Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
1. Vorlage des Bundesministers des Innern
Betr.: Betrieblicher Selbstschutz Bezug: Beschluß des Bundestages vom 13. Juni 1967
— Drucksache V/1948 —zuständig: Innenausschuß
2. Vorlage des Bundesministers für Verkehr
Betr.: Maßnahmen zur Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil der deutschen Seehäfen
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 8. Dezember 1966 — Drucksache V/1942 —
zuständig: Verkehrsausschuß , Finanzausschuß, Haushaltsausschuß
3. Vorlage des Sprechers der deutschen Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union
Betr.: Bericht über die Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 13. bis 15. Juni 1967
— Drucksache V/1963
zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich mache dem Hause folgende Mitteilung. Es geht um die Handhabung der Mündlichen Anfragen während der Ferienzeit. Der Ältestenrat empfiehlt, für die Einreichung von Mündlichen Anfragen während der Sommerpause abweichend von der Geschäftsordnung folgende Regelung zu treffen. Es ist übrigens die gleiche Regelung, wie wir sie im vorigen Jahr gehabt haben.
Jeder Abgeordnete ist berechtigt, in den Monaten Juli und August je drei Mündliche Anfragen einzureichen. Die Anfragen für den Monat Juli müssen spätestens bis zum 31. Juli, 17 Uhr, die Fragen für August bis zum 31. August, 17 Uhr, eingehen. Mündliche Anfragen, die in den Monaten Juli und August eingereicht werden, werden von der Bundesregierung schriftlich beantwortet. Mündliche Anfragen, die im September gestellt werden, werden gemäß den Richtlinien für die Fragestunde mündlich beantwortet, wenn sich der Fragesteller nicht mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Bundesregierung hat sich mit dieser Regelung einverstanden erklärt.
Ich höre keinen Widerspruch gegen diese Regelung; dann ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen hat am 27. Juni 1967 mitgeteilt, daß der federführende Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und der mitberatende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die nachfolgenden, vom Rat zwischenzeitlich verabschiedeten Verordnungen ohne besondere Bemerkung zur Kenntnis genommen haben, so daß sich eine Berichterstattung erübrigt:
Verordnung des Rates über die Aussetzung der Anwendung des Art. 14 und über die Änderung des Art. 18 der Verordnung Nr. 160/66/ EWG vom 27. Oktober 1966
Verordnung des Rates zur Ergänzung der Verordnung Nr. 160/66 /EWG vom 27. Oktober 1966 durch einen Artikel für den Erlaß besonderer Vorschriften für den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und bestimmten Staaten, Ländern oder Gebieten
— Drucksache V/1708 —
Wir kommen dann zur
Fragestunde
— Drucksachen V/1996, V/1943, zu V/1943 —
Ich rufe die Dringliche Mündliche Anfrage des Abgeordneten Bading aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf Drucksache V/1996 auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die kommenden Verhandlungen über ein Weltgetreideabkommen auf der EWG- Seite von den Vertretern der einzelnen Regierungen geführt werden sollten, oder wird sie sich dafür einsetzen, daß der Ministerrat der EWG der Kommission ein entsprechendes Mandat erteilt, wie er es für die Verhandlungen der Kennedy-Runde getan hat?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Staatssekretär. — Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß die kommenden Verhandlungen über ein Weltgetreideabkommen auf der EWG- Seite von den Vertretern der einzelnen Mitgliedsregierungen geführt werden sollten. Sie geht davon aus, daß bei den Verhandlungen in Rom eine einheitliche Stellungnahme der EWG erfolgt.
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5918 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1967
Staatssekretär HüttebräukerDie Frage der Verhandlungsführung hat der Ministerrat in seiner Sitzung am 26. und 27. Juni dieses Jahres neben anderen Problemen, die sich im Zusammenhang mit dem Weltgetreideabkommen stellen, erörtert. Er kam überein, daß eine Festlegung erst nach gründlicher Prüfung aller zu berücksichtigenden Umstände, insbesondere der sich stellenden Rechtsfragen, erfolgen kann. Diese Prüfung findet zur Zeit sowohl in der Kommission als auch innerhalb der Regierungen der sechs EWG-Mitgliedstaaten statt. Die Festlegung der endgültigen deutschen Haltung hängt von dem Gang der Erörterungen in Brüssel ab.Die Entscheidung, ob die präsidierende Ratsmacht oder die Kommission die Verhandlungen führen soll, wird so rechtzeitig erfolgen, daß ein Verhandlungsbeginn in Rom am 12. Juli gewährleistet ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bading.
Herr Staatssekretär, aus welchen Gründen weicht man jetzt von der bisherigen Übung ab? Bei den Verhandlungen zur Kennedy-Runde hat der Ministerrat der Kommission ein klares Mandat erteilt. Damals hat man keine Rechtsskrupel gehabt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich darf darauf hinweisen, daß Verhandlungen über die weltweiten Warenabkommen bisher noch von den einzelnen Regierungen geführt werden; da es sich hier um ein weltweites Warenabkommen handelt, muß erst die Rechtslage geprüft werden. Aber die Bundesregierung und, soweit ich die Lage beurteile, auch die Regierungen der anderen Mitgliedstaaten sind der Auffassung, daß unbeschadet der andersartigen Situation bei anderen Warenabkommen in diesem Falle die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit einer Stimme sprechen sollte.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Bading.
Herr Staatssekretär, welcher Unterschied besteht nach Ihrer Auffassung zwischen der Rechtsnatur eines Warenabkommens und der eines Zollabkommens?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Unterschied besteht darin, daß beim bisherigen Weltgetreideabkommen — genauso wie beim Weltkakaoabkommen und anderen Warenabkommen — in den Verhandlungen die einzelnen Regierungen aufgetreten sind, während für die Kennedy-Runde ein eindeutiger Beschluß vorlag, daß die Kommission als solche auftreten sollte.
Zu einer Zusatzfrage Herr Metzger.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung der Art. 228 des Römischen Vertrags bekannt, wonach Abkommen — und zwar Abkommen schlechthin — zwischen der Gemeinschaft und einem oder mehreren Staaten oder einer internationalen Organisation vom Ministerrat zwar beschlossen, aber von der Kommission ausgehandelt werden, daß diese Vorschrift zwingend ist und daß die Zuständigkeit der EWG ja dadurch gegeben ist, daß inzwischen die gemeinsame Agrarpolitik so gut wie vollendet ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist dieser Artikel natürlich bekannt. Bisher waren aber im Weltgetreideabkommen die einzelnen Regierungen vertreten. Die Rechtslage soll — wie gesagt — hier erst noch geprüft werden.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Metzger.
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung nicht darüber im klaren, daß sich die seitherige Situation einfach dadurch geändert hat, daß inzwischen die gemeinsame Agrarpolitik geschaffen worden ist, und ist die Bundesregierung bereit, falls — wie aus Pressemeldungen zu entnehmen ist — eine Regierung nicht bereit sein sollte, den Auftrag zu erteilen, von der Möglichkeit des Art. 43 Abs. 2 Satz 3 Gebrauch zu machen, wonach der Rat während der beiden ersten Stufen Entscheidungen einstimmig, danach aber mit qualifizierter Mehrheit zu treffen hat? Da wir ja in der dritten Stufe sind, kann jetzt der Rat, falls ein Mitgliedstaat entgegen dem Vertrag die Kommission nicht beauftragen will, mit qualifizierter Mehrheit trotzdem die Kommission beauftragen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte Verständnis dafür zu haben, daß ich zu einer so diffizilen Frage hier nicht konkret Stellung nehmen kann.
Zu einer Zusatzfrage Herr Dröscher.
Herr Staatssekretär, können Sie mir etwas über die Gründe sagen, die einen der Mitgliedstaaten veranlaßt haben, so zu verfahren, wie hier dargetan wurde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte zu diesen Gründen nichts sagen und kann das auch nicht tun. Ich habe aber in meiner Antwort zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesregierung auf dem Standpunkt steht, die EWG sollte in diesen Verhandlungen mit einer Stimme auftreten.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Dröscher.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1967 5919
Herr Staatssekretär, darf ich dieser Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung deshalb, weil die Kennedy-Runde ein so hervorragendes Verhandlungsergebnis gebracht hat und dabei dieses Auftreten mit einer Stimme praktiziert worden ist, ab sofort die neue vertraglich Situation, die soeben vom Kollegen Metzger dargestellt worden ist, wahrnehmen wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin nicht befugt, Herr Abgeordneter, diese Frage zu beantworten, solange die rechtliche und sachliche Prüfung durch die Bundesregierung noch nicht beendet ist.
Wir kommen zu den gestern noch nicht beantworteten Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Ich rufe die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Schlager auf:
Ist die Bundesregierung im Hinblick auf die mir auf meine Fragen in der Fragestunde am Dienstag, dem 20. Juni 1967, durch Staatssekretär Dr. Schöllhorn gegebene Antwort wenigstens bereit, von weiteren Liberalisierungsmaßnahmen auf dem Textilsektor gegenüber den Niedrigpreisländern und Staatshandelsländern abzusehen, solange die Auftrags- und Beschäftigungslage wegen der gegenwärtigen ungünstigen Konjunkturlage bedrohlich ist?
Ist Herr Schlager im Saal? — Ja. Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatsekretär beim Bundesminister für Wirtschaft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wie ich bereits gestern in meiner Antwort auf die von Ihnen übernommene Frage der Kollegin Brauksiepe ausgeführt habe, ist die Antwort auch auf diese Frage ein glattes Ja.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schlager.
Herr Staatssekretär, Sie kennen aber die psychologischen Schwierigkeiten, auf die man im Gespräch mit Unternehmern und Arbeitnehmern stößt, wenn sie immer wieder darauf hinweisen: Ja, es heißt, daß bei einem Aufschwung die Importe aus preispolitischen Gründen begünstigt werden müssen, und bei einem Abstieg der Konjunktur heißt es dann: Unsere Exportüberschüsse sind zu hoch, und wir müssen deshalb darauf bedacht sein, daß die Importe begünstigt werden. Muß man nicht sagen — im Hinblick auf Ihre gestrigen Feststellungen, daß vielleicht die Importe gesunken sind; wir werden noch Gelegenheit haben, darüber in Zusatzfragen miteinander zu sprechen — —Vizepräsident Dr. Mommer: Darf ich sie bitten zu konkreten Fragen zu kommen.
Man muß nicht sagen, daß dieses Absinken des Imports damit zusammenhängt, daß gerade in der Textilbranche der konjunkturelle Einbruch eben überdurchschnittlich groß ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Selbstverständlich. Der Rückgang der Einfuhr und der heimischen Umsätze hat die gemeinsame Wurzel in der schlechten Konjunkturlage des letzten Winters.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß die gegenwärtig gesunkenen Einfuhren eben doch noch zu hoch sind angesichts der Situation in der Textilbranche, die ja dadurch gekennzeichnet ist, daß der konjunkturelle Einbruch doppelt so groß ist wie bei der gesamten Industrie?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Schlager, man kann selbstverständlich dieser Auffassung sein. Politisch ist daraus aber nichts zu folgern, weil man natürlich mit Ländern, denen gegenüber die Einfuhr generell stark zurückgeht, nicht noch über zusätzliche Schutzmaßnahmen verhandeln kann. Selbstverständlich würden die ausländischen Handelspartner, um welche es sich auch immer handeln mag, erklären: Bringt erst einmal eure Konjunktur in Ordnung, und dann reden wir über etwaige noch offene Punkte.
Wir kommen zu den Fragen 36 und 37. Ist es möglich, sie zusammen zu beantworten, Herr Schlager?
Ich glaube nicht.
Dann rufe ich zunächst die Frage 36 auf:
Trifft in dem in Frage 35 erwähnten Zusammenhang die auf der Jahresversammlung des Verbandes der nordbayerischen Textilindustrie getroffene Feststellung zu, daß der Ostblock mit manipulierten Dumpingpreisen arbeitet?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung ist, wie gestern schon erläutert wurde, dabei, die Liberalisierungsquoten gegenüber den Ostblockländern zu prüfen. Diese Prüfung stellt ein Teilstück . der EWG-Harmonisierung auf allen Gebieten dar. Aktuell wird nichts passieren, was die Auftrags- und Beschäftigungslage der deutschen Bekleidungsindustrie oder der deutschen Textilindustrie verschlechtern könnte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordnetene Schlager.
Herr Staatssekretär, können Sie noch zu der Feststellung des Vorsitzenden des Verbandes der nordbayerischen Textilindustrie Stellung nehmen, daß der Ostblock mit manipulierten Dumpingpreisen arbeite? Muß man nicht in dem Zusammenhang davon ausgehen, daß diese Staats-
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5920 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1967
Schlagerhandelspreise eben nicht nach den bei uns üblichen und nötigen Faktoren einer Wettbewerbswirtschaft kalkuliert werden? Liegt nicht eigentlich der Vorteil der Ostblockhandelsländer gerade darin, daß sie von der sogenannten differenzierten Umsatzsteuer völlig entlastet werden, die ja im Ostblock sehr hoch ist und den größten Teil der Staatseinnahmen darstellt und somit in keiner Weise mit dem System der Umsatzsteuer westlicher Länder vergleichbar ist? Das bringt doch einen großen Wettbewerbsvorteil mit sich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, der Vorwurf des Dumping ist immer schneller erhoben, als nachher nachgewiesen. Tatsächlich gibt es nur sehr wenige Fälle, 'in denen ein Dumping verifiziert werden konnte.
Es gibt eine Klausel, wonach marktgerechte Preise zu fordern und zu gewähren sind und bei Marktstörungen ein gegenseitiges Anrufungsrecht besteht. Nur in sehr seltenen Fällen konnte effektiv etwas nachgewiesen werden, weil der Unterschied zwischen Dumping und Preisdifferenzierung auf den einzelnen Märkten sehr schwer zu treffen ist. Mehr oder weniger wird Marktpreisdifferenzierung ganz allgemein im Außenhandel von allen Ländern betrieben.
Ehe ich das Wort zur zweiten Zusatzfrage gebe, möchte ich bemerken, daß wir heute morgen etwa 35 Fragen haben und nur durchkommen und das Fragerecht eines jeden realisieren können, wenn wir uns diszipliniert verhalten.
In diesem Sinne die zweite Zusatzfrage, Herr Schlager.
Herr Staatssekretär, in diesem Zusammenhang noch die Frage: ist der Bundesregierung bekannt, daß schon heute von jugoslawischen Firmen die Herstellung von Fertigkleidung im passiven Lohnveredelungsverkehr zu Preisen angeboten wird, die nur ein Viertel entsprechender Preise in westlichen Ländern ausmachen und keinesfalls auf Grund der Löhne dort zustande kommen • können, welche von der jugoslawischen Regierung der Internationalen Arbeitsorganisation als für die jugoslawische Bekleidungsindustrie maßgeblich gemeldet worden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir werden das prüfen, Herr Kollege Schlager, und Ihnen schriftlich Bescheid geben.
Frage 37 des Abgeordneten Schlager:
Wie beurteilt die Bundesregierung in dem in Frage 36 erwähnten Zusammenhang aber auch die sogenannten „Prato"-Einfuhren aus Italien?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bei der EWG- Kommission liegt ein Antrag der Regierungen der Benelux-Länder vor, den Art. 226 gegenüber den Prato-Einfuhren in Anspruch nehmen zu können. Die EWG-Kommission hat noch nicht über diese Anträge entschieden. Wir erwarten, daß das in den nächsten Tagen geschehen wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Schlager.
Herr Staatssekretär, haben Sie den Antrag Hollands nach Art. 226 des EWG- Vertrages unterstützt, oder lassen Sie hier Holland zum Schutze seiner Industrie allein marschieren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Antrag wird bei der Kommission gestellt, von einem Land allein.
Eine Zusatzfrage von Herrn Staratzke.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die europäische Wirtschaftskommission der holländischen Regierung die Vollmacht zur Anwendung von Maßnahmen gemäß Art. 226 zum Schutz der holländischen Wollindustrie gegen Prato bereits genehmigt hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, das ist mir neu.
Keine Zusatzfrage.
— Nein, ich war schon weiter, Herr Abgeordneter. Es tut mir leid. Sie haben sich nicht rechtzeitig gemeldet.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministeriums des Auswärtigen hier.
Die erste Frage ist die des Herrn Abgeordneten Ertl. Ist Herr Ertl im Saal? — Ja, die Frage lautet:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Leiter der UNO- Hilfsorganisation für Palästina-Flüchtlinge am 12. Juni 1967 angesichts der schweren Lage, in der sich über 100 000 kriegsgeflüchtete Jordanier befinden, die Welt zu humanitären Hilfsmaßnahmen aufgefordert hat?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja. Er hat sich auch durch seinen Verbindungsbeamten für Europa an das Auswärtige Amt gewandt.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1967 5921
Die nächste Frage des Abgeordneten Ertl lautet:
Hat die Bundesregierung entsprechend ihrer Erklärung zur Hilfsbereitschaft bereits Maßnahmen für humanitäre Hilfe zugunsten der Palästina-Flüchtlinge eingeleitet?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat für die Beseitigung der Notlage im Nahen Osten verschiedene Hilfsmaßnahmen eingeleitet. Bereits am 9. Juni sind den hiesigen Vertretern der nahöstlichen Staaten humanitäre Hilfsmaßnahmen aus Mitteln des Auswärtigen Amtes angekündigt worden.
Am 14. Juni hat der Deutsche Bundestag einen Betrag von 5 Millionen DM bewilligt, der dem Deutschen Roten Kreuz zur Verfügung gestellt wird und ebenfalls den von den Kriegsereignissen betroffenen Menschen zugute kommen soll. Die ersten Sendungen mit Decken, Zelten und anderen dringenden Bedarfsgegenständen zur Linderung der Not sind bereits nach Jordanien transportiert worden.
Aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit sind ferner dringend benötigte Lebensmittel zur Versorgung der notleidenden Bevölkerung nach Jordanien geflogen worden.
Die Bundesregierung begrüßt es dankbar, daß darüber hinaus auch aus privaten Spenden erhebliche Mittel für die humanitäre Hilfe im Nahen Osten zusammengekommen sind.
Ein Teil der aus privaten Spenden stammenden Hilfsgüter wird mit Chartermaschinen der Bundesregierung in das Krisengebiet gebracht. Die von der Bundesregierung eingeleiteten und zum Teil bereits durchgeführten Maßnahmen kommen auch den arabischen Flüchtlingen, soweit sie von den Kriegsereignissen direkt betroffen sind, zugute. Darüber hinaus stehen der Bundesregierung im Haushaltsplan 1967 insgesamt 3 Millionen DM zur Verfügung, die zur Unterstützung für die arabischen Palästina-Flüchtlinge an die dafür zuständige Hilfsorganisation der Vereinten Nationen gezahlt werden. Die Bundesregierung wird prüfen, ob sie angesichts der vergrößerten Notlage der Flüchtlinge über den genannten Betrag hinaus noch weitere Mittel leisten kann. Nach Auffassung der Bundesregierung sollte sich die Hilfe für die Palästina-Flüchtlinge besonders auch auf die notleidenden Kinder erstrecken. Diese Hilfe wird nur zum Teil durch die Hilfsorganisation der Vereinten Nationen, zum Teil aber durch das Weltkinderhilfswerk geleistet. Die Bundesregierung wird daher ebenfalls die Frage prüfen, ob sie auch für das Weltkinderhilfswerk mit der Zweckbestimmung „Verwendung nur für Flüchtlingskinder im Nahen Osten" Sondermittel zur Verfügung stellen kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Ertl.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung ihre Hilfe generell nur über internationale Organisationen abwickeln oder auf Ersuchen einzelner Regierungen gegebenenfalls auch über nationale Stellen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Beide Möglichkeiten sind gegeben.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Ertl.
Herr Staatssekretär, treffen Pressemeldungen der Art, wie ich hier eine vor mir habe, zu, in denen es etwa heißt, daß für einen Flüchtling eine Vierzehn-Tage-Ration von 250 g Reis, 300 g Zucker, 300 g Bohnen, 1/4 1 Öl und 5 kg Mehl zur Verfügung steht, und ist die Bundesregierung, wenn sie solche Pressemeldungen für glaubwürdig hält, bereit, ein langfristiges Lieferprogramm für Lebensmittel einzuleiten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Ertl, die Frage, ob diese Pressemeldungen zutreffen, kann ich Ihnen nicht beantworten. Die Frage, welche Maßnahmen die Bundesregierung treffen kann, wird bei uns laufend geprüft. Die Bundesregierung ist, insbesondere aus humanitären, aber auch aus allgemein politischen Gründen sehr daran interessiert, die Hilfsbereitschaft unseres Landes gerade den vom Krieg besonders hart betroffenen Menschen in jeder denkbaren und möglichen Form zuteil werden zu lassen. Sie wird deshalb jede Möglichkeit prüfen, über das, was ich Ihnen bereits vorgetragen habe, hinaus zusätzliche Hilfsmaßnahmen und Leistungen anzuregen und, soweit sie dazu in der Lage ist, selber zu erbringen.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Wörner.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung ihre Bereitschaft zu humanitärer Hilfeleistung auch gegenüber anderen arabischen Staaten konkret zum Ausdruck gebracht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie hat das gegenüber allen arabischen Staaten getan, bei denen sie Gehör finden kann.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Dr. Wörner.
Herr Staatssekretär, bei den auch Ihnen bekannten Tendenzen, die im Augenblick in der arabischen Welt gegenüber der Bundesrepublik bestehen, frage ich Sie: hat die Bundesregierung das Ihre getan, damit wenigstens das Mindestmaß an humanitärer Hilfeleistung, das wir erbringen, bei den Betroffenen als Hilfeleistung der Bundesrepublik registriert wird?
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5922 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1967
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soweit die Bundesregierung Einfluß darauf hat, ja.
Eine Zusatzfrage, Herr Josten.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß die Bundesregierung trotz aller gehässigen Bemerkungen aus dem arabischen Raum gegenüber der Bundesrepublik ihre Hilfsbereitschaft aufrechterhalten sollte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung sollte sich durch manche Äußerungen, die sich nur aus der besonders schwierigen Situation und wohl auch aus der Mentalität der Betroffenen erklären lassen, nicht darin beirren lassen, das zu tun, was an humanitärer Hilfe möglich ist und wozu wir imstande sind.
Die Fragen 5 und 6 des Abgeordneten Mertes sind zurückgezogen. Frage 92 des Abgeordneten Biechele:
Wie weit sind die Bemühungen gediehen, die dazu dienen sollen, die Verwaltung der deutschen Schule „Alexander von Humboldt" in Mexico-City zu erweitern und die deutschsprachige Elternschaft stärker am Gesamtgefüge dieser Schule zu beteiligen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Verwaltungsrat der deutschen Schule „Alexander von Humboldt" in Mexiko-Stadt prüft gegenwärtig von Vertretern der Elternschaft ausgearbeitete Vorschläge zur Änderung der Satzung des Schulvereins. Die Vorschläge haben das Ziel, den Kreis der Mitglieder des Schulvereins und seines Verwaltungsrats sowie die Befugnisse des Elternbeirats so zu erweitern, daß Mitverantwortung und Mitspracherecht sowohl der deutschen wie der mexikanischen Eltern in ausreichender Weise gewährleistet sind. Bei der Neugestaltung der Satzung sind kulturpolitische und rechtliche Gesichtspunkte sorgfältig zu beachten. Es besteht jedoch begründete Hoffnung, daß eine Lösung der Satzungsfrage gefunden werden wird, die die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt und dieser von der Bundesregierung geförderten größten deutschen Auslandsschule die wünschenswerte demokratische Struktur sichert.
Eine Zusatzfrage, Herr Biechele.
Herr Staatssekretär, darf ich unterstellen, daß Sie Frage und Antwort zum gleichen Komplex aus der Fragestunde der 72. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 11. November des vergangenen Jahres kennen, und darf ich Sie fragen, ob inzwischen jene gründliche Prüfung der Situation, die der damalige Bundesminister des Auswärtigen zugesagt hat, an der deutschen Schule in Mexiko-Stadt durchgeführt worden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte, daß Sie meine Antwort so verstehen, Herr Kollege Biechele.
Noch eine Frage, Herr Biechele.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir über das Ergebnis dieser gründlichen Prüfung schriftlich Bescheid zu geben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gern!
Eine Zusatzfrage, Herr Enders.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, in welcher Größenordnung etwa die deutsche Schule in Mexico-City mit Mitteln gefördert wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten, Herr Kollege Enders. Ich bin aber gern bereit, Ihnen das schriftlich mitzuteilen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Enders.
Herr Staatssekretär, liegen Unterlagen darüber vor, wie die soziologische Zusammensetzung der Schüler an dieser deutschen Auslandsschule ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soviel ich jetzt im Augenblick sagen kann: nein. Aber ich bin gern bereit, auch diese Frage zu prüfen und Ihnen darüber besondere Nachricht zu geben.
Ich rufe die Frage 93 des Abgeordneten Felder auf:
Welche Möglichkeiten sieht das Auswärtige Amt bei seiner Kulturarbeit, die hervorragenden Sammlungen der Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" besser bekanntzumachen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Auswärtige Amt ist sehr daran interessiert, die Sammlungen der „Stiftung Preußischer Kulturbesitz" im Ausland bekanntzumachen, und wird diesen Gedanken gern weiter verfolgen. Eine Möglichkeit zu seiner Verwirklichung wird darin gesehen, Kunstgegenstände aus diesen Sammlungen in Ausstellungen aufzunehmen, die unter Förderung des Auswärtigen Amts im Ausland gezeigt werden.Erfahrungsgemäß geben jedoch die Museen nur zögernd ihre Zustimmung zu einem solchen Verfahren. Es muß deshalb zunächst durch Verhandlungen mit der Stiftung geklärt werden, ob und welche
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1967 5923
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn Kunstgegenstände für eine derartige Verwendung geeignet erscheinen und von der Stiftung hierfür freigegeben werden.Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Sammlungen durch Fernsehfilme oder Farbfilme im Ausland bekanntzumachen. Das Auswärtige Amt hat mit der „Stiftung Preußischer Kulturbesitz" bereits über diese Frage verhandelt. Es hat sich jedoch gezeigt, daß für eine umfassende filmische Bestandsaufnahme der Sammlungen, die von der „Stiftung Preußischer Kulturbesitz" angeregt worden war, keine Mittel zur Verfügung stehen. Das Auswärtige Amt hat deshalb die Stiftung gebeten, zu prüfen, ob dieses Vorhaben nicht aus Mitteln des eigenen Haushalts der Stiftung finanziert werden kann.Unabhängig davon prüft das Auswärtige Amt zur Zeit die Möglichkeit, die Einweihung der neuen Nationalgalerie in Berlin zum Anlaß einer Auftragsfilmproduktion von etwa 30 bis 60 Minuten über die „Stiftung Preußischer Kulturbesitz" zu nehmen. Ein konkretes Projekt liegt jedoch nicht vor.
Eine Zusatzfrage, Herr Felder.
Herr Staatssekretär, würden Sie vielleicht nicht auch eine Förderung darin sehen, daß man die vierteljährlichen Mitteilungen und vielleicht auch das Jahrbuch der Stiftung den GoetheInstituten und unseren Botschaften zuleitet und daß bei kulturellen Veranstaltungen der Botschaften auch entsprechend mit Vorträgen auf die Wichtigkeit dieses Instituts, dieses größten Aktivpostens, den wir auf dem Gebiet der Kunst der Welt zu bieten haben, hingewiesen wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich halte das für eine wertvolle Anregung, für die ich Ihnen danke. Das Auswärtige Amt wird prüfen, in welcher Weise dieser Vorschlag aufgegriffen werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Moersch.
Herr Staatssekretär, halten Sie es auch für denkbar, daß besonders die ausländischen Berlin-Besucher, aber auch Berlin-Besucher aus dem Westen, aus der Bundesrepublik Deutschland, in spezieller Form auf diese Zusammenhänge aufmerksam gemacht werden, z. B. auch über die sonstigen amtlichen Publikationen der Bundesregierung, etwa über die Bulletins?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin zwar nicht ganz sicher, in welchem Umfang das Bulletin der .Bundesregierung dem Publikum allgemein zugänglich ist und von diesem gelesen wird, aber ich halte es selbstverständlich für denkbar, daß wir etwas Diesbezügliches in geeigneter Form unternehmen. Das, was im einzelnen geschehen kann, müßte einmal geprüft werden und wird auf Grund Ihrer Anregung geprüft werden.
Noch eine Frage, Herr Moersch.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir darin einig, daß gewisse sachliche Informationen, die im Bulletin stehen — das soll wohl im allgemeinen die Aufgabe des Bulletins sein —, von der allgemeinen Presse und den Agenturen nachgedruckt werden können und auf diese Weise für Verbreitung gesorgt wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist gewiß eine Möglichkeit.
Ich komme dann zu den Fragen des Abgeordneten Dr. Schulz . Ist Herr Dr. Schulz im Saal? — Er ist nicht im Saal. Werden die Fragen übernommen? — Die Fragen werden nicht übernommen. Dann werden die Fragen 94, 95 und 96 des Abgeordneten Dr. Schulz (Berlin) schriftlich beantwortet.
Hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der Gemeindeunfallversicherungsträger inzwischen die am 2. Februar 1966 in Kraft getretene „Unfallverhütungsvorschrift Kassen" der Verwaltungsberufsgenossenschaft entsprechend übernommen?
Bitte, Herr Minister!
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der gemeindlichen Unfallversicherungsträger hat mir inzwischen den Entwurf einer Unfallverhütungsvorschrift „Kassen" vorgelegt, der von mir auch gebilligt wurde. Bisher haben die Vertreterversammlungen von sechs der insgesamt 13 Gemeindeunfallversicherungsträger, die der Bundesarbeitsgemeinschaft angeschlossen sind, diese Unfallverhütungsvorschrift beschlossen. Die erforderlichen Genehmigungen nach § 709 der Reichsversicherungsordnung habe ich erteilt. Auch die Vertreterversammlungen der restlichen sieben gemeindlichen Unfallversicherungsträger werden in nächster Zeit die Unfallverhütungsvorschrift Kassen beschließen.Diese Unfallverhütungsvorschrift Kassen der gemeindlichen Unfallversicherungsträger stimmt mit derjenigen der Verwaltungsberufsgenossenschaft weitgehend überein. Nur in einigen Punkten weichen die beiden Vorschriften voneinander ab. So läßt die Verwaltungsberufsgenossenschaft den Verzicht auf schußsichere Abtrennung der Arbeitsplätze nur dann zu, wenn ständig mindestens zehn Beschäftigte im Schalterraum anwesend sind, während die Gemeindeunfallversicherungsträger diese Zahl auf sechs Beschäftigte festgesetzt haben. Andererseits wurde den gemeinlichen Unfallversicherungsträgern zusätzlich die Möglichkeit gegeben, im Einzelfall zur Abwehr besonderer Gefahren darüber hinausgehende Anforderungen zu stellen.
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5924 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1967
Eine Zusatzfrage, Herr Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, kann ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß diese Lücke im Schutz der Kreditinstitute in Kürze geschlossen sein wird?
Wir werden uns darum bemühen, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen.
Ich rufe die Frage 47 des Abgeordneten Dr. Lenz auf:
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu den Bemerkungen der EWG-Kommission zum Gesetzentwurf über technische Arbeitsmittel ein?
Bitte, Herr Minister!
Die Bundesregierung hat mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß der Entwurf eines Gesetzes über technische Arbeitsmittel von der EWG-Kommission positiv beurteilt wird, wie sich aus den im Schreiben vom 3. März 1967 übermittelten Bemerkungen der Kommission ergibt. Diese Bemerkungen sind dem Herrn Vorsitzenden des federführenden Bundestagsausschusses für Arbeit zugeleitet worden.
Die Besorgnis, es könnten durch Verweisung auf deutsche sicherheitstechnische Normen Handelshemmnisse entstehen, räumt die EWG-Kommission selbst aus. Sie stellt nämlich fest, daß die Bundesregierung beabsichtige, nicht nur auf die in der Begründung genannten deutschen Normen, sondern auch auf entsprechende Normen anderer Staaten der Gemeinschaft zu verweisen.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Lenz.
Hat die Bundesregierung die Absicht, auch auf Normen anderer Mitgliedstaaten der EWG zu verweisen, verwirklicht, und ist sie bereit, über die entsprechenden Verwaltungsvorschriften die Kommission bereits im Entwurfsstadium zu unterrichten?
Wir sind selbstverständlich bereit, Herr Kollege Lenz, die Kommission bereits im Entwurfsstadium von unseren Überlegungen zu unterrichten.
Ich darf darauf hinweisen, daß sich das Gesetz zur Zeit in den Ausschußberatungen befindet, so daß die Mitglieder des Hauses jede Möglichkeit haben, bei den Beratungen des Gesetzes im Ausschuß mitzuwirken.
Zweite Zusatzfrage, Herr Dr. Lenz.
Sind der Bundesregierung die dieses Gesetz betreffenden Anfragen des Abgeordneten Armengaud im Europäischen Parlament bekannt, und was meint die Bundesregierung zu den Besorgnissen des Herrn Armen-gaud?
Die Anfragen des Herrn Armengaud an die Kommission sind der Bundesregierung bekannt. Ich habe mir den Vorgang noch einmal angesehen. In allen diesen Anfragen erscheint als Kernpunkt der Besorgnis, durch eine Verweisung auf deutsche Sicherheitsnormen könnten neue Handelshemmnisse entstehen. Eine solche Besorgnis — ich habe das vorhin gesagt und wiederhole es gern, Herr Kollege Lenz — ist nicht begründet, denn die Bundesregierung beabsichtigt, auch entsprechende sicherheitstechnische Normen anderer EWG-Staaten zu berücksichtigen. Das wird im übrigen von der Kommission in ihren Bemerkungen auch bestätigt.
Frage 48 des Herrn Abgeordneten Burger:
Stimmen Pressemeldungen, wonach ein Landesversorgungsamt die Gewährung einer Versorgungsrente entgegen der Entscheidung des zuständigen Landessozialgerichts ablehnte, obwohl ein vom Gericht gehörter, international anerkannter Neurologe als Sachverständiger gehört worden war?
Bitte, Herr Bundesminister!
Herr Präsident, darf ich wegen des Sachzusammenhangs die drei Fragen zusammen beantworten?
Herr Burger ist einverstanden? — Dann rufe ich auch die Fragen 49 und 50 des Herrn Abgeordneten Burger auf:
Stimmt es, daß der für das in Frage 48 erwähnte Verfahren zuständige Richter von seiner vorgesetzten Dienststelle deshalb gerügt wurde, weil er sich beschwerend an das Bundesarbeitsministerium gewandt hatte?
Bei Bejahung der Frage 49: Hat die Bundesregierung Vorkehrungen getroffen, daß derartige Verwaltungsentscheidungen, die den Grundsätzen rechtsstaatlicher Verfassung nicht entsprechen und ein Gefühl der Rechtsunsicherheit auf dem Sektor des Versorgungsrechts fördern, sich nicht wiederholen?
Zur ersten Frage, Herr Kollege Burger: Nach den mir vorliegenden Informationen trifft es nicht zu, daß ein Landesversorgungsamt die Gewährung einer Versorgungsrente entgegen der Entscheidung des zuständigen Landessozialgerichts abgelehnt hat. Vielmehr hat das Landesversorgungsamt, auf das sich die in Ihrer Frage erwähnten Pressemeldungen offenbar beziehen, bei einem Rechtsstreit an seinem Antrag auf Abweisung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil festgehalten, so daß die vom Gericht angeregte Regelung im Vergleichswege nicht zum Zuge kommen konnte. Ein solches Verfahren ist keineswegs ungewöhnlich; denn das Gericht kann einen Vergleich zwar anregen, es muß jedoch selbst eine Entscheidung treffen, wenn seiner Anregung nicht gefolgt wird.Zu der zweiten Frage: Es trifft nicht zu, daß sich der für das Verfahren zuständige Richter beschwe-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1967 5925
Bundesminister Katzerrend an mein Haus gewandt hat und deshalb von seiner vorgesetzten Dienststelle gerügt wurde. Vielmehr hat der zuständige Richter meinem Hause die Akten dieses Rechtsstreites übersandt, um vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung die im Bundesversorgungsgesetz vorgesehene Zustimmung zur Versorgungsgewährung als Kann-Leistung zu erhalten. Mein Haus hat daraufhin dem zuständigen Landesarbeitsministerium mitgeteilt, daß es die Voraussetzungen für die Gewährung der Kann-Leistung als erfüllt ansehe, und eine unstreitige Beilegung des Verfahrens empfohlen, was dann auch geschehen ist.Das zuständige Landesarbeitsministerium beanstandete seinerseits gegenüber dem Gericht, daß es die Akten unmittelbar meinem Hause vorgelegt habe, „weil dadurch in unzulässiger Weise in den Ermessensbereich der Versorgungsverwaltung eingegriffen werde", und wies den betreffenden Senat des Gerichtes an, künftig derartige unmittelbare Vorlagen zu unterlassen. Durch Urteil vom 19. März 1967 stellte das Dienstgericht des Bundes beim Bundesgerichtshof endgültig fest, daß die betreffenden Erlasse des Landesarbeitsministeriums unzulässig sind.Zur dritten und letzten Frage: Vorkehrungen der Bundesregierung waren und sind nicht erforderlich — das ergibt sich aus der Beantwortung der beiden Fragen —, da die Befolgung einer Entscheidung eines Landessozialgerichts nicht abgelehnt worden ist. Auf die Gestaltung und Wahrnehmung der Dienstaufsicht durch die Landesregierungen gegenüber ihren Richtern kann die Bundesregierung keinen Einfluß nehmen.
Eine Zusatzfrage, Herr Burger.
Herr Minister, ich kann also aus Ihrer Antwort entnehmen, daß die Form und der Inhalt der Pressemeldung nicht den Tatsachen entsprechen?
Ich habe die Darstellung des Verlaufs gegeben und damit einige Darstellungen — ich habe nicht alle Pressemitteilungen zur Hand, die von Ihnen zitiert worden sind — korrigiert.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Burger.
Es kann also davon ausgegangen werden, daß der Grundsatz der Gewaltenteilung, wie er in unseren Gesetzen niedergelegt worden ist, respektiert worden ist?
Davon kann ausgegangen werden.
Frage 51 des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt :
Welche Ergebnisse liegen inzwischen von den schon vor über drei Jahren erteilten Forschungsaufträgen über das Auftreten der chronischen Emphysem-Bronchitis bei Arbeitnehmern, insbesondere bei Bergleuten, im Hinblick auf mögliche Zusammenhänge mit der beruflichen Tätigkeit, vor?
Bitte, Herr Bundesminister.
Von den Forschungsaufträgen über das Auftreten der chronischen Emphysem-Bronchitis liegen Zwischenberichte vor, die jedoch eine endgültige Beurteilung des Problems noch nicht ermöglichen. Um zu wissenschaftlich einwandfreien und statistisch gesicherten Ergebnissen zu kommen, sind — darauf wurde vor diesem Hohen Hause bereits gelegentlich früherer Anfragen hingewiesen — sehr umfangreiche Untersuchungen an mehreren tausend Arbeitnehmern bestimmter Betriebe sowie an einem entsprechenden Vergleichspersonenkreis aus der allgemeinen Bevölkerung notwendig. Diese Untersuchungen, die von namhaften Wissenschaftlern in mehreren Universitätskliniken und besonders dafür geeigneten Instituten durchgeführt werden, sind im Gange.
Der Umfang der Einzeluntersuchung auf Grund der nach letzten wissenschaftlichen Erkenntnissen erarbeiteten Untersuchungsbögen erfordert einen beträchtliche Zeitaufwand, so daß von mir ein Termin für die abschließende Beurteilung leider nicht genannt werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Schmidt.
Herr Minister, sind Sie bereit, den zuständigen Fachausschüssen dieses Hohen Hauses die Ergebnisse dieser Zwischenberichte, von denen Sie sprachen, zur Verfügung zu stellen?
Herr Kollege Dr. Schmidt, dazu bin ich selbstverständlich gern bereit.
Eine zweite Frage.
Sind Sie bereit, im Hinblick *auf die jetzt schon sehr lange Zeitspanne von über drei Jahren seit Erteilung des ersten Auftrages für diese Untersuchung alles, was getan werden kann, zu tun, um endlich diesen für den großen Kreis von betroffenen Arbeitnehmern so wichtigen Fragenkomplex zum Abschluß zu bringen?
Herr Kollege Dr. Schmidt, ich werde von mir aus selbstverständlich alles tun, um eine Beschleunigung zu erreichen. Ich bin selber sehr unglücklich darüber, daß es so lange dauert. Wir sind jetzt drei Jahre an der Arbeit. Ich habe aber vorhin darauf hinweisen müssen, daß es in der Tat nicht ganz einfach ist und daß die Untersuchungen sehr
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5926 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1967
Bundesminister Katzerlangwierig sind. Aber ich bin gern bereit, mein Haus nochmals mit Nachdruck zu bitten, alles daran zu setzen, zu einer Beschleunigung zu gelangen.
Zusatzfrage, Herr Büttner.
Herr Bundesminister, darf ich fragen, ob bei den Untersuchungen auch bereits vorliegende Ergebnisse berücksichtigt worden sind. Mir ist bekannt, daß hervorragende Internisten von Knappschaftskrankenhäusern schon eigene Untersuchungen angestellt haben und daß diesen Gutachten auch gewisse statistische Werte entnommen werden können.
Ja, Herr Kollege Büttner, auch diese Untersuchungen sind berücksichtigt.
Herr Abgeordneter Lenders hat sich mit der schriftlichen Beantwortung seiner Fragen 52 bis 54 einverstanden erklärt:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Arbeitsämter der Bundesanstalt für Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung dazu übergehen, solchen Arbeitnehmern das Arbeitslosengeld zu sperren, die deshalb arbeitslos werden, weil sie ein mit dem Ziel der Kürzung des Lohns im Rahmen einer Änderungskündigung gemachtes neues Vertragsangebot des Arbeitgebers ablehnen?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß das in Frage 52 erwähnte Verhalten der Arbeitsämter mit der im Rahmen der „konzertierten Aktion" erfolgten Wendung der Beteiligten gegen eine „negative Lohnpolitik" nicht in Einklang zu bringen ist, weil die betroffenen Arbeitnehmer praktisch gezwungen sind, auf Lohnminderungen einzugehen, wenn sie nicht den langwierigen Weg der Klage beschreiten wollen?
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß das in Frage 52 erwähnte Verhalten der Arbeitsämter mit den Vorschriften des AVAVG in Einklang zu bringen ist?
Die Antwort des Bundesministers Katzer vom 29. Juni 1967 lautet:
Das in Ihren Fragen aufgegriffene Problem, daß von Arbeitsämtern dann Sperrfristen verhängt werden, wenn der Arbeitslose cine von seinem Arbeitgeber im Zusammenhang mit einer Änderungskündigung angebotene Arbeit abgelehnt hat, ist nach den mir vorliegenden Informationen erst in jüngster Zeit als Folge der abgeschwächten Konjunktur aufgetreten. Erste Feststellungen auf diesem Gebiet zeigen, daß im Zusammenhang damit sehr schwierige Rechtsfragen aufgeworfen werden. Ich habe Ihre Anfrage zum Anlaß genommen, eine eingehende Prüfung einzuleiten. Deshalb bitte ich um Ihr Verständnis dafür, daß ich Ihre Fragen eist nach Abschluß der Prüfung und Erörterung der Rechtslage mit der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung beantworten möchte.
Wir kommen zur Frage 55 des Abgeordneten Schmidt :
Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus der Tatsache zu ziehen, daß eine Reihe westfälischer Ortskrankenkassen ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber den kassenärztlichen Vereinigungen nicht mehr nachkommen können, weil die Garantieträger zu Zuschüssen nicht in der Lage sind?
Bitte, Herr Bundesminister!
Die westfälischen Ortskrankenkassen als landesunmittelbare Sozialversicherungsträger, die Gemeinden als Garantieträger der Ortskrankenkassen und auch die Kassenärztliche Vereinigung unterstehen der Aufsicht der zuständigen Landesbehörden. Es gehört zu den Aufgaben dieser Aufsichtsbehörden, für die Einhaltung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zu sorgen. Bei Eintreten des von Ihnen geschilderten Falles hätten die Aufsichtsbehörden zu prüfen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, sofern Beiträge von 11 °/o des Grundlohnes zur Deckung der Regelleistungen nicht ausreichen und kein übereinstimmender Beschluß der Vertreterversammlung der Krankenkasse über eine Erhöhung des Beitrages zustande kommt. Insbesondere hätten sie dann zu untersuchen, ob Ortskrankenkassen zu vereinigen wären oder ob der Gemeindeverband die erforderliche Beihilfe zu leisten hätte. Außerdem müßten die Aufsichtsbehörden feststellen, ob zur Deckung eines außergewöhnlichen Geldbedarfs einer Kasse Mittel aus der Rücklage zur Verfügung zu stellen sind und ob die Verträge der Kassenärztlichen Vereinigung mit den Ortskrankenkassen die wirtschaftliche Lage der Kassen hinreichend berücksichtigen. Für den westfälischen Bereich ist mir lediglich bekannt, daß die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe aus einem mit den Ortskrankenkassen im Jahre 1965 geschlossenen Honorarvertrag Klage beim Sozialgericht Dortmund erhoben hat. Bei diesem Rechtsstreit geht es vor allem um die Auslegung der betreffenden Honorarvereinbarungen.
Sie werden verstehen, Herr Kollege, daß ich mich hierzu, zumal es sich um ein schwebendes Rechtsverfahren •handelt, im Augenblick nicht äußern möchte.
Zusatzfrage, Herr Schmidt.
Herr Minister, stimmen Sie mit mir darin überein, daß zwar für die Aufsicht die Landesbehörden zuständig sind, die Situation aber, die hier besteht und die immerhin bereits zu nicht eingelösten Zahlungsverpflichtungen in Höhe von rund 3,5 Millionen DM geführt hat, im Endeffekt nur durch eine gesetzliche Maßnahme dieses Hauses geändert werden kann?
Herr Kolege Schmidt, das würde zum Teil stimmen. Aber soweit ich über den Rechtsstreit unterrichtet bin, geht es um die Auslegung von Honorarfragen. Das ist der eine Punkt. Die andere Frage ist, wieweit die Kassen durch Probleme der Rentnerkrankenversicherung übermäßig belastet sind. Das ist eine Aufgabe, die dieses Haus zu lösen hat. Darin stimme ich mit Ihnen überein.
Zweite Zusatzfrage, Herr Schmidt.
Herr Minister, sind Ihrem Ministerium Fälle ähnlicher Art aus anderen Bereichen bekannt, wo die 11 % einfach nicht mehr ausreichen und eine gesetzliche Änderung der Dinge notwendig erscheint?
Mir ist im Augenblick nicht bewußt, ob andere Fälle vorliegen; mir ist auch nicht bekannt, ob in meinem Hause derartige Fälle registriert
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1967 5927
Bundesminister Katzerworden sind. Aber ich kann das gern feststellen lassen und Ihnen das Ergebnis meiner Feststellung schriftlich mitteilen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Zur Beantwortung ist hier der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung.
Wie ist das Ergebnis des vom Bundesverteidigungsministerium zur Änderung des Kantinenwesens eingeholten Gutachtens bzw. der angestellten Rentabilitätsuntersuchungen?
Herr Präsident, ich würde alle Fragen des Herrn Abgeordneten Schmidt gerne im Zusammenhang beantworten.
Herr Schmidt ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Fragen 57 und 58 des Abgeordneten Schmidt (Braunschweig) auf:
Ist ein Zentralsystem des Kantinenwesens für den Haushalt der Bundesregierung rentabler als das jetzige?
Wie weit sind die seit einigen Jahren vom Bundesverteidigungsministerium durchgeführten Untersuchungen über eine aus verteidigungspolitischen und sozialen Gründen erwünschte Modernisierung des Kantinenwesens der Bundeswehr gediehen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Untersuchungen des Bundesministeriums der Verteidigung über die Wirtschaftlichkeit zentraler Kantinensysteme für Streitkräfte hatten ein positives Ergebnis, das durch ein unabhängiges Wirtschaftsberatungsunternehmen gutachtlich überprüft worden ist. Das Gutachten bestätigt, daß eine zentrale Kantinenorganisation rentabel arbeiten kann. Durch eine Zentralisierung der Bundeswehrkantinen werden jährlich zirka 2 Millionen DM an Personalkosten für Wirtschaftsprüfer und für zur Verwaltung und Beaufsichtigung der einzelnen Kantinen bisher eingesetztes Personal der Bundeswehrverwaltung entfallen. Auch die Kosten für die aus militärischen Gründen notwendige Marketenderwarenbevorratung brauchten nicht aufgewandt zu werden.
Ein Steuerausfall ist durch die Zentralisierung nicht zu befürchten. Eine zentrale Kantinenorganisation hätte nicht nur Pacht, sondern in vollem Umfang auch Steuern zu zahlen.
Die Untersuchungen über eine Modernisierung des Kantinenwesens der Bundeswehr sind abgeschlossen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister. hat zu den dabei erzielten Ergebnissen noch nicht abschließend Stellung genommen.
Mit der Zentralisierung sind eine Anzahl wirtschaftspolitischer Probleme verbunden. Deshalb soll über eine neue Organisationsform der Bundeswehrkantinen erst dann entschieden werden, wenn auch die wirtschaftspolitischen Untersuchungen abgeschlossen sind und die mit dieser Angelegenheit befaßten Ausschüsse des Parlaments Stellung genommen haben.
Zusatzfrage, Herr Schmidt.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie alle drei Fragen generell beantwortet haben, das eingeholte Gutachten sich für eine Änderung des gegenwärtigen Kantinensystems ausspricht und darüber hinaus das vom Gutachten empfohlene Zentralsystem für den Haushalt der Bundesregierung billiger ist als das jetzige — ich möchte annehmen, daß Ihre Absprache mit dem Wirtschaftsministerium gleichfalls positiv verlaufen wird —, wann ist nun mit der notwendigen Änderung des Kantinensystems zu rechnen?
Wir sind bemüht, die Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums bald zu erhalten. Aber wir haben darauf keinen unmittelbaren Einfluß. Ebenfalls haben wir keinen unmittelbaren Einfluß auf den zeitlichen Ablauf der Beratungen in den zuständigen Ausschüssen des Parlaments.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Schmidt.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß das Fachorgan des Deutschen Bundeswehrverbandes in den zurückliegenden Jahren, z. B. auch am 3. März 1966, wiederholt auf die Unzufriedenheit der Soldaten mit dem derzeitigen Kantinensystem hingewiesen hat?
Herr Kollege, die Klagen des Deutschen Bundeswehrverbandes sind mir bekannt. Auch aus diesem Grunde hat der Bundesminister der Verteidigung andere Kantinensysteme überprüfen und das von mir bereits erwähnte Rentabilitätsgutachten erarbeiten lassen. Die Umstellung hängt aber letzten Endes von der endgültigen Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums und von den zuständigen Ausschüssen des Parlaments ab.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Schmidt.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß England, Frankreich, die Vereinigten Staaten, Holland sowie andere Länder ein zentrales Kantinensystem zur Zufriedenheit ihrer Soldaten besitzen?
Das ist mir bekannt, Herr Kollege.
Zusatzfrage, Herr Felder.
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß die größten Hemmungen, die größten Wi-
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Felderderstände gegen die Neuregelung bisher vom Wirtschaftsministerium ausgegangen sind, und würden Sie nicht Wert darauf legen, daß die Sache bis zum Herbst so weit geklärt ist, daß wir im Verteidigungsausschuß zu diesem wichtigen Problem Stel- lung nehmen können?
Ich werde mich gern darum bemühen.
Wir kommen zu den Fragen 59 und 60 des Herrn Abgeordneten Berlin:
Ist die Ursache des Absturzes eines Starfighters am 28. April 1967 in der Zeit seit der Beantwortung meiner Fragen Nr. 110/111/112 auf Drucksache V/1706, die schriftlich erfolgte, inzwischen von der Industrie (MAN-Turbo) festgestellt worden?
Ist die Bundesregierung in der Lage und bereit, die Öffentlichkeit über das Ergebnis der in Frage 59 erwähnten Untersuchungen der Ursache des Absturzes des Starfighters in Bad Meinberg zu informieren?
Können die Fragen zusammen beantwortet werden, Herr Berlin? — Ja. Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Untersuchung des Flugunfalls F-104 vom 28. April 1967 bei Bad Meinberg ist noch nicht abgeschlossen. Die Firma MAN-Turbo hat das Triebwerk untersucht. Auf Grund des hohen Zerstörungsgrades ließ sich jedoch die Störungsursache nicht mehr ermitteln.
Am Flugzeugwrack wurden Überreste eines Wasservogels gefunden. Damit haben sich die Angaben des Flugzeugführers bestätigt, der den Zusammenstoß mit einem größeren Vogel meldete.. Nach Aussage des untersuchenden Ornithologen des Luftwaffenamtes stammen die vorgefundenen Federn von einer Wildente.
Die Bundesregierung ist bereit, die Unfallursache nach Abschluß der Untersuchungen bekanntzugeben. Es kann aber schon jetzt gesagt werden, daß der Absturz der F 104 durch den Zusammenstoß mit einem größeren Wasservogel verursacht worden ist.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berlin.
Herr Staatssekretär, Sie sagten, daß mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ein Wasservogel die Ursache gewesen .sei; der Schlußpunkt der Untersuchung sei jedoch noch nicht gesetzt. Wie lange wird es dauern, bis die Untersuchung abgeschlossen ist?
Ich kann Ihnen keinen genauen Zeitpunkt nennen, Herr Kollege.
Frage 61 und 62 des Herrn Abgeordneten Josten — die beiden Fragen können sicher auch gemeinsam beantwortet werden —:
Wie viele Soldaten der Bundeswehr sind in den letzten Jahren außerhalb ihres Dienstes tödlich verunglückt?
Was tut die Bundesregierung, um bei der Bundeswehr zur Vermeidung von Verkehrsunfällen mit den Privatautos beizutragen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, aus den ersten Aufbaujahren der Bundeswehr steht kein statistisches Material über außerdienstliche Unfälle zur Verfügung. Erst ab 1960 werden alle schweren Unfälle in und außer Dienst erfaßt und ausgewertet. Danach sind in den einzelnen Jahren bei Unfällen außerhalb des Dienstes tödlich verunglückt:davon bei Kfz-Unfällen1960 126 1211961 191 1701962 245 2201963 282 2671964 368 3381965 342 3011966 434 393Von seiten des Bundesministeriums der Verteidigung sind zahlreiche Erlasse zur Erziehung der Soldaten zum verkehrsgerechten Verhalten herausgegeben worden. So werden für alle Einheiten der Bundeswehr periodische Verkehrserziehungswochen in Zusammenarbeit mit Polizei, Staatsanwaltschaften, Unfallkrankenhäusern, Verkehrswacht usw. durchgeführt. Durch Filme, Teilnahme an Gerichtsverhandlungen und Vorträge werden die Soldaten auf die schwerwiegenden Folgen von Verkehrsunfällen hingewiesen. In jeder Kaserne ist deutlich sichtbar die Unfallstatistik des Truppenteils angebracht. Schwerbeschädigte Kraftfahrzeuge sind nach Möglichkeit als abschreckende Beispiele aufzustellen. Unfallbeispiele werden in Schriften der Bundeswehr behandelt. Auch die monatliche BundeswehrFilmschau ist um Aufklärung und Erziehung zu verkehrsgerechtem Verhalten bemüht.Alle Soldaten, die Bundeswehranlagen befahren oder ihre Kraftfahrzeuge dort abstellen wollen, müssen ihre Fahrzeuge unabhängig von den in § 29 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung festgelegten Fristen regelmäßig von Militärkraftfahrprüfern oder Fahrlehrern auf äußerlich erkennbare Mängel — Zustand der Reifen, Beleuchtungseinrichtungen, Fahrtrichtungsanzeiger, Bremsen und Rückspiegel — überprüfen lassen. Die Kommandeure sind gehalten, fürsorgliche Maßnahmen — Urlaubsverlängerung, Dienstbefreiung, Urlaubsverkürzung — gegenüber solchen Soldaten zu veranlassen, die beabsichtigen, längere Wochenendfahrten mit dem eigenen Kraftfahrzeug durchzuführen, um zu verhindern, daß die Betreffenden übermüdet oder wegen Zeitmangels mit überhöhter Geschwindigkeit, insbesondere bei Nacht, ihrem Fahrziel zustreben.Bei schweren Verkehrsverstößen, ausnahmslos bei Trunkenheit am Steuer, ist ein disziplinargerichtliches Verfahren einzuleiten, soweit es sich um Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit handelt.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1967 5929
Parlamentarischer Staatssekretär AdornoIm übrigen wird zur Zeit noch einmal überprüft, inwieweit sich die Befehlsbefugnis des Vorgesetzten auch auf die Kraftfahrzeugbenutzung und Unfallverhütung erstrecken kann. Das geltende Recht setzt für den außerdienstlichen Bereich sehr enge Grenzen.
Eine Zusatzfrage, Herr Josten.
Herr Staatssekretär, in welchem Verhältnis stehen die Zahlen der Verkehrsopfer bei der Bundeswehr, die Sie am Anfang nannten, zu denen der Streitkräfte der westlichen Welt? Liegt die Bundeswehr beachtlich höher, oder ist ungefähr das gleiche Verhältnis gegeben?
Herr Kollege, das müßte ich prüfen lassen. Dazu kann ich im Augenblick keine Stellungnahme abgeben.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Josten.
Sind Sie bereit, Herr Staatssekretär, bei dieser Gelegenheit auch überprüfen zu lassen, wie bei anderen europäischen Streitkräften dem Verkehrstod entgegengewirkt wird, um daraus Erfahrungen zu sammeln und festzustellen, was auch für unsere Bundeswehr gegebenenfalls nützlich wäre?
Ich bin dazu gern bereit.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Josten.
Darf ich also, Herr Staatssekretär — nachdem z. B. zu Beginn dieses Monats an einem Wochenende neun Soldaten auf den Straßen unseres Landes bei Fahrten mit ihren Privatautos tödlich verunglückten — annehmen, daß von Ihrem Ministerium immer wieder über die Truppe darauf hingewirkt wird, daß sich gerade die Soldaten beim Straßenverkehr vorbildlich zu verhalten haben?
Gerade das wollte ich durch meine Antwort deutlich machen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Dröscher.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß sich diese erschreckend hohe Zahl von Unfällen in der großen Mehrheit in den späten Freitagabend- und Sonntagabendstunden ereignet und daß das mit der Praxis der Urlaubsgewährung der Bundeswehr zusammenhängt?
Herr Kollege, das trifft weitgehend zu. Ich habe deshalb auch ausgeführt, daß die Kommandeure gehalten sind, fürsorgliche Maßnahmen wie Urlaubsverlängerung, Dienstbefreiung usw. gegenüber solchen Soldaten zu veranlassen, die beabsichtigen, längere Wochenendfahrten mit dem eigenen Kraftfahrzeug durchzuführen — ich darf wiederholen —, um so verhindern, daß die Betreffenden übermüdet oder wegen Zeitmangels mit überhöhter Geschwindigkeit insbesondere bei Nacht ihrem Fahrziel zustreben.
Noch eine Frage, Herr Dröscher.
Herr Staatssekretär, gibt es eine rechtliche Möglichkeit, den Soldaten vorzuschreiben, auf welchem Wege sie diesen Sonntagsurlaub, der in der Bundeswehr heute ja fast allwöchentlich üblich geworden ist und der zu diesen vielen Fahrten führt, antreten?
Soweit ich das beurteilen kann, haben wir hierfür keine rechtliche Handhabe.
Zu einer Zusatzfrage Herr Illerhaus.
Herr Staatssekretär, es ist Tatsache, daß, wie Sie sagen, solche Unfälle vorwiegend in den späten Sonntagabend- und -nachtstunden vorkommen, weil die Soldaten ihre Freizeit über das Wochenende so weit wie möglich in Anspruch nehmen. Nun haben die Soldaten oft auch Urlaub bis Montag vormittag 7 Uhr. Dann fahren sie morgens um 4 Uhr los. Ich spreche aus Erfahrung, nicht aus meiner eigenen, aber aus der Erfahrung meiner Familie. Wäre es nicht möglich, den Dienstantritt am Montagvormittag auf 8 Uhr zu legen, damit die Soldaten nicht schon um 4 oder 5 Uhr morgens losbrausen müssen?
Herr Kollege, ich habe schon darauf hingewiesen, daß sowohl Urlaubsverlängerung als auch Urlaubsverkürzung geeignete Mittel sind, die den Kommandeuren die Möglichkeit geben, den genannten Gefahren entgegenzuwirken.
Noch eine Frage, Herr Illerhaus.
Ist der Herr Bundesverteidigungsminister bereit, den zuständigen Kommandeuren eine Empfehlung in dieser Richtung zu geben?
Der Herr Bundes-
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5930 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1967
Parlamentarischer Staatssekretär Adornominister der Verteidigung ist dazu nicht nur bereit, sondern er hat es schon getan, und er wird es wiederholen.
Wir kommen zu den Fragen des Herrn Abgeodneten Dr. Gleissner. Können sie gemeinsam beantwortet werden?
Ich bitte, die Fragen 63 und 64 zusammen und die Frage 65 getrennt zu beantworten.
Ich rufe also zunächst die Fragen 63 und 64 auf:
Steht es in der Absicht der Bundesregierung, Großlazarette der Bundeswehr isoliert und räumlich getrennt von Kliniken des Staates bzw. der medizinischen Fakultäten zu errichten?
Besteht im Falle der in Frage 63 erwähnten Isolierung nicht die Gefahr, daß sich die Militärmedizin zunehmend vom zivilen Lebens- und Funktionsbereich abkapselt und daß — abgesehen von finanz- und saumpolitischen Fragen — die Voraussetzungen für die notwendige qualitätsfördernde Konkurrenzsituation, wie sie auch für die Militärmedizin heute unentbehrlich ist, verschlechtert bzw. ausgeschaltet werden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Es ist nicht die Absicht des Bundesministeriums der Verteidigung, Lazarette der Bundeswehr isoliert und räumlich getrennt von staatlichen oder Universitätskliniken zu errichten. Es ist vielmehr das Bestreben, Bundeswehrlazarette eng mit zivilen Krankenhäusern, Kliniken und Forschungsstätten zu verbinden, wie es z. B. bei dem Bundeswehrlazarett Ulm praktiziert wird.
Die Bundeswehr ist sich der Gefahr einer Einseitigkeit der medizinischen Einrichtungen im Falle einer Isolierung bewußt und ist bemüht, diese zu vermeiden. Es wird bedauert, daß die Voraussetzungen im allgemeinen kein über den Personenkreis der Soldaten hinausgehendes ärztliches Wirken des Sanitätsdienstes zulassen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Dr. Gleissner.
Herr Staatssekretär, würde die Bundeswehr das benötigte Gelände bei Großhadern erwerben, wenn es ihr angeboten würde, anstatt ein anerkanntes Naherholungs-, Landschaftsschutz- und Waldgebiet erneut erheblich zu belasten?
Herr Abgeordneter, die Bundeswehr wäre bereit, ein solches Angebot zu prüfen, da eine weitere räumliche Annäherung an das Klinikum der Universität München in Großhadern und die Nachbarschaft zu den biologisch-medizinischen Forschungsinstituten der MaxPlanck-Gesellschaft in Martinsried erreicht werden könnte. Allerdings müssen die finanziellen Aufwendungen für den Geländeerwerb, die Planung, Erschließung und Baukosten in einem gesunden Verhältnis zum Vorteil des Standortwechsels stehen.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Dr. Gleissner.
Herr Staatssekretär, warum hat die Bundeswehr das bei Großhadern vorhandene und in Frage kommende Gelände in der Nachbarschaft des großen Klinikums nicht erwerben können, obwohl der Bund zu den Kosten des geplanten Klinikums der Medizinischen Fakultät der Universität München ein Drittel bereits — und hier geht es um viele hundert Millionen, bis zu einer Milliarde DM — zugesagt hat und obwohl sogar über einen Bundeszuschuß in Höhe bis zu 50 % verhandelt werden soll?
Der Erwerb eines geeigneten Grundstücks in Großhadern ist an den geforderten hohen Bodenpreisen leider gescheitert.
Zusatzfrage, Herr Ertl.
Herr Staatssekretär, heißt das, daß sich die Bundesregierung um den Bodenerwerb allein bemüht hat, oder heißt das, daß sie entsprechende Verhandlungen gemeinsam mit dem Land Bayern geführt hat?
Die Verhandlungen sind natürlich gemeinsam geführt worden.
Ich rufe die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Dr. Gleissner auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die im Raum München einmalige Chance, die von der zeitlichen Parallelität der Planungen der Medizinischen Fakultät für das Klinikum in Großhadern, der Max-Planck-Gesellschaft für die biologisch-medizinischen Forschungsinstitute im benachbarten Martinsried und der Bundeswehr für ihr großes, der Sanitätsakademie funktionell zugeordnetes 600-Betten-Lazarett geboten wird, zu überprüfen und zu nutzen, die darin besteht, daß durch sinnvolle Standortwahl des Bundeswehr-Großlazaretts bleibende Voraussetzungen für die angestrebte Integration der Militärmedizin und der Zivilmedizin geschaffen werden, durch räumliche Angliederung an das Klinikum der bedeutenden Münchner Medizinischen Fakultät eine nachhaltige Wirkung auf das Niveau der deutschen Militärmedizin ausgeübt wird, erhebliche Finanzmittel für Planung, Infrastruktur etc. eingespart werden, ein wertvolles, unter Landschaftsschutz gestelltes Naherholungsgebiet im Raum Wurmtal vor drohenden weiteren schweren Eingriffen bewahrt und damit der vom Landratsamt Starnberg und der Bevölkerung vertretenen Forderung Rechnung getragen wird?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Das Streben der Bundeswehr, in Großhadern nahe dem Klinikum der Universität München ein geeignetes Gelände zu erwerben, ist bedauerlicherweise gescheitert. Das Gelände im Kreuzlinger Forst bei Krailling bietet daher die bestmögliche Alternativlösung, um günstige Verbindungen zu dem Klinikum, den großen Krankenhäusern und Instituten in München sowie zur Akademie des Sanitäts- und Gesundheitswesens der Bundeswehr in München und dem Flugmedizinischen Institut der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck zu haben.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1967 5931
Zusatzfrage, Herr Dr. Gleissner.
Wer ist denn Besitzer und Verhandlungspartner bei diesem Geländekauf in Großhadern?
Herr Kollege, darauf kann ich Ihnen im Augenblick keine Antwort geben. Das müßte ich prüfen lassen.
Noch eine Frage, Herr Dr. Gleissner.
Herr Staatssekretär, können Sie angeben, mit welchen Kosten für Gesamtbauten, Einrichtung und Infrastruktur im Fall des Großlazaretts gerechnet werden muß?
Auch diese Frage kann ich jetzt nicht beantworten. Ich bin aber gerne bereit, sie prüfen zu lassen.
Wir kommen zu den Fragen 80, 81 und 82 des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend:
Warum werden die Sätze des Kindergeldes als einzige regelmäßige zum Lebensunterhalt bestimmte öffentliche Leistung seit 3 1/2 Jahren weder der Preisentwicklung noch der Lohn- und Gehaltsentwicklung angepaßt?
Warum wurden die Familien mit Kindern zu zusätzlichen Opfern- für die Stabilisierung herangezogen, obschon sie die allen Staatsbürgern in den jeweiligen berufsständischen oder sozialen Bereichen auferlegten Opfer mindestens genau so mittragen müssen wie kinderlose Haushaltungen?
Wie vereinbart die Bundesregierung die in den Fragen 80 und 81 angesprochenen Tatsachen mit Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes, der die Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Barth vom 29. Juni 1967 lautet:
1. Frage:
Es ist richtig, daß das Kindergeld als einzige zum Lebensunterhalt bestimmte öffentliche Leistung seit dem 1. Januar 1964 den inzwischen eingetretenen Steigerungen der Löhne und Preise nicht angepaßt worden ist.
Der Gesetzgeber hat in das Bundeskindergeldgesetz und in die früheren Kindergeldgesetze nicht — wie z. B. in die Rentenversicherungsgesetze — eine Vorschrift aufgenommen, nach der unter bestimmten Voraussetzungen die Leistungen jeweils durch Gesetze den veränderten Verhältnissen angepaßt werden müssen. Demgemäß sind auch in der Zeit bis zum 1. Januar 1964 — also bevor das Kindergeld aus Haushaltsmitteln des Bundes gezahlt wurde — solche Anpassungen der Kindergeldsätze nicht regelmäßig und nicht nach einem einheitlichen Maßstab vorgenommen worden. So wurde das Kindergeld für die dritten und die weiteren Kinder mit Wirkung vom 1. Oktober 1957 um monatlich je 5,— DM und -mit Wirkung vom 1. März 1959 um monatlich je 10,— DM erhöht.
Die Mittel aus dem Bundeshaushalt, die im Jahre 1965 für den Familienlastenausgleich zusätzlich zur Verfügung standen, sind für anderweitige, den Familien günstige Änderungen verwendet worden, nämlich für Verbesserungen bei der Gewährung von Kindergeld für das zweite Kind und für die Ausbildungszulage. In den folgenden Jahren konnten zusätzliche Mittel, mit denen die Kindergeldsätze hätten erhöht werden können, wegen der angespannten Haushaltslage leider nicht mehr zur Verfügung gestellt werden.
2. Frage:
Es trifft zu, daß den Familien mit Kindern zu den Opfern, die sie, wie alle Staatsangehörigen, zu tragen haben, weitere Belastungen auferlegt worden sind.
Eine gleichmäßigere Verteilung der lasten, wie auch die Bundesregierung sie für wunschenswert hält, hätte sich moglicherweise durch eine Steuererhöhung erreichen lassen. Hiervon glaubte die Bundesregierung jedoch aus wichtigen, insbesondere konjunkturpolitischen Gründen absehen zu müssen.
3. Frage:
Die Bundesregierung weiß, daß mit der Unterstellung der Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung eine Wertentscheidung getroffen worden ist und daß hieraus für den Staat die Aufgabe erwächst, die Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Art und Umfang dieser Förderung zu bestimmen, gehört zur Gestaltungsfreiheit des Parlaments. Daß bei der Gestaltung einschließlich des Abbaus von Förderungsmaßnahmen die Finanzlage des Staates eine entscheidende Rolle spielt und spielen darf, ist selbstverständlich. Die Bundesregierung bedauert es, daß durch die Preisentwicklung der Realwert des Kindergeldes abgesunken ist und daß das Gesamtvolumen des Familienlastenausgleichs durch die Streichung der Ausbildungszulage verringert werden mußte. Nach Ansicht der Bundesregierung ist jedoch hierdurch Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht verletzt worden.
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen, zunächst zur Frage 87 des Abgeordneten Kubitza:
Welche sachlichen und wirtschaftlichen Nachteile werden nach Ansicht der Bundesregierung entstehen, wenn die von der Bayerischen Staatsregierung angekündigte Errichtung des Klinikums. in Großhadern nicht verwirklicht oder auch nur verzögert wird?
Bitte, Frau Minister!
Herr Kollege Kubitza, ich nehme an, daß die Frage inzwischen dadurch erledigt ist, daß die entsprechenden Beschlüsse in München bereits gefaßt sind, die Schwierigkeiten beseitigt sind und der Errichtung des Klinikums keine Schwierigkeiten mehr im Wege stehen.
Eine Zusatzfrage.
Frau Ministerin, wie hoch ist die Beteiligung des Bundes an diesem Projekt?
Die Beteiligung des Bundes ist etwa gleich hoch wie bei anderen ähnlichen Projekten. Sie liegt, soviel mir bekannt ist, bei ungefähr einem Drittel der Kosten.
Trifft es zu, daß die Verzögerung pro Tag etwa 40 000 DM gekostet hat?
Diese Frage kann ich Ihnen leider nicht beantworten. Sie wissen, Herr Kollege Kubitza, daß die Errichtung des Klinikums in erster Linie eine Angelegenheit des Landes Bayern ist. Wir müßten da erst beim Lande Bayern rückfragen.
Damit ist diese Frage erledigt.Fragen 88 und 89 des Abgeordneten Kiep:Wie gedenkt die Bundesregierung dem Problem des steigenden Bedarfs an Süßwasser in der Welt gerecht zu werden?Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, damit die Bundesrepublik den ausländischen Vorsprung an Forschung und Fertigung auf dem Gebiet der Meerwasserentsalzung einholen kann?
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5932 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1967
Vizepräsident Dr. MommerSie werden von Herr Abgeordneten Biechele übernommen. Sie können wohl zusammen beantwortet werden.Bitte, Frau Bundesminister!
Schon die erste Frage, Herr Präsident, spaltet sich in zwei Fragen auf.
In der Bundesrepublik Deutschland fallen durchschnittlich im Jahr 800 Millimeter Niederschlag. Dieser Niederschlag war bisher ausreichend, um alle Bedürfnisse der Wasserbenutzer im großen und ganzen zu befriedigen. Örtlich oder zeitlich auftretende Wasserklemmen konnten überwunden werden. Auch in Zukunft dürfte es möglich sein, Mangelgebiete durch Überleitung von Wasser aus Überschußgebieten oder auf andere Weise zufriedenzustellen. Zahlreiche Maßnahmen bieten sich 'im einzelnen dazu an, z. B. Speicherung von Wasser in Talsperren, vermehrte Heranziehung von Oberflächenwasser, dabei für Küstengebiete auch von Meerwasser, Einrichtung eines Wasserverbundnetzes usw. Genauere Unterlagen werden von den Ländern zur Zeit durch die wasserwirtschaftliche Rahmenplanung erstellt, die gemäß § 36 des Wasserhaushaltsgesetzes nach einheitlichen, für das ganze Bundesgebiet geltenden Richtlinien durchzuführen ist. Als Beispiel darf auf den Fuldaplan des Landes Hessen hingewiesen werden.
In der Frage wird aber nach der Sicherstellung des Wasserbedarfs in der Welt gefragt. In der Welt liegen die Probleme natürlich nicht überall so günstig wie in der Bundesrepublik bzw. in Mitteleuropa. Es gibt weite Gebiete mit Wüsten- oder wüstenähnlichem Charakter, ferner Gebiete mit sehr unterschiedlichen Niederschlagsverhältnissen. Namentlich in den Entwicklungsländern ist das Wasser einer der ausschlaggebenden Faktoren. Wassermangel verhindert oft den wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg.
Bei der Lösung dieser Probleme arbeitet auch die Bundesrepublik mit. So hat z. B. das Bundesministerium für Gesundheitswesen bei der Beratung von 28 Ländern in Sachen Wasserversorgung mitwirken können. In Afghanistan z. B. ist eine besondere deutsche Wasserwirtschaftsgruppe -mit Erfolg tätig. Auch in Zukunft wird sich die Bundesrepublik diesem Anliegen nicht verschließen können. Allerdings zeigt sich immer mehr, daß die Beratung allein nicht weiterhilft. Mindestens ebenso wichtig ist die Ausbildung der örtlichen Fachdienste in den Entwicklungsländern, da die erstellten Anlagen sonst schnell verfallen. Entsprechende Anregungen wurden gegeben.
Das Problem des steigenden Wasserbedarfs spielt aber auch in den bereits industrialisierten Staaten eine bedeutende Rolle. So ist z. B. im Rahmen der ECE bereits lebhaft hierüber diskutiert worden. Die Bildung eines besonderen Wasserausschusses steht bevor. Die im Mai dieses Jahres in Washington abgehaltene internationale Konferenz Water for Peace hatte das Ziel, Mittel und Wege zur Lösung dieser Frage gemeinsam zu finden.
Zu der zweiten Frage! Die Heranziehung von Meerwasser zur Befriedigung des Wasserbedarfs war in Deutschland aus den obengenannten Gründen bisher nicht notwendig. Ausnahmen stellt die eine oder andere Insel an der deutschen Nordseeküste dar. Hinsichtlich Helgoland laufen bereits seit längerer Zeit Verhandlungen zwischen der Gemeinde und einer Herstellerfirma für Entsalzungsanlagen, ferner mit dem Land Schleswig-Holstein und einigen Bundesressorts über die Erstellung einer solchen Anlage. Es ist zu hoffen, daß hier bald eine Lösung gefunden wird.
Für die deutschen Herstellerwerke war aus dem genannten Grund der deutsche Markt bisher verhältnismäßig uninteressant. Mangels einer in Deutschland installierten Anlage fehlte es auch an Anschauungsmaterial für eventuelle Kaufinteressenten aus dem Ausland. Dieser Mangel hat in der Tat die deutschen Hersteller in ihrer Entwicklung gehemmt.
Auf Veranlassung des Bundesministeriums für Gesundheitswesen hat der deutsche Sachverständige Professor Dr. Fischbeck, Heidelberg, im Jahre 1963 ein Gutachten zu dem Thema „Neue Möglichkeiten zur Aufbereitung von salzhaltigen Wässern und Abwässern" erstellt, in dem sämtliche bisher bekannten Entsalzungsverfahren beschrieben und gegeneinander abgewogen sind. Außerdem ist auf Veranlassung des Bundesministeriums für Gesundheitswesen bei der Deutschen Gesellschaft für chemisches Apparatewesen in Frankfurt am 14. Januar 1966 ein Fachausschuß „Industrielle Gewinnung von Süßwasser" gegründet worden, der als Ausspracheforum für Wissenschaftler und Praktiker aus der Industrie dienen soll. Er hat bereits mehrfach getagt und verspricht, zu einem Instrumentzu werden, das die bisherigen Lücken in der Forschung und Fertigung zu schließen in der Lage ist. Außerdem beteiligt sich Deutschland an dem internationalen Gedankenaustausch, der in Form von Tagungen auf europäischer Basis durchgeführt wird. Das letzte europäische Symposium „Süßwasser aus dem Meer" fand im Mai 1967 in Athen statt.
Die Fragestunde ist beendet. Die nicht erledigten Fragen werden schriftlich beantwortet, soweit sie nicht zurückgezogen sind.Ich rufe dann den einzigen weiteren Punkt der Tagesordnung auf, Punkt 33 der Tagesordnung dieser Woche:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes— Drucksache V/1674—Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik
— Drucksache V/1925 —Berichterstatter: Abgeordneter Killat
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Das Wort als Berichterstater hat der Herr Abgeordnete Killat.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der aufmerksame Leser wird festgestellt haben, daß der Schriftliche Bericht eine Reihe von Druck- und auch redaktionellen Fehlern enthält, die berichtigt werden müssen. Soweit es sich um reine Druckfehler handelt, ist die sachgerechte Korrektur schon bei der Antragsannahmestelle veranlaßt worden, so daß der Neudruck mit der Verabschiedung dieses Gesetzes ordnungsgemäß erfolgen kann.
Ich muß jedoch für das Büro oder auch für die Druckerei um Nachsicht bitten; denn sie sind für diese Mängel eigentlich nicht haftbar zu machen. Die Fehler hängen damit zusammen, daß wir erst am Donnerstag der vergangenen Woche in Berlin unsere Ausschußberatungen abschließen konnten und die Mitarbeiter in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag den Bericht erstellen mußten, um ihn termingemäß am Freitag nach Bonn zur Drucklegung zu übermitteln. Sie haben bis in die späte Nacht gearbeitet, und ich glaube, wir sind wohl den Mitarbeitern des Büros des Sozialpolitischen Ausschusses und auch des Arbeitsministeriums zu Dank verpflichtet.
Ich möchte hier drei Berichtigungen vortragen, die eigentlich redaktioneller Art sind, bei denen aber der eine oder andere der Auffassung sein könnte, daß sie vielleicht etwas weitergingen.
Auf Seite 7/8 des Ausschußberichts soll in § 2 a Abs. 4 Satz 2 das Wort „insgesamt" gestrichen und das Wort „dürfen" durch „darf" ersetzt werden. Diese an sich redaktionelle Änderung ist notwendig, weil man in der alten Fassung eine weitergehende Mitwirkung von Versichertengruppen vorgesehen hatte, die jetzt aufgehoben worden ist.
Auf Seite 9 ist in § 2 b Abs. 4 a Satz 3 eine analoge Anpassung an den Text des Abs. 3 vorzunehmen. Die Worte „bei einer Abstimmung im schriftlichen Verfahren" sind durch „bei einer schriftlichen Abstimmung" zu ersetzen.
Auf Seite 31 des Auschußberichts muß es unter III. Rentenversicherung der Arbeiter in der rechten Spalte statt versicherungspflichtige Beschäftigte richtig „versicherungspflichtige und wahlberechtigte Beschäftigte heißen.
Nun einige wenige ergänzende Bemerkungen, die vielleicht doch zum Verständnis des Berichts und dieses umfassenden Gesetzes zweckmäßig und notwendig sind. Die Regierungsvorlage ist im Ausschuß in einigen Punkten geändert worden. Diese Änderungen wurden von der überwiegenden Mehrheit bejaht und haben auch die Zustimmung der Regierung gefunden. Dabei handelt es sich teilweise um Verbesserungen, die die Arbeit in den Selbstverwaltungsorganen effektiver und auch praktikabler gestalten. So hat man beispielsweise die guten Erfahrungen, die mit der Mitwirkung von sachkundigen Vertretern der Sozialpartner in der Rentenversicherung gemacht worden sind, nunmehr auch für die Berufsgenossenschaften übernommen.
Vielleicht ist auch der Hinweis erlaubt, daß der Ausschuß nicht dem Vorschlag der Regierung folgen konnte, die Selbstverwaltungsorgane bei den
Ausführungsbehörden aufzuheben und durch Beiräte zu ersetzen. Der alte Zustand ist beibehalten worden; es bleibt bei den Organen.
Für die Versicherten und auch für die breite Öffentlichkeit dürfte bei diesem Gesetz von besonderem Interesse sein, daß erstmalig der Weg beschritten wird, die Sitzungen der Vertreterversammlungen — also des Legislativorgans — der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es handelt sich dabei um die Vertreterversammlungen derjenigen Träger, die der Reichsversicherungsordnung unterliegen. Damit soll die bedeutsame Tätigkeit dieser Organe sichtbar gemacht werden. Wir erwarten, daß die Öffentlichkeit noch stärker als bisher dem Wirken der Selbstverwaltungsorgane ihre besondere Aufmerksamkeit schenkt.
Zum Schluß möchte ich noch bemerken, daß die Verabschiedung des Gesetzes terminlich dringlich ist, weil die Vorbereitung der nächsten Sozialwahlen einen Terminplan von etwa acht bis neun Monaten beansprucht. Der Termin für die Beendigung der derzeitigen Legislaturperiode fällt in das Jahr 1968, so daß wir mit den nächsten Sozialwahlen im Juni 1968 rechnen können.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Vorschläge des Herrn Berichterstatters zur Verbesserung der Vorlage in einigen Punkten gehört.
Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann ist die Vorlage des Ausschusses insoweit geändert.
Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe Art. 1 auf. Zu diesem Artikel liegen mehrere Änderungsanträge vor, der erste auf Umdruck 278 *), Ziffer 1, Antrag der Abgeordneten Kühn , Frau Kalinke und Genossen. Zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Kühn das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon im Ausschuß hatten wir einen Antrag gestellt, auch in der Knappschaft und bei den Ersatzkassen die paritätische Besetzung der Selbstverwaltungsgremien herzustellen. Aber seine Ablehnung mag — diese Bemerkung, Herr Präsident, sei mir vorab gestattet — damit zusammenhängen, daß wir mit diesem nunmehr Siebenten Gesetz zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes offenbar einen hohen Grad von Perfektionismus zu verwirklichen suchen, der mit dem eigentlichen Anlaß, nämlich der Durchführung und Praktizierung der Selbstverwaltung in keinem rechten Verhältnis steht.
— So mag es mir nachgesehen werden, Herr Professor Schellenberg, daß auch ich um die Berichti-*) Siehe Anlage 2
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Kühn
gung eines Druckfehlers bitten muß. In Ziffer i unseres Umdrucks muß es unter cc) heißen: „Buchstabe c gestrichen."
— Das kann sich mir vorstellen, Herr Professor; aber das wollten wir wiederum nicht so gern.Ich darf begründen, warum wir den Antrag auf paritätische Besetzung stellen. Zu den Ziffern 2 und 3 unseres Antrags wird Frau Kalinke dann noch etwas zu sagen haben.Die paritätische Besetzung in der Selbstverwaltung — das ist uns bei der Anhörung der Sachverständigen, aber auch bei der Beratung immer wieder von der Regierung gesagt worden — hat sich hervorragend bewährt. Wir sind der Auffassung, daß wir nun auch dort zu ihr übergehen sollten, wo sie bisher nicht eingeführt war.Es ist hier eingewendet worden, daß eine solche Änderung der Bestimmungen bei der derzeitigen Situation in der Knappschaft zu Unruhen führen könnte. Wir sind der Auffassung, daß konjunkturelle Schwierigkeiten, die in bestimmten Berufszweigen immer wieder eintreten können, die grundsätzliche Entscheidung von Fragen wie dieser nicht beeinflussen dürfen. Wir sind weiterhin der Auffassung, daß es gerade in solchen konjunkturell schwierigen Zeiten wie den gegenwärtigen für den Gesamtberufsstand durchaus nützlich sein kann, wenn eine paritätische Besetzung die beiden Sozialpartner auch in diesen Fragen der Selbstverwaltung zur Durchsetzung der gemeinsamen Interessen zusammenbringt.Es ist aber auch darauf hingewiesen worden — und das war ein Argument, das uns sehr stark beschäftigt hat —, daß die Frage der paritätischen Besetzung auf diesem Gebiete in gewisser Weise doch mit der Frage der Mitbestimmung überhaupt zusammenhängt. Hierzu muß ich sagen, daß ich mich in dieser Hinsicht auf eine Äußerung eines früheren Mitglieds dieses Hohen Hauses, des Herrn Richter von der SPD, berufen kann, der in der Sitzung vom 1. Februar 1950 gesagt hat:Sie sind im Unrecht, wenn Sie eine Parallele zwischen den Forderungen der SPD, nach denen die Selbstverwaltung durch die Betroffenen, durch die Versicherten, durch die Mitglieder der Versicherung wahrgenommen werden soll, und denen auf Mitbestimmung der Sozialpartner auf wirtschaftlichem und sonstigem Gebiet herstellen.Ich glaube, das muß man noch einmal unterstreichen. Hier handelt es sich in der Tat um andere Fragen. Hier handelt es sich um Fragen, die die Sozialpartner, die die Versicherten, die die Beitragleistenden miteinander für die Versicherung zu entscheiden haben. Weil das so ist und weil wir glauben, daß sich hier auch in der Zukunft besser bewähren kann, was sich auf der anderen Seite schon bewährt hat, sind wir für die paritätische Besetzung.Wir können auch nicht das Argument anerkennen, bei den Ersatzkassen treffe das nicht so zu wie bei den übrigen RVO-Kassen der Krankenversicherung. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Bestimmungen hinweisen, die auch in der Unfallversicherung gelten und die vorsehen, daß, obwohl dort die Beiträge ausschließlich von den Arbeitgebern getragen werden, die Arbeitnehmer bei der Besetzung der Selbstverwaltungsorgane paritätisch beteiligt werden.Aus allen diesen Gründen bitten wir Sie, unserem Änderungsantrag zu Art. 1 Nr. 3 und damit der paritätischen Besetzung der Selbstverwaltungsorgane in der Knappschaft und in den Ersatzkassen zuzustimmen.
Ich eröffne die Aussprache über diesen Antrag. Wird das Wort gewünscht? — Herr Killat hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, daß die Begründung, die Sie, Herr Kollege Kühn, für die Einführung der paritätischen Besetzung der Selbstverwaltungsorgane bei den Ersatzkassen und auch in der Knappschaft gegeben haben, nicht sehr überzeugend war. Über das Prinzip, das Sie auch im Ausschuß vorgebracht haben, daß man nämlich aus gesellschaftspolitischen Gründen die absolute Parität der Sozialpartner herbeiführen sollte, kann man reden.Wenn Sie aber erklären, daß dieses Prinzip der Parität insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften durchgezogen werden muß, dann ist die Frage zu stellen, warum das in diesem Augenblick entschieden werden soll, obwohl man doch, wenn man dieses Prinzip durchsetzen will, auch in den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern, den Landwirtschaftskammern usw. die paritätische Besetzung der Selbstverwaltungsorgane einführen müßte. Das aber ist nicht Ihre Absicht. Ihrer gesellschaftspolitischen Absicht aber, die paritätische Besetzung nur in einem Teilbereich der Sozialversicherung zum Nachteil der Versicherten einzuführen, können wir nicht zustimmen.Weiterhin haben Sie davon gesprochen, daß man eine solche Frage wie die der paritätischen Besetzung bei der Knappschaft nicht unter dem Gesichtspunkt von konjunkturellen Entwicklungen sehen könne. Nun, wir sind die Letzten, die so etwas täten. Wir können nur feststellen, daß die Selbstverwaltung in den Knappschaften wie auch bei den Ersatzkassen historisch gewachsen ist und sich bis heute bewährt hat.
Es kann also niemand behaupten, daß die Dinge jetzt aus irgendeinem Vorgang heraus oder aus irgendwelchen uns nicht erkennbaren Gründen geändert werden müßten.
— Herr Kollege, dort, wo sie besteht und sich bewähren konnte. Ich möchte jetzt in bezug auf dieErsatzkassen folgendes sagen. Wir haben es hier mit
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KillatEinrichtungen der Arbeitnehmer zu tun, die von den Arbeitnehmern lange vor 1914 — teilweise 100 bis 200 Jahre früher — als genossensaftliche Selbsthilfeeinrichtungen geschaffen wurden
und die bis heute auf genossenschaftlicher Basis ohne gesetzlichen Garantieträger bestehen. Dort müssen die Versicherten allein die finanzielle Last und auch die Ausfallhaftung tragen. Oder sind Sie, Herr Kühn, etwa bereit, nunmehr auch den Ersatzkassen eine solche gesetzliche Garantie- und Ausfallhaftung zu gewähren; und sind die Arbeitgeber bereit, allen Angestellten nunmehr auch den Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung zu zahlen?Ich habe zu dieser Frage nur festzustellen, daß es in den Ersatzkassen 40 % freiwillig Versicherte gibt, die ihre Beiträge allein bezahlen, und in einzelnen Ersatzkassen — bei den Technikern — sind es bis zu 92 %. Mit welchem Recht soll der Arbeitgeber über diesen Beitrag mitbestimmen können? Wenn Sie als vorgebliche Vertreter der Idee der Eigenvorsorge und Eigenverantwortung, die bei den Ersatzkassen sichtbar zum Ausdruck kommt und die sich bewährt hat, nunmehr einen solchen Antrag stellen, weiß ich nicht, woher Sie Ihre Gründe nehmen, diese Eigenverantwortung der Angestellten aufzuheben und für eine paritätische Besetzung, d. h. für Übergabe der Hälfte der Organsitze an die Arbeitgeber, zu sprechen.
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Zunächst, Herr Kollege Killat, handelt es sich hier um eine Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes, das natürlich mit Industrie- und Handelskammern und ähnlichen Dingen gar nichts zu tun hat, sondern das sich lediglich auf das Gebiet der gesetzlichen Sozialversicherungszweige erstreckt. Insofern, glaube ich, sind die Argumente, die Sie hier gegen den Antrag der Kollegen der CDU/CSU vorgetragen haben, nicht stichhaltig und nicht schlüssig.
Ich möchte für die Fraktion der Freien Demokratischen Partei nur wenige Ausführungen dazu machen und feststellen, daß, wer für soziale Partnerschaft ist, auch für die Parität einzutreten hat, und zwar für eine gleichgewichtige Parität — unabhängig davon, in welcher Form die Beiträge aufgebracht werden.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion: Wenn ich für Parität eintrete und damit die soziale Partnerschaft und das Zusammenwirken bejahe, kann ich mir auf dem Gebiet der gesetzlichen Sozialversicherungszweige nicht den einen oder anderen Brocken herausklauben. Ich kann nicht sagen: Hier möchte ich die Partnerschaft, und bei der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft beispielsweise lasse ich die Partnerschaft noch ein bißchen ruhen. Insofern ist also Ihr Antrag in sich selbst nicht ganz logisch und schlüssig.
Ich möchte bemerken, Herr Kollege Killat, daß es mich ein wenig verwundert hat, daß Sie bei der Berichterstattung über den § 2 nicht darauf hingewiesen haben, daß ein Kollege Ihrer Fraktion ja ebenfalls einen Antrag gestellt hatte, der auf die Parität abzielte, nämlich Herr Kollege Frehsee, der ja die Parität in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung haben wollte. Ich glaube, das sollte man doch der Ordnung halber jetzt noch nachtragen.
— Ich habe das nicht abgelehnt, sondern, Herr Kollege Killat, die Freien Demokraten haben sich sehr logisch und korrekt verhalten; denn nachdem der Antrag, die Parität in der Knappschaft einzuführen, abgelehnt worden war, gab es für uns keine Möglichkeit, für den Antrag des Kollegen Frehsee, die Parität in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung einzuführen, zu stimmen, und wir konnten dann auch bei den Ersatzkassen nicht dafür stimmen. Wir sind der Ansicht, daß die Parität, wenn sie angestrebt wird, dann in allen Zweigen der Sozialversicherung anzustreben ist.
Ich möchte für meine Fraktion erklären, daß wir dem Antrag der CDU-Kollegen zustimmen. Sie können aber nicht erwarten, daß wir es auf die Gefahr ankommen lassen, daß bei der Knappschaft die Parität abgelehnt, bei den Ersatzkassen mit ihren völlig anderen Gegebenheiten aber dann durch eine zufällige Abstimmung die Parität eingeführt wird. Wir sind der Meinung: die Parität sollte eingeführt werden, aber in einem Zuge, in einem Akt für alle Versicherungszweige. Das kann nur geschehen, wenn dieser Antrag unter Ziff. 1 Buchst. a) des Änderungsantrages auf Umdruck 278 zu Art. 1 Nr. 3 Buchst. b) Lit. aa) eine Mehrheit findet. Nur dann sehen wir uns in der Lage, auch den anderen Anträgen der CDU zuzustimmen. Im anderen Fall müssen wir uns logischerweise der Stimme enthalten, denn wenn Ziff. 1 Buchst. a) zu Art. 1 Nr. 3 Buchst. b) Lit. aa) abgelehnt wird, dann ist die — —
— Das hat damit gar nichts zu tun, Herr Kollege.
— Herr Kollege Ruf, Frau Kalinke wird dazu noch sprechen. Ich bin gern bereit, dann auf diese Ausführungen einzugehen.
Wenn Sie die Parität anstreben, dann müssen Sie sie korrekterweise in allen Bereichen anstreben, und dann ist die zweite Abstimmung abhängig vorn Ausgang der ersten Abstimmung. Wir werden Ihrem Antrag in Ziff. 1 Buchst. a) zu Art. 1 Nr. 3 unter Buchst. b) Lit. aa) und, wenn dieser Antrag angenommen ist, auch Ihren weiteren Anträgen zustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Krampe.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst einmal sagen, daß es hier um die paritätische Besetzung der Vertreterversammlungen der Ersatzkassen und damit auch um die paritätische Besetzung bei der knappschaftlichen Rentenversicherung geht. Ich darf darauf hinweisen — und der Herr Kollege Killat hat manche Begründung dafür gebracht —, daß sich das bisherige System der Selbstverwaltung bei den Ersatzkassen durchaus bewährt hat.
— Wir sollten dieses System nicht ändern, Herr
Ruf. Wir sollten der sozialen Befriedung wegen,
aber auch der Tatsachen wegen, die in der Mitgliedschaft begründet sind — Mitbestimmung und Selbstverwaltung kommen letzten Endes aus der Mitgliedschaft —, diesen Dingen Rechnung tragen. Ich
bin der Meinung: Wenn über 50% der Versicherten
innerhalb der Ersatzkassen freiwillig Versicherte
sind, kann man dort nicht gut die Arbeitgeber letzten Endes über das Recht der freiwillig Versicherten
mitbestimmen lassen. Ich bitte deshalb, den Antrag
in dieser Form abzulehnen.
Nun ein zweiter Punkt. Im Bereich der knappschaftlichen Versicherung wird hier das bisherige System der Drittelung — zwei Drittel der Vertreter sind Versichertenvertreter, ein Drittel Arbeitgebervertreter — angetastet, angezweifelt, oder soll einer angeblich besseren Regelung zugeführt werden. Ich darf hier darauf aufmerksam machen, daß sich das System der Selbstverwaltung im gesamten Bereich der Knappschaftsversicherung bewährt hat — seit uralten Zeiten.
Ich darf darauf hinweisen, daß es die Versichertengemeinschaft als kleinen, nicht als großen Affront ansähe — ich will nicht von einem großen Affront sprechen, denn man kann manche Dinge in der politischen Auseinandersetzung dann, wenn sie verwirklicht werden müssen, so und so darstellen —, und daß insonderheit die Versicherten im Ruhrgebiet und auch im Saargebiet, wo die Masse der knappschaftlich Versicherten beschäftigt ist, es nicht verstehen könnten, wenn hier eine Änderung des bisher bewährten Systems im Bereich der knappschaftlichen Selbstverwaltung eintreten würde.
Ich möchte auch empfehlen, sich einmal von den politischen Folgen her einige Eindrücke zu verschaffen, denn dieser Versichertengemeinschaft gerade im knappschaftlichen Bereich wird zur Zeit allerhand zugemutet. Man sollte ihnen hier die echte Möglichkeit geben, weiterhin in ihrem Selbstverwaltungsbereich vertreten zu sein. Auch ich bitte, diesen Antrag abzulehnen.
Die Aussprache über die Ziffer 1 des Änderungsantrages auf Umdruck 278 ist damit geschlossen.
Frau Kalinke hat noch das Wort zu Ziffer 1 dieses Antrages. Es scheint mir zweckmäßig zu sein, Ziffer 1 und Ziffer 2 zu trennen. Das Ganze ist kompliziert.
Herr Präsident, ich bitte, mir zu gestatten, zu Ziffer 1 auf die Ausführungen des Kollegen Killat nur zwei Bemerkungen zu machen, damit die Dinge klar sind.Es ist kein Zweifel, daß die Angestelltenersatzkassen von ihrem Herkommen her Einrichtungen der genossenschaftlichen Selbsthilfe sind und gar nichts anderes. Das ist ihr Ursprung. Sie waren genossenschaftliche Einrichtungen, sie waren Selbstverwaltungsorgane, und sie waren Vereine auf Gegenseitigkeit. Aus der berufsständischen, genossenschaftlichen Wurzel stammen aber auch die Innungskrankenkassen, die Landkrankenkassen und alle berufsständischen Arbeiterersatzkassen. Worum es hier geht, ist, daß die Angestelltenersatzkassen nicht mehr Vereine auf Gegenseitigkeit sind, was sie nach 1945 im Zuge der Wiedergutmachung werden konnten. Sie sind heute Körperschaften öffentlichen Rechts und weitgehend Träger der Aufgaben der RVO.Ein zweiter Punkt, Kollege Killat, den ich Sie bei Ihren Überlegungen zu berücksichtigen bitte, ohne Sie belehren zu wollen, ist dies. Die Arbeitgeber, ob sie bereit wären oder nicht, sind durch Gesetz verpflichtet, bei den Angestelltenersatzkassen wie bei allen anderen Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung den Arbeitgeberanteil für alle Versicherungspflichtigen zu zahlen. Soweit freiwillig Weiterversicherte mit höheren Einkommen dies ebenfalls wünschen — und das ist die Auffassung vieler Gewerkschaftler und vieler Versicherter —, gibt es dazu zwei Möglichkeiten. Die eine ist der Tarifvertrag. Sehr viele Arbeitgeber — wie wir wissen, ganze Gruppen von Arbeitgeberverbänden — haben sich dazu bereit gefunden. Andere haben das abgelehnt. Hier ist der künftigen Arbeit der Gewerkschaften bzw. der Tarifpartner noch viel Raum gegeben. Zweitens ist es die Aufgabe unseres Parlaments, bei der Krankenversicherungsreform die Frage der Beitragsgestaltung mit anzupacken und über Fragen der Beitragsbemessungsgrenze, auch der gerechten Beitragsfindung, zu entscheiden. Schließlich ist es Sache der Vertreterversammlungen und der Organe, hier mutige Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie einmal unpopulär sind.Ich wollte dies zu den Ausführungen des Kollegen Killat nur gesagt haben, weil sonst die Behauptung im Raum stünde, bei den Ersatzkassen sei das Verhältnis zu den Arbeitgebern ein anderes. In der Geschichte der Angestelltenersatzkassen hat sich gerade in jüngster Zeit durch ein bemerkenswertes Urteil, das Sie sicher schon gelesen haben, Herr Kollege Killat, gezeigt, daß die Arbeitgeber auch hier verpflichtet sind, den Beitragseinzug vorzunehmen; früher wurde der Beitrag von den Versicherten der Angestelltenersatzkassen selbst an die Träger ihrer Kassen abgeführt. Damit ist also auch die Entwicklung auf dem Wege zu einer weitgehenden Gleichbehandlung mit den RVO-Kassen praktisch fortgeschritten. Das nur zur Klärung der Sache.Würden Sie mir dann gestatten, Herr Präsident, gleich den Abänderungsantrag Umdruck 278 zu begründen?
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Ich halte es für zweckmäßig, daß wir das trennen, Frau Kollegin. Wir wollen also erst die Ziffer 1 des Umdrucks 278 behandeln.
— Gut, buchstabenweise. Wir haben da zwei Buchstaben: a) und b). Wir stimmen zunächst über a) ab.
— Nein, ich habe vor, Herr Kollege Schellenberg, über Art. 1 am Schluß abstimmen zu lassen.
Also jetzt — damit wir wissen, wo wir sind — Umdruck 278 Ziffer 1 Buchstabe a), und jetzt unter b) wieder getrennt nach aa), bb) und cc). Wir stimmen also über aa) ab. Wer dem Antrag unter aa) zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir stimmen ab über den Antrag unter bb). Wer bb) zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. -Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das war die gleiche Mehrheit. Abgelehnt!
cc) ! Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. Gegenprobe! — Das letztere ist die gleiche Mehrheit.
Damit haben wir den Buchstaben a) der Ziffer 1 erledigt.
Buchstabe b) ! Wer dem Buchstaben b) des Antrages zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. Gegenprobe! — Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ziffer 1 ist damit abgelehnt.
Wir kommen zurück zu der Vorlage des Ausschusses Drucksache V/1925, Ziffer 4 auf Seite 7 der Vorlage. Zu dieser Ziffer liegt ein Änderungsantrag — Umdruck 278 Ziffer 2 — vor. Zur Begründung hat das Wort Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Nach fast fünfzehnjähriger Praxis mit dem Selbstverwaltungsgesetz bedauern alle Vorkämpfer und alle Kenner der Selbstverwaltung immer wieder das große Desinteresse der Mehrheit der Versicherten an ihren Sozialversicherungsorganen, und es hat viele Überlegungen bei fast allen Novellen gegeben, technische Probleme, die Wahlordnung, in Ordnung zu bringen; auch eine entscheidende Frage, nämlich neben der paritätischen Besetzung der Organe die Frage der Öffentlichkeit der Vertreterversammlungen, ist diskutiert worden.Jedes Gesetz, auch wenn es noch so gut durchdacht ist, bedarf der praktischen Erfahrung, wenn es geändert werden soll, und es ist kein Zweifel, daß die praktischen Erfahrungen mit der Wiederherstellung der Selbstverwaltung der Hintergrund für die Neuerung in diesem Gesetz sind, die Organsitzungen, die Sitzungen der Vertreterversammlungen, in Zukunft öffentlich zu gestalten.Hinter den unterzeichneten Kollegen, die diese Öffentlichkeit nicht vorschlagen wollen, sondern an der bisherigen geschlossenen Vertreterversammlung festhalten, stehen nicht nur die Erfahrungen dieser Kollegen, sondern auch die Erfahrungen der großen Versicherungsträger und ihrer Verbände, der Arbeitnehmer wie der Arbeitgeber, stehen die Erfahrungen sowohl des Ortskrankenkassenverbandes wie des Ersatzkassenverbandes wie der Betriebskrankenkassen, stehen die Erfahrungen vieler Männer und Frauen, die in den vergangenen Jahren in der Selbstverwaltung mitgearbeitet haben.In der Vergangenheit vor der Wiederherstellung der Selbstverwaltung nach dem großen Zusammenbruch waren die Selbstverwaltungsorgane oft das Vor- und Spannungsfeld harter Auseinandersetzungen. Nach der Wiederherstellung der Selbstverwaltung ist überall da, wo die Partnerschaft — die wir noch nicht vollständig hergestellt haben — ein gesundes Gleichgewicht der Kräfte schuf, auch die menschlichen Beziehungen in Ordnung waren, die Diskussion im Vorstand und der Vertreterversammlung überwiegend der Sache dienlich gewesen.Die Idealisten unter den Vorkämpfern für die Wiederherstellung der Selbstverwaltung — ich rechne mich zu ihnen — haben lange geglaubt, daß durch eine öffentliche Durchführung der Sitzungen der Vertreterversammlungen eine Chance entstehen könnte. Sie haben geradezu erhofft, daß diese Öffentlichkeit die Versicherten dazu anregen könnte, sich mehr um ihre Dinge zu kümmern. Die Praktiker aber — die nicht weniger ideal veranlagt sind — haben nun Gelegenheit gehabt, Erfahrungen zu sammeln, und sie sind nicht ohne Sorgen, wenn sie an die Öffentlichkeit der Sitzungen — die natürlich nach dem Gesetzentwurf nur für die Vertreterversammlung, nicht aber für den Vorstand gilt — und 'an den möglichen Mißbrauch denken. Es gibt viele Beispiele für diese These, aber weit mehr Beispiele gegen sie. Einige Beispiele sind geradezu angetan, das Vertrauen zur Selbstverwaltung nicht zu stärken und den Wunsch, das Interesse der Versicherten zu mehren, nicht durchzusetzen. Es gibt viele Themen, die die Versicherten interessieren. Sie werden schon heute von den Sozialversicherungsträgern auf Grund der Aufklärungspflicht entweder nach Gesetz und Satzung oder nach den Vorschriften der Versicherungsbedingungen wahrgenommen. Auch die in den Organen vertretenen Gewerkschafts- und Abeitgebermitglieder sind eifrigst bemüht, die Probleme der Sozialpolitik in den Selbstverwaltungsorganen in der Fachliteratur wie in ihren eigenen Zeitungen oder Zeitschriften zur Diskussion zu stellen und die Versicherten zu informieren.Von den Problemen, die nun für Außenstehende von besonderem Interesse sein können und die sicherlich auch von einem gewissen Reiz sind für das Verlangen nach Öffentlichkeit der Sitzungen, dürfen die Fragen der Personalpolitik, der Beitrags- und Leistungsgestaltung, der unterschiedlichen Beitragsfindung für bestimmte Gruppen, die mit Arztverträ-
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Frau Kalinkegen zusammenhängt, das Verhältnis zu Krankenhäusern etc. überhaupt nicht an die Öffentlichkeit gelangen, weil sie schon jetzt von der öffentlichen Diskussion ausgeschlossen sind. Haushalts- und Satzungsregularien sind Probleme, deren Verständnis wohl durch eine aktive Beteiligung an der Selbstverwaltung, aber kaum durch Publikation verstärkt werden kann. Der Regierungsentwurf hat schon eine große Zahl von Ausnahmebestimmungen vorgesehen, wonach alle grundsätzlichen Fragen der geschützten Rechtsgüter und Tatbestände nach den §§ 141. und 142 RVO, wie Krankheiten der Versicherten und ihre Ursachen, ohnehin nicht diskutiert werden können. Das gleiche gilt für Grundstückskäufe. Dazu erhält die Vertreterversammlung im bisherigen Text die Befugnis, die Öffentlichkeit auszuschließen.Leider lehrt nun die Erfahrung, daß die Haushalte der großen Versicherungsträger, die die Milliardengrenze überschreiten, auch auf ein sehr politisches Gewicht der Selbstverwaltungensorgane hindeuten. Je mehr sich diese Selbstverwaltung als Vorfeld der demokratischen Auseinandersetzungen in den Parlamenten versteht — einzelne Versicherungsträger nennen ihre Organmitglieder sogar Abgeordnete —, um so mehr besteht die Gefahr der Politisierung der Organe. Hier entstehen die gleichen Probleme, die wir als Bundestagsabgeordnete bei der Diskussion der Frage, ob die Ausschußsitzungen öffentlich sein sollen, zu überlegen haben. Es geht mir hier nicht um die Argumentation mit der Gefahr der so gefürchteten „Fensterreden", die sicherlich unvermeidbar wären; es geht vielmehr, wie mir ein Kollege aus der Selbstverwaltung der Kassenärzte berichtet hat, darum, daß erfahrene und besonnene Leute, die sich gern zu einem Sachproblem melden möchten, wahrscheinlich verstummen, während die Rhetoriker in der Organen dann die Zusammenarbeit vielleicht gefährden könnten. Viele Beschlüsse der Vertreterversammlungen, die in den letzten Jahren von den Organen, von den Geschäftsführungen und den Gewerkschaften publiziert wurden, zeigen, daß es sich in der Regel um politische Appelle an das Parlament, um Wünsche an die Öffentlichkeit handelt.Wir wissen alle — lassen Sie mich das als letzte Begründung sagen; in der sehr sachlichen Aussprache im Ausschuß über dieses Problem waren wir zwar nicht alle einer Meinung, aber eine sehr große Zahl war der gleichen Meinung —, wie schwer es ist, über Tabus, über Interessengegensätze und alte Zöpfe hinweg die gemeinsame Verantwortung auch da zu praktizieren, wo einmal harte Entscheidungen getroffen werden müssen. Die Antragsteller haben daher große Bedenken gegen die Öffentlichkeit.Sie haben bei Anhörung der Sachverständigen alle Argumente geprüft, besonders die der Bundesverbände der Krankenkassen, die mündlich und schriftlich vorgetragen wurden. Die Antragsteller haben sich überzeugen müssen, daß das Schwergewicht der Selbstverwaltung weit mehr beim Vorstand liegt. Weil die Organe außerdem nur zweimal im Jahr zusammentreten, und das noch an verschiedenen Plätzen, können die Versicherten diese Veranstaltungen gar nicht aufsuchen.Wir haben uns auch überlegt, wie die Öffentlichkeit praktiziert werden könnte und wer die Interessierten wären, die zu den Veranstaltungen kämen, und welche Probleme dabei entstünden. Wir sind uns darüber einig, daß nach der Praxis von heute wahrscheinlich nur die Rentner dazu in der Lage wären, weil die berufstätigen Versicherten selbst ja nicht Urlaub nehmen könnten, um zu einer Organsitzung zu reisen.Was für die Sozialversicherungsträger gilt, trifft in vermehrter Weise für die Organe der Kassenärztlichen Vereinigungen zu, die heute schon den Ärzten Gelegenheit zur Teilnahme an der Vertreterversammlung geben. Bei der Beteiligung der Ärzte ist das gleiche festzustellen wie bei der Beteiligung der Versicherten; sie sind aus den gleichen Gründen kaum in der Lage, zu den Organsitzungen zu fahren.Die bisherige Selbstverwaltung hat sich bewährt, ist hier gesagt worden. Die paritätische Besetzung der Organe hat sich bewährt, ist gesagt worden. — Auch die Nichtöffentlichkeit hat sich bewährt. Ich darf Ihnen hier unseren Antrag mit einem Wort empfehlen, an das ich erinnern möchte, das in der großen Diskussion über die Selbstverwaltung auf einer Tagung des Sozialgerichtsverbandes gesagt wurde. Es hieß dort: „Die Entscheidungsfreiheit der Selbstverwaltungsorgane schließt auch das Recht ein, auf eigene Kosten Dummheiten zu machen." Wir sollten uns im Bundestag dieser Empfehlung nicht bedienen.Ich darf den Herrn Präsidenten bitten, unseren Änderungsantrag zu Artikel 1 Nr. 4 § 2 b Abs. 2 mit folgendem Text zur Abstimmung zu stellen:In Artikel 1 Nr. 4 erhält § 2 b Abs. 2 folgende Fassung:Die Sitzungen der Organe und ihrer Ausschüsse sind nicht öffentlich.Ich darf die Mehrheit dieses Hauses bitten, dem Antrag meiner Freunde, die gegen die Öffentlichkeit sind, zuzustimmen.
— Daß es Kollegen gibt, die für die Öffentlichkeit sind, ist ja bekannt; ich habe darauf hingewiesen. Wir sind der Meinung, daß die bisherige Handhabung, die Veranstaltungen der Organe, nämlich die Vertreterversammlungen, genauso wie die Verstandssitzungen und die Ausschußsitzungen nicht öffentlich zu machen, die bessere ist.
In der Aussprache über diesen Antrag hat der Herr Abgeordnete Krampe das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, gnädige Frau, daß wir weiterhin freundschaftlich verbunden sind — und nicht nur kollegial —, auch wenn ich hier eine andere Meinung vertrete.
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KrampeIch darf zur Frage der bedingten Öffentlichkeit — und die ist im Text angesprochen — sagen, daß wir im Siebenten Gesetz zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes erstmalig die Möglichkeit haben, in das Selbstverwaltungsgesetz einen echten demokratischen Grundzug einzuführen. Wer mit mir der Meinung ist, daß Selbstverwaltung Demokratie bedeutet — das war die Ausgangsposition bei der Einführung unserer Selbstverwaltung —, der muß auch dem Grundsatz der weitestmöglichen Öffentlichkeit das Wort reden.
Es wird eingewendet, man solle die zarten Bande, die in der Vertreterversammlung zwischen den Beteiligten geknüpft worden seien, nicht der rauhen Luft der Öffentlichkeit aussetzen. Ich weise darauf hin, daß wir diese zarten Bande seit 1953 geknüpft und hinter verschlossenen Türen Selbstverwaltung geübt haben; dennoch wurde dieser Selbstverwaltung Standfestigkeit bezeugt. Mit meinen Freunden bin ich der Meinung, daß wir jetzt die Türen öffnen sollten.Es wird argumentiert, man könne nicht alle Versicherten zu den Vertreterversammlungen laden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht nicht um das Können. Man kann über Presseorgane, über Veröffentlichungen alle einladen und ansprechen. Das gleiche Problem hat man in allen anderen Selbstverwaltungsorganen und -institutionen parlamentarischer Art. Man hat gewiß nicht die Räume, um eine Million Versicherte unterzubringen. Man sollte aber den Versicherten und der Öffentlichkeit vom Grundsatz her das Recht geben, in aller Offenheit die Dinge kennenzulernen. Ob die Möglichkeit wahrgenommen wird, bleibt dann jedem einzelnen überlassen. Wir sollten aber die Möglichkeit eröffnen, daß in aller Offenheit diskutiert wird.Gestatten Sie mir, noch einen Grund anzuführen. Ich möchte als Mitglied solcher Selbstverwaltungsorgane auch nicht erleben, daß hinter verschlossenen Türen entschieden wird und die Ergebnisse über Pressestellen bekanntgegeben werden. Wenn dann in der Öffentlichkeit gefragt wird, wer zu dieser Entscheidung beigetragen hat, steht der einzelne nicht selbstverantwortlich da, sondern die Entscheidung bleibt anonym; jeder kann sagen, der andere habe zu dieser Entscheidung beigetragen. In aller Öffentlichkeit soll hier auch der einzelne Vertreter, ganz gleich, ob von der Arbeitgeber- oder der Arbeitnehmerseite, zu seiner Entscheidung stehen und diese Entscheidung eben auch in der Öffentlichkeit begründen.Ich darf auch darauf hinweisen, daß sich die Regierung einiges dabei gedacht hat, als sie uns vorschlug, diesem Passus, also der Regierungsvorlage, zuzustimmen. Auch der Sozialpolitische Ausschuß hat sich einiges dabei gedacht, als er der Regierungsvorlage zustimmte. Wenn wir das Interesse des Versicherten an seiner ureigensten Institution stärken wollen, die ihn letzten Endes auf seinem ganzen Lebensweg begleitet und von der sein Lebensschicksal abhängig ist, dann sollten wir die Möglichkeit nutzen, der Vorlage zuzustimmen und den gestellten Antrag abzulehnen.
Meine Damen und Herren, ich habe eben gehört, daß Herr Kollege Krampe heute morgen seine Jungfernrede gehalten hat.
Mir war schon aufgefallen, daß in bezug auf die Selbstverwaltung hier von „zarten Banden" die Rede war. Herzlichen Glückwunsch zur Jungfernrede!
Das Wort hat der Abgeordnete Geiger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut mir außerordentlich leid, daß ich Ihnen, Frau Kollegin, trotz Ihres Charmes in dieser Sache widersprechen muß. Ich finde es immer ein bißchen seltsam, wenn Vertreter eines Parlaments für den Ausschluß der Öffentlichkeit bei der Behandlung von Problemen plädieren. Ich finde es darüber hinaus seltsam, Frau Kollegin, wenn Sie mit Ihrer außerordentlichen Rhetorik darlegen, daß bei solchen öffentlichen Behandlungen von Sachproblemen nur die Rhetoriker zu Wort kommen werden. Ich habe ja auch trotzdem Mut, es Ihnen gleichzutun und zu versuchen, zu erreichen, daß Ihr Antrag abgelehnt wird und die Öffentlichkeit der Vertreterversammlungen hergestellt wird, wie es der Regierungsentwurf vorsieht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle beklagen immer und immer wieder die geringe Anteilnahme an den sozialpolitischen Entwicklungen und Geschehnissen, nicht nur der Versicherten, sondern der breitesten Öffentlichkeit. Wir sind gerade daher der Überzeugung — auch aus der Erfahrung der Praxis, die im Gegensatz zu Ihren Bemerkungen steht, verehrte gnädige Frau —, daß nur durch die Herstellung der Öffentlichkeit und durch die öffentliche Behandlung der Probleme im allgemeinen das Bewußtsein der Mitglieder in bezug auf die Belange Ihrer Versicherung verstärkt werden kann.
Darüber hinaus ist nicht zuletzt die große Bedeutung der Arbeit der Selbstverwaltung und der Arbeit der Ärzte im Interesse der Gesunderhaltung des Volkes für die Öffentlichkeit und die Sozialversicherungsträger zu nennen. Es ist geradezu notwendig, sich in der Öffentlichkeit mit diesem Problem zu befassen und Kosten und Leistungen öffentlich darzustellen. Ich könnte mir keine Wahlentscheidung unter Ausschluß der Öffentlichkeit vorstellen.
Ich bitte Sie daher, diesen Antrag abzulehnen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Ich wollte eine Frage an den Kollegen Geiger stellen. Leider hat es der Präsident übersehen. Ich möchte hier feststellen, lie-
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Frau Kalinkeber Kollege Geiger — wir haben es im Ausschuß weitgehend diskutiert —: An den letzten Wahlen haben sich 20 bis 25 % der Versicherten beteiligt.
— Das soll besser werden durch die Briefwahl, die Sie hoffentlich einstimmig mit uns beschließen werden.Was die Öffentlichkeit angeht, so hat aber keiner der Kollegen, die dagegen sind, gesagt, welche Versicherten wohl nach Baden-Baden oder an den Bodensee oder nach Hamburg fahren werden, um an den Sitzungen teilzunehmen.
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Wir kommen zur Abstimmung.
— Es ist zu spät.
— Das ist hier nicht bekannt gewesen, Herr Abgeordneter.
Der Antrag Umdruck 278 *) Ziffer 2 gilt nicht mehr. Frau Kalinke hat uns einen neuen Text vorgelesen. Über diesen stimmen wir ab. Er ist bekannt. Wer dem Antrag Umdruck 278 Ziffer 2 in der neuen Fassung zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zu Art. 1 Nr. 7. Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 282 **) vor. Das Wort zur Begründung hat Herr Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Die Freien Demokraten haben im Ausschuß verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Verbot einer bestimmten Namensführung von Vereinigungen, die seit Jahren oder Jahrzehnten bestehen und unter diesem Namen an Wahlen zu Selbstverwaltungsorganen teilgenommen haben, erhoben. Die Bedenken, daß es sich hier möglicherweise um eine verfassungsmäßig nicht ganz einwandfreie Regelung handelt, sind von einem mit der Sache sehr vertrauten Beamten auch veröffentlicht worden. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Zeitschrift „Die Ortskrankenkasse" vom September 1966.Wir Freien Demokraten konnten zumindest erwarten, daß solche schwerwiegenden Bedenken in dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses Erwähnung finden würden. Leider sind sie dort nicht enthalten; deshalb muß ich es hier noch einmal sagen. Das soll aber keine Kritik am Ausschußbericht*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3sein. Ich möchte hier aber doch einmal feststellen, daß die Zusammenstellung der Beschlüsse des Ausschusses und der Bericht selbst unter Verletzung aller Arbeitszeitvorschriften sozusagen in einem 18-Stunden-Tag bewältigt worden sind, nämlich nach beinahe zehnstündiger Beratung und nach weiterer achtstündiger Nachtarbeit. Ich glaube, wir müssen der Ordnung halber doch im Protokoll einmal festhalten, daß wir hier verfassungsrechtliche Bedenken haben und deshalb darum bitten, diesen einen Satz zu streichen. Ich darf deswegen darum bitten, satzweise abstimmen zu lassen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht uns bei dieser Frage um eine rechtspolitische Entscheidung. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, überhaupt keine freien Listen von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern mehr zuzulassen. Diesem Vorschlag des Bundesrates hat die Bundesregierung recht kräftig mit verfassungsrechtlichen Bedenken widersprochen. Der Ausschuß hat nun aber eine Fassung gewählt, die dem, was der Bundesrat wollte, sehr nahekommt. Es heißt dort nämlich, daß freie Arbeitnehmer- und freie Arbeitgebervereinigungen nicht den Namen oder einen kennzeichnenden Teil des Namens des Versicherungsträgers führen können. Soweit würden vielleicht noch keine verfassungsrechtlichen Bedenken aufkommen.Nun ist aber im Schriftlichen Bericht folgendes ausgeführt:Es ergab sich in der Aussprache mit dem Vertreter der Bundesregierung Einvernehmen darüber, daß für freie Listen nur nach den Vorschriften der Wahlordnung die Verwendung der Familiennamen von Unterzeichnern als Kennwort zulässig ist.Es ergibt sich für uns die Frage, ob es hier nicht sinnvoller gewesen wäre, den Rechtsausschuß in die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einzuschalten; denn das Recht der Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 des Grundgesetzes ist gegeben.Es stellt sich aber die Frage: Beinhaltet das Recht der Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 nicht auch das Recht auf Namensfreiheit,
und ergibt sich dann nicht eine ungleiche Behandlung ohne vernünftigen Grund dadurch, daß eben nun alle freien Listen nur mit dem Familiennamen operieren müssen, während andere Gewerkschaftslisten nicht mit dem Familiennamen operieren können? Ich glaube, das ist eine ungeklärte Frage, die zu verfassungspolitischen Bedenken Anlaß gibt. Deshalb bitten wir um Verständnis für unseren Wunsch, daß dieser Satz gestrichen wird, weil diese Fragen vom Parlament in dem dafür allein zuständigen Ausschuß nicht geprüft worden sind und wegen des Zeitdrucks, unter dem wir standen, auch nicht geprüft werden konnten.Herr Präsident, ich darf zur Vereinfachung des Verfahrens vielleicht auch gleich unseren Antrag unter Buchstabe b) begründen. Hier wollen wir, daß die Regierungsvorlage wiederhergestellt wird, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil der Vertreter
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Spitzmüllerder Bundesregierung bei der Ausschußberatung in Berlin vor einer Woche erklärt hat, verfassungsrechtlich sei das Quorum von 500 Unterschriften für die Einreichung einer freien Liste geprüft. Eine solche Prüfung habe für ein Quorum von 1000 Unterschriften nicht stattgefunden. Deshalb sollte also die Regierungsvorlage wiederhergestellt werden.Zu Buchstabe c unseres Antrags: Wir sind der Meinung, daß in Abs. 5 a der Satz 2 nichts zu suchen hat. Durch diese Bestimmung soll zum erstenmal im Selbstverwaltungsgesetz eine 5 %-Klausel eingeführt werden. Sie kann aber wenig relevant werden, weil auf gemeinsame Veranlassung der CDU und der FDP in Abs. 5 a festgelegt worden ist, daß bei der Auszählung verbundene Listen als eine Liste gelten. Wenn diese Bestimmung also sowieso nicht relevant wird, dann sollte sie auch gestrichen werden. Im übrigen sollten wir sehr wohl unterscheiden zwischen Wahlen zu politischen Gremien und Wahlen zu Selbstverwaltungsorganen.Da es uns, wie gesagt, in den beiden ersten Punkten um verfassungsrechtliche Bedenken geht, bitte ich, über unseren Antrag buchstabenweise abzustimmen.
Das Wort hat Herr Kollege Schellenberg.
Dem Vorsitzenden des Ausschusses für Sozialpolitik wurde mitgeteilt, daß verfassungsrechtliche Bedenken erhoben werden. Ich habe deshalb den Herrn Bundesminister der Justiz gebeten, sich zu der verfassungsrechtlichen Frage zu äußern. Er hat mir heute vormittag schriftlich mitgeteilt, daß gegen die vom Ausschuß beschlossene Fassung des § 4 keine verfassungsrechtlichen Bedenken zu erheben sind.
Das Wort hat noch einmal Herr Spitzmüller.
Herr Kollege Schellenberg, ich danke Ihnen für die Mitteilung, die Sie dem Hause gegeben haben. Aber ich glaube, ich habe deutlich gemacht, daß wir Freien Demokraten der Meinung sind, solche Fragen sollten nicht nur in den Ministerien, sondern auch in den zuständigen Kreisen des Parlaments geprüft werden. Die von Ihnen zitierte Aussage ist zwar sehr wichtig, kann uns aber nicht veranlassen, unseren Antrag zurückzuziehen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es wurde gebeten, über den Antrag Umdruck 282 *) nach Buchstaben abzustimmen.Wer dem Buchstaben a des Antrags zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! —Buchstabe a ist abgelehnt.*) Siehe Anlage 3Buchstabe b! Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Buchstabe b ist abgelehnt.Buchstabe c! Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Der Buchstabe c und damit der Antrag insgesamt sind abgelehnt.Der nächste Änderungsantrag liegt vor zu Art. 1 Nr. 18, Seite 20 der Drucksache V/1925. Es handelt sich um den interfraktionellen Änderungsantrag auf Umdruck 277 unter Ziffer 1. — Er wird nicht begründet. — Aussprache wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Der nächste Änderungsantrag liegt zu Art. 1 Nr. 23 vor, Seite 27 der Drucksache V/1925. Es ist der Änderungsantrag auf Umdruck 277 *) unter Ziffer 2._
— Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag zustimmt, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Wir kommen zur Abstimmung über Art. 1 insgesamt, einschließlich der Anlage, also bis Seite 31 der Vorlage. Wer Art. 1 mit den beschlossenen Änderungen und den vom Herrn Berichterstatter eingangs vorgetragenen Korrekturen zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.Wir kommen zu Art. 2. Hier liegt zu Nr. 3 auf Umdruck 278 **) unter Ziffer 3 ein Änderungsantrag vor. Wird der Antrag begründet? — Das ist nicht der Fall. Wird Aussprache gewünscht? — Keine Wortmeldungen.Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 278 Ziffer 3. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit abgelehnt.Es liegen keine Änderungsanträge mehr vor. Wir stimmen ab über Art. 2 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.Ich rufe Art. 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung angenommen.Ich schließe die zweite Beratung und rufe zurdritten Beratungauf. Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht?
*) Siehe Anlage 4 **) Siehe Anlage 2
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Vizepräsident Dr. Mommer— Die Regel wäre: erst allgemeine Aussprache und dann Einzelberatung. Aber das ist nicht sehr wichtig. Behandeln wir also erst den Änderungantrag. Das Wort hat Frau Kalinke zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 281 *).
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich kann mich ganz kurz fassen. Der Herr Kollege Dr. Dittrich und unsere Kollegen von der CSU, die aus bekannten Gründen heute nicht hier sein können, haben mich gebeten, ihren Alternativantrag zu begründen. Ich bitte diejenigen Kollegen im Hause, die nicht bereit waren, unseren Anträgen zur nichtöffentlichen Verhandlung zuzustimmen, diesen Alternativantrag zu übernehmen, der nicht mehr und nicht weniger beinhaltet, als daß die Öffentlichkeit eingeschränkt wird auf die Teilnahme der Mitglieder der Versicherungs-. träger, soweit diese Mitglieder in der Selbstverwaltung mitwirken, sowie der ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesem Alternativantrag zustimmen könnten, wobei ich mir darüber klar bin, daß die Entscheidung über diese wichtigen Fragen hier weitgehend von der Präsenz der Kollegen und von der Tagesordnung des Freitags abhängt.
Wird weiter das Wort zu diesem Antrag gewünscht? — Herr Abgeordneter Spitzmüller!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Ergänzung der Ausführungen von Frau Kollegin Kalinke möchte ich noch darauf hinweisen, daß sich in Art. 2 § 1 Nr. 3 a wieder eine Situation eingestellt hat, aus der sich im weiteren Verlauf eines Tages die Praxis in diesem Hause entwickeln könnte, immer dann, wenn unter der Überschrift „Änderung anderer Gesetze" die Änderung der Reichsversicherungsordnung aufgerufen wird, zu der Überzeugung zu kommen, daß damit die gesamte Reichsversicherungsordnung aufgerufen ist. Eine Eselsbrücke zu dem Gesetzestext kann man immer finden. Weder das Präsidium noch die Bundesregierung weiß damit, was bei einem Gesetz aus einem Ausschuß herauskommt, wenn die Änderung der Reichsversicherungsordnung aufgerufen ist.
Ich bitte deshalb, insbesondere der Ziffer 2 des Änderungsantrages Umdruck 281 zuzustimmen, um hier nicht diese Dinge, die sich langsam einschleichen, Methode werden zu lassen.
Das Wort hat Herr Jungmann.
*) Siehe Anlage 5
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß jetzt die Gelegenheit benutzen, das zu sagen, was ich bei der zweiten Lesung nicht zum Ausdruck bringen konnte. Ich kann mich aber sehr kurz fassen.Auch für mich dreht es sich immer noch um den Begriff der Öffentlichkeit, der mit diesen beiden Anträgen anders interpretiert werden soll, als es in den bisherigen Ausführungen deutlich geworden ist und als es auch in der Ausschußvorlage zum Ausdruck kommt. Angesichts der vorhin gefallenen Entscheidung in der zweiten Lesung habe ich mir überlegt, ob es Sinn hat, meine Ansicht hier noch einmal zu vertreten. Ich glaube aber, daß wir es uns selbst schuldig sind, unsere Auffassung klar und unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen. Wenn man unterscheidet zwischen „echter Demokratie" — wobei ich übrigens bei dem Epitheton ornans „echt" immer das Gefühl der Unechtheit habe; denn sonst brauchte man es nicht besonders zu betonen —, die sich auf dem Marktplatz abspielt, und „unechter Demokratie", die sich hinter verschlossenen Türen abspielt, dann werden die Dinge ganz unerträglich vereinfacht. Die Demokratie beruht darauf, daß jeder, der in einer Verantwortung steht, dazu seine Meinung vortragen kann und daß dann nach bestem Wissen und Gewissen abgestimmt und entschieden wird. Alle anderen Vorstellungen sind sicherlich nicht das Kriterium der Demokratie.In der Begründung zum Gesetzentwurf wird gesagt, daß abweichend von — ich würde sagen: entgegen — § 11 der Reichsversicherungsordnung, wo ausdrücklich steht, daß die Sitzungen der Organe nicht öffentlich sind, nun die Öffentlichkeit deshalb hergestellt werden soll, weil dadurch das Interesse der Versicherten an den Angelegenheiten der Selbstverwaltung gestärkt wird. Ich kann diese Absicht durchaus verstehen.
Ich kann sie sogar unterstützen. Aber ich bin der Meinung, daß diese Absicht auf diesem Wege nicht erreicht wird. Das ist schon bei der Anhörung der Sachverständigen deutlich geworden. Herr Kollege Killat, der ja selbst ein ausgezeichneter Sachverständiger der Selbstverwaltung ist, hat dort ausgeführt, er habe die Befürchtung, daß bei der Herstellung der Öffentlichkeit einerseits sehr viele Dinge die eigentlich nicht vertraulich seien und nicht vor einem größeren Kreis behandelt werden sollten, dann hinter verschlossenen Türen, also vertraulich behandelt würden, während andererseits die Tendenz zu Fensterreden auf diese Weise sehr erheblich wachsen würde.
— Das kann man bezweifeln, natürlich. Aber ich bin der Meinung, daß Herr Kollege Killat mit seinen Ausführungen durchaus recht gehabt hat. Ich bin der Meinung, daß Selbstverwaltung und Öffentlichkeit nicht nur zwei Paar Schuhe sind, sondern daß Selbst-
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Dr. Jungmannverwaltung und Öffentlichkeit sich gegenseitig ausschließen.Allerdings wundert es mich außerordentlich, daß die Versicherungsträger ihre Vertreterversammlungen für ihre Mitglieder — für die Versicherten —, über deren Angelegenheiten dort entschieden wird, nicht zugänglich gemacht haben. Ich kenne es aus den Selbstverwaltungskörperschaften, in denen ich viele Jahre, beinahe schon Jahrzehnte mitgearbeitet habe, nicht anders, als daß die Türen offen sind. Sie sind nicht nur offen für die Beteiligten, sie sind auch immer offen gewesen für die interessierte Presse. Über diese Dinge ist in erheblichem Umfang berichtet worden.Vergessen wir bitte im übrigen nicht, daß die Interessen der Gesamtheit • auch die Aufsichtsbehörde zu wahren hat, die zu den Vertreterversammlungen regelmäßig eingeladen wird und meiner Meinung nach auch vom rechtlichen Standpunkt aus eingeladen werden muß.Ich habe es für meine Pflicht gehalten, diese Ausführungen zu machen, und bitte Sie, dem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
— Herr Abgeordneter Stingl!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich in der Sache nicht engagieren. In Ziffer 2 des Antrags Umdruck 281 ist den Antragstellern offensichtlich ein Fehler insoweit unterlaufen, als der Einleitungssatz der Ausschußdrucksache auch übernommen werden müßte. Das ist eine formelle Angelegenheit.
Zu Wort gemeldet habe ich mich, Herr Kollege Spitzmüller, deshalb: wenn Sie wirklich die Auffassung vertreten, daß man nicht in andere Gesetze hineinregieren soll, müßten Sie konsequenterweise für Streichung und nicht für Änderung sein.
Herr Abgeordneter Lampersbach, wollen Sie in der allgemeinen Aussprache der dritten Lesung sprechen?
— Nur zur Abstimmung.
Dann Herr Abgeordneter Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Inhalt läuft der Antrag darauf hinaus, die Presse auszuschließen. Die Sozialversicherung verwaltet insgesamt über 55 Milliarden DM. Deshalb muß auch bei den Sitzungen der Vertreterversammlung der Selbstverwaltung die Möglichkeit gegeben sein, die Presse zuzuziehen.
Frau Abgeordnete Kalinke!
Ich muß für den hier abwesenden Kollegen Dr. Dittrich und unsere Freunde aus der CDU/CSU sagen, daß dies eine Annahme des Kollegen Professor Schellenberg ist — ich will nicht ein anderes Wort gebrauchen —, die einfach nicht zutrifft. Wir wissen alle sehr genau aus den Hearings, denen gerade Ihre Fraktion so große Bedeutung zugemessen hat, wie verhältnismäßig enttäuscht Sie sicherlich waren über diejenigen, die sich dort beteiligt haben. Die großen Versicherungsträger haben Pressestellen. Die großen Versicherungsträger haben sogar Hausjournalisten. Sie haben die beste Verbindung zur Fachpresse, und wir, die Sozialpolitiker, erfahren manches aus der Fachpresse.
— Ich spreche aus der Erfahrung nicht nur des Parlaments, sondern auch der Selbstverwaltung. Wir, die Sozialpolitiker, erfahren vielleicht auch einmal etwas von erfahrenen Journalisten mit guten Verbindungen zu den Organen und zu den Geschäftsführungen, was wir als Organmitglieder nicht erfahren. Sie sollten Ihre Unterstellung zurücknehmen, Herr Professor Schellenberg. Es ist wirklich nicht so, als ob es sich um die Presse handelte. Es handelt sich darum, daß man denen, die beteiligt sind, sei es in der ärztlichen Selbstverwaltung, sei es in der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger, nämlich Versicherten und ihren Arbeitgebern, Ärzten, außerordentlichen und ordentlichen Mitgliedern Gelegenheit geben will, dabei zu sein, wenn die volle Öffentlichkeit eingeschränkt sein wird. Die Presse hat von dem Antrag nichts. Das ist eine Erfindung, die nicht unwidersprochen hingenommen werden darf.
Herr Abgeordneter Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Entscheidende ist der Wortlaut des Gesetzes.Frau Kollegin Kalinke, wenn Sie sagen, die Versicherungsträger hätten Pressestellen und Hausjournalisten,
so entspricht das den Tatsachen. Es kommt uns aber politisch darauf an, der gesamten Presse die Möglichkeit zu geben, an den Vertreterversammlungen teilzunehmen
und nicht nur geläuterte Berichte von Pressestellen etc. zu erhalten.
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Frau Abgeordnete Kalinke.
So reizvoll es für Sie, Herr Kollege Schellenberg, ist, sich heute bei der Presse beliebt zu machen,
so muß ich doch sagen, daß das, was die Presse ganz besonders interessiert, genau zu dem Ausnahmenkatalog der Sachen gehört, bei deren Behandlung die Öffentlichkeit nach dem Text dieses Gesetzes durch die Geschäftsführung und die Organe ausgeschlossen wird. Ich fürchte, daß das so praktiziert werden wird wie bisher auch. Was die Versicherten wissen möchten, Herr Schellenberg, das erfuhren sie früher bei ihrer VHD, und das erfahren sie heute bei einzelnen Kassenarten auf diesem Wege mit Sicherheit nicht.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Dittrich, Frau Kalinke, Frau Blohm und Genossen auf Umdruck 281 *) ! Soll über den Änderungsantrag im ganzen abgestimmt werden?
— Kein Widerspruch. Es wird also über die Ziffern 1 und 2 gemeinsam abgestimmt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Zweite war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die allgemeine Aussprache in dritter Lesung. — Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte vor der Verabschiedung des Gesetzes nur einige wenige Bemerkungen machen.
Dem Entwurf dieser Novelle zum Selbstverwaltungsgesetz liegt die Auffassung zugrunde, daß sich das Selbstverwaltungsgesetz im ganzen bewährt hat. Ich möchte das hier unterstreichen und von dieser Stelle aus den ehrenamtlich tätigen Organmitgliedern und den Versichertenältesten der Versicherungsträger und ihrer Verbände ebenso wie allen hauptberuflich in der Sozialversicherung tätigen Kräften meinen Dank für ihre mit manchen Opfern verbundene Arbeit aussprechen, die sie in der Vergangenheit geleistet haben.
Der erste Leitgedanke des Gesetzentwurfs ist, zur
Vereinfachung und Erleichterung der Selbstverwal-
*) Siehe Anlage 5
tungspraxis beizutragen, ihre Verbindung mit den Versicherten zu verstärken und das Verständnis für sie bei diesen zu vergrößern. Um diesen Leitgedanken zu verwirklichen, bringt der Gesetzentwurf außer einer seit langem gewünschten übersichtlicheren Gliederung und außer Vorschriften, die noch Gegenstand der Aussprache in der zweiten Lesung gewesen sind, zahlreiche Verbesserungen. Dabei wird gleichzeitig erreicht, daß künftig insgesamt zwar weniger Kräfte für die ehrenamtliche Tätigkeit gewonnen werden müssen, diese aber in einer Stellvertreterzeit intensiver auf ihr späteres Amt als ordentliches Organmitglied vorbereitet werden können.
Lassen Sie mich kurz noch einen zweiten Leitgedanken hervorheben, nämlich den, das Wahlverfahren zu verbessern. Die demokratische Wahl ist Voraussetzung und Grundlage der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung. Das Wahlverfahren so zu gestalten, daß eine möglichst hohe Wahlbeteiligung erzielt wird, ist eines der Hauptanliegen des Gesetzentwurfs. Ich hoffe, daß die Vorschriften über die Vermehrung der betrieblichen Wahlräume und die Gleichstellung der Briefwahl mit der persönlichen Stimmabgabe einen Beitrag dazu leisten werden, dieses erstrebenswerte Ziel zu erreichen. Dabei sind wir uns alle bewußt, daß eine Erhöhung der Wahlbeteiligung allein durch Paragraphen sicherlich nicht erreicht werden kann. Hier bleibt noch — und das sei der Appell in dieser Stunde — ein weites Betätigungsfeld für die Sozialpartner und die Versicherungsträger, aber auch für alle Personen und Vereinigungen, denen die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung am Herzen liegt. Dies in dieser Stunde auszudrücken, war mir eine Verpflichtung.
Keine weiteren Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache in dritter Lesung.
Zur Abstimmung hat Herr Abgeordneter Lampersbach das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Nach sehr eingehend geführten Beratungen in allen Ausschüssen stehen wir heute in diesem Augenblick vor der Schlußabstimmung des Siebenten Änderungsgesetzes.Ich möchte ebenfalls feststellen: die Selbstverwaltung hat sich bewährt. Die Selbstverwaltung ist eine Schule der Demokratie. Sie erzieht — insbesondere durch die paritätische Besetzung ihrer Organe — zur Partnerschaft, zwingt die Beteiligten zum ehrlichen Aushandeln und verhindert die Majorisierung kleinerer Gruppen.Der uns vorliegende Gesetzentwurf, von der Bundesregierung als Siebentes Änderungsgesetz eingebracht, will eine noch bessere Praktizierung der Selbstverwaltung erreichen und gewährleisten.
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LampersbachIm wesentlichen beinhaltet dieses Gesetz daher Klarstellung und Verbesserung des Wahlrechts für die Wahl zu den Einrichtungen der Selbstverwaltung.Wesentliche Neuregelungen hinsichtlich der Aufgaben und Zuständigkeiten der Selbstverwaltungsorgane mußten offenbleiben, erstens wegen der Schwierigkeiten, die einer Neuregelung entgegenstehen, zweitens — und das ist, glaube ich, wesentlicher —, weil in einigen Zweigen der Sozialversicherung Neuerungen unausweichlich sein werden. Ich denke hier an die Notwendigkeit der weiteren Rationalisierung der Verwaltungstätigkeit
— u. a. bedingt durch den Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen.
Die Schaffung ausreichend großer Versicherungsträger wird eines Tages überlegt werden müssen. Drittens: Auch die moderne Wirtschaftsordnung, die einem ständigen Wandel unterworfen ist, verlangt eine Überprüfung der gegliederten Versicherungsträger. Ebenso werden die jetzt so oft zitierte Notwendigkeit einer größeren Mobilität der Arbeitskräfte und die damit zusammenhängenden Arbeiten zu neuen Vorstellungen führen müssen.
Ob der Gesetzgeber gut beraten war, für die Vertreterversammlung die Zulassung der Öffentlichkeit zu verlangen, mag dahingestellt bleiben. In diesen Gremien soll der Gedanke der Partnerschaft Vorrang haben. Auf keinen Fall darf Raum für eine polemische Auseinandersetzung gegeben werden.
Sicher läßt auch dieses Siebente Änderungsgesetz noch manchen Wunsch offen. Dies drückt sich in den Darstellungen — wir haben es vorhin wieder erlebt — der unterschiedlichen Auffassungen bei der Behandlung einzelner Punkte aus. Es ist daher auch in der Zukunft mit weiteren Gesetzesvorlagen zu rechnen. Jede gesetzliche Aktivität sollte aber daraufhin überprüft werden, ob sie zu einer Einschränkung oder gar Reglementierung der Selbstverwaltung führen könnte und damit gegen den eigentlichen Gedanken und den Geist der Einrichtung verstößt. Sie sollte ausschließlich auf eine Stärkung dieser so bewährten Selbstverwaltung hinzielen. Hoffen wir, daß wir hier eines Tages die ideale Lösung gemeinsam gefunden haben.Namens meiner Fraktion bitte ich Sie, dem vorliegenden Entwurf Ihre Zustimmung zu geben.
Herr Kollege Lampersbach, Sie haben Ihre Jungfernrede in diesem Hause auf Vorschlag des Kollegen Stingl mit einem Understatement eingeleitet, nämlich mit einer viel zu bescheidenen Meldung zur Abstimmung. Was Sie uns geboten haben, war eine ausgewachsene solide Rede in der allgemeinen Aussprache der dritten Lesung. Der Kollege Stingl hätte Ihnen das vorher sagen müssen. Wir danken für diese Jungfernrede.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Geiger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stimmt dem Siebenten Gesetz zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes zu. Sie begrüßt die darin zum Ausdruck kommende weitere Entwicklung des Selbstverwaltungsrechts der Sozialversicherungsträger, auch wenn mit diesem Gesetz nicht alle sozialdemokratischen Vorstellungen über die Selbstverwaltung verwirklicht werden konnten.Seit der Neuordnung der sozialen Selbstverwaltung im Jahre 1953 hat sich diese, entsprechend den sozialdemokratischen Vorstellungen, immer mehr als ein Bindeglied zwischen den Sozialversicherungsträgern und den Mitgliedern dieser Institutionen bewährt. Der sozialen Selbstverwaltung ist es gelungen, das Bewußtsein der Versicherten, daß sie eine Solidargemeinschaft sind, in der der Gesunde und Starke für den Schwächeren oder Kranken eintreten muß, zu stärken und die Verantwortlichkeit des einzelnen gegenüber der Gemeinschaft herauszustellen.Wenn auch die Tätigkeit der Selbstverwaltungsorgane vielfach durch die bestehenden Gesetze und Vorschriften eingeschränkt wird, so hat sich diese bedeutende Arbeit doch befruchtend auf die sozialpolitische Entwicklung ausgewirkt. Im Vordergrund der Entscheidungen der Selbstverwaltungsorgane stand das Bemühen, durch vorbeugende Maßnahmen den Menschen die Gesundheit und die Arbeitsfähigkeit zu erhalten oder sie wiederherzustellen. Für diese für den Menschen, aber auch für die Volkswirtschaft so bedeutende gesundheitspolitische Leistung gebührt den Mitgliedern der Selbstverwaltungskörperschaften Dank. Wir Sozialdemokraten benützen den Anlaß der Verabschiedung des Siebenten Änderungsgesetzes gern, um den Tausenden Mitgliedern der Selbstverwaltungsorgane für ihre oft mit persönlichen Opfern verbundene Arbeit zu danken.Diese erfolgreiche Leistung der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane wäre nicht möglich gewesen ohne die tatkräftige Unterstützung der Gewerkschaften und der Arbeitgeberorganisationen. Auch ihnen sprechen wir für diese erfolgreiche Zusammenarbeit unseren Dank aus.
Wir haben uns bemüht, bei diesem Änderungsgesetzden Organisationen entsprechend ihrer Bedeutung
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5946 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1967
Geigerihren Platz festzulegen, wenn uns dies auch nicht ganz, besonders bei den landwirtschaftlichen Sozialversicherungsträgern, gelungen ist.Die erfolgreiche Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen in der sozialen Selbstverwaltung könnte nach unserer Meinung auch Modell für künftige Entwicklungen innerhalb unseres freiheitlichen und sozialen Rechtsstaates sein, wenn auch heute zum Teil die Meinung vertreten worden ist, daß diese Dinge nichts miteinander zu tun hätten. Den Ausbau der sozialen Selbstverwaltung betrachten wir Sozialdemokraten als einen wichtigen Teil unserer grundgesetzlichen Verpflichtung zum sozialen Rechtsstaat. Dieser organisatorische Teil muß aber seine ständige Ergänzung in der wichtigeren materiellen Festlegung finden.Gerade die gegenwärtige Zeit des Haushaltsdefizits und der mittelfristigen Finanzplanung gibt besonders Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß auf die soziale Leistung ein Rechtsanspruch besteht, der sich aus der Aufopferung für die Gemeinschaft und aus jahrzehntelanger nicht geringer Beitragsleistung der Versicherten ergibt.Renten und sonstige Leistungen eignen sich am wenigsten für den Haushaltsausgleich und erst recht nicht für Schocktherapien, ganz abgesehen von ihrer Funktion als Kaufkraft von morgen, die wir für die wirtschaftliche Entwicklung so notwendig brauchen.Einen so gesehenen Ausbau des sozialen Rechtsstaates sehen wir Sozialdemokraten als einen Teil unserer gesellschaftspolitischen Vorstellungen und Verpflichtungen an. Die soziale Sicherheit und die soziale Selbstverwaltung haben darin ihren besonderen Platz. Sie geben dem Menschen eine größere Entfaltungsmöglichkeit und machen ihn dadurch freier und unabhängiger.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes verbinden die Freien Demokraten die Hoffnung, daß die Wahlbeteiligung bei den nun stattfindenden Wahlen wirklich gehoben werden kann. Wir begrüßen es deshalb besonders, daß dem Briefwahlverfahren eine größere Bedeutung als bisher zukommen soll und daß es im Ausschuß gelungen ist, die gemeindlichen Wahllokale entgegen dem Regierungsentwurf doch noch zu retten. Wir hoffen, daß mit der Verabschiedung dieses Gesetzes eine zweckmäßigere und reibungslosere Tätigkeit der Organe der Selbstverwaltung und der Geschäftsführung ermöglicht wird.
Wir dürfen feststellen, daß die Mitglieder der Freien Demokratischen Partei im Sozialpolitischen Auschuß, auch wenn der Ausschuß unter besonderem Zeitdruck gestanden hat, sachlich mitarbeiten konnten, und wir stellen mit Befriedigung fest, daß einige unserer Anregungen und Vorschläge eine Mehrheit im Ausschuß gefunden haben. Leider sind unsere verfassungspolitischen Bedenken bezüglich des § 4 nicht ausgeräumt worden, so daß wir uns der Stimme enthalten müssen.
Sie werden Verständnis dafür haben, daß wir auf Grund unserer verfassungspolitischen Bedenken dem Gesetz bei aller positiven Tendenz, die wir durchaus bejahen, nicht die Zustimmung geben können.
Keine weiteren Wortmeldungen; die Aussprache ist geschlossen.Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. Gegenprobe! — Enthaltungen?— Bei einigen Enthaltungen ist dieses Gesetz in dritter Lesung angenommen.Der Ausschuß beantragt unter Nr. 2 noch, einen Entschließungsantrag anzunehmen. Wird diesem Antrag des Ausschusses zugestimmt? Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!— Enthaltungen? — Dieser Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen.Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende unserer Tagesordnung. Ehe ich das Haus, wie vorgesehen, auf den 4. Oktober einberufe, möchte ich noch folgendes sagen.Punkt 1: Alle guten Wünsche zur Erholung in den Parlamentsferien!
Sie sind nicht nur zur Erholung da. Das möchte ich den Harmlosen sagen, die meinen: Die haben es gut! Wir wissen es leider ganz anders.Aber, meine Damen und Herren, zweitens einen kolligialen Rat. Ich habe es nicht in der Hand, ob das Haus nicht schon vor dem 4. Oktober zusammentreten muß. Das hängt von den Umständen ab; wer weiß, was politisch alles passiert! Außerdem hat ein Drittel des Hauses nach Art. 39 des Grundgesetzes das Recht, das frühere Zusammentreten des Hauses zu beantragen. Dem muß der Präsident entsprechen, ganz gleichgültig, ob er die Sache — diesmal haben wir es wahrscheinlich nicht mit Telefonfragen zu tun, sondern mit einer anderen Geschichte — für so wichtig und unaufschiebbar hält oder nicht.Das bedeutet aber, meine Damen und Herren, daß sich dann die Reise zum Ort des Parlaments, wie es im Diätengesetz so schön heißt, also nach Bonn, nach § 6 bzw. § 8 des Diätengesetzes regelt. Das heißt, der Präsident des Bundestages kann die Reise, die etwa aus einem ausländischen Urlaubsort hierher angetreten wird, nicht extra bezahlen. Das ist
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Präsident D. Dr. Gerstenmaiernicht in mein Ermessen gestellt. Ich bitte, sich das freundlichst zu vergegenwärtigen.
Das ist dann das Risiko des Betreffenden. Das regelt sich alles nach § 6 des Diätengesetzes und ist nicht in das freundliche oder unfreundliche Ermessen des Bundestagspräsidenten gestellt. Das sage ich nur, damit keine Illusionen entstehen.
Meine Damen und Herren, mit diesem diskreten Hinweis verabschiede ich das Haus und berufe den Deutschen Bundestag ein auf Mittwoch, den 4. Oktober. Die Uhrzeit wird noch bekanntgegeben; die weiß ich im Augenblick nicht.Die Sitzung ist geschlossen.