Damen und Herren, es hat im Kabinett oder in einem Ressort nie, wenigstens nicht in den Ressorts, die ich übersehe, ein solches Drittes Konjunkturprogramm zur Debatte gestanden.

    (Abg. Dr. Luda: Das ist nicht wahr!)

    — Dann, lieber Herr Luda, sind Sie Mitglied eines Bundesressorts geworden, was ich sehr begrüßen würde, da Ihre Kräfte dann an irgendeiner Stelle nutzbringend verwertet würden, — nicht aber im Wirtschaftsministerium, was ich doppelt bedaure. Dort ist es nicht behandelt worden.

    (Abg. Dr. Luda: Das ist nicht die Wahrheit, Herr Schiller!)

    — Wir haben die letzte konjunkturpolitische Debatte anläßlich der I-Steuer gehabt. Das war im Januar 1968, und da ging es gerade darum, die I-Steuer für 1969 heraufzusetzen. Das hätte antizyklisch gewirkt und nicht wie heute die Senkung der I-Steuer, prozyklisch. Das sollen Sie wissen. Aber Sie müssen sich wirklich noch in einigen Ministerien umtun; vielleicht erfahren Sie dann mehr.