Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Im Einvernehmen mit den übrigen Antragstellern haben die Abgeordneten Geisenhofer und Orgaß mit Schreiben vom 2. Dezember 1968 den von den Abgeordneten Prinz von Bayern, Geisenhofer, Schmidhuber, Gewandt, Rollmann und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Wohngeldgesetzes — Drucksache V/3396 — zurückgezogen.
Der Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und der Innenausschuß haben mit Schreiben vom 28. November 1968 mitgeteilt, daß gegen die nachstehenden Verordnungen des Rates keine Bedenken erhoben worden sind:
Verordnung Nr. 765/68 des Rates vom 18. Juni 1968 betreffend allgemeine Regeln für die Erstattung bei der Erzeugung für in der chemischen Industrie verwendeten Zucker
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 423/67/EWG, 6/67 Euratom des Rates vom 23. Juli 1967 über die Regelung der Bezüge für die Mitglieder der EWG-Kommission und der EAG-Kommission sowie der Hohen Behörde, die nicht zu Mitgliedern der Gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften ernannt worden sind
Verordnung Nr. 1704/68 des Rates vom 29. Oktober 1968 über den Abschluß und die Durchführung einer Vereinbarung zwischen der Gemeinschaft und der Schweiz, die herabgesetzten Zollsätze für bestimmte Gewebe vorläufig beizubehalten
Verordnung Nr. 1497/68 des Rates vom 27. September 1968 zur Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Verordnung (EWG) Nr. 666/68
Zu den in der Fragestunde der 201. Sitzung des Deutschen Bundestages am 4. Dezember 1968 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Wuermeling, Drucksache V/3574 Nrn. 4, 5 und 6 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Brauksiepe vom 4. Dezember 1968 eingegangen. Sie lautet:
Wesentliche Arbeitsergebnisse, die der Kabinettausschuß für die Vorbereitung einer Reform des Familienlasten-Ausgleichs bisher erzielt hat, haben in der von der Bundesregierung beschlossenen Finanzplanung des Bundes 1968 bis 1972 ihren Niederschlag gefunden. Ich verweise auf die Seiten 10 und 20 der Bundestagsdrucksache V/3299. Danach ist beabsichtigt, den Familienlasten-Ausgleich bis 1971 neu zu regeln, und zwar durch Zusammenfassung der steuerlichen Erleichterungen und der unmittelbaren Zahlungen zu einem einheitlichen System; ferner sollen 1972 zusätzlich 200 Mio DM für Verbesserungen des Familienlasten-Ausgleichs zur Verfügung gestellt werden.
Die verschiedenen Möglichkeiten für eine Vereinheitlichung des Familienlasten-Ausgleichs bedürfen noch weiterer eingehender Erörterungen im Kabinettausschuß, bevor sich die Bundesregierung für eine der Möglichkeiten entscheiden kann.
*) Siehe 201. Sitzung Seite 10808 B
Zu den in der Fragestunde der 201. Sitzung des Deutschen Bundestages am 4. Dezember 1968 gestellten Fragen des Abgeordneten Biechele, Drucksache V/3574 Nrn. 8 und 9 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Brauksiepe vom 4. Dezember 1968 eingegangen. Sie lautet:
Die Bundesregierung sieht in den Berlinfahrten von Jugend-, Studentengruppen und Schulklassen und in den Fahrten solcher Gruppen an die Demarkationslinie zur SBZ gleichwertige Bereiche politischer Bildungsarbeit. Da in beiden Fällen in der Regel örtliche oder regional zusammengesetzte Gruppen Träger solcher Maßnahmen sind, besteht neben der Zuständigkeit des Bundes, die sich aus dem gesamtdeutschen Charakter beider Aufgaben ergibt, auch eine Mitverantwortung der Länder. Diese" gemeinsame Verantwortung wird in beiden Bereichen gleichwertig wahrgenommen, hat jedoch in der Durchführung zur Bildung unterschiedlicher Schwerpunkte und Verfahren geführt. Dies ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß in Berlin in ausreichendem Umfang Einrichtungen der politischen Bildungsarbeit vorhanden sind, die das Berlinfahrtenprogramm abwickeln können, während im Zonenrandgebiet solche Institutionen weithin erst geschaffen oder ausgebaut werden mußten und noch müssen. Deshalb sieht das Berlinfahrtenprogramm keine institutionellen Förderungsmaßnahmen vor, sondern beschränkt sich auf die Bezuschussung der Gruppen, wobei die Mittel vom Bund und den Ländern gemeinsam aufgebracht und von letzteren nach den Richtlinien des Bundesjugendplanes in eigener Verantwortung verwaltet werden. Demgegenüber ist zwischen dem Bund und den Ländern in der Konferenz der obersten Landesjugendbehörden vom 22. 4. 1965 in Rotenburg/Fulda abgesprochen worden, daß der Bund im Zonenrandfahrtenprogramm eine institutionelle Förderung vornimmt, während die Länder Fahr- und Aufenthaltskostenzuschüsse an die einzelnen Gruppen gewähren.
Um das Interesse der Jugend an den Zonenrandfahrten weiter anzuregen, sieht der Bundesjugendplan seit dem Jahr 1967 vor, daß für Kurse mit verantwortlichen Mitarbeitern der Jugendarbeit unter bestimmten Voraussetzungen, die im Durchführungserlaß näher geregelt sind, Zuwendungen zu den Fahr- und Aufenthaltskosten gewährt werden.
In diesem Punkt wurde eine Angleichung an das Berlinfahrtenprogramm vorgenommen, das ebenfalls eine direkte Förderung von Gruppenfahrten von Führungskräften der Jugendarbeit durch den Bund vorsieht.
Ich rufe den einzigen Punkt der heutigen Tagesordnung auf:
Fragestunde
— Drucksache V/3574 —
Zuerst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Frage 13 des Abgeordneten Geldner:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die geplante Verlegung der amerikanischen EES-Hauptverwaltung von Nürnberg nach München der Arbeitsmarkt in Nürnberg insbesondere bei den älteren Angestellten einer schweren Belastung unterzogen wird und daß die 800 deutschen Mitarbeiter dieser Behörde dadurch in ihrem sozialen Status erheblich gefährdet werden?
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Ich darf die Frage, Herr Kollege Geldner, wie folgt beantworten.
*) Siehe 201. Sitzung Seite 10808 B
10912 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Dezember 1968
Parlamentarischer Staatssekretär Leicht
Nach Mitteilung des amerikanischen Hauptquartiers in Heidelberg ist beabsichtigt, die EES-Hauptverwaltung bis zum September 1969 nach München zu verlegen. Die 785 deutschen Arbeitnehmer dieser Dienststelle sind davon unterrichtet. Jedem Arbeitnehmer wird von amerikanischer Seite angeboten werden, im Zuge der Verlegung der Dienststelle seine Tätigkeit in München fortzusetzen. Sofern einzelne Arbeitnehmer dieses Angebot ablehnen, sollen sie bevorzugt in anderen militärischen Einrichtungen im Raume Nürnberg untergebracht werden.
Daß danach der Arbeitsmarkt in Nürnberg einer schweren Belastung unterzogen werden könnte, halte ich nach dieser Ankündigung für unwahrscheinlich. Insbesondere die älteren Angestellten mit einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften genießen auf Grund des Kündigungsschutztarifvertrages vom 16. Dezember 1966 einen besonderen Schutz gegen Gefährdung ihres sozialen Status.
Sollte es in Einzelfällen doch zu Entlassungen kommen, werden sich die zuständigen Arbeitsämter um die Vermittlung anderer angemessener Arbeitsplätze bemühen. Dazu stehen die gesetzlichen Vermittlungshilfen zur Verfügung.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen klar, daß gerade die Angestellten in der Altersgruppe zwischen 40 und 60 Jahren — und das ist die überwiegende Zahl der Beschäftigten im EES-Hauptquartier — sehr schwer zu vermitteln sein werden?
Ich habe davon gesprochen, Herr Kollege Geldner, daß zunächst die Möglichkeiten gegeben sind, die der Kündigungsschutztarifvertrag gerade für über vierzigjährige Angestellte gibt, allerdings unter der Voraussetzung fünfzehnjähriger Tätigkeit — aber darunter fallen sehr viele —, und daß erst in zweiter Linie die Möglichkeit der Vermittlung und Vermittlungshilfe gegeben ist.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie keine Möglichkeit, nachdem im Raume NürnbergFürth, und hier vor allem in Katterbach, Möglichkeiten vorhanden wären, das Hauptquartier unterzubringen, bei den Amerikanern dahin zu wirken, daß eine Verlegung nach München nicht vorgenommen wird?
Das ist Inhalt der Antwort auf Ihre beiden anderen Fragen, Herr Kollege.
Ich rufe die Fragen 14 und 15 des Abgeordneten Geldner auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Forderungen der Mitarbeiter der EES-Hauptverwaltung auf Verbleib der Dienststelle im Raum Nürnberg-Fürth dadurch zu unterstützen, daß sie der amerikanischen Behörde geeignete Gebäude in der Nähe von Nürnberg nachweist und zur Verfügung stellt?
Welche Schritte hat die Bundesregierung bei den zuständigen amerikanischen Behörden unternommen, um eine Verlegung der EES-Hauptverwaltung nach München und die damit verbundenen negativen Folgen für die deutschen Betriebsangehörigen zu vermeiden?
Leicht, Parlamentarischer ' Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Bundesregierung hat sich schon früh darum bemüht, als Ersatz für die Rückgabe des Justizpalastes in Nürnberg an den bayerischen Justizfiskus den amerikanischen Streitkräften für die Unterbringung der EES-Hauptverwaltung bereits vorhandene Gebäude in Nürnberg anzubieten. Diese sind jedoch als ungeeignet abgelehnt worden. Im übrigen besitzen weder der Bund noch das Land Bayern im Raume Nürnberg-Fürth entsprechende Gebäude, die als Ersatz für den Justizpalast geeignet wären. Nach den einschlägigen Bestimmungen des Zusatzabkommens zum NATO- Truppenstatut ist die Entscheidung der amerikanischen Streitkräfte über die Unterbringung ihrer eigenen Dienststellen nicht an die Zustimmung der Bundesrepublik gebunden. Die diesbezügliche Planung richtet sich nach den militärischen Bedürfnissen der Streitkräfte und muß von der Bundesregierung hingenommen werden, zumal wenn Forderungen auf zusätzlichen Ersatzraum nicht mehr gestellt werden. Da die amerikanischen Streitkräfte im Zuge einer Organisationsstraffung aus Einsparungsgründen ein Verwaltungszentrum in München errichten und die EES-Hauptverwaltung dort in Gebäuden untergebracht wird, die den Streitkräften bereits zur Verfügung stehen, sieht die Bundesregierung keine Möglichkeit, hiergegen Schritte im Sinne Ihrer Frage zu unternehmen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.
Herr Staatssekretär, beweist nicht auch dieser Fall wieder, daß es dringend erforderlich ist, die Rechte der bei den Alliierten Beschäftigten besser zu regeln, als es bisher der Fall ist?
Ich teile Ihre Meinung, Herr Kollege.
Herr Abgeordneter Geldner zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie keine Möglichkeit, bei den amerikanischen Streitkräften darauf hinzuwirken, daß, nachdem die Angehörigen zum größten Teil schon einmal von Katterbach nach Nürnberg verlegt wurden, eine Rückverlegung erfolgt, die mit wesentlich weniger Kosten verbunden wäre?
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Dezember 1968 10913
Sicherlich können wir anfragen, Herr Kollege. Was dabei herauskommt, kann ich allerdings nicht voraussehen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß Sie es nicht unversucht lassen werden, eine Abhilfe in der Richtung zu schaffen, daß die EES-Hauptverwaltung in den Raum Ansbach kommt?
Soweit wir Möglichkeiten haben, wollen wir das versuchen.
Damit sind die drei Fragen des Abgeordneten Geldner erledigt.
Wir kommen zu den Fragen des Abgeordneten Reichmann.
Herr Präsident, ich möchte die Fragen 16 und 17 wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten.
Dann rufe ich die Fragen 16 und 17 des Abgeordneten Reichmann auf:
Wieviel Wein wurde bei der Einfuhr bei den Zolleinlaßstellen als nicht „einfuhrfähig" in den letzten zwei Jahren festgestellt?
Wie waren die Ergebnisse der durchgeführten Stichproben gegenüber den anerkannten Zeugnissen der Einfuhrländer, welche dem Weinüberwachungsabkommen angeschlossen sind, in den vergangenen zwei Jahren?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Zollstellen führen weder über die Zurückweisung von Weinsendungen von der Einfuhr noch über das Ergebnis der Stichproben von Weinsendungen, für die ein Untersuchungszeugnis einer anerkannten Fachanstalt des Auslandes vorgelegt wird, Anschreibungen, weil diese Anschreibungen für den Dienstbetrieb bedeutungslos wären und einen unnützen Verwaltungsaufwand verursachen würden. Ich kann daher Zahlenangaben nicht machen, Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, liegen aber nicht entsprechende Erfahrungen über die Praktizierung bei den Zollstellen vor?
Dazu möchte ich bei der Beantwortung Ihrer Frage Nr. 18 etwas sagen. Wenn es gestattet ist, werde ich das gleich tun.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Reichmann auf:
In welchem Ausmaß wurde die Weineinfuhrüberwachung unterlaufen durch die Überwachungsbefreiung von „hochwertigem Wein" und der Packstücke unter 20 kg?
Ich möchte nicht sagen, daß die Weineinfuhrüberwachung dadurch unterlaufen wird — jetzt kommen wir schon in die Praxis —, daß hochwertige Flaschenweine von der Untersuchung befreit werden können. Denn es kann doch davon ausgegangen werden, daß diese Sendungen einfuhrfähig sind. Die Zollstellen machen aber von der Möglichkeit der Befreiung selten Gebrauch. Der Begriff „hochwertig" läßt sich kaum für die Verwaltung praktikabel festlegen, und zwar weder durch. einen Mindestpreis je Liter noch durch eine Liste von Weinen, denen nach Jahrgang, Lage oder Herkunft die Bezeichnung „hochwertig" zuerkannt werden könnte.
Es trifft zu, daß gegenwärtig Sendungen von Wein in Flaschen auf Grund eines Urteils eines Oberverwaltungsgerichts von der Einfuhruntersuchung freigestellt werden müssen, wenn das einzelne Packstück nicht mehr als 20 kg wiegt. Hierdurch kann die Weineinfuhrüberwachung unterlaufen werden. Das Bundesfinanzministerium ist deshalb bestrebt, zur Änderung des jetzigen Zustandes in einem weiteren Prozeß eine Änderung der Rechtsprechung herbeizuführen, die dem Grundsatz der Einfuhruntersuchung gerecht wird. Ferner hat das Bundesfinanzministerium schon im Dezember 1967 bei dem federführenden Bundesministerium für Gesundheitswesen eine Änderung dieser den heutigen Verhältnissen nicht mehr gerecht werdenden Bestimmung vorgeschlagen.
Ob bei der derzeitigen Handhabung nichtverkehrsfähige Weine zur Einfuhr gelangen, läßt sich von der Zollverwaltung leider nicht feststellen. Sie könnte das Ausmaß solcher Einfuhrsendungen von Flaschenweinen erst nach Befragen der 337 Einlaßstellen angeben. Wegen des damit verbundenen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwands haben Sie sicherlich Verständnis dafür, daß wir von einer solchen Befragung absehen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung auf Grund dieser Zustände baldmöglichst dafür Sorge tragen, daß zum Schutz des Verbrauchers eine gründlichere Überwachung durchgeführt werden kann?
Wir werden alles tun, um den Verbraucher zu schützen. Ich glaube aber, daß wir bisher schon alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, das zu tun. Ich habe Ihnen aufgezeigt, daß wir sogar versuchen, im Prozeßwege klarzustellen — wohl auch im Interesse des Verbrauchers —, was wir tun können und was nicht.
10914 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Dezember 1968
Damit sind auch diese drei Fragen erledigt.
Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Buschfort auf:
Trifft es zu, daß die italienische Regierung beabsichtigt, die bisher erhobene Kfz-Steuer auf den Kraftstoffverbrauch umzulegen?
Herr Präsident, ich möchte die drei Fragen des Herrn Kollegen zusammen beantworten, weil der sachliche Zusammenhang gegeben ist.
Bitte sehr! Dann rufe ich auch die Fragen 20 und 21 des Abgeordneten Buschfort auf:
Welche Auswirkungen würden sich in einer solchen Regelung für deutsche Italienbesucher ergeben?
Beabsichtigt die Bundesregierung, im Interesse einer europäischen Steuerharmonisierung eine ähnliche Regelung wie in Italien auch in der Bundesrepublik Deutschland einzuführen?
Der Bundesregierung ist bekannt, daß es in Italien Bestrebungen gibt, die Kraftfahrzeugsteuer abzuschaffen und dafür die Mineralölsteuer zu erhöhen. Dabei soll es jedoch, soweit sich feststellen ließ, nur um die Umlegung der Steuer für Personenkraftwagen gehen. Der Bundesregierung liegt bisher keine Mitteilung vor, daß diese Maßnahme vom italienischen Finanzministerium befürwortet wird oder daß es etwa schon einen entsprechenden Beschluß der italienischen Regierung gibt. Vielmehr hat sich in einer Sitzung bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 22. November 1968 die italienische Delegation durchaus positiv zu einer Harmonisierung der Kraftfahrzeugsteuer für Personenkraftwagen geäußert. Mit Rücksicht darauf, daß die Pressemeldungen über eine in Italien bevorstehende Umlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer bisher nicht offiziell bestätigt und auch Einzelheiten eines solchen Plans nicht bekannt sind, kann gegenwärtig keine Stellungnahme abgegeben werden.
Im übrigen weist die Bundesregierung darauf hin, daß im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über eine Harmonisierung der Kraftfahrzeugsteuer verhandelt wird. Für Nutzfahrzeuge hat die Kommission dem Rat bereits 'einen Richtlinienvorschlag übermittelt, der dem Hohen Haus als Drucksache V/3206 vorliegt. Für Personenkraftwagen ist zu gegebener Zeit mit einem solchen Vorschlag zu rechnen. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß der Steuerharmonisierung ein schlechter Dienst geleistet würde, wenn sich in diesem Stadium ein Mitgliedstaat, gleichgültig wer, einseitig zu einer völligen oder teilweisen Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuer entschließen sollte.
Herr Abgeordneter Buschfort, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß sich die deutsche Vertretung in Brüssel unmißverständlich für eine einheitliche Regelung der sechs EWG-Staaten verwenden wird?
Jawohl, das dürfen Sie so verstehen.
Herr Abgeordneter Fellermaier zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnten Sie mitteilen, bis wann der Ministerrat der Gemeinschaft die Enquete über die Wegekosten vorlegen wird, und würden Sie meine Auffassung teilen, daß das die erste Grundlage für eine Harmonisierung der Steuern im gesamten Kraftfahrzeugbereich der Gemeinschaft sein muß?
Zum letzten, Herr Kollege, teile ich Ihre Meinung. Zum ersten kann ich Ihnen den Termin leider nicht sagen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fellermaier.
Würden Sie bereit sein, den Termin dem Hohen Hause nach Rückfrage bei der Kommission oder bei dem Ministerrat gelegentlich schriftlich mitzuteilen?
Selbstverständlich bin ich bereit, das mitzuteilen. Ich glaube, es ist besser, es Ihnen mitzuteilen.
Herr Abgeordneter Matthöfer!
Herr Staatssekretär, wie würde die Harmonisierung aussehen in Anbetracht der Tatsache, daß in einem anderen großen und wichtigen EWG-Land im wesentlichen keine Kraftfahrzeugsteuer besteht und die Besteuerung der Fahrzeughalter über die Benzinpreise erfolgt?
Herr Kollege Matthöfer, Sie haben sicherlich Verständnis dafür, daß ich keinen Vorschlag machen kann, solange die Verhandlungen laufen. Ich kann auch nichts sagen über das hinaus, was ich soeben betonte: daß wir eine gemeinsame Regelung aller EWG-Staaten anstreben. Denn das ist ja die Frage der Harmonisierung überhaupt: daß man gemeinsam etwas tut.
Aber ich möchte Ihnen über unsere Vorstellungen im Bereich der Harmonisierung bezüglich der Personenkraftwagen vortragen, was wir unter Umständen dabei sagen können. Wir haben uns noch nicht auf eine bestimmte Besteuerungsgrundlage für Personenkraftwagen festgelegt. Im Gespräch sind in Brüssel vor allem das zulässige Gesamtgewicht und die Fahrzeuggrundfläche sowie Kombinationen —
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Dezember 1968 10915
Parlamentarischer Staatssekretär Leicht
das ist in diesem Haus ja bekannt — aus einem dieser beiden Merkmale mit der Motorleistung. Es ist aber leider so, daß jede dieser Möglichkeiten sowohl Vorteile als auch Nachteile hat. Deshalb möchte die Bundesregierung den Fortgang der Diskussion noch abwarten.
Im Augenblick läßt sich nur sagen, daß die Bundesregierung den Hubraum, der zur Zeit bei uns Besteuerungsgrundlage ist, nicht in einer Gemeinschaftsregelung berücksichtigt sehen möchte. Dabei kommt es auf die alte Streitfrage, ob der Hubraum sich nachteilig auf die Konstruktion von Personenkraftwagen ausgewirkt habe, gar nicht an, sondern auf die Tatsache, daß der Hubraum für Fahrzeuge mit Wankelmotor oder mit Elektromotor als Besteuerungsgrundlage ungeeignet ist. — Sie haben Verständnis dafür, daß ich im Augenblick nur das als Feststellung treffen kann.
Dann kommen wir zu der Frage des Abgeordneten Dr. Kreutzmann:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um schwach oder einseitig strukturierten Zonenrandgemeinden die durch Sonderabschreibungen entstandenen Steuerausfälle auszugleichen?
— Sie übernehmen die Frage, bitte. Herr Staatssekretär, bitte!
Ich darf die Frage des Herrn Kollegen Dr. Kreutzmann wie folgt beantworten. Nach der Finanzverfassung ist der Bund nicht berechtigt, den Gemeinden oder bestimmten Gruppen von Gemeinden allgemeine Finanzzuweisungen zum Zweck des Finanzausgleichs zu gewähren. Die Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden ist vielmehr Sache der Länder. Sie haben daher im Rahmen ihrer ausschließlichen Zuständigkeit für den kommunalen Finanzausgleich auch die Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um die Gewerbesteuerausfälle angemessen auszugleichen, die sich als Folge der Sonderabschreibungsmöglichkeiten für die Betriebe in den Zonenrandgebieten ergeben.
Herr Staatssekretär, bestünde die Möglichkeit, daß der Bund über die Länder zu einem Ausgleich beitragen kann?
Herr Kollege, das ist eine sehr umfassende Frage, die sicherlich bei der hoffentlich noch in dieser Legislaturperiode zu verabschiedenden Finanzverfassungsreform eine wesentliche Rolle spielt, nämlich die Aufteilung der Finanzmasse; da könnte das schon hineinspielen. Wenn wir die neuesten Zahlen der Steuerschätzungen sehen, dann könnte daraus — auf Ihre Frage nun direkt angesprochen — auch für den Bund so manches als Rückschluß notwendig sein.
Keine Zusatzfragen mehr. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe die Frage des Abgeordneten Dröscher auf:
Wie hoch sind die Einkommensverluste, welche die bei der Bundeswehr beschäftigten zivilen Arbeitskräfte durch die Wiedereinführung des „Einzugsgebietes" und den Wegfall des Verpflegungszuschusses bei „Abwesenheit bis zu 11 Stunden" erlitten haben?
Die Frage des Abgeordneten Dröscher wird vom Abgeordneten Felder übernommen.
Ich erteile dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär das Wort zur Beantwortung.
Herr Präsident, ich würde gern beide Fragen wegen des Zusammenhangs gemeinsam beantworten.
Bitte sehr. Dann rufe ich auch die folgende Frage — des Herrn Abgeordneten Dröscher — auf:
Wie weit sind die Verhandlungen gediehen, die zwischen dem Bundesinnenministerium und den Gewerkschaften mit dem Ziel geführt werden sollten, den jetzigen unbefriedigenden Zustand für die zivilen Arbeitnehmer der Bundeswehr besser zu regeln?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, die von Ihnen erwähnten Einkommenseinbußen von Arbeitnehmern der Bundeswehr, denen im übrigen auch Beamte und Soldaten unterliegen, sind auf die Änderungsverordnung vom 30. Mai 1968 zur Trennungsgeldverordnung zurückzuführen. Mit dieser Änderungsverordnung hat die Bundesregierung einem Ersuchen des Deutschen Bundestages vom 8 Dezember 1967 Rechnung getragen. Hierauf habe ich bereits in der Fragestunde vom 15. November 1968 auf eine entsprechende Frage des Herrn Kollegen Tamblé hingewiesen.
In vielen Fällen sind die Einkommenseinbußen der zivilen Arbeitskräfte jedoch auch darauf zurückzuführen, daß eine spezielle Besitzstandsregelung für abgelegene Standorte aus der Aufbauphase der Bundeswehr in mehreren Standorten infolge Veränderungen der Arbeitsmarktlage in den Jahren 1966/1967 ausgelaufen ist.
Die Einkommenseinbußen sind unterschiedlich, können sich jedoch — auch dies ist schon in der Fragestunde am 15. November zur Sprache gekommen — in- extremen Einzelfällen bis auf 200 DM monatlich belaufen.
Mein Haus hat wegen der hierdurch entstandenen Schwierigkeiten Gespräche mit den beteiligten Ressorts und mit den Gewerkschaften aufgenommen und wird sie noch im Monat Dezember mit dem Ziele fortsetzen, eine befriedigende Regelung zu finden. Ich bin gern bereit, Ihnen das Ergebnis dieser Gespräche mitzuteilen.
Darf ich um die Übermittlung des Gesprächsergebnisses bitten .
10916 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Dezember 1968
Ich habe es angeboten und zugesagt.
Dann kommen wir zu der Frage 46 der Abgeordneten Frau Geisendörfer:
Welche Gründe haben die Bundesregierung bewogen, einen britischen Act of Parliament auch für die Bundesrepublik Deutschland zu praktizieren, demzufolge alle Personen mit britischem Paß, deren Eltern aber nicht in England geboren sind oder die von nichtbritischen Eltern abstammen, eine besondere Aufenthaltsgenehmigung bei der Einreise benötigen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Ihre Fragen, Frau Kollegin, beantworte ich im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt.
Die deutschen Rechtsvorschriften über Einreise und Aufenthalt von Ausländern enthalten wie die entsprechenden Bestimmungen in den meisten anderen Staaten gewisse Differenzierungen, die auf die Staatsangehörigkeit der Einreisebewerber abstellen. Ob jemand die Staatsangehörigkeit eines bestimmten Staates besitzt, ist nach dessen Recht zu beurteilen. Die Antwort auf die Frage, ob jemand die Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreichs besitzt, hängt also von der britischen Gesetzgebung ab. Das Ergebnis der Beurteilung wandelt sich mit Änderungen in der britischen Gesetzgebung.
Nachdem ein britisches Gesetz angeordnet hatte, daß bestimmte Gruppen von Einwohnern der Länder des Commonwealth, die britische Pässe besitzen, in bezug auf die Anwendung der britischen Einreisebestimmungen nicht mehr wie Einwohner des Vereinigten Königreichs zu behandeln sind, konnten sie auch von der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr als Angehörige des britischen Mutterlandes angesehen und damit auch nicht mehr den für diese geltenden erleichterten deutschen Einreisebestimmungen unterstellt werden. In den Genuß der erleichterten Einreisebestimmungen kommen aber nach wie vor alle Inhaber der britischen Pässe, die im Mutterland ausgestellt worden sind.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Geisendörfer.
Herr Staatssekretär, können Sie mir die Frage beantworten, ob diese Regelung der britischen Gesetzgebung nur in der Bundesrepublik Deutschland oder auch in allen anderen Staaten praktiziert wird?
Mir sind darüber genaue Informationen nicht bekannt. Wir hatten auch bisher keinen Anlaß, Erhebungen darüber etwa in unseren Nachbarländern anzustellen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Veränderungen in der britischen Gesetzgebung von den anderen Ländern nur zur Kenntnis genommen werden, ohne daß die sich daraus natürlich ergebenden Rechtsfolgerungen gezogen werden. Soweit mir bekannt ist, werden z. B. in den europäischen Nachbarländern genau dieselben Konsequenzen gezogen wie bei uns in der Bundesrepublik.
Eine zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Geisendörfer.
Herr Staatssekretär, könnte die Bundesregierung genaue Erkundigungen darüber einziehen, und wäre sie gegebenenfalls bereit, dann auch Konsequenzen daraus zu ziehen?
Selbstverständlich können wir uns auf Grund Ihrer Frage erkundigen, wie andere Länder entsprechende Fälle handhaben. Wir sind gern bereit, Ihnen, Frau Kollegin, darüber Aufschluß zu geben.
Frage 47 der Abgeordneten Frau Geisendörfer:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Regierung des Vereinigten Königreichs diese Regelung für eine bestimmte Ausnahmesituation geschaffen hat?
Der Bundesregierung ist aus Berichten der Deutschen Botschaft in London sowie aus den seinerzeitigen Pressemitteilungen die Vorgeschichte bekannt, die im Jahre 1962 zum Erlaß des Commonwealth Immigrants Act und im Frühjahr 1968 zu seiner Änderung geführt hat.
Unabhängig von den Motiven, welche die britische Regierung zur Vorlage und das britische Parlament zur Verabschiedung der betreffenden Gesetze bewogen haben, muß der rechtliche Zustand, der damit geschaffen worden ist, von uns zur Kenntnis genommen werden. Die deutschen Behörden können nicht Personen als Angehörige des britischen Mutterlandes ansehen, die von britischer Seite nicht als solche betrachtet und behandelt werden.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Geisendörfer.
Herr Staatssekretär, können Sie mir meine Annahme ausdrücklich bestätigen, daß durch die bei uns geübte Praxis keinerlei direkte oder indirekte, nach dem Grundgesetz ja auch verbotene Diskriminierung irgendwelcher Gruppen von Menschen beabsichtigt oder bewirkt wird?
Genau das ist die Auffassung der Bundesregierung, Frau Kollegin, und genau dieser Grundsatz, ein Grundsatz unserer Verfassung, verbietet auch der Bundesregierung, irgendwelche Differenzierungen in Gruppen, die jetzt von der britischen Gesetzgebung vorgenommen worden sind, ihrerseits vorzunehmen.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Dezember 1968 10917
Eine zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Geisendörfer.
Stimmt es, Herr Staatssekretär, daß auch ohne die angegebene Eintragung in britischen Pässen von britischer Seite in Ausnahmefällen von deutschen Konsulaten Sichtvermerke für eine einmalige Reise in die Bundesrepublik Deutschland erteilt werden können?
Das ist mir im Augenblick nicht bekannt; ich möchte es allerdings annehmen. Ich bin aber gern bereit, dieser Frage nachzugehen.
Dann kommen wir zu den Fragen 48, 49 und 50 des Abgeordneten Matthöfer:
Haben die Erfahrungen der Verwaltungspraxis mit dem Ausländergesetz von 1965 bisher Anhaltspunkte für eine notwendige oder wünschenswerte Novellierung ergeben?
Welche Kriterien wurden bisher für die Präzisierung des im Ausländergesetz verwendeten Begriffs „Beeinträchtigung der Belange der Bundesrepublik Deutschland" entwickelt?
Welche Grenzen für „Bedingungen" und „Auflagen" haben sich in der Praxis bei der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen für Ausländer ergeben?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Das Ausländergesetz von 1965 hat sich nach Auffassung der Bundesregierung in der Praxis sehr bewährt. Eine Notwendigkeit für wesentliche Änderungen ist nicht ersichtlich geworden.
Zu Ihrer zweiten Frage, Herr Kollege. Hierfür gibt es je nach Lage der sehr verschiedenen Fallgruppen, die in der Praxis vorkommen, zahlreiche Kriterien. Ihre Präzisierung erfolgt in erster Linie durch Anweisungen an die Verwaltungen, nämlich durch die allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Ausländergesetzes. Insbesondere ist auf die Ausführungen in Nr. 4 zu § 2 und Nr. 15 zu § 10 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz hinzuweisen.
Nach Nr. 4 zu § 2 ist eine Beeinträchtigung der Belange der Bundesrepublik Deutschland in der Regel gegeben; wenn ein Sachverhalt vorliegt, der die Ausweisung rechtfertigen würde. Darüber hinaus können aber auch andere Tatsachen eine Beeinträchtigung solcher Belange zur Folge haben. In Nr. 15 zu § 10 heißt es wörtlich: „Als erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland sind besonders ihre innere und äußere Sicherheit, die öffentliche Ordnung, die Sicherung wichtiger gesamtwirtschaftlicher Interessen und die Beziehungen zum Ausland anzusehen." Über die Anwendung dieser Kriterien auf die verschiedenen in der Praxis vorkommenden Fallgruppen werden die mit der Anwendung der ausländerrechtlichen Vorschriften befaßten Behörden erforderlichenfalls durch Runderlasse und Weisungen der Innenminister der Länder unterrichtet.
Im übrigen spielt für die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften und die Bestimmung ihres Anwendungsbereichs die laufende Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte eine erhebliche Rolle.
Zu Ihrer dritten Frage. Über Bedingungen und Auflagen zur Aufenthaltserlaubnis enthält die Verwaltungsvorschrift zu § 7 des Ausländergesetzes nähere Anweisungen. Hinzuweisen ist insbesondere auf die Nrn. 13 bis 18 zu § 7 der Verwaltungsvorschrift, wo die verschiedenen Auflagen und Bedingungen aufgeführt sind, die für verschiedene Gruppen von Ausländern je nach ihrem Aufenthaltszweck in Betracht kommen. Nr. 12 zu § 7 bestimmt ganz allgemein, daß Auflagen oder Bedingungen zur Aufenthaltserlaubnis dann, aber auch nur dann verfügt werden können, wenn dies zur Wahrung öffentlicher Interessen geboten erscheint.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen davon, es seien keine „wesentlichen Änderungen" notwendig. Können Sie mir sagen, welche vielleicht nach Ihrer Auffassung nicht wesentlichen Änderungen die Bundesregierung im Sinne hätte?
Die Bundesregierung hält im Augenblick eine Novellierung des Ausländergesetzes nicht für erforderlich. Es gibt hier im Hohen Hause einige Wünsche in dieser Richtung, die aber in der Meinungsbildung der Bundesregierung noch nicht so weit geführt haben, daß eine Novellierung heute hier vorgeschlagen werden könnte.
Herr Abgeordneter Matthöfer zu einer weiteren Zusatzfrage.
Sie sprachen bei der Konkretisierung des Begriffes „Belange der Bundesrepublik Deutschland" von den Beziehungen zum Ausland. Trifft es zu, Herr Staatssekretär, daß z. B. iranischen Studenten die Aufenthaltserlaubnis versagt oder entzogen wurde, weil ihr weiterer Aufenthalt in der Bundesrepublik gegen den Willen der Obrigkeit in Teheran die freundschaftlichen Beziehungen der Bundesrepublik zum Kaiserreich Iran zu beeinträchtigen geeignet gewesen wäre?
Das ist mir im konkreten Falle nicht bekannt. Im übrigen ist es auch Sache der zuständigen Länderbehörden, die erlassenen und bestehenden Gesetze im einzelnen auszuführen.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung aber nicht doch auch Meinungen zu diesen Entscheidungen der Länder und Verwaltungsbehörden zu haben?
Herr Kollege Matthöfer, die Bundesregierung beschränkt sich darauf, die Verwaltungsvorschriften, für die sie zuständig ist, zu erlassen. Im übrigen ist die Ausführung des Ausländerrechts Sache der Länder und die Handhabung
10918 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 202. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Dezember 1968
Parlamentarischer Staatssekretär Köppler
seiner Bestimmungen im Einzelfall ebenfalls ausschließlich Sache der Länder. s
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß in besonderen Fällen das ausgesprochene Verbot einer politischen Betätigung auch durch Paßeintragung dokumentiert wurde?
Es ist mir im Augenblick nicht möglich, dazu etwas zu sagen. Wenn Sie es wünschen, bin ich gerne bereit, dem von Ihnen hier offenbar angesprochenen Fall konkret nachzugehen.
Würden Sie mit mir übereinstimmen, daß in einem solchen Falle vielleicht lediglich der politischen Polizei autoritärer oder totalitärer Staaten die Arbeit leichter gemacht würde?
Ich würde diesen Fall, der Ihnen bekannt ist, gerne in allen seinen Einzelheiten prüfen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir Ihre Unterlagen zur Verfügung stellten. Ich wäre dann gerne bereit, Ihnen diese allgemeine Beurteilung, die Sie von mir erfragt haben, zu geben.
Letzte Zusatzfrage.
Hat die Bundesregierung noch einmal überprüft, ob die auf der Grundlage ihres Entwurfs vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung, dem Ermessen der Verwaltungsbehörde und nicht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts anheimzugeben, ob ein Ausländer sein Asylrecht verwirkt hat, nicht doch verfassungswidrig ist?
Herr Kollege Matthöfer, ich sehe den unmittelbaren Zusammenhang dieser Zusatzfrage mit Ihrer hier gestellten Frage nicht. Ich bin deshalb auch nicht in der Lage, diese nach meiner Auffassung neue Frage hier aus dem Handgelenk zu beantworten.
Sie haben sechs Fragen. Das reicht also nun wirklich. — Herr Abgeordneter Schlager zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie stellen fest, daß die Bundesregierung gegenwärtig eine Novellierung des Ausländergesetzes nicht unbedingt für erforderlich hält. Sind Sie aber doch bereit, dem Kollegen Matthöfer zu bestätigen, daß die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schlager, Dr. Even, Wagner, Dr. Wörner, Althammer unter dem Betreff Mißbrauch des Gastrechts durch einzelne Gruppen von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland, Drucksache V/2046, zu erwägen gibt, die Strafbestimmungen des Ausländergesetzes, die Zuwiderhandlungen gegen das Verbot einer politischen Betätigung unter Strafe stellen, zu verschärfen?
Das, Herr Kollege, ist in der Tat Gegenstand der Prüfung innerhalb der Bundesregierung.
Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie diese Novellierung nicht schon angesichts des Tatbestandes für geboten, daß bei der Anwendung der von Ihnen genannten Durchführungsverordnungen z. B. mit Hilfe dieses Gesetzes gegen Ehemänner deutscher Staatsbürgerinnen in einer Art und Weise vorgegangen wird, die ich im Hinblick auf die im Grundgesetz festgelegte Gleichberechtigung von männlichen und weiblichen Bürgern in diesem Lande für verfassungswidrig halte?
Herr Kollege, Sie sprechen ein Problem an, das zur Zeit Gegenstand der Beratung dieses Hohen Hauses ist, nämlich die Frage einer eventuellen Novellierung des Staatsangehörigkeitsrechts unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 des Grundgesetzes. Ich glaube, daß diese Frage im Laufe der Beratungen der Ausschüsse dieses Hauses in Bälde einer Klärung zugeführt werden kann.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, ich darf meine Frage wiederholen. Ich wollte die Meinung Ihres Hauses wissen. Hält Ihr Haus in diesem Fall die Art der Durchführung dieser gesetzlichen Bestimmungen, dieser Durchführungsverordnungen für mit unserem Grundgesetz konform oder nicht? Ihr Haus muß ja wohl eine Meinung dazu haben.
Sie hält in der Tat die Behandlung ausländischer Ehemänner von Ehefrauen deutscher Staatsangehörigkeit, die nach dem geltenden Staatsangehörigkeitsgesetz nicht Deutsche sind, nach den Vorschriften des Ausländergesetzes für verfassungskonform.
Ich rufe die Frage 51 des Abgeordneten Kahn-Ackermann auf:
Ist dem Bundesminister in seiner Eigenschaft als Vizepräsident des Organisatorischen Komitees der Olympischen Spiele 1972 die Art des öffentlichen Auftretens des Vereins Flammenpfennig bekannt?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, der Bundesregierung sind wie jedermann sonst die Veranstaltungen und Aktionen des Vereins „Der Flammenpfennig" aus der Presse bekannt. Einer Pressemitteilung dieses Vereins vom 30. September 1968
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Parlamentarischer Staatssekretär Köppler
ist zu entnehmen, daß der Reingewinn seiner Aktionen zur Förderung der deutschen Olympiamannschaft dienen soll. Hierbei handelt es sich nicht um eine Aufgabe, die in die Zuständigkeit des Organisationskomitees für die Spiele der XX. Olympiade in München 1972 fällt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Herr StaVerein siatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß der ch um die Genehmigung bemüht hat, die Embleme der Olympischen Spiele für seine Zwecke verwenden zu dürfen, und halten Sie dies angesichts der Tatsache für vertretbar, daß dieser Verein hier in Bonn bei einer öffentlichen Veranstaltung seine Funktion dahin umschrieben hat, daß ohne seine Tätigkeit der Kulturteil der Olympiade 1972 gar nicht durchgeführt werden könne, sondern in eine „Weißwurst-Olympiade" auszuarten drohe? Billigt die Bundesregierung dies?
Mir sind diese Mitteilungen, die Sie anführen, im einzelnen nicht bekannt. In der Tat ist es richtig, daß es — dieser Ansicht ist auch die Bundesregierung — der Mitarbeit breiter Bevölkerungsschichten, insbesondere auch privater Initiativen bedarf, wenn die vom Organisationskomitee, der Bundesregierung und allen Beteiligten gesteckten Ziele für die Vorbereitung der Olympischen Spiele in Deutschland erreicht werden sollen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, ist es nicht zutreffend, daß solche Vereine, die aus wünschenswerter privater Initiative entstehen, sich doch auch ein bißchen an die Spielregeln halten, die im Interesse des Ansehens der Olympischen Spiele für geboten erscheinen?
Die Bundesregierung hat keinen unmittelbaren Einfluß auf die Methode und die Art und Weise, wie die Träger privater Initiativen — und um eine solche private Initiative handelt es sich hier — ihre Arbeit gestalten. Ich bin aber mit Ihnen der Auffassung, daß solche Initiativen insbesondere mit dem Organisationskomitee der Olympischen Spiele abgestimmt sein sollten, was im übrigen für die von Ihnen angesprochene Aktion und ihre Vorhaben zutrifft. Es finden Gespräche zwischen dem Verein „Flammenpfennig" und dem Organisationskomitee statt.
Ist die zweite Frage auch schon beantwortet?
Nein, die zweite Frage ist noch nicht beantwortet.
Dann muß ich zuerst dem Abgeordneten Wagner zu einer Zusatzfrage das Wort geben.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Satzung des Vereins „Flammenpfennig" vorsieht, daß die Einnahmen des Vereins schließlich dem Olympischen Komitee bzw. der Deutschen Olympiagesellschaft zur Verfügung gestellt werden und daß Zuwendungen nur im Einvernehmen mit diesen Organisationen erfolgen?
Ich nehme das mit großer Befriedigung zur Kenntnis.
Dann kommen wir zur zweiten Frage des Abgeordneten Kahn-Ackermann, der Frage 52:
Wie hoch wird voraussichtlich der Verwaltungsaufwand für die von dem Verein geplanten Aktionen sein?
Der Verein „Flammenpfennig" ist eine rein private Vereinigung. Über seine Geschäftsgrundlagen und insbesondere seine finanziellen Kalkulationen ist die Bundesregierung nicht unterrichtet. Ich vermag daher diese Frage, Herr Kollege, zu meinem Bedauern nicht zu beantworten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, da der Herr Bundesinnenminister im Organisationskomitee mitbeteiligt ist, müßte doch wohl — ich darf diese Frage stellen —, wenn z. B. über die Vergabe der olympischen Embleme für Zwecke der Werbung einer solchen Institution verhandelt wird, auch geklärt werden, ob der Aufwand, der natürlicherweise bei solchen Werbungen entsteht, in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ergebnis steht. Ist das hier geschehen?
Über die Verwendung des Emblems der Olympischen Spiele hat das Organisationskomitee im einzelnen noch nicht abschließend entschieden. Das ist noch Gegenstand der Beratung im Organisationskomitee. Das Organisationskomitee sieht natürlich in der Möglichkeit der Vergabe des Emblems eine seiner Quellen für die Finanzierung seiner eigenen Aufgaben.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
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Herr Staatssekretär, drängt sich hier nicht z. B. die Vermutung auf, daß bei einer an sich begrüßenswerten Aktion — z. B. der Herstellung von Platten berühmter Stars zugunsten der Zwecke des Vereins und möglicherweise auch zur Unterstützung der Olympischen Spiele — angegeben wird, es werde eine Mark abgegeben, während andere Institutionen, die ähnliches planen, dem Olympischen Organisationskomitee das Doppelte anbieten, so daß möglicherweise beträchtliche Gewinne erstens für die zur technischen Herstellung dieser Platten in Anspruch genommenen Firmen und zweitens möglicherweise auch für den Durchführer entstehen?
Ich sehe mich nicht imstande, das zu beurteilen, Herr Kollege, da ich, wie schon gesagt, keinen Einblick in die Kalkulationsunterlagen des hier besprochenen Vereins habe. Die Bundesregierung hat gar keine Möglichkeit, sich solche Kalkulationsunterlagen vorlegen zu lassen, selbst wenn sie das wollte.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wagner.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie davon unterrichten, daß die Kosten für die Werbeveranstaltungen von beteiligten Firmen getragen wurden, und darf ich Sie weiter davon unterrichten, daß aus dem Verkaufserlös der „OlympiaGold-Schallplatten" dem Verein „Aktion Flammenpfennig" nur diese 100 Pf zur Verfügung gestellt werden und nicht mehr.
Ich bin dankbar für diese Unterrichtung.
Ich rufe die Frage 53 des Abgeordneten Dr. Becher auf:
Welchen Vereinigungen links- und welchen Vereinigungen rechtsradikaler Herkunft gehören Personen an, die in jüngster Zeit durch Aufruhr, Hausfriedensbruch, Störung der Versammlungs- und Redefreiheit, Bedrohung von Richtern und Gerichten sowie durch ähnliche Aktionen eine Tätigkeit gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen die Strafgesetze entfalteten?
Die Bundesregierung hat keinen einigermaßen vollständigen Überblick über die Vereinszugehörigkeit von Beteiligten an den von Ihnen genannten Ausschreitungen. Soweit dies in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit festgestellt werden konnte, haben auch die Länder, die in erster Linie hierfür zuständig wären, solche Zusammenstellungen nicht zur Verfügung.
Eine derartige Aufstellung wäre auch schwer zu erstellen, weil niemand verpflichtet ist, seine Vereinsangehörigkeit gegenüber den Staatsorganen anzugeben. Es ist jedoch allgemein bekannt, daß vor allem Mitglieder bestimmter extremer Organisationen häufig an derartigen Ausschreitungen beteiligt sind. Daß dazu in erster Linie der Sozialistische Deutsche Studentenbund und mit ihm sympathisierende Gruppen gehören, ist ebenfalls bekannt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß es sich bei verschiedenen der hier genannten Vereinigungen nicht um Organisationen des Zufalls, sondern um Organisationen handelt, welche — wie sie es selber nennen — die „Revolutionäre Transformation der Gesellschaft" als gezielten Kampf von einer geschlossenen Theorie aus und nach einer gezielten Taktik betreiben wollen, und daß es schon aus diesem Grunde vielleicht notwendig wäre, daß die Bundesregierung dem Hohen Hause doch einigermaßen klare Auskünfte über die Zahlen und über den Namen dieser Organisationen gäbe?
Herr Kollege, der Bundesregierung ist das natürlich bekannt. Man kann vorausetzen, daß es allgemein bekannt ist. Die Bundesregierung hat auch bei einer großen Debatte dieses Hohen Hauses im Frühjahr dieses Jahres ihre Auffassung dazu in aller Deutlichkeit dargelegt. Ich bin auch gern bereit, der Frage, was die Erhebungen im einzelnen angeht, mit den Einschränkungen, die ich von der Natur der Sache her machen mußte, weiter nachzugehen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß die Merkmale der Tätigkeit der von Ihnen angesprochenen Vereinigungen fast wörtlich genau den Tatbestand des Art. 9 unserer Verfassung erfüllen, wo derartige Vereinigungen als verboten bezeichnet werden?
Es gibt in der Tat eine Fülle von Anhaltspunkten dafür, daß für einige der hier einschlägig bekannten Organisationen die Verbotsgründe in Frage kommen, die der Art. 9 unserer Verfassung aufzählt. Die Frage, ob der Bundesinnenminister — oder vielleicht andere zuständige Behörden — von seiner Befugnis im Rahmen des Art. 9 Gebrauch machen soll oder nicht, war ebenfalls bereits Gegenstand einer großen politischen Debatte hier im Hause, nämlich im Frühjahr dieses Jahres.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in der Bevölkerung im Lande draußen der Eindruck entsteht, daß gewisse Straftaten bestraft werden, weil sie von gewissen Tätern began-
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Ott
gen werden, und daß gewisse Straftaten nicht bestraft werden, weil sie ebenfalls von gewissen Tätern begangen werden?
Herr Kollege Ott, mir ist durchaus nicht unbekannt, daß hin und wieder ein solcher Eindruck vorhanden zu sein scheint. Ich bin in der Tat aber der Meinung, daß dieser Eindruck falsch ist.
Herr Abgeordneter Hudak zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, vertreten Sie die Meinung, daß das im Grundgesetz garantierte Recht auf Forschung und Lehre weithin dadurch beeinträchtigt wird, daß durch Maßnahmen bestimmter studentischer Gruppen den Lehrkräften der Zutritt z. B. zu Universitätsseminaren verwehrt wird?
Ich teile in der Tat diese Auffassung, Herr Kollege.
Ich rufe die Frage 54 des Abgeordneten Dr. Becher auf:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu treffen, um dem legitimen Verlangen der Bevölkerung nach Schutz vor den immer mehr um sich greifenden verfassungs- und gesetzwidrigen Aktionen Rechnung zu tragen?
Herr Kollege, die Bundesregierung ist bemüht, im Einvernehmen mit den Ländern, die für Aufgaben der Polizei und der Strafverfolgung primär zuständig sind, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Bürger laufend zu verbessern. Den ganzen Katalog von möglichen Maßnahmen hier aufzuzählen würde den Rahmen einer Fragestunde allerdings sprengen. Ich darf noch einmal auf die Debatten des Hohen Hauses am 30. April und am 10. Mai dieses Jahres verweisen, in denen die ganze Problematik ausgiebig erörtert wurde.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß sich nach und trotz dieser Debatte Geschehnisse ereignet haben, auf Grund deren ein breiter Teil der Bevölkerung den Eindruck hat, daß die Hinnahme z. B. von terroristischen Störaktionen gegen zahllose Versammlungen und Kundgebungen und vor allen Dingen die Bedrohung von Gerichten eine gewisse Hilflosigkeit unserer demokratischen Einrichtungen andeuten, und daß die Bundesregierung schon deshalb gehalten wäre, sich intensiv Gedanken über Möglichkeiten des Schutzes der demokratischen und verfassungsmäßig garantierten Rechte zu machen?
Herr Kollege, wenn es so wäre,
daß Störungen der öffentlichen Ordnung oder gar Straftaten in weiteren Bereichen hingenommen werden, würde ich Ihre Schußfolgerungen voll teilen. Ich bin der Meinung, daß sie nicht hingenommen werden. Die Frage ist allerdings, ob immer mit ausreichendem Erfolg eingeschritten wird. Hier teile ich Ihre Auffassung, daß die Bundesregierung Veranlassung hat, im Gespräch mit den — primär zuständigen — Ländern die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung, der Bürger laufend zu verbessern.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung nicht in der Lage, sich schon allein aus den Pressemeldungen der letzten Tage eine Ubersicht darüber zu verschaffen, daß zahllose Versammlungen bewußt gestört wurden und bewußt gestört werden, und auf welche Art und Weise können sich Ihrer Meinung nach demokratische Veranstalter selber vor solchen Terroraktionen schützen, wenn da und dort die Garanten der öffentlichen Sicherheit einfach überfordert sind?
Zunächst einmal werde ich in der Tat leider Gottes täglich über solche Vorkommnisse unterrichtet, nicht nur aus der Presse. Es trifft aber nicht zu, daß Veranstalter von Versammlungen — von denen Sie sprechen — solchen Provokationen schutzlos ausgeliefert wären. Sie haben Möglichkeiten, auch den Schutz der Polizei in Anspruch zu nehmen, und in der Regel gelingt es der Polizei auch, mit den Provokationen, die versucht werden, fertig zu werden.
Herr Abgeordneter Schlager zu einer Zusatzfrage.
Schlager Herr Staatssekretär, wäre es nicht sinnvoll, wenigstens den Angehörigen jener kleinen linksradikalen Studentengruppen z. B. die Stipendien zu entziehen, die sich, wie aus Ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Prochazka und Genossen, Drucksache V/3555, hervorgeht, Handfeuerwaffen — so in Berlin, München und Saarbrücken — oder Anleitungen zur Herstellung und Anwendung von Sprengmitteln — so in Berlin, Darmstadt und Hamburg — verschaffen wollen?
Herr Kollege, ich habe schon bei früherer Gelegenheit hier in der Fragestunde die Auffassung der Bundesregierung be-
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kanntgegeben, daß wir in der Tat auf eine Änderung der Richtlinien für das Honnefer Modell in dem Sinne hinwirken, daß strafbare Handlungen mit einer bestimmten kriminellen Substanz, die von Studenten begangen worden sind, Anlaß zum Entzug der Stipendien nach dem Honnefer Modell sein sollten. Verhandlungen über die Reform der Richtlinien, an denen andere und insbesondere natürlich auch die Länder beteiligt sind, sind zur Zeit im Gange.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schlager.
Herr Staatssekretär, ist es nicht höchste Zeit, nun wirklich gegen diese linksradikalen Studentengruppen, die ich hier zitiert habe, mit allen Mitteln vorzugehen?
— Natürlich, gegen alle, die sich hier kriminell betätigen, mit aller Schärfe, die das Gesetz bietet.
Das ist in der Tat die Auffasung der Bundesregierung. Die Handhabung der erforderlichen Maßnahmen ist Sache der Länder. Mit ihnen steht die Bundesregierung bezüglich des gesamten Komplexes ständig in Fühlungnahme.
Das waren schon zwei Zusatzfragen. Dann kommt als nächster Herr Abgeordneter Dr. Rutschke.
Herr Staatssekretär, halten Sie es vielleicht für zweckmäßig, daß man so in Verfolg der Auffassung, die die Herren Kollegen Bechert und Ott vertreten haben, für diese Personenkreise wieder Konzentrationslager einrichtet?
Herr Kollege, Sie erwarten auf diese Frage sicher keine Antwort.
Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling!
Teilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang generell meine Auffassung, daß die Rechte der Allgemeinheit unserer Staatsbürger mindestens so schutzbedürftig sind wie die Rechte randalierender Demonstranten? Ich darf mich etwas konkreter ausdrücken: Erkennt die Bundesregierung an, daß Art. 2 des Grundgesetzes, demzufolge die Ausübung der Persönlichkeitsrechte nur insoweit zulässig ist, als die Rechte anderer nicht verletzt werden, ganz eindeutig auch gegenüber randalierenden Demonstranten angewendet werden muß?
Ich halte das für selbstverständlich, Herr Kollege.
Herr Abgeordneter, bitte!
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß -es in jedem Fall einer sehr sorgfältigen Abwägung bedarf, welches Recht höher zu bewerten ist, und daß es Fälle geben kann, in denen das Demonstrationsrecht einen höheren Wert hat als z. B. die Verzögerung des Nahverkehrs um eine halbe oder eine Stunde?
Das ist eine außerordentlich schwierige juristische Frage. Natürlich muß auch hier eine Abwägung vorgenommen werden können. Aber um das Ergebnis einer solchen Abwägung im konkreten Fall darstellen und Ihnen bekanntgeben zu können, müßte ich in der Tat diesen konkreten Fall in allen Einzelheiten kennen.
Herr Kollege Matthöfer zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß ein solches Abwägen in jedem Fall Sache unabhängiger Gerichte wäre?
Letztlich natürlich der Gerichte. Aber bevor die Gerichte mit einer solchen Sache befaßt sind, ist eine solche Abwägungspflicht auch allen anderen Behörden auferlegt.
Herr Abgeordneter Dr. Hudak!
Herr Staatssekretär, bis wann ist mit einem Abschluß der Verhandlungen zu rechnen, die zu einer Neuordnung des Honnefer Modells führen werden?
Da diese Verhandlungen zu führen eine sehr komplizierte Aufgabe ist, in der der Bund nur einer von vielen Mitbeteiligten ist, bin ich im Augenblick nicht in der Lage, Ihnen eine konkrete Zusage für den Abschlußtermin dieser Verhandlungen zu geben.
Herr Abgeordneter Felder zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie angesichts der gestellten Fragen im Zusammenhang mit den vorbeugenden Besprechungen, die Sie mit
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Felder
den Innenministern der Länder führen, Ihr Augenmerk auch darauf richten, daß sich im Hinblick auf den sich allmählich entwickelnden Wahlkampf bei der NPD aus den bisherigen Saalordnertrupps nicht jene organisierten Schlägertrupps entwickeln, die wir einstmals schon erlebt haben? Ich beziehe mich auf bestimmte Vorgänge, die kürzlich in München stattgefunden haben.
Diesen Sachbereich, den Sie angesprochen haben, Herr Kollege, beobachten die Bundesregierung und inbesondere der Bundesminister des Innern in Zusammenarbeit mit den Ländern ohnehin mit größter Aufmerksamkeit.
Ich rufe nunmehr die Frage 55 des Abgeordneten Moersch auf:
In welchen weiteren Ressorts der Bundesregierung werden noch zusätzliche Bundesämter - als das in Frage 9 erwähnte — geplant?
Die Frage wird von Herrn Mertes übernommen.
Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen des Abgerodneten Moersch im Zusammenhang beantworten zu dürfen.
Bitte sehr. Ich rufe also auch die Frage 56 des Abgeordneten Moersch auf, die ebenfalls vom Abgeordneten Mertes übernommen wird:
Für welche weiteren Angelegenheiten sollen Bundesämter eingerichtet werden?
Eine Umfrage bei den Bundesressorts, Herr Kollege, hat folgendes ergeben.
Der Bundesminister der Verteidigung plant die Einrichtung eines Bundessprachenamtes. In diesem Amt sollen die Sprachenschule und der Übersetzerdienst der Bundeswehr zusammengefaßt werden. Der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen beabsichtigt die Errichtung einer Bundesanstalt für gesamtdeutsche Aufgaben. Diese soll sich mit der Dokumentation, der Offentlichkeitsarbeit und Förderungsmaßnahmen im gesamtdeutschen Bereich befassen. Schließlich plant der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit für die Durchführung der technischen Hilfe ein Bundesamt für Entwicklungshilfe.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Rutschke.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt nicht der Bundesarbeitsminister, ein Bundesamt für Rehabilitation einzurichten?
Die Umfrage bei allen Ministerien; also auch beim Bundesarbeitsministerium, hat keine Pläne in dieser Richtung erkennen lassen.
Dann rufe ich die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke auf:
Hat die Bundesregierung in Anbetracht des tragischen Todes des deutschen Krankenpflegers Ceslaw Dixa in Vietnam die Sicherheitslage der Helfer in Vietnam erneut überprüft?
Ist er im Saal? — Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung hat auf Grund des tragischen Todes des MalteserHilfsdienst-Helfers Czeslaw Dixa erneut eine eingehende Prüfung der Sicherheitslage in Südvietnam, insbesondere für den Malteser-Hilfsdienst, eingeleitet. Um über erforderliche Sicherheitsmaßnahmen entscheiden zu können, hat sie sich zunächst bemüht, die näheren Umstände dieses Todesfalles zu ergründen. Nach den Berichten der Deutschen Botschaft in Saigon und des Malteser-Hilfsdienstes fanden am 22. November 1968 Kämpfe um An Hoa statt. Nach deren Ende, gegen 22.30 Uhr, fuhren Dixa und ein anderer MHD-Helfer mit einem Kraftfahrzeug von der Unterkunft zum 800 m entfernten Hospital. Auf dem Wege begegneten sie einer Gruppe Vietcong, die die Straße überquerte. Diese fühlte sich anscheinend überrascht und reagierte sofort mit Handgranaten und Schüssen. Czeslaw Dixa wurde am Kopf schwer verletzt und verstarb am 24. November 1968 im amerikanischen Krankenhaus in Da Nang. Der andere MHD-Helfer wurde nur leicht verletzt. Er befindet sich nach -Behandlung auf der „Helgoland" auf dem Wege der Besserung.
Hiernach geht die Bundesregierung in Übereinstimmung mit dem Malteser-Hilfsdienst davon aus, daß es sich nicht um einen gezielten Angriff auf den Malteser-Hilfsdienst, sondern um eine spontane Reaktion des Vietcong auf Grund einer irrtümlich vermuteten Gefahrenlage gehandelt haben dürfte. Auf Grund dessen wurde der Malteser-Hilfsdienst sogleich gebeten, als erste weitere Sicherungsmaßnahme die Unterkünfte bei Dunkelheit nicht mehr zu verlassen, damit solche Situationen vermieden werden.
Der Leiter der Malteser-Hilfsdienst-Gruppe in Südvietnam wurde zur Berichterstattung nach hier gebeten. Nach seinem am 29. November dieses Jahres erstatteten Bericht will der Malteser-Hilfsdienst seine humanitäre Hilfe an allen Einsatzorten fortsetzen. Die Malteser-Hilfsdienst-Helfer haben den Leiter ihrer Gruppe gebeten, in Bonn ihren Wunsch nach Weiterarbeit vorzutragen.
Auch die Botschaft in Saigon ist beauftragt, die Sicherheitslage erneut zu prüfen. Nach dem Bericht der Botschaft wird die Bundesregierung entscheiden, ob weitere Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sind.
Bereits vor dem tragischen Tod des Helfers Dixa wurde damit begonnen, die Decken der Unterkünfte der MHD-Helfer zu verstärken, um sie gegen Beschuß zu sichern.
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Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Meinecke.
Herr Staatssekretär, ich darf also Ihren Ausführungen entnehmen, daß die Bundesregierung die Gesamtsicherheitssituation für die deutschen Helfer in Vietnam zur Zeit als nicht bedrohlicher als bislang ansieht?
Ja.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich darf aber wohl auch annehmen, daß einmal, wenn sich in der nächsten Zeit die Situation verschärfen sollte, theoretisch der Moment eintreten kann, in dem die Bundesregierung einer Organisation, die weiterarbeiten möchte, aus Gründen der Sicherheit ein klares Nein entgegensetzen muß?
Ich will eine solche Situation in der Zukunft nicht grundsätzlich ausschließen, Herr Kollege. Im übrigen bemüht sich die Bundesregierung nahezu täglich — auch in enger Zusammenarbeit mit dem zuständigen Unterausschuß dieses Hohen Hauses —, die Lage in Südvietnam im Hinblick auf die Sicherheit für die dort tätigen deutschen Helfer zu überprüfen und die notwendigen Konsequenzen aus dieser Überprüfung zu ziehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Opitz.
Herr Staatssekretär, hat es sich um ein normales Kraftfahrzeug gehandelt, oder war es ein Kraftfahrzeug, das mit dem Roten Kreuz gekennzeichnet war?
Da bin ich im Augenblick leider überfragt, Herr Kollege. Ich bin aber gern bereit, dieser Ihrer Frage nachzugehen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brück.
Herr Staatssekretär, in diesem Zusammenhang darf ich fragen: Es ist bisher doch wohl so gewesen, daß bis zu diesem Zeitpunkt beim Einsatz des Malteser-Hilfsdienstes in Südvietnam keinerlei Veranlassung bestand, erhöhte Sicherheitsanforderungen zu stellen, und daß der Malteser-Hilfsdienst in Südvietnam bisher auch von der Gegenseite sehr respektiert worden ist?
Herr Kollege Brück, es bestanden natürlich schon in der Vergangenheit genügend Anlässe, bestimmte Sicherheitsvorkehrungen nicht nur für den Malteser-Hilfsdienst, sondern für alle in Südvietnam helfend tätigen Deutschen zu veranlassen. Aber ich stimme Ihnen zu, bisher hat eine besondere Gefahrenlage — über die allgemeine Situation in Südvietnam hinaus — für den MalteserHilfsdienst nie bestanden.
Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Fragestunde und der heutigen Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Freitag, den 6. Dezember 1968, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.