Protokoll:
5211

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 211

  • date_rangeDatum: 24. Januar 1969

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:02 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:48 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 211. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1969 Inhalt: Amtsniederlegung des Bundestagspräsidenten D. Dr. Gerstenmaier 11415 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 11415 B Erweiterung der Tagesordnung 11415 D Amtliche Mitteilungen 11415 D Fragestunde (Drucksache V/3730, Nachtrag zur Drucksache V/3730) Frage des Abg. Rollmann: Vollendung der Europäischen Wirtschaftsunion Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 11416D, 11417 A Rollmann (CDU/CSU) 11417 A Fragen des Abg. Dr. Schmid-Burgk: Verfälschung des überstaatlichen Charakters der Europäischen Gemeinschaften durch intergouvernementale Verwaltungsausschüsse — Direkte Wahl europäischer Abgeordneter Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär 11417 B, D, 11418 A, B, C, D, 11419 A, B Dr. Schmid-Burgk (CDU/CSU) . . . 11417 B Dr. Apel (SPD) . . . . . . . . 11417 D Dr. Schulz (Berlin) (SPD) . 11418 A, 11419 B Rollmann (CDU/CSU) . . . . .11418 B, C Dr. Mommer (SPD) 11418 B, D Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 11419 A Frage des Abg. Rollmann: Einschränkung der Verhandlungsvollmachten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften bei den Verhandlungen mit der Türkei Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 11419B, D, 11420 A Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . . 11419 D Rollmann (CDU/CSU) . . . . . .11420 A Schoettle, Vizepräsident . . . . . 11420 A Frage des Abg. Dr. Schmid-Burgk: Ausklammerung der Osthandelspolitik bei Verabschiedung der Verordnungen zur Außenhandelspolitik der Europäischen Gemeinschaften Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 11420 B, D, 11421 A Dr. Schmid-Burgk (CDU/CSU) . . . 11420 D Dr. Apel (SPD) 11421 A Schoettle, Vizepräsident 11421 B Fragen des Abg. Dr. Häfele: Bemühungen der Bundesregierung zur Freilassung des in Italien festgehaltenen ehemaligen Oberstleutnants Kappier 11421 B Frage des Abg. Weigl: Herausgabe einer Zeitschrift der Bundesrepublik Deutschland in der Sowjetunion 11421 C II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 Fragen des Abg. Flämig: Verhandlungen zwischen der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien über ein Kontrollabkommen Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär 11421 C, D, 11422 A, C, D, 11423 A, B Flämig (SPD) . . . 11421 C, D, 11422 C, D Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . 11422 A Ott (CDU/CSU) 11423 A Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 11423 A Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Europäisches Übereinkommen über Reisen Jugendlicher mit Sammelpässen zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 11423 B, D, 11424 B Bauer (Würzburg) (SPD) . 11423 D, 11424 B Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Einreiseverbot der CSSR für Studenten aus westlichen Ländern 11424 C Fragen des Abg. Dorn: Pläne zur Änderung der Bundesbahntrasse in Bonn — Tieflegung der Gleisanlagen Wittrock, Staatssekretär . . . .11424 C, D, 11425 A, B, C Ramms (FDP) . . . . 11424 D, 11425 A, B Dorn (FDP) 11425 C Frage des Abg. Kubitza: Personenverkehr im Raum von Lohr, Marktheidenfeld und Wertheim Wittrock, Staatssekretär 11425 D Kubitza (FDP) 11425 D, 11426 A Schoettle, Vizepräsident 11426 A Frage des Abg. Kubitza: Zugverkehr Aschaffenburg—Gemünden Wittrock, Staatssekretär . . . .11426 B, C Kubitza (FDP) 11426 B Frage des Abg. Kubitza: Änderungen der Bestimmungen der Straßenverkehrs-Ordnung über den Verkehr von Lastzügen an Feiertagen Wittrock, Staatssekretär . . . . . 11426 D Frage des Abg. Damm: Einbau einer ILS-Anlage im Flughafen Fuhlsbüttel Wittrock, Staatssekretär . . .11427 A, B Damm (CDU/CSU) . . . . . . .11427 A Dr. Apel (SPD) 11427 B Frage des Abg. Ramms: Einführung der Warnblinkleuchte bei in Betrieb befindlichen Fahrzeugen Wittrock, Staatssekretär . . . 11427 C, D Ramms (FDP) 11427 C, D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (Abg. Stücklen, Dr. Jaeger, Wagner, Schlager, Frau Dr. Kuchtner u. Gen.) (Drucksache V/3631) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Jugendgerichtsgesetzes (CDU/CSU, SPD) (Drucksache V/3633) — Erste Beratung — und mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Strafgesetzbuches (Abg. Dichgans, Dr. Lenz [Bergstraße], Dr. Jaeger und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache V/3743) — Erste Beratung — Schlager (CDU/CSU) 11428 A Schoettle, Vizepräsident (zur GO) . 11429 D, 11434 A Hirsch (SPD) . . . . . 11434 B, 11461 A Dichgans (CDU/CSU) 11442 B Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister 11444 A Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 11446 B, 11455 C, 11456.C, 11457 A Dr. Jaeger, Vizepräsident (zur GO) 11450 A Schulz, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg 11452 D Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . 11454 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 11454 B Könen (Düsseldorf) (SPD) 11458 B Genscher (FPD) . . . . 11450 B, 11459 B Nächste Sitzung 11462 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten 11463 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Kahn-Ackermann betr. Einheitlichkeit einer Politik der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kultur und Erziehung . . . . 11463 D Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 III Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Lenze (Attendorn) betr. Reorganisation des Atlantischen Bündnisses und Beziehungen zwischen NATO und WEU 11464 A Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Reichmann betr. Preis der Phantom-Düsenjäger 11464 B Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Strohmayr betr. Einsprüche in Anhörverfahren zu neu aufgestellten Flächennutzungsplänen . . . . 11464 C Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Josten betr. einheitliche Uniform für die einzelnen Truppengattungen 11464 D Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Jung betr. Untersuchungen des ES-Referats gegen Angehörige des Bundesverteidigungsministeriums wegen Korruptionsverdachts . . . 11465 B Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Ramms betr. fristgerechte Stellung von Waggons durch die Bundesbahn . . . . . . . . . . . 11465 C Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Ramms betr. Umlenkung der Güter von der Straße auf die Schiene 11465 D Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Marx (Kaiserslautern) betr. Schiffahrtsabgabe auf der Donaustrecke zwischen Rajka und Gönyü . . . 11465 D Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Weiland betr. Weiterwälzung der Straßengüterverkehrsteuer — Umlagerungseffekte — Margen bei den Beförderungsentgelten 11466 B Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Kiep betr. strukturpolitische Auswirkungen einer im Raum Frankfurt vorgesehenen unterirdischen Fernmeldestation 11466 C Anlage 13 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Dr. Enders betr. Befreiung von der Fernseh- und Rundfunkgebühr 11467 B Anlage 14 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Geldner betr. Dichte des Fernsprechnetzes in der Bundesrepublik Deutschland 11467 C Anlage 15 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Hörmann (Freiburg) betr. Errichtung eines neuen Fernsehsenders auf dem Schönberg 11468 B Anlage 16 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) betr. Verkauf von Spielwaren mit radioaktiven Leuchtfarben 11468 D Anlage 17 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Westphal betr. Verfahren bei der Vergabe von Promotionsstipendien 11469 A Anlage 18 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage der Abg. Frau Blohm betr. Verteilung der Nahrungsmittelhilfe an die Entwicklungsländer 11469 C Anlage 19 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) betr. Aufbewahrung und Auswertung der Texte von Reden Hitlers . . 11469 D Anlage 20 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Dorn betr. Verwendung der Symbole der „DDR" bei Sportveranstaltungen in der Bundesrepublik Deutschland 11470 B Anlage 21 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage der Abg. Frau Freyh betr. künftige Form der Finanzierung der Studentenförderung nach dem Honnefer Modell 11470 C IV Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 Anlage 22 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage der Abg. Frau Blohm betr. Vorarbeiten für die rechtliche Gestaltung einer einheitlichen europäischen Handelsgesellschaft 11471 A Anlage 23 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Dr. Frerichs betr. Vereinheitlichung der Gesetzgebung gegen den unlauteren Wettbewerb in den Mitgliedstaaten der EWG 11471 A Anlage 24 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Dröscher betr. Überprüfung der Bestimmungen über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen 11471 D Anlage 25 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Fellermaier betr. Förderung von Obstgemeinschaftsbrennereien 11472 A Anlage 26 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Orgaß betr. Zehnerkonferenz in Bonn im Herbst 1968 — Währungsunion der Europäischen Gemeinschaften 11472 B Anlage 27 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) betr. Musterprüfungen in der Unterabteilung Sicherheitstechnik der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig — Ausstattung dieser Unterabteilung 11472 D Anlage 28 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Bühler betr. Verfahren bei der Zulassung von Privatdetektiven 11473 C Anlage 29 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Weigl betr. Vorschläge des Bundeswirtschaftsministeriums zur Schaffung von Informationsstellen . . . 11473 C Anlage 30 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Fritsch (Deggendorf) betr. Strukturverbesserung des ostbayerischen Raumes 11473 D Anlage 31 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Fritsch (Deggendorf) betr. Aktionsprogramm „Ostbayern" . . 11474 A Anlage 32 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Zebisch betr. Fertigstellung der regionalen Aktionspro- gramme für Nord- und Ostbayern . . . 11474 B Anlage 33 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage der Abg. Frau Blohm betr. steigende Kosten der EWG-Landwirtschaftspolitik 11474 C Anlage 34 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Ertl betr. Erlernen eines weiteren Berufes durch junge Bauern 11474 D Anlage 35 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Dröscher betr. Ausschluß fusionsbereiter landwirtschaftlicher Betriebe von der Förderung nach dem Grünen Plan 11475 B Anlage 36 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Weigl betr. Zahl der von den landwirtschaftlichen Alterskassen abgelehnten Anträge auf Gewährung von Altersgeld . . . . . . . . . . 11475 C Anlage 37 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Geisenhofer betr. Minderung der Rente infolge Kurzarbeit — Entrichtung des Rentenkrankenkassenbeitrags während des Rentenverfahrens 11475 D Anlage 38 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Maucher betr. Anträge auf Kapitalisierung der Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz 11476 C Anlage 39 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Mick betr. Bindungsermächtigungen 11476 D Anlage 40 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Dr. Hudak betr. Günter Graß als Mitglied des Kunstausschusses des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele 1972 . . . . . . . .11477 C Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 11415 211. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Berichtigung In der namentlichen Liste über das endgültige Ergebnis der namentlichen Abstimmung — 210. Sitzung, Seite 11377 B — muß es unter Nein — SPD — statt Dr. Arndt (Berlin/Köln) heißen: Dr. Arndt (Hamburg). Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Achenbach * 25. 1. Dr. Aigner * 25. 1. Frau Albertz 24. 1. Dr. Althammer 31. 1. Dr. Apel * 25. 1. Arendt (Wattenscheid) * 25. 1. Dr. Arndt (Berlin) 24. 1. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 24. 1. Dr. Artzinger * 25. 1. Bading * 25. 1. Bauer (Wasserburg) 24. 1. Prinz von Bayern 24. 1. Dr. Becher (Pullach) 24. 1. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) 24. 1. Behrendt * 25. 1. Frau Berger-Heise 25. 1. Bergmann * 25. 1. Dr. Birrenbach 24. 1. Dr. Burgbacher * 25. 1. Dr. Brenck 25. 1. Corterier * 25. 1. Cramer 24. 1. van Delden 4. 2. Deringer * 25. 1. Dichgans * 25. 1. Dr. Dittrich * 25. 1. Dröscher * 25. 1. Frau Dr. Elsner * 25. 1. Faller * 25. 1. Fellermaier * 25. 1. Frieler 24. 1. Dr. Furler * 25. 1. Gerlach * 25. 1. Dr. Götz 25. 1. Graaff 24. 1. Freiherr von und zu Guttenberg 24. 1. Haage (München) 24. 1. Dr. Haas 24. 1. Hahn (Bielefeld) 31. 1. Hamacher 31. 1. Hauck 24. 1. Hellenbrock 31. 3. Illerhaus * 25. 1. Dr. Ils 24. 1. Jürgensen 28. 2. Kiep 24. 1. Klein 24. 1. Klinker * 25. 1. Köppler 24. 1. KohLberger 24. 1. Krammig 24. 1. Kriedemann * 25. 1. Freiherr von Kühlmann-Stumm 24. 1. Kulawig * 25. 1. Kunze 30. 4. Frau Kurlbaum-Beyer 15. 2. Lautenschlager * 25. 1. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Lemp 24. 1. Lenz (Brühl) * 25. 1. Dr. Löhr 25. 1. Lücker (München) * 25. 1. Mauk * 25. 1. Memmel * 25. 1. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 24. 1. Metzger * 25. 1. Müller (Aachen-Land) * 25. 1. Petersen 24. 1. Richarts * 25. 1. Prinz 24. 1. zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Dr. Schmidt (Offenbach) 24. 1. Frau Dr. Schwarzhaupt 24. 1. Springorum * 25. 1. Dr. Staratzke 25. 1. Dr. Starke (Franken) * 25. 1. Dr. Stecker 24. 1. Steinhoff 30. 4. Teriete 24. 1. Unertl 24. 1. Weigl 24. 1. Weimer 25. 1. Welke 24. 1. Frau Wessel 28. 2. Frau Dr. Wex 24. 1. Dr. Wilhelmi 25. 1. Winkelheide 28. 2. Wurbs 24. 1. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vorn 20. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kahn-Ackermann (Drucksache V/3705 Frage 157): Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um entsprechend der Entschließung 378 der Beratenden Versammlung des Europarates vom 24. September 1968 zu einer einheitlichen Politik auf dem Gebiet der Kultur und Erziehung in den internationalen Kulturorganisationen zu gelangen? Die Bundesregierung ist ständig bemüht, die Einheitlichkeit einer Politik der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kultur und Erziehung zu gewährleisten. Diese Einheitlichkeit wird u. a. durch enge Fühlungnahme und regelmäßige Besprechungen zwischen den Ressorts und den zuständigen innerdeutschen Institutionen angestrebt. Die Bundesregierung beabsichtigt, diese regelmäßigen Besprechungen im Interesse der Erarbeitung einer kohärenten Politik der deutschen Vertreter in den internationalen Kulturorganisationen noch weiter auszudehnen. Die Bundesregierung ist sich der Bedeutung einer einheitlichen Kultur- und Erziehungspolitik im * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments 11464 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 multilateralen Bereich bewußt und handelt auch danach. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Bundesrepublik Deutschland in derartigen internationalen Gremien nur einer von vielen Teilnehmern ist. So begrüßt die Bundesregierung z. B. den Vorschlag, daß die Programme der UNESCO und des Rats für kulturelle Zusammenarbeit im Europarat besser als bisher aufeinander abgestimmt werden. Desgleichen ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die im Rat für kulturelle Zusammenarbeit vertretenen europäischen Staaten bei ihrem Auftreten in der UNESCO möglichst eine einheitliche Haltung einnehmen sollten. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 20. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Lenze (Attendorn) (Drucksache V/3709 Fragen 160 und 161) : Hat der Ministerrat der Westeuropäischen Union bereits Stellung genommen zu der Empfehlung 166 der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 14. Oktober 1968, in der diese den Rat um einen Bericht über die Reorganisation des Atlantischen Bündnisses und über die Beziehungen zwischen NATO und Westeuropäischer Union ersucht? Welches sind die eigenen Vorstellungen der Bundesregierung in dieser Frage? Der Rat der WEU hat die 11 Empfehlungen der WEU-Versammlung, die sie während ihrer 14. Ordentlichen Sitzung verabschiedet hat und zu denen die Empfehlung 166 gehört, noch nicht beantwortet. Der Rat ist bemüht, nach Abstimmung mit den Regierungen die Antworten der Versammlung bis zu ihrer nächsten Sitzung am 20. und 21. Februar 1969 zuzuleiten. Die Bundesregierung erörtert z. Z. mit den übrigen Regierungen die Antworten auf die Empfehlungen der WEU-Versammlung. Mit Rücksicht auf das Prinzip, daß die Antworten des Rates die einheitliche Auffassung aller Mitgliedstaaten wiedergeben sollen, erscheint es der Bundesregierung nicht tunlich, im gegenwärtigen Zeitpunkt im einzelnen ihre Auffassung sowohl über die Reorganisation des atlantischen Bündnisses als auch über die Beziehungen zwischen NATO und der WEU darzustellen. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 24. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Reichmann (Drucksache V/3730 Fragen 6 und 7) : Sind Berichte und Veröffentlichungen zutreffend, wonach die USA an Israel Phantom-Düsenjäger zum Stückpreis von 16 Millionen DM liefern? Aus welchem Grund bezahlt die Bundesregierung für dieselbe Maschine angeblich 23 Millionen DM? 1. Über die Höhe des Stückpreises für die von den USA an Israel zur liefernden Phantom-Flugzeuge liegen der Bundesregierung keine amtlichen Mitteilungen vor. 2. Die Preise der Phantom-Flugzeuge für die israelische Luftwaffe und für die deutsche Luftwaffe sind nicht vergleichbar, weil es sich um unterschiedliche Versionen handelt. 3. Der Stückpreis von angeblich 16 Mio DM der israelischen Version ist nicht vergleichbar mit dem Systempreis von 23 Mio DM der deutschen Version, da — im Gegensatz zum Stückpreis — im Systempreis sämtliche Aufwendungen eingeschlossen sind, die für die Beschaffung und die Indienststellung des Waffensystems notwendig sind (Ersatzteil-Grundausstattung, Bodendienst- und Prüfgerät, Dokumentation, Ausbildungsgerät, Pilotenausbildung, technische Unterstützung und Infrastrukturmaßnahmen). 4. Der reine Stückpreis der deutschen Version des Phantom-Flugzeugs beträgt DM 12,4 Mio. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Strohmayr (Drucksache V/3730 Frage 8) : Ist es richtig, daß die Oberfinanzdirektionen von der Bundesregierung angewiesen worden sind, bei Anhörverfahren zu neu aufgestellten Flächennutzungsplänen Einsprüche zu erheben, auch wenn bundeseigene Grundstücke, die in die genannten Pläne einbezogen wurden, schon seit Jahren keinerlei Nutzung von seiten des Bundes oder der Bundeswehr zugeführt worden sind? Der Bundesregierung ist von einer derartigen Anordnung nichts bekannt. Wenn Sie, Herr Kollege, einen speziellen Fall im Auge haben, bitte ich, dem Ministerium die Einzelheiten mitzuteilen. Ich werde veranlassen, daß Sie möglichst schnell eine nähere Sachschilderung erhalten. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Josten (Drucksache V/3730 Frage 9) : Wieweit sind die Entscheidungen über eine einheitliche Uniform für die einzelnen Truppengattungen getroffen? Ich darf Ihre Fragestellung so auslegen, daß Sie unter der Bezeichnung „Truppengattung" die Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe und Marine verstehen. Die Soldaten der Bundeswehr verfügen über eine — Grundausstattung (Kampfausstattung) und eine — Friedenszusatzausstattung. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 11465 Die Grundausstattung tragen sie im Verteidigungsfall. Sie ist seit Bestehen der Bundeswehr einheitlich für alle Teilstreitkräfte. Zur Friedenszusatzausstattung gehört der sog. „Ausgehanzug", der in den 3 Teilstreitkräften unterschiedlich ist. 1955 hatte man zwar den Versuch gemacht, die Ausgehuniform zu Lande für alle 3 Teilstreitkräfte einheitlich einzuführen. Nachdem jedoch diese steingraue Uniform — Sie entsinnen sich vielleicht noch des zweireihigen Rockes — bei der Truppe auf einhellige Ablehnung gestoßen war, kam man bereits 1957 zu den Ausgehuniformen, wie sie noch heute getragen werden. Sie wurden lediglich bei Herr und Luftwaffe durch Anfügen farbiger Biesen in den Waffenfarben verändert. Die Stoffqualitäten unterliegen allerdings gelegentlichen Änderungen; so wurde im vergangenen Jahr für neubeschaffte Ausgehuniformen ein leichteres Tuch ausgewählt, weil dies von der Truppe allgemein gewünscht wurde. Aus technischen Gründen (Kräuselfalten) soll künftig die Hosenbiese in Wegfall kommen. Es besteht vorläufig nicht die Absicht, im Hinblick auf die Vereinheitlichung der Ausgehuniform bei den kanadischen Streitkräften, für die 3 Teilstreitkräfte der Bundeswehr eine ähnliche Regelung einzuführen. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 24. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Jung (Drucksache V/3730 Fragen 10, 11 und 12) : Gegen wie viele Angehörige des Bundesverteidigungsministeriums schweben Untersuchungen des ES-Referates wegen Korruptionsverdachts? Treffen Informationen zu, wonach die Untersuchung gegen einen Beamten der Beschaffungsstelle bereits seit zehn Jahren betrieben wird? Nach welchen Gesichtspunkten kann eine Untersuchung über Jahre geführt werden, ohne daß über Einstellung oder Abgabe an die Strafverfolgungsbehörden entschieden wird? Die Zahl der gegen Angehörige des Bundesverteidigungsministeriums laufenden Untersuchungen ist beruhigend gering. Da es sich bei diesen Untersuchungen aber aus naheliegenden Gründen um geheimzuhaltende Angelegenheiten handelt und sich schon aus der bloßen Zahl der anhängigen Fälle Schlüsse ziehen lassen, die die Aufklärung beeinträchtigen können, bitte ich um Verständnis, wenn die Bundesregierung die genaue Zahl hier nicht bekanntgeben kann. Ich bin aber gern bereit, dem Verteidigungsausschuß weitere Auskünfte zu erteilen. Die zweite Frage beantworte ich mit „Nein". Die im eigenen Bereich geführten Untersuchungen sollen die Korruption im Ansatz bekämpfen und ihr durch möglichst frühzeitige Aufklärung vorbeugend entgegenwirken. Geschickt getarnte, z. B. überwiegend im Ausland durchgeführte Manipulationen können manchmal erst nach jahrelangen Bemühungen aufgeklärt werden. Über die Abgabe an die Staatsanwaltschaft wird jeweils entschieden, wenn zureichende Anhaltspunkte für den Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ramms (Drucksache V/3730 Frage 23) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß entgegen der Behauptung in der Werbezeitschrift „contra" des Bundesverkehrsministers die Deutsche Bundesbahn nicht in der Lage war, die angeforderten Waggons fristgerecht zu stellen? Nach den Feststellungen der Bundesregierung hat die Bundesbahn im abgelaufenen Jahre den Wagenanforderungen fast durchweg fristgerecht entsprechen können. Verzögerungen entstanden nur vereinzelt und nur dann, wenn kurzfristig und unvorhergesehen bestimmte Typen von Spezialwagen in großem Umfange angefordert wurden, wie dies im Zusammenhang mit der sprunghaften Steigerung des Exportes vor Inkrafttreten der erhöhten Besteuerung der Ausfuhrgüter zum 23. 12. 1968 geschah. Die zitierte Schrift CONTRA enthält zu diesem Thema lediglich die den Tatsachen entsprechende Notiz, daß bei der Bundesbahn „zeitweise zigtausend Waggons leer herumstehen". Anlage 9 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ramms (Drucksache V/3730 Frage 24) : Ist die Bundesregierung der Meinung, daß in dem Augenblick, wo der Güterfernverkehr den einen Pfennig pro Tonne und Kilometer der Verladerschaft nicht berechnen muß, das Ziel, die Güter von der Straße auf die Schiene umzulenken, noch zu erreichen ist? Ja, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß der von der Straßengüterverkehrsteuer ausgehende Umlenkungseffekt nach wie vor gegeben ist. Die Güterfernverkehrsunternehmer werden die Steuer in der Regel weitergeben müssen, wie umgekehrt bei Verzicht auf Weitergabe der Anreiz für die Güterfernverkehrsunternehmer, sich des von der Steuer befreiten kombinierten Verkehrs zu bedienen, noch verstärkt wird. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Marx (Kaiserslautern) (Drucksache V/3730 Frage 25) : 11466 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 In welcher Weise ist das ungarische und tschechoslowakische Begehren, auf der Donaustrecke zwischen Rajka und Gönyü für durchfahrende Schiffe eine besondere Schiffahrtsabgabe zu erheben, im Hinblick auf das Belgrader Donauabkommen von 1948 und die Beschlüsse der Donaukommission von 1950 behandelt worden? Das ungarische und tschechoslowakische Begehren, auf der Donaustrecke zwischen Rajka und Gönyü für die durchfahrende Schiffahrt eine besondere Abgabe zu erheben, wird seit Juni 1968 in der Donaukommission behandelt. Dabei ist die rechtliche Frage der Zulässigkeit der Abgabenerhebung bisher nicht näher erörtert worden. Im Vordergrund der Beratungen stehen die technischen Fragen der beabsichtigten Donauregulierung und ihrer Auswirkungen auf den Hochwasserschutz, die übrige Wasserwirtschaft und die Verkehrswirtschaft. Eine Entscheidung wurde bisher nicht getroffen, weil mehrere Mitgliedstaaten der Einführung der Abgabe ablehnend gegenüberstanden. Die Vertreter Ungarns und der Tschechoslowakei wurden gebeten, bis zur nächsten Tagung der Donaukommission weitere Unterlagen über die technischen Einzelheiten des Ausbauprojekts vorzulegen und darzutun, inwieweit die Kosten das übliche Maß der Aufwendungen für die Stromunterhaltungen übertreffen und inwieweit gegebenenfalls die Mehrkosten billigerweise der Schiffahrt angelastet werden können. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 24. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Weiland (Drucksache V/3730 Fragen 26, 27 und 28) : Was hat die Bundesregierung veranlaßt, ihre ursprüngliche Absicht, der vollen Weiterwälzung der Straßengüterverkehrsteuer, wie sie in der Begründung zur Drucksache V/2494 Teil II unter I. zum Ausdruck kommt und wie sie der Bundesverkehrsminister in seinen Ausführungen in der 332. Sitzung des Bundesrates als notwendig für die Umverlagerung von Gütern von der Straße auf die Schiene bezeichnet hat, fallenzulassen? Wie stellt sich die Bundesregierung nach der Tarifentscheidung vom 19. Dezember 1968 über die Weiterwälzung der Straßengüterverkehrsteuer die im Verkehrspolitischen Programm geforderten Umlagerungseffekte von der Straße auf die Schiene vor? Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die neu geschaffenen unterschiedlichen Margen bei den Beförderungsentgelten zu Konzentrationserscheinungen im Straßengüterverkehrsgewerbe führen werden, ohne die Gesamtkapazität zu ändern? Ihre Frage unterstellt, die Bundesregierung habe die Auffassung vertreten, die Straßengüterverkehrssteuer müsse in jedem Falle und restlos weitergewälzt werden. Das trifft nicht zu. Deshalb gibt es keine Änderung der Auffassung der Bundesregierung. Die bisherigen Vorstellungen der Bundesregierung bleiben durch den Erlaß der Tarifentscheidung vom 19. 12. 1968 völlig unberührt. Nach wie vor ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der Verlagerungseffekt 1. durch die Veränderung der Kostenlage und 2. durch die Attraktivität des Angebots der Deutschen Bundesbahn sowie 3. durch die Steuerbefreiung bei Ausschöpfung der Möglichkeiten des kombinierten Verkehrs erzielt wird. Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß die Tarifentscheidung vom 19. Dezember 1968 zu Konzentrationserscheinungen führen wird. Alle Güterfernverkehrsunternehmer sind berechtigt, die Steuer neben der Fracht in Rechnung zu stellen. Die gegenwärtige Marktlage sowie die bestehende Wettbewerbssituation lassen eine ausgeglichene Wahrnehmung dieser Chance erwarten. Im übrigen wird die Bundesregierung die weitere Entwicklung aufmerksam beobachten. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr.-Ing. Pausch vom 21. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgordneten Kiep (Drucksache V/3730 Fragen 29, 30 und 31) : Ist die Bundesregierung bereit, bei der Planung einer im Raume Frankfurt (Main) vorgesehenen unterirdischen Fernmeldestation insbesondere strukturpolitische Auswirkungen zu berücksichtigen? Bei Bejahung der Frage 29: Glaubt die Bundesregierung, durch den Bau einer solchen Anlage im Kur- und Erholungszentrum Königstein (Taunus) einen positiven strukturpolitischen Effekt zu erzielen? Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß es aus strukturpolitischen Gesichtspunkten sinnvoller wäre, die Station an einen anderen Platz zu verlegen, etwa in das Bundesausbaugebiet Oberlahnkreis, wo es insbesondere durch die umfangreichen Bauarbeiten zu einem verstärkten Angebot industrieller Arbeitsplätze kommen könnte? Bei dem geplanten Fernmeldebauvorhaben im Romberg bei Königstein handelt es sich um ein technisches Bauwerk. Es kommt also bei der Wahl seines Standortes in erster Linie auf technische Gesichtspunkte an. Selbstverständlich werden daneben auch soweit als möglich strukturpolitische Auswirkungen berücksichtigt. Das ist auch im vorliegenden Fall geschehen. Es gibt allerdings vorrangige technische Gründe, die für den Raum Königstein sprechen. Der Erweiterungsbau darf nicht weiter von Frankfurt am Main entfernt sein als unbedingt notwendig. Nur dann bestehen günstige Voraussetzungen für den Anschluß an das Kabel- und Richtfunknetz. Nur dann läßt sich das technische und betriebliche Zusammenspiel aller in diesem Raum vorhandenen Dienststellen in optimaler Weise aufeinander abstimmen. Das Projekt im Romberg erfüllt diese Voraussetzungen gegenüber 8 anderen überprüften Möglichkeiten optimal. Wie durch ein Gutachten bestätigt wird, gilt das auch in geologischer und hydrogeologischer Hinsicht. Auch strukturpolitische Überlegungen sprechen nicht gegen den Raum Königstein. Es wurde festgestellt, daß täglich etwa 12 000 Einwohner des Landkreises Untertaunus in andere Gebiete zu ihren Arbeitsstätten fahren müssen und daß der Bevölkerungszuwachs im Landkreis in den letzten 15 Jahren 40 v. H. betrug. Im Hinblick auf diese Zahlen ist es sicher wichtig, neue Arbeitsplätze in diesem Gebiet Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 11467 zu schaffen. Eine genügend große Bevölkerungsreserve läßt für die Deutsche Bundespost keine Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Arbeitskräften im Raum Königstein erwarten. Die Verkehrsstruktur ist für Pendler sehr günstig. Auch sind weiterführende Schulen vorhanden. Es darf zuletzt nicht unberücksichtigt bleiben, daß bereits heute 15 bis 20 v. H. der Kräfte, die später im Neubauprojekt „Romberg" arbeiten sollen, in diesem Gebiet wohnen. Durch das geplante Bauvorhaben gibt es für die Stadt Königstein eine Reihe von Vorteilen. So kann die Stadt einen großen Teil des Abraums für Aufschüttungen beim Schwimmbad und bei der Brunnenanlage sowie für den geplanten Ausbau des Wanderwegenetzes verwenden. Auch der Bau der zur Entlastung der Innenstadt von Königstein geplanten Straßen wird sich beschleunigen lassen, wenn dabei auf das verfügbare Abraumgestein zurückgegriffen werden kann. Schließlich stehen der Stadt bei der Lösung ihres Abwasserproblems weitere Vorteile in Aussicht. Die Bundesregierung kann aus zwingenden technischen Gründen nicht auf ihre Planung im Raum Königstein verzichten. Sie ist der Ansicht, daß strukturpolitische Überlegungen nicht dagegen sprechen. Das Bauvorhaben im Romberg dient der Erweiterung der fernmeldetechnischen Anlagen, die sich in Frankfurt am Main in den Gebäuden auf der Zeil befinden. Etwa 1975 ist deren Kapazität erschöpft. Deshalb würde sich jede Verzögerung des Bauvorhabens im Romberg nachteilig auf die Leistungsfähigkeit unseres Fernmeldewesens, insbesondere für die Fernsprechversorgung des Frankfurter Raumes und des Fernverkehrs auswirken. Darüber hinaus käme es zu Gebührenausfällen. Eine planmäßige Erweiterung dagegen schafft dringend benötigte zusätzliche Anschlüsse. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr.-Ing. Pausch vom 24. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgordneten Dr. Enders (Drucksache V/3730 Fragen 32, 33 und 34) : Nach welchen Kriterien gewährt die Deutsche Bundespost Befreiung von der Fernseh- und Rundfunkgebühr? Wieviel Anträgen auf Befreiung von der Fernseh- und Rundfunkgebühr wurde bisher entsprochen? Ist der Bundesregierung bekannt, daß Anträge für die Befreiung von der Fernseh- und Rundfunkgebühr ausgegeben werden, die zur Befürwortung an die Fürsorgestelle und an den Bezirksfürsorgeverband gerichtet werden müssen? In einem Urteil vom 15. März 1968 hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Rechtsstreit wegen Befreiung von der Rundfunkgebühr entschieden, daß nicht die Deutsche Bundespost, sondern die Rundfunkanstalten Gläubiger der Rundfunkgebühren und damit auch für die Befreiung von Ton- und Fernsehrundfunkgebühren zuständig sind. Die Rundfunkanstalten haben daraufhin der Deutschen Bundespost zum Befreiungs-Verfahren folgendes mitgeteilt: Anträge auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht sind an die zuständige Sozialbehörde zu stellen. Sofern diese nach den ihnen gegebenen Richtlinien den Antrag befürwortet, gilt er aufgrund einer Allgemeinverfügung der Rundfunkanstalten als genehmigt. Befürwortet die Sozialbehörde den Antrag nicht, wird er an die zuständige Landesrundfunkanstalt abgegeben, die darüber entscheidet. Sie teilt ihre Entscheidung dem Antragsteller und der Deutschen Bundespost mit. So wird z. Z. verfahren. Es ist also richtig, daß die Anträge für die Befreiung von den Ton- und Fernseh-Rundfunkgebühren aus sozialen Gründen bei der jeweils zuständigen Sozialbehörde einzureichen sind. Nach dem Stand vom 1. Januar 1969 waren aus sozialen Gründen von den Ton-Rundfunkgebühren 428 024 und von den Fernseh-Rundfunkgebühren 60 741 Rundfunkteilnehmer befreit. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr.-Ing. Pausch vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Geldner (Drucksache V/3730 Frage 35) : Wie kommt es, daß die Bundesrepublik Deutschland, die zu den wirtschaftlich stärksten Ländern zählt, mit 17 Sprechstellen auf 100 Einwohner mit ihrem Fernsprechnetz erst an 16. Stelle in der Welt steht? Nach den jüngsten statistischen Übersichten der American Telephone & Telegraph Company steht die Bundesrepublik Deutschland unter den Ländern mit mehr als 500 000 Fernsprechanschlüssen an der 14. Stelle in der Welt. Vor uns stehen: USA, Schweden, Schweiz, Kanada, Neuseeland, Dänemark, Australien, Norwegen, England, Niederlande, Finnland, Belgien und Japan. Wegen der unterschiedlichen Verhältnisse in den genannten Ländern kann man jedoch die statistischen Zahlen nicht direkt miteinander vergleichen. Ein Vergleich wäre mit Frankreich möglich, das in dieser Statistik zwei Stellen hinter uns steht. 1945 betrug unsere Sprechstellendichte noch 4,4 Sprechstellen je Einwohner. Nunmehr beträgt sie etwa 19 v. H. Bei der Beurteilung dieser statistischen Werte darf man folgendes nicht außer acht lassen: — Unser Fernmeldenetz wurde durch den Krieg bis zu 30 v. H. zerstört. — Durch die Teilung unseres Landes mußte das Fernmeldenetz umstrukturiert werden. Früher war Berlin der Mittelpunkt, heute ist es Frankfurt am Main. — Die Kapazität der deutschen Fernmeldeindustrie reichte in der Vergangenheit nicht immer aus, um den Bedarf der Deutschen Bundespost zu decken. — Die Planungskapazität bei der Deutschen Bundespost konnte mangels Ingenieuren und ande- 11468 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 ren Fachkräften nicht in dem erforderlichen Umfang erweitert werden. Noch heute fehlen 14 000 Kräfte im gesamten Fernmeldewesen. — Dazu kam schließlich noch der chronische Mangel an Investitionsmitteln, die hohe Fremdverschuldung der Deutschen Bundespost, die z. Z. 15 Milliarden DM beträgt, und die zeitweilige Verknappung auf dem Kapitalmarkt. Während z. B. ein Teilnehmer in Japan für die Einrichtung eines Fernsprechanschlusses 330 DM zahlt und gleichzeitig der staatlichen Telefongesellschaft ein Darlehen in Höhe von durchschnittlich 1100 DM gibt, Laufzeit 10 Jahre — Verzinsung 7 %, zahlt der Teilnehmer in Deutschland nur eine Einrichtungsgebühr von 90 DM. Günstiger sieht die Statistik für uns aus, wenn man die Zuwachsraten an Fernsprechanschlüssen vergleicht. Dabei stehen wir in der Welt an 8. Stelle. Die Nettozugänge an Hauptanschlüssen wurden von 194 000 im Jahre 1958 auf 710 000 im Jahre 1963 gesteigert. Zieht man den technischen Ausbaustand des Fernmeldewesens wie z. B. den Stand der Automation mit zur Betrachtung heran, so fällt der Vergleich noch günstiger für uns aus: Unser Ortsverkehr ist zu 100 %, unser Fernsprechfernverkehr (Inland) zu 99,8 % und unser Fernsprechfernverkehr (Ausland) zu 90,5 % vollautomatisiert. In Frankreich z. B. beträgt der Anteil des Selbstwählferndienstes 88,9 v. H. Die Deutsche Bundespost ist im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung für die nächsten fünf Jahre bemüht, die Sprechstellendichte auf etwa 27 Anschlüsse je 100 Einwohner zu steigern. Dabei wird der Nettozuwachs an Anschlüssen bis auf 1 Million pro Jahr steigen. Ich will allerdings gleich hinzufügen, daß dazu die Investitionsmittel, die im Jahr 1968 2,3 Milliarden DM betragen, auf jährlich bis zu 4 Milliarden DM gesteigert werden müssen. Dabei hoffe ich auf die Unterstützung dieses Hohen Hauses. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr.-Ing. Pausch vom 21. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Hörmann (Freiburg) (Drucksache V/3730 Fragen 36, 37 und 38) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fachleute der Rundfunk- und Fernsehtechnik in Freiburg, daß die Errichtung eines neuen Fernsehsenders auf dem Schönberg die Umrüstung von rund 60 000 Fernsehantennen in den Kreisen Freiburg (Stadt und Land, Emmendingen und Müllheim) zur Folge hat, weil der bisherige Kaiserstuhl-Sender (K 58) künftig das Dritte Programm ausstrahlen soll? Ist der einwandfreie Empfang des Ersten Programms in allen Teilen des Einzugsbereiches des Senders K 58 auch nach der Umstellung gewährleistet? Wie beurteilt die Bundesregierung die entsprechenden Vorschläge der Fachleute der Rundfunk- und Fernsehtechnik zur Behebung der zu erwartenden Schwierigkeiten? Für die Versorgung der Bevölkerung mit dem 1. Fernsehprogramm ist im Freiburger Raum der Südwestfunk zuständig. Er hat bei mir beantragt, die Errichtung und den Betrieb eines Fernsehfüllsenders im Kanal 51 auf dem Schönberg zu genehmigen. Dieser Antrag wurde erforderlich, nachdem die schweizerische Fernmeldeverwaltung, die nach den Bestimmungen des Europäischen Rundfunkabkommens Stockholm (1961) befragt werden mußte, ihre Zustimmung zur Verwendung des Kanals 51 am Standort Kaiserstuhl trotz wiederholter Bemühungen der Deutschen Bundespost versagt hatte. Der Standort Schönberg erfordert eine Umrüstung der Fernsehempfangsantennen im Freiburger Raum. Der Sender im Kanal 58 (Standort Kaiserstuhl) kann aber für das 1. Programm nicht länger verwendet werden. Er war von Anbeginn an für das 3. Programm vorgesehen, wurde nur vorübergehend für das 1. Programm zur Verfügung gestellt und wird jetzt vom 3. regionalen Programm benötigt. Bisher war ich nicht darüber unterrichtet, daß durch den Standortwechsel vom Kaiserstuhl zum Schönberg etwa 60 000 Fernsehempfangsantennen umgerüstet werden müssen. Es war mir nur bekannt, daß mit Umrüstungen in wesentlich geringerem Umfang zu .rechnen sei. Vorschläge der Fachleute der Rundfunk- und Fernsehtechnik zur Behebung dieser Schwierigkeiten sind mir bisher nicht unterbreitet worden. Dem Vernehmen nach ist jedoch damit zu rechnen, daß sie in Kürze vorgelegt werden. Die Deutsche Bundespost wird diese Vorschläge mit Vorrang prüfen und im Interesse der betroffenen Fernsehteilnehmer entsprechende Vorhaben des Südwestfunks, der für die Behebung der Versorgungsschwierigkeiten im 1. Programm zuständig ist, nach Kräften unterstützen. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Stoltenberg vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage .des Abgeordneten Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (Drucksache V/3730 Frage 39) : Wird die Bundesregierung in einer Rechtsverordnung nicht nur die Herstellung und den Verkauf von Uhren mit radioaktiven Leuchtfarben verbieten, die als Spielzeug für Kinder gedacht sind, wie das im Ratsbeschluß der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vom 19. Juli 1966 empfohlen wird, sondern allgemein die Herstellung und den Verkauf von Spielwaren verbieten, auf denen radioaktive Leuchtfarben angebracht sind? Der z. Z. dem Deutschen Bundestag vorliegende Entwurf eines Gesetzes zum Ratsbeschluß der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vom 19. Juli 1966 über die Annahme von Strahlenschutznormen für Uhren mit radioaktiven Leuchtfarben enthält in Art. 2 die Ermächtigung durch Rechtsverordnung bestimmte Arten der Verwendung radioaktiver Stoffe allgemein zu verbieten, wenn dies aufgrund internationaler Empfehlungen zum Schutz der Gesundheit ein- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 11469 zelner older der Allgemeinheit erforderlich List. Eine Arbeitsgruppe der OECD erarbeitet z. Z. Empfehlungen zur Verwendung von Bedarfsgegenständen mit radioaktiven Stoffen. Hierunter fallen auch Spielwaren. Die Arbeitsgruppe wird voraussichtlich für Spielwaren mit radioaktiven Stoffen ein allgemeines Verwendungsverbot empfehlen. Nach der Annahme der Empfehlungen wird die Bundesregierung dieses Verbot in das deutsche Recht übernehmen. Im übrigen kann aufgrund der bisherigen Erfahrungen (angenommen werden, daß sich in der Bundesrepublik kein Spielzeug mit radioaktiver Leuchtfarbe auf dem Markt befindet. Die Bundesregierung wird jedoch in Zusammenarbeit mit den zuständigen Landesbehörden aufmerksam verfolgen, ob Spielzeug mit radioaktiver Leuchtfarbe auf den Markt gebracht wird und ggfs. auch schon vor einem allgemeinen Verbot die notwendigen Maßnahmen zur Untersagung des Vertriebs derartigen Spielzeuges treffen. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Stoltenberg vom 24. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Westphal (Drucksache V/3730 Fragen 46 und 47): Führt die Bundesregierung bereits Verhandlungen mit den Ländern über das Verfahren der Vergabe von Promotionsstipendien, nachdem dafür 1969 erstmals Mittel in die Haushalte von Bund und Ländern eingesetzt werden? Stimmt die Bundesregierung meiner Auffassung zu, daß die Promotionsstipendien nicht nur direkt über die Universitäten, sondern zu einem angemessenen Anteil auch über die Hochbegabten-Förderungswerke zur Verteilung gelangen sollen? Im Herbst 1967 ist erstmals zwischen dem Bundesminister für wissenschaftliche Forschung und dem Hochschulausschuß der Kultusministerkonferenz erörtert worden, ob und wie Bund und Länder gemeinsam ein Programm zur Promotionsförderung als Nachfolger des Programms der Stiftung Volkswagenwerk ab 1969 entwickeln sollen. Die Länder haben untereinander die Grundzüge des neuen Programms entwickelt, den BMwF davon jedoch erst im Dezember 1968 in Kenntnis gesetzt. Die Bundesregierung hofft, daß alsbald eine endgültige Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zustande kommt, damit die in den Haushalten eingesetzten Mittel interessierten und befähigten Kandidaten zugute kommen können. Wie ich in meiner Antwort auf die Frage 1 dargelegt habe, besteht noch keine Einigung zwischen Bund und Ländern darüber, auf welche Weise bei einem gemeinsamen Promotionsförderungsprogramm die Stipendien vergeben werden sollen. Es muß geprüft werden, ob auch die Hochbegabtenförderungswerke mit der Abwicklung eines Teils des Programms beauftragt werden können. Anlage 18 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Eppler vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Blohm (Drucksache V/3730 Frage 48) : Ist es richtig, daß die Bundesregierung die im Zusammenhang mit der Kennedy-Runde beschlossene Nahrungsmittelhilfe an die Entwicklungsländer nationalstaatlich statt über die Europäischen Gemeinschaften verteilen will? Die in der Kennedy-Runde gemeinsam von der EWG und ihren Mitgliedstaaten übernommene Verpflichtung zur Nahrungsmittelhilfe in Form von Getreide wird zum Teil durch die Gemeinschaft und zum Teil national erfüllt werden. Bei gemeinschaftlichen Maßnahmen beteiligen sich alle Mitgliedstaaten — mit Ausnahme Luxemburgs — in vergleichbarem Umfang an der Nahrungsmittelhilfe für bestimmte Empfängerländer. Bisher konnte in Brüssel keine Einigung über die Aufteilung der Nahrungsmittelhilfe auf einzelstaatliche und gemeinschaftliche Hilfsaktionen erzielt werden. Dies ist darauf zurückzuführen, daß sich einige Mitgliedstaaten noch nicht verbindlich über die Auswahl der Empfängerländer und die Höhe ihrer Lieferabsichten geäußert haben. Erst wenn dies der Fall ist, kann der Ministerrat der EWG über den Umfang der Nahrungsmittelhilfe bei gemeinschaftlichen Maßnahmen entscheiden. Es ist durchaus möglich, daß Mitgliedstaaten, die gegenüber bestimmten dritten Ländern an Hilfsaktionen besonders interessiert sind, sowohl eine Beteiligung an gemeinschaftlichen Maßnahmen als auch einzelstaatliche Aktionen in Erwägung ziehen können. Die Bundesrepublik Deutschland hat in der vergangenen Woche einer Soforthilfeaktion der Gemeinschaft an die Türkei zugestimmt. Der deutsche Anteil an dieser Gemeinschaftshilfe von 50 000 t Getreide beträgt 14 000 t. Darüber hinaus sind auch nationale Lieferungen an die Türkei vorgesehen. Anlage 19 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 24. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (Drucksache V/3730 Fragen 51 und 52) : Trifft es zu, daß in der früheren Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz die Texte von Hitlers Reden so aufbewahrt werden, daß diese Dokumente einer schlimmen Zeit für die Auswertung allmählich unbrauchbar werden? Trifft es zu, daß für die Auswertung dieser Reden, die als Material für die Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit wichtig sein können, bisher wenig getan worden ist, und dies auch in der nächsten Zeit so bleiben wird? Das Bundesarchiv bewahrt Texte von HitlerReden in schriftlicher Form, in Form von Tonfilmen und in Form von Tonträgern auf. Die Aufbewahrung der schriftlichen Texte ist unproblematisch. Die einschlägigen Filme sind auf der Festung Ehrenbreitstein eingelagert und zwar in dem dort mit erheb- 11470 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 lichen Mitteln ausgebauten Filmarchiv. Dessen technische Einrichtungen bieten die Gewähr für eine konservierende und dauerhafte Aufbewahrung. Die Tonfilme mit Hitler-Reden sind im übrigen bereits auf Sicherheitsfilm umkopiert. Allenfalls können jüngste Rückgaben aus Amerika bisher noch nicht bearbeitetes Material enthalten. Die Lagerung der neuen Azetatkopien bietet zu akuter Sorge keinen Anlaß. Das Tonarchiv ist zur Zeit noch im Filmarchiv auf der Festung Ehrenbreitstein untergebracht und nutzt dessen technische Einrichtungen. Die Lagerung der Schallplatten, Kupfermatrizen und Tonbänder ist zweckentsprechend. Die Erhaltung der Tonträger ist gewährleistet. Im übrigen ist ein Erweiterungsbau des Bundesarchivs geplant, der u. a. auch das Tonarchiv aufnehmen soll. Insgesamt besteht kein Anlaß zu der Befürchtung, daß die Art der Aufbewahrung die Auswertung der Dokumente beeinträchtigen könnte. Die in schriftlicher Form, auf Tonfilm oder -träger, im Bundesarchiv vorhandenen Reden Hitlers können grundsätzlich für wissenschaftliche und andere Zwecke ausgewertet werden. Aufgabe des Bundesarchivs ist es nicht in erster Linie, die wissenschaftliche Auswertung selbst vorzunehmen, sondern das Material zur Auswertung zu sammeln und zu erschließen. Bei den Tonträgern ist die Erschließung allerdings noch nicht in der erforderlichen Weise durchgeführt, da die Übernahme und Erschließung der großen Massen des Aktenmaterials, insbesondere der umfangreichen Aktenrückgaben aus den USA, bisher, und wahrscheinlich auch noch in absehbarer Zeit, die Arbeitskapazität des Bundesarchivs beansprucht. Eine Auswertung der Tonträger war und ist dadurch jedoch nicht ausgeschlossen. Als Material für die Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürften die im Bundesarchiv vorhandenen Reden Hitlers kaum in Betracht kommen, da sie nicht auf Einzelfälle eingehen. Anlage 20 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dorn (Drucksache V/3730 Frage 53) : Auf welche Tatsachen oder Erklärungen stützt sich die Meinung der Bundesregierung, „daß es möglich sein wird, Wege und Mittel zu finden, durch die Sportveranstaltungen auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland sich abwickeln lassen, ohne deshalb in Kauf nehmen zu müssen, daß die Symbole eines sogenannten zweiten deutschen Staates überall gezeigt werden"? Nach den Statuten der meisten internationalen Fachverbände können Welt- und Europameisterschaften ohne Flaggen und Hymnen durchgeführt werden. Mehr als die Hälfte der Statuten stellen das Zeremoniell bei internationalen Sportwettkämpfen in das Ermessen des Ausrichters oder sehen vor, daß von der Verwendung von Flaggen und Hymnen in den Ländern abgesehen werden kann, in denen gesetzliche Bestimmungen die Handhabung des vollen Protokolls verhindern. Andere Statuten schreiben sogar ausdrücklich vor, daß die Meisterschaften ohne nationale Flaggen und Hymnen auszutragen sind. Bei dieser Sachlage kann davon ausgegangen werden, daß sich auch in Zukunft internationale Sportveranstaltungen auf dem Boden der Bundesrepublik abwickeln lassen, ohne daß Flagge und Hymne der sogenannten „DDR" geduldet werden müssen. Anlage 21 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Freyh (Drucksache V/3730 Frage 56) : Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung über die künftige Form der Finanzierung der Studentenförderung nach dem Honnefer Modell? Die Vorstellungen der Bundesregierung gingen und gehen dahin, daß die künftige Förderung von Studenten im Rahmen des Ausbildungsförderungsgesetzes ausschließlich durch den Bund erfolgt. Gegenwärtig werden die Mittel im Rahmen des Honnefer Modells je zur Hälfte durch Bund und Länder aufgebracht. Auch nach den im Deutschen Bundestag eingebrachten Initiativentwürfen der beiden Koalitionsfraktionen für ein Ausbildungsförderungsgesetz soll die Studentenförderung ausschließlich durch den Bund erfolgen; der FDP-Entwurf sieht demgegenüber eine Mischfinanzierung je zur Hälfte von Bund und Ländern vor. Nach dem vom Deutschen Bundestag in das Finanzreformgesetz eingefügten Art. 104 a Abs. 2 a wäre die bisherige Mischfinanzierung auch künftig möglich; denn danach können Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren, und von den Ländern ausgeführt werden, bestimmen, daß diese Geldleistungen ganz oder z. T. vom Bund getragen werden. Solange die Studenten-Förderung nach dem „Honnefer Modell" fortgeführt wird, wird es das Bemühen des Bundesministers des Innern bleiben, in Zusammenarbeit mit den Ländern das „Honnefer Modell" weiter zu verbessern. Das gilt insbesondere für die Erhöhung des Förderungsmeßbetrages und der Freibeträge. Leider war es nicht möglich, den Förderungsmeßbetrag schon ab 1. Januar dieses Jahres von 290 auf 350 DM zu erhöhen; z. Z. liegt er bei 320 DM monatlich. Es wird ferner erwogen, auch in den ersten drei Fachsemestern zu einer durchgehenden Förderung zu kommen, d. h. zu einer Einbeziehung auch der vorlesungsfreien Monate. Der Bundesminister des Innern wird sich darüber hinaus um eine Vereinfachung der Richtlinien bemühen. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 11471 Anlage 22 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dr. Heinemann vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Blohm (Drucksache V/3730 Frage 57): Welchen Stand haben die Vorarbeiten für die rechtliche Gestaltung einer einheitlichen europäischen Handelsgesellschaft? Die Schaffung einer Europäischen Handelsgesellschaft ist zunächst in einer Arbeitsgruppe des Ministerrats behandelt worden. Auf Grund des Berichts der Arbeitsgruppe ist im Ministerrat erörtert worden, ob gewisse Grundsatzfragen (Zugang, Mitbestimmung, ausschließlich Namensaktien) vorab entschieden werden müssen. Im Ministerrat ist zusätzlich das Verlangen geäußert worden, die beitrittswilligen Staaten an den Arbeiten zu beteiligen. Der Ministerrat hat die Ständigen Vertreter beauftragt, dieses Problem in ihrem Kreise zu erörtern und dem Rat einen Vorschlag vorzulegen. Anlage 23 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dr. Heinemann vom 24. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Frerichs (Drucksache V/3730 Fragen 58, 59 und 60) : Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung zu der durch die Fragebogenaktion der Kommission angesprochenen Vereinheitlichung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft? Welche Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, um zu verhindern, daß die im Zuge der Harmonisierung erforderderlichen Kompromisse das fortschrittliche deutsche Wettbewerbsrecht verwässern? Ist die Bundesregierung bereit, einer beabsichtigten Regelung der EWG-Vereinheitlichung durch Richtlinien nach Artikel 100 des EWG-Vertrages wegen der geringen nationalen Möglichkeiten einer Einflußnahme zu widersprechen? Die Bundesregierung begrüßt es, daß die EWG-Kommission idie Initiative zu einer Vereinheitlichung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ergriffen hat. Sie ist mit der Brüsseler Kommission der Meinung, daß eine solche Vereinheitlichung für die Entwicklung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes von wesentlicher Bedeutung ist. Die Bundesregierung wird sich bemühen, soviel wie möglich von den deutschen Rechtsvorstellungen auf diesem Gebiet auch für eine einheitliche Regelung innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durchzusetzen. Die Bundesregierung wird sich dabei auf das umfassende Gutachten stützen können, das das Max-Planck-Institut für ausländisches und interationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht in München im Auftrage der EWG-Kommission bereits erstattet hat. Außerdem sind nach unserem Eindruck in den fünf anderen Mitgliedstaaten der EWG Bestrebungen erkennbar, das dortige Recht gegen den unlauteren Wettbewerb auf 'bestimmten Gebieten, insbesondere dem der irreführenden Werbung, dem deutschen Schutz anzunähern. Die Bundesregierung wird ihre Bemühungen insbesondere auch darauf richten, daß bei den Vereinheitlichungsarbeiten der von der deutschen Rechtsprechung zunehmend herausgestellte Gesichtspunkt, daß das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb auch dem Schutz des Verbrauchers dient, nicht zu kurz kommt. Welcher formelle Weg für die Vereinheitlichung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb innerhalb der EWG eingeschlagen werden wird, läßt sich heute noch nicht mit Sicherheit sagen. Es handelt sich hierbei nach meinem Dafürhalten in erster Linie um eine Zweckmäßigkeitsfrage. Ich habe allerdings den Eindruck, daß einem völkerrechtlichen Vertrag zwischen den sechs Mitgliedstaaten der EWG vor einer Richtlinie nach Artikel 100 des EWG-Vertrages schon deshalb ,der Vorzug gegeben werden sollte, weil mit einem solchen Vertrag eine weitergehende Vereinheitlichung als mit einer Richtlinie erreicht und damit auch dem Ziel der von der Kommission in Brüssel dankenswerterweise ergriffenen Initiative besser gedient wäre. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß auch das bereits erwähnte Gutachten des MaxPlanck-Instituts sich für den Hauptbereich des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb für den Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrages ausspricht und einer Richtlinie nach Artikel 100 des EWG-Vertrages allenfalls Nebengebiete, wie etwa das Zugabe- und Rabattrecht, zu überlassen vorschlägt. Anlage 24 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 24. Januar 1969 auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Dröscher (Drucksache V/3730 Frage 61): Ist die Bundesregierung bereit, die Bestimmungen über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen entsprechend der agrarpolitischen Entwicklung (wie sie sich aus dem Agrarprogramm der Bundesregierung und der Europäischen Gemeinschaften ergibt) zu überprüfen und mit dem Ziel zu verändern, daß die pauschalen Sätze erheblich gesenkt werden? Die Bundesregierung hat, als sie im Frühjahr 1968 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des GDL — der eine Verlängerung der Geltungsdauer der Übergangsregelung in § 12 des Gesetzes vorsieht — verabschiedete, geprüft, ob die Durchschnittsätze auch der Höhe nach geändert werden müßten. Sie ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß die Durchschnittsätze der gegenwärtigen Ertragslage der Landwirtschaft entsprechen und für eine Abänderung keine Veranlassung besteht. Sollte die künftige Ertragslage sich verschlechtern, so wird die Bundesregierung prüfen, ob eine Änderung der Durchschnittsätze notwendig ist. Im übrigen strebt die Bundesregierung mit ihrem Agrarprogramm eine Verbesserung der Ertragslage der Landwirtschaft an. Ob durch Maßnahmen der EWG Ertragseinbußen eintreten werden, läßt sich zur Zeit noch nicht übersehen, da über die Preisvorschläge der EWG- 11472 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 Kommission im Ministerrat noch keine Entscheidung gefallen ist. Die Bundesregierung wird aber selbstverständlich auch insoweit die weitere Entwicklung sorgfältig beobachten. Anlage 25 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 24. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Fellermaier (Drucksache V/3730 Fragen 62, 63 und 64) : Hat die vom Gesetzgeber mit der Novelle zum Gesetz über das Branntweinmonopol aus 1965 beschlossene Förderung von Obstgemeinschaftsbrennereien nach den Erfahrungen der Bundesregierung zu einem Abbau der jährlichen Obstschwemme geführt? Wieviel Obstgemeinschaftsbrennereien machen von den Vergünstigungen der Novelle zum Gesetz über das Branntweinmonopol bisher Gebrauch? Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit und Möglichkeit, zusätzliche Anreize zur Bildung von Obstgemeinschaftsbrennereien zur Verwertung überschüssiger Obsterträge zu geben? Seit 1965 werden in acht bis zehn Obstgemeinschaftsbrennereien jährlich zwischen 31 und 91 hl Weingeist hergestellt. Es handelt sich dabei um Brennereien, die 1965 bereits vorhanden waren. Ihr Beitrag zur Verwertung von Obstüberschüssen ist nicht nennenswert. Die Bundesregierung hält zusätzliche Anreize zur Errichtung von Obstgemeinschaftsbrennereien nicht für erforderlich. Sie sieht sich in dieser Auffassung bestätigt durch den vor der Verwirklichung stehenden Plan einer Genossenschaft, eine sehr große Obstgemeinschaftsbrennerei zu errichten. Im übrigen erscheint eine Ausweitung der bestehenden Vergünstigungen wegen der damit verbundenen zusätzlichen finanziellen Belastung der Bundesmonopolverwaltung und wegen des möglichen späteren Wettbewerbs mit anderen Verschlußbrennereien nicht angezeigt. Anlage 26 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schöllhorn vom 24. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Orgaß (Drucksache V/3730 Fragen 65, 66 und 67): Warum hat die Bundesregierung im Herbst vergangenen Jahres in der internationalen Zahlungsbilanzkrise nicht vor der Konferenz der Zehn in Bonn eine Koordination im Rahmen der EWG gesucht? Wann hat der Bundeswirtschaftsminister die Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Zehnerkonferenz nach Bonn eingeladen? Teilt die Bundesregierung die Auffassung maßgeblicher Wirtschaftskreise und der Europaunion, daß die Zeit für erste Schritte zu einer Währungsunion der Europäischen Gemeinschaften gekommen ist? Eine Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten der EG hat sowohl vor als auch während der Konferenz stattgefunden. Schon auf dem Treffen der Wirtschafts- und Finanzminister der EG in Rotterdam am 9./10. September 1968 ist über die Währungsprobleme der Gemeinschaft gesprochen worden. Unmittelbar vor der Konferenz haben zahlreiche telefonische und persönliche Kontakte bestanden. Vor jeder entscheidenden Phase der Konferenz haben Zwischenberatungen der Mitgliedstaaten der EG, auch mit Beteiligung der Kommission, stattgefunden. Die Koordinierung der EG-Staaten war also sehr intensiv, und zwar gerade auf der politischen, der Ministerebene. Eine Tagung des Währungsausschusses der EWG ist deshalb von keinem Mitgliedstaat beantragt worden. Vor der Konferenz der Zehnergruppe haben Kontakte zwischen der Kommission der EG und der Bundesregierung stattgefunden. Da die Kommission nicht Mitglied der Zehnergruppe ist, konnte der Vorsitzende eine Einladung an die Kommission erst aussprechen, als das Einverständnis aller Mitglieder der Zehnergruppe vorlag. Zu Beginn der Konferenz hat sich der Vorsitzende der Zehnergruppe für eine Einladung der Kommission eingesetzt. Da alle Mitglieder einverstanden waren, konnten der Vizepräsident der Kommission, Herr Barre, und das Mitglied der Kommission, Herr von der Groeben, an der Konferenz teilnehmen. Die fortschreitende währungs- und wirtschaftspolitische Integration in Richtung auf die Währungsunion ist seit Jahren Gegenstand ständiger Bemühungen sowohl der Bundesrepublik als auch ihrer europäischen Partnerländer. Um diese Entwicklung weiter zu fördern, hat die Bundesregierung in ihrer Europa-Initiative vom 27. 9. 1968 deutlich gemacht, daß sie es für erforderlich hält, weitere Fortschritte auf dem Gebiet einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik zu erzielen. Sie ist der Auffassung, daß die Entwicklung zur Währungsunion Hand in Hand gehen muß mit Fortschritten auf dem Gebiet der wirtschaftspolitischen Integration. Diesen Gedankengängen folgend hat der Währungsausschuß der EG in den letzten Monaten die Möglichkeiten einer verbesserten währungspolitischen Zusammenarbeit untersucht. Er hat den Wirtschafts- und Finanzministern der EG auf ihrem Garmischer Treffen am 13./14. 1. 1969 einen Zwischenbericht vorgelegt. In dem Bericht hat er Vorschläge für eine Verstärkung der Informationen und eine Intensivierung der ständigen Konsultationen mit dem Ziel, die Wirtschafts- und Währungspolitik besser aufeinander abzustimmen, gemacht. Die Wirtschafts- und Finanzminister haben den Zwischenbericht des Währungsausschusses zustimmend zur Kenntnis genommen; sie haben den Währungsausschuß beauftragt, seine Untersuchungen fortzusetzen. Anlage 27 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schöllhorn vom 24. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (Drucksache V/3730 Fragen 68, 69 und 70): Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 11473 Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch Phasenverschiebung von Musterprüfungen in der Unterabteilung Sicherheitstechnik der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig eine Wettbewerbsgefährdung für deutsche Firmen auf dem Weltmarkt befürchtet wird? Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei einem Arbeitsanstieg von rund 300 Prozent in den letzten drei Jahren in der Unterabteilung Sicherheitstechnik von 45 angeforderten Mitarbeitern nur drei bewilligt wurden und dadurch Gefahr besteht, daß der Arbeitsanfall — im letzten Jahr 4000 Musterprüfungen — nicht mehr bewältigt werden und schließlich die Sorgfältigkeit der Prüfungen nachlassen kann? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die völlig ungenügende personelle und räumliche Ausstattung der Unterabteilung Sicherheitstechnik der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig zu beseitigen? Die Bundesregierung ist seitens der PhysikalischTechnischen Bundesanstalt Braunschweig im Herbst 1967 darauf hingewiesen worden, daß die Physikalisch-Technische Bundesanstalt auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik die ihr gegebenen Möglichkeiten (Personal, Geräte, Bauten) nicht für ausreichend hält, um den wachsenden Ansprüchen der Industrie in Zukunft zu genügen. In diesem Zusammenhang hat die Bundesanstalt auf die Gefahr von Wettbewerbsnachteilen für die deutsche Industrie auf dem Weltmarkt hingewiesen, die durch Verzögerungen von Musterzulassungen entstehen könnten. Entsprechende Hinweise unmittelbar aus der Industrie hat die Bundesregierung nicht erhalten. Die Bundesregierung hat aber entsprechende personelle Erweiterungen in der Haushaltsplanung vorgesehen. In den Jahren 1966 bis 1968 wurden der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt 137 neue Planstellen bewilligt. Für den Bereich Sicherheitstechnik waren von der Anstalt im gleichen Zeitraum in den Anforderungen zum Haushalt 9 (nicht 45) Stellen beantragt worden. Davon sind 7 Stellen bewilligt worden. Wenn von diesen Stellen nur 3 dem Arbeitsbereich Sicherheitstechnik zugute kamen, so lag dies an der Disposition der Anstalt. Bei einem Personalbestand von über 1200 Mitarbeitern besitzt die Anstalt genügend Elastizität, um in dringenden Fällen durch vorübergehende Umsetzungen innerhalb der Anstalt kurzfristig Abhilfe zu schaffen. Für den Haushalt 1969 hatte die Bundesanstalt für den Bereich Sicherheitstechnik 6 neue Stellen beantragt. Im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung sind für die Physikalisch-Technische Bundesanstalt 55 neue Stellen in den Regierungsentwurf aufgenommen worden. Der Bereich Sicherheitstechnik soll davon 5 Stellen erhalten. Die Arbeitsräume der Fachgruppe Sicherheitstechnik werden in den kommenden Jahren beachtlich vergrößert werden. Schon in diesem Jahr wird neben der Gemischhalle des Bunsenbaues ein Anbau mit rd. 300 m2 erstellt, der überwiegend der Fachgruppe Sicherheitstechnik dienen wird. Danach werden im Rahmen des IV. Bauprogramms, das rd. 100 Mio DM Baukosten umfaßt, Räume anderer, in Neubauten unterzubringender Abteilungen frei und für Zwecke der Sicherheitstechnik hergerichtet. In einem Anschlußprogramm sollen auch für die Sicherheitstechnik Neubauten errichtet werden; die Verhandlungen über den für die Erweiterungen erforderlichen Geländeankauf stehen unmittelbar vor dem Abschluß. Dankenswerterweise sind die erforderlichen Mittel hierfür vom Haushaltsausschuß bereits bewilligt worden. Anlage 28 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schöllhorn vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Bühler (Drucksache V/3730 Frage 71): Ich frage die Bundesregierung, ob nach ihrer Meinung das Verfahren der Zulassung von Privatdetektiven durch die Länder befriedigend geordnet ist. Für die Ausübung der Tätigkeit eines Detektivs (Detekteigewerbe) bedarf es weder nach Bundes- noch nach Landesrecht einer Zulassung oder Erlaubnis. Die Bundesregierung hält eine Zulassungsregelung nicht fürerforderlich. Soweit Mißstände auftreten, kann ihnen weitgehend mit Hilfe der gegebenen gesetzlichen Möglichkeiten begegnet werden. Anlage 29 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schöllhorn vom 23. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Weigl (Drucksache V/3730 Frage 73): Sind die in den Vorschlägen des Bundeswirtschaftsministeriums zur Intensivierung und Koordinierung der regionalen Strukturpolitik vom 26. September 1968 genannten Informationsstellen als bundeseigene Mittel- oder Unterbehörden gedacht? Die Vorschläge des Bundesministeriums für Wirtschaft zur Schaffung von Informationsstellen sind lediglich ein Diskussionsbeitrag zu dem Problem, wie man eine allseitige Unterrichtung über die Standortvoraussetzung der einzelnen Regionen und die Möglichkeiten der Wirtschaftsförderung weiter verbessern könnte. Erst wenn dieses Thema ausreichend mit allen in Betracht kommenden Stellen beraten ist, wird sich zeigen, ob und in welcher Form dieser Vorschlag realisiert werden kann. Jedenfalls sollte man, ehe neue Behörden geschaffen werden zunächst prüfen, ob bereits bewährte Institutionen in den einzelnen Regionen vorhanden sind, die eine solche Aufgabe federführend für den Gesamtraum übernehmen können. Anlage 30 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schöllhorn vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Deggendorf) (Drucksache V/3730 Frage 74): Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, zusätzliche Maßnahmen der regionalen und sektoralen Wirtschaftsförderung für die niederbayerisch-oberpfälzischen Grenzgebiete angesichts folgender Arbeitslosenzahlen zum 31. Dezember 1968 im Landkreis Wolfstein 26,9 % Landkreis Kötzting 24,1 % Landkreis Viechtach 23,0 % Landkreis Waldmünchen 18,1 % Landkreis Cham 14,4 % Landkreis Grafenau 13,2 % Landkreis Wegscheid 13,2 % Landkreis Regen 12,2 % Stadt- und Landkreis Deggendorf 7,9 % zu ergreifen? 11474 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Strukturverbesserung des ostbayerischen Raumes einen besonders hohen Dringlichkeitsgrad besitzt. Mit der von ihr vorgesehenen neuen steuerfreien Investitionszulage in Höhe von 10 % wird ein noch wirksameres Instrument geschaffen, um gewerbliche Investitionsvorhaben in die Bundesfördergebiete, zu denen auch die von Ihnen genannten Stadt- und Landkreise gehören, zu ziehen. Außerdem werden als neues Planungsinstrument zur Zeit regionale Aktionsprogramme, davon eines für Ostbayern, vorbereitet, um die verfügbaren Bundes- und Landesmittel auf Entwicklungsschwerpunkte zu konzentrieren und die Effizienz der regionalen Wirtschaftsförderung weiter zu steigern. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Bayerische Staatsregierung in ihrem Entwurf eines regionalen Aktionsprogrammes für Ostbayern Hilfen in einem Ausmaß einplant, das der besonderen Problematik dieses Raumes entspricht. Anlage 31 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schöllhorn vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Deggendorf) (Drucksache V/3730 Frage 75) : Wann ist im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung mit der Verabschiedung eines Aktionsprogrammes „Ostbayern" zu rechnen? Es ist damit zu rechnen, daß die Arbeiten des Bayerischen •Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr für das regionale Aktionsprogramm Ostbayern im April 1969 abgeschlossen werden können. Der Interministerielle Ausschuß für regionale Wirtschaftspolitik wird anschließend unverzüglich über .die 'darin verplanten Bundesmittel beschließen. Anlage 32 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schöllhorn vom 24. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Zebisch (Drucksache V/3730 Fragen 76, 77 und 78) : Inwieweit sind die angekündigten regionalen Aktionsprogramme für Nord- und Ostbayern bereits fertiggestellt? Stimmen Meldungen, daß die bayerische Staatsregierung mit ihren Vorschlägen zu den einzelnen Aktionsprogrammen noch in Verzug ist, weil ihr der mit den Aktionsprogrammen verbundene Einfluß des Bundes auf die Regionalpolitik nicht gerechtfertigt erscheint? Hat das vor Weihnachten angekündigte Strukturgutachten für den nordostbayerischen Raum bereits dazu geführt, Schwerpunkte für die Förderung des Fremdenverkehrs festzulegen? Das für Nord-Ost-Bayern angekündigte regionale Aktionsprogramm ist noch nicht fertiggestellt. Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr arbeitet an der Aufstellung dieses Programms. Diese Meldungen sind uns nicht bekannt; ich könnte solche Meldungen auch nicht bestätigen. Die regionalen Aktionsprogramme für Bayern werden, wie bereits zur ersten Frage ausgeführt, durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr noch erarbeitet. Einzelheiten der Programme sind uns derzeit nicht bekannt. Daher kann auch nicht gesagt werden, ob für das regionale Aktionsprogramm Nord-Ost-Bayern schon Schwerpunkte für die Entwicklung des Fremdenverkehrs festgelegt worden sind. Anlage 33 Schriftliche Antwort des Bundesministers Höcherl vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Blohm (Drucksache V/3730 Frage 79) : Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß für Steuerzahler und Verbraucher die steigenden Kosten für die EWG-Landwirtschaftspolitik nur dann erträglich sind, wenn — wie dieses offenbar dem Wunsch der Kommission entspricht — diese Mittel verstärkt für eine überstaatliche Agrarstrukturpolitik statt für die Subventionierung einer wachsenden landwirtschaftlichen Überproduktion eingesetzt werden? Der Bundesregierung ist diese Problematik bekannt. Sie hat deshalb in ihrem Arbeitsprogramm für die Agrarpolitik sowohl preis- als auch strukturpolitische Maßnahmen vorgesehen, die darauf ausgerichtet sind, die bestehenden Anpassungsprobleme der Landwirtschaft zu lösen. Auch für das vielschichtige und schwerwiegende Problem der landwirtschaftlichen Überschüsse hat sie versucht, Lösungen aufzuzeigen. Das jüngste Memorandum der Kommission zielt in die gleiche Richtung. Es wird nun Sache der kommenden Prüfungs- und Verhandlungsphase im Ministerrat in Brüssel sein, aus dieser gemeinsamen Sorge heraus für alle Partner — Verbraucher und Landwirte — gangbare gemeinschaftliche Wege zu finden. In diesem Zusammenhang möchte ich aber mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß in Übereinstimmung mit der Kommission und allen Mitgliedstaaten die Agrarstrukturpolitik innerhalb der EWG lediglich koordiniert wird, d. h. daß die Durchführung und Finanzierung weitgehend in nationaler Verantwortung bleibt. Anlage 34 Schriftliche Antwort des Bundesministers Höcherl vom 24. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Ertl (Drucksache V/3730 Fragen 80 und 81) : Muß aus dem Rat des Bundesernährungsministers, jeder junge Bauer solle vor Aufnahme seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit zunächst einen anderen Beruf erlernen, geschlossen werden, daß in absehbarer Zeit in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt keine bäuerliche Landwirtschaft mehr betrieben werden soll? Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 11475 In welchem Alter könnten diese jungen Bauern nach landwirtschaftlicher Ausbildung, Lehrzeit in einem weiteren Beruf und Ableistung des Wehrdienstes am Erwerbsleben teilnehmen? Die Meldung hat meine Rede in Hilpoltstein, auf die diese Frage zielt, nicht korrekt wiedergegeben. Der Sinn meiner Darlegungen besagt eindeutig, daß die bereits vorhandene, sehr vernünftige Tendenz, wonach kleine Landwirte ihren Kindern — auch denen, die für die Übernahme des Betriebes vorgesehen sind —, zur späteren Existenzsicherung eine außerlandwirtschaftliche Berufsausbildung zuteil werden lassen, gefördert werden sollte. Damit soll in dieser Zeit der rapiden Entwicklung in allen Berufsbereichen sichergestellt werden, daß die Kinder bei Berufsreife eine durch ausreichende Vorbildung abgestützte Alternative haben. Niemand hat behauptet, daß in naher Zukunft überhaupt keine bäuerliche Landwirtschaft mehr betrieben werden soll. Eine nennenswerte Ausdehnung der Ausbildungszeit kann m. E. nicht eintreten, wenn der landwirtschaftliche Betrieb im Nebenberuf bewirtschaftet wird und wenn man sich dort in diesem Bereich später aller Möglichkeiten einer modernen Kooperation bedient. In diesem Zusammenhang eine genaue Altersgrenze anzugeben, ist nicht möglich, da sich die notwendige Ausbildungsdauer nur im Einzelfall ermitteln läßt. Durch eine zusätzliche Ausbildung erhöht sich bei jungen Bauern, bis sie am Erwerbsleben teilnehmen, zwar das Alter etwas, dafür erhalten sie aber bessere Berufsaussichten und gewinnen für das spätere Berufsleben im allgemeinen eine größere Mobilität. Anlage 35 Schriftliche Antwort des Bundesministers Höcherl vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dröscher (Drucksache V/3730 Frage 82) : Auf welche Weise beabsichtigt die Bundesregierung, die in dem Artikel der FAZ vom 20. Dezember 1968 unter der Überschrift „Noch ist Fusionsbereiten der Weg versperrt" geschilderte Tatsache, daß für solche landwirtschaftlichen Betriebe ein Ausschluß von jeglicher Förderung aus dem Grünen Plan gegeben ist und damit eine echte wirtschaftliche Benachteiligung erfolgt, im Sinne einer Gleichbehandlung auszugleichen? Die Feststellung, daß Betriebe, die kooperieren, von jeglicher Förderung ausgeschlossen werden, trifft in dieser allgemeinen Form nicht zu. Sie gilt nur für bestimmte Rechtsformen der Zusammenschlüsse, wie z. B. in dem in der FAZ beschriebenen Fall einer GmbH und Co. KG. In Erkenntnis der Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit in der Landwirtschaft sieht das Arbeitsprogramm für die Agrarpolitik der Bundesregierung (Agrarprogramm) vor, im Rahmen der Maßnahmen zur Verbesserung der allgemeinen Betriebsstruktur moderne kooperative Unternehmensformen steuerlich nicht mehr zu benachteiligen. Der Bundesfinanzminister ist demgemäß vom Kabinettsausschuß für das Agrarprogramm beauftragt worden, die hierfür notwendigen steuerlichen Voraussetzungen zu schaffen. Dadurch würde eine steuerliche Gleichbehandlung von Einzelbetrieben und von Betriebszusammenschlüssen erreicht werden. Bei den Förderungsmaßnahmen werde ich gleichartige Regelungen anstreben. Dies gilt insbesondere für die Investitionsbeihilfen, die nach dem Auslaufen des EWG-Anpassungsgesetzes Ende 1969 ab 1970 auf eine neue Grundlage gestellt wird. Anlage 36 Schriftliche Antwort des Bundesministers Höcherl vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Weigl (Drucksache V/3730 Frage 83) : Kann die Bundesregierung Auskunft geben über die Zahl der in den letzten Jahren von den landwirtschaftlichen Alterskassen abgelehnten Anträge auf Gewährung von Altersgeld, vor allem über die Zahl der abgelehnten Anträge von Kleinlandwirten, die teilweise ein Leben lang ihren Lebensunterhalt überwiegend aus der Landwirtschaft bestritten haben, und die heute kein Altersgeld erhalten können? In den letzten drei Jahren sind 13 084 Anträge auf Gewährung von Altersgeld an landwirtschaftliche Unternehmer oder deren Witwen und Witwer abgelehnt, 161 537 Anträge bewilligt worden. Es ist nicht bekannt, in wieviel Fällen die Gewährung des Altersgeldes versagt wurde, weil der landwirtschaftliche Betrieb keine Existenzgrundlage im Sinne des § 1 Abs. 4 GAL darstellte und aus diesem Grunde auch keine Beiträge an die landwirtschaftliche Alterskasse gezahlt worden sind. Diese Zahl könnte von den landwirtschaftlichen Alterskassen nur durch eine zeitraubende Auswertung einzelner Akten ermittelt werden. Die Mindesthöhen einer Existenzgrundlage im Sinne des GAL sind von den zuständigen landwirtschaftlichen Alterskassen, deren Organe sich aus Vertretern des Berufsstandes zusammensetzen, im Einvernehmen mit dem Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen nach billigem Ermessen aufgrund der örtlichen und bezirklichen Gegebenheiten festgesetzt worden. Das schließt nicht aus, daß auch ein landwirtschaftliches Unternehmen, das die festgesetzte Mindesthöhe nicht erreicht, als Existenzgrundlage gilt, wenn diese Tatsache objektiv nachweisbar ist. Die Alterskassen sind verpflichtet, in diesen Fällen die näheren Verhältnisse zu prüfen und praxisnahe zu entscheiden. Anlage 37 Schriftliche Antwort des Bundesministers Katzer vom 22. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Geisenhofer (Drucksache V/3730 Fragen 84, 85 und 86) : Wie beurteilt die Bundesregierung die jetzige gesetzliche Regelung, die bei Kurzarbeit eines Arbeiters und der dadurch verursachten Lohnminderung auch noch dessen Rente schmälert, während derjenige Arbeiter, der völlig arbeitslos ist, diese Zeit voll als Ausfallzeit in der Sozialversicherung honoriert erhält? 11476 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um diesen Zustand zu beseitigen? Wird die Bundesregierung Maßnahmen zur Beseitigung der Härten ergreifen, die darin bestehen, daß Rentenantragsteller während der Zeit des Rentenverfahrens ca. 40 DM Rentenkrankenkassenbeitrag voraus entrichten müssen (monatlich) und diesen oft mehrere Monate lang entrichteten Beitrag nicht mehr zurückerhalten, wenn die Berufsunfähigkeitsrente abgelehnt wird oder wenn der Versicherungsfall erst einige Monate nach der Antragstellung eintritt? Es trifft zu, daß nach geltendem Recht die Kurzarbeiter in der gesetzlichen Rentenversicherung ungünstiger gestellt sind als diejenigen Arbeitslosen, deren Arbeitslosigkeit länger als einen Kalendermonat andauert. Die sich aus der Kurzarbeit ergebenden Nachteile entstehen dadurch, daß der versicherte Lohn für die Höhe der Rente maßgebend ist. Da Kurzarbeiter nur zum Teil beschäftigt sind und daher nur einen niedrigeren Lohn beziehen, wirkt sich das auf die spätere Rente aus. Bei Arbeitslosen dagegen wird der volle Kalendermonat der Arbeitslosigkeit mit dem Durchschnitt des Lohnes bewertet, den der Versicherte bis zum Beginn der Arbeitslosigkeit bezogen hat. Zwar hat sich inzwischen die Kurzarbeiterfrage insofern entschärft, als die Zahl der Kurzarbeiter im Laufe des Jahres 1968 ganz erheblich zurückgegangen ist (Rückgang im Sommer 1968 bis auf 430, saisonbedingter Anstieg im Dezember 1968 auf 1300). Gleichwohl bin ich der Auffassung, daß dadurch die von Ihnen aufgeworfenen rechtlichen und sozialen Aspekte des Problems nicht bedeutungslos geworden sind. Die Frage, ob und wie die Nachteile, welche die Kurzarbeiter in der gesetzlichen Rentenversicherung erleiden, beseitigt werden sollten, wird bereits seit längerer Zeit in meinem Hause geprüft. Dabei hat sich gezeigt, daß eine solche Benachteiligung auch in anderen ähnlich gelagerten Fällen auftritt, z. B. bei Arbeitslosigkeit, wenn diese nur einen Teilmonat erfaßt. Bei der bisherigen Prüfung dieser Probleme haben sich erhebliche Schwierigkeiten ergeben. Abgesehen von der recht komplizierten technischen Bewältigung des Problems ist auch die grundsätzliche Frage aufgetaucht, wer die Kosten einer Regelung zu tragen hat. Ich bin bemüht, die Untersuchungen möglichst bald zum Abschluß zu bringen, und hoffe, daß sodann den gesetzgebenden Körperschaften ein befriedigender und praktikabler Lösungsvorschlag vorgelegt werden kann. Ich beabsichtige, eine gesetzliche Regelung vorzuschlagen, nach der Rentenantragsteller, für die ein Anspruch auf Familienkrankenpflege besteht, die von der Antragstellung bis zum Beginn der Rente grundsätzlich zu entrichtenden Beiträge nicht zu zahlen brauchen. Vor allem von Ehefrauen wird es als Härte empfunden, wenn sie im Falle der Ablehnung ihres Rentenantrags oder während der Laufzeit des Rennantrags Beiträge zur Rentnerkrankenversicherung entrichten müssen, obwohl sie auf Grund der Versicherung des Ehemannes Krankenversicherungsschutz genießen. Diesem Personenkreis soll geholfen werden. Dagegen können Rentenantragsteller, die als Arbeitnehmer früher beschäftigt waren, nicht in diese Ausnahmeregelung einbezogen werden. Wird ihnen kein Rentenanspruch zugebilligt, so sind sie nicht anders zu behandeln als andere Versicherte, die ebenfalls Beiträge für die Dauer der Mitgliedschaft grundsätzlich zu entrichten haben. Anlage 38 Schriftliche Antwort des Bundesministers Katzer vom 23. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Maucher (Drucksache V/3730 Fragen 87 und 88) : Wieviel Anträge auf Kapitalisierung der Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz sind bis zum jetzt überschaubaren Termin 1968 gestellt? Wieviel Anträge sind abgelehnt worden? Am 1. Januar 1968 waren unerledigte Anträge vorhanden. 14 075 In der Zeit vom 1. Januar bis 9 897 30. Juni 1968 wurden weitere Anträge eingereicht. Das ergibt 23 972 Anträge zusammen Hiervon wurden in der gleichen 9 059 Zeit erledigt durch Bewilligung durch Ablehnung 4 045 und aus sonstigen Gründen Am 30. Juni 1968 waren noch unerledigte Anträge vorhanden, 10 868 darunter 3 824 Anträge auf Nachkapitalisierung. Die Zahlenangaben für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1968 werden mir in Kürze von den Ländern mitgeteilt werden. Sobald das Ergebnis vorliegt, werde ich Sie davon in Kenntnis setzen. Anlage 39 Schriftliche Antwort des Bundesministers Katzer vom 23. Januar 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Mick (Drucksache V/3730 Fragen 89, 90 und 91): Trifft es zu, daß von Bindungsermächtigungen bei Kap. 11 10 Titel 300 im Rechnungsjahr 1967 zu Lasten des Rechnungsjahres 1968 in Höhe von 20 Millionen DM nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht wurde? Liegt das bejahendenfalls etwa daran, daß die Versorgungsbehörden mit den Bindungsermächtigungen nichts Rechtes anzufangen wissen? Hält es die Bundesregierung für notwendig, nachdem für das Jahr 1969 30 Millionen DM Bindungsermächtigungen in den Haushalt aufgenommen wurden, die Versorgungsämter auf diese Möglichkeiten ganz besonders hinzuweisen? Im Rechnungsjahr 1967 waren folgende Bindungsermächtigungen erteilt: — im ordentlichen Haushalt (Kap. 1110 Titel 300) : 10 Mio DM — im Zweiten Programm der Bundesregierung für besondere konjunktur- und strukturpolitische Maßnahmen 1967/1968 (Kap. A 1110 Titel 300): 30 Mio DM. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1969 11477 Diese Bindungsermächtigungen wurden in Höhe von 13 078 Mio DM ausgeschöpft. Das entspricht einem vom-Hundert-Satz von 32,7. Diese relativ geringe Inanspruchnahme von Bindungsermächtigungen dürfte meines Erachtens in erster Linie darauf zurückzuführen sein, daß durch das Zweite Programm der Bundesregierung für besondere konjunktur- und strukturpolitische Maßnahmen 1967/ 1968 neben der vorerwähnten Bindungsermächtigung Geldmittel in Höhe von 45 Mio DM zur Verfügung gestellt worden sind. Es ist auch nicht auszuschließen, daß in einzelnen Ländern die Bedeutung von Bindungsermächtigungen nicht richtig eingeschätzt worden ist. Auch im Rechnungsjahr 1968 schien es zunächst, als setze sich diese Zurückhaltung gegenüber einer Inanspruchnahme von Bindungsermächtigungen fort. Dies ist jedoch nicht eingetreten. Aus den inzwischen vorliegenden Jahresabschlüssen ist vielmehr zu ersehen, daß die erteilten Bindungsermächtigungen zu Lasten der Mittel für das Haushaltsjahr 1969 in Höhe von 20 Mio DM mit 18,2 Mio DM (= 91 %) in Anspruch genommen wurden. Im Hinblick auf diese Entwicklung erscheint mir eine besondere Unterrichtung der Versorgungsbehörden nicht erforderlich. Ich werde jedoch dafür Sorge tragen, daß für das Rechnungsjahr 1969 den Ländern die Bindungsermächtigungen über insgesamt 30 Mio DM frühzeitig erteilt werden, damit die Versorgungsbehörden in die Lage versetzt werden, die durch diese Maßnahme getroffenen Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Anlage 40 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 24. Januar 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hudak (Drucksache Nachtrag zu V/3730 Frage 1) : Gibt es Möglichkeiten für die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, daß der Schriftsteller Günter Graß künftig nicht mehr die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied des Kunstausschusses des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele 1972 vertritt, nachdem das Oberlandesgericht in München in einem Prozeß den gegen ihn in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwurf bestätigt hat, „Verfasser übelster pornographischer Darstellungen und Verunglimpfungen der katholischen Kirche" zu sein? Der Vorstand des „Organisationskomitees für die Spiele der XX. Olympiade München 1972 e. V." hat zu seiner Beratung und Unterstützung unter anderem einen Kunstausschuß gebildet. In diesen Ausschuß hat er — neben 25 weiteren Mitgliedern den Schriftsteller Günter Graß berufen. Entgegen Ihrer Annahme vertritt Herr Graß nicht die Bundesrepublik Deutschland. Schon aus diesem Grunde sind keine Möglichkeiten der von Ihnen genannten Art gegeben.
Gesamtes Protokol
Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521100000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich habe dem Hause von einer Aufzeichnung Kenntnis zu geben, die das Ergebnis eines Gesprächs zwischen dem Herrn Bundestagspräsidenten und mir vom gestrigen Nachmittag ist. Die Aufzeichnung hat folgenden Wortlaut:
Der Präsident des Deutschen Bundestages, Herr D. Dr. Gerstenmaier, gab heute gegenüber seinem Vertreter, Herrn Vizepräsident Schoettle, folgende Erklärung ab:
Ich lege hiermit mein Amt als Präsident des Deutschen Bundestages mit Wirkung vom 31. Januar 1969 nieder.
Ich bitte Sie, vom 1. Februar 1969 an die Aufgaben des Präsidenten des Deutschen Bundestages als amtierender Präsident in vollem Umfang zu übernehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt werde ich mich nur mit der Abwicklung der Geschäfte befassen.
Herr Vizepräsident Schoettle nahm die Erklärung des Herrn Bundestagspräsidenten entgegen und erklärte sich mit der Übernahme der Geschäfte in der vorgeschlagenen Weise einverstanden.
Die Aufzeichnung ist sowohl von Herrn Präsidenten Gerstenmaier wie von mir unterschrieben.
Ich habe noch einige amtliche Mitteilungen vorzutragen.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Vorlage des Bundeskanzlers
Betr.: Bericht der Bundesregierung über die Untersuchung der Wettbewerbsverschiebungen im Kreditgewerbe und über eine Einlagensicherung
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 16. März 1961 — Drucksache V/3500 —
zuständig: Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (federführend) , Haushaltsausschuß
Vorlage des Leiters der Deutschen Delegation der Nordatlantischen Versammlung
Betr.: Entschließungen und Empfehlungen der 14. Jahrestagung der Nordatlantischen Versammlung in Brüssel — Drucksache V/3637 —
Empfehlungen I bis VII des Politischen Ausschusses Empfehlung des Militärausschusses
Auswärtiger Ausschuß (federführend), Verteidigungsausschuß
Empfehlungen I und IV des Wirtschaftsausschusses
Auswärtiger Ausschuß (federführend), Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen, Ausschuß für Entwicklungshilfe
Empfehlungen II, III, V, VI des Wirtschaftsausschusses
Auswärtiger Ausschuß (federführend), Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
Entschließung des Ausschusses für Erziehung, Kultur und Information
Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik
Anordnung des Ausschusses für Erziehung, Kultur und Information
Innenausschuß
Empfehlung I des Ausschusses für Wissenschaft und Technik Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik
Empfehlung II des Ausschusses für Wissenschaft und Technik Ausschuß für Gesundheitswesen
Vorlage des Bundesministers des Innern
Betr.: Sportförderung
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 8. Mai 1968
— Drucksache V/3729 —zuständig: Innenausschuß
Vorlage des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister des Auswärtigen
Betr.: Deutsche Lehrer an Europäischen Schulen Bezug: Beschluß des Bundestages vom 28. Juni 1968 — Drucksache V/3747 -
zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend), Innenausschuß, Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik
Vorlage des Bundesministers für Wirtschaft
Betr.: Berichterstattung über Lage, Entwicklung und Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 26. Juni 1963 — Drucksache V/3678 —
zuständig: Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (federführend), Haushaltsausschuß
Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? — Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichnete Vorlage ergänzt werden. — Das Haus ist einverstanden. Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.
Die folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister des Innern hat am 21. Januar 1969 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stücklen, Wagner, Röhner, Gierenstein, Frau Geisendörfer, Bauer (Wasserburg) und Genossen betreffend Benachteiligung der Kinder von Landwirten bei der Studienförderung nach dem „Honnefer Modell" — Drucksache V/3656 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/3755 verteilt.



Vizepräsident Schoettle
Zu den in der Fragestunde der 209. Sitzung des Deutschen Bundestages am 17. Januar 1969 gestellten Fragen des Abgeordneten Haehser, Drucksache V/3705 Nrn. 158 und 1591, ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 17. Januar 1969 eingegangen. Sie lautet:
Die internationalen Organisationen pflegen zwischen „Amtssprache" und „Arbeitssprache" zu unterscheiden. Die Amtssprachen sind durch das Statut der Organisation bestimmt. Die praktische Zulassung weiterer Sprachen als Arbeitssprache hat sich in einigen Fällen gewohnheitsrechtlich durchgesetzt; das Maß der Zulassung ist sehr unterschiedlich.
In fast allen internationalen Organisationen sind die Amtssprachen nur Englisch und Französisch. Im östlichen Bereich und in Lateinamerika pflegt Russisch bzw. Spanisch hinzuzutreten. Die Vereinten Nationen haben gemäß ihrer Satzung fünf Sprachen amtlich zugelassen, nämlich: Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch und Chinesisch. Diese Festsetzung richtet sich nach der Zahl der Mitgliedstaaten einer Organisation, die von der jeweiligen Sprache Gebrauch macht. Da Deutsch nur von Deutschen, Österreichern und — neben Französisch und Italienisch —Schweizern gesprochen wird, ist die Ausgangsstellung für eine Zulassung der deutschen Sprache verhältnismäßig schlecht. Es gibt insbesondere wesentlich mehr arabischsprechende Mitgliedstaaten als deutschsprechende, was zur Folge hat, daß eine Zulassung der deutschen Sprache die Zulassung der arabischen Sprache nach sich ziehen würde.
Die Vermehrung von Sprachen in den Organisationen bedeutet nun aber eine wesentliche Erhöhung der Kosten. Erfahrungsgemäß wenden sich daher gerade die bedeutenderen Beitragsländer, zu deren Lasten die Erhöhung der Kosten insbesondere gehen würde, energisch gegen die Zulassung neuer Sprachen. Aus diesem Grunde können wir bei unseren Bemühungen, die Zulassung der deutschen Sprache durchzusetzen, nur in geringem Maße auf die Unterstützung auch der uns befreundeten Nationen rechnen.
Hieraus ergibt sich folgender Tatbestand:
a) Die deutsche Sprache ist als Amtssprache mit voller Gleichberechtigung lediglich in den Europäischen Gemeinschaften EWG, Euratom und Montan-Gemeinschaft anerkannt.
b) Die deutsche Sprache ist im gesamten Bereich der Vereinten Nationen und ihrer Sonderorganisationen, im Europarat, in der NATO, in der OECD, in den technischen Organisationen ELDO (Europäische Organisation für die Entwicklung und den Bau von Raumfahrzeugträgern), ESRO (Europäische Weltraumflugzeug-Organisation), ESC (Europäische Weltraumkonferenz), CETS (Europäische Konferenz für Fernmeldesatelliten), ENEA (Europäische Kernenergieagentur) und INTELSAT (Weltorganisation für Fernmeldesatelliten) nicht Amtssprache.
c) Dagegen ist die Anwendung der deutschen Sprache als Arbeits sprache in einer ständig wachsenden Zahl von Fällen erreicht worden, nämlich insbesondere
— im UNO-Bereich eine beschränkte Verwendung in der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), in der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO), in kleineren Ausschüssen der Europäischen Wirtschaftskommission (ECE) ; auch die Anwendung der deutschen Sprache in Regionalausschüssen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist nicht mehr ungewöhnlich;
— in den Organisationen für naturwissenschaftliche und technische Forschung. In ELDO, ESRO, ESC und CETS ist Deutsch Arbeitssprache, wobei bei ESC und bei ELDO auch gewisse wichtige Dokumente in deutscher Sprache erstellt werden. Bei der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) gilt seit 1968 Deutsch als „offizielle" Sprache, da es dort den Begriff der Amtssprache nicht gibt;
— Im Bereich des Europarats wird die Anwendung von Deutsch praktisch in manchen Ausschüssen geduldet und auch im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bzw. der Europäischen Menschenrechtskommission mehr und mehr angewandt;
— im Bereich der NATO werden Englisch und Französisch — auch als Arbeitssprache — ausschließlich gebraucht.
d) In nahezu allen Fällen sind die Kosten für die zusätzliche Anwendung der deutschen Sprache (Simultanübersetzung in die Amtssprachen; zusätzliche Veröffentlichung von Dokumenten in deutscher Sprache) ganz oder teilweise von den deutschsprechenden Mitgliedstaaten zu tragen. Nur unter dieser Bedingung konnten wir die Zulassung unserer Sprache erreichen. Die Beteiligung Osterreichs und der Schweiz an den Kosten konnte nicht immer erreicht werden. So trägt z. B. die Bundesregierung in der FAO allein zwei Drittel der durch die Zulassung der deutschen Sprache zusätzlich entstandenen Kosten.
Die Bundesregierung ist ständig bemüht, in den internationalen Organisationen die Zulassung der deutschen Sprache wenigstens als Arbeits sprache zu erreichen. Dies ist in den bereits aufgezählten Fällen erfolgreich gewesen. Darüber hinaus ist es häufig ad hoc zur unbeanstandeten Verwendungen des Deutschen gekommen. Den praktischen Erfordernissen konnte damit meistens gedient werden. Dagegen ist es sehr schwierig, die deutsche Sprache außerhalb des Bereichs der Europäischen Integrationen als Amtssprache durchzusetzen. Die starke Vermehrung
*) Siehe 209. Sitzung, Seite 11285 B
der Kosten durch jede neue hinzutretende Sprache, die dann in sämtliche anderen Amtssprachen und vice versa übersetzt werden muß, schreckt sowohl die Sekretariate wie die anderen Mitgliedstaaten. Dazu kommt die Befürchtung, daß bei Zulassung des Deutschen auch die Zulassung des Arabischen, Italienischen oder etwa Portugiesischen gefordert werden könnte.
Die Bemühungen der Bundesregierung konzentrieren sich daher zur Zeit auf die Verbesserung der Stellung des Deutschen in der praktischen Anwendung der Organisationen, d. h. als Arbeitssprache. Sie werden selbst im Bereich der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, wo dies besonders schwierig ist, fortgesetzt — insbesondere auch in der UNESCO und in den Europäischen Fachausschüssen der WHO.
Zu der in der Fragestunde der 209. Sitzung des Deutschen Bundestages am 17. Januar 1969 gestellten Frage des Abgeordneten Dröscher, Drucksache V/3705 Nr. 164 5), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 17. Januar 1969 eingegangen. Sie lautet:
Israel hatte am 4. Oktober 1966 einen Assoziierungsantrag an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gerichtet. Wesentlicher materieller Inhalt des Antrags ist der Wunsch nach genereller Einräumung von Zollpräferenzen für die israelischen Exporte nach der Gemeinschaft.
Die Bundesregierung unterstützt diesen israelischen Wunsch im Rahmen der Gemeinschaft und bedauert es daher, daß über eine Verhandlungsaufnahme mit Israel zum Zwecke des Abschlusses eines solchen globalen Präferenzabkommens im Rat der Europäischen Gemeinschaften keine Einigung zustande gekommen ist.
Erfreulicherweise hat der Rat der Europäischen Gemeinschaften in einer Grundsatzentscheidung vom Herbst 1967 für das wichtigste Agrarausfuhrprodukt Israels, die Zitrusfrüchte, eine Zollpräferenz von 40 % des Zollsatzes des Gemeinsamen Zolltarifs vorgesehen, welche mit Inkrafttreten der Abkommen der EWG mit Marokko und Tunesien wirksam werden soll. Diese Grundsatzentscheidung des Rats ist nicht zuletzt der tatkräftigen Mitwirkung der Bundesregierung, welche die Beziehungen der einzelnen Mittelmeerländer zur EWG in einem Zusammenhang sieht, zu verdanken.
Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, daß sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf ein Verhandlungsangebot an Israel einigen, welches den Bedürfnissen der israelischen Wirtschaft entspricht.
Ich rufe den Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksachen V/3730, Nachtrag zur Drucksache V/3730 —Zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär, Herr Jahn, anwesend.
Die erste Frage, die Frage 92, stellt der Abgeordnete Rollmann:
Was wird die Bundesregierung tun, um die Vollendung der Europäischen Wirtschaftsunion in Übereinstimmung mit Wortlaut und Geist der Römischen Verträge zu sichern?
Bitte, Herr Staatssekretär, wollen Sie antworten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521100100
Die Bundesregierung hat mehrfach Vorschläge zur Aktivierung der Arbeiten der Europäischen Gemeinschaften gemacht, zuletzt mit ihrer Initiative vom September 1968. Diese behandelt nicht nur Fragen der Erweiterung der Gemeinschaft, sondern insbesondere den inneren Ausbau. Die Bundesregierung hat ferner die französischen Vorschläge, soweit sie in die gleiche Richtung zielten, unterstützt. Sie wird weiterhin alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Fortentwicklung der Europäischen Wirtschaftsunion zu fördern. Ein wesentlicher Schritt zur Wirtschaftsunion ist bereits mit der Verwirklichung der Zollunion, bekanntlich bereits eineinhalb Jahre vor der vertraglich vereinbarten Frist, getan worden. Die Mit-
*) Siehe 209. Sitzung, Seite 11286 C



Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
gliedstaaten müssen nunmehr fortfahren, ihre Rechts- und Wirtschaftsordnung anzugleichen, damit in dem großen Binnenmarkt Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital frei verkehren können. Die Arbeiten hierzu sind im Gange. Die Bundesregierung hat auf zahlreichen weiteren Gebieten, die sie für vordringlich ansieht, konkrete Vorschläge unterbreitet.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521100200
Herr Rollmann!

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0521100300
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit dem Europäischen Parlament der Meinung, daß die Teile des Vertragswerks, deren Umsetzung in Verordnungen bisher nicht gelungen ist, mit dem Ende der Übergangsperiode automatisch geltendes Recht werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521100400
Soweit das keiner ausdrücklichen Klarstellung oder zusätzlicher Vereinbarungen bedarf, Herr Kollege Rollmann, wird man die Konsequenzen Ihrer Überlegung sicher positiv bedenken.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521100500
Keine weitere Frage.
Ich rufe die Frage 93 des Abgeordneten Dr. Schmid-Burgk auf:
Ist die Bundesregierung bereit, gegen eine Verfälschung des überstaatlichen Charakters der Europäischen Gemeinschaften durch intergouvernementale Verwaltungsausschüsse und für eine Entwicklung in Richtung auf verstärkte parlamentarische Verantwortlichkeit der Europäischen Kommission einzutreten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521100600
Ich wäre dankbar, Herr Präsident, wenn ich die beiden Fragen des Herrn Kollegen Schmid-Burgk zusammen beantworten könnte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521100700
Ist der Fragesteller einverstanden?

Dr. Klaus Schmid-Burgk (CDU):
Rede ID: ID0521100800
Ja.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521100900
Ich rufe dann auch die Frage 94 des Abgeordneten Dr. Schmid-Burgk auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die laut Artikel 138 des EWG-Vertrages vorgesehene und vom Europäischen Parlament beschlossene direkte Wahl europäischer Abgeordneter bis zum Ende der Übergangszeit zu verwirklichen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521101000
Die Verwaltungsausschüsse sind nicht gegen die institutionelle Gliederung der Europäischen Gemeinschaften gerichtet. Sie ermöglichen im Gegenteil durch weitgehende Delegation von Ratsbefugnissen auf die nach Anhörung der Ausschüsse handelnde Kommission, auf verschiedenen Einzelgebieten rascher zu kommunitären Lösungen zu gelangen. Sie fördern damit die Festigung und den Ausbau der Gemeinschaften und geben der Kommission weitergehende Verwaltungsbefugnisse. Die Bundesregierung wird dafür eintreten, daß die Tätigkeit der Verwaltungsausschüsse auch weiterhin in diesem Sinne gehandhabt und entwickelt wird.
Zu der Frage der gemäß Art. 138 des EWG-Vertrages vorgesehenen allgemeinen unmittelbaren Wahlen zum Europäischen Parlament hat die Bundesregierung grundsätzlich die Auffassung, daß dies eine vorrangige, von ihr im Auge zu behaltende Aufgabe ist. Die Bundesregierung begrüßt insbesondere die auch für ihre Überlegungen wichtigen und wertvollen Vorarbeiten des Europäischen Parlaments. Sie hat jedoch feststellen müssen, daß wenig Aussicht auf die Lösung dieser Frage besteht, solange über die Ausweitung der Befugnisse des Europäischen Parlaments keine Klarheit geschaffen ist.
Für diese Ausweitung der Befugnisse hat sich die Bundesregierung fortlaufend eingesetzt. Sie hat insbesondere mit ihren Vorschlägen vom 2. Dezember 1963 und vom Februar 1964 dem Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Vorschläge für eine Erweiterung der Rechte des Europäischen Parlaments und damit eine Anpassung des institutionellen Aufbaus der Gemeinschaften an die weitere Entwicklung unterbreitet. Die erforderliche Einstimmigkeit im Rat ist jedoch nicht zustande gekommen. Im gleichen Sinne hat die Bundesregierung mit ihrer Initiative vom 27. September 1968 zum Ausbau und zur Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft die baldige Verschmelzung der Gemeinschaften gefordert. Dabei soll der sachliche Aufgabenbereich der Gemeinschaften erweitert werden. Auch hierbei wird über die Ausweitung der Befugnisse des Europäischen Parlaments zu befinden sein. Die in engem Zusammenhang damit stehende Frage der direkten Wahlen wird sich dabei erneut stellen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521101100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0521101200
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die regelmäßig stattfindenden Konferenzen der EWG-Finanzminister? Die letzte war in Garmisch-Partenkirchen. Diese Konferenzen der Finanzminister liegen doch eindeutig außerhalb des in der EWG institutionell vorgegebenen Rahmens.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521101300
Sie dürften aber
— jedenfalls 'nach Auffassung der Bundesregierung
— eine wichtige Ergänzung der gemeinsamen Beratungen der Wirtschaftsminister sein und werden deshalb von uns für durchaus zweckmäßig gehalten.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0521101400
Wäre es nicht zweckmäßiger, diese Zusammenkünfte im Rahmen der regelmäßigen Ministerratstagungen durchzuführen, weil dann die institutionelle Stellung der EWG-Kommission besser wäre?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521101500
Ich würde das nicht von der Frage der größeren Zweckmäßigkeit des einen oder anderen Verfahrens her sehen,



Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
räume allerdings ein, daß in der weiteren Entwicklung ein Vorrang darin liegen sollte, daß diese Zusammenkünfte in die Tätigkeit des Rates eingebunden werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521101600
Herr Abgeordneter Dr. Schulz.

Dr. Klaus-Peter Schulz (SPD):
Rede ID: ID0521101700
Herr Staatssekretär, sind Sie überzeugt, daß die von Ihnen vorgetragene Auffassung der Bundesregierung über die gemeinschaftsfördernde Aufgabenstellung der Verwaltungsausschüsse von allen Mitgliedstaaten — ich betone: von allen Mitgliedstaaten — geteilt wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521101800
Da Sie nach meiner Meinung fragen, Herr Kollege Dr. Schulz, kann ich verhältnismäßig leicht anworten: So weit reichen meine Kenntnisse nicht, daß sich daraus eine feste Überzeugung bildet. Allerdings bitte ich, daraus nicht das Gegenteil zu entnehmen. — Das kann ich also nicht sagen. Es gibt jedenfalls — ich will versuchen, es einmal so zu 'formulieren — keinen ernsthaften Streit und keine ernsthaften Meinungsverschiedenheiten über die Zweckmäßigkeit und den Nutzen der Verwaltungsausschüsse.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521101900
Herr Kollege Rollmann!

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0521102000
Herr Staatssekretär, ich konnte Ihrer ausführlichen Antwort leider nicht entnehmen, was die Bundesregierung konkret tun wird, um ,die direkte Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments durchzusetzen.

(Abg. Dr. Apel: Das war keine Frage, Herr Rollmann, das war eine Feststellung!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521102100
Man kann die Feststellung vielleicht auch als Frage verstehen. — Herr Kollege, dies ist nicht eine Frage an die Bundesregierung allein. Ich weiß, daß es eine Diskussion darüber gibt, ob man nicht in der Bundesrepublik allein direkte Wahlen durchführen kann, auch wenn andere diese Auffassung nicht haben. Ein von der Legitimation her so unterschiedlich qualifiziertes Parlament wäre aber sicher für diesen Gedanken eher eine Belastung als eine Förderung. Deswegen muß die Bundesregierung ihre Bemühungen darauf konzentrieren, in dieser Frage eine Verständigung innerhalb der Gemeinschaft herbeizuführen; und das stößt nun allerdings auf eine Reihe von auch Ihnen nicht unbekannten Schwierigkeiten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521102200
Herr Dr. Mommer!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521102300
Herr Staatssekretär, was würden Sie mir antworten, wenn ich behaupte, daß diese Konferenz der Finanzminister außerhalb des Rahmens der EWG ein gewichtiger deutscher Beitrag zu den Renationalisierungstendenzen innerhalb der Gemeinschaft war?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521102400
Ich muß sagen, daß das eine sehr intelligente Verkleidung einer Feststellung ist. — Ja, Herr Präsident, ich bin nun nicht ganz sicher, weil der Herr Kollege Mommer gefragt hat, was ich antworten würde, und nicht, was ich antworten werde. Da weiß ich gar nicht, ob ich antworten muß.

(Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521102500
Sie antworten auch nicht gern! — Herr Rollmann!

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0521102600
Ist es nicht so, Herr Staatssekretär, daß sich auf die Länder in der Gemeinschaft, die sich bisher für den Gedanken einer direkten Wahl des Europäischen Parlaments nicht aufgeschlossen gezeigt haben, eine heilsame Wirkung in dem Augenblick ergeben würde, in dem die Bundesrepublik Deutschland und einige andere Länder der EWG dazu übergehen würden, ihre Abgeordneten für das Europäische Parlament in direkter Wahl zu bestellen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521102700
Ich habe große Zweifel, Herr Kollege Rollmann, ob politisch sicher verständliche und gut begründbare Vorgehensweisen einzelner Länder das haben, was Sie eine heilsame Wirkung nennen. Ich glaube, man muß bei der Prüfung dieses Problems doch auch von der Möglichkeit ausgehen, daß es bei anderen zu gegenteiligen Wirkungen führt. Ich würde jedenfalls allein auf die bloße Hoffnung, daß eine solche positive Wirkung damit verbunden ist, eine derartige Entscheidung nicht stützen wollen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521102800
Herr Dr. Mommer!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521102900
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung erwogen, die Ernsthaftigkeit ihres Wunsches nach Stärkung des Europäischen Parlaments und nach direkten Wahlen dadurch zu unterstreichen, daß sie sich etwa den Gesetzentwurf zu eigen macht, den meine Fraktion in der vorigen Legislaturperiode eingebracht hat und der hier von der damaligen Mehrheit abgelehnt wurde, nämlich den Antrag, die deutschen Mitglieder — zusammen mit den Bundestagswahlen — für das Europäische Parlament wählen zu lassen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521103000
Herr Kollege Mommer, ich habe eben schon einmal darauf hingewiesen, daß ich nicht sicher bin, ob mit einem solchen Verfahren — vor allen Dingen, wenn es durchgeführt wird — wirklich etwas gewonnen wird. Wenn es wirklich zur Stärkung des gesamten Parlaments beitragen und mehr als eine Demonstration sein soll — ich unterstelle Ihnen nicht, daß Sie nur das wollen; aber im Grunde läuft es darauf hinaus —, bedarf es dazu letztlich eines Übereinkommens aller Beteiligten.



Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Sie müssen bitte berücksichtigen, daß Sie andernfalls ein Parlament haben, das — ich wiederhole — seiner Legitimation nach ganz unterschiedlich qualifiziert ist. Und das ist eine Frage, die wohl auch die Funktionsfähigkeit des Parlaments nicht unberührt läßt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521103100
Herr Dr. Lenz!

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0521103200
Herr Staatssekretär, würden Sie es als einen guten Weg zur Erlangung eines solchen Übereinkommens ansehen, wenn außer der Bundesrepublik andere europäische Länder — ich denke insbesondere an Italien — in klarer, gesetzgeberisch verbindlicher Form ihre Bereitschaft zu solchen Wahlen erklären würden? Würden Sie das als einen Schritt auf dem Wege zu einer allmählichen Herbeiführung einer Übereinstimmung unter den Sechs ansehen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521103300
Dies wäre ja dem Gedanken einer Verständigung der beteiligten Länder schon etwas näher als der Vorstoß eines einzelnen Landes.

(Sehr gut! bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521103400
Herr Schulz (Berlin)!

Dr. Klaus-Peter Schulz (SPD):
Rede ID: ID0521103500
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, in diesem Zusammenhang die Beweiskraft eines bedeutsamen historischen Beispiels zu akzeptieren, das darlegt, daß schon einmal eine Ständeversammlung, weil sie den Auftrag des Volkes unmittelbar hatte, sich in eine Nationalversammlung verwandelt hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521103600
Ich sehe nicht, daß nationale historische Erfahrungen ohne weiteres auf den sehr viel komplizierteren Zusammenhang der übernationalen Zusammenarbeit übertragbar sind. Ich würde gern mit einem eindeutigen Ja antworten, Herr Kollege Schulz, daraus mache ich kein Hehl. Nur glaube ich im Ernst, daß uns solche Vergleiche nicht weiterhelfen, weil sie keine zutreffende Beschreibung des Zustandes sind, in dem wir uns im Stadium der europäischen Einigung tatsächlich befinden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521103700
Die nächste Frage, Nr. 95, stellt der Abgeordnete Rollmann:
Ist es richtig, daß Staatssekretär Lahr gegen den Widerstand der Europäischen Kommission sowie der Vertreter Belgiens, Italiens, Luxemburgs und der Niederlande gemeinsam mit dem Vertreter der französischen Regierung für eine Einschränkung der Verhandlungsvollmachten der überstaatlichen Kommission bei den Verhandlungen mit der Türkei eingetreten ist?
Bitte, Herr Staatssekretär, wollen Sie antworten!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521103800
Die Annahme, von der Ihre Frage ausgeht, Herr Kollege Rollmann, ist nicht zutreffend. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften hat auf seiner 54. Tagung am 9. Dezember 1968 über die Weiterentwicklung der Assoziation zwischen der EWG und der Türkei verhandelt. Dabei ging es auch um die Frage, von wem die Rolle des Sprechers der Gemeinschaft bei den noch am selben Abend beginnenden Verhandlungen mit der Türkei innerhalb des Assoziationsrates wahrgenommen werden sollte, in deren Mittelpunkt das Zusatzprotokoll zum Assoziationsabkommen von Ankara steht.
Nach Auffassung der Kommission handelt es sich hierbei um Verhandlungen über einen neuen Vertragsgegenstand, wobei die Kommission die in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallenden Materien, die Mitgliedstaaten hingegen nur die nationaler Kompetenz unterliegenden Materien zu vertreten haben. Die ständigen Vertreter aller Mitgliedstaaten hingegen hatten — davon ausgehend, daß es sich bei diesen Verhandlungen um die normale Tätigkeit des Assoziationsrats handele — einen Kompromißvorschlag vorbereitet, demzufolge die Sprecherrolle dem Ratspräsidenten zukomme. Der Rat hat diesem Kompromiß zugestimmt und in seinem Beschluß den amtierenden Präsidenten mit dieser Aufgabe betraut. Andererseits ermöglichte er es jedoch der Kommission, bei den Verhandlungen den Standpunkt der Gemeinschaft im Rahmen der festgelegten gemeinsamen Haltung ebenfalls zu erklären und zu ergänzen.
Das deutsche Ratsmitglied hat dieser Lösung aus folgendem Grunde zugestimmt: Da auch mit der Türkei Einigkeit darüber besteht, daß der Assoziationsrat das leitende Verhandlungsgremium sein soll, besteht kein Anlaß, von den hierfür aufgestellten und bisher mit Erfolg angewandten Verfahrensregeln abzuweichen.
Für eine Einschränkung der Verhandlungsvollmachten der Kommission ist die Bundesregierung damit keineswegs eingetreten. Die deutsche Delegation hat sich im Gegenteil zu einer pragmatischen Handhabung der Frage bereit erklärt. Sie hat darüber hinaus erklärt, daß die Kommission für den Erfolg der Verhandlungen eine entscheidende Rolle spielen wird.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521103900
Herr Dr. Lenz!

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0521104000
Herr Staatssekretär, können Sie mitteilen, welche Rolle die Kommission der Europäischen Gemeinschaften bei der Erneuerung des Assoziierungsabkommens mit den 18 afrikanischen Staaten und Madagaskar nach den Beschlüssen des Rates spielen wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521104100
Das kann ich nicht mitteilen, weil ich auch keinen Zusammenhang zwischen dieser und Ihrer Frage erkennen kann.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521104200
Herr Dr. Lenz!

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0521104300
Herr Staatssekretär, ist Ihnen der Zusammenhang zwischen der Rolle der Kommission im Falle des Assoziie-



Dr. Lenz (Bergstraße)

rungsabkommens mit der Türkei und im Falle des Assoziierungsabkommens mit den 18 afrikanischen Staaten und Madagaskar tatsächlich unbekannt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521104400
Ich sage nicht, daß er mir unbekannt ist. Ich sage nur: Das sind zwei völlig verschiedene Gegenstände. Hier ist nach dem Assoziierungsabkommen zwischen der Gemeinschaft und der Türkei gefragt, nicht nach weiteren.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521104500
Herr Rollmann!

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0521104600
Herr Staatssekretär, dürfte sich nicht aus der Anfrage meines Kollegen Lenz endgültig ergeben, daß hier von uns nach der Rolle der Kommission auf der einen Seite und nach der Rolle des Rates auf der anderen Seite bei allen Verhandlungen mit Drittländern oder mit Ländern, die der Gemeinschaft assoziiert sind, gefragt wird?

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521104700
Ich muß jetzt darauf aufmerksam machen, Herr Kollege Rollmann, daß Sie den Inhalt der ursprünglichen Frage tatsächlich wesentlich erweitert haben. Das ist aber nicht zulässig.
Keine Zusatzfrage. — Frage 96 stellt der Abgeordnete Dr. Schmid-Burgk:
Aus welchem Grunde hat die Bundesregierung auf Ausklammerung der Osthandelspolitik bei der Verabschiedung der Verordnungen Nr. 2041/68, 2043/68 und 2045/68 zur gemeinsamen Außenhandelspolitik der Europäischen Gemeinschaften bestanden?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521104800
Wirtschaftlich war für unsere Haltung maßgeblich, daß der Handel mit Staatshandelsländern auf Grund ihrer andersgearteten Wirtschaftsverfassung einer anderen Regelung als der Handel mit marktwirtschaftlich orientierten Staaten bedarf, wenn im Verhältnis zu beiden Staatengruppen ein optimales Ergebnis erzielt werden soll. Eine völlige Gleichbehandlung hätte nicht zu der von uns gewünschten liberalen Gestaltung des Handels mit West und Ost führen können.
Aus politischen Gründen mußte es uns darauf ankommen, uns vorgetragene berechtigte Besorgnisse der osteuropäischen Staaten bei den Beschlüssen der Gemeinschaft zu berücksichtigen und gleichzeitig die Entwicklung einer gemeinsamen Handelspolitik vorzubereiten und zu erleichtern. Die Staatshandelsländer haben sich stets gegen die sogenannte Verordnung 3/63 gewandt, mit der die Einfuhr von Marktordnungswaren in die Gemeinschaft geregelt wurde. Sie sahen diese Verordnung als restriktiv und diskriminierend an, obwohl sie praktisch bis 1968 nicht angewendet worden war. Eine Einbeziehung der osteuropäischen Staaten in das neue Einfuhrkontrollverfahren hätte ohne Zweifel zu einer Verstärkung der Bedenken, die sie bereits gegen die Verordnung 3/63 angemeldet hatten, geführt, weil das Verfahren nicht auf Marktordnungswaren beschränkt ist, sondern sämtliche Einfuhrgüter erfassen kann.
Aus wirtschaftlichen und politischen Gründen kam daher der Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften am 10. Dezember 1968 überein, die drei neuen Verordnungen zur Regelung der Handelspolitik — Liberalisierungsverordnung, Kontingentierungsverordnung und besonderes Einfuhrverfahren für sensible Erzeugnisse — bis zum Ende der Übergangszeit, also bis zum 31. Dezember 1969, nicht auf die Staatshandelsländer anzuwenden. Dennoch kann nicht von einer Ausklammerung der Osthandelspolitik aus den Bemühungen um die Entwicklung einer gemeinsamen Handelspolitik gesprochen werden. Der Ministerrat legte vielmehr fest, daß die Liberalisierungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten gegenüber den osteuropäischen Staaten auf einen möglichst hohen Niveau vereinheitlicht und ihre Einfuhrverfahren einander angenähert werden sollen. Die Kommission erhielt den Auftrag, hierzu in Kürze Vorschläge vorzulegen. Diese Regelung ist in einer Erklärung des Rats vom 10. Dezember enthalten. Die von mir erwähnte doppelte deutsche Zielsetzung wurde damit erreicht. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, daß eine gemeinsame Handelspolitik sobald wie möglich in einem liberalen Geist in der Gemeinschaft entwickelt und auch die Osthandelspolitik in angemessener Weise einbezogen wird.
Auf Grund der Unterschiede in der Wirtschaftsverfassung wird die gemeinsame Osthandelspolitik wahrscheinlich gegenüber der gemeinsamen Westhandelspolitik gewisse Unterschiede aufweisen müssen. Politisch wird sie so zu gestalten sein, daß sie eine weitere Integrationsklammer bildet und unsere auf die Entwicklung einer europäischen Friedensordnung gerichtete Ostpolitik unterstützt und fördert.

Dr. Klaus Schmid-Burgk (CDU):
Rede ID: ID0521104900
Herr Staatssekretär, ist aus Ihren Ausführungen zu entnehmen, daß sich die Bundesregierung gegen die Einbeziehung der Osthandelspolitik ausgesprochen hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521105000
Nein, Herr Kollege Schmid-Burgk, dazu haben Sie nicht den mindesten Anlaß, besonders nachdem ich in diesem Hause in den letzten Monaten wiederholt diese in Frageform gekleidete Annahme oder Unterstellung gegenüber der Politik der Bundesregierung in dieser Frage habe klarstellen können.

Dr. Klaus Schmid-Burgk (CDU):
Rede ID: ID0521105100
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie es sich, daß das im Widerspruch zu dem steht, was die Pressemeldungen besagen und was man allgemein in Brüssel hört?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521105200
Ich bin leider nicht in der Lage, Herr Kollege Schmid-Burgk, hier zu irgend etwas, was man allgemein hört, Stellung zu nehmen. Ich bin leider auch nicht in der Lage, mich jeweils mit Pressemeldungen auseinanderzusetzen. Wenn niemand bereit ist, die hier namens



Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
der Bundesregierung mehrfach verbindlich, eindeutig und klar abgegebene Stellungnahme zur Kenntnis zu nehmen, muß ich es Ihnen überlassen, verehrter Herr Kollege Schmid-Burgk, woran Sie sich halten wollen.
Ich glaube ohne Überheblichkeit doch die Bitte äußern zu können, das, was in dieser Frage hier namens der deutschen Bundesregierung erklärt wird, als die Auffassung entgegenzunehmen, die damit zwar nachprüfbar, aber, solange keine entsprechenden gegenteiligen Anhaltspunkte außer Pressevermutungen vorliegen, wohl auch hinreichend glaubwürdig sein sollte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521105300
Herr Dr. Apel!

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0521105400
Herr Staatssekretär, werden Sie die Ergebnisse des französisch-russischen Handelsvertrages, der ja mittel- und langfristig abgeschlossen ist, zum Anlaß nehmen, um in Brüssel mit den anderen EWG-Partnern in eine Erörterung darüber einzutreten, welche Auswirkungen dieser Handelsvertrag auf die Osthandelspolitik der EWG haben könnte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521105500
Ich glaube, daß das selbstverständlich Gegenstand der Erörterungen über die Angleichung der nationalen Voraussetzungen der Osthandelspolitik sein muß.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521105600
Meine Damen und Herren, ich möchte einmal folgendes feststellen. Die Fragestunde ist zwar ein interessantes Spielfeld, aber sie ist kein Schachspiel, bei dem man sich durch einen sehr geschickt angelegten und ausgeklügelten Eröffnungszug den Sprung auf beliebig viele Felder des Brettes erlauben kann. Es gibt gewisse Grenzen. Ich möchte das hier in aller Bescheidenheit vermerkt haben, damit wir es nicht immer wieder erleben — ich will jetzt nicht auf die heutige Fragestunde Bezug nehmen, aber wir haben das schon des öfteren erlebt —, daß die Dinge sich plötzlich explosionsartig ausweiten und der Sinn der Fragestunde — zu Lasten der anderen Fragesteller, die dann nicht zum Zuge kommen — verlorengeht. Das nebenbei.
Ich rufe die Fragen 97, 98 und 99 des Abgeordneten Dr. Häfele auf:
Was hat die Bundesregierung in den letzten Jahren unternommen, um den in Gaeta (Italien) festgehaltenen ehemaligen Oberstleutnant Herbert Kappier freizubekommen?
Ist die Bundesregierung bereit, bei der italienischen Regierung einen Vorstoß zu unternehmen, daß der heute 61 Jahre alte seit 1947 auf Grund eines Urteils eines italienischen Militärgerichts festgehaltene ehemalige Oberstleutnant Herbert Kappler begnadigt wird?
Wird die Bundesregierung der italienischen Regierung nahebringen, daß eine Begnadigung von Herbert Kappler ein Zeichen wäre, das die italienisch-deutsche Freundschaft festigen könnte?
Sie werden im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Dann rufe ich die Frage 100 des Abgeordneten Weigl auf:
Wann wird die Bundesregierung Deutschland von der durch die Sowjetunion zugesicherten Möglichkeit Gebrauch machen, in Moskau eine Zeitschrift herauszugeben, die — etwa analog zu „Die Sowjetunion heute" — von interessierten Persönlichkeiten in der Sowjetunion bezogen werden kann?
Die Frage wird auch im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort, die noch nicht vorliegt, wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Die Frage 101 stellt der Abgeordnete Flämig:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach sich die französische Regierung weigert, Verhandlungen zwischen der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien über ein Kontrollabkommen nach dem Atomwaffensperrvertrag zuzustimmen, solange nicht alle fünf anderen Euratom-Mitgliedstaaten den Nichtweiterverbreitungsvertrag unterzeichnet haben?
Herr Staatssekretär, bitte!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521105700
Die Pressemeldungen treffen nicht zu.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521105800
Herr Abgeordneter Flämig!

Gerhard Flämig (SPD):
Rede ID: ID0521105900
Herr Staatssekretär, auch wenn die Pressemeldungen nicht zutreffen, darf ich wohl fragen, wie die Aussichten auf eine Einigung zwischen diesen beiden Stellen, IAEO und Euratom, sind.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521106000
Ich weiß wohl um die Neigung vieler Mitglieder dieses Hohen Hauses, denjenigen, die hier Fragen zu beantworten haben, die Gabe der Prophetie abzufordern. Die Bundesregierung wird sich darum bemühen, durch ihren eigenen Beitrag zu dieser Erörterung und Vorbereitung dafür zu sorgen und dabei zu helfen, daß es zu einem positiven Abschluß kommt. Ich bin im Augenblick nicht imstande, mehr dazu zu sagen, weil der Stand der Verhandlungen und internen Erörterungen auch mit den Mitgliedstaaten noch nicht so weit fortgeschritten ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521106100
Herr Flämig!

Gerhard Flämig (SPD):
Rede ID: ID0521106200
Herr Staatssekretär, können die Schwierigkeiten, die Sie soeben angedeutet haben, auf eine Verzögerung der Unterschrift unter den Atomsperrvertrag ihre Rückwirkungen haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521106300
Nein, auf die Frage der Unterschrift unter den Atomsperrvertrag kann das keinen Einfluß haben. Das ist eine Frage, über die sich die Beteiligten dahin einig sind, daß ihre Klärung vor der Ratifizierung dieses Vertrages erforderlich ist. Also kann die Frage der Unterschrift dadurch nicht berührt werden.




Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521106400
Herr Abgeordneter Dr. Kliesing!

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0521106500
Herr Staatssekretär, würden Sie mir darin zustimmen, daß es angesichts der großen Bedeutung, die diese Verhandlungen für die Zukunft Europas haben werden, wünschenswert gewesen wäre, wenn Euratom mit einem starken Prestige in diese Verhandlungen hätte gehen können, und daß es deshalb bedauerlich ist, daß durch die Vorkommnisse der letzten Zeit die Position Euratoms geschwächt worden ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521106600
Sicherlich wäre es sowohl für die gemeinsame Interessenwahrung der beteiligten europäischen Länder als auch für die Überzeugungskraft nach außen hilfreich gewesen, wenn die Europäische Atomgemeinschaft effektiver und stärker gewesen wäre.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521106700
Dann rufe ich die Frage 102 des Abgeordneten Flämig auf'
Bis wann ist nach Ansicht der Bundesregierung mit der Aufnahme der Verhandlungen über ein Verifikationsabkommen zwischen Euratom und der Internationalen Atomenergie-Organisation zu rechnen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521106800
Hierfür gibt es keinen Termin. Die Kommission wird auch eines entsprechenden Auftrages des Rates bedürfen, um diese Verhandlungen mit der IAEO führen zu können. Zunächst ist es notwendig, innerhalb der Gemeinschaft eine gemeinsame Auffassung hinsichtlich des Inhalts und des Vorgehens zu erarbeiten.
Die Bundesregierung wünscht eine möglichst frühzeitige Aufnahme der internen Beratungen in der Gemeinschaft. Sie hat hierzu eigene Vorstellungen entwickelt. Unsere Haltung ist durch folgende Überlegungen bestimmt:
a) Für das Verifikationsabkommen zwischen Euratom und der Internationalen Atomenergiebehörde ist die Frage des Beitritts zum Nichtverbreitungsvertrag durch die Mitglieder der Gemeinschaft weniger von Bedeutung als die Frage des Inkrafttretens des Vertrages für potentielle Lieferländer, wie die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada und Großbritannien.
b) Für den Abschluß des Verifikationsabkommens ist nicht die Unterzeichnung des Nichtverbreitungsvertrages durch die nichtnuklearen Gemeinschaftsmitglieder das eigentliche Kriterium. Dagegen ist der Abschluß des Verifikationsabkommens Voraussetzung für die Ratifikation des Nichtverbreitungsvertrages durch die Gemeinschaftsmitglieder. Bekanntlich besagt die Einigung der fünf nichtnuklearen Mitglieder der Gemeinschaft vom 29./30. Juli des vergangenen Jahres, daß sie nicht zur Ratifizierung des Nichtverbreitungsvertrages schreiten werden, bevor nicht der Inhalt des Abkommens zwischen Euratom und der IAEO und
damit die Vereinbarkeit des Nichtverbreitungsvertrages mit dem Euratom-Vertrag feststeht.
Diese Haltung steht im Einklang mit der Empfehlung der Kommission. Sie stimmt mit den Erklärungen der drei Mitgliedstaaten der Gemeinschaft überein, die diese bei der Unterzeichnung des Nichtverbreitungsvertrages im August 1968 öffentlich abgegeben haben.
Im gleichen Sinne ist die Frage des Verifikationsabkommens übrigens auch auf amerikanischer Seite verstanden und behandelt worden, wie sich aus den Anhörungen im Senat und dem Bericht des Foreign Relations Committee an den Senat vom Juli 1968 ergibt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521106900
Herr Flämig!

Gerhard Flämig (SPD):
Rede ID: ID0521107000
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die gerade in letzter Zeit immer wieder spürbare Unruhe in der deutschen Öffentlichkeit hinsichtlich der Gefahr, daß die Bundesrepublik in eine gefährliche Isolation geraten kann, weil nicht verstanden wird, daß die Bundesrepublik feierlich auf die ABC-Waffen verzichtet hat, jetzt aber, wie es scheint, zögert, diese Haltung durch die Unterschrift unter den Atomsperrvertrag zu bestätigen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521107100
Ich hielte es für eine nicht zutreffende Interpretation der Haltung der Bundesregierung, wenn sie mit „Zögern" umschrieben würde. Die Bundesregierung hat mehrfach erklärt, daß sie den Nichtverbreitungsvertrag im Hinblick auf seine politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen sorgfältig prüfen wird. Das Ergebnis dieser Prüfung wird für die Entscheidung der Bundesregierung maßgeblich sein. Diese Prüfung ist noch nicht vollständig abgeschlossen, so daß von einem „Zögern" nicht die Rede sein kann. Immerhin ist — ohne Stellung zu nehmen zu der grundsätzlich damit natürlich auch verbundenen politischen Frage — dies eine schwierige Entscheidung, die eine Fülle von erheblichen, auch die Interessen der Bundesrepublik berührenden Fragen aufwirft, die eine sorgfältige Prüfung nicht nur rechtfertigen, sondern notwendig machen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521107200
Herr Flämig!

Gerhard Flämig (SPD):
Rede ID: ID0521107300
Herr Staatssekretär, besteht ein Junktim zwischen der Haltung der Bundesregierung zum Nichtverbreitungsvertrag und der sowjetischen Auslegung der Feindstaatenklausel in der UNO-Charta?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521107400
Es besteht kein Junktim; aber es gibt natürlich auch das Interesse der Bundesrepublik, gewisse Streitfragen mit der Sowjetunion, die unter Umständen im Zusammenhang mit dem Vertrag eine Rolle spielen können, zu klären.




Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521107500
Herr Ott!

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0521107600
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mit mir der Meinung, daß für die Bundesrepublik hinsichtlich der Unterzeichnung des NV-Vertrages eine besondere Situation deshalb gegeben ist, weil die Sowjetunion sich doch auf die Feindstaatenklausel der Vereinten Nationen beruft?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521107700
Diese Frage spielt im Zusammenhang mit den Prüfungen durch die Bundesregierung zweifellos eine Rolle.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521107800
Herr Schulze-Vorberg!

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0521107900
Herr Staatssekretär, bei einer Debatte hier im Bundestag hat der Herr Bundesaußenminister eingeräumt, daß die Formulierung im Vertrag „control over nuclear weapons" für die Ratifizierung durch die Bundesrepublik eine entscheidende Rolle spielen könnte. Damals lag eine authentische Interpretation dieses Begriffs vor allem durch die Sowjetunion noch nicht vor. Darf ich fragen, ob diese Interpretation inzwischen der Bundesregierung vorliegt und ob sie unseren Ansichten soweit entspricht, daß wir den Vertrag unterzeichnen könnten, jedenfalls in bezug auf diese Klausel.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521108000
Zunächst bin ich nicht sicher — aber das kann daran liegen, daß ich mich im Augenblick an den genauen Wortlaut nicht erinnern kann —, ob Ihre Interpretation der Darlegungen des Bundesaußenministers zutreffend ist. Wenn ich dies aber unterstelle, Herr Kollege, dann bitte ich um Verständnis dafür, daß es der Bundesregierung in dieser wie auch in vergleichbaren anderen Fragen doch sicher nur schwer zuzumuten ist, stückweise über das Ergebnis ihrer Bemühungen hier zu berichten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521108100
Keine weiteren Fragen.

Hannsheinz Bauer (SPD):
Rede ID: ID0521108200

Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung das Europäische Übereinkommen über Reisen Jugendlicher mit Sammelpässen zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates von 1961, das inzwischen in 15 Mitgliedstaaten in Kraft getreten ist, nicht unterzeichnet?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521108300
Die Bundesregierung hat das in der Frage bezeichnete Abkommen insbesondere deshalb nicht unterzeichnet, weil gegen die im Art. 12 Abs. I vorgesehene Regelung, wonach die Mitglieder einer Jugendgruppe, die mit einem Sammelpaß reisen, von der Vorlage eines nationalen Identitätspapiers befreit werden sollen, verwaltungsrechtliche Bedenken bestehen. In Übereinstimmung mit den Ländern muß die Bundesregierung nämlich daran festhalten, daß sich alle in eine deutsche oder in eine ausländische Sammelliste aufgenommenen Personen in jedem Falle durch einen amtlichen Lichtbildausweis ausweisen können. Ein Verzicht auf diese Regelung erscheint gerade bei Jugendlichen — bei denen Identitätsfeststellungen durch Grenzbeamte oder Polizeiorgane des besuchten Landes sich häufig als notwendig erweisen — nicht angebracht.
Auch die in Art. 12 Abs. II des Abkommens enthaltene Erleichterung — die mit einem Sammelpaß reisenden Jugendlichen müssen ihre Identität auf irgendeine Weise nachweisen, sofern dies verlangt wird —, entspricht nicht den deutschen verwaltungsrechtlichen Vorschriften.
Im übrigen vermag die Bundesregierung aber auch ein praktisches Bedürfnis für eine völkerrechtliche Regelung im Kreis der Europaratstaaten für den Reiseverkehr von Jugendlichen mit Sammelpässen aus folgenden Gründen kaum zu erkennen. Dem Entwurf des europäischen Abkommens über Sammelausweise für Jugendliche hat eine Vereinbarung als Vorbild gedient, die im Jahre 1952 von den fünf damals zur Westeuropäischen Union gehörenden Staaten geschlossen worden ist. Zu jener Zeit, in der die westeuropäischen Staaten noch am Paßzwang festhielten, brachte eine derartige Vereinbarung zweifellos gewisse Erleichterungen. Inzwischen haben jedoch alle Mitgliedstaaten des Europarates im Verhältnis zueinander durch Zulassung der Personalausweise oder ähnlicher Papiere für den Grenzübertritt den Paßzwang nahezu vollständig, jedenfalls aber im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland beseitigt. Das bedeutet für deutsche Jugendliche über 16 Jahre, daß sie eine gemeinsame Reise in die Mitgliedstaaten des Europarates jederzeit mit dem Bundespersonalausweis, den sie ohnehin besitzen müssen, durchführen können. Jugendliche unter 16 Jahren müssen zwar erst einen Personalausweis beantragen, erhalten ihn aber in kürzester Frist. Infolgedessen haben deutsche Sammelreiseausweise, bei denen im übrigen kein Unterschied zwischen Erwachsenen und Jugendlichen gemacht wird, lediglich noch im Reiseverkehr mit denjenigen Nichtmitgliedstaaten des Europarates eine gewisse Bedeutung, die am Paßzwang festhalten. Das sind Jugoslawien und Portugal.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521108400
Herr Bauer (Würzburg) !

Hannsheinz Bauer (SPD):
Rede ID: ID0521108500
Herr Staatssekretär, ist dem Auswärtigen Amt bekannt, daß sich die Bundesrepublik unter den 18 Mitgliedstaaten des Europarates zusammen mit zwei anderen Staaten bisher nicht bereitgefunden hat, die Ratifizierung dieses Abkommens vorzunehmen, und wäre es nicht opportun, verwaltungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Gesamtlage im Europarat etwas zurückzustellen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521108600
Herr Kollege Bauer, ich würde zum einen davon ausgehen, daß der tatsächliche Sachverhalt im Auswärtigen Amt bekannt ist. Zum anderen habe ich versucht, hier



Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
deutlich zu machen, welches die Überlegungen sind. Ich darf noch einmal auf die verwaltungsrechtlichen Bedenken verweisen. Ich bin durchaus — und ich hoffe, das unterliegt bei Ihnen keinem Zweifel — der Ansicht, daß man gelegentlich verwaltungsrechtliche Bestimmungen nicht zu engherzig anwenden oder gebrauchen soll. Nur haben sie häufig eben auch bestimmte Funktionen. Da es hier in erster Linie um Jugendliche geht, würde ich doch bitten zu sehen, daß der Zwang der persönlichen Identifizierbarkeit durch ,einen entsprechenden Ausweis auch eine Schutzfunktion für die Jugendlichen hat. Ich glaube, das darf man beim Bezug auf diese verwaltungsrechtlichen Bedenken, die die Bundesregierung hat, nicht übersehen.
Im übrigen glaube ich aber, bei Ihnen auch Verständnis dafür erwarten zu dürfen, wenn ich darum bitte, daß wir doch in einer solchen Frage nun nicht um des Prinzips willen eine Entscheidung fordern, die praktisch in ihrer politischen Bedeutung überholt ist. Wenn es richtig ist — und es ist richtig; so habe ich es dargestellt —, daß es keinen Paßzwang gegenüber den beteiligten Ländern des Europarates mehr gibt, wozu soll dann lediglich die rein deklaratorische Bedeutung erlangende Unterzeichnung des Abkommens noch erfolgen, wenn damit — und darauf käme es doch entscheidend .an — an den tatsächlichen Verhältnissen nichts geändert, insbesondere nichts verbessert wird.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521108700
Noch eine Zusatzfrage, Herr Bauer (Würzburg).

Hannsheinz Bauer (SPD):
Rede ID: ID0521108800
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, daß von Ihnen als Argument das Nichtvorhandensein eines Paßzwanges und die Möglichkeit, Reisen mit der Kennkarte durchzuführen, als Argument angeführt wird, wäre nicht doch der Sammelpaß eine Erleichterung, weil er eben die Antragstellung auf eine Kennkarte vermeiden helfen würde?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521108900
Den letzten Teil Ihrer Frage habe ich akustisch nicht verstanden.

Hannsheinz Bauer (SPD):
Rede ID: ID0521109000
Herr Staatssekretär, wäre es nicht, unbeschadet des nicht vorhandenen Paßzwangs, eine Erleichterung, wenn auf dem Wege über einen Sammelpaß die Stellung eines Antrags auf eine Kennkarte für solche Reisen in Wegfall kommen könnte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521109100
Herr Kollege Bauer, eben das ist nicht möglich. Die Verwendung eines Sammelpasses setzt voraus, ,daß alle, die dort eingetragen werden, über einen ordnungsgemäßen Lichtbildausweis verfügen. Sie müssen also eine Kennkarte haben, und ich glaube, eine solche Bestimmung hat auch ihren guten Sinn. Der Sammelpaß ist eine Einrichtung, die zu einer gewissen technischen Erleichterung beim grenzüberschreitenden Verkehr dienen soll. Die Notwendigkeit der persönlichen Identifizierbarkeit der Teilnehmer im übrigen wird dadurch nicht verzichtbar. Sie wird mittels eines Sammelpasses nur in einen anderen Bereich verlegt, nämlich an die Stelle, die den Sammelpaß ausstellt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521109200
Keine weitere Frage. Wir kommen zur Frage 104 des Abgeordneten Fritsch (Deggendorf) :
Treffen Pressemeldungen zu, wonach die CSSR ein Einreiseverbot für Studenten aus der Bundesrepublik Deutschland und westlichen Ländern verhängt haben soll?
Die Frage wird im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Zur Beantwortung ist Herr Staatssekretär Wittrock anwesend. Zunächst die Frage 16 des Abgeordneten Dorn:
Wieviel Pläne und Projekte über Möglichkeiten einer Veränderung der Bundesbahntrasse tm Stadtgebiet von Bonn hat das Bundesverkehrsministerium in den letzten Jahren von eigenen Beamten und unter Beteiligung der Deutschen Bundesbahn sowie der Stadt Bonn ausarbeiten lassen?
Die Frage wird von dem Abgeordneten Ramms übernommen. — Herr Staatssekretär, wollen Sie antworten!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521109300
Herr Abgeordneter, das Bundesverkehrsministerium hat in den letzten Jahren keine derartigen Pläne oder Projekte durch eigene Beamte und unter Beteiligung der Bundesbahn und der Stadt Bonn ausarbeiten lassen. Im vergangenen Jahr hat sich mein Haus darauf beschränkt, die Bildung einer Arbeitsgruppe anzuregen, der neben Vertretern des Landes Nordrhein-Westfalen, der Bundesbahn und der Stadt Bonn zwei Beamte des Bundesverkehrsministeriums angehört haben, die für Fragen des Eisenbahnbaus und des Straßenbaus besonders sachverständig sind. Bei dem Auftrag an die Arbeitsgruppe war davon auszugehen, daß sie den Versuch unternehmen sollte, unabhängig von den Ergebnissen früherer Untersuchungen eine Lösung zu erarbeiten, die verkehrswirtschaftlichen und städtebaulichen Maßstäben gerecht wird und gleichzeitig kostenmäßig optimal günstig ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521109400
Herr Ramms!

Egon Wilhelm Theodor Ramms (FDP):
Rede ID: ID0521109500
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Gelder, die jetzt für die Unterpflasterbahn verwandt werden, besser dafür verwandt worden wären, die Bundesbahnstraße zu verändern, also entweder höher oder tiefer zu legen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521109600
Herr Abgeordneter, die Unterpflasterbahn zu bauen ist eine gemeinsame Entscheidung. Es ist nicht so, daß der Bund der Stadt Bonn etwa die Auflage gemacht hätte, die Unterpflasterbahn zu



Staatssekretär Wittrock
bauen, sondern der Bund hat die Maßnahme bezuschußt und bezuschußt sie weiterhin. Aber die Initiative liegt nicht auf seiten des Bundes, so daß ich nicht der richtige Adressat für eine solche Frage bin.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521109700
Herr Ramms!

Egon Wilhelm Theodor Ramms (FDP):
Rede ID: ID0521109800
Sind Sie nicht der Meinung, daß die Verlegung der Bundesbahntrasse — entweder höher oder tiefer — und damit die Veränderung der Verkehrsverhältnisse an der Kaiserstraße wichtiger gewesen wären?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521109900
Herr Abgeordneter, jede Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in der Stadt Bonn ist wichtig. Die Wichtigkeit und die Dringlichkeit der Verbesserung der Einsatzmöglichkeiten der Straßenbahn erschienen durchaus als vordringlich. Über das Problem der Eisenbahnführung gab es in dem Zeitpunkt, in dem für die genannte Maßnahme eine Bezuschussung möglich war, noch keine abschließenden Erkenntnisse. Die werden ja jetzt erst erarbeitet, und auch die Stadt Bonn hat in diesen Tagen wiederum eine neue Vorstellung über die Eisenbahnführung erarbeitet und vorgelegt, so daß schon allein deshalb die Frage der Eisenbahnführung noch nicht als entscheidungsreif angesehen werden konnte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521110000
Keine weitere Zusatzfrage. — Frage 17 des Abgeordneten Dorn:
Ist die Bundesregierung meiner Meinung, daß der Kabinettsbeschluß vom 30. Juni 1965 über Zuschüsse zu den Kosten, die durch die Absenkung der Fernstrecke der Deutschen Bundesbahn in Bonn entstehen, auf der Erkenntnis beruhte, daß die Tieflegung der Gleisanlagen sowohl aus städtebaulichen als auch aus verkehrstechnischen Gründen die beste Lösung sei?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521110100
Herr Abgeordneter, dieser Meinung ist die Bundesregierung nicht. Der Kabinettsbeschluß vom 30. Juni 1965 über Zuschüsse des Bundes zu den Kosten, 'die durch die Absenkung der Fernstrecke der Bundesbahn entstehen, konnte nicht auf der Erkenntnis beruhen, daß die Tieferlegung der Gleisanlagen der Bundesbahn die — ich unterstreiche das Wort „die" — optimale Lösung sei, da noch keine abschließenden Untersuchungen vorlagen. Der Beschluß ides Kabinetts ist damals, Herr Abgeordneter, als er gefaßt worden war, sowie auch unmittelbar danach und noch heute allein in dem Sinne interpretiert worden, daß hier für die Bundesregierung eine Festlegung nach dem Volumen des Engagements erfolgt sei, aber nicht nach dem konkreten Inhalt eines bestimmten Projektes.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521110200
Herr Ramms!

Egon Wilhelm Theodor Ramms (FDP):
Rede ID: ID0521110300
Bis wann werden die Untersuchungen über die optimale Lösung abgeschlossen sein?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521110400
Herr Abgeordneter, wir haben uns bereits im letzten Jahr darum bemüht, die Erarbeitung einer Entscheidungsgrundlage zu fördern. Wir, d. h. die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Verkehr ich glaube, das auch für den Bundesminister der Finanzen sagen zu können —, werden auch jetzt unid weiterhin bemüht sein, die Erarbeitung der Entscheidungsgrundlage beschleunigt zu ermöglichen. Aber letzten Endes kommt es, 'da wir ja nur Bewilligungsbehörde sind, darauf an, daß der Antragsteller einen bewilligungsfähigen Antrag, auch z. B. im Sinne der Richtlinien über die Verteilung des Dreipfennigaufkommens aus der Mineralölsteuer, vorlegt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521110500
Herr Ramms stellt keine Frage mehr. Jetzt ist auch der ursprüngliche Fragesteller anwesend. Herr Dorn!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0521110600
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihren letzten Äußerungen schließen, daß ein bewilligungsfähiger Antrag in dem Sinne, wie Sie es hier vorgetragen haben, bisher nicht vorgelegen hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521110700
Das dürfen Sie 'daraus schließen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521110800
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Kubitza auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, warum die Deutsche Bundesbahn den ganzen Personenverkehr im Raum der drei Städte Lohr, Marktheidenfeld und Wertheim von der Schiene auf die Straße verlagern will, wo sich doch auf der anderen Seite gerade die Bundesregierung sogar mit gesetzlichem Zwang darum bemüht, möglichst viel Verkehr von der Straße wegzunehmen und auf die Schiene zurückzuholen?
Herr Staatssekretär, bitte!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521110900
Herr Abgeordneter, ohne näher auf die im letzten Teil der Frage liegende Kommentierung der Politik der Bundesregierung einzugehen, möchte ich Sie 'darüber unterrichten, daß dem Bundesminister für Verkehr bisher kein Antrag über die Stillegung der hier in Betracht kommenden Eisenbahnstrecke vorliegt. Auch der Verwaltungsrat der Bundesbahn hat bisher keinen Beschluß gefaßt. Das bedeutet praktisch, daß dem Bundesminister für Verkehr keine Unterlagen zur Verfügung stehen, um das, was dem in Ihrer Frage zum Ausdruck kommenden Anliegen materiell zugrunde liegt, beantworten zu können.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521111000
Herr Kubitza!

Werner Kubitza (FDP):
Rede ID: ID0521111100
Herr Staatssekretär, ist auch für die Zukunft nicht vorgesehen, diese Strecke aufzulassen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521111200
Herr Abgeordneter, es ist zutreffend — gerade weil Sie von der Zukunft sprechen —, daß diese Strecke im Rahmen des drei Stufen umfassen-



Staatssekretär Wittrock
den Stufenplans für die dritte Stufe genannt worden ist. Aber ich möchte darauf hinweisen, daß das, was Inhalt des Stufenplans ist, im Zuge der wirtschaftlichen und auch der regionalen Entwicklung Modifizierungen unterliegt. Daraus ergeben sich veränderte Erkenntnisse, so daß noch nicht gefolgert werden kann, daß die Bundesbahn für einen Streckenabschnitt oder für die Strecke im ganzen einen Antrag auf Genehmigung der Einstellung des Zugbetriebs stellen wird.

Werner Kubitza (FDP):
Rede ID: ID0521111300
Herr Staatssekretär, da die Strecke ja immer als Ausweichstrecke in dem Maintalviereck gebraucht werden würde, möchte ich Sie fragen, ob man für diese schöne Maintalstrecke nicht versuchsweise das System des Straßenbahnverkehrs einführen sollte; dann brauchte man etwa im Stundenverkehr jeweils nur mit einem Triebwagen und zu den Stoßzeiten mit entsprechenden Anhängern zu fahren.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521111400
Das ist aber keine Frage mehr, Herr Kollege Kubitza, sondern das sind Ratschläge. Ich weiß nicht, ob die Bundesregierung die richtige Adresse für solche Ratschläge ist.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521111500
Herr Abgeordneter, wir werden Ihre Anregung der Bundesbahn, die ja ohnedies die Protokolle des Bundestages auswertet, übermitteln; denn zuständig dafür, auch letzten Endes auf der Grundlage der Entscheidungen, die der Bundestag als Gesetzgebungskörperschaft kürzlich getroffen hat, ist die Bundesbahn und nicht der Bundesminister für Verkehr.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521111600
Ich rufe dann die Frage 19 des Abgeordneten Kubitza auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob und um wieviel billiger es ist, wenn der letzte Zug Aschaffenburg—Gemünden (Triebwagen mit Ein-Mann-Besetzung) am Abend auf einer ständig in Betrieb befindlichen Durchgangsstrecke der Deutschen Bundesbahn durch einen Bus ersetzt wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521111700
Herr Abgeordneter, die Frage, ob es kostengünstiger ist — das ist ja der erste Teil Ihrer Frage —, kann bejaht werden. Die Aufrechterhaltung eines Zugbetriebs erfordert immer viel mehr und viel kostenaufwendigere Vorhaltemaßnahmen als die Durchführung des Busbetriebes.
Die Beantwortung des zweiten Teils Ihrer Frage, um wieviel es nun konkret billiger ist, den Fahrplan in der Weise, wie es in Ihrer Frage angesprochen ist, zu ändern, erfordert doch recht umfangreiche Erhebungen. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich diese Frage nicht beantworten kann.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521111800
Herr Kubitza!

Werner Kubitza (FDP):
Rede ID: ID0521111900
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß diese Vorhaltemaßnahmen, wie Sie sie bezeichnet haben, ja in jedem Fall getroffen werden müßten und daß es sich hier nur um
einen Triebwagenzug handelt, der auf einer Strecke
fahren müßte, die sowieso Hauptverkehrsstrecke ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521112000
Herr Abgeordneter, die Durchführung eines Zugbetriebes, auch die Durchführung eines Zugbetriebes mit einem Triebwagen, erfordert doch verhältnismäßig große personelle und auch betriebsmittelmäßige Maßnahmen. Es müssen beispielsweise die Strecken gesichert werden, Schrankenwärterhäuschen müssen besetzt werden. Alles in allem sind also die Vorhaltemaßnahmen erheblich. Ich bitte, bei Ihrer kritischen Betrachtung von diesem Tatbestand auszugehen.
Im übrigen, Herr Abgeordneter, erleichtert der Einsatz von Omnibussen sehr oft auch im Interesse des Publikums die Verkehrsbedienung, indem nämlich eine viel größere Zahl von Haltestellen, von Ortsdurchfahrten unmittelbar verkehrlich bedient werden kann, als das bei einer Eisenbahnbedienung gerade in diesem geländemäßig schwierigen Gebiet möglich ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521112100
Keine weitere Frage.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Kubitza auf:
Weshalb wird die Straßenverkehrs-Ordnung nicht dahin gehend geändert, daß Lastzüge, die am Dreikönigstag aus Nord- und Westdeutschland über die Autobahn in den Süden fahren, nicht in Bayern und Baden-Württemberg stehenbleiben müssen, bis der Feiertag vorbei ist, und umgekehrt z. B. am Buß- und Bettag ein Lastzug auf der Fahrt von Bayern ins Saarland die hessischen Autobahnen umgehen muß, wenn er nicht einen Tag lang festgehalten werden will?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521112200
Herr Abgeordneter, die Frage einer einheitlichen Feiertagsregelung wurde im Zuge der Beratungen über den Entwurf einer neuen Straßenverkehrs-Ordnung mit den zuständigen Landesbehörden geprüft. Die Schwierigkeit, zu Ergebnissen zu kommen, liegt darin, daß die Festsetzung von Feiertagen eine Sache des Landesrechtes ist, während die Zuständigkeit für die StraßenverkehrsOrdnung beim Bund liegt. Hier einen gemeinsamen Nenner herbeizuführen, ist außerordentlich schwierig. Ich kann Ihnen nur sagen: Der Bundesminister für Verkehr wird auch in Zukunft, so wie er das in der Vergangenheit bereits in Referentenbesprechungen und in Ausschöpfung auch anderer Möglichkeiten getan hat, bestrebt sein, eine möglichst einheitliche Regelung durchzuführen. Dem Anliegen, das Ihrer Frage zugrunde liegt, stimme ich also voll zu.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521112300
Keine weiteren Fragen.
Ich rufe dann die Frage 21 des Abgeordneten Damm auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die ständige starke Lärmbelästigung eines großen Teiles der Hamburger Bevölkerung durch Flugzeuge, die den Flughafen Fuhlsbüttel anfliegen, dadurch zu vermindern, daß sie dem sofortigen Einbau einer ILS-Anlage in die Startbahn II des Flughafens Fuhlsbüttel zustimmt, wenn der Hamburger Senat diese Anlage vorfinanziert, so daß bei schlechtem Wetter der Landeanflug über nichtstädtisches Gebiet erfolgen kann?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521112400
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist nicht der Auffassung daß es der Vorfinanzierung einer ILS-Anlage für Start- und Landebahn II durch den Hamburger Senat bedarf. Die Bundesanstalt für Flugsicherung wird die für diese Anlage erforderlichen Mittel im Haushalt 1970 vorsehen und alle Maßnahmen für eine schnelle Auslieferung und eine alsbaldige Betriebsübergabe treffen.

Carl Damm (CDU):
Rede ID: ID0521112500
Herr Staatssekretär, bedeutet das, daß die schnellstmögliche Vornahme des Einbaus gesichert ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521112600
Wir sind im Sinne dessen, was ich gesagt habe, bemüht, die noch offenstehenden Fragen zu klären. Es gibt beispielsweise noch einige Punkte hinsichtlich des Standorts dieser Anlage zu klären. Die Behörde für Wirtschaft und Verkehr der Freien und Hansestadt Hamburg und die Bundesanstalt für Flugsicherung, in deren Verantwortung das liegt, sind bemüht, alle wesentlichen Faktoren für eine schnellstmögliche Entscheidung zu erarbeiten.

Carl Damm (CDU):
Rede ID: ID0521112700
Herr Staatssekretär, kann ich mit Sicherheit davon ausgehen, daß Sie den Einbau der ILS-Anlage in die Startbahn II für das Jahr 1970 meinen und nicht etwa im Haushalt 1970 Geld für den Einbau einer ILS-Anlage in die Startbahn I zur Verfügung stellen wollen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521112800
Ich glaube, Ihre Frage bezog sich auf die Startbahn II,

(Abg. Damm: Richtig!) und darauf bezog sich meine Antwort.


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521112900
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0521113000
Herr Staatssekretär, ist es nicht zweckmäßig, angesichts der relativ langen Lieferfristen bei ILS-Anlagen bereits heute in Verhandlungen mit der Lieferfirma einzutreten, da Sie doch sowieso entschlossen sind, 1970 die Mittel auszuweisen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521113100
Ich werde die Bundesanstalt für Flugsicherung von Ihrem Hinweis in Kenntnis setzen, und ich nehme an, daß er im Rahmen der gebotenen Möglichkeiten beachtet wird.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521113200
Frage 22 stellt der Abgeordnete Ramms:
Zu welchem Zeitpunkt gedenkt die Bundesregierung die für 1970 in neuen Fahrzeugen vorgesehene Warnblinkleuchte (gelb/ dunkel oder gelb/rot) in in Betrieb befindlichen Fahrzeugen einzuführen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521113300
Ein Termin für die Einführung von Warnblinkanlagen für bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge liegt noch nicht fest. Er wird bei den Beratungen über den Entwurf einer in Vorbereitung befindlichen Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung mit den obersten Verkehrsbehörden der Länder und wegen der Liefermöglichkeiten mit der einschlägigen Industrie abgestimmt. Die Frist soll so kurz wie möglich gehalten werden.
In Betracht kommt für diese Fahrzeuge übrigens nur ein Warnblinklicht gelb/dunkel, nachdem das Warnblinklicht gelb/rot in der Weltkonferenz in Wien im Oktober/November 1968 abgelehnt worden ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521113400
Herr Ramms!

Egon Wilhelm Theodor Ramms (FDP):
Rede ID: ID0521113500
Ein endgültiges Datum, wann diese Beratungen abgeschlossen sein werden, ist also noch nicht abzusehen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521113600
Nein, Herr Abgeordneter. So bald wie möglich sollen die Erörterungen abgeschlossen werden. Aber ich bin nicht in der Lage, einen Termin zu nennen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521113700
Herr Ramms!

Egon Wilhelm Theodor Ramms (FDP):
Rede ID: ID0521113800
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht meiner Meinung, daß in dem Augenblick, wo die Ausrüstung mit Warnblinkanlagen bei Neufahrzeugen Pflicht wird, die jetzt in Betrieb befindlichen Fahrzeuge unter Umständen ganz erheblich zur Unsicherheit auf den Straßen beitragen können, wenn sie nicht ausgerüstet werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521113900
Ich weiß nicht, ob man in der Bewertung der Schwierigkeiten. die in einer Übergangszeitspanne natürlich immer entstehen, so weit gehen kann. Ich weiß nicht, ob das harte Urteil, das Ihrer Zusatzfrage zugrunde liegt, gerechtfertigt ist. Ich stimme aber insoweit zu, als ich der Auffassung bin, daß in der Tat eine alsbaldige Einheitlichkeit gewährleistet sein muß. Ich habe jedoch in der Antwort auf Ihre Frage schon zum Ausdruck gebracht, daß das nicht bloß von administrativen oder legislativen Entscheidungen abhängt, sondern auch von der Kapazität der Lieferindustrie, also von Faktoren, auf die wir keinen Einfluß haben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521114000
Meine Damen und Herren, die Fragestunde ist damit beendet.
Ich habe noch mitzuteilen, daß die Fragen 40 bis 45, 49, 50, 54, 55 und 72 von den Fragestellern zurückgezogen worden sind.
Die nicht erledigten Fragen werden schriftlich beantwortet, soweit sie nicht zurückgezogen sind.



Vizepräsident Schoettle
Ich rufe nun die Punkte 13 und 14 der Tagesordnung auf und dazu die Vorlage, die heute vormittag vom Haus zusätzlich auf die Tagesordnung gesetzt worden ist:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Stücklen, Dr. Jaeger, Wagner, Schlager, Frau Dr. Kuchtner und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung
— Drucksache V/3631 —
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Jugendgerichtsgesetzes
— Drucksache V/3633 —
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dichgans, Dr. Lenz (Bergstraße), Dr. Jaeger und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Strafgesetzbuches
— Drucksache V/3743 —
Die Beratung der drei Vorlagen wird verbunden.
Zur Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung der Strafprozeßordnung, Drucksache V/3631, hat das Wort der Abgeordnete Schlager.

Manfred Schlager (CSU):
Rede ID: ID0521114100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits in der ersten grundsätzlichen Debatte über die Ursachen der steigenden Kriminalität habe ich darauf hingewiesen, daß wir diesen gefährlichen Übelstand nur durch ein Bündel von gesetzgeberischen und organisatorischen Maßnahmen fest in den Griff bekommen werden. Die heute zur ersten Beratung anstehenden Initiativen sind nur einer der möglichen und wahrscheinlich unvermeidbaren Wege, einer ganz bestimmten, anders wohl nicht abstellbaren Ursache steigender Kriminalität beizukommen. Ich hoffe, daß es uns gelingt, dies im Verlauf der Debatte klarzumachen.
Was wollen die Initiativen, und was ist ihr eigentlicher Hintergrund? Mit dem Antrag Drucksache V/3631 wollen die Antragsteller aus der CSU-Landesgruppe ,einen Anstoß dazu geben, daß noch in dieser Legislaturperiode der bereits für die schweren Sexualdelikte bestehende Haftgrund der Wiederholungsgefahr auf weitere Brennpunkte der Berufs- und schweren Kriminalität ausgedehnt wird.
Nach den bösen Erfahrungen, die unser Land mit polizeilicher Schutzhaft oder, wie man sie auch sonst noch nennen will, Beugehaft oder Vorbeugehaft in der Zeit des „Dritten Reiches" gemacht hat, ist es nur zu natürlich, daß beide Entwürfe in der deutschen Offentlichkeit ein sehr lebhaftes Echo gefunden haben, das von einhelliger Zustimmung über betonte Zurückhaltung und tiefe Skepsis bis zur entschiedenen Ablehnung reicht. Da wir uns selbst den Entschluß zu dieser Gesetzesvorlage nicht leichtgemacht haben, begrüßen wir jede positive — wenn auch noch so harte — Kritik an unserem Entwurf wie an dem Entwurf der Großen Koalition.
Ich .spreche damit auch jene Kritiker an, die den Verdacht haben, die Koalition oder die Kollegen aus der CSU-Landesgruppe hätten ohne Not ihre Initiativen nur im Hinblick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen aus einer gewissen Popularitätshascherei eingebracht, weil nun einmal gegenwärtig die Bekämpfung der steigenden Kriminalität populär sei.

(Abg. Matthöfer: Ein völlig abwegiger Gedanke!)

— Sehr richtig, Herr Kollege! Die das glauben, kennen nicht das Material, das unseren Initiativen zugrunde liegt.
Ich bin mir fast sicher, daß wir uns die beiden Initiativen mit den zwangsläufig damit verbundenen politischen Auseinandersetzungen hätten ersparen können,

(Abg. Dorn: Das wäre auch besser gewesen!)

wenn das Haus schon 1964, Herr Kollege Dorn, einem Änderungsantrag von Kollegen der CDU/ CSU-Fraktion gefolgt wäre, die schon damals in klarer Erkenntnis der gefährlichen Lücke, die die Novellierung der Strafprozeßordnung von 1964 mit sich bringen würde, eine Erweiterung des Haftgrundes der begründeten Wiederholungsgefahr vorschlugen. Es war damals der verehrte Kollege Dr. Güde, der darauf hinwies, daß die Strafprozeßordnung nicht allein an den Schutz dringend Verdächtiger, sondern auch an den Schutz der Allgemeinheit vor der wachsenden Kriminalität denken müsse. Es ist natürlich unbestritten, meine Damen und Herren, daß jeder Beschuldigte bis zur Rechtskraft des Urteils Anspruch darauf hat, als nichtschuldig behandelt zu werden.
Es ist zu einseitig, wenn man zur Abwehr des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr einwendet, Ziel eines Strafverfahrens könne nur die Verfolgung begangener Straftaten sein. Strafprozeß und Strafrecht haben vielmehr gleichermaßen den Zielen zu dienen, die Schuld des Täters zu sühnen und zugleich ihn wie auch Dritte vor der Begehung weiterer Straftaten abzuschrecken.

(Abg. Matthöfer: Aber doch nicht durch Untersuchungshaft! — Zuruf von der FDP: Neue Theorien!)

Als die Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion auf Umdruck 500 ihre Erweiterungsanträge einbrachten, konnten sie sich schon auf gewichtige sachverständige Stimmen stützen, die voraussagten, daß durch die beabsichtigte Novellierung der Strafprozeßordnung gerade zur Bekämpfung der Schwerst- und Serienkriminalität eine nicht schließbare Lücke entstehen würde. Sie sagten voraus, das neue Haftrecht werde es nicht mehr zulassen, daß vor allem die vielen Rückfalldiebe und Rückfallbetrüger trotz begründeter Wiederholungsgefahr in Haft gehalten werden könnten. Dies war möglich, solange der seinerzeit für Verbrechen noch gesetzlich vermutete Fluchtverdacht bereits für die Begründung der Inhaftierung ohne Rücksicht darauf genügte, ob der gefährliche Wiederholungstäter zu fliehen gedachte oder nicht.



Schlager
Im Hinblick auf dieses sicherlich nicht befriedigende Ergebnis sprach sich schon seinerzeit der führende Strafprozeßkommentar Löwe-Rosenberg in bezug auf das damals noch geltende Recht für die Schaffung eines Haftgrundes der Wiederholungsgefahr aus, um den Richter nicht zu zwingen, auf die vom Gesetz vermutete Fluchtgefahr zurückgreifen zu müssen, um die Öffentlichkeit vor den gefährlichen Wiederholungstätern zu schützen. Deshalb traf Löwe-Rosenberg die Feststellung, es diene der Ehrlichkeit der Haftpraxis, wenn — gewiß unter sehr zwingenden Voraussetzungen — eine vorläufige Verwahrung für Neigungstäter geschaffen werden würde, die es erlaube, Beschuldigte in Haft zu nehmen, die wegen ihrer Neigung zu erheblichen Straftaten eine Gefahr für die Allgemeinheit bilden, weil zu erwarten ist, daß sie serienmäßig verübte Straftaten fortsetzen, solange sie nicht durch das Übel der Strafe davon abgeschreckt worden sind.

(Abg. Matthöfer: Den Effekt kann man doch auch anders erreichen!)

-- Ich weiß nicht, Herr Kollege Matthöfer, ob Sie nun auch gegen den Antrag der Koalition hier intervenieren wollen. Über diese Probleme werden wir uns sehr eingehend unterhalten müssen. Ich darf hier darauf hinweisen, daß wir uns schon in der Debatte vom 13. Dezember dafür ausgesprochen haben, die Personalstärke der Polizei zu erhöhen und die Polizei mit den modernsten technischen Mitteln auszustatten. Ich glaube, die Stunde der Wahrheit kommt für alle Landtage und auch für den Bundestag, wenn es darum geht, das auch zu vollziehen.

(Abg. Dorn: Vor allen Dingen für die Bundesregierung kommt die Stunde der Wahrheit!)

— Herr Kollege Dorn, wir werden bald die Gelegenheit haben. Sie haben schon einen Gesetzentwurf eingebracht, wir auch, um die Arbeit des Bundeskriminalamtes zu erleichtern. Ich hoffe, wir treffen uns hier bei der Verfolgung dieses gemeinsamen Zieles.
Wir begrüßen es, meine Damen und Herren, wenn — wie der Koalitionsantrag zeigt — auch in anderen Teilen des Hohen Hauses die Erkenntnis der Notwendigkeit gewachsen ist, daß unter diesem Aspekt die Ursachen der Kriminalität zu überprüfen sind und schnellstens nach Möglichkeiten der Abhilfe zu suchen ist. Ich darf an dieser Stelle noch einmal das ganze Problem kurz verdeutlichen.
Nach dem jetzt geltenden Haftrecht kann Untersuchungshaft nur bei Flucht, Fluchtgefahr oder Verdunklungsgefahr angeordnet werden. Die heute in Frage stehende Wiederholungsgefahr, d. h. die begründete Befürchtung, der Beschuldigte werde in nächster Zeit sein gefährliches strafbares Verhalten nachhaltig fortsetzen und weiteren erheblichen Schaden verursachen, ist nach dem Vereinheitlichungsgesezt von 1950 zunächst einmal als Haftgrund entfallen. 1964 ist dann auf Grund der zwischenzeitlich gewonnenen praktischen Erfahrungen der Haftgründe Wiederholungsgefahr zunächst für die schweren Sittlichkeitsdelikte unter Ablehnung der vorhin erwähnten Erweiterungsanträge der Kollegen
Kanka, Güde und Genossen aus der CDU/CSU-Fraktion wiederaufgenommen worden.
Nach dem gegenwärtigen Haftrecht bleiben aber besonders gefährliche Berufsverbrecher und Serienstraftäter, die vor ihrer Aburteilung und vor ihrer Strafverbüßung erneut ihr strafbares Tun fortsetzen wollen, von der Untersuchungshaft verschont, wenn sie irgendwie beweisen können, daß sie einen festen Wohnsitz oder feste familiäre oder soziale Bindungen haben, so daß eben nach dem geltenden Haftrecht weder eine Fluchtgefahr noch eine Verdunkelungsgefahr angenommen werden kann. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß gerade die Berufsverbrecher, die hier Routiniers sind, es notfalls auch mit präparierten Beweisen fertigbringen, einen solchen festen Wohnsitz vorzutäuschen.

(Zuruf des Abg. Dr. Rutschke.)

Natürlich ist in diesem Zusammenhang auch zu prüfen, welche Einwirkungen nun die sogenannte Gesamtstrafenbildung auf die steigende Kriminalität hat. Denn wir wissen natürlich, daß ein Serienstraftäter, wenn er einmal erwischt ist und sein strafbares Tun wiederholt fortsetzt, im Wege der Gesamtstrafenbildung einen gewissen „Rabatt" für die nachfolgenden Straftaten bekommt. Wir werden uns dieses Problem, Herr Kollege Matthöfer, sehr eingehend überlegen müssen.
Nun ist es eben die bittere Erfahrung vieler Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte, vor allem in den Großstädten, daß sie viele Berufsverbrecher wieder laufen lassen müssen, obwohl sie wissen, daß diese vor ihrer rechtskräftigen Verurteilung und Strafverbüßung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weitere gefährliche Straftaten begehen. Nach den Erfahrungen der Praxis nehmen diese Serienstraftäter wegen der bevorstehenden Bestrafung in aller Regel keine Arbeit mehr auf.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521114200
Herr Abgeordneter, darf ich einmal unterbrechen. — Herr Abgeordneter Dr. Rutschke, es gibt bei Begründungen doch keine Zwischenfragen; das ist doch Sache der Debatte.

(Abg. Matthöfer: Es ist die Frage, ob der Referent sie zulassen würde!)

— Nein! Zwischenrufe können Sie machen, Herr Kollege Matthöfer.

(Abg. Matthöfer: Es ist schon so gehandhabt worden! — Abg. Dr. Rutschke: Es gibt doch die Sicherungsverwahrung für Berufsverbrecher! Was Sie sagen, Herr Kollege Schlager, stimmt doch gar nicht!)


Manfred Schlager (CSU):
Rede ID: ID0521114300
Herr Kollege, hier geht es doch um die Inhaftierung bei begründeter Wiederholungsgefahr zwischen dem Erwischtwerden und der Strafverbüßung.
Ich darf wiederholen: nach den Erfahrungen der Praxis nehmen diese Schwerverbrecher, diese Serienstraftäter in aller Regel keine Arbeit mehr auf; denn sie zeigen ja schon im Hinblick auf die zu



Schlager
erwartende Strafe eine gewisse Gleichgültigkeit. Wegen ihrer schlechten wirtschaftlichen Situation nach dem erstmaligen Erwischtwerden neigen sie eben dazu, gleichgelagerte Straftaten weiter zu begehen. Deshalb gehen gerade — das sagte ich schon am 13. Dezember — besonders die schweren Jungs aufs Ganze, wenn sie einmal erwischt worden sind.
Soweit ich informiert bin, haben sich zwischenzeitlich nahezu alle Justizminister und -senatoren der deutschen Länder für eine baldige Erweiterung des Haftgrundes hinsichtlich der Wiederholungsgefahr ausgesprochen, und zwar ,aus den Gründen, aus denen auch wir zu dieser Initiative geschritten sind.
Für die Vielzahl der Beispiele, die von den Justizministern und Justizsenatoren hier vorgebracht werden können, darf ich beispielhaft einige Fälle aus der Praxis mitteilen; wegen der Zeitknappheit kann ich allerdings nur einige Beispiele bringen. Es sind alles Fälle, denen nachgewiesenermaßen durch die Anordnung der Haft wegen Wiederholungsgefahr mit Gewißheit weitere Straftaten hätten verhindert werden können.
Vor mir liegt der Fall eines 24jährigen Täters, der 1967 unter idem dringenden Tatverdacht stand, einen Einbruchsidiebstahl begangen zu haben. Nach seiner Vorführung wurde kurz Untersuchungshaft angeordnet, sehr bald Haftverschonung wegen inzwischen entfallener Gründe für die Untersuchungshaft angeordnet. Dieser 24jährige junge Mann hat nun innerhalb von zwei, drei Monaten bis zum Juni 1967 47 weitere Straftaten begangen. Nach der 46. Straftat wurde er ergriffen und vorgeführt. Es wurde die Untersuchungshaft angeordnet, aber sehr bald wieder Haftverschonung infolge Nachweises einer neuen Unterkunft angeordnet. Sodann hat dieser 24jährige Täter sofort wieder zwei weitere Straftaten begangen. Dann ist er geflohen und konnte nur deshalb in Untersuchungshaft genommen werden.
Vor mir liegt auch der Fall eines 29jährigen Täters, der im Mai 1966 in dien dringenden Verdacht eines Einbruchdiebstahls geraten ist. Er wurde nach Vorführung zunächst auch in Untersuchungshaft genommen, dann aber wiegen Wegfalls des Fluchtverdachts wider von der Haft verschont und hat darauf unmittelbar weitere 39 nachgewiesene Einbrüche begangen.
Vor mir liegt ein weiterer Fall zweier Täter von 19 und 18 Jahren, die im Mai 1968 in den dringenden Tatverdacht gemeinschaftlichen Kraftfahrzeugdiebstahls geraten sind. Es lagen keine Haftgründe vor, weder Verdunkelungsgefahr noch Fluchtgefahr. Weil sie in Freiheit gelassen worden sind, konnten sie dann innerhalb weniger Monate mindestens weitere 21 nachgewiesene gemeinschaftliche Kraftfahrzeugdiebstähle begehen.
Meine Damen und Herren, ich habe auch aus den Reihen der Rückfallbetrüger entsprechende Beispiele. Hier das Beispiel eines 62jährigen einschlägig vorbestraften Täters, der im Jahre 1966 in den dringenden Tatverdacht geraten ist, in 15 Fällen Waren- und Warenkreditbetrug begangen zu haben.

(Zuruf ides Abg. Dorn.)

Da auch hier ein fester Wohnsitz begründet war, mußte der Täter in Freiheit gelassen werden und hat daraufhin innerhalb weniger Monate 35 weitere gleichgelagerte Betrugshandlungen mit einem Gesamtschaden von 50 000 DM begangen.
Weiter darf ich aus meinem Material den Fall eines 26jährigen bereits kriminell in Erscheinung getretenen Täters herausgreifen, der im Mai 1967 wegen Vermittlungsbetrugs verurteilt worden ist. Während ides Strafverfahrens und danach bis zu seinem Strafantritt konnte dieser Betrüger weitere 30 Straftaten dies Vermittlungsbetrugs begehen unid hat dabei einen Gesamtschaden von rund 400 000 DM verursacht.
Als letzten Fall, der zeigt, daß es selbst unter Tätern, die noch nicht in Erscheinung getreten waren, natürlich auch schwere Serientäter gibt, darf ich einen Brandstifterfall zitieren, wo der Betreffende im Juli 1964 wegen des dringenden Tatverdachts dier Brandstiftung 'inhaftiert worden ist. Die Untersuchungshaft mußte wiederaufgehoben werden, weil er eben einen festen Wohnsitz hatte. Er hat daraufhin sofort zwei weitere vorsätzliche Brandstiftungen begangen. Er wurde dann kurz wieder inhaftiert, wieder entlassen und hat daraufhin zwei weitere Brandstiftungen begangen.
Meine Damen unid Herren, das alles sind Fälle, die uns sehr zu denken geben unid die auch uns veranlaßt haben, nun zu dieser Initiative zu schreiten.
Was war aber der letzte Anstoß für unsere Initiative? Ich meine, es erschüttert eben das Rechtsbewußtsein breitester Schichten unseres Volkes, und zwar in einer gesellschaftlich und politisch nicht zu verantwortenden Weise, daß es gerade dem kriminellen, gefährlichen Täter jederzeit möglich ist, sozusagen unter den Augen der Polizei laufend in erheblicher Weise weiter gegen die Gesetze zu verstoßen, ohne daß man dem vorbeugen kann. Die Rechtstreue unserer Bevölkerung ist aber gerade der wesentliche Faktor für die Bereitschaft unserer Bürger, an der Aufklärung der Kriminalität mitzuarbeiten. Jeder erfahrene Kriminalist weiß, daß ohne diese Mithilfe jede Kriminalpolizei gegenüber der Flut der Verbrechen machtlos ist.
Ist aber, meine Damen und Herren, ein Bürger noch bereit, bei der Verfolgung eines Schwerverbrechers mitzuhelfen, wenn er gewärtig sein muß, daß dieser Schwerverbrecher gleich am nächsten Tag nach seiner Inhaftierung wieder auf freien Fuß gesetzt wird und vielleicht schon am nächsten Tag vor seiner Haustür stehen kann, um eine Rechnung zu quittieren? Wir wissen aus den Erfahrungsberichten der Polizei, wie demoralisierend es auf unsere Polizisten wirkt, wenn sie in monatelanger mühevoller Kleinarbeit einen Verbrecher ausfindig machen, der routinierte Verbrecher aber aus Gründen, die ich vorhin genannt habe, gleich wieder laufengelassen werden muß und dem Polizisten schon am nächsten Tag auf seinem nächsten Streifengang begegnen



Schlager
kann. In welchen Gewissenskonflikt kommt ein Richter, der einen Serienstraftäter laufenlassen muß, obwohl er sichere Anhaltspunkte dafür hat, daß dieser die wiedergewonnene Freiheit sofort wieder für die Fortsetzung seines verbrecherischen Tuns mißbrauchen wird!
Die Ausführungen des Herrn Präsidenten des Bundeskriminalamts Dickopf beim öffentlichen Anhörungstermin des Innenausschusses über Verbrechensbekämpfung waren für uns ebenso wie die nahezu übereinstimmenden Erfahrungsberichte der Justizverwaltungen, der Staatsanwälte und der Polizeibehörden vor allem in den Großstädten das unüberhörbare Signal, das Problem noch in dieser Legislaturperiode anzupacken. Erinnern wir uns, meine Damen und Herren, an das Wort des Herrn Präsidenten Dickopf, daß man, wenn nichts Entscheidendes geschieht, eines Tages von den 60er Jahren als der „guten alten Zeit" sprechen wird, aber auch als von einer Zeit, in der entscheidende Versäumnisse begangen wurden.

(Abg. Matthöfer: Wer stellte denn damals die Regierung?)

Unüberhörbar war auch seine Feststellung, daß, so gut alle Liberalisierungsbestrebungen auch gemeint sein mögen, der Rechtsbrecher und in erster Linie der Schwerverbrecher aus ihren Auswirkungen ihren Nutzen zögen. - Herr Kollege Matthöfer, ich habe Ihnen vorhin schon gesagt, daß Sie 1964 Gelegenheit gehabt hätten, eine wesentliche Ursache für die steigende Kriminalität zu beseitigen, wenn Sie dem Erweiterungsantrag der Kollegen Dr. Güde und Kanka zugestimmt hätten. — Erinnern wir uns auch der Feststellung des Herrn Präsidenten Dickopf, daß die Aufklärungsquote unmittelbar nach Wirksamwerden der Strafprozeßnovelle nicht unerheblich abgesunken ist.
Im Hinblick auf die erkennbar gewordene und dringliche Notwendigkeit einer Neuregelung des Haftrechts haben wir die Regierung deshalb zunächst einmal in unserer Kleinen Anfrage — Drucksache V/3446 — gefragt, ob und inwieweit auch sie eine Änderung des geltenden Rechts der Untersuchungshaft für erforderlich halte. Da die Regierung jedoch lediglich mitgeteilt hat, daß der Herr Bundesminister der Justiz vorerst nur mit den Landesjustizverwaltungen erörtere, ob nach den bisherigen Erfahrungen schon eine Reform der Untersuchungshaft erforderlich sei, wir aber andererseits auch wußten, daß dem Bundesjustizministerium schon im Laufe des Jahres 1967 zunehmend Berichte über die Notwendigkeit einer Änderung der Strafprozeßordnung vorlagen, glaubten wir doch zu einer eigenen Initiative schreiten zu müssen, damit sichergestellt ist, daß noch in dieser Legislaturperiode eine Reform des Haftrechts erfolgt, falls das vorliegende Tatsachenmaterial einer gründlichen Nachprüfung in den Beratungen der Ausschüsse sowie in dem von uns gewünschten und auch begrüßten Hearing standhält.

(Abg. Dorn: Trauen Sie Ihrem eigenen Material schon nicht mehr?)

Gestatten Sie mir, nun noch einige Bemerkungen zum Inhalt und Aufbau unserer Vorlage sowie zu
ihrem Standort zu machen. Warum haben wir uns schließlich dafür entschieden, keinen festumgrenzten Verbrechenskatalog vorzusehen und zunächst einmal Verbrechen und vorsätzliche Vergehen von bestimmter Schwere bei Wiederholungsgefahr unter Haftandrohung zu stellen? Meine Damen und Herren, auch wir hoffen, daß sich in den Beratungen nach gründlicher Prüfung des vorliegenden Materials die Lage ergibt, daß wir uns auf einen bestimmten Verbrechenskatalog einigen können. Aber wir konnten und durften von Anfang an nicht außer acht lassen, daß man es nicht von einem zufälligen Mehrheitsverhältnis oder von nur zeitbedingten Erfahrungen abhängig machen kann, welche Bereiche der schweren Kriminalität und Serienstraftaten bei Wiederholungsgefahr unter die Haftandrohung gestellt werden. Mehrere Justizverwaltungen haben zwischenzeitlich ebenfalls das Problem erkannt, daß sich die Erscheinungsformen der Berufskriminalität und das Erscheinungsbild der Serienstraftäter wandeln können und man daher heute nicht sagen kann, in welcher Hinsicht die Strafrechtspflege in Zukunft mit dem Problem der serienmäßigen Begehung erheblicher Straftaten befaßt werden wird.
Bankeinbrüche beispielsweise haben sich ja erst in den letzten Jahren zu einer Spezialität in der Verbrecherwelt entwickelt. Es zeichnet sich neuerdings ab, daß sich im Zusammenhang mit Exzessen bei Demonstrationen auch der schwere Hausfriedensbruch zu einem Seriendelikt entwickeln könnte. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß auch die Aufforderung zu militärischem Ungehorsam und die Begünstigung der Fahnenflucht eines Tages zu diesen serienmäßig begangenen Delikten gehören könnten. Natürlich stehen bei der Frage des Umfangs der Ausweitung der Haft wegen Wiederholungsgefahr gegenwärtig die Tatbestände des Rückfalldiebstahls und des Rückfallbetruges im Vordergrund. Deshalb wird zum Teil auch die Meinung vertreten, daß viele Serientäter selbst dann erfaßt werden können, wenn man den Erlaß eines Haftbefehls wegen Wiederholungsgefahr dadurch erschweren würde, daß man die Haft nur für Rückfalltäter zuläßt. Der von mir vorhin zitierte Fall eines Brandstifters zeigt aber deutlich, daß auch unter den Schwerstverbrechern, z. B. unter Bankräubern und sogenannten Feuerteufeln, sehr gefährliche Einzeltäter zu finden sind.
Den Erlaß eines Haftbefehls von einem Geständnis abhängig zu machen, erscheint deshalb ungeeignet, weil die Bereitschaft zum Geständnis ja dafür spricht, daß der Täter einsichtig geworden ist und eine Wiederholungsgefahr daher nicht mehr angenommen werden kann.
Im übrigen sind auch wir der Auffassung, daß die sogenannten Brutalitätsdelikte, d. h. Delikte, bei denen rücksichtslos Gewalt gegen Leib und Leben anderer angewendet wird, ebenso wie die gemeingefährlichen Verbrechen und die vorsätzlichen gemeinschaftsgefährlichen Vergehen wie Brandstiftung, Sprengstoffdelikte, Strafhandlungen gegen die Sicherheit des Bahn- und Luftverkehrs bei Wiederholungsgefahr unter Haftandrohung gestellt werden müssen. Es sind auch Stimmen laut geworden, die



Schlager
Verbrechen und vorsätzlichen Vergehen nach dem 1. bis 5. Abschnitt des Zweiten Teils des Strafgesetzbuches unter diese Haftandrohung fallenzulassen. So betrachtet, könnten die Beratungen in der Tat zu dem Ergebnis führen, daß der Katalog so ausgedehnt werden muß, daß sich eine Aufzählung im einzelnen nicht mehr lohnt und statt dessen Sorge dafür getragen werden muß, daß durch entsprechende innere Schranken eine mißbräuchliche Anwendung verhindert wird.

(Abg Dorn: Daß wir hier keine Zwischenfragen stellen können, ist für Sie ein besonderer Gnadenerweis!)

— Herr Kollege, diesen Gnadenerweis brauchen Sie wirklich nicht zu gewähren. Wir haben ja anschließend eine Debatte und können uns dann gegenseitig das sagen, was not tut.
Gestatten Sie mir zu diesem Problem noch eine Bemerkung. Um jede auch nur äußerliche Gedankenverbindung mit der polizeilichen Schutzhaft des Dritten Reiches zu vermeiden, haben wir den Haftgrund der Wiederholungsgefahr bewußt als „Haftgrund der Wiederholungsgefahr" bezeichnet. In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Hirsch, muß ich sehr bedauern, daß Sie für den Koalitionsentwurf eine Bezeichnung gefunden haben, die der Sache — einer meiner Ansicht nach unvermeidlichen Sache — sehr unzuträglich gewesen ist. Einen Begriff, wie Sie ihn geprägt haben — Sie werden gemerkt haben, daß ich versucht habe, diesen Begriff nicht in den Mund zu nehmen —, Begriffe dieser Art,

(Abg. Dorn: Wir wissen trotzdem, was Sie meinen!)

die schon rein äußerlich an die Beuge- und die Schutzhaft des Dritten Reiches erinnern,

(Abg. Matthöfer: Sie haben es gerade nötig!)

sind eben geeignet, Herr Kollege Matthöfer, auch in der politischen Polemik ein Eigendasein zu führen. Denn man kann aus diesem Begriff jeweils das heraushören, was man zunächst hineinstecken will. Wir täten gut daran, diese Begriffe in diesem Hohen Hause nicht mehr zu verwenden.
Im übrigen sprechen nach unserer Auffassung gewisse sachliche Gründe dafür, den Haftgrund der Wiederholungsgefahr auch in der ausgedehnten, erweiterten Form weiterhin, wie wir es tun, bei § 112 zu belassen, wie es auch das geltende Recht gegenwärtig vorsieht. Ich darf hierzu folgende Gründe anführen.
Erstens. Die Haftgründe der Flucht-, Verdunklungs- und der Wiederholungsgefahr bereiten in in erster Linie die Verurteilung des Täters zur Strafe vor, während die vorläufige Unterbringung nach § 126 a StPO der Verhängung einer Maßregel im Sicherungsverfahren oder neben der Strafe im Strafverfahren vorangeht.
Zweitens. Die Verhaftung wegen Wiederholungsgefahr soll zwar nicht wie die Verhaftung aus den beiden anderen Haftgründen die ungestörte Durchführung eines Strafverfahrens bis zur Verurteilung
sichern. Sie dient aber doch zumindest mittelbar auch der Verwirklichung des Strafzwecks der Spezial- oder Generalprävention und damit in einer anderen Weise der wirksamen Strafverfolgung, indem sie eben den Täter von der weiteren Tatbegehung abhält und auch andere abschreckt.
Drittens. Die Voraussetzungen der drei Haftgründe, die teilweise zusammenfallen, müssen vom Gericht in einem einheitlichen Verfahren festgestellt und im Haftprüfungsverfahren einheitlich nachgeprüft werden. Es erscheint unzweckmäßig, die Vorschriften des materiellen Haftrechts auseinanderzureißen und in getrennten Vorschriften zu regeln. Eine Zusammenfassung der drei Haftgründe in einer Vorschrift würde zudem auch dem Artikel 5 der Menschenrechtskonvention entsprechen.
Viertens. Dadurch, daß wir auch den erweiterten Haftgrund der Wiederholungsgefahr wie bisher bei § 112 Abs. 3 StPO belassen, kommt der beschuldigte Wiederholungstäter automatisch in den Genuß aller rechtsstaatlichen Schutzgarantien, wie sie die Strafprozeßordnung seit der Liberalisierung des Strafprozeßrechts von 1964 für den inhaftierten Beschuldigten vorsieht. Dadurch waren auch wir in der Lage, betont knapp zu formulieren, was in der Öffentlichkeit zu Unrecht wiederholt zu dem Eindruck führte, unsere Initiative lasse die notwendigen rechtsstaatlichen Garantien vermissen.
Lassen Sie mich daher auch hier diese rechtsstaatlichen Garantien kurz aufzählen.
Der Hauptgrund der Wiederholungsgefahr unterliegt dem in § 112 Abs. 1 Satz 2 ausgesprochenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Was bedeutet das? Es muß auch die Haft wegen Wiederholungsgefahr zu dem angestrebten Zweck in angemessenem Verhältnis stehen. Die Inhaftierung muß also unterbleiben, wenn der gefährliche Wiederholungstäter durch andere Maßnahmen von der weiteren Begehung gleichartiger Straftaten abgehalten werden kann. Wir haben das ausdrücklich auch noch in unserem Gesetzentwurf selbst verlangt, und zwar mit der Bestimmung, daß ein Haftbefehl nicht ergehen kann, wenn der Wiederholungsgefahr auf andere Weise begegnet werden kann. Der § 116 der Strafprozeßordnung bietet hierfür z. B. folgende Abwendungsmaßnahmen an: die Möglichkeit einer Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei bestimmten Behörden zu melden, die Möglichkeit, dem Beschuldigten aufzugeben, den Wohn- und Aufenthaltsort nicht zu verlassen oder seine Wohnung nicht zu verlassen, oder auch die Möglichkeit, vom Beschuldigten eine angemessene Sicherheit zu verlangen.
Da unser Entwurf auf dem gegenwärtigen Haftrecht fußt, hat der wegen Wiederholungsgefahr Inhaftierte alle Verteidigungsrechte, wie sie jedem Untersuchungsgefangenen seit der sogenannten Liberalisierung des Haftrechts durch die Novelle von 1964 zustehen. Deshalb hat der Beschuldigte auch nach unserem Entwurf nicht nur alle Auskunfts- und Belehrungsrechte, er kann auch jederzeit die gerichtliche Überprüfung seiner Haft beantragen, also



Schlager
die Prüfung, ob der Haftbefehl aufzuheben oder der Vollzug gegen Auflagen auszusetzen ist.
Es findet auch das seit 1964 eingeführte automatische Haftprüfungsverfahren statt, falls der Beschuldigte selbst keine Haftprüfung verlangt hat.
Der Koalitionsentwurf sieht vor, dem Inhaftierten einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Nach unserem Entwurf, der auf dem geltenden Recht fußt, muß dem Beschuldigten ja auch ein Verteidiger für die Dauer der Haft auf seinen Antrag bestellt werden, wenn diese länger als drei Monate dauert.
Sehr ernst zu nehmen, meine Damen und Herren, ist natürlich der Einwand der Kritik, daß die Dauer der verhängten Haft wegen Wiederholungsgefahr ein Präjudiz für die spätere Strafe sein könnte oder daß die Haft länger dauern könnte als die dann erkannte Strafe. Ich bitte jedoch nicht zu übersehen, daß eine wichtige Sicherung gegen diese Möglichkeit durch § 121 der Strafprozeßordnung besteht, der ja zwingend vorschreibt, daß selbst eine Haft wegen Wiederholungsgefahr über sechs Monate hinaus nur dann aufrechterhalten werden kann, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zuläßt und die Fortdauer der Haft rechtfertigt. Der Gesetzgeber hat bewußt diese Bestimmung geschaffen, um einen Druck auf die Abwicklung der Strafverfahren auszuüben; er nimmt bewußt das Risiko in Kauf, selbst einen gefährlichen Serientäter wieder in Freiheit setzen zu müssen — mit allen Risiken, die für die Öffentlichkeit damit verbunden sind —, wenn es der Strafverfolgungsbehörde nicht gelingen sollte, rechtzeitig das Strafverfahren abzuschließen.
Angesichts aller dieser Kautelen halte ich es für der Sache nicht dienlich und ebenso für unverantwortlich, wenn selbst einer der Initiatoren des Koalitionsentwurfs — nämlich Sie, Kollege Hirsch — davon spricht, daß unser Entwurf sich in einer bedenklichen Nähe der Schutzhaft des Dritten Reiches bewege; so jedenfalls war es etwa durch ein Wochenmagazin formuliert worden.
Ich möchte nicht bestreiten, daß die vom Kollegen Hirsch gewählte Neunmonatefrist dazu führen kann, den Kreis der unter die Haftandrohungen wegen Wiederholungsgefahr fallenden Verbrechen noch erheblich zu verengen. Man wird es den Beratungen überlassen müssen, ob eine höhere Mindeststraferwartung, vielleicht sogar über neun Monate hinaus auf ein Jahr, wie es meines Wissens der Justizsenator von Hamburg einmal erwogen hat, noch dem gemeinsamen Anliegen dienlich ist, die Öffentlichkeit vor gefährlichen Wiederholungstätern in der gebotenen Weise zu schützen. Es gilt ja zu bedenken, daß die hier erforderliche Prognose besonders schwierig ist und daß die Haftrichter bei der Annahme der Mindeststrafe von sechs oder neun Monaten ohnehin sehr zurückhaltend sein müssen. Letztlich ist dem Justizsenator von Hamburg wohl doch beizutreten, wenn er der Auffassung ist, daß eine Mindeststraferwartung von einem Jahr dazu führen würde, daß der Haftgrund der Wiederholungsgefahr keine Bedeutung mehr erlangt, weil
eben eine derartige Prognose im Haftbefehlsverfahren in der Regel nicht mit hinreichender Sicherheit gestellt werden kann.
Ich bitte Sie aber auch, ernstlich zu prüfen, ob die Mindeststraferwartung nicht doch unter neun Monate heruntergesetzt werden muß, weil es eben Täter gibt, die in gleicher Weise wie Berufskriminelle — ich denke hier an den typischen Fall des Feuerteufels — im Einzelfall von gleicher Gefährlichkeit wie die Berufstäter sein können. Bei solchen Einzeltätern ist es aber oft sehr fraglich, ob sie nach ihrem erstmaligen Straffälligwerden bereits mit einer Strafe von über sechs Monaten bedacht werden müssen.
Meine Damen und Herren, eine Verbindung zwischen der Mindeststraferwartung und der Strafhöhe, derentwegen Bewährung ausgesprochen ist, ginge fehl, weil sich bei den Beratungen über die Strafrechtsreform die Überlegung herauskristallisiert hat, die Strafhöhe, bis zu der noch eine Bewährung ausgesprochen werden kann, auf ein bis zwei Jahre zu erhöhen. Im übrigen muß ja bedacht werden, daß sich die Aussetzung einer Strafe zur Bewährung und die Verhängung einer Haft wegen Wiederholungsgefahr in aller Regel ausschließen lassen, weil ja nur bei gefährlichen Schwerverbrechern und Serientätern dieser Haftgrund besteht und sich bei solchen gefährlichen Neigungstätern in aller Regel eine Strafaussetzung zur Bewährung automatisch verbietet.
Wir werden aber in den Beratungen über beide Initiativen ernsthafte Prüfungen darüber anzustellen haben, was getan werden kann, um das Strafverfahren abzukürzen. Es ist aber zu bedenken, daß nach aller Erfahrung der Praxis die Strafsachen vor allem im Bereich der Wirtschaftskriminalität immer komplizierter und auch umfangreicher werden und daß außerdem eine Verlängerung der Bearbeitung solcher Strafverfahren einfach deshalb in Kauf genommen werden muß, weil man ja den Beschuldigten im Strafverfahren eine optimale Rechtsstaatsgarantie zur Seite stellen muß. Das ist eben der Preis der Rechtsstaatlichkeit.
Ich darf zum Abschluß meiner Ausführungen Ihnen allen und der deutschen Öffentlichkeit versichern, daß wir alle Änderungsvorschläge gründlich und gewissenhaft prüfen wollen. Allerdings kann ich mich auch nicht ganz des Eindrucks erwehren, daß für einige Kreise in unserem Land beide Vorlagen jetzt unter dem bösen Stichwort, diese Vorbeugehaft bringe uns in eine fatale Nähe zum Nazi-Recht, die gleiche Rolle übernehmen sollen, die die Notstandsgesetze für diese Kreise spielen mußten.

(Abg. Dr. Mommer: Sehr wahr! Ein neuer Popanz!)

Bei einigen Kritikern habe ich zudem das Gefühl, daß sie auf einmal, nur um die Einführung des Haftgrundes bei begründeter Wiederholungsgefahr in ein schiefes Licht zu ziehen, sogar bereit sind, das Problem der steigenden Kriminalität herunterzuspielen oder scheinbare Ausweglösungen anzubieten. Es sind sogar Stimmen zu vernehmen, die meinen, man müsse nun einmal in einer freiheitlichen Gesellschaft



Schlager
bestimmte Ausuferungen, auch Gewaltexzesse bei Demonstrationen und vielleicht sogar ein Mehr an Kriminalität hinnehmen. Ich kann hierzu nur sagen, daß wir nicht gewillt sind, das hinzunehmen. Ebenso wie Art. 2 des Grundgesetzes unzweideutig feststellt, daß jeder zwar das Recht auf Freiheit hat, soweit er nicht die gleichwertigen Freiheitsrechte seiner Mitbürger verletzt und nicht gegen die Verfassungsordnung und das allgemeine Sittengesetz verstößt, daß sich aber öffentliche Sicherheit und Ordnung und demokratische Grund- und Freiheitsrechte des einzelnen gegenseitig bedingen. Die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist für uns kein Selbstzweck, sondern diese Ordnung und Sicherheit ist für uns die Basis, um auch noch in einem demokratisch-pluralistischen Massenstaat unsere Persönlichkeit und ihre Freiheitsrechte voll entfalten zu können. Ich bitte deshalb alle, die gegen uns argumentieren, nicht immer nur einseitig an die Gefahr zu denken, daß einmal ein Richter seine Vollmachten mißbrauchen könnte, sondern auch daran zu denken, Leben, Freiheit und Eigentum unserer rechtstreuen Bürger vor den gefährlichen Berufskriminellen und gefährlichen Serienstraftätern zu schützen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521114400
Um eine Bemerkung, die ich vorhin bezüglich der Zwischenfragen bei Begründungen gemacht habe, ins rechte Licht zu rücken, möchte ich feststellen, daß es sich hier nicht um einen Gnadenerweis für den jeweiligen Begründer eines Gesetzentwurfs handelt, sondern um einen generellen Brauch dieses Hauses.

(Abg. Dr. h. c. Güde: Einverstanden!)

Im übrigen mache ich darauf aufmerksam, daß § 37 der Geschäftsordnung, wonach Reden nur in Ausnahmefällen vorgelesen werden sollen, auch für Begründungen gilt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Bestätigung des Gnadenerweises!)

Das Wort zur Begründung ,des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Jugendgerichtsgesetzes hat der Abgeordnete Hirsch.

Martin Hirsch (SPD):
Rede ID: ID0521114500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der beiden Koalitionsparteien, den ich zu begründen habe, ist in der Zeit, seit er in der Öffentlichkeit bekanntgeworden ist, einer harten Kritik unterworfen worden, einer Kritik und einem Engagement wie eigentlich wohl kaum je ein Gesetzentwurf, glaube ich, vor seiner ersten Lesung. Obgleich diese Kritik sich weitgehend auch auf meine Person bezogen hat, weil ich mit meinem breiten Buckel auch den insofern 'in unserem Windschatten laufenden Antrag der CSU mit aufzufangen hatte, muß ich Ihnen ehrlich sagen: diese Kritik ist im Kern hocherfreulich. Sie ist erfreulich, denn sie zeigt, daß in unserer Bevölkerung, insbesondere bei unseren jungen Menschen, das Gefühl für die Freiheit offensichtlich endlich so bedeutsam geworden ist, wie das eigentlich schon lange hätte sein sollen. Wenn dieses Gefühl für die Freiheit schon vor Jahrzehnten so vorhanden gewesen wäre, hätte uns das vielleicht manches erspart.

(Beifall bei der SPD.)

Wir sollten also diese Kritik, auch wenn sie manchmal sehr emotionell ist, auch wenn sie manchmal von Voraussetzungen ausgeht, die nichts mit dem hier in Rede stehenden Problem unid dem Gesetzentwurf zu tun hat, begrüßen unid uns nicht über sie ärgern. Wir sollten sie auch deswegen begrüßen, weil zweifellos im Rahmen der Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit, an der sich ja auch sehr maßgebende Leuchten der Anwaltschaft, der Wissenschaft und andere Fachleute beteiligt haben, auch Gedanken zur Debatte gestellt worden sind, mit denen man sich ernsthaft auseinandersetzen muß.
Meine Damen und Herren, über eines sollten wir uns einig sein: Wenn es darum geht, die 'Freiheit eines Menschen einzuschränken, müssen wir sehr, sehr vorsichtig sein. Wir dürfen das nur tun, wenn es keinen ,anderen Weg gibt. Nur wenn es gar keinen anderen Weg gibt, darf man das tun. Wenn es andere Wege gibt, muß man unter Umständen andere Übel in Kauf nehmen. Die Freiheit gehört zu 'den größten Gütern des Menschen, und man muß manches in Kauf nehmen, ehe man einen Menschen, auch einen, der gesündigt hat, zu schnell seiner Freiheit beraubt.
So erfreulich die Kritik ist, so ist es, glaube ich, dennoch sehr nötig, sie jetzt von der Emotion zur Sachdiskussion zu überführen. Eine Sachdiskussion aber ist überhaupt nur möglich, wenn man die richtigen Voraussetzungen auf den Tisch legt, wenn man weiß, worum es eigentlich geht.
Es geht fürwahr nicht darum, die „Schutzhaft' unseligen Gedenkens wieder einzuführen. Man muß sich manchmal wundern, was — auch von Professoren der Jurisprudenz — in diesem Lande darüber gesagt wird. Was sie sagen, zeigt, daß sie die deutsche Geschichte eigentlich nicht richtig kennen. Schutzhaft im schaurigen Sinne war nämlich weiß Gott keine gerichtliche Haft; Schutzhaft in diesem Sinne wurde von der Polizei ohne Begründung, ohne Rechtsmittel und ohne jeden Rechtsschutz verhängt. Das war Schutzhaft.

(Abg. Dr. h. c. Güde: Und zwar von der Gestapo!)

— Ob nun Gestapo oder Polizei, das war in jener Zeit kein so sehr großer Unterschied, Herr Kollege; jedenfalls war es Polizeihaft. Was aber hier in den beiden Gesetzentwürfen zur Diskussion steht, ist weiß Gott keine Polizeihaft; es ist ein gerichtliches Mittel zur Bekämpfung von Kriminellen.

(Abg. Genscher: Und das Gesetz von 1935?)

— Das Gesetz von 1935, Herr Kollege, sah den Haftgrund der Wiederholungsgefahr und den der Erregung des öffentlichen Ängernisses vor. Ich werde darauf nachher noch zu sprechen kommen. Diese Konzeption, Herr Kollege Genscher, gibt es in vielen, vielen untadeligen Rechtsstaaten in Europa und außerhalb Europas auch. Wenn man nur des-



Hirsch
wegen, weil sie im Dritten Reich im Gesetz stand, sagt, sie sei schlecht, dann überlegen Sie sich bitte einmal, was dann von unseren Gesetzen noch übrigbleibt! Und mit diesem Paragraphen, der übrigens, wenn ich mich nicht irre, praktisch so ungefähr bis 1954 gegolten hat,

(Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: 1956!)

in der ersten Zeit nach dem Kriege — die Alliierten hatten ihn in dem ersten Strafgesetzbuch in den Ländern jedenfalls nicht abgeschafft —, mag damals auch Mißbrauch getrieben worden sein. — Aber er war weiß Gott nicht die Grundlage der Schutzhaft.
Ich möchte also noch einmal sagen, mit Schutzhaft hat das nichts zu tun, und selbstverständlich, Herr Kollege Schlager, habe ich niemals behauptet, Ihr Gesetzentwurf bedeute Schutzhaft; das wäre Unsinn gewesen. Sie dürfen auch nicht immer alles glauben, was in gewissen Zeitungen und Magazinen gedruckt ist.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Worum geht es wirklich? Herr Schlager hat einiges davon gesagt. Wir stehen vor der traurigen Tatsache, daß unsere Kriminalstatistik eine sehr unerfreuliche Entwicklung hat, insbesondere auf dem Gebiet der Einbrüche, wo in den letzten vier Jahren eine Steigerung um 50 % erfolgt ist, und zwar bei jährlich 440 000 Einbruchsdiebstählen. Bei den einfachen Diebstählen hat es eine Erhöhung um 26,7 % gegeben. Bei Betrug ist die Erhöhung auf den ersten Blick nicht so groß, nämlich nur rund 3 %. Aber bei Betrug ist es so, daß sich der Schaden dadurch, daß die Betrüger viel gerissener geworden sind, in den betreffenden Fällen gegenüber dem früheren Zustand erheblich erhöht hat. Bei Körperverletzung ist eine Erhöhung von 8 % festzustellen.
Erfreulicherweise haben die Bemühungen des Innenausschusses, dessen Hearings und andere Dinge, die sich inzwischen herumgesprochen haben, dazu geführt, daß diese Entwicklung im vergangenen Jahr, 1968, insbesondere in einigen Ländern offensichtlich etwas besser gelaufen ist. Aber sie ist immer noch schlecht genug.

(Abg. Dorn: Aber durch gewisse Maßnahmen und nicht durch Vorbeugehaft!)

— Herr Dorn, wenn Sie mich gütigst aussprechen lassen würden, werden Sie vielleicht auch merken, worum es wirklich geht.

(Abg. Dorn: Das haben wir schon gemerkt!)

Die Statistik zeigt ferner, daß die Zahl der Täter nicht im gleichen Maße gestiegen ist wie die Zahl der Taten. Mit anderen Worten, heute begehen offensichtlich etliche Täter im Durchschnitt mehr Taten als früher. Außerdem zeigt die Statistik, daß die Aufklärungsquote für Verbrechen mit dem Inkrafttreten der neuen Strafprozeßordnung 1965 schlagartig und sehr auffälligerweise gleich im nächsten Vierteljahr von 56 auf 52 % gesunken ist. Mit anderen Worten, es sieht so aus, daß — ganz hundertprozentig beweisbar ist das nicht; und nun kommt das, Herr Dorn, worum es geht — die Änderung unseres Haftrechts offensichtlich eine Auswirkung auf die Aufklärungsquote gehabt hat.

(Abg. Dorn: Offensichtlich?)

Darüber hinaus — und insofern kann es, Herr Genscher, wir haben uns darüber ja schon einmal unterhalten, wahrscheinlich nie eine exakte Statistik geben — stellen alle Fachleute in allen Teilen dieses Landes fest, daß es eine Entwicklung gibt, die aber nun wirklich mit absoluter Sicherheit mit der Änderung unseres Haftrechts zusammenhängt, bedingt durch Täter, weitgehend Berufsverbrecher, die nach dem alten Haftrecht so gut wie sicher aus dem Gesichtspunkt der Fluchtgefahr hätten in Haft genommen werden können und auch in Haft genommen worden waren, die aber deswegen, weil heute das Verbrechen nicht mehr automatisch die Haft wegen Fluchtgefahr auslöst, nicht mehr in Haft genommen werden können, wenn die Gerichte korrekt handeln. Das sind die sogenannten Serientäter. Der Typ des Täters, um den es hier geht, kann auch nicht in Haft genommen werden aus dem Gesichtspunkt der Verdunkelungsgefahr — das bitte ich zu beachten —, weil sie normalerweise, wenn sie erwischt und überführt wurden, geständig sind; denn sie wissen, ein Geständnis ermäßigt in Deutschland die Strafe. Es sind also Leute, bei denen so gut wie sicher ist — es gibt natürlich auch falsche Geständnisse, aber normalerweise gibt es das bei diesen Leuten nicht —, daß sie soundsoviel Taten begangen haben, die geständig sind, die einen festen Wohnsitz haben, die nicht verdunkeln. Sie werden also entlassen und begehen in der Zeit zwischen dieser Entlassung und ihrer etwaigen Aburteilung eine große Reihe weiterer einschlägiger Taten.
Herr Schlager hat ja schon einige Beispiele genannt. Ich will die Beispiele, die ich habe, hier nicht alle bringen, möchte Ihnen aber einen ganz typischen Fall nicht vorenthalten, der vielleicht doch sehr deutlich zeigt, um was für einen Typ von Täter es geht. Es handelt sich um einen Fall aus Norddeutschland. Der Mann hat am 14. Juni 1968 eine vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil einer Frau begangen, am 29. Juni 1968 einen Diebstahl und einen versuchten schweren Raub zum Nachteil eines Rentners, am 30. August 1968 einen schweren Raub zu Lasten eines 80jährigen Mannes und am 16. September 1968 eine gefährliche Körperverletzung, nachdem er vor der ersten Tat, die ich soeben erwähnte, bereits zehnmal einschlägig vorbestraft war.
Der Mann wäre nach dem alten Haftrecht mit Sicherheit unter dem Gesichtspunkt der Fluchtgefahr wegen Begehung eines Verbrechens in Untersuchungshaft genommen worden. Heute ist er jeweils freigelassen und zum Teil von der Polizei gar nicht erst der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht vorgeführt worden, weil man wußte: das hat keinen Zweck; bei dieser Situation — geständig, nichts zu verdunkeln — kann er nicht in Untersuchungshaft genommen werden.
Ich möchte nun wirklich einmal jeden, der hier so kritisch ist — auch Sie, Herr Dorn —, fragen: Halten Sie das für erträglich? Halten Sie !es für erträglich, das solche Leute durch die Maschen unseres Ge-



Hirsch
setzes schlüpfen können und in der Lage sind — aus welchen Gründen auch immer —, weiterhin solche Verbrechen zu begehen? Ich halte das wirklich für unerträglich.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich hatte mir an sich elf Fälle aufgezeichnet, die genauso instruktiv gewesen wären. Ich will sie Ihnen ersparen, aber ich habe einmal zusammengerechnet: dadurch, daß die Betreffenden allein in diesen elf Fällen nicht daran gehindert worden sind, w eitere Taten zu begehen, sind insgesamt — es geht immer um die Zeit von Ende 1967 bis Mitte 1968 — 333 Verbrechen und Vergehen begangen worden.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Sie wären nicht begangen worden, wenn die Betreffenden in Haft gewesen wären; alle diese Täter wären — ich muß es noch einmal sagen — nach den alten Bestimmungen der Strafprozeßordnung bis 1965 so gut wie sicher in Haft genommen worden.
Gegenüber diesen ganz eindeutigen Zahlen hat es gar keinen Zweck, mit Emotionen zu argumentieren, sondern es hat nur noch Zweck, sich sehr nüchtern zu überlegen: was kann man dagegen tun? Denn daß wir etwas dagegen tun müssen, Herr Genscher, darüber waren wir uns neulich jedenfalls einig und sind es sicher auch heute.
Die Frage ist nun also: was ist zu tun? Wir haben uns das sehr sorgfältig überlegt. Ich gehöre als alter Strafverteidiger zu den Menschen, die noch nie jemanden in Haft gebracht haben, aber schon etliche heraus. Mir fällt es also wirklich sehr schwer, ein Gesetz zu begründen, nach der einige Leute um ihre Freiheit gebracht werden sollen. Es sollte uns allen schwerfallen, und wir sollten das nicht leichtnehmen. Denn man muß sich vorstellen, wie das ist. Aber ich habe mich nach langen, langen Überlegungen überzeugen lassen müssen, daß der Weg, den wir in unserem Gesetzentwurf gehen, wahrscheinlich der einzige wirksame Weg sein kann, obgleich selbstverständlich sehr sorgfältig überlegt werden muß, ob es nicht vielleicht doch andere wirksame Wege gibt. Es ist ja in der Diskussion erfreulicherweise einiges auf den Tisch gekommen — nachdem vorher niemand etwas gesagt hat —, was man sorgfältig überlegen sollte; und das werden wir sicherlich auch in den Ausschüssen tun, obgleich ich für meine Person sagen möchte, daß ich — insofern weicht meine Meinung etwas von der einiger Kollegen meiner Fraktion ab — bisher der Meinung bin, daß nach wie vor unsere Konzeption des Gesetzentwurfes das kleinste Übel gegenüber den Betroffenen ist. Aber darüber wird man sich unterhalten müssen.
Wichtig bei dieser Konzeption war — und insofern unterscheiden wir uns jetzt von den Überlegungen des verehrten Kollegen Güde von 1964 und auch von dem Text der CSU heute —, auf jeden Fall keine Generalklausel zuzulassen. Denn eine solche Generalklausel ist — im Vergleich zu dem, was wir gemacht haben: genaue Festlegung bestimmter Delikte — gefährlich. Eine solche Generalklausel ist immer noch nicht „Schutzhaft". Aber eine solche Klausel führt dazu, daß diese Haftbestimmung unvermeidlicherweise unter Umständen auch bei Menschen angewandt werden würde, bei denen sie völlig sinnlos, bei denen die Anwendung vielleicht sogar schädlich sein würde. Dieses Tor darf man nicht aufmachen. Insofern darf man den Richtern nicht zu viele Möglichkeiten geben, und insofern muß man dem Richter genau sagen, welche kriminalpolitische Idee hinter dieser Konzeption steckt.
Das war auch damals für uns der Grund — Herr Güde, Sie wissen es ja; wir haben damals im Ausschuß und auch im Plenum um dieses Problem hart gerungen —, diese Ihre Konzeption abzulehnen, weil ja auch damals keine genaue Festlegung der Delikte da war und weil eine Verständigung auf einen solchen Katalog, die ja erstrebt worden war, damals leider nicht zustande gekommen ist. Wäre sie zustande gekommen — von heute aus gesehen —, wäre es wahrscheinlich besser gewesen, und diese Debatte wäre uns erspart geblieben. Aber wie das manchmal so ist: Sie meinten Globalklausel, wir meinten Festlegung auf bestimmte Delikte, und der Graben war damals zu tief. Um so erfreulicher, daß Sie sich jetzt unserer Konzeption angeschlossen haben. Und — um auch das vom Tisch zu bringen, Herr Schlager — wir befanden uns seinerzeit in der sehr angenehmen und ehrenvollen Gesellschaft des heutigen Innenministers Benda, der damals mit uns der Meinung war, eine solche allgemeine Regelung sei schädlich. Er wird, wie ich ihn kenne, auch heute noch dieser Meinung sein.
Es geht also, wenn überhaupt, nur mit einem ganz genauen Katalog, und es geht nur mit weiteren sehr eindeutigen Festlegungen. Es darf nicht genügen, Mehrfachtäter zu erfassen, sondern man muß versuchen, an den Serientäter im eigentlichen Sinne, an den Berufsverbrecher heranzukommen oder an denjenigen, der in Gefahr ist, ein Berufsverbrecher zu werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Schon besser!) Man muß also weitere Sicherungen einbauen.

Nun ist es merkwürdig — vielleicht für uns Juristen unverständlich —, daß wir in unserem Text zwar völlig eindeutig hingeschrieben haben: Nur die und die Delikte kommen in Betracht, und daß wir dazu einige Voraussetzungen verlangt haben, daß aber aus dem Satz, der in unserem Text steht, es müsse abgesehen davon, daß das Delikt mehrfach begangen ist, auch noch hinzukommen, daß die öffentliche Sicherheit und Ordnung ganz besonders gestört wird, in der Diskussion sogar zum Teil von Fachleuten geschlossen worden ist, das sei in Wirklichkeit so gemeint, eine allgemeine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung genüge, um hier jemanden in Haft nehmen zu können. Das habe ich sogar von Juristen gehört, auch von solchen, die einen Namen haben.
Es kann also sein, Idaß der Text mißverständlich formuliert ist. Wir müssen uns das also überlegen. Daß das nicht gemeint ist, ist für jeden Juristen wohl klar. Ich persönlich würde jetzt schon sagen, daß wahrscheinlich auch „Sicherheit und Ordnung" in diesem Zusammenhang nicht die richtige Ausdrucksweise ist. Das ist doch zu sehr Polizeirecht.



Hirsch
Ich würde heute anstelle von „Sicherheit und Ordnung" in diesem Zusammenhang vielleicht „Rechtsfriede" schreiben. Vielleicht ist das besser; „eine unerträgliche Verletzung ides Rechtsfriedens". Aber darüber werden wir uns im Ausschuß verständigen müssen.
Man wird auch darüber streiten können, ob der Strafkatalog ganz richtig ist. Ich würde heute meinen, daß z. B. die Unterschlagung, die da drinsteht, herausgehört. Denn Unterschlagung kann man eigentlich nicht als Serientäter begehen. Ich würde es auch für bedenklich halten, daß der Raufhandel — bei der heutigen Fassung dieses Tatbestandes — drinsteht; denn da kann jemand leicht in diese Mühle kommen, nur weil er bei der Rauferei dabei war. Andererseits wird zu überlegen sein — das hat Herr Schlager schon gesagt —, ob nicht die gefährliche Brandstiftung und vielleicht auch die gefährlichen Sprengstoffdelikte hineingehören.
Ich habe aber, nachdem Sie selbst, Herr Schlager, jetzt erfreulicherweise gemeint haben, es sei vielleicht doch richtiger, einen Strafenkatalog aufzunehmen, mit Staunen und, ich möchte fast sagen: Entsetzen gehört, daß Sie meinen, da sollten auch der Hausfriedensbruch und einige andere Delikte aus der Demonstrationspraxis hinein.

(Abg. Schlager: Das habe ich nicht gesagt!) — Ich habe Sie so verstanden.


(Abg. Schlager: Dann lesen Sie das Protokoll nach!)

Wenn Sie Idas wirklich meinten, Herr Schlager, dann gingen Sie einen sehr gefährlichen Weg. Dann würden Sie damit nämlich genau das, was in der Kritik gesagt worden ist, rechtfertigen. Diese Leute, die auf diesem Gebiet alles mögliche tun, sind verdammt lästig, und man wird sich auch etwas einfallen lassen müssen, um die kriminellen Taten, die sie begehen, in den Griff zu bekommen. Aber sie sind doch keine Berufsverbrecher, sie sind doch keine Serientäter in diesem Sinne.

(Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Sehr richtig!)

Man wird, wenn sie strafbare Taten begehen, endlich anfangen müssen, sie genauso und möglichst schnell vor Gericht zu stellen wie andere Leute. Sie dürfen kein Vorrecht haben, und der Umstand, daß man demonstriert, befreit einen nicht von der Innehaltung des Strafrechts. Der Umstand, daß man demonstriert, erlaubt einem nicht, Steine zu werfen, Fensterscheiben einzuschlagen und Menschen zu verletzen. Darüber sind wir uns sicher einig.

(Beifall bei der SPD und 'bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Aber das, was diese Leute tun, ist kriminologisch, unter allen Gesichtspunkten etwas ganz anderes als das, was mit diesem Gesetzentwurf gegen die Serientäter gemeint ist.
Der Weg, alles mögliche noch einzubeziehen, was vielleicht jetzt lästig ist und unerfreulich ist und nicht ganz klappt, wäre ein Weg zur Bekämpfung politisch Mißliebiger, indem man sie einsperrt. Vor diesem Weg müssen wir uns hüten, und da müssen wir eine ganz harte Grenze ziehen. Ich glaube, Herr Schlager, bei sehr sorgfältiger Überlegung dieser Gesichtspunkte werden Sie mir recht geben. Wir werden wahrscheinlich auch da zusammenfinden.
In dem Text dieser unserer Konzeption wird sicher einiges verbesserungsfähig und änderungsbedürftig sein. Bei dieser schwierigen Sache ist es unbedingt erforderlich — da sind wir sicher einig —, ein sehr sorgfältiges Hearing abzuhalten und allen Fachleuten Gelegenheit zu geben, ihre Meinung zu sagen. Auf diesem Gebiet sind nämlich nicht immer die lauten Stimmen die richtigen, sondern wie auch sonst manchmal so könnten auch hier die vielen Leisen im Lande, die uns auch schreiben, recht haben.
Abgesehen von den Einzelheiten gibt es natürlich auch grundsätzliche Kritiken an dem Entwurf. Ein paar Worte dazu wollen Sie mir bitte erlauben. Da wird behauptet — jetzt gerade meldet dpa, daß das auch Herr Professor Klug von sich gegeben habe, von dem ich so etwas nicht erwartet hatte —, das, was wir wollten, sei schlechtweg verfassungswidrig. Dabei müßte Herr Klug wissen, daß es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt, das genau das Gegenteil sagt. Es wird behauptet, das, was wir wollten, sei völkerrechtswidrig, es verstoße gegen die Konvention der Menschenrechte. Darin steht aber genau das Gegenteil. Es steht ausdrücklich darin, daß außer den und den Gründen, deretwegen man einen Menschen seiner Freiheit berauben darf, auch der Grund zulässig ist, daß der Betreffende möglicherweise Verbrechen wiederholen wird.
Außerdem wird noch gesagt — das wundert mich am meisten bei einem Bundesrichter, der das diese Woche im „Spiegel" von sich gegeben hat —, es gebe keinen Rechtsstaat in Europa, der eine solche Regelung kenne. Ich meine, ein Bundesrichter sollte sich, bevor er etwas Derartiges schreibt, wenigstens einmal zu einem internationalen Rechtsvergleich bequemen und sich die Gesetze anschauen, die es in Europa gibt. Hätte er das getan, dann hätte er nämlich festgestellt — —

(Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Wer hat den denn gewählt?)

— Wir, auch ich. Er ist sonst ein ausgezeichneter Richter. Warum soll nicht auch er irren können, Herr Kollege Möller, wie auch wir manchmal. Wollen wir ihm doch das Recht auf Irrtum lassen.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Das ist aber nicht ein Irrtum, sondern Nichtwissen!)

— Sagen wir einmal, es ist mangelnde Sorgfalt.
Um das fortzuführen: In Dänemark, in Schweden, in Norwegen, in Holland, in Osterreich und auch in Frankreich gibt es überall eine ganz kurz formulierte Generalklausel „Haftgrund der Wiederholungsgefahr", und diese Klausel geht viel weiter als die Ihre, Herr Schlager, ganz zu schweigen von der unseren. Da steht schlicht und einfach: Bei wem die Gefahr besteht, daß er ein Verbrechen wiederholt, der kann in Haft genommen werden.



Hirsch
Nun gibt es wieder Leute, die sagen: Das kann man in Dänemark, das kann man in Holland oder in Norwegen machen, aber nicht in Deutschland. Wenn mir das jemand aus dem Ausland sagt, dann habe ich angesichts der deutschen Vergangenheit dafür unter Umständen noch Verständnis. Wenn mir das aber junge Deutsche sagen, dann hört bei mir das Verständnis auf, meine Damen und Herren. Denn es kann doch nicht richtig sein, daß wir Deutschen nun, 25 Jahre nach den Verbrechen, nach einer 25jährigen Rechtsstaatlichkeit immer noch und weiter in dem Verdacht stehen sollten, rechtsstaatliche Gesetze unbedingt rechtsstaatswidrig anzuwenden. Das kann doch wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Gerade weil angesichts der deutschen Rechtstradition, angesichts des Perfektionismus, an den deutsche Richter gewöhnt sind, und angesichts der Schwierigkeiten, die sie mit einem so allgemeinen Text haben, diese soeben erwähnten Bedenken vielleicht begründet sind, haben wir in unserem Text nicht eine Generalklausel, sondern einen relativ perfektionistischen Strafenkatalog und die anderen Sicherungen vorgesehen, um eben für alle Fälle und sozusagen narrensicher klarzustellen, daß mit diesem Text nicht das gemacht werden kann, was einige sich darunter vorstellen.
Nun gibt es ein weiteres Argument, es läuft darauf hinaus: Die Gerichte brauchten nur schneller zu verhandeln, dann wäre das Problem gelöst. Ich möchte davor warnen. Der letzte Fall eines Schnellgerichtes war nicht gerade ein überzeugendes Beispiel dafür, daß es eine gute Sache sei, mit Schnellverfahren zu arbeiten.

(Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Aber besser als sechs Monate U-Haft!)

— Darüber kann man sehr streiten, obgleich dieser Fall wirklich nicht ein Fall des Berufsverbrechertums war.

(Zuruf von der Mitte: Aber Wiederholungsgefahr!)

Schnellverfahren sind also bestimmt kein Weg. Schnellverfahren sind schon deswegen ausgeschlossen, weil gerade in den Fällen dieser Menschen, die wir hier meinen, sehr sorgfältige Ermittlungen über den background notwendig sind, die einmal für die Höhe der Strafe entscheidend sind, und vor allen Dingen deswegen, weil es bei diesen Menschen vielfach um das Problem geht, ob sie nicht in Sicherungsverwahrung kommen müssen. Da muß das Gericht vorher sorgfälig nachschauen, was die Gründe für ihre Verbrechen sind. Ein Schnellverfahren wäre da gar nicht zu verantworten. Dann haben wir jetzt das Schlußgehör bei der Staatsanwaltschaft eingeführt; die Rechtsanwälte müssen die Akten einsehen und sich vorbereiten.

(Abg. Genscher: Im Haftverfahren geht das alles?!)

— Das ist doch ganz was anderes. Hier geht es, Herr Genscher, im wesentlichen um geständige Täter, die sowieso eine Strafe bekommen.

(Abg. Dorn: Eine seltsame rechtspolitische Auffassung!)

— Wenn sie geständig sind, können Sie davon ausgehen, daß sie wegen Diebstahls eine Strafe bekommen. Das Entscheidende bei ihnen ist aber die Frage der Strafhöhe, Herr Genscher. Wegen der Strafhöhe muß man forgfältig nachdenken und nachforschen, nicht aber wegen der Straftat. Die Straftat steht bei den Leuten fest; würde sie nicht feststehen, Herr Genscher, kämen sie doch aus dem Gesichtspunkt der Verdunklungsgefahr ohnehin in Haft. Es bleiben doch nur die Geständigen übrig, — wenn Sie einmal nüchtern nachdenken.
Also Schnelligkeit des Verfahrens ist sicherlich keine Lösung, insbesondere auch deswegen, weil es Rechtsmittel gibt. Selbst wenn ein Verfahren innerhalb weniger Wochen abgewickelt würde — was sicher wünschenswert ist —, dauert es eine Weile, bis das schriftliche Urteil abgesetzt ist, dauert es eine Weile, bis die Rechtsmittelfrist abgelaufen ist, dauert es eine Weile, bis eventuell eine Revisionsbegründungsfrist abgelaufen ist, und dauert es, wenn etwas bis zum Bundesgerichtshof geht, Monate, bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Sie werden es also in Fällen, wie den hier gemeinten, normalerweise sicherlich nicht schaffen, ein rechtskräftiges Urteil günstigstenfalls vor sechs Monaten, vor acht Monaten, vor zehn Monaten zu bekommen. Auch wenn Sie die Justiz noch so sehr verstärken, auch wenn Sie noch soviel in dieser Richtung machen, werden Sie das nicht schaffen. Gerade um diese Zeit geht es, Herr Genscher. Es dauert also sechs, acht Monate. Erinnern Sie sich an den Fall, den ich vorhin hier vorgetragen habe; dort ist das alles sogar in weniger als sechs Monaten passiert, nämlich — wenn ich mich recht erinnere — in etwa drei, vier Monaten.
Sie müssen dabei auch mal die Situation bedenken, vor der der Betreffende selber steht. — Auch Sie, Herr Schlager — das muß ich nebenbei sagen —, haben hier den üblichen lapsus linguae begangen, indem Sie von „Vorbeugehaft" gesprochen haben; es heißt „Vorbeugungshaft". Das ist ein kleiner, aber sehr feiner Unterschied.

(Abg. Genscher: Die Sprache ist manchmal sehr aufschlußreich!)

Es geht nämlich nicht darum, hier jemanden zu beugen, sondern es geht darum, Verbrechen vorzubeugen. Vorbeugende Verbrechensbekämpfung ist meines Erachtens die richtige Verbrechensbekämpfung; sie ist dazu da, möglichst Verbrechen zu verhindern. Wenn wir mehr Verbrechen verhindern, stehen wir nicht nachher vor der traurigen Tatsache, daß wir wegen Verbrechen bestrafen müssen. Es heißt also „Vorbeugungshaft".

(Abg. Dorn: Jetzt wird es aber langsam makaber, kann man nur sagen!)

— Herr Dorn, wenn Sie das sagen, ehrt mich das wirklich außerordentlich.

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich versetze mich in die Situation des Betreffenden: Er ist für mich ein Mensch, er hat aus irgendeinem Grunde dieses Verbrechen oder Vergehen



Hirsch
begangen. Jetzt wird er erwischt, und er weiß genau: irgendwann kommt die Hauptverhandlung, irgendwann kommt eine hohe Strafe. Eine Arbeit anzunehmen, ein vernünftiges neues Leben zu beginnen, ist für ihn praktisch zwecklos; denn dieses normale Leben wird nach einiger Zeit gestoppt, weil er zur Strafverbüßung muß. Wenn er in Freiheit bleibt — wollen wir uns mal in seine Situation hineinversetzen —, ist es fast logisch, daß er weitere Verbrechen begeht,

(Abg. Busse [Herford] : Wieso?)

— fast logisch, weil er sich einmal sagt: Es hat ja doch keinen Zweck, und zum anderen natürlich weiß, daß das nicht sehr kostspielig ist, was er macht, weil es eine Gesamtstrafe gibt und damit den Strafrabatt.
Man muß berücksichtigen — das wird Ihnen jeder Fachmann sagen, der mit diesen Menschen zu tun hat; und auch ich habe einige Zeit mit solchen Menschen zu tun gehabt —, daß es auch im Interesse der Täter liegt, daß sie in Haft kommen, weil sie unter Umständen nur auf diese Weise auch für die weitere Zukunft davor bewahrt werden, endgültig ein Verbrecher zu werden und in der Sicherungsverwahrung zu landen. Es geht also nicht einmal allein darum, die Bürger vor den Verbrechern zu schützen, sondern es geht auch darum, die Betreffenden davor zu schützen, daß sie aus einer Zwangslage heraus ohne großes Risiko weitere Verbrechen begehen. Beide Gesichtspunkte müssen wir sehen.

(Abg. Dorn: Also doch Schutzhaft!)

— Herr Dorn, daß Sie davon nichts verstehen, haben wir lange gemerkt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wenn das unter Einbau der Sicherungen geschieht, die ich vorhin erwähnt habe — und wir können vielleicht weitere finden —, dann könnte das vielleicht einer der Wege sein, wie wir das Problem in den Griff bekommen. Ich sage bewußt „könnte" ; denn ich habe ja vorhin schon gesagt: ich wäre froh, wenn jemand, der hier so kritisiert, käme und eine andere Lösungsmöglichkeit brachte.

(Abg. Dorn: Dann hätten Sie im Dezember zuhören müssen!)

— Von Ihnen, Herr Dorn, habe ich noch keine gehört, von anderen wohl.

(Abg. Dorn: Im Dezember haben wir ganz konkrete Gegenvorschläge gemacht, wie man solche Probleme ohne Vorbeugehaft regeln könnte!)

— Herr Dorn, leider haben Sie immer noch nicht begriffen, worum es geht. Hier geht es nämlich — darf ich es Ihnen ganz langsam und ganz deutlich noch einmal erklären, Herr Dorn — nicht um Leute, die die Kriminalpolizei nicht erwischt hat. Hier geht es nicht um das Problem der Verstärkung der Polizei, der Zusammenarbeit der Polizeidienststellen. Hier geht es ja um Leute, die entdeckt worden sind. Hier geht es um Leute, bei denen die Polizei das getan hat, was wir von ihr wollen. Das können Sie nicht durch Verstärkung irgendwelcher polizeilicher Mittel lösen, denn hiergibt es kein Polizeiproblem mehr.

(Abg. Dorn: Dann haben Sie im Dezember nicht zugehört!)

Die Taten sind erfreulicherweise aufgeklärt, Herr Dorn. All das, was wir da tun sollen, was wir da tun müssen — was auch angefangen ist durch Ihren Entwurf, durch den Entwurf der CDU, durch unseren Entwurf über die Bundeskriminalpolizei und was weiß ich —, hat mit diesem Problem nicht das geringste zu tun.

(Abg. Dorn: Haben Sie schon einmal etwas van „Präventiveinsatz der Polizei" gehört?)

— Ja, also, Herr Dorn, es hat offenbar keinen Zweck. Ich habe mir jetzt große Mühe gegeben, aber mancher begreift es halt nie.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Dorn. — Unruhe rechts und bei der SPD. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521114600
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie um etwas Ruhe bitten und vorschlagen, daß die Meinungsverschiedenheiten anschließend in der Diskussion geklärt werden. Da ist ja noch reichlich Gelegenheit zu sprechen.

(Abg. Dorn: Aber Herr Hirsch kennt nur zwei Meinungen, seine und die falsche; das ist die Problematik, in der wir hier stehen!)

— Herr Abgeordneter Dorn, nichts steht dem im Wege, daß Sie von der Tribüne des Deutschen Bundestages eine dritte Meinung verkünden.
Aber jetzt möchte ich Sie um Ruhe bitten, damit wir in der Verhandlung fortfahren können.

Martin Hirsch (SPD):
Rede ID: ID0521114700
Nun gibt es also diese schreckliche Bezeichnung „Vorbeugungshaft". Sie können sicher sein, daß wir uns auch die sehr sorgfältig überlegt haben. Es gab welche, die meinten: „Ach, das hängen wir wieder an die Untersuchungshaft an." Die ,anderen wollten von dem „Haftgrund der Wiederholungsgefahr" sprechen. Wir sind im Endergebnis ganz bewußt zu diesem Namen gekommen, weil er an sich — wenn man ihn richtig ausspricht: nicht Vorbeuge-, sondern Vorbeugungshaft — genau das bezeichnet, was gemeint ist: vorbeugende Verbrechensbekämpfung, vorzubeugen, daß der Betreffende .aus seiner Zwangssituation fast gar nicht anders kann, als weitere Verbrechen zu begehen.
Ich habe nicht geahnt — das gebe ich offen zu —, ,daß die Bezeichnung einen solchen Arger geben würde. Denn diesen Namen gab es bezeichnenderweise gar nicht mal im Dritten Reich. Da gab es Schutzhaft, da gab es den Haftgrund der Wiederholungsgefahr; und wieso der Name „Vorbeugungshaft" in diese Verbindung gebracht wird, ist mir bis heute nicht ganz klargeworden. Aber eines, meine Damen und Herren, sollten wir bestimmt nicht tun: etwa meinen, wir könnten dieses wichtige Problem unter einem Etikettenschwindelnamen verbergen, etwa meinen, man könne hier schwerwiegende Dinge tun, indem man ein Schild daran hängt, das



Hirsch
ganz harmlos ist. Das würde ich für unkorrekt halten. Wer das diskutiert, wer sich hiermit befaßt, muß wissen, worum es geht.
Das bedeutet keineswegs, daß es bei dem Namen bleiben muß. Ich hänge fürwahr nicht daran. Aber ich meine, es muß in der Sache dabei bleiben, daß man nicht unter dem Mäntelchen „Untersuchungshaft" etwas macht, was mit Untersuchung jedenfalls nichts zu tun hat. Denn die Untersuchung der bereits aufgeklärten Taten wird durch die Dinge, um die es hier geht, nicht gefährdet, ganz sicher nicht.

(Abg. Dorn: In dem Punkt stimmen wir sogar überein!)

— Fein, Herr Dorn! — Über den Namen wird man sich also unterhalten müssen.
Man wird sich auch — ich habe es schon gesagt —, und zwar sehr sorgfältig, über andere Lösungsmöglichkeiten zu unterhalten haben. Davon gibt es inzwischen — und das ist erfreulich — ein großes Bündel. Da gibt es einmal die Idee, man sollte doch einfach die Rechtslage vor 1965 wiederherstellen, also — mit anderen Worten — bei Verbrechen automatisch wieder Fluchtgefahr vermuten. Dieser Weg wäre sehr einfach, und wenn wir ihn gegangen wären, hätte es wahrscheinlich in der Öffentlichkeit kaum eine Diskussion darüber gegeben.

(Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Na, na!)

Aber ich warne vor dem Weg; für mich ist er nicht gangbar. Der Grund der Änderung der Bestimmungen damals war, daß wir gesagt haben — und da waren wir uns einig —, es sei besser, daß 99 Schuldige davonkommen, ehe ein Unschuldiger in Haft ist. Sie, Herr Güde, haben damals — ich erinnere mich noch genau — einen italienischen Strafrechtler aus dem 17. Jahrhundert, glaube ich, zitiert,

(Abg. Dr. h. c. Güde: 18. Jahrhundert!)

der gesagt hat: „Das Strafrecht ist das Gesetzbuch des Verbrechers, aber die Strafprozeßordnung sollte das Gesetz für den Gentleman sein". Das war damals der Grundsatz. Nur kann man, meine Damen und Herren, diesen Grundsatz nicht gegenüber denjenigen anwenden, die eben keine Gentlemen sind, die es wirklich nicht sind, sondern die jede Lücke im Gesetz ausnutzen, um das zu treiben, was man Berufsverbrechertum nennt.
Würde man nun die alte Rechtslage wiederherstellen, wäre sofort wieder die Gefahr gegeben, daß ein normaler Sterblicher in einen falschen Verdacht kommt, lange Zeit in Untersuchungshaft gesetzt wird, und sich nachher herausstellt, daß er unschuldig ist. Diese Gefahr dürfen wir nicht auf uns nehmen. Bei diesen Leuten ist es wirklich besser, daß mal vielleicht einer nicht in Haft ist, der im Endergebnis hätte in Haft sein sollen.
Aber bei dem Menschentyp, um den es hier geht, ist das ganz anders. Die Wahrscheinlichkeit, daß dieser unschuldig ist, ist grenzenlos gering. Natürlich ist sie nicht auszuschließen. Da geht es einfach um eine Abwägung der Güter. Wenn die Wahrscheinlichkeit so gering wird, muß man entscheiden, welches der richtige Weg ist, ob man dann in Kauf nimmt, daß durch eine solche Lücke im Gesetz im Jahr Tausende von Verbrechen mehr begangen werden — wegen einer Ideologie in der Richtung von Professor Klug, der sagt, die Freiheit dürfe in einem Staat eigentlich überhaupt nicht eingeschränkt werden —, oder ob man die Sache nüchtern macht und sich überlegt, ob man dem Betreffenden wirklich ein Übel antut. Diesem Personenkreis — ich habe es vorhin schon erwähnt — fügt man kein Übel zu, sondern vielleicht sogar, auf lange Sicht gesehen, etwas Gutes, abgesehen davon, daß die Haft angerechnet wird und die Untersuchungshaft normalerweise etwas angenehmer zu sein pflegt als die Strafhaft.
Nun kommt aber — das muß ich hier erwähnen — ein wichtiges Sonderproblem. Es ist gesagt worden: Durch eine solche Untersuchungshaft erreichen wir etwas, was man nicht erreichen sollte, nämlich daß junge Leute dann in einer normalen Haftanstalt sind und jeder Erziehungseffekt verlorengeht. Das ist ein sehr wichtiges Argument. Aber es beweist eigentlich, daß sich die Betreffenden unseren Gesetzentwurf auch nicht genau angeschaut haben; denn darin steht ausdrücklich, daß diese Vorbeugungshaft nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Heranwachsende, also für Leute bis zu 21 Jahren, in Erziehungsanstalten vollstreckt werden kann, so daß man auch diesem Gesichtspunkt auf diese Weise Rechnung getragen hat. Darüber hat bisher noch niemand gesprochen; aber wir sollten diesen Gesichtspunkt nicht vergessen. Wenn man die jungen Leute in einer Großstadt in ein Untersuchungsgefängnis zusammen mit Ganoven aller Art brächte, würde das vielfach dazu beitragen, daß sie endgültig Verbrecher werden. Natürlich müssen wir auch sonst bei dem Vollzug dieser Maßnahme, wie immer sie heißen möge, sehr aufpassen, daß sie ihre Wirkung erfüllt. Wir müssen versuchen — das ist aber ein weiter Weg und berührt mehr die Länder als den Bund —, durch besseren Vollzug auch der Untersuchungshaft oder der vorläufigen Haft dafür zu sorgen, daß diese Zeit für die Betreffenden nicht nutzlos oder gar schädlich ist.
Außerdem werden wir im Zusammenhang mit diesem Gesetz — ich hoffe, daß der Bundesjustizminister die Entwürfe bald vorlegt — natürlich auch die völlig überalterten und unmöglichen Bestimmungen über Entschädigung für unschuldig erlittene Haft endlich reformieren müssen, so daß — ich weiß, mit Geld kann man Entziehung der Freiheit nicht aufwiegen — im allerschlimmsten, hier auf diesem Gebiet aber sehr unwahrscheinlichen Fall dann wenigstens eine angemessene Entschädigung für einen Fehler, der vorgekommen ist, gezahlt werden könnte.

(Abg. Dorn: Ein wunderbares Trostpflaster!)

Nun gibt es aber auch andere Vorschläge. Ich will sie einmal kurz aufzählen, damit sie hier auch allgemein bekannt sind. Es ist gesagt worden, man sollte das davon abhängig machen, ob der Betreffende wahrscheinlich in Sicherungsverwahrung kommt. Sicherungsverwahrung setzt eine große Zahl von Vorstrafen voraus.



Hirsch
Es ist gesagt worden, man sollte die Bestimmung über die Bildung der Gesamtstrafe ändern. Diese Bestimmung führt heute zu dem berühmten „Rabatt" für Serientäter.

(Abg. Genscher: Sie muß es aber nicht!)

Es ist von einem Mittelweg gesprochen worden. Man solle eine Sonderbestimmung für die Strafverschärfung einführen, und zwar für die Fälle, daß jemand Taten begeht, nachdem ihm bereits andere Taten nachgewiesen worden sind.
Es gibt noch andere Vorschläge. Wir werden sie sorgfältig überdenken müssen. Wenn sie tatsächlich denselben Nutzeffekt haben, nämlich Verbrechen verhindern und den Betreffenden davor schützen, weiterhin Verbrecher zu sein — manchmal sein zu müssen —, soll mir das wirklich nur recht sein. Ich wäre froh, wenn es so wäre.
Bisher bin ich allerdings der Meinung, daß alle diese gutgemeinten Vorschläge in Wirklichkeit viel schärfer und viel weniger liberal sind als das, was in unserem Gesetzentwurf steht. Würde man die Gesamtstrafenbildung ganz abschaffen, so würde das zu enorm hohen Strafen führen, die ganz unerträglich wären und mit den modernen Vorstellungen der Kriminologie und der Verbrechensbekämpfung in keiner Weise in Einklang zu bringen wären. Wenn überhaupt, dann kommt nur ein Mittelweg in Frage, daß man das eine tut und das andere nicht läßt, daß man vielleicht den Strafenkatalog sehr stark einschränkt und für den Rest dann derartige Maßnahmen vorsieht. Aber wie gesagt, daß sollte im Ausschuß und zusammen mit den Fachleuten im Hearing sorgfältig geklärt werden.
Es gibt noch eine Menge anderer Texte. Bei dem sehr langen Schriftwechsel mit den einzelnen Justizverwaltungen, Innensenatoren und anderen Fachleuten in der Bundesrepublik ist eines sehr interessant gewesen: es sind unabhängig voneinander zwei Texte zu uns gekommen, die auf den ersten Blick sehr plausibel klingen und die sehr den Texten in den skandinavischen Staaten ähneln. Wenn man sich das genau anschaut, wird es noch interessanter: diese beiden völlig unabhängig voneinander zustande gekommenen Texte — das habe ich inzwischen festgestellt — sind bis auf ein Wort völlig identisch mit dem Text einer Vorschrift der DDR. Die DDR hat in der letzten Zeit ein verhältnismäßig gutes materielles Strafrecht gemacht, wenn man von den politischen Teilen absieht. Was aus der DDR kommt, muß nicht schlecht sein. Dieser Text geht aber weit über die Konzeption des CSU-Antrages hinaus. Er enthält eine Generalklausel, und da heißt es: Ein Haftgrund besteht auch dann, wenn das Verhalten des Beschuldigten eine wiederholte gleichartige und erhebliche Verletzung der Strafgesetze darstellt und dadurch Wiederholungsgefahr begründet wird. Das ist wie gesagt eine Regelung, die in Skandinavien selbstverständlich ist. Infam ist aber, was im „Neuen Deutschland" über unsere Überlegungen in bezug auf einen neuen Haftgrund steht. Denn der Text in der DDR und die Vorschläge, die parallel dazu auch auf uns zugekommen sind, gehen jedenfalls über das, was in dem Koalitionsentwurf steht, sehr weit hinaus. Von einem Land her, in dem man selbst eine so weitgehende Bestimmung hat, ein anderes Land, das um eine rechtsstaatliche Bestimmung ringt, so infam anzugreifen: die Wertung eines sòlchen Vorgehens überlasse ich denjenigen, die noch Lust haben, sich damit zu befassen.
Ich habe versucht, im Anschluß an das, was Herr Schlager gesagt hat, hier einmal die wesentlichen Probleme aufzuzeigen. Wir glauben, es war richtig, daß wir diesen Entwurf zur Diskussion gestellt haben und daß er auch schon diskutiert worden ist. Wir sind jeder besseren Einsicht zugänglich. Wir lassen uns von jedem überzeugen, der meint, eine bessere Lösung zu haben. Ich möchte noch einmal sagen, ich persönlich wäre froh, wenn es eine andere Lösung gäbe. Denn, ich wiederhole, wenn auf der einen Seite die Ordnung und auf der anderen Seite die Freiheit steht, würde ich immer die Freiheit vorziehen. Das Problem ist nur, ein richtiges Verhältnis zwischen Freiheit und Ordnung zu finden. Es ist ein ganz schmaler Grat.
Unter den vielen Briefen, die ich bekommen habe, ist immerhin einer eines sehr berühmten deutschen Gerichtsmediziners, der lange Jahre Leiter eines gerichtsmedizinischen Instituts war, also eines Menschen, der wirklich den Verbrecher kennt. Er schreibt mir u. a.:
Seit 20 Jahren habe ich als Sachverständiger, davon 16 Jahre in einer Großstadt wie München und jetzt hier in Freiburg, unmittelbare Beziehungen zur Strafjustiz. Erlauben Sie mir aus dieser Sicht die Bitte an Sie, bei Ihrer sicher sehr schweren Entscheidung auch an die weit überwiegende Zahl unserer Mitbürger zu denken, die niemals in ihrem Leben mit dem Strafgesetz in Berührung kommen und die einen Anspruch auf Schutz haben. Ich darf Ihnen sagen, daß ich volles Verständnis für eine gewisse Liberalisierung des Strafgesetzes habe. Sie muß jedoch in einer vernünftigen Relation zur Bedrohung der Öffentlichkeit stehen.
Ich glaube, dieser Mann hat recht.
Ein letztes. Wenn der Staat der Meinung ist, daß unser Strafrecht, unser Strafprozeß, unser Strafvollstreckungssystem dringend reformbedürftig sind, und wer meint, daß wir insbesondere im Strafrecht völlig neue Wege gehen müssen, der muß gleichzeitig aufpassen, daß diese Reformbestrebungen nicht in den falschen Ruf kommen, damit würde das Verbrechen gefördert, und daß diese Reformbestrebungen nicht in den Ruf kommen, sie würden dazu beitragen, daß die Verbrecher bessere Möglichkeiten hätten, sich gegen den Bürger auszutoben. Wer diesen Reformbestrebungen nämlich diesen Ruf gibt, der wird dafür sorgen, daß sie totgemacht werden.
Dieser Ruf ist falsch. Reform des Strafrechts bedeutet einmal damit aufzuhören, Dinge zu bestrafen, die die Öffentlichkeit nicht stören und die sich in der privaten Sphäre abspielen. Diese Reformbestrebung bedeutet gleichzeitig, das Verhältnis der einzelnen Straftaten zueinander besser in Ordnung zu



Hirsch
bringen. Diese Reformbestrebungen bedeuten noch viel, viel mehr. Aber sie dürfen nicht bedeuten, daß der wirkliche Verbrecher besser wegkommt. Wenn diese Reformbestrebungen in diese Richtung gingen, wären sie schlecht.
Wir stehen heute bereits in der Gefahr, daß viele Menschen in diesem Lande meinen, modernes Strafrecht und moderner Strafvollzug bedeuteten, die Verbrecher könnten mehr als früher. Man hört dann solche Äußerungen von Berliner Taxichauffeuren: „Bei Adolf'n hätt's det nich jejeben." Das sollten wir sehr ernst nehmen! Ich glaube, wir müssen beweisen, daß auch die Demokratie in der Lage ist — und zwar natürlich unter Wahrung aller Rechte des Bürgers auf Freiheit —, das Verbrechen zu bekämpfen. Wir müßten eigentlich beweisen, daß die Demokratie in der Lage ist, Verbrechen nicht nur besser, sondern vor allen Dingen auch richtiger, wirksamer und nützlicher zu bekämpfen, insbesondere indem man Verbrechen verhindert, indem man vorbeugende Verbrechensbekämpfung betreibt.
Dieser Gesetzentwurf ist ein Versuch in der Richtung, dafür zu sorgen, daß in diesem Lande ein paar tausend Verbrechen weniger im Jahr begangen werden. Wer diese Verbrechen hinnehmen will, kann sagen: Es kann bei der gegenwärtigen Rechtslage bleiben. Wer den heutigen Zustand ändern will, muß mindestens sagen, wie, wenn er mit unserem Vorschlag nicht einverstanden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521114800
Zur Begründung des Zusatzpunktes, den Sie heute auf die Tagesordnung gesetzt haben, hat der Abgeordnete Dichgans das Wort.

Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0521114900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich bin beauftragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache V/3743 zu begründen. Ich will versuchen, es kurz zu machen.
In den letzten Monaten haben sich in deutschen Gerichtssälen Szenen abgespielt, wie wir sie in der deutschen Rechtsgeschichte noch niemals erlebt haben und wie es sie, soweit ich weiß, auch in keinem ausländischen Gerichtssaal bisher jemals gegeben hat.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Unsere Richter wurden beschimpft und verhöhnt, nicht als Ergebnis einer spontanen Erregung, sondern als Ergebnis generalstabsmäßiger eiskalter Überlegungen. Individuelle Terrorakte wurden angedroht, nicht nur gegen die Richter, sondern auch gegen ihre Frauen und ihre Töchter. Es gab auch völlig neuartige Formen des Protests. Energische junge Damen entledigten sich ihrer Blusen, um auf diese Weise mit sehr weiblichen Waffen ihren Abscheu gegen die deutsche Justiz zum Ausdruck zu bringen.

(Abg. Dr. Kübler: Ist nicht neu, hat Aspasia auch schon gemacht!)

Neben diesen menschlichen Formen ,des Protests
gab es aber auch schlimme. Ein Angeklagter hat den
Gerichtssaal und die Akten planmäßig mit seinem Kot besudelt. In Berlin mußte eines Tages ein Gericht tagen, während vor den Fenstern eine Straßenschlacht tobte, bei der mehr als 100 Leute verletzt worden sind.
Müssen wir das als Folgen der garantierten Meinungs- und Demonstrationsfreiheit hinnehmen? Ich glaube nicht. Wir müssen hier Unterscheidungen treffen. Wir, zum Kreis der Politiker gehörig, müssen uns damit abfinden, daß wir uns einem größeren Maß von Belästigungen und Angriffen aussetzen müssen, daß wir gelegentlich vielleicht sogar verprügelt werden. Das scheint zum System der modernen 'Demokratie zu gehören.

(Zuruf von der SPD.)

Aber auch 'der Bürger wird sich damit abfinden müssen, daß er bei Demonstrationen gelegentlich eine Stunde warten muß, bis er nach Hause fahren kann, weil die Straßen gerade von Demonstrationszügen blockiert sind. In 'diesem Bereich würde ich relativ großzügig sein.
Einen Bereich aber müssen wir jedoch besonders schützen. Das ist der Bereich der Justiz. Deshalb halten wir hier eine Sonderregelung für notwendig, und zwar nicht etwa unter irgendwelchen Vorstellungen von Würde des Staates, von Wahrung des Dekorums, sondern aus ganz praktischen Überlegungen. Die Justiz ist eine sehr ernste Sache. Wenn sie den Unschuldigen einsperrt, so ist das ebenso schlimm, wie wenn sie den Schuldigen laufen läßt.

(Zuruf: Schlimmer!)

Der Mechanismus der Justiz muß so gestaltet werden, daß er, soweit das bei 'der menschlichen Unvollkommenheit überhaupt möglich ist, ein Höchstmaß an Präzision, ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit garantiert.
Meine Damen und Herren, noch einmal: Die Entscheidungen des Richters betreffen unser aller persönliche Freiheit, sie betreffen unser aller Schutz gegen die Verbrechen. So wichtige Entscheidungen müssen in einer ruhigen Atmosphäre getroffen werden, in einer Atmosphäre, die eine ruhige Prüfung des Sachverhalts sichert, in einer Atmosphäre, die auch dem Richter ermöglicht, ruhig nachzudenken. Wenn vor den Fenstern eine Straßenschlacht tobt, wenn sich der Richter Sorge darüber macht, ob nicht vielleicht zur gleichen Zeit wütende Demonstranten seine Frau und seine Töchter belästigen — glauben Sie, daß eine solche psychologische Lage zu guten Entscheidungen führt? Wenn etwa der Vorstand einer Aktiengesellschaft unter ähnlichen Umständen über große Investitionsvorhaben beschließen müßte, würde ich dem Ergebnis einer solchen Besprechung unter solchen Bedingungen sehr skeptisch gegenüberstehen. Das gilt für das Gericht noch mehr. Wir müssen — wie wir das überall tun müssen — für gute Entscheidungen in einer ruhigen Atmosphäre sorgen.
Die Qualität der Entscheidung wird aber noch aus einem anderen Grunde gemindert: nicht nur wegen der Störung der Arbeitsfähigkeit des Ge-



Dichgans
richts durch äußere Umstände, sondern auch von der Psychologie her. Der Richter könnte in die Versuchung geraten, auf diese äußeren Umstände zu reagieren. Er könnte etwa, weil er sich nicht einschüchtern lassen will, übertrieben hart reagieren; oder er könnte umgekehrt, weil er zeigen will, daß er sich nicht provozieren läßt, übertrieben milde reagieren, d. h. seine Entscheidung nach sachfremden Gesichtspunkten treffen. Wenn die öffentliche Meinung den Verdacht schöpft, daß solche Gesichtspunkte die Urteile beeinflussen, wenn sie vielleicht eines Tages, wenn die Szenen noch schlimmer werden, den Verdacht schöpft, daß einige Richter den bequemeren Weg gehen und sich durch große Milde dem Arger entziehen, ist das Ende unserer Staatsordnung nahe. Wir sollten registrieren, daß einige Leute, die zur Zeit diese Szenen verursachen, das ausdrücklich wollen.
Was können wir tun? Unsere erste Aufgabe ist, für eine möglichst hohe Qualität der Richter zu sorgen. Dazu müssen wir auch die äußeren Bedingungen des Richters einschließlich der Besoldung entsprechend regeln. Darüber sind sich alle Politiker einig. Nur, wenn es zur praktischen Verwirklichung kommt, setzen sich immer wieder Gesichtspunkte der Gleichmacherei oder auch das Veto des Finanzministers durch. Wir sollten in diesem Zusammenhang auch diesen Aspekt noch einmal überdenken.
Wir sollten aber auch das Instrumentarium verbessern. Drei Tage Haft als Höchststrafe gegen Ungebühr, das ist, glaube ich, unter den heutigen Verhältnissen keine angemessene Reaktion mehr, keine angemessene Reaktion gegen einen Angeklagten, der seinen Kot im Gerichtssaal ablädt. Ich weiß, daß sich die Justiz Umwege hat einfallen lassen. Man bestraft solches Vorgehen als Beleidigung des Richters. Das ist ein Umweg, aber, wie ich glaube, kein guter; denn in solchen Fällen geht es ja gar nicht um die Beleidigung des Richters, sondern es geht um die Verächtlichmachung der Justiz überhaupt, um den Contempt of Court aus dem angelsächsischen Recht. Sie kennen die Bestimmungen über den Contempt of Court im angelsächsischen Recht. Dort können höhere Gerichte bei Ordnungswidrigkeiten, und zwar auch bei Ordnungswidrigkeiten vor niederen Gerichten, Strafen in unbeschränkter Höhe festsetzen, Geldstrafen und auch Haftstrafen. Mir ist dazu erwidert worden, daß das angelsächsische Gerichtssystem ein anderes sei als das unsere. Das ist richtig. Es ist aber nicht einzusehen, warum die deutsche Justiz, die deutschen Gerichte, auch wenn sie anders sind, nicht ebenso geschützt werden sollten, wie die Angelsachsen ihre Gerichte schützen.
Der Entwurf schlägt deshalb vor, das Höchstmaß der Haftstrafe im Ordnungsstrafverfahren von drei Tagen auf sechs Wochen zu erhöhen und den Landfriedensbruch, soweit er sich gegen die Rechtsprechung richtet, schärfer zu bestrafen. Mein Freund Güde hat bereits juristische Bedenken angemeldet. Er hat darauf hingewiesen, daß die Unterscheidung zwischen Einzelrichtern und Kollegialgerichten unserer Rechtsordnung fremd ist. Ich kann ihm dazu
nur sagen, das ist ein Kompromißvorschlag, der an die unterschiedliche Befugnis niederer und höherer Gerichte im angelsächsischen Recht anknüpft. Ich bin sicher, daß der Rechtsausschuß hier eine gute Lösung finden wird, und ich bin heute schon damit einverstanden, daß an die Stelle der Differenzierung wieder eine einheitliche Behandlung tritt.
Wir müssen uns weiter die Frage stellen, ob die Verschärfung, die hier vorgeschlagen wird, die Fanatiker abschreckt. Ich weiß das nicht. Aber immerhin ist es denkbar, daß die jungen Damen, die so fröhlich ihr Zahnbürsten vorzeigten, weil sie sagten, mehr als drei Tage könnten sie keinesfalls eingesperrt werden, nicht mehr ganz so fröhlich sind, wenn sie mit einem Risiko von sechs Wochen rechnen müssen.
Meine Damen und Herren, es geht mir aber im übrigen nicht in erster Linie um die Abschreckungswirkung, die immer problematisch ist. Ich meine vielmehr, bei der Bedrohung der Justiz, wie wir sie jetzt erleben, sollte der Bundestag entschieden erklären, daß er der speziellen Bedrohung der Justiz energisch entgegentreten will. Das sollte in diesem Gesetz zum Ausdruck kommen. Und wenn die Maßnahmen, die wir heute vorschlagen, nicht ausreichen, müssen wir uns andere einfallen lassen.
Meine Damen und Herren, der Richterbund hat sich zu diesen Vorschlägen zurückhaltend geäußert. Er ist der Meinung, er wolle nicht sofort nach dem Gesetzgeber rufen, sondern wolle es noch einmal mit den bisherigen Vorschriften versuchen. Diese Einstellung ehrt den Richterbund. Auch ich bin der Meinung, daß im Normalfall die persönliche Autorität des Richters ausreichen müßte, um Ordnung zu schaffen, und daß die Ordnungsstrafe immer nur ein seltener Ausnahmefall bleiben sollte. Ich bin ferner der Meinung, daß selbst bei einer Verschärfung des Strafrahmens normalerweise drei Tage Haft die Höchststrafe sein werden. Aber da wir, wie wir jetzt gelernt haben, mit exzessiven Störungen rechnen müssen, an die bei Erlaß des Gerichtsverfassungsgesetzes niemand gedacht hat, müssen wir dafür, glaube ich, auch stärkere Gegenmittel vorsehen.
Es ist nicht zu vermeiden, daß solche Vorschläge dem Einwand begegnen, der Autor sei offenbar ein Apostel der Devise „Sicherheit und Ordnung". Ich glaube nicht, daß wir mit der Devise „Sicherheit und Ordnung" wesentlich weiterkommen. Man kann bekanntlich den Überdruck im Kessel nicht dadurch beseitigen, daß man das Manometer abschraubt und durch eine Kappe ersetzt. Wir müssen uns hier im Bundestag in erster Linie um die Gründe der Unruhe, um die Abstellung der berechtigten Beschwerden bemühen. Wir müssen uns aber, meine Damen und Herren, hier ebenso unabhängig verhalten, wie wir das auch von unseren Richtern erwarten. Wir sollten uns also nicht dadurch, daß die Worte „Sicherheit und Ordnung" jetzt in vielen Bereichen unpopulär sind, davon abschrecken lassen, etwas zu tun, was wir sachlich für notwendig halten. Behalten wir den kühlen Kopf, und tun wir das, was notwendig ist!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)





Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521115000
Meine Damen und Herren! Die drei Gesetzentwürfe sind begründet. Die Entwürfe werden in der Aussprache verbunden. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0521115100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit den Vorlagen zur Strafprozeßordnung behandeln wir ein Thema von einem hohen aktuellen Interesse. Hier zeichnen sich, zumal draußen in der Öffentlichkeit, sehr scharfe, gegensätzliche Fronten ab. „Endlich durchgreifen!" heißt es auf der einen Seite, „höchster Alarm für den Rechtsstaat" heißt es auf der anderen Seite.
Ich meine zunächst einmal, daß in unruhiger Zeit nicht nur die Justiz einen ruhigen und festen Gang zu gehen, sondern auch der Gesetzgeber. Es ist z. B. nicht gut, sich in vielfach sehr unpräzisen Behauptungen über wachsende Kriminalität zu verlieren und Gefühle von Unsicherheit zu wecken.

(Sehr wahr! bei der FDP.)

Bester Schutz vor Kriminalität sind hohe Aufklärungsquoten. Und da meldet gerade das größte Bundesland, Nordrhein-Westfalen, daß im Jahre 1968 bei Mord und Totschlag eine Aufklärungsquote von 95,4 °/o bestehe, bei versuchtem Mord und Totschlag eine Aufklärungsquote von 96,4 %. Man meldet, daß bei gefährlicher Körperverletzung, Raub, räuberische Erpressung und Notzucht die Aufklärungsquote im vergangenen Jahr um 2 bis 5 % gebessert sei. Schwerpunkt der Kriminalität ist natürlich das Eigentumsdelikt mit seinen wachsenden Zahlen. Vorrangig bleibt in jedem Fall polizeiliche Verbrechensbekämpfung.
Was kann nun bei der Justiz geschehen? Bei der Justiz, meine Damen und Herren, diskutiert man jetzt darüber, ob das seit dem 1. Januar 1965 geltende Haftrecht geändert werden muß. Dieses Gesetz besteht also vier Jahre. Große Erfahrungen von wirklich überzeugendem Gewicht können schwerlich da sein. Ich frage zunächst einmal: haben wir die Reform 'des Haftrechts vor vier Jahren unüberlegt gemacht? Unsere Antwort darauf: Im Kern jedenfalls doch ganz gewiß richtig. Vergessen wir doch bitte nicht, daß jahrelang darüber geklagt worden ist, daß zuviel verhaftet, daß zu lange Untersuchungshaft verhängt wurde und daß deshalb strengere Anforderungen an die Untersuchungshaft dringend geboten waren. Infolgedessen haben wir vor vier Jahren eingeführt, daß wegen Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr nur auf Grund bestimmter Tatsachen ein Haftbefehl sollte erlassen werden können und anders herum eben nicht. Das war der Kern, und dieser Kern ist richtig und muß richtig bleiben.

(Beifall auf allen Seiten des Hauses.)

Wir haben vor vier Jahren besondere Haftgründe bei Sittlichkeitsdelikten unter der Voraussetzung einer Wiederholungsgefahr gelten lassen, und wir haben auch bei Mord und Totschlag als besonders schweren Kapitalverbrechen einen besonderen Haftgrund ins Gesetz aufgenommen.
Müssen wir das alles jetzt schon wieder ändern? Ich meine zunächst einmal, die Gefahr, daß gewisse Täter nach polizeilicher Sistierung und Vernehmung neue Taten begehen, hat es doch eh und je gegeben; das ist überhaupt nichts Neues.

(Sehr wahr! bei der FDP.)

Diese Gefahr besteht genauso wie die, daß jemand nach Strafverbüßung wieder kriminell wird.

(Abg. Genscher: Sehr richtig!)

Das alles haben wir vor vier Jahren gewußt und
gleichwohl so beschlossen, wie es im Gesetz steht.
Das führt nun zu der Frage, ob § 112, über den wir hier diskutieren, immer so angewendet worden ist, wie wir gedacht haben. Da zeigt sich in der Praxis ein sehr bemerkenswerter Unterschied. Meine Damen und Herren, der Nachweis einer festen Wohnung schließt doch nun wirklich nicht schlechthin Fluchtgefahr aus.

(Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Sehr richtig!)

Auch aus einer noch so schön etablierten, aufwendigen, großartigen Wohnung sind schon Leute geflüchtet.

(Beifall und Heiterkeit.)

Im Bezirk des Kammergerichts Berlin wird Fluchtgefahr bei nachgewiesenem festem Wohnsitz bejaht, wenn eine hohe, empfindliche Strafe zu erwarten ist. Andere Oberlandesgerichte fordern neben der zu erwartenden hohen Strafe zusätzliche Tatsachen, um Fluchtgefahr unterstellen zu können. Die Justizverwaltung Berlin, d. h. der Senator für Justiz in Berlin, hat in dem vom Bundesjustizministerium erbetenen Berichten seine Zufriedenheit mit § 112, so wie er im Gesetz steht, ausgesprochen.

(Abg. Schlager: Aber nicht der Innensenator!)

— Moment, ich kann ja nicht alles in einem Satz sagen! Der Justizsenator von Berlin berichtet, daß die Richterschaft im Kammergerichtsbezirk und die Staatsanwälte nahezu einhellig eine Änderung des geltenden § 112 ablehnen, und er stellt zur Erwägung, ob man § 112 Abs. 2 allenfalls dahin ergänzen sollte, daß zu den in § 112 aufgeführten zu würdigenden Umständen ausdrücklich auch die zu erwartende hohe oder empfindliche Strafe genannt werde. Das wäre etwas völlig anderes, als wieder zurückzulenken in die gesetzliche Vermutung einer Fluchtgefahr, bloß weil ein Verbrechen Gegenstand der Ermittlung ist. Das wäre schon etwas wesentlich anderes. Aber ich meine, daß gerade dieser Anregung des Justizsenators von Berlin doch Beachtung geschenkt werden sollte. Damit wäre z. B. der Fall, den Sie, Herr Kollege Schlager, als den ersten Beispielfall genannt haben, der Fall von jenem 24jährigen, glatt auszuräumen gewesen.
Im übrigen haben sich die Justizverwaltungen noch nicht vollständig geäußert. Ich darf hier eben folgendes einflechten: Acht Bundesländer bejahen eine Änderung des § 112, etwa in der Linie des Koalitionsentwurfs. Das Land Berlin verneint sie, wie ich sagte. Verschwiegen haben sich bis jetzt Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Was die



Bundesminister Dr. Dr. Heinemann
Berichte der Innenverwaltungen anlangt, so habe ich darüber im Augenblick jedenfalls keinen vollständigen Überblick.
Es bleibt also die Frage: Sollen wir in der Tat neue Haftgründe ins Gesetz einfügen? Wenn ja, meine Damen und Herren, dann könnte ich nur dem Entwurf der Koalitionsparteien und nicht dem Spezialentwurf der CSU nähertreten. Ich möchte aber von vornherein darauf aufmerksam machen, daß wir bei der Einführung neuer Haftgründe auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts große Obacht geben müssen, auf das Urteil vom 15. Dezember 1965, in dem deutlich ausgesprochen wird, daß jegliche Haft vor rechtskräftigem Urteil zu einer Freiheitsstrafe der Durchführung eines Strafverfahrens und der Strafvollstreckung dienen muß. Andere Zwecke für Haft werden in diesem Verfassungsgerichtsurteil grundsätzlich für unzulässig erklärt. Zum besonderen Haftgrund der Wiederholungsgefahr, wie er im geltenden § 112 Abs. 3 steht, bemerkt das Bundesverfassungsgericht, daß es sich da um besonders schutzbedürftige Kreise der Bevölkerung handele. — Nun, das ist bei den Sittlichkeitsdelikten, von denen in diesem Zusammenhang hier die Rede ist, auch einsichtig.
Interessant ist in dem genannten Urteil das, was das Bundesverfassungsgericht zu dem Haftgrund in Abs. 4 — Mord und Totschlag — ausgeführt hat; das muß ich doch einmal wörtlich vorlesen:
Weder die Schwere der Verbrechen wider das Leben noch die Schwere der (noch nicht festgestellten) Schuld rechtfertigen für sich allein die Verhaftung des Beschuldigten. Noch weniger ist die Rücksicht auf eine mehr oder minder deutlich feststellbare „Erregung der Bevölkerung" ausreichend, die es unerträglich finde, wenn ein „Mörder" frei herumgehe. Es müssen vielmehr auch hier
— also bei Mord- oder Totschlagvorwurf —
stets Umstände vorliegen, die die Gefahr begründen, daß ohne Festnahme des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat gefährdet sein könnte ...
Verehrte Damen und Herren, ich will mit diesem Hinweis auf jenes Urteil im Augenblick also lediglich die Notwendigkeit anmelden, diese verfassungsrechtliche Seite mit zu bedenken. Es wird eingehender Prüfung bedürfen, welche Rechtsgutverletzungen als so gravierend angesehen werden müssen, daß ein Eingriff in das Grundrecht der Freiheit der Person wegen Wiederholungsgefahr gerechtfertigt erscheinen kann. Dies erfordert eine Besinnung darauf, welche Rechtsgüter über den durch das geltende Strafrecht gewährten Schutz hinaus eines weiteren, besonderen Schutzes bedürfen. In diesem Zusammenhang können, wenn von Gewalttätern die Rede ist, natürlich diese Gruppen ausgeschöpft werden. Brandstifter hätten vielleicht hinzuzutreten. Das ist alles richtig. Jedenfalls muß die Grenze nach dem Maßstab jenes verfassungsgerichtlichen Urteils berücksichtigt werden.
Es kommt hinzu — der Begründer des Koalitionsentwurfs, der Abgeordnete Hirsch, hat das selber
auch schon ausgeführt; ich unterstreiche nur —: wenn jemand künftig in Vorbeugungshaft genommen werden könnte, ist seiner Verteidigung und der zeitlichen Begrenzung solcher Vorbeugungshaft besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Wir haben 1964 vor allen Dingen die Sechsmonatsfrist mit großer Deutlichkeit in das Gesetz hineingebracht und unter die Kontrolle des Oberlandesgerichts gestellt. Das müßte bei einer Vorbeugungshaft wahrscheinlich mindestens genauso, wenn nicht noch enger in der zeitlichen Begrenzung angesetzt werden. Die Anrechnung von Vorbeugungshaft auf Strafhaft müßte klar sein. Die Entschädigung für Vorbeugungshaft im Falle nachträglichen Freispruchs müßte klar sein. Noch sind wir überhaupt nicht soweit, daß für unschuldig erlittene Haft entschädigt wird. Aber das liegt nicht an der Unzulänglichkeit des Bundesjustizministeriums, wenn ich auf diese Bemerkung, die heute morgen fiel, antworten darf. Verehrte Damen und Herren, die Entschädigung für unschuldig erlittene Haft müßte immer das jeweilige Bundesland zahlen. Da liegt doch der Hund begraben.

(Beifall bei der SDP.)

Von den Bundesländern haben wir bisher keine Zustimmung zu einer großzügigen Regelung in dieser Richtung.

(Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Das könnte man doch über den Bundesrat feststellen!)

Kurz und gut, die von den zwei Sprechern schon angedeuteten Einzelheiten und die weiteren Dinge, die ich hier erwähnt habe, werden bei der Prüfung dieser Vorlagen im Ausschuß eine Rolle spielen.
Gibt es noch eine andere Möglichkeit? Es ist davon gesprochen worden, daß es der „Rabatt" bei den Gesamtstrafen für einen ertappten, aber wieder freigelassenen Verbrecher gar nicht so kostspielig mache, wenn er nach Sistierung mit seinem Tun fortfahre; das werde alles in einer Gesamtstrafe zusammengeschmolzen, und dann bleibe von den Nachtragstaten nicht gar so viel an Freiheitsstrafe für ihn übrig. Ich frage ganz schlicht: Muß das so sein? Muß alles in eine Gesamtstrafe einbezogen werden? Es ist doch ein durchaus legitimer Strafschärfungsgrund, wenn ein Täter nach Sistierung und nach Vernehmung Straftaten fortsetzt.

(Beifall bei der SPD und der FDP.)

Lassen Sie uns also bitte prüfen, oh wir nicht von der bisherigen Gesamtstrafenregelung abgehen wollen, etwa so, daß wir eine Gesamtstrafe für das bilden, was vor Sistierung und polizeilicher oder richterlicher Vernehmung pekziert worden ist, und eine andere Gesamtstrafe für das, was hinterher getan wird, wobei 'ich mir vorstelle, daß ein wieder auf freien Fuß gesetzter Rechtsbrecher verwarnt werden sollte mit dem Hinweis 'darauf, daß er für das, was er nun nachträglich tut, keinen „Rabatt" kriegt.

(Beifall bei der SPD und der FDP.)

Das braucht nicht dahin ausgeweitet zu werden,
daß nun alle nachträglich begangenen Taten mit dem
vollen Gewicht ihrer Einzelstrafen 'eingesetzt wer-



Bundesminister Dr. Dr. Heinemann
den. Da könnte sehr viel herauskommen, unerträglich viel unter Umständen. Aber ,die Teilung in zwei Gesamtstrafen ist doch immerhin, so meine ich, auch eine Möglichkeit, hier bremsend einzugreifen.
Das zu den Vorlagen zur Strafprozeßordnung.
Nun, Herr Dichgans, noch ein paar Worte zu der Vorlage, die Sie heute noch in die Debatte eingeführt haben. Ich will dazu jetzt nur ein paar Fragen aufwerfen.
Erstens. Besteht wirklich ein Bedürfnis, in dem Sinne zu ändern, wie Sie vorschlagen? Kommen wir nicht, wenn wir in der Richtung Ihrer Vorlage arbeiten, in eine Vermischung von Delikt und Sitzungspolizei? Je mehr Sie durch sitzungspolizeiliche Maßnahmen die Schwere dessen, was im 'Gerichtssaal passiert ist, auffangen oder ahnden wollen, um so dichter sind wir an einer Deliktsstrafe. Das muß sauber abgegrenzt bleiben, meine ich.
Zum zweiten kann mir nicht gefallen, daß sich die Würde des Gerichts unterschiedlich darstellt, je nachdem, ob ein Einzelrichter oder ein Kollegialgericht in einer ordnungswidrigen Weise malträtiert wind.
Gar nicht gefallen kann mir die vorgesehene weitere Beschwerde bei dem Bundesgerichtshof. Das ist überdimensional und steht völlig im Gegensatz zu unserer notwendigen Bemühung um Entlastung des Bundesgerichtshofs.
Im übrigen stehen .die Demonstrationsdelikte, die in diese Vorgänge in einem Gerichtssaal stark einschneiden, in dem Sonderausschuß für die Reform des Strafrechts unmittelbar vor einer grundsätzlichen Erörterung und, wie ich annehme, Reform. Es könnte also das, was mit der von Herrn Dichgans begründeten Vorlage gewollt wird, vielleicht in diesen Komplex mit eingeschlossen werden.

(Beifall.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521115200
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0521115300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Obwohl ich zur Opposition gehöre und der Bundesjustizminister zur Regierung, muß ich vorausschicken, daß der Bundesjustizminister mit seinen Ausführungen manches vorweggenommen hat, was ich habe sagen wollen. Er hat doch klar gezeigt, wie fragwürdig die Entwürfe sind, die hier vorgelegt worden sind. Ich spreche insbesondere von den Entwürfen Drucksachen V/3631 und V/3633.
Als ich mir gestern abend überlegte, was ich für meine Fraktion wohl zu diesen Vorschlägen ausführen soll, kam mir ein Wort in Erinnerung, das in dieser Woche in einem anderen Zusammenhang von dem Fraktionsvorsitzenden der CDU gefallen ist, und zwar bei der Diskussion über die Mitbestimmung. Da hat Herr Kollege Barzel von einer funktionsgerechten Lösung gesprochen. Daran habe ich gedacht. Gerade bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Schlager wurde mit aller Deutlichkeit klar, daß er sich über die Funktionen des Strafverfahrens, über die Funktionen eines Strafurteils und über die Funktionen der Polizei aber auch nicht im geringsten klar ist.

(Beifall bei der FDP.)

Das geht bei ihm alles vollkommen durcheinander. Deswegen war es erfreulich, zu hören, daß der Herr Bundesjustizminister mit seinen Ausführungen den Rahmen abgesteckt hat, in dem über diese Entwürfe überhaupt diskutiert werden kann. Ich werde darauf zu sprechen kommen, was zur Abhilfe bei Serientaten zu tun ist. Herr Kollege Dorn hat schon in einem Zwischenruf darauf hingewiesen, daß die FDP bereits im Dezember Vorschläge gemacht hat, wie Verbrechen besser als bis jetzt aufgedeckt und verhindert werden können. Wir haben dabei zum Ausdruck gebracht, daß die Aufdeckung und vor allem das Verhindern von Verbrechen polizeiliche Aufgaben sind. Wir müssen uns ganz klar sein — und das muß mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck kommen —: Das Strafverfahren hat die Aufgabe, die Rechtsverfolgung wegen einer begangenen Tat sicherzustellen. Das ist die einzige Aufgabe des Strafverfahrens. Nur wenn diese Aufgabe gefährdet ist, kann gegebenenfalls eine Inhaftierung wegen Flucht- oder Verdunkelungsgefahr erfolgen. Das ist ein rechtsstaatlicher Grundsatz. Meine Damen und Herren, hüten Sie sich, von solchen Grundsätzen abzugehen und sie zu verwischen! Sie nehmen damit etwas weg, was unseren Rechtsstaat auszeichnen sollte.
Was ist das Amt des Richters? Das Amt des Richters ist nicht das einer polizeilichen Vorbeugung vor weiteren Straftaten, sondern das Amt des Richters ist es, nachher Recht zu sprechen, ein gerechtes Urteil über eine vorher begangene Tat zu fällen, die vor ihm zur Aburteilung steht.

(Abg. Schlager meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Nein, Herr Kollege Schlager, ich mache jetzt meine Ausführungen durchgehend in Anbetracht der schon vorgerückten Zeit.
Ich habe deshalb sehr viel Verständnis, daß der Richterbund mit diesen Vorlagen nicht einverstanden ist, daß die Richter Bedenken haben, weil das, was hier gefordert wird, nicht ihre Aufgabe ist.
Die Diskussion, die heute geführt wird, hat schon einmal — darauf wurde schon hingewiesen — im Zusammenhang mit der Änderung der Strafprozeßordnung im Jahre 1964 stattgefunden. Ich habe mir das Protokoll wieder herausgeholt und habe mir angesehen, was damals gesagt wurde. Dabei habe ich festgestellt, daß Herr Kollege Hirsch in einer etwas schwierigen Situation ist. Denn was er jetzt sagt, läßt sich eigentlich schwer vereinbaren mit dem, was seinerzeit von seiten der SPD ausgeführt wurde; damals, in der 3. Legislaturperiode, war die SPD genauso wie wir von der FDP in der Opposition. Es ging damals um den § 112 Abs. 3 StPO, nach dem gegebenenfalls bei Sittlichkeitsdelikten eine Wiederholungsgefahr als Haftgrund genügen sollte. Dabei hat der damalige Sprecher der SPD, Herr Kollege Jahn, ausgeführt:



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
Wir meinen, nur in diesen Fällen besteht in der Tat die Gefahr, daß im Wiederholungsfalle nicht wiedergutzumachender Schaden eintritt. Darüber hinaus gibt es keine Rechtfertigung für eine Ausdehnung der Haftgründe.

(Abg. Dorn: Sehr interessant!)

Da muß man doch fragen: Welche Wandlung hat die SPD in der Zwischenzeit gehabt?!

(Abg. Dorn: Gewöhnung an den Partner! — Zuruf von der SPD: Die Praxis!)

Der Herr Justizminister hat darauf hingewiesen, daß vier Jahre nicht ausreichen, Erfahrungen mit einem derartigen Gesetz zu gewinnen. Weil wir wußten, daß diese Gesetzentwürfe zur 1. Lesung kamen, hat Herr Kollege Genscher zuerst einmal gefragt: Was liegt denn vor, welche statistischen Ergebnisse sind vorhanden, aus denen sich ergibt, inwieweit tatsächlich eine so große Gefahr besteht, daß nach Aufdeckung einer Straftat neue Straftaten begangen werden? Herr Kollege Schlager und Herr Kollege Hirsch haben Einzelfälle angeführt. Aber gerade in Rechtsfragen, meine Damen und Herren, müssen wir uns hüten, grundsätzliche Fragen nur auf Grund von einzelnen Fällen, gegebenfalls Ausnahmefällen, zu entscheiden.

(Beifall bei der FDP.)

Der Herr Bundesjustizminister war nicht in der Lage, auf die Frage unseres Parteifreundes Genscher in der Fragestunde der vergangenen Woche darüber Auskunft zu geben. Er sagte: Entsprechende Statistiken liegen nicht vor.
Ich darf aber noch auf etwas anderes hinweisen. Es wird immer wieder emotional auf die Erhöhung der Kriminalität und den Rückgang der Aufklärungsquote abgestellt. Herr Kollege Hirsch, auch Sie haben von Statistiken gesprochen. Es kommt aber immer darauf an, von welcher Statistik man spricht. Die Statistiken, soweit sie sich mit Straftaten befassen, sind nämlich sehr unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um eine Polizeistatistik oder um eine Verurteilungsstatistik handelt. Das brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Für uns ist die Verurteiltenstatistik maßgeblich. Die Verurteiltenstatistik bestätigt ganz genau das, was der Herr Bundesjustizminister gesagt hat, daß die Aufklärungsquote hoch ist, und zwar nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern durchschnittlich. Sie müssen zunächst einmal die Vergehen im Straßenverkehr abziehen; auf die Diebstähle komme ich noch. Die Aufklärungsquote bei Vergehen und Verbrechen lag im Jahre 1966 bei 79 %. Die Aufklärungsquote bei der Schwerstkriminalität im Jahre 1966 ist 96,6 %.
Eine tatsächliche Zunahme der Kriminalität ist bei den Diebstählen festzustellen, und zwar vor allen Dingen bei den Bagatellsachen, bei den Warenhausdiebstählen und — das ist allerdings keine Bagatellsache — bei den Kraftfahrzeugdiebstählen, vor allen Dingen bei den Diebstählen aus Kraftfahrzeugen. Aber hier handelt es sich um Straftaten, denen die Kriminalpolizei, weil sie nicht entsprechend personell ausgestattet ist, gar nicht in entsprechendem Umfange nachgehen kann, wenn sie die Aufklärungsquote bei den schweren Vergehen und Verbrechen so hoch halten will, wie das bisher erfreulicherweise der Fall ist.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Was kann getan werden? Herr Kollege Hirsch, ich war außerordentlich überrascht, als ich von. Ihnen hörte, Sie hätten Bedenken, daß auf die Tat schnell das Urteil folgt.

(Abg. Hirsch: Zu schnell, Frau Kollegin!)

— Ich meine, der Fall Beate Klarsfeld war ein Sonderfall für sich; den können. Sie hier nicht nehmen.

(Abg. Hirsch: Aha! — Zuruf von der SPD: Das war aber ein ganz schönes Beispiel!)

Um zu begründen, daß der Haftgrund der Wiederholungsgefahr nicht ein Sonderfall sei, haben Sie auf Schweden hingewiesen. Aber es kommt nicht nur darauf an, daß dort eine solche Bestimmung vorhanden ist, sondern man muß auch sehen, wie diese gehandhabt wird. Das schwedische Recht enthält zwingende Vorschriften über eine schnelle Durchführung des Strafverfahrens; darauf darf ich Sie aufmerksam machen.
Ich habe mir aus der dritten Legislaturperiode zwei Dokumente aufgehoben. Das eine ist eine Rede, die der Senatspräsident Professor Sarstedt von Berlin — Ihnen sehr wohl bekannt — am W. Mai 1963 bei einer Tagung der Richter und Staatsanwälte in Stuttgart gehalten hat; das andere sind die im Zusammenhang mit der Menschenrechtskonvention aufgestellten Prinzipien, durch die vermieden werden soll, daß Unteruchungshaft ungerechtfertigt verhängt wird.
Professor Sarstedt weist in seinen Ausführungen darauf hin, daß in Schweden jeder Haftbefehl zunächst einmal einen Antrag des Staatsanwaltes voraussetze und daß grundsätzlich ein Haftbefehl nicht vor Erhebung der Anklage ergehen solle. Ergeht der Haftbefehl vor Erhebung der Anklage, so muß das Gericht dem Staatsanwalt eine Frist zur Anklageerhebung setzen; die Regel sind Fristen von einer oder zwei Wochen.

(Hört! Hört! bei der FDP.)

Da sehen Sie, was hier getan wird, um zu einer schnellen Aburteilung zu kommen. Ist aber der Beschuldigte auf die eine oder andere Weise länger als zwei Wochen in Haft, so muß grundsätzlich alle zwei Wochen ein mündlicher Haftprüfungstermin stattfinden. Hieran sehen Sie, daß das Problem bei den Schweden richtig erkannt ist: wenn einer, ohne daß ein Strafurteil vorliegt, trotzdem die Freiheit entbehren muß, müssen so schnell wie möglich die Verfahren durchgeführt werden.
Das hat mich auch bei all den Beispielen verwundert, die sowohl vom Kollegen Schlager wie von Ihnen, Herr Kollege Hirsch, erwähnt worden sind — auch das, was Sie in Ihrem Pressedienst veröffentlicht haben —: warum führt man, wenn der Betreffende geständig ist — sei es wegen eines Diebstahls, sei es wegen eines Betrugs, sei es wegen einer Kör-



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
perverletzung —, nicht sehr schnell das Strafverfahren durch? Ich habe kein Verständnis dafür, daß in dem einen Fall, den Sie genannt haben — in dem Fall des 62jährigen —, die erste Festnahme im Jahre 1966, aber erst im Jahre 1968 eine Aburteilung erfolgt ist. Dann ist natürlich eine Gefahr gegeben. Sie können hier vorbeugen, indem Sie sehr schnell die entsprechenden Strafverfahren durchführen. Das ist möglich.
Wenn Sie darauf abstellen, es müßten aber gerade bei solchen Tätern umfangreiche Persönlichkeitsforschungen erfolgen usw., muß ich darauf entgegnen, daß bei derartigen Tätern natürlich das Gesamtverhalten und die Gesamtpersönlichkeit berücksichtigt werden müssen; aber das kann der erfahrene Richter — wenn eine derart lange Liste von Vorstrafen vorhanden ist, Herr Kollege Hirsch — sehr wohl tun, und dadurch braucht sich das Verfahren nicht zu verzögern.

(Abg. Hirsch: Frau Kollegin, sollen die alle dann ohne weiteres in Sicherungsverwahrung kommen?)

— Aber, Herr Kollege Hirsch, wir werden uns ja noch im Zusammenhang mit der Reform des materiellen Strafrechts darüber unterhalten. Wir wissen heute, daß die Sicherungsverwahrung erstens einmal Gott sei Dank nicht so häufig angewendet wird, weil sie nach einer schuldangemessenen Strafe vollzogen wird und zweitens heute zum großen Teil auch die Falschen darin sitzen. Ich habe den Eindruck, daß Sie bei Ihrem Vorschlag, den Sie hier haben, wiederum die Falschen treffen und nicht die Richtigen.
In diesem Zusammenhang hat der Herr Kollege Schlager auf die Wirtschaftskriminalität hingewiesen. Er hat gesagt, sie bedinge eben längere Strafverfahren. Aber, Herr Kollege Schlager, das sind doch nicht die Seriendiebstähle und die Rückfälle usw. und alles, was in diesen Bereich fällt.

(Abg. Schlager: Auch! Auch, Frau Kollegin! Ich gebe Ihnen gern das Material, damit Sie sich davon überzeugen können!)

Ich darf weiter auf folgendes hinweisen. Herr Kollege Hirsch hat für die Kritik, die an den Gesetzentwürfen geübt wird, Verständnis gehabt. Ich hoffe, daß er vielleicht noch der Besserung fähig ist, insgesamt mit der gesamten SPD.

(Zurufe.)

Die Kritik, die hier geübt wurde, kommt ja nicht von ungefähr. Ich habe es eigentlich bisher noch nie erlebt, daß ein Gesetzentwurf von allen, die etwas von der Materie verstehen, so einmütig abgelehnt wird, wie das hier der Fall ist.

(Zuruf des Abg. Schlager. — Abg. Hirsch: Die anderen waren anderer Meinung!)

— Also, Herr Kollege Hirsch, ich habe sehr sorgfältig die Presse verfolgt. Es war kurz vor der Weihnachtspause, als die Entwürfe vorgelegt wurden, bzw. wir bekamen sie erst in der Weihnachtspause. Die ersten Reaktionen kamen ja von solchen
Zeitungen, von denen man bestimmt nicht sagen kann, daß sie linksradikal eingestellt seien.

(Abg. Dorn: Vom „Rheinischen Merkur" und ähnlichen!)

Vielmehr war es z. B. die FAZ, die gleich am 18. Dezember die Bedenken äußerte

(Abg. Schlager: Aber im Grunde zugestimmt hat, Frau Kollegin!)

und auf folgendes hinwies:
Die Verhaftung eines Menschen greift tief in seine Grundrechte ein. Ihre Voraussetzungen müssen daher einschränkend und konkret formuliert sein.
Sie wendet sich gegen eine Generalklausel, wie sie ja von Ihnen vorgesehen ist.

(Zurufe.)

— Aber Sie müssen sich darüber klar sein, versteckt ist natürlich die Generalklausel bei Ihrer Antwort mitenthalten,

(Zuruf: Wo denn? Das müssen Sie sagen!)

und ihre Formulierungen schließen einen Mißbrauch nicht aus.

(Sehr richtig! bei der FDP. — Zuruf des Abg. Hirsch.)

Ich kann Ihnen nur das eine wieder sagen, was ich bereits 1964 gesagt habe.
Damals habe ich gesagt: Wir machen die Gesetze nicht nur für heute; wir machen sie nicht nur für die jetzige Generation von Richtern und Staatsanwälten, bei denen ich davon überzeugt bin, daß sie sie im rechtsstaatlichen Sinne anwenden, sondern wir müssen auch und gerade im Hinblick auf die Vergangenheit die Gefahr erkennen und uns fragen, was von Richtern mit einer anderen Mentalität gegebenenfalls mit derartigen Gesetzen in späteren Jahren gemacht werden kann. Das war doch die Crux, daß der Nationalsozialismus nach 1933 Gesetze aus der Weimarer Zeit in seinem Sinne mißbrauchen konnte. Aus dieser Erfahrung müssen wir lernen, müssen wir vermeiden, daß das wiederkommt.

(Abg. Schlager: Es ist aber eine ganz neue Generation herangewachsen. Sie können heute nicht mehr sagen, das seien die Richter von gestern! — Zuruf des Abg. Hirsch. — Abg. Dorn: Sie müssen erst mal zuhören!)

Sie dürfen sich auch nicht wundern, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, daß im Zusammenhang mit Ihren Vorlagen die Assoziation zu dem, was damals gewesen ist, wieder auftaucht. Herr Kollege Hirsch, Sie dürfen sich nicht wundern, wenn man auf einmal wieder mit Schrekken an die Schutzhaft denkt. Sie dürfen sich nicht darüber wundern, und wenn Sie zehnmal sagen: das war eine polizeiliche Maßnahme. Denken Sie auch daran, daß im Jahre 1935 § 112 in die Strafprozeßordnung aufgenommen worden ist. Das gehörte doch alles zusammen. Auch § 112 StPO wurde



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
mißbraucht und führte zur Rechtlosigkeit. Deswegen müssen wir um so sorgfältiger darauf achten, daß dies nicht wieder möglich ist. -

(Beifall bei der FDP. — Zurufe von der SPD.)

In dem Zusammenhang darf ich noch auf das hinweisen, was, wie in dem Protokoll zu lesen ist, 1964 der damalige Justizminister Bucher gesagt hat. Im „Spiegel" wurde die Rede zwar lobend erwähnt, aber ohne seinen Namen zu nennen. Er hat sich sofort gegen die Ausdehnung gewandt, wie sie damals seitens der CDU gewollt wurde. Hauptverfechter war damals Herr Kollege Kanka. Es wurde aber auch von Ihnen, Herr Kollege Güde, unterstützt.

(Abg. Dr. h. c. Güde: Ich bekenne mich dazu!)

Ich möchte Sie bitten, sich das doch noch einmal zu überlegen. Die Generalklausel, die auch in den damaligen Vorschlägen enthalten war, taucht in dem, was die CSU vorgelegt hat, massiv wieder auf. Mit diesen Vorschlägen hat sich die Kritik schon gar nicht mehr sachlich auseinandergesetzt, weil sie einfach nicht diskutabel sind. Wenn es eine kritische Auseinandersetzung in der Presse und in der Wissenschaft gegeben hat, bezog sie sich auf die offiziellen Vorschläge der Koalitionspartner, nicht aber auf die der CSU.
Das, was damals Herr Bucher gegen eine Ausdehnung der Haftgründe auf den der Wiederholungsgefahr gesagt hat, was Herr Kollege Busse damals gesagt hat und was auch ich — entschuldigen Sie, daß ich mich selbst nenne — gesagt habe, können wir heute in diesem Zusammenhang Wort für Wort wiederholen. Daran hat sich nichts geändert; denn das Rechtsstaatliche ist bei den Freien Demokraten eben sehr tief verankert. Über diese Frage brauchten wir in der Partei oder in der Fraktion oder im Arbeitskreis auch gar nicht lange zu diskutieren. Für uns stand eindeutig fest, daß solche Vorschläge indiskutabel sind.

(Abg. Hirsch: Nach dem Motto: Tatsachen interessieren uns nicht; das Urteil nehmen wir vorweg!)

- Ich darf fortfahren.

(Abg. Dorn: Sie haben sich Ihrem Partner inzwischen angepaßt. Das haben wir zur Kenntnis genommen!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521115400
Meine Damen und Herren, ich bitte, die leider geringe Besetzung des Saales nicht durch zusätzliche Lautstärke bei Zwischenrufen von rechts und links auszugleichen.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0521115500
Ich darf jetzt noch auf weitere Bedenken zum Inhalt Ihrer, wie Sie meinen, mit so vielen Sicherheitsklauseln versehenen Formulierung ganz kurz eingehen. Ist Ihnen nicht wenigstens aufgefallen, daß sich nach Ihrem Entwurf ein Beschuldigter nur dringend verdächtig zu machen braucht, wiederholt gegen die Bestimmungen über Körperverletzung oder über den Schutz des Eigentums verstoßen zu haben? Er braucht also
noch nicht einmal vorher irgendwie straffällig geworden zu sein. Es genügt nur der Verdacht einer Wiederholung; dann wollen Sie ihn schon in Vorbeugungshaft nehmen! So steht es hier.

(Abg. Hirsch: Lesen Sie doch den ganzen Text!)

— Herr Kollege Hirsch, Sie sind ein viel zu guter Jurist, um das nicht bei der Formulierung erkannt zu haben.

(Abg. Schlager: Lesen Sie doch den. Tatbestand nach! — Zuruf des Abg. Hirsch.)

— Schön, Herr Kollege Schlager und Herr Kollege Hirsch, dann werde ich Ihnen die Formulierung vorlesen.

(Abg. Schlager: Ja, bitte!)

Der von Ihnen vorgeschlagene § 126 b Abs. 1 beginnt: „Ist der Beschuldigte dringend verdächtig ...".

(Abg. Schlager: Was heißt denn das nach dem Sprachgebrauch?)

— Daß heißt doch nicht, daß er deswegen vorher schon einmal verurteilt worden sein muß. Das schließt das doch nicht ein.

(Abg. Schlager: Aber es muß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Wiederholungsgefahr gegeben sein!)

— Herr Schlager, kommen Sie öfter in den Rechtsausschuß, dann werden Sie vielleicht besser über die Rechtsfragen urteilen können, als wenn Sie nur im Innenausschuß sind. Entschuldigen Sie diese etwas harte Bemerkung.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Schlager: Das ist eine sehr billige Bemerkung! — Zuruf des Abg. Hirsch. — Zuruf des Abg. Dorn.)

— Herr Hirsch, ich wende mich im Augenblick ja nicht gegen die Nummern 1 und 2. Ich mache Sie lediglich darauf aufmerksam, daß Sie keine irgendwie einschlägige Verurteilung voraussetzen. Nach § 126 b Abs. 1 genügt es, wenn sich jemand dringend verdächtig macht. Dann folgt Nr. 3:
wiederholt ein die öffentliche Sicherheit und Ordnung empfindlich beeinträchtigendes Verbrechen oder Vergehen ...
und danach folgen dann a) und b). Ich gebe Ihnen recht, in den Zeitungsmeldungen ist vielfach nicht erkannt worden, daß sich dieser Satz auf die Tatbestände nach a) und b) bezieht und daß insofern keine Generalklausel vorliegt.

(Aha-Rufe bei der SPD.)

— Aber Sie müssen mir doch recht geben: Wo steht in Ihrem Entwurf, daß vorher eine einschlägige Verurteilung erfolgt sein muß?

(Zuruf von der FDP: Nirgendwo! — Abg. Schlager: Das hat ja auch niemand behauptet! — Abg. Hirsch: Es muß ja auch nicht; das ist etwas anderes!)





Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521115600
Meine Damen und Herren! Sie haben das Redit, Zwischenfragen zu stellen. — Einen Moment, Herr Genscher! — Ich meine, Sie sollten die Zwischenrufe aber doch ein wenig beschränken. Wir haben ja viel Zeit, alles ausführlich zu diskutieren. Jeder kann sich noch zu Wort melden.
Jetzt frage ich Sie, Frau Abgeordnete Dr. DiemerNicolaus, ob Sie dem Abgeordneten Genscher eine Zwischenfrage gestatten.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0521115700
Ja.

(Abg. Schlager: Mir haben Sie das verweigert!)

— Ich darf mir ja aussuchen, mit wem ich diskutiere und wem ich Zwischenfragen gestatte.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Schlager: Das ist eine sehr willkürliche Auffassung, die Sie haben!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521115800
Herr Abgeordneter, die Auffassung ist mindestens durch die Geschäftsordnung gedeckt.

(Abg. Schlager: Natürlich, das schon; aber sie weicht der Diskussion aus!)

Jetzt hat Herr Abgeordneter Genscher das Wort.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0521115900
Frau Kollegin, sehen Sie sich in der Lage, durch Verlesen der entsprechenden Stelle des Gesetzentwurfs das Haus noch einmal darüber aufzuklären, daß sowohl der Gesetzentwurf der Koalition als auch der Gesetzentwurf der CSU auf Ersttäter anwendbar sind, obwohl die beiden Herren, die diese Entwürfe hier begründet haben, permanent irreführend von Berufsverbrechern gesprochen haben?

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0521116000
Herr Kollege Genscher, ich kann das nur bestätigen, was Sie gesagt haben.

(Abg. Schlager: Stimmt gar nicht!)

Herr Kollege Hirsch, Sie haben gesagt, wenn der Täter in Freiheit bleibt, sei er geradezu gezwungen, wieder neue Straftaten zu begehen. So etwas gibt es nicht! Daß so etwas gar kein Grund sein kann, hat der Herr Bundesjustizminister ja ganz klar gesagt. Wenn Sie nämlich von einem derartigen Gedanken ausgehen, dürften Sie keinen, der einmal straffällig geworden ist, überhaupt wieder in die Freiheit entlassen, weil immer wieder die Gefahr besteht, daß er doch wieder einmal rückfällig wird. Und nun wollen Sie solche Maßnahmen schon zulassen, bevor überhaupt eine Verurteilung erfolgt!

(Abg. Schlager: Vielleicht kommt er durch die Strafverbüßung zu einer besseren Einsicht!)

Nach Ihrem Entwurf soll das sogar möglich sein, wenn der Betreffende zum erstenmal auffällig geworden ist und Wiederholungsgefahr besteht.

(Zuruf des Abg. Schlager.)

Und wie ist es mit dem sogenannten Mengenrabatt" bei der Bildung der Gesamtstrafe? Das stimmt ja alles gar nicht. Bitte lesen Sie doch einmal die Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform nach, in denen es um eine fortgesetzte Handlung oder die Bildung einer Gesamtstrafe geht. Dann werden Sie feststellen, daß die Rechtswissenschaft der Auffassung ist, daß das heutige Verfahren, nach dem für die einzelnen Straftaten immer einzelne Strafen ausgewiesen werden, die nachher zu einer Gesamtstrafe zusammengezogen werden, eigentlich nicht das Richtige ist. Man soll vielmehr die Gesamtheit der Straftaten im Zusammenhang mit der Gesamtbeurteilung der jeweiligen Täterpersönlichkeit würdigen und dementsprechend die Strafe festsetzen. Das ist das Richtige.

(Beifall bei der FDP.)

Es ist doch selbstverständlich, daß, wenn jemand mehrere Straftaten begangen hat oder wenn er gar noch Straftaten begangen hat, nachdem die ersten entdeckt worden sind, mit viel härteren Maßnahmen durchgegriffen werden muß. Auch sollte man die Strafrahmen, .die in unserem Strafgesetzbuch enthalten sind, 'entsprechend ausschöpfen. Das geschieht heute gar nicht. Wenn Sie sich die Verurteilungen und die Höchststrafen ansehen, werden Sie erkennen, daß die Strafrahmen mit Ausnahme von lebenslänglicher Freiheitsstrafe nicht ausgeschöpft werden.
Ich bin ,der Meinung, daß z. B. Rocker wegen ihrer Gewalttätigkeiten sehr schnell abgeurteilt werden könnten und sollten und daß hier gegebenenfalls auch eine ganz empfindliche Freiheitsstrafe am Platze ist. Obwohl wir als Freie Demokraten sehr viel Sinn für die Freiheit des einzelnen Bürgers haben, haben wir volles Verständnis dafür, daß der Bürger in Rechtsfrieden leben will und einen Schutz vor Gewalt gegen Personen und Sachen haben muß, ob es sich nun um Demonstranten handelt oder um andere Taten. Diese Aufgabe des demokratischen Staates muß erfüllt werden,

(Beifall bei der FDP — Zuruf von der SPD: Aber wie?)

aber nicht mit unrechtmäßigen, sondern nur mit verfassungskonformen Maßnahmen.

(Abg. Hirsch: Mit welchen denn, Frau 'Kollegin?)

— Herr Kollege Hirsch, jetzt darf ich wieder auf !das zurückkommen, was der Herr Bundesjustizminister aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zitiert hat. Auch die Rechtsanwaltskammer und der Rechtsanwaltsverein haben durch den sehr angesehenen Herrn Kollegen Dr. Dahs ausführlich dazu Stellung genommen. Sie haben auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen, nach dem die Annahme der Wiederholungsgefahr bei ,den Sittlichkeitstätern gerade noch der Verfassung entspricht. Denken Sie weiter an das, was der Herr Bundesjustizminister wörtlich zitiert



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
hat und was sich sogar auf Totschlag, also Vernichtung von Menschenleben und schwerste Körperverletzungen bezog. Unter diesem Gesichtspunkt sehe ich überhaupt keine Möglichkeit, Ihren Gesetzentwurf noch irgendwie als verfassungskonform zu bezeichnen. Da es selbst bei so schweren Vergehen gegen die körperliche Unversehrtheit abgelehnt wird, eine Wiederholungsgefahr allein als Haftgrund anzuerkennen, sehe ich keine Möglichkeit dafür, gegebenenfalls schon bei Vermögensdelikten in der Wiederholungsgefahr einen Haftgrund zu sehen.
Ich weise weiter darauf hin, was der Herr Bundesjustizminister mit Recht gesagt hat. In allem, was Sie anführen, Herr Kollege Hirsch, heißt es: Hatte keinen festen Wohnsitz, mußte deshalb entlassen werden. Das stimmt nicht, das ist ja so nicht richtig.

(Abg. Dr. Arndt [Hamburg] : Das ist die ständige Praxis!)

— Entschuldigen Sie, Herr Kollege, die Praxis ist unterschiedlich. Sie haben vom Herrn Bundesjustizminister gehört, daß die Praxis in Berlin eine andere ist und deshalb von dort aus kein Bedürfnis besteht, hier eine Änderung vorzunehmen.

(Abg. Schlager: Aber warum!)

— Herr Kollege Schlager, es kommt darauf an, daß man, bevor man mit solchen dubiosen Gesetzentwürfen kommt, wie es der Ihre ist,

(Abg. Schlager: Dubios? Wir können nicht genug tun, um diese Verbrechen zu bekämpfen!)

zuerst einmal weiß, welches Instrumentarium unser gültiges Recht, sowohl das materielle Recht als auch das Strafverfahrensrecht zur Verfügung stellt.
Hören Sie doch einmal die erfahrenen Strafverteidiger! Lesen Sie doch einmal sorgfältig, was Herr Professor Dr. Dahs gesagt hat,

(Abg. Schlager: Hoffentlich hat er es selber gelesen!)

was Herr Kollege Schmidt-Leichner, auch ein bekannter Strafverteidiger, gesagt hat. Diese Herren kommen übereinstimmend zu der Auffassung, daß wir keine zusätzlichen Maßnahmen brauchen, wenn das, was wir haben, richtig genutzt wird.

(Abg. Dorn: Sehr gut!)

Dann darf ich auf einen weiteren Punkt hinweisen. Herr Kollege Hirsch, Sie haben wiederholt von Herrn Professor Klug gesprochen. Dabei haben Sie einen Satz gesagt, der auf keinen Fall stimmen kann; dazu kenne ich Herrn Professor Klug inzwischen zu gut. Vielleicht haben Sie sich versprochen, als Sie sagten, Professor Klug wende sich ja überhaupt gegen eine Einschränkung der Freiheit. Professor Klug weiß durchaus, daß gegebenenfalls zum Schutze der Allgemeinheit auch die Freiheit genommen werden muß, daß der Staat als Rechtsstaat nur dann den Bürgern den Schutz geben kann, wenn die Strafgesetze auch entsprechend angewandt werden.

(Abg. Dorn: Sehr richtig!)

Die anderen Grundsätze, die Professor Klug herausgearbeitet hat, und zwar in der ,,Zeitschrift für Rechtspolitik" — Sie wissen, das ist die Beilage zur „Neuen Juristischen Wochenschrift" —, im Januarheft von 1969, werden von meiner Partei in vollem Umfange unterstützt.

(Beifall bei der FDP.)

Da ist mit der wissenschaftlichen Klarheit eines angesehenen Rechtslehrers folgendes herausgestellt worden:
1. Die Anordnung und Vollstreckung der Freiheitsentziehung, ohne daß Flucht- oder Verdunkelungsgefahr vorliegt, ist in Wirklichkeit die Verhängung einer Strafe ohne vorherige rechtskräftige Feststellung der Schuld des Verdächtigen. Sie verletzt das Schuldprinzip („keine Strafe ohne Schuld") und damit einen tragenden Grundsatz für eine rechtsstaatliche Strafjustiz. Vorbeugehaft ist Verdachtsstrafe.
Sie sagen dann, Herr Kollege Hirsch, und zwar vor allen Dingen in bezug auf jugendliche Heranwachsende, es müsse dafür gesorgt werden, daß diese Vorbeugehaft wirksam gestaltet werde und keine verlorene Zeit sei. Herr Kollege Hirsch, die Strafvollzugskommission, in der ja auch Ihre Fraktion Vertreter hat, tagt; und wenn man dort an den Tagungen teilnimmt — wie ich das erst jetzt wieder getan habe —, weiß man doch, daß ein sinnvoller Strafvollzug mit dem Sinn der Resozialisierung des Straffälligen — woran auch gerade Ihnen liegt — erst dann eintreten kann, wenn eine Verurteilung erfolgt ist, erst wenn man weiß, ob er schuldig gesprochen wurde, weshalb er schuldig gesprochen wurde und welche Strafe verhängt wurde. Das können Sie nicht in der Untersuchungshaft machen, auch wenn hier jetzt, da gebe ich Ihnen recht, der Etikettenschwindel von § 112 weggenommen wird und die Haft als Vorbeugehaft bezeichnet wird. Wir — die FDP — hatten seinerzeit gesagt: Das ist eine Sicherungshaft, und Herr Bucher als Justizminister hatte schon 1964 darauf hingewiesen, daß eine Sicherungshaft im Rechtsstaat überhaupt nicht möglich ist. Das ist Entziehung der Freiheit ohne entsprechende Grundlage.

(Abg. Dorn: Sehr richtig!)

Weiter sagt Professor Klug:
2. Gleichzeitig verletzt die Zulassung der Vorbeugehaft das aus dem Schuldgrundsatz folgende Verbot der vorläufigen Vollstreckung im Strafprozeß.
Das ist doch ein Grundsatz, der nicht nur bei uns, in unserem Rechtsstaat, sondern in allen Rechtsstaaten der Welt gilt. Ich bin der Meinung: das ist ein Prinzip, das der Menschenrechtskonvention entspricht.
Professor Klug fährt fort:
3. Ferner folgt die Rechtsstaatswidrigkeit der Vorbeugehaft daraus, daß sie die Unschuldsvermutung der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt. In Art. 6 II MRK heißt es bekanntlich: „Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist." Infolgedessen darf keine Strafe vor rechtskräftiger Feststellung der Schuld vollstreckt werden.

(Abg. Dr. Arndt [Hamburg] : Die sieht das doch sogar vor!)




Frau Dr. Diemer-Nicolaus
— Herr Kollege, Sie dürfen in diesem Falle nicht nur den Art. 5 der Menschenrechtskonvention sehen, Sie müssen die Zusammenhänge sehen, Sie müssen den Art. 6 sehen. Jetzt muß ich doch noch einmal sagen: ich würde Sie bitten, sich die Konvention zu besorgen und die Prinzipien, die zu dieser Konvention eine Kommission der Menschenrechtskommission aufgestellt hat, damit Menschen nicht unschuldig in Untersuchungshaft genommen werden können. Das alles müssen Sie im Zusammenhang sehen; dann werden Sie erkennen, daß diese Vorbeugehaft auch dem Geiste der Menschenrechtskonvention widerspricht.
Und was geschieht nachher, wenn einer freigesprochen wird? Nur eine „angemessene Entschädigung"? Die Freiheit, die er eingebüßt hat, gibt ihm niemand wieder, die Sorge, die Nöte, die die Familie hat, entschädigt der Familie niemand, auch die Diffamierung wird nicht wiedergutgemacht, die er in der Öffentlichkeit erfahren hat, und zwar ohne daß die klassischen Haftgründe gegeben waren, ohne daß ein ordnungsmäßiges Verfahren durchgeführt wurde. Da nutzt nachher auch keine geldliche Entschädigung, zumal — das haben die Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers ergeben — die Länder leider der Hinderungsgrund sind, zu einer vernünftigen Lösung zu kommen. Meine Damen und Herren von der Großen Koalition, Sie stellen die Ministerpräsidenten in allen Ländern. Da muß es doch wundern, daß ein solch wichtiges Anliegen nicht endlich einmal zu einem gerechten Ziel geführt werden kann.

(Beifall bei der FDP.)

Wir als Freie Demokraten möchten mit Professor Klug sagen, wie er zusammenfassend formuliert:
Mit der Einführung der Vorbeugehaft ist der Weg der rechtswidrigen Ausuferung des Haftrechts beschritten. Unter dem Deckmantel kriminalpolizeilicher Zweckmäßigkeit wird der verfassungsrechtlich so wesentliche Freiheitsschutz in unzulässiger Weise eingeschränkt. Vorbeugehaft ist Sicherungshaft oder, wie man 1945 in zynischer Perversion zu sagen pflegte, Schutzhaft. Die unabweisbaren Assoziationen sind bedrohlich.

(Abg. Schlager: Das ist aber Demogogie!)

Meine Damen und Herren, ich will jetzt nicht auf das eingehen, was Herr Kollege Hirsch noch zum Schluß zu der Reform des Strafrechts gesagt hat. Ich hoffe nur, daß es nachher bei der Abstimmung über die Reform des materiellen Strafrechts nicht solche Pannen gibt wie im Zusammenhang mit einer Ausdehnung der Untersuchungshaft. Ich hoffe, daß Ihr rechtsstaatliches Gewissen Sie dann nicht so im Stiche läßt, wie es jetzt der Fall ist. Wir als Freie Demokraten sind, da die Grundsätze seit 1964 klar liegen und das Bundesverfassungsgericht hier ganz klar die Grenzen aufgezeigt hat, der Auffassung, daß wir unsere Zeit, die nur noch so kurz ist, in den Ausschüssen nicht mehr mit diesen Gesetzen belasten sollten.
Lassen Sie uns doch statt dessen im Rechtsausschuß erst einmal zwei Gesetze beraten, die seit
langem auf dem Tisch des Hauses liegen — allerdings von der FDP — und die Sie bisher nicht zu beraten bereit waren. Das ist einmal die für die Strafverfahrenspraxis wirklich so dringend notwendige bundeseinheitliche Regelung des Zeugnisverweigerungsrechts der Presse.

(Abg. Dorn: Sehr richtig!)

Warum wird denn das von Ihnen nicht weiterberaten? Das „Spiegel"-Urteil liegt jetzt zwei Jahre zurück, und es ist immer noch nichts geschehen. Das sollte der Bundestag noch erledigen.

(Abg. Hirsch: Darf ich Sie darauf hinweisen, daß das auch ein Entwurf von uns ist! Aber das haben Sie vergessen!)

Und ein anderes, Herr Kollege Hirsch: Der § 48 des Ehegesetzes schlummert auch noch. Es hat aber den Anschein, daß sich die Große Koalition, wenn die FDP gute Gesetzentwürfe einbringt, scheut, Farbe zu bekennen, und daß sie wichtige Probleme ausklammert, weil sich die Koalitionspartner darüber nicht einig sind.

(Abg. Dorn: Sehr richtig!)

Sie bringt dann aber eingeklammert Probleme, die in dieser Legislaturperiode, gar noch mit einem großen Hearing — wo wollen Sie denn die Zeit dazu hernehmen —, bestimmt nicht mehr gelöst werden können.
Wir werden uns deshalb gegen die Überweisung dieser beiden Gesetzesvorlagen wenden. Wir beantragen heute schon eine Abstimmung darüber vorzunehmen.
Etwas anderes ist es mit dem dritten Gesetzesantrag, der vorhin vom Kollegen Dichgans begründet wurde, der aber erst heute auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Herr Kollege Dichgans, wir hatten nicht die Möglichkeit, diese Probleme im Arbeitskreis zu beraten. Wir können deshalb heute dazu auch nicht Stellung nehmen. Daß alles dies nicht so einfach ist, wie Sie sagten, darauf hat der Herr Bundesjustizminister hingewiesen. Wir sind der Meinung, daß natürlich unsere Richter und Gerichte ohne Druck richten und zu gerechten Urteilen kommen müssen. Ich will darüber nichts weiter sagen. Aber der Begriff des Contempt of Court im Englischen geht weit über das hinaus, was jetzt von Ihnen angesprochen ist.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521116100
Das Wort hat der Herr Senator für Justiz der Freien und Hansestadt Hamburg.
Schulz, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Frau Diemer-Nicolaus nur einige Bemerkungen. Erstens. Im Zusammenhang mit dem Koalitionsentwurf von einer Generalklausel zu sprechen, wie Sie es getan haben, ist einfach schlicht falsch.
Zweitens; zum Punkt Mißtrauen: Sie haben erwähnt, daß in der Nazi-Zeit Gesetze der Weimarer Zeit von Richtern im Sinne der damaligen Staats-



Senator Schulz
führung mißbraucht worden seien. Frau DiemerNicolaus, ein Gesetz, das in einer Diktatur von Richtern, die bereit sind, sich der Diktatur zu beugen, nicht mißbraucht werden kann, wird auch dieser Bundestag auf keinem Gebiet schaffen können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Drittens; zum dringenden Tatverdacht: Frau Diemer-Nicolaus, Sie wissen so gut wie ich, daß bei der Anwendung der hier vorgeschlagenen Bestimmung der Grad der Überzeugung des Richters, daß der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Tat auch tatsächlich begangen hat, wesentlich höher ist als beim rechtsstaatlich unbestrittenen Haftgrund der Verdunkelungsgefahr, bei dem eben die Sicherheit, daß er diese Tat begangen habe, wesentlich geringer ist. Sonst kann nämlich vom Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht gesprochen werden.
Ich will mich im wesentlichen auf eine kurze Stellungnahme zu den drei in der Diskussion bisher angebotenen Alternativen zu diesem Entwurf beschränken.
Die erste Alternative wäre ,die Legalisierung und Ausweitung dessen, was ich einmal die „Berliner Praxis" nennen möchte. Diese Berliner Praxis scheint mir in sehr vielen Fällen über die Grenze des geltenden Rechts hinauszugehen.

(Abg. Schlager: Sehr gut! Genau!)

Im übrigen ist die Fluchtgefahr in Wirklichkeit nach aller Erfahrung in der Regel auch dann nicht gegeben, wenn eine hohe, eine empfindliche Strafe zu erwarten ist. Es ist einfach nicht wahr, daß in diesen Fällen Fluchtgefahr besteht. Wenn wir diese Praxis weiter ausdehnen und sie legalisieren, dann haben wir — meine Damen und Herren, seien Sie sich darüber klar — einen Haftgrund der Wiederholungsgefahr ohne die Kautelen, die der Entwurf der Koalitionsfraktionen vorsieht, und wir nennen das dann schlicht und vornehm, aber falsch und unehrlich „Untersuchungshaft".

(Abg. Schlager: Wie vor 1965!)

Zweitens ist erwogen worden und wird erwogen, an Stelle einer solchen Gesetzesänderung doch lieber die gesetzlichen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen für eine schnellere Abwicklung unserer Strafverfahren zu schaffen. Ich habe nicht ,den geringsten Zweifel daran, daß unsere Strafverfahren erstens schneller abgewickelt werden müssen als bisher und daß sie zweitens bei vernünftigen organisatorischen Maßnahmen auch schneller abgewickelt werden können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das steht überhaupt nicht in Rede. Hier geht es aber nicht darum, die Strafverfahren etwas schneller als bisher zu betreiben, sondern hier kann es doch, wenn das eine echte Alternative zu diesem Entwurf sein soll, nur darum gehen, zu Verfahrensdauern zu kommen, die nach Tagen, äußerstenfalls nach Wochen, zu bemessen wären. Nun meine ich, daß es gerade in einem Staat, der sich einen sozialen Rechtsstaat nennt, die Aufgabe des Richters eben nicht nur sein darf, festzustellen, ob die Tat am Tage oder zur Nachtzeit begangen ist, oder festzustellen, ob die Tür verschlossen war und aufgebrochen werden mußte oder nicht. Er soll wenigstens auch den Versuch machen, festzustellen, wie die persönlichen Umstände ,des Täters zur Zeit der Tat waren, ja, er muß wenigstens doch den Versuch machen, zu Feststellungen darüber zu kommen, wie dieser Mensch, der vor ihm steht, dazu kommen konnte, ein Verbrecher zu werden; er muß wenigstens den Versuch machen, den sozialen, den familiären Hintergrund dieses Mannes festzustellen. Es ist, wenn das alles berücksichtigt werden soll, praktisch unmöglich und ausgeschlossen, zu einer Verfahrensdauer von Tagen oder Wochen zu kommen. Will man diese Bedenken zurückstellen und gleichwohl unsere Gerichte zu solchen Schnellverfahren im untechnischen Sinne zwingen, scheint mir das ein erheblicher kriminalpolitischer Rückschritt zu sein.

(Zustimmung bei der SPD.)

Schließlich die Vorschläge, die in Richtung auf eine Änderung der Strafzumessungspraxis und eine Änderung der Vorschriften über die Bildung einer Gesamtstrafe gehen. Ich gebe zu, daß diese Erwägungen zunächst bestechend klingen. Ich wäre aber dankbar, wenn bei den Beratungen in diesem Hause und im Ausschuß wenigstens drei Einwendungen, die man in diesem Zusammenhang wohl bringen muß, sorgfältig geprüft würden.
Erstens. Ich würde meinen, ein solcher Vorschlag kann seinen Ursprung aus der Abschreckungstheorie nicht ganz verleugnen. Die Vorstellung, durch Verhängung von harten Strafen wirksam abzuschrecken, geht nach aller Erfahrung leider an der Wirklichkeit vorbei. Das ist jedenfalls die Erfahrung, die ich in verschiedenen Positionen im Bereich der Strafrechtspflege gewonnen habe. Wir sollten sehr sorgfältig prüfen, ob wir hier ein wirksames Instrument schaffen oder ob es nicht letzten Endes darauf hinausläuft, nur ein Instrument zu schaffen, das — sicherlich wollen diejenigen das nicht so, die den Vorschlag gemacht haben — letzten Endes nur beruhigend in der Bevölkerung wirkt, tatsächlich aber zu keiner Änderung der praktischen Situation führt.
Der zweite Einwand: Wir sollten alle davon ausgehen, daß der Richter die Strafe — wenn ich es einmal etwas übertreibend ausdrücken darf — nicht mit der Tabelle und gewissermaßen mit der Addiermaschine errechnen soll. Wir müssen und können wohl auch alle davon ausgehen, daß der Richter die Strafe festsetzen soll, die schuldangemessen ist, daß er die Strafe festsetzen soll, die persönlichkeitsangemessen ist, daß er die Strafe festsetzen soll, die eine Resozialisierung möglich macht und fördert. Alle Bestrebungen, zu einer massiven Erweiterung der Strafzumessungspraxis zu kommen, könnten unter diesem Gesichtspunkt auch einen Rückschritt bedeuten.
Schließlich komme ich zum dritten Einwand, den ich bei den Beratungen über diese Vorschläge sehr sorgfältig zu prüfen bitte. Alle diejenigen, die mit dem Strafvollzug zu tun haben, wissen, daß die Verbüßung allzu langer Freiheitsstrafen — das fängt bei fünf, sechs Jahren an, und das sind Zeiträume, die



Senator Schulz
hier in Rede stehen, wenn man zwei Gesamtstrafen bildet — nur noch ein Ergebnis hat: daß der Gefangene zerbrochen wird. Ich wäre sehr dankbar, wenn man prüft, ob es nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreiben heißt, wenn man, um vier Monate Vorbeugungshaft zu vermeiden, vier Jahre Zuchthaus dranhängt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521116200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Güde.

Dr. Max Güde (CDU):
Rede ID: ID0521116300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will versuchen, Ihre Geduld nicht allzusehr auf die Probe zu stellen. Aber erlauben Sie mir, daß ich nun auch einiges sage, und zwar aus einer gewissen beruflichen Erfahrung heraus. Herr Kollege Hirsch hat vorhin für sich gesagt, er habe noch keinen ins Gefängnis geschickt, sondern allenfalls einige herausgeholt. Das kann ich natürlich nicht sagen.

(Heiterkeit.)

Ich habe 37 Jahre hindurch einige ins Gefängnis schicken müssen, und es ist mir nicht immer leichtgefallen. Ich sage zur menschlichen Einfärbung auch ganz offen: als ich selbst meiner Freiheit beraubt war, nämlich als Kriegsgefangener, habe ich mir sehr ernstlich überlegt, ob ich alle Fälle, in denen ich jemand ins Gefängnis geschickt hatte, auch genügend geprüft hatte, und habe mir vorgenommen, das in Zukunft ganz bestimmt zu tun. Daher darf ich, wenn auch die verehrte Kollegin Frau Diemer-Nicolaus den Finger mahnend auf mich gehalten hat, weil ich so ein Freund der Untersuchungshaft sei, sagen: Nein, das bin ich bei Gott nicht. Es ist mir immer schwergefallen, Untersuchungshaft zu beantragen und zu verhängen; aber ich habe beides tun müssen.
Ich sage auch zu dem Herrn Bundesjustizminister: Auch wir wollen die Grundlagen der Reform von 1963/64 nicht anzweifeln, sondern bei ihnen bleiben. Es dreht sich nur darum, ob bei der Reform eine Lücke entstanden ist und ob die Lücke rechtsstaatgerecht gefüllt werden kann, nichts anderes.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.) Ein ganz nüchternes Anliegen!


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521116400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Max Güde (CDU):
Rede ID: ID0521116500
Ja, selbstverständlich.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0521116600
Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege Güde, daß sich gerade auch die führenden Herren der Polizei in der öffentlichen Anhörungssitzung ausdrücklich zu den 'Grundsätzen der Reform bekannt haben? Das ist sehr interessant, weil diese ja jahrelang umstritten war.

Dr. Max Güde (CDU):
Rede ID: ID0521116700
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich habe das mit großer Aufmerksamkeit gelesen, weil ich meine, es sei notwendig, das Ergebnis dieser öffentlichen Informationssitzung in das Tableau aufzunehmen. Nur dann kann man in der Tat rund beurteilen, um was es sich handelt.
Als uns Ihre Antragsfassung, Herr Kollege Hirsch, vorgelegt wurde, habe ich innerhalb meiner Fraktion gesagt: Ja, wir wollen uns anschließen. Ich habe es nicht gesagt, weil ich davon überzeugt war, daß die Fassung Ihres Entwurfs die letzte Richtigkeit habe, sondern weil ich es für angebracht hielt — vor allem nach der öffentlichen Informationssitzung in Ihrem Ausschuß, Herr Schmitt-Vockenhausen —, das Thema wieder sachgemäß in den Griff zu bekommen. Dafür schien mir Ihr Antrag, meine sehr geehrten Herren von der SPD, ein geeigneter Anlaß.
Ich habe mich weder mit dem Antrag meiner Freunde und Kollegen aus der CSU noch mit dem Ihrigen identifiziert, sondern meine Intention ist, daß die Materie noch einmal geprüft werden möge, sachlich geprüft werden möge. Nur sage ich, weil ich nicht weiß, ob mein Kollege Schlager noch einmal hier heraufkommen kann: Daß Sie, Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus, den Entwurf der CSU als dubios bezeichnen, muß ich bedauern und zurückweisen. Sie können nicht abstreiten, daß der Antrag eine sachliche Konzeption enthält — ob sie Ihnen gefällt oder nicht; mir gefällt sie nicht so ganz. Aber „dubios" zu sagen, das geht zu weit.
Ich gebe auch zu, meine Damen und Herren, daß ich mich natürlich über die Umkehr der SPD gefreut habe;

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP.)

denn in der Tat sind bei der Beratung des Strafprozeßänderungsgesetzes eine ganze Reihe von meinen damaligen Anregungen mit sehr harten Worten von Ihnen verworfen worden.
Ich will gar nicht so breit auf diesen Punkt eingehen; ich will bloß sagen: Damals ist es uns geschehen, daß der Justizminister der Kleinen Koalition, Herr Dr. Bucher, gegen mich polemisiert hat. Diesmal haben Sie, meine Herren Kollegen von der SPD, den Vorzug gehabt, daß sich der jetzige Herr Bundesjustizminister auch von Ihrem Antrag deutlich distanziert hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP.)

Das muß eine Tradition der Rosenburg sein, daß es so ist.

(Zuruf von der FDP: Das kommt von Dehler! — Abg. Mischnick: Eine gute Tradition! — Das sollte uns jedenfalls zu denken geben! Meinen Sie nicht?)

— Ich will nicht sagen, daß das eine schlechte Tradition ist; es mag dem Bundesjustizminister anstehen, daß er vorsichtig prüft, sich vorsichtig äußert. Ich sage nur: es befriedigt mich ein wenig, daß Sie diese Erfahrung, die ich schon gemacht habe, auch machen dürfen.
Selbstverständlich habe ich mich beim ersten Lesen an dem Wort „Vorbeugungshaft" gestoßen. Es hat mich erschreckt; aber ich habe geglaubt, darüber hinweggehen zu können, weil ich dachte, daß



Dr. h. c. Güde
sich das im Laufe der Beratungen regulieren ließe. Darin habe ich mich getäuscht wie Sie, Herr Hirsch, auch. Was dann geschehen ist, ist in der Tat erschreckend wegen der Mißdeutbarkeit und Mißdeutung, die Sie und wir mit diesem Wort haben erfahren müssen, erschreckend, weil die Diskussion in der Öffentlichkeit doch reichlich oberflächlich war und sich vielfach einfach mit Wort- und Klangassoziationen zu dem Wort „Vorbeugungshaft" begnügt hat.
Das geht in der Tat, wie Sie, Herr Hirsch, gesagt haben, bis zu den Leuchten der Wissenschaft hin. Aber die Leuchten der Wissenschaft sind eben auch nicht immer ganz hell, so daß mich das nicht verwundert. Die Worte „Professor" und „Wissenschaft" allein können mich nicht erschrecken.

(Abg. Könen [Düsseldorf] : Oder Richtstrahler, Herr Güde! In einer Richtung sind sie Leuchten, dahinter nicht! — Weitere Zurufe von der SPD.)

Meine Damen und Herren, ich muß leider noch einmal sagen, worauf es ankommt. Dazu muß man zuerst festhalten — worauf Herr Kollege SchmittVockenhausen mit Recht drängt —, daß der Ruf, der ganz betonte Ruf — man muß fast sagen: der gequälte Ruf — der Polizei für die SPD der Anlaß war. Es war nicht — da bin ich mit Herrn Schlager nicht einverstanden — irgendeine Popularitätshascherei, sondern der jahrelange wehklagende Ruf der Polizei. Damit muß man sich auseinandersetzen. Bisher habe ich mich nicht davon überzeugen können, daß dieser Ruf widerlegt worden ist.
Ich muß einiges rein zahlenmäßig ausführen; das sind keine Ausnahmefälle, sondern das ist eine Zusammenstellung von 100 normalen Fällen, und zwar von Mehrfachtätern. Ich zitiere aus der Zeitung „Kriminalistik" vom Oktober 1968. Ich lese bloß das Unentbehrliche vor. Es werden 100 Fälle von Mehrfachtätern untersucht: ob überhaupt Haftbefehl ergangen ist oder nicht und wenn, wann, nach welcher Tat und nach welcher Vorführung.
Ohne Haftbefehl blieben in diesen drei Jahren 56 Täter von den 100 mit insgesamt 680 — pro Täter also durchschnittlich 12,1 — einschlägigen Straftaten. An der Spitze derer, die überhaupt nicht in Haft waren, liegt ein Täter mit 53 Straftaten.
Nun kommt eine zweite Zahlengruppe von 44 Mehrfachtätern aus diesen 100. Aus dieser Übersicht ergibt sich, daß 35 dieser Täter im Durchschnitt je 26,9 einschlägige Straftaten begangen haben. 16 von den 35, also rund die Hälfte, mußten fünf- bis neunzehnmal dem Haftrichter vorgeführt werden, bis dieser einen Haftbefehl erließ. Dieser, der neunzehnmal dem Haftrichter vorgeführt wurde, hatte inzwischen 104 Straftaten begangen.
Das ist ein Tableau, das man einfach einmal sehen muß, um zu wissen, wo die Beschwerde liegt. — Frau Diemer-Nicolaus, bitte sehr, wenn der Herr Präsident gestattet.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521116800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521116900
Ja, bitte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521117000
Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0521117100
Herr Kollege Güde, geht aus dieser Darstellung in der Zeitschrift „Kriminalistik" auch hervor, wann nachher das Strafverfahren durchgeführt wurde und wieviel Zeit zwischen der ersten Festnahme und der Durchführung des Strafverfahrens verging?

Dr. Max Güde (CDU):
Rede ID: ID0521117200
Es ist der Polizeipräsident von Wiesbaden, Dr. Ender, der diese Zusammenfassung gibt. Das hat er nicht gesagt, weil es ihm auf das andere ankam, nämlich: Wievielmal mußte einer vorgeführt werden, bis sich der Haftrichter entschloß, einen Haftbefehl zu erlassen? Das geht bis zu 19 Vorführungen, halte ich fest. — Ja, bitte, wenn Sie noch mehr Fragen haben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521117300
Eine Zusatzfrage?

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0521117400
Nur eine Zusatzfrage dazu: Wäre nicht vielleicht ein großer Teil der weiteren Straftaten vermieden worden, wenn das Urteil schneller ergangen wäre, als es hier offensichtlich der Fall war?

Dr. Max Güde (CDU):
Rede ID: ID0521117500
Dazu kann ich ungefähr ja sagen. Aber ich kann nur feststellen, daß eine Praxis besteht, die einen erschrecken läßt.
Dazu muß man ein zweites sagen; Herr Hirsch hat es hervorgehoben. Nach dem Strafprozeßänderungsgesetz verschlechterte sich die Ermittlungsquote schlagartig. Ich sage dazu: Das ist ein psychologischer Schock gewesen, der diesen schlagartigen Rückgang der Ermittlungsquote verursacht hat, ein psychologischer Schock bei den Verfolgungsorganen. Wir wissen, daß die Verfolgungsorgane den sehr unschönen Slogan „Verbrecherschutzgesetz" für das Strafprozeßänderungsgesetz im Munde geführt haben. Das ist sehr bedauerlich und zudem falsch. Ich kann das keinesfalls zugeben. Aber die Folgerung bei den Polizisten war: es hat keinen Sinn, und bei den Richtern: wir dürfen das nicht. Ich bin dem Herrn Senator von Hamburg dankbar, daß er mit Recht gegenüber der Berliner Praxis den Zweifel geäußert hat, ob sie sich überhaupt noch innerhalb des geltenden Rechts bewege, und muß sagen: ja, daran kann man zweifeln. Dann kommen wir nämlich wieder in die apokryphen Haftgründe, von denen ich auch schon früher gesprochen habe. Wenn Sie unabwendbare Bedürfnisse der praktischen Verbrechensverfolgung einfach ignorieren, zwingen Sie die Praxis schließlich, in apokryphe Gründe zu gehen. Ich sage am Rande: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts — oder ist es ein Beschluß? — schreckt mich nicht. Was da steht, ist ein „orbiter dictum" und gehört gar nicht zur Entscheidung dieser Frage. Wenn der Gesetzgeber diese Frage der Wiederholungsgefahr sachgemäß regelt, kann das vom Bundesverfassungsgericht nicht für verfas-



Dr. h. c. Güde
sungswidrig erklärt werden. Das ist meine Überzeugung.
Ich weise im übrigen auf eine ganze Reihe von Stellen in der Anhörung des Innenausschusses hin. Der Generalstaatsanwalt Hühnerschulte hat da z. B. ganz klar gesagt: Ohne irgendeine Regelung der Wiederholungsgefahr kommen wir nicht durch. Auch der Richterbund hat 1960 erklärt und in der Anhörung 1963 durch den Mund des Oberstaatsanwalts und jetzigen Generalstaatsanwalts Bader wiederholt: Die Frage muß geregelt werden.
Mit doktrinären Thesen kann man keine Kriminalität bekämpfen. Man muß sehen, daß es eine Realität ist, die keinen Doktrinen nachgeht. Eine Realität muß man ins Auge fassen und muß sie — natürlich — pragmatisch behandeln. Ideologie ist gut und notwendig, um Richtpunkte zu haben und Prinzipien festzuhalten. Aber Ideologie ist schlecht, wenn sie die Sicht auf die Wirklichkeit versperrt.
Wie seltsam doktrinäre Vorurteile in diese Materie hineinwirken, sehe ich an den Ausführungen von Professor Dahs, den ich .sehr respektiere und verehre, aber dessen Ausführungen in dieser Sache mich seltsam berühren. Herr Dahs hat über den Richter gesagt:
Den Entwürfen kann auch schon deshalb nicht zugestimmt werden, weil sie den Richter zu einem Organ der Strafverfolgung und Verbrechensverhütung herabsetzen würden. Die Aufgaben kriminalpolitischer Prophylaxe sind nicht das Amt des Richters.
Sie haben es gehört: „herabsetzen würden". An einer späteren Stelle steht dann:
Die Gefahr ist für einen Richter um so größer, je mehr er kraft seines Amtes Verfolgungsfunktionen auszuüben hat, wie das bei der Vorbeugungshaft der Fall sein würde. Seine Degradierung zum Verfolgungsorgan kann ihn unfrei machen und gefährdet seine innere Unabhängigkeit.
Als alter Staatsanwalt und Richter kann ich bloß sagen: Ich habe mich nie in meinem Leben herabgewürdigt gesehen, wenn ich die Aufgabe eines Amtes in der Strafverfolgung so gesehen habe, daß ich nicht bloß Verbrechen strafen lasse, sondern daß ich auch im ganzen das Verbrechen, die Kriminalität, bekämpfe und einschränke. Das kann man zwar begrifflich auseinanderschneiden — sehr künstlich —, aber kein vernünftiger Richter wird sich als entwürdigt bezeichnen und als entwürdigt ansehen, wenn er etwas Nützliches tut, um die Verbrechensbekämpfung zu fördern.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Diese Auffassung, wie sie bei Frau Diemer und bei Professor Dahs zum Vorschein kommt, ist im übrigen sehr antiquiert. Das ist ungefähr, wie wenn Chirurgen sich nach einem alten Lehrbuch der Homöopathie orientieren wollten. Denn das moderne Strafrecht, sehr verehrte Frau Kollegin, unterscheidet ja — das ist ein wesentlicher Grundzug — Schuld und Gefährlichkeit.

(Abg. Schlager: Sehr gut!)

Anders kann man es nicht sehen. Wer allein auf die Strafe sieht, der ist antiquiert. Der ganze Entwurf der Strafrechtsreform beruht auf dieser Unterscheidung: daß die Gesamtsanktion besteht in einer der Schuld angemessenen Strafe für eine verschuldete Tat und in einer Maßregel, die der Gefährlichkeit des Täters Rechnung trägt.
Herr Präsident, darf ich eine Frage gestatten?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521117600
Sie dürfen gerne eine Frage von Frau Dr. Diemer-Nicolaus beantworten.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0521117700
Herr Kollege Güde, da wir uns im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform dauernd mit dem Unterschied zwischen Schuld und Gefährlichkeit und den entsprechenden kriminalpolitischen Maßnahmen befassen, darf ich Sie fragen, ob Sie mir zugestehen, daß bei meinen Ausführungen Schuld und Gefährlichkeit nicht verwischt worden sind? Ist aber nicht auch über die Gefährlichkeit und die entsprechende Maßregel grundsätzlich erst nach dem Urteil bzw. in dem Urteil zu entscheiden?

Dr. Max Güde (CDU):
Rede ID: ID0521117800
Genau wie über die Schuld erst im Urteil zu entscheiden ist, so auch über die Gefährlichkeit.

(Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Eben!)

— Im endgültigen Urteil, verehrte Frau Kollegin. Das schließt nicht aus, daß ich als Richter — wenn ich es noch wäre — sowohl Schuld wie die etwaige Gefährlichkeit sehe. Ich werde es Ihnen gleich zeigen..

(Abg. Genscher: Sie entscheiden nach Ihren Vorstellungen ja schon beim Haftbefehl über die Schuld!)

— Nein!

(Abg. Genscher: Natürlich! Sie stellen ja Strafzumessungserwägungen an!)

— Verehrter Herr Kollege Genscher, ich muß mich im Haftbefehl als Haftrichter für die Voraussetzung des dringenden Tatverdachts mit einer vorläufigen, nicht endgültigen Schuldfeststellung begnügen.

(Abg. Genscher: Es geht über Ihren Gesetzentwurf!)

— Welchen?

(Abg. Genscher: So müssen Sie sogar Strafzumessungserwägungen anstellen!)

— Ich bin mit den Gesetzentwürfen, offengestanden, nicht einverstanden. Ich werde das gleich sagen.
Ich lese Ihnen noch, sehr verehrte Frau Kollegin, aus dem Entwurf der Alternativ-Professoren, den Sie in diesem Bundestag eingebracht haben, eine Stelle vor:
Der Alternativ-Entwurf behält das Prinzip der Zweispurigkeit bei, nach welchem grundsätzlich die Reaktion auf die schuldhafte Tat die schuldangemessene Strafe bildet, die Reaktion auf die Gefährlichkeit des Täters dagegen die Maßregel.



Dr. h. c. Güde
Nachher ist im Text die Rede von einem „höchst gefährlichen" Täter. Voraussetzung der Maßregel sei stets eine „adäquate Gefährlichkeit" — Herr Präsident, ich -bin bereit, wenn Sie es erlauben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521117900
Bitte sehr!

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0521118000
Noch eine letzte Frage, hoffentlich!

Dr. Max Güde (CDU):
Rede ID: ID0521118100
Sagen Sie das nicht vorschnell!

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0521118200
Das kommt darauf an, wieweit Sie mich noch angreifen.

(Heiterkeit.)

Habe ich Ihnen jemals in den Beratungen im Sonderausschuß zu Zweifeln Anlaß gegeben, ob ich auch das bei meinen Überlegungen für die Reform genau berücksichtige? Die Frage, wann eine Vorbeugungshaft zu verhängen ist, ist doch nicht nach diesen Schuld- und Gefährlichkeitsmaßstäben zu regeln.

Dr. Max Güde (CDU):
Rede ID: ID0521118300
Nein, gnädige Frau, ich kann Ihnen diesen Vorwurf für den Sonderausschuß Strafrecht nicht machen. Aber ich bin enttäuscht, daß Sie diese Erkenntnis nicht mit in die Debatte über diese Probleme hinübergebracht haben.
Da Sie ja wissenschaftsgläubig sind, verehrte Frau Kollegin,

(Heiterkeit)

zitiere ich aus der Schrift eines Wissenschaftlers, nämlich des Freiburger — ich glaube, jetzt Würzburger — Professors Schmitt.

(Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Eberhard?)

— Nicht Eberhard Schmidt; es ist ein jüngerer Gelehrter, ich weiß nicht mehr seinen Vornamen.

(Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Eberhard war schon gegen § 112 Abs. 3!)

— Ich weiß, was Eberhard Schmidt geschrieben hat. Ich pflege das alles sehr treu zu lesen, weil ich ihn durchaus verehre.
Schmitt schreibt zum Strafprozeßänderungsgesetz und zu dem dort eingeführten Haftgrund der Wiederholungsgefahr, man könnte das — ich zitiere —„als ein revolutionäres Ereignis bezeichnen, nämlich als die endgültige Erstreckung der Zweispurigkeit auf das Strafprozeßrecht. Das ist in der Tat der entscheidende methodische Gesichtspunkt". Er fährt fort: „Hatte der Haftrichter bisher nur zu entscheiden, ob die Festhaltung des Beschuldigten zur Sicherung des Verfahrens erforderlich ist, so muß er sich nunmehr — jedenfalls in vielen Fällen — auch darüber schlüssig werden, ob es notwendig ist, den Beschuldigten zum Schutz der Allgemeinheit schon jetzt festzuhalten.... Dies bedeutet eine Vorwegnahme des zu erwartenden Urteilsinhalts. Der Vergleich" — ich mache ein Fragezeichen an den Rand zu dem, was ich jetzt lese —, „mit der
einstweiligen Verfügung des Zivilprozeßrechts drängt sich geradezu auf, wenn er auch vielleicht nicht gern gehört wird".
Jedenfalls steht vor dem Richter die Doppelspurigkeit mit Strafe und Maßnahme, also die Sanktion in ihrer möglichen Breite. Die Frage ist, wieweit er diesem Gesichtspunkt der Gefährlichkeit Rechnung tragen darf.
Noch ein Zwischensatz, bevor ich versuche, zu sagen, was ich selbst mir für Möglichkeiten denke. Nur ein Zwischensatz: ich höre immer wieder das Wort vom Rechtsstaat, und ich weiß nicht, was mit der Erwähnung bezweckt wird. Der Rechtsstaat besteht für mich und alle ordentlichen Bürger auch darin, daß ich nicht bestohlen, nicht beraubt werden darf usw. Wenn ich als Bürger, ich sage es als Hypothese: fünfzigmal von demselben Täter heimgesucht werde — oder hundertneunmal wie in dem konkreten Fall; die anderen Fälle weisen nicht solche Zahlen auf, aber sind dreißig-, vierzig- oder fünfzigfach —, wenn ich das erleiden müßte, würde ich sagen: das ist ein schöner Rechtsstaat, in dem die Spitzbuben in ihrer Menschenwürde geschützt werden, aber ich nicht. Einverstanden, daß dieses Argument nicht uferlos angewendet werden kann. Aber es muß abgewogen werden. Ohne es überhaupt zu sehen oder indem man es einfach leugnet, kann man nicht damit fertigwerden.
Noch einmal: ich bin mit der Art, wie beide Entwürfe das Problem zu lösen versuchen, noch nicht einverstanden. Ich bin der Ansicht, daß viel pragmatischer angesetzt werden muß. Es ist einfach ein pragmatisches Problem, das man nicht dogmatisch lösen kann.

(Zustimmung bei der SPD und Abgeordneten der CDU/CSU.)

Für jeden alten Praktiker, der sich vorstellt, daß er mit dem Gesetz arbeiten muß, ist das eine ganz klare Sache. Es muß ganz konkret herausgearbeitet werden, auf welche Gruppen von Tätern das anwendbar sein soli und kann, ohne daß der „brave Bürger" dadurch behelligt wird.
In der Literatur ist verschiedentlich darauf hingewiesen worden, daß dem Typ nach der vorbestrafte Täter gemeint ist, der Täter, dessen Vorstrafen in eine bestimmte Richtung weisen, die, sagen wir mal, auf einen Hang zur Begehung bestimmter Straftaten zeigt, etwa — um ein Beispiel zu sagen, das noch gar nicht erwähnt wurde —Heiratsschwindel. Heiratsschwindler pflegen selten das einmal zu machen, sondern sie machen es in langen Serien. Der Heiratsschwindler ist ja vielfach auch ein Psychopath, wie überhaupt der Einschlag des Psychopathischen in einer ganzen Reihe von Deliktsgruppen gesehen werden kann und muß. Es ist also zu prüfen, welche Vorstrafen es rechtfertigen könnten, auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr zu schließen.
Zweite Gruppe! Wir kennen sehr schlimme Fälle, in denen der Täter beim fünften Bankraub erwischt wird oder beim vierten Lustmord; die Frage des Lustmordes ist ja geregelt, ich weise nur auf den



Dr. h. c. Güde
Typus und auf das Denkmodell hin. Seine Gefährlichkeit kann auch ohne Vorstrafen schon bei der ersten Ergreifung offensichtlich sein, weil er nämlich schon so viele Taten in die erste Vernehmung mitbringt, daß die Gefahr der Wiederholung durchaus konkret begründet werden kann. Ich sage am Rande — weil Sie vorhin sagten: „Genügt da wirklich der Verdacht?" —, daß ich mich am liebsten auf die zugegebenen und erwiesenen Fälle beschränken möchte. Wie weit man darüber hinausgehen kann, weiß ich noch nicht. Aber der Skandal liegt ja darin, daß mir dieser Hangtäter 108 Fälle zugeben kann und ich mir dann noch überlegen muß, ob ich ihn einsperren darf. Darin liegt doch die skandalöse Lücke, die durch die Beseitigung des alten Haftgrundes des Verbrechenstatbestandes geblieben ist.
Wir werden uns auch überlegen müssen, ob tatbestandlich das umschrieben werden kann, was ich eben den psychopathischen Einschlag nannte. Es gibt nicht nur der Sexualtriebtäter, sondern es gibt eine ganze Reihe von psychopathisch beeinflußten Hangtätern. Das, meine Damen und Herren, sind Dinge, 'die der Überlegung wert sind und von denen ich sage, daß ihnen beide Entwürfe nicht in dem Maße Rechnung getragen haben, wie ich mir das wünschen würde, nämlich eine so klare tatbestandliche Einschränkung, daß ein Mißbrauch so gut wie ausgeschlossen ist, aber ein offenkundiges Bedürfnis der Strafrechtspflege, der Strafverfolgungsorgane befriedigt werden kann.
Deswegen bin ich der Ansicht, daß das Problem mit irgendwelchen ideologischen Redensarten nicht vom Tisch gewischt werden kann, sondern es ist die Pflicht des Gesetzgebers, das zu prüfen, was ohne unseren Willen als Lücke stehengeblieben ist, die sich im Laufe der Zeit bemerkbar gemacht hat. Ich habe zweimal in dieser Debatte die Parole „Sicherheit und Ordnung" gehört, und man sagte — ich glaube, Sie, Herr Schlager, haben es zugerufen bekommen —: Na, das ist wohl eure Parole für den Wahlkampf! Ich pflege zu sagen: Gerechtigkeit und Sicherheit erwartet das Volk, der Mann draußen. Er will Gerechtigkeit, er will gerechte Strafe. Aber er will auch Sicherheit, und Sie können ihm dieses Sicherheitsbedürfnis nicht mit irgendwelchen Ideologien Wegreden; denn es ist wahr: es besteht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521118400
Das Wort hat der Abgeordnete Körnen (Düsseldorf).

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0521118500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich Ihre Zeit noch einige Minuten in Anspruch nehmen muß. Ich will es so kurz wie möglich machen.
Eine Bemerkung vorweg, Frau Kollegin DiemerNicolaus, damit wir uns nicht falsch verstanden haben. Als ich eben im Zusammenhang mit der Zwischenfrage des Kollegen Genscher eine Bemerkung machte, hatte ich noch im Ohr, daß Sie bei der Ablehnung einer Zwischenfrage zu Herrn Schlager gesagt hatten: „Ich möchte mich mit Rücksicht auf die Zeit nicht unterbrechen lassen". Daß ich Ihnen keine Vorschriften für die Auswahl Ihrer Partner machen wollte, ist für mich eine Selbstverständlichkeit.
Zweitens. Ich schließe mich dem, was Kollege Güde über die aus dem rechtsstaatlichen Denken resultierende Verpflichtung gesagt hat, voll und ganz an. Ich kann mir weitere Ausführungen dazu ersparen.
Drittens. Ich gehöre zu denjenigen, die — zum Teil persönlich davon berührt — die sogenannten gesetzlichen Grundlagen der Nazidiktatur erlebt haben. Ich gehöre also heute zur Gruppe der Menschen, die aus Prinzip wachsam und mißtrauisch sind. Ich halte es für einen Fortschritt, daß die Menschen in der Bundesrepublik — hoffentlich — nicht mehr in ein solches Abenteuer hineinschlittern können, wie es 1933 geschehen ist. Deshalb sollte man sich nicht darüber aufregen. Solange das in vernünftiger Weise gehandhabt wird, halte ich es für eine gute Sache.
Meine Damen und Herren, ich habe nicht die Absicht, mich hier in die Auseinandersetzung der Juristen einzuschalten. Ich habe auch nicht die Absicht, Paragraphen zu zitieren. Ich habe einen Zeitungsartikel mitgebracht. Ich habe bereits vor Monaten Veranlassung genommen, meiner Fraktion in einem Brief mitzuteilen, daß die neuen Regelungen bezüglich einer Einschränkung der Untersuchungshaft zu, gelinde ausgedrückt, merkwürdigen Auswirkungen zumindest in Düsseldorf geführt haben, und darum gebeten, daß etwas geschehen möge. Ich will mich hier über die Untersuchungshaft nicht auslassen. Den richtig hartgesottenen Kriminellen, die genau wissen, daß sie bestraft werden, kann nichts Besseres passieren, als monatelang in Untersuchungshaft zu sein. Diese wird ihnen nämlich nachher zum Teil angerechnet. Sie haben dann viel bessere Möglichkeiten gehabt, sich im Gefängnis zu bewegen und sich ihr eigenes Essen kommen zu lassen, als derjenige, der verurteilt worden ist. Das ist ein Thema für sich, das ich aber nicht erörtern will.
Warum bin ich zu diesem Pult hinaufgegangen? — Der Bürger, 'der nichtjuristische, der juristische, der akademische, der nichtakademische Bürger, der Bürger schlechthin z. B. bei uns in Düsseldorf, erhebt Anspruch darauf, daß nicht Dinge passieren können, die nicht passieren dürfen, und fordert von uns dafür gesetzliche Grundlagen. Gesetzliche Grundlagen können falsche Handhabungen — ich meine nicht böswillige — nicht unbedingt verhindern; das ist richtig. Aber die Grundlagen müssen in Ordnung sein.
Herr Präsident, gestatten Sie mir, hier etwas — wenigstens teilweise — zu zitieren. Gestern brachten sämtliche Düsseldorfer Tageszeitungen wiederum einen Fall, der mit dem Thema, das wir hier behandeln, zusammenhängt. Ich habe hier nur eine Zeitung bei mir, nämlich die „Düsseldorfer Nachrichten", kann Ihnen aber versichern, daß



Könen (Düsseldorf)

Tenor, Zielrichtung und Betrachtungsweise in allen anderen Zeitungen gleich sind.
Skandal um Haftbefehl
Gericht setzte Totschläger in Freiheit. Das riecht nach Justizskandal. Auf eine Haftbeschwerde hin entließ die Beschwerdestrafkammer des Düsseldorfer Landgerichts einen Mann aus Untersuchungshaft, dem eines der abscheulichsten Tötungsdelikte vorgeworfen wird. Der Schaber Uwe Müller, 27 Jahre, trampelte den 42jährigen Gärtner Günter Zeitz in dessen Hausflur regelrecht zu Tode und beraubte ihn dann. Und diesen Gewalttäter ließ das Gericht aus noch völlig unerfindlichen Gründen frei, obwohl sich der Staatsanwalt und der zuständige Amtsrichter dagegen ausgesprochen hatten, den Haftbefehl aufzuheben.
Ich will nicht alles zitieren. Ich will nur kurz sagen, was jetzt noch kommt. Auf Grund der Beschwerde hat dann also die obere Instanz den Haftbefehl aufgehoben. Die Anwohner, die Bürger haben, als sie den Mann in seiner Mansardenwohnung gesehen haben, voller Entsetzen die Polizei angerufen und gesagt: Der Mann ist ausgebrochen, er befindet sich wieder in seiner Wohnung. — Und nun streiten sich die Juristen.
Dahinter steckt folgendes. Der Anwalt — oder wer ihn berät, ich will mich da nicht festlegen —, den sich der Täter genommen hat, wie das sein gutes Recht ist, beruft sich auf eine Rauschtat. Die Frage der Rauschtat ist medizinisch, gutachtlich usw. noch nicht geklärt.
Und nun kommt es — deswegen habe ich das Wort ergriffen —: Ich halte das für einen handfesten Skandal. Ich bin der Meinung, es ist eine Unmöglichkeit, daß ein Mann — Sie hätten vor einiger Zeit die Schilderung der Tat in den Zeitungen lesen müssen —, der einen Mitmenschen auf diese unglaubliche Art und Weise tötet, der das tut, um ihn auszurauben, nach Hause gelassen werden darf, daß sein Haftbefehl aufgehoben werden darf, wenn auch mit Auflagen. Vielleicht war eine der Auflagen, daß er sich nicht mehr in einen Rauschzustand versetzen darf.
Ich habe an die Juristen aller Fraktionen, an den Herrn Justizminister und seine Berater im Justizministerium die Bitte: Machen Sie ein Gesetz — dabei ist es mir ja völlig gleichgültig, wie das mit den Paragraphen aussieht —, das dem Bürger die Gewißheit gibt, daß solche Dinge einfach nicht passieren können.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521118600
Wir fahren in der Rednerliste fort. Das Wort hat der Abgeordnete Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0521118700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Könen gibt mir Veranlassung zu der Feststellung, daß der von ihm dargestellte Fall mit dem Thema, das wir heute besprechen, nichts zu tun hat. Nach geltendem Recht wäre hier bereits ein Haftgrund gegeben. Die Gründe, warum das Gericht den Betreffenden nicht in Haft gelassen hat, kenne ich nicht. Ich würde jedem, der in diesem Haus eine Urteils- oder Entscheidungsschelte gegenüber einem unabhängigen Gericht ausspricht, raten, sich zunächst einmal voll über den Sachverhalt zu informieren. Wir wollen nicht in die Praxis verfallen, Gerichtsentscheidungen ohne zureichende Kenntnis des gesamten Falles vor diesem Hohen Hause zu kritisieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wundere mich aber nicht, wenn das durch einen Kollegen geschieht, der von sich selbst sagt, daß er nicht zum Kreis der Juristen gehört, denn hier hat auch ein amtierender Justizminister eines Landes die Haftpraxis in einem anderen Bundesland kritisiert, ohne daß er — nach meiner Ansicht — zureichend über die Einzelfälle der Haftpraxis, wie sie der Justizsenator von Berlin dargestellt hat, informiert sein kann.
Meine Damen und Herren, ich möchte nicht noch einmal in die grundsätzliche Debatte eingreifen, aber doch auf ein paar Argumente eingehen.
Zunächst einmal bedauere ich, daß die sozialdemokratischen Innenminister, die angeblich die Initiatoren des Gesetzentwurfes sind, den jetzt die SPD-Fraktion, wenn auch in veränderter Form, übernommen hat, ihre Gründe hier nicht vorgetragen haben. Es steht doch, auch nach der heutigen Debatte, fest, daß keine ausreichenden Erfahrungen vorhanden sind, wie sich der Haftgrund der Wiederholungsgefahr bei Sittlichkeitsverbrechen ausgewirkt hat. Die Kollegen haben über die Schilderung von Einzelfällen hinaus auch nicht darlegen können, in welcher Zahl von Fällen zwischen Ergreifung und Vernehmung des Täters und dem Urteil Wiederholungstaten begangen worden sind. Es wird in unzulässiger Weise der Eindruck erweckt, daß das Problem der Kriminalität, das uns allen gleichermaßen Sorge bereitet, nur dann in beachtlichem Maße eingeschränkt und bewältigt werden könne, wenn Sie den Haftgrund der Wiederholungsgefahr einführen. Das müssen Sie mit Zahlen belegen.
Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, Herr Kollege Hirsch, daß man Emotionen aus dem Spiel lassen soll. Aber an Emotionen appelliert doch derjenige, der vom Einzelfall her, wie es hier durch die Schilderung von Einzelfällen geschehen ist, für eine grundsätzliche Regelung plädiert, die großen Bedenken begegnen muß.
Ich bedaure sehr, Herr Kollege Hirsch, daß Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sozusagen als einen Freibrief für Ihre gesetzliche Regelung dargestellt haben. Das Gegenteil ist der Fall, und das hat der Bundesjustizminister hier mit großem Ernst dargelegt. Wenn man die Gründe dieses Urteils des Bundesverfassungsgerichtes liest, spürt man, mit welchen Bedenken das Gericht den Haftgrund der Wiederholungsgefahr sogar bei Sittlichkeitsverbrechen bejaht hat. Es gibt keinen Zweifel darüber, daß durchaus die Gefahr besteht, daß ein solcher Gesetzentwurf, würde er Gesetz werden,



Genscher
vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wird. Das sollten Sie ernsthaft mit berücksichtigen.
Ich möchte mich auch, weil das Wort Emotionen gefallen ist, dagegen verwahren, daß von den Begründern der Gesetzentwürfe von Schwerverbrechern gesprochen wird, als ob das ein Gesetzentwurf wäre, der nur auf Schwer- oder Berufsverbrecher Anwendung finden könnte. Die Herren Kollegen hätten zum Verständnis der juristisch nicht vorgebildeten Mitglieder des Hauses darlegen müssen, daß
— jedenfalls nach der Vorlage — auch Bürger unter dem Haftgrund der Wiederholungsgefahr inhaftiert werden können, die niemals zuvor rechtskräftig bestraft worden sind. Darüber sind wir uns wohl völlig einig.

(Zuruf von der SPD.)

— Herr Kollege, es ist von Personen die Rede, die einer großen Zahl von Taten oder mehrerer Taten verdächtig sind. Sie sagen nicht: begangen haben; das ist ein großer Unterschied.

(Abg. Schlager: Dringend verdächtig!)

Sie nehmen mit den Argumenten in Ihren Zwischenrufen ein Urteil vorweg.
Nun wird gesagt, der Haftgrund der Wiederholungsgefahr werde ja vom Richter gründlich geprüft werden, aber man sei leider nicht in der Lage, die Hauptverhandlung so nahe an die Ergreifung heranzuführen, daß in der Zwischenzeit nicht Taten begangen werden könnten. Meinen Sie nicht, daß eine wirklich gründliche Prüfung des von Ihnen vorgesehenen Haftgrundes — auch mit den Kautelen, die die Fraktion der SPD vorgesehen hat — am Ende doch zu einer kleinen Hauptverhandlung führen würde? Sie müssen sehr viel dabei berücksichtigen. Sie müssen am Ende sogar in Erwägungen über die Höhe der Strafe eintreten; denn der Richter muß ja, wenn er diesen Haftgrund bejahen will, davon ausgehen, daß auf jeden Fall eine bestimmte Strafe erreicht wird. Wenn der Richter sogar schon beim Hafttermin prüfen soll, welche Höhe der Strafe zu erwarten ist, dann sollten die Voraussetzungen für eine Hauptverhandlung gegeben sein. Wenn sie nicht gegeben sind, dann können Sie auch diese Haftgründe nicht in rechtsstaatlich zulässiger Weise prüfen, sondern es wird dann am Ende zu formularmäßigen Entscheidungen kommen.
Nun hat Herr Kollege Hirsch gesagt — auch das klingt sehr populär —, es handele sich ja um geständige Täter. Zunächst einmal ist in dem Gesetzentwurf gar nicht die Rede davon, daß der Täter geständig sein muß. Davon kann keine Rede sein. Herr Hirsch meint, daß der Tätertyp, den er hier erfassen will, geständig sei, weil er — um einen Ausdruck von Herrn Hirsch zu gebrauchen — als Berufsverbrecher wisse, daß das Geständnis bei der Strafzumessung vielleicht in besonderem Maße berücksichtigt werde. In dem Augenblick, Herr Kollege Hirsch, in dem ein Geständnis beim Haftgrund der Wiederholungsgefahr praktisch haftbegründend wird, werden Sie natürlich keine geständigen Täter mehr haben. Sie werfen damit die Frage der Aufklärungsquote auf. Sie tragen im Grunde dazu bei, daß Geständnisse unterlassen werden.
Ich muß offen sagen, daß ich im Zusammenhang mit der Novelle zur Strafprozeßordnung und auch mit der Begründung dieses Gesetzentwurfes sehr besorgt darüber bin, daß von der zurückgehenden Aufklärungsquote gesprochen wird. Ich will jetzt nicht noch einmal das wiederholen, was der Herr Bundesjustizminister hier gesagt hat. Aber eines, meine verehrten Damen und Herren, steht doch fest: Die Haft, wie Sie sie sich vorstellen, kann nicht zur Aufklärung beitragen. Oder wollen Sie doch eine Beugehaft? Wollen Sie doch damit ein Geständnis erreichen? Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr kann in keiner Weise dazu beitragen, daß die Aufklärungsquote erhöht wird. Man kann auch nicht sagen, daß die damalige Novelle zur Strafprozeßordnung hier eine negative Wirkung gehabt hätte. Wenn die Statistik etwas anderes ausweist, kann es durchaus andere Gründe haben.
Nein, Sie kommen hier um das Problem nicht herum, daß Sie wirklich ein Verdachtsstrafe aussprechen müssen, 'daß Sie im Grunde seine a-conto-Strafe verhängen — mit all den Problemen für die innere Freiheit des in der Hauptverhandlung erkennenden Richters, der präjudiziert 'ist durch das vom Haftrichter angenommene Strafmaß, was immer ein besonderes Problem ist. Sie 'schaffen aber auch ein Problem für die innere Freiheit der Haftrichter, wenn in großer öffentlicher Erregung wegen angeblicher oder auch wirklicher Wiederholungsgefahr ein Haftbefehl gefordert wird.
Wir möchten 'Sie bitten, doch mit großer Sorgfalt Ihre Anträge noch einmal zu überdenken und dabei nicht außer acht zu lassen, mit welchem Verantwortungsbewußtsein von den verschiedensten Seiten Stellung genommen worden ist. Ich würde es mir nicht so leicht machen, Hochschullehrer abzuwerten, insbesondere wenn sie in diesem Bundestag noch nicht Gelegenheit haben, ihre Argumente vom Rednerpult aus vorzutragen. Wollen Sie vorbeigehen, meine Damen und Herren, an der Stellungnahme des Richterbundes? Wollen Sie vorbeigehen an der Stellungnahme der Rechtsanwaltschaft? Das sind doch alles Persönlichkeiten, die aus der Praxis heraus, aber auch ,aus Sorge um den Rechtsstaat ihre Bedenken angemeldet haben.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Das bestätigt uns in unserer Auffassung, daß hier ein Vorhaben vorangetrieben werden soll, das das Problem der Kriminalität nicht löst, das aber auf Grund schrecklicher Erfahrungen — das dürfen wir nicht außer acht lassen— ein neues Mißtrauen in die rechtsstaatliche Gesinnung und Ordnung in unserem Land erzeugen könnte.
Ich möchte es niemandem erlauben, daß er bei der Verteidigung der Vorbeugungshaft so tut, als sei er allein darum bemüht, die Kriminalität in diesem Lande zu bekämpfen. Die Methoden, die dazu erforderlich sind, haben wir zu einem früheren Zeitpunkt dargelegt. Das ist nicht das Problem. Hier geht es darum, daß wir nicht ohne ausreichende Unterlagen, ohne eine Übersicht über diese Fälle,



Genscher
unter Verletzung wirklich tragender Prinzipien unserer Rechtsordnung, auch, meine Damen und Herren, unter Außerachtlassung der schwerwiegenden Argumente des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Haftgrund der Wiederholungsgefahr bei Sittlichkeitsdelikten, voreilig eine Entscheidung treffen, die am Ende eine Entwicklung in ihr Gegenteil verkehrt, die hoffnungsvoll mit der liberalisierenden Strafrechtsnovelle eingeleitet wurde.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521118800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch.

Martin Hirsch (SPD):
Rede ID: ID0521118900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident, vorweg — ich habe es hier schon einmal, ich glaube, nicht Ihnen, gesagt —: Ich bin sehr dankbar für die Verleihung des Ehrendoktors, aber bisher steht mir ein solcher Titel nicht zu.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das kann sich noch ändern!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521119000
Das könnte sich ja ändern, nicht zuletzt im Hinblick auf Ihre Bemühungen im Rechtsausschuß des Bundestages.

Martin Hirsch (SPD):
Rede ID: ID0521119100
Vielen Dank. — Ich bin hier heraufgegangen, weil ich mich als Jurist für verpflichtet halte, den Kollegen Könen in Schutz zu nehmen. Ihm ist von Herrn Genscher ein Vorwurf gemacht worden, nämlich der, er habe hier Richterschelte betrieben. Herr Könen hat genau das Gegenteil getan. Er hat Gesetzesschelte betrieben;

(Zuruf von der CDU/CSU: Genau das!)

und das werden wir als Abgeordnete dieses Hauses doch wohl noch dürfen, dazu sind wir sogar da,

(Abg. Rösing: Unser gutes Recht!) dazu hat man uns hierhergewählt.


(Abg. Rösing: Sehr richtig!)

Ich habe es begrüßt, daß einmal ein Nichtjurist zu dieser Sache hier gesprochen hat. Es wird nämlich jetzt bei diesem ganzen Problem viel zu viel Juristenideologie gemacht, und wir hören viel zu wenig auf das, was der Normalbürger darüber denkt und sagt. Ich bin froh, daß Herr Könen hier das gesagt hat, was der Normalbürger über diese Sache denkt.

(Beifall bei der SPD.)

Ein paar andere Bemerkungen zu dem, was Herr Genscher gesagt hat. Ich möchte das nicht im Raume stehen lassen, Herr Genscher, auch Ihnen muß ich sagen: Sie müssen nicht immer alles glauben, was gedruckt steht. Die Innenminister sind an sich — das wird bei Ihnen nicht anders sein — nicht die Gesprächspartner unseres Arbeitskreises für Rechtswesen. Unsere Partner sind da verständlicherweise der Bundesjustizminister und die Länderjustizminister, und es hat keinen einzigen Innenminister gegeben, mit dem wir uns unterhalten haben. Wer das erfunden hat, das weiß ich nicht. Man kann da
nur etwas vermuten, warum da wieder bestimmte Namen genannt werden, an Hand der Kreise, aus denen diese Vermutung kommt. Die Innenminister waren es jedenfalls nicht, es waren die Justizminister. Wir hatten später einmal ein Gespräch — das ist vielleicht auch ganz interessant — mit einem Vertreter des Innenministers; dieser hatte einen viel liberaleren — wenn Sie es so nennen wollen — Standpunkt als der Vertreter seines entsprechenden Justizministeriums.

(Abg. Genscher: Herr Schlager hat sich auf den Berliner Innensenator bezogen!)

— Moment, Herr Genscher, der Berliner Innensenator hat später schriftlich Fälle niedergelegt, die er in seinem Bereich hat und die ihn mit Recht stören, wo er sagt, so gehe es nicht weiter. Das ist aber geschehen, nachdem dieser von uns formulierte Gesetzestext bei uns in der Fraktion längst beschlossen war, um das einmal ganz klarzustellen, damit hier nicht falsche Namen genannt werden. Es könnte ja einem von den beiden unangenehm sein. Das muß man also sagen.
Sie haben dann beanstandet, daß da Leute in die Mühle kommen könnten, die vorher niemals bestraft worden seien. Das ist richtig, ganz richtig.

(Zuruf: Aber nur theoretisch!)

— Es kann Fälle geben, wo es nicht theoretisch ist. Das muß man ganz sauber behandeln. Es kann Fälle geben, wo einer einige Jahre lang Einbrüche betrieben hat und das Glück gehabt hat, daß er sehr spät erwischt wurde. Es kann also den Fall geben, daß er — er ist nicht vorbestraft — zum ersten Mal nach zehn Einbrüchen entdeckt wird. Es ist eben die Frage, ob man dann gleich so gegen ihn vorgehen darf. Dann ist er ein Mehrfachtäter im Sinne unseres Entwurfes, Herr Genscher. Dann müssen aber die anderen Voraussetzungen alle vorliegen: es muß der Rechtsfrieden erheblich gestört sein, es müssen Tatsachen bewiesen werden können, aus denen sich ergibt, daß er weitere Taten begehen wird. Wenn dann der Richter — ich gehe von einem normalen Richter aus — zu dem Standpunkt kommt und ihn verantworten kann: Den darf man bis zur Hauptverhandlung nicht in Freiheit lassen, dann soll der nach unserem Text auch getroffen sein. Es gibt bei uns Überlegungen, ob man das nicht auch an Vorstrafen anknüpfen soll. Sicher, das würde die Sache etwas rechtsstaatlicher machen, das gebe ich Ihnen zu. Es könnte aber sein, daß es dann unpraktikabel wird.

(Abg. Genscher: Die Formulierung „etwas rechtsstaatlicher" ist bezeichnend!)

— Ach, Herr Genscher, eine solche Argumentation ist doch Ihrer nicht würdig.
Auf jeden Fall könnte es dann Fälle geben, die von der Sache her an sich eben auch betroffen sein sollten und die, wenn Vorstrafen verlangt würden, nicht mit hineinkämen. Das ist genau einer der Punkte, die im Ausschuß — Sachkunde — sehr sorgfältig erörtert werden.
Dann haben Sie gemeint, es gäbe doch eine Art kleine Hauptverhandlung. Ich würde das für kein



Hirsch
Unglück halten, wenn es so wäre. Natürlich soll der
Richter, der das macht, das ganz sorgfältig prüfen.
Darüber werden wir uns doch hoffentlich einig sein.

(Abg. Genscher: Müßte! — Abg. Busse [Herford] : Kleine Hauptverhandlung im Schnellverfahren!)

— Sie wollen es also so machen. Das ist ja wunderbar, Herr Busse. Sie sagen, die Gerichte sollen im Schnellverfahren arbeiten.

(Abg. Busse [Herford] : Nein!)

— Na also, was soll es dann. — Eine Art kleine Hauptverhandlung.

(Abg. Genscher: Das war Ihrer nicht würdig!)

Eine Art kleine Hauptverhandlung. Er soll das sehr
sorgfältig machen. Diese ganze Bestimmung ist ja
— so möchte ich sagen — so kompliziert formuliert, weil es sorgfältig gemacht werden muß und weil diese Regelung letzten Endes eine Ausnahme sein soll. Das soll eine Ausnahme sein, die in relativ wenigen Fällen im Jahr in der Bundesrepublik tatsächlich zum Tragen kommt, um diese besonders gravierenden Fälle, über die wir heute sprachen, — —

(Abg. Genscher: Wenige Fälle? — Weitere Zurufe von der FDP.)

— eine Ausnahme! Der Richter sollte, wie ich mir das vorstelle, in den meisten Fällen sagen: Es ist nicht nötig. Das muß er verantworten. In den meisten Fällen ist es nach Prüfung aller Dinge nicht nötig; er hat zwar das und das begangen, aber es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß er es wiederholt. Das wollte ich auch noch einmal ganz klarmachen.
Mit der Aufklärungsquote hat das hier natürlich nichts zu tun, Herr Genscher. Ich habe mir bereits vorhin erlaubt, das zu sagen. Es sind zwei Dinge. Es wird in der Literatur behauptet, und es ist in dem Hearing behauptet worden, die Aufklärungsquote — —

(Zurufe von der FDP.)

— Ich möchte es dennoch klarstellen, damit hier nichts Falsches im Raume steht; denn es trägt zur Sache bei, wenn wir hier sauber argumentieren. Es ist in der Literatur und überall behauptet worden, daß die Aufklärungsquote mit dem Inkrafttreten der Straßprozeßnovelle schlagartig gesunken sei. Die Zahlen sagen das wirklich, und ein Zusammenhang wird da kaum abgeleugnet werden können. Herr
Güde hat sich dazu geäußert: Schockwirkung, vielleicht auch manchmal ein Zögern der Gerichte, das richtig anzuwenden. Gut. Das Problem der Serientäter aber hat mit der Aufklärungsquote nichts zu tun; denn deren Taten sind aufgeklärt, die fallen also nicht in diesen Bereich der mangelnden Aufklärungsquote. Sie fallen aber selbstverständlich, möchte ich behaupten, in dem Fall mit Sicherheit in den Bereich der Folgen der Strafprozeßnovelle; denn in allen Fällen, die ich mir angeschaut habe, bevor wir einen Text gemacht haben, wären die Täter vor 1965 aus dem Gesichtspunkt der Fluchtgefahr in Haft genommen worden. Insofern ist also dieser Bereich hier eine Folge der Strafprozeßnovelle von 1964. Das kann überhaupt niemand bestreiten.
Die Frage ist, ob man diese Folge hinnehmen kann . oder ob man jetzt bereit sein muß, diese Folge zu ändern. Darüber werden wir uns in den Ausschüssen zu unterhalten haben.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521119200
Meine Damen und Herren, wünscht jetzt noch jemand das Wort? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ich schlage Ihnen vor, den Entwurf der Abgeordneten Stücklen, Dr. Jaeger, Wagner, Schlager, Frau Dr. Kuchtner und Genossen auf Drucksache V/3631 und den Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache V/3633 dem Rechtsausschuß — federführend — und dem Innenausschuß — mitberatend — zu überweisen. Wer ist für die Überweisung? — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen gegen die Stimmen der Freien Demokraten überwiesen.
Ich schlage Ihnen vor, den Entwurf der Abgeordneten Dichgans, Dr. Lenz (Bergstraße), Dr. Jaeger und der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache V/3743 dem Rechtsausschuß zu überweisen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Der Entwurf ist einstimmig überwiesen.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 5. Februar. Die Zeit wird noch bekanntgegeben.
Die Sitzung ist geschlossen.