Protokoll:
5115

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 115

  • date_rangeDatum: 14. Juni 1967

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:02 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:15 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 115. Sitzung Bonn, den 14. Juni 1967 Inhalt: Amtliche Mitteilung . . . . . . . . . 5653 A Fragestunde (Drucksachen V/1842, zu V/1842) Fragen des Abg. Reichmann: Internationales Abkommen zur Vollmilchpulververmarktung Höcherl, Bundesminister 5653 B Reichmann (FDP) 5653 D Wächter (FDP) . . . . . . . 5654 C Frage des Abg. Wagner: Deckung des Holzbedarfs der Bundesstellen im Inland Höcherl, Bundesminister 5654 D Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 5655 A Fragen des Abg. Ott: Logemann-Kommission Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 5655 B Frage des Abg. Ott: Vakanz der Stelle des Präsidenten der Bundesbahndirektion Augsburg Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 5655 C Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 5655 D Dr. Gleissner (CDU/CSU) 5656 A Frage des Abg. Ramms: Personelle Ausstattung der Flugsicherheitsbehörden Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 5656 B Frage des Abg. Ramms: Höhere Flugsicherheit im Linienverkehr gegenüber dem Charterdienst Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 5656 C Frage des Abg. Ramms: Einführung des Verkehrsunterrichts als Pflichtfach Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 5656 D Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Zuteilung von Mitteln aus dem Mehraufkommen der Mineralölsteuer an die kreisangehörigen Städte und Gemeinden Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 5657 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 5657 A Rawe (CDU/CSU) 5657 B Frage des Abg. Dr. Schulz (Berlin) : Erneuerung der Fahrbahndecke der Autobahn Frankfurt—Köln Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 5657 C Schwabe (SPD) 5657 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 Fragen des Abg. Unertl: Nachteilige Folgen der Aufhebung des Eilstückgutverkehrs der Bundesbahn für die Wirtschaft Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 5658 B Unertl (CDU/CSU) . . . . . . 5658 C Prochazka (CDU/CSU) 5659 A Haage (München) (SPD) . . . . 5659 B Frage des Abg. Dröscher: Betriebspraxis und Preisbildung der DSG — Preis einer Portion Kaffee Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 5659 C Dröscher (SPD) . . . . . . . . 5659 D Frau Meermann (SPD) . . . . . . 5660 A Unertl (CDU/CSU) . . . . . . . 5660 A Fragen des Abg. Rainer: Autounfälle durch Alleebäume Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 5660 B Unertl (CDU/CSU) . . . . . . . 5660 C Frage des Abg. Dr. Pohle: Qualität der deutschen Pockenimpfstoffe Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär . . . . . . . . 5660 D Dr. Pohle (CDU/CSU) . . . . . . 5661 A Frage des Abg. Dr. Pohle: Impfstoffbezug für die Bundeswehr aus der Schweiz Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär 5661 B Dr. Pohle (CDU/CSU) 5661 C Frage des Abg. Dr. Pohle: Sicherstellung der Anamnese bei dem Massenimpfverfahren Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär . . . . . . . . 5661 D Fragen des Abg. Spitzmüller: Einheitliche Packungsgrößen für Arzneimittel Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär . . . . . . . 5662 A Spitzmüller (FDP) 5662 B Frau Meermann (SPD) 5662 C Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1967 (Haushaltsgesetz 1967) (Drucksachen V/1000, V/1235, V/1751 bis V/1781, V/1800), Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung (Drucksache V/1872) — Dritte Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung (Ergänzungsgesetz zum Finanzplanungsgesetz) (Drucksachen V/1195, V/1800) und mit Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Bericht des Bundesministers der Finanzen über die Entwicklung der sichtbaren und unsichtbaren Finanzhilfen des Bundes (Drucksachen V/931, V/1800) Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler 5662 D, 5701 C Mischnick (FDP) 5669 B Dr. Barzel (CDU/CSU) . . 5672 D, 5719 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 5677 A Dr. h. c. Strauß, Bundesminister . . 5684 A Dr. Mommer, Vizepräsident . . . . 5692 D Dr. Mende (FDP) 5694 C D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . . 5701 A Dr. Emde (FDP) 5702 A Lücke, Bundesminister 5711 B Windelen (CDU/CSU) . . 5712 A, 5724 D Hermsdorf (SPD) . 5716 A, 5723 A, 5729 B Dr. Jaeger, Vizepräsident 5717 B, 5718 D, 5729 D Schlee (CDU/CSU) 5717 B Memmel (CDU/CSU), zur GO . . 5718 D Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . 5720 A Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 5720 B Dr. Ritz (CDU/CSU) 5720 D Ertl (FDP) 5721 B Dr. Schellenberg (SPD) . . . . 5721 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 5722 A Jung (FDP) 5722 A Dr. Meinecke (SPD) 5722 C Frau Dr. Wolf (CDU/CSU) . . . 5723 B Spitzmüller (FDP) 5723 C Frau Korspeter (SPD) . . . . . 5724 A Baier (CDU/CSU) . . . . . . 5724 B Kühn (Hildesheim) (CDU/CSU) . 5724 C Rawe (CDU/CSU) . . . . . . 5725 A Krammig (CDU/CSU) . . 5726 C, 5729 A Berger (CDU/CSU) . . . . . . . 5729 D Erklärung des Bundesministers des Auswärtigen Brandt, Bundesminister . . . . 5693 A Nächste Sitzung 5730 C Anlagen 5731 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 5653 115. Sitzung Bonn, den 14. Juni 1967 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
  • folderAnlagen
    *) Siehe Anlage 26 Berichtigung. Es ist zu leisen: 113. Sitzung, Seite 5531 A, Zeile 6 statt Erreichte.: Erreichte nicht. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Aigner ** 16. 6. Arendt (Wattenscheid) 14. 6. Dr. Arndt (Berlin) 14. 6. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 14. 6. Dr. Arnold 14. 6. Bading ** 14. 6. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 14. 6. Bauer (Würzburg) * 16. 6. Bazille 30. 6. Frau Berger-Heise 16. 6. Berkhan * 16. 6. Blachstein * 16. 6. Blumenfeld * 16. 6. Brünen 14. 6. Bühling 14. 6. Burgemeister 14. 6. Cramer 30. 6. Dr. Dittrich ** 15. 6. Draeger * 16. 6. Dröscher ** 14. 6. Frau Dr. Elsner ** 14. 6. Faller ** 14. 6. Flämig * 16. 6. Folger 16. 6. Dr. Franz 14. 6. Dr. Frey 14. 6. Fritz (Welzheim) 14. 6. Dr. Geißler 16. 6. Gerlach ** 14. 6. Gibbert 15. 6. Gscheidle 15. 6. Haar (Stuttgart) 14. 6. Hahn (Bielefeld) 17. 6. Hamacher 30. 6. Dr. Hellige * 16. 6. Frau Herklotz * 16. 6. Herold * 16. 6. Hörmann (Freiburg) 14. 6. Hösl * 16. 6. Holkenbrink 14. 6. Kahn-Ackermann * 16. 6. Dr. Kempfler * 16. 6. Killat 14. 6. Frau Klee * 16. 6. Dr. Klepsch 15. 6. Dr. Kliesing (Honnef) * 16. 6. Klinker ** 16. 6. Dr. Kopf * 16. 6. Kunze 30. 6. Lemmer 14. 6. Lemmrich * 16. 6. * Für die Teilnahme an einer Tagung der Westeuropäischen Union ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Lenz (Brühl) ** 14. 6. Lenz (Trossingen) 30. 6. Lenze (Attendorn) * 16. 6. Dr. Lohmar 30. 6. Lücker (München) ** 16. 6. Mauk ** 16. 6. Frau Dr. Maxsein 30. 6. Dr. von Merkatz * 16. 6. Merten * 14. 6. Metzger ** 14. 6. Müller (Aachen-Land) ** 15. 6. Müller (Remscheid) 14. 6. Ott 14. 6. Peters (Norden) 30. 6. Frau Pitz-Savelsberg 30. 6. Richarts ** 14. 6. Dr. Rinderspacher * 16. 6. Dr. Rutschke * 16. 6. Schmidt (Kempten) . 15. 6. Schröder (Sellstedt) 1. 7. Schulte 30. 6. Dr. Schulz (Berlin) * 16. 6. Seibert 14. 6. Dr. Serres * 16. 6. Dr. Siemer 14. 6. Dr. Starke (Franken) 14. 6. Struve 30. 6. Varelmann 15. 6. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell* 16. 6. Dr. Vogel (Speyer) 14. 6. Vogt 30. 6. Dr. Wahl * 16. 6. Wienand * 16. 6. Wolf 16. 6. Anlage 2 Umdruck 266 (neu) Entschließungsantrag der Abgeordneten Frau Renger, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Frau Brauksiepe und Genossen zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes - Drucksachen V/1000 Anlage, V/1754 -. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, die jetzt erscheinende Schrift des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung „Das geht Sie an" ,einzustellen und den bereits früher durch das 5732 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 Bundespresseamt zur Unterrichtung des Bundespräsidenten, der Bundesregierung, des Bundestages und der Öffentlichkeit herausgegebenen „Frauenspiegel" wieder erscheinen zu lassen. Bonn ,den 13. Juni 1967 Frau Renger Frau Eilers Frau Berger-Heise Frau Freyh Frau Dr. Hubert Frau Korspeter Frau Kurlbaum-Beyer Frau Lösche Frau Meermann Frau Rudoll Frau Schanzenbach Frau Schimschok Frau Seppi Frau Dr. Diemer-Nicolaus Frau Funcke Frau Brauksiepe Frau Blohm Frau Enseling Frau Kalinke Frau Dr. Kuchtner Frau Schroeder (Detmold) Frau Dr. Schwarzhaupt Frau Stommel Frau Dr. Wex Frau Griesinger Anlage 3 Umdruck 271 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1755 — Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 05 02 Es ist folgender neuer Tit. 665 einzufügen: „Tit. 665 Für humanitäre Hilfe des Deutschen Roten Kreuzes im Nahen Osten 5 000 000 DM" Erläuterungen Zu Tit. 665 Zur Linderung der Not der durch die Kriegsereignisse im Nahen Osten betroffenen Zivilbevölkerung soll für die Bundesrepublik Deutschland ,das Deutsche Rote Kreuz tätig werden. Es ist vorgesehen, vor allem Medikamente, Lebensmittel und Bekleidung zur Verfügung zu stellen. Bonn, den ,13. Juni 1967 Dr. Barzel und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 240 (neu) Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1775 — Der Bundestag wolle beschließen: 1. Der Bundestag billigt die Erklärung der Bundesregierung, im Nahost-Konflikt eine Politik der Nichteinmischung auf der Grundlage völkerrechtlicher Neutralität zu befolgen. 2. Der Deutsche Bundestag appelliert an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und an die Großmächte, insbesondere die Vereinigten Staaten von Amerika und die Sowjetunion, alles zu tun, um eine dauerhafte Friedensordnung im Nahen Osten herbeizuführen. Bonn, den 7. Juni 1967 Dr. Barzel und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 5 Umdruck 263 Änderungsantrag der Abgeordneten Haase (Kassel), Dr. Conring, Hermsdorf und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 06, Geschäftsbereich des Bundesminister des Innern — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1756 — Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 06 02 In Tit. 660 — Förderung der Kultur, soweit es sich um eine repräsentative Vertretung des Bundes oder um die Wahrung von Belangen gesamtdeutscher oder internationaler Bedeutung handelt — wird der Haushaltsvermerk „Der Zuschuß an das Orchester Philharmonia Hungarica (Erläuterung Ziffer 1 c) ist letztmalig veranschlagt" wieder ausgebracht. Bonn, den 9. Juni 1967 Hasse (Kassel) Dr. Conring Dr. Althammer Berberich Bremer Dr. Brenck Frau Geisendörfer Gewandt Dr. Götz Leukert Meister Memmel Müller (Berlin) Müser Dr. Pohle Rawe Röhner Windelen Ziegler Dr. Barzel und Fraktion Hermsdorf Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 5733 Anlage 6 Umdruck 242 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 06, Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1756 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Aufgaben des Paßkontrolldienstes im Rahmen ihrer Organisationsgewalt auf die Bundeszollverwaltung zu übertragen, um eine Verwaltungsvereinfachung und die Einsparung von Verwaltungskosten zu erreichen. Bonn, den 7. Juni 1967 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 7 Umdruck 267 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 06, Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1756 —. Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag bedauert, daß es im Haushaltsjahr 1967 noch nicht möglich ist, diejenigen Verbesserungen der Hochbegabtenförderung und der Studentenförderung nach dem Honnefer Modell finanziell zu verwirklichen, die im Schriftlichen Bericht der Abgeordneten Frau Freyh und Dr. Vogel (Speyer) und dem Antrag des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik — Drucksache V/1242 — vorgeschlagen werden. Um eine Realisierung der Vorschläge im Jahr 1968 sicherzustellen, wird die Bundesregierung ersucht, a) die erforderlichen Mittel im Entwurf des Haushaltsplans für 1968 einzustellen; b) die erforderlichen Verhandlungen mit den Ländern zu führen. Bonn, den 13. Juni 1967 Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 8 Umdruck 268 (neu) Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Althammer, Weigl, Röhner, Unertl, Prochazka und Genossen und der Fraktionen der CDU/CSU, SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 09, Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1759 —; Einzelplan 60, Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksachen V/1000, V/1781 —. Der Bundestag wolle beschließen: 1. a) Zu Kap. 09 02 Der Ansatz bei Tit. 617 — Förderung der Luftfahrttechnik — wird von 35 000 000 DM um 10 000 000 DM auf 25 000 000 DM herabgesetzt. b) Zu Kap. A 09 02 Es wird ein Tit. 570 eingefügt mit der Zweckbestimmung „Darlehen zur Förderung der Luftfahrttechnik". Der Ansatz beträgt 10 000 000 DM. 2. a) Zu Kap. A 60 02 Der Ansatz bei Tit. 571 a) — Regionale Hilfsmaßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftskraft, Darlehen — wird von 50 000 000 DM um 10 000 000 DM auf 40 000 000 herabgesetzt. b) Zu Kap. 60 02 Tit. 571 a) — Regionale Hilfsmaßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftskraft, Darlehen — Der Ansatz beträgt 10 000 000 DM. Folgender neuer Haushaltsvermerk wird ausgebracht: „Die Mittel der Tit. 571 a) und 571 b) sind gegenseitig deckungsfähig." Bonn, den 14. Juni 1967 Dr. Althammer Weigl Röhner Unertl Prochazka Prinz von Bayern Bremer Franke (Osnabrück) Geisenhöfer Gierenstein Dr. Hudak Krug Frau Dr. Kuchtner Leukert Müller (Berlin) Dr. von Nordenskjöld Ott Schlager Schlee Ziegler Dr. Barzel und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 9 Umdruck 243 (neu) Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 10, Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1760 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Dokumentation im Agrarbereich ist eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Rationalisierung und Koordinierung der wissenschaftlichen Forschung auf diesem Gebiet. Sie ist bislang nicht ausreichend gefördert worden. Die Bundesregierung wird ersucht: 1. Die Dokumentation auf den Gebieten der Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Veterinärmedizin stärker als bisher zu fördern und 2. im Entwurf des Haushaltsplans für 1968 die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen hierfür vorzusehen. Bonn, den 7. Juni 1967 Dr. Barzel und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 10 Umdruck 273 Entschließungsantrag des Abgeordneten Dr. Schmidt (Gellersen) und Genossen zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 10, Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1760 —. Der Bundestag wolle beschließen: I. 1. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, im Zuge der weiteren Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes bei den kommenden Verhandlungen in Brüssel mit Entschiedenheit dafür einzutreten, daß in allen Bereichen der echte Leistungswettbewerb hergestellt wird. Dies gilt insbesondere für die noch ausstehenden Durchführungsbestimmungen zu den Marktordnungen für Getreide, Schweinefleisch, Eier und Geflügelfleisch. Gleiches gilt auch für die noch ausstehenden Marktordnungen für Fette, Rindfleisch, Milch und Milchprodukte. Um die Wettbewerbsgleichheit unserer Landwirtschaft im Gemeinsamen Markt zu sichern, ist darauf zu dringen, daß alle Beihilfen offengelegt und harmonisiert werden. 2. Die Sicherung des Absatzes am Markt bedeutet für die deutsche Landwirtschaft zukünftig die entscheidende Existenzfrage. Aus diesem Grunde fordert der Bundestag die Bundesregierung auf, die Verbesserung der Marktstruktur mit allem Nachdruck zu fördern. II. Die Auswirkungen des Gemeinsamen Marktes erfordern dringend eine Neugliederung des Einzelplans 10, damit die zur Verfügung stehenden Mittel in Anbetracht der Haushaltslage so eingesetzt werden, daß klare Schwerpunktbildungen deutlich werden. 1. Daher fordert der Bundestag die Bundesregierung auf, dabei folgende Schwerpunkte herauszustellen: a) Marktstruktur b) Agrarstruktur c) Betriebsstruktur (Investitionshilfen und Zinsverbilligung). Um den Umstellungsprozeß der Land- und Ernährungswirtschaft kontinuierlich zu fördern und eine verwaltungsmäßige Vereinfachung zu schaffen, fordert der Bundestag die Bundesregierung auf, 2. für den Einzelplan 10 — wie in anderen Bereichen auch — möglichst schnell das Instrument der mittelfristigen Finanzplanung einzusetzen. Voraussetzung hierfür ist, daß die Bundesregierung mit den Bundesländern endlich eine Vereinbarung trifft, die klare Kompetenzaufteilung für die einzelnen Förderungsmaßnahmen und ihre Finanzierung vorsieht; 3. die sich aus dem Gemeinsamen Markt ergebenden Verpflichtungen auch aus anderen Einzelplänen auszugliedern und in einem gesonderten EWG-Einzelplan zusammenzufassen. Bonn, den 13. Juni 1967 Dr. Schmidt (Gellersen) Blume Dr. Enders Fellermaier Frehsee Marquardt Müller (Ravensburg) Müller (Worms) Schimschok Seither Frau Seppi Urban Welke Welslau Zebisch Anlage 11 Umdruck 275 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 10, Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1760 —. Der Bundestag wolle beschließen: In Anerkennung der Notwendigkeit, die Eingliederungsmaßnahmen für Vertriebene und geflüchtete Landwirte fortzusetzen und angesichts der erheblichen Kürzungen der Haushaltsmittel im SiedlungsTitel und der Bindungsermächtigung wird die Bundesregierung gebeten zu prüfen, ob zusätzliche Mittel im Wege einer Anleihe zu Lasten des Zweckvermögens beschafft werden können, um das Finanzierungsverhältnis Bund/Länder zwei zu eins von Bundesseite aus bedienen zu können. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 5735 Mit diesen zusätzlichen Mitteln soll der größere Teil des Siedlungsprogramms 1967 für Einheimische und Vertriebene erfüllt werden können, um damit zur Überwindung der Rezession in den ländlichen Räumen und den Zonengrenzgebieten beizutragen. Bonn, den 13. Juni 1967 Dr. Barzel und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 12 Umdruck 236 (neu) Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 11, Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1761 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, entsprechend der Ankündigung der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966, alsbald eine Kommission unabhängiger Sachverständiger zu berufen und sie mit der Auswertung bisheriger Erfahrungen bei der Mitbestimmung als Grundlage weiterer Überlegungen zu beauftragen. Das Gutachten ist dem Bundestag vorzulegen. Bonn, den 8. Juni 1967 Dr. Barzel und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 13 Umdruck 238 Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 11, Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1761 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, zu prüfen, inwieweit zur Sicherung und Verbesserung der Leistungen der Sozialversicherung a) die Leistungen für die Versicherten überschaubarer gemacht, b) die Aufgaben der Versicherungsträger rationeller erfüllt, c) im Rahmen der gegliederten Sozialversicherung Nachteile für Versicherte und Arbeitgeber infolge unterschiedlicher Finanzkraft der einzelnen Versicherungsträger vermieden werden können. Bonn, den 6. Juni 1967 Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 14 Umdruck 247 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967 hier: Einzelplan 11, Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1761 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Bundestag in Abständen von zwei Jahren versicherungstechnische Bilanzen zur knappschaftlichen Rentenversicherung, erstmalig zum 1. Januar 1969, vorzulegen. Die Bilanzen sollen für die zwei auf den Stichtag folgenden Jahrzehnte erkennen lassen, wie sich die Einnahmen, die Ausgaben und das Vermögen der knappschaftlichen Rentenversicherung voraussichtlich entwickeln werden. Bonn, den 7. Juni 1967 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 15 Umdruck 237 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 12, Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1762 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, bei der Erstellung des Bundeshaushaltsplans 1968 dafür zu sorgen, daß die im Straßenbaufinanzierungsgesetz vorgeschriebene Zweckbindung von 50 vom Hundert aus dem Aufkommen an Mineralölsteuer für Zwecke des Straßenbaues voll wirksam wird. Bonn, den 6. Juni 1967 Schmidt (Hamburg) und Fraktion 5736 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 Anlage 16 Umdruck 255 Entschließungsantrag der Abgeordneten SchmittVockenhausen, Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell, Lemmrich, Haase (Kellinghusen) und Genossen zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 12, Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1762 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, unbeschadet einer späteren gesetzlichen Regelung bereits für das Jahr 1968 zu Kap. 12 10 a Tit. 600 (Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden) sicherzustellen, daß Zuwendungen für verkehrswichtige zwischenörtliche Straßen auch außerhalb der Zonenrandgebiete und der übrigen zurückgebliebenen Gebiete gewährt werden können. Bonn, den 8. Juni 1967 Schmitt-Vockenhausen Haase (Kellinghusen) Adams Bauer (Würzburg) Berlin Biermann Dröscher Geiger Hübner Könen (Düsseldorf) Lautenschlager Porzner Frau Renger Sänger Saxowski Schonhofen Strohmayr Vit Welslau Wienand Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell Lemmrich Dr. Althammer Dr. Besold Biechele Burger Draeger Ehnes Frau Geisendörfer Gierenstein Dr. Hauser (Sasbach) Dr. Kliesing (Honnef) Krug Meister Müller (Berlin) Mengelkamp Orgaß Rawe Frau Schroeder (Detmold) Wahl Windelen Zink Anlage 17 Umdruck 259 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 14, Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1764 —. Der Bundestag wolle beschließen: 1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Arbeiten an einer Änderung des Laufbahnrechts der Unteroffiziere so zu beschleunigen, daß sie bis Ende des Jahres 1967 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen kann. 2. Die Bundesregierung wird aufgefordert, von dem bisher vierteljährlichen Turnus der Einberufung von Wehrpflichtigen zugunsten eines halbjährlichen Turnus abzugehen. Bonn, den 8. Juni 1967 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 18 Umdruck 260 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 14, Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1764 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemäß § 66 des Soldatengesetzes den Entwurf eines Gesetzes über die Organisation der Landesverteidigung vorzulegen, der auch die gewandelten Anschauungen innerhalb der NATO berücksichtigt. In diesem Entwurf ist sicherzustellen, daß innerhalb der Streitkräfte eine durchgehende Kommandogewalt vom Generalinspekteur bis zu den untersten Einheiten geschaffen wird. Bonn, den 8. Juni 1967 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 19 Umdruck 261 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs- des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 14, Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1764 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, die veränderte Verteidigungskonzeption der NATO durch eine Umrüstung, die auf Atomwaffenträger verzichtet, zu berücksichtigen, so daß die Bundeswehr den Anforderungen einer konventionell geführten Auseinandersetzung gerecht werden kann. Die dabei einzusparenden Kosten sollen für eine bessere Ausnutzung des Reservistenpotentials verwendet werden. Bonn, den 8. Juni 1967 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 5737 Anlage 20 Umdruck 265 Entschließungsantrag der Abgeordneten Dichgans, Bading, Exner, Dr. Rinsche und Genossen zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 14, Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1764 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wolle prüfen, ob es möglich ist, Soldaten, die sich dem Hochschulstudium widmen wollen, nach Beendigung des ersten Ausbildungsjahres an einen Standort in einer Universitätsstadt zu versetzen und ihnen die Möglichkeit zu geben, in den letzten sechs Monaten ihres Wehrdienstes von der Kaserne aus das Hochschulstudium aufzunehmen, unter voller Aufrechterhaltung ihrer Zugehörigkeit zur Bundeswehr und ihrer ständigen militärischen Einsatzbereitschaft. Bonn, den 12. Juni 1967 Dichgans Exner Dr. Rinsche Dr. Abelein Dr. Artzinger Berberich Berendsen Erhard (Bad Schwalbach) Erpenbeck Franzen Fritz (Welzheim) Gierenstein Gottesleben Dr. Hammans Dr. Hofmann (Mainz) Illerhaus Frau Jacobi (Marl) Krammig Dr. Lenz (Bergstraße) Lenz (Brühl) Meis Meister Dr. von Merkatz Mick Müller (Berlin) Dr. von Nordenskjöld Ott Dr. Pohle Prochazka Rawe Dr. Ritz Prinz zu SaynWittgenstein-Hohenstein Schlee Dr. Schmid-Burgk Dr. Schmidt (Wuppertal) Schulhoff Dr. Schwörer Dr. Siemer Dr. Stecker Stein (Honrath) Stooß Weigl Windelen Ziegler Bading Frau Dr. Elsner Eppler Anlage 21 Umdruck 274 Entschließungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Hubert, Dr. Jungmann und Genossen und den Fraktionen der CDU/CSU, SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 15, Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1765 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, im Rahmen des Bundesgesundheitsamtes ein Institut zur Erforschung der durch Umwelt- und Zivilisationseinflüsse hervorgerufenen Krankheiten und gesundheitlichen Schäden zu errichten. Bonn, den 13. Juni 1967 Frau Dr. Hubert Dr. Meinecke Schmidt (Hamburg) und Fraktion Dr. Jungmann Frau Blohm Dr. Pohle Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Dr. Stammberger Dr. Barzel und Fraktion Anlage 22 Umdruck 269 (neu) Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 23, Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1768 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, bis zum 31. Dezember 1967 den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Dienstes von Freiwilligen in Entwicklungsländern vorzulegen. Diese Gesetzesvorlage sollte in. Zusammenarbeit mit den interessierten Organisationen und unter Berücksichtigung der Empfehlung 486 der Beratenden Versammlung des Europarates über den internationalen Hilfsdienst erarbeitet werden und insbesondere folgende sich aus der bisherigen Praxis ergebenden Fragen regeln: 1. die Abgrenzung des Personenkreises und der Tätigkeiten, die unter die Bestimmungen des Entwicklungsdienst-Gesetzes fallen; 2. die sozialrechtliche, sozialversicherungsrechtliche, beamtenrechtliche, versorgungsrechtliche und steuerrechtliche Behandlung der Freiwilligen in Entwicklungsländern; 3. Maßnahmen zur Förderung der Wiedereingliederung, der Weiterbildung und des Aufstiegs im Berufsleben nach Beendigung des Dienstes in Entwicklungsländern; 4. Bestimmungen über die Ausübung des Wahlrechts durch die Freiwilligen in Entwicklungsländern bei den Wahlen im Geltungsbereich des Grundgesetzes. Bonn, den 14. Juni 1967 Dr. Barzel und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion 5738 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 Anlage 23 Umdruck 246 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 26, Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1771 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, 1. den Entwurf einer 20. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz bis zum 30. Juni 1967, 2. den Entwurf eines Leistungsgesetzes für Deutsche aus der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und dem Sowjetsektor von Berlin bis zum 30. September 1967, 3. den Entwurf eines Abschlußgesetzes zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz bis zum 30. September 1967 und 4. den Entwurf eines Abschlußgesetzes zum Häftlingshilfegesetz bis zum 30. September 1967 vorzulegen. Die für die Durchführung dieser Gesetze erforderlichen Mittel sind in die mittelfristige Finanzplanung Bonn, den 7. Juni 1967 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 24 Umdruck 251 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD zur dritten Beratung des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 29, Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1774 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, die bereits in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 20. Januar 1967 angekündigte Reform des Familienlastenausgleichs im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung unverzüglich vorzubereiten und dem Deutschen Bundestag alsbald einen entsprechenden Vorschlag vorzulegen. Bonn, den 7. Juni 1967 Dr. Barzel und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 25 Umdruck 270 Entschließungsantrag der Abgeordneten Rawe, Windelen, Hermsdorf, Opitz, Dr. Pohle, Franke (Osnabrück), Dr. Rinsche, Lampersbach und Genossen zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Haushaltsgesetz 1967, — Drucksachen V/1000, V/1800 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, innerhalb der Bundesverwaltung 1. für die Dauer von drei Jahren alle Stellenanforderungen auf das unabweisbar notwendige und auf andere Weise nicht zu befriedigende Bedürfnis zu beschränken; 2. für den unter 1. genannten Zeitraum jede fünfte frei werdende Planstelle nicht wieder zu besetzen; 3. im Einzelfall sich daraus ergebende Schwierigkeiten durch Umsetzung innerhalb und zwischen den Ressorts auszugleichen. Bonn, den 13. Juni 1967 Rawe Windelen Dr. Pohle Franke (Osnabrück) Dr. Rinsche Lampersbach Dr. Althammer Baier Balkenhol Dr. Besold Brese Budde Dr. Conring van Delden Ernesti Exner Gewandt Glüsing (Dithmarschen) Gottesleben Haase (Kassel) Dr. Häfele Dr. Hofmann (Mainz) Dr. Hammans Hauser (Bad Godesberg) Horstmaier Kiep Krampe Dr. Kraske Dr. Luda Meister Mengelkamp Müller (Berlin) Dr. Müller-Hermann Dr. von Nordenskjöld Porten Riedel (Frankfurt) Dr. Ritgen Dr. Ritz Röhner Prinz zu SaynWittgenstein-Hohenstein Dr. Schober Frau Schroeder (Detmold) Dr. Schwörer Dr. Starke (Nürtingen) Stingl Frau Stommel Teriete Tobaben Weiland Wendelborn Winkelheide Hermsdorf Jürgensen Müller (Mühlheim) Porzner Rau Tallert Schoettle Schonhofen Seifriz Wendt Opitz Busse (Herford) Kubitza Dr. Mühlhan Ollesch Peters (Poppenbüll) Reichmann Dr. Rutschke Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 5739 Anlage 26 Umdruck 272 (neu) Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967, hier: Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksachen V/1000 Anlage, V/1781 —. Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 60 02 In Tit. 300 — Minderausgabe im Bundeshaushaltsplan 1967 — wird der Ansatz um 5 000 000 DM auf 180 700 000 DM erhöht. Bonn, den 14. Juni 1967 Dr. Barzel und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 27 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Hermsdorf (SPD) zu Punkt 3 b der Tagesordnung. Die hinter uns liegenden Etatberatungen waren spektakulär wie nie in der Geschichte der Bundesrepublik zuvor. Die offene Krise der Bundesfinanzen und der Versuch des Ausgleichs des Etatentwurfs 1967 waren nicht zuletzt die Ursachen für den Zusammenbruch der alten Regierung Erhard/Mende und der Bildung der Großen Koalition. Insgesamt drei Finanzminister, ordentliche und amtierende, haben auf Regierungsseite den Entwurf für 1967 bearbeitet. Das Parlament hat versucht, durch eine Anzahl von Gesetzen die realen Grundlagen für die Sanierung der öffentlichen Finanzen zu schaffen. Von diesen Gesetzesvorlagen, die den Etat 1967 begleiteten oder ihn finanziell wesentlich berührten, will ich hier nur in Erinnerung rufen: 1. den ersten Etatentwurf der Regierung Erhard, 2. den Entwurf des Finanzplanungsgesetzes, 3. den Entwurf des Steueränderungsgesetzes, 4. den Entwurf der amtierenden Erhard-Regierung eines Ergänzungshaushaltsgesetzes, 5. u. 6. Ergänzungsgesetze zum Steueränderungsgesetz und zum Finanzplanungsgesetz. Von erheblichem Einfluß auf unsere Etatberatungen waren ferner 7. das von der Großen Koalition beschlossene Gesetz zur Neuregelung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie 8. das Gesetz, wonach die finanzschwachen Länder erstmalig Ergänzungszuweisungen des Bundes erhalten. Am 19. Januar d. J. befaßte sich die neue Regierung mit den Problemen des Etatausgleichs 1967; ihre Beschlüsse setzten die Koalitionsfraktionen in zwei Initiativgesetze um: 9. das Steueränderungsgesetz 1967 und 10. das Kreditfinanzierungsgesetz, das die rechtliche Grundlage für den Eventualhaushalt brachte, der nunmehr in den außerordentlichen Teil des vorliegenden Haushalts 1967 eingegangen ist. Schließlich haben die Beschlüsse des Kabinetts vom 19. Januar noch 11. die Notwendigkeit mit sich gebracht, einige ausgabewirksame Gesetze zu ändern; entsprechende Bestimmungen des Haushaltsgesetzes 1967 werden dafür die rechtliche Basis liefern. Dieser Katalog von Maßnahmen zum Etat 1967 zeigt, daß wir in den letzten Monaten eigentlich Etatdebatten in Permanenz geführt haben. Dabei hat die Große Koalition bereits wichtige politische Entscheidungen in den zurückliegenden Wochen getroffen. Der vorliegende Bundeshaushalt 1967 gibt diesen politischen Entscheidungen der Großen Koalition den zahlenmäßigen quantitativen Ausdruck. Der Haushalt 1967 ist seit seiner Einbringung durch die gescheiterte Regierung Erhard/Mende bis zur nunmehrigen Verabschiedung im Zeichen der Großen Koalition wesentlich umgestaltet worden; es wurden wesentliche neue Schwerpunkte gesetzt. Die Veränderung des Gesamtvolumens von 73,9 auf nunmehr 77,0 Mrd. DM unter Einbeziehung des Investitionshaushalts bringt diese wesentlichen Veränderungen der Etatstruktur nicht hinreichend zum Ausdruck. Konsolidierung des Bundeshaushalts und Stabilisierung der Wirtschaftslage Für die Vertreter der SPD in diesem Hohen Hause und in der Bundesregierung stand bei den Etatberatungen die Konsolidierung der Staatsfinanzen und die Stabilisierung der Wirtschaftslage im Vordergrund. Beide Forderungen waren Inhalt des von der SPD für die Koalitionsverhandlungen vorgelegten 8-Punkte-Sachprogramms und Gegenstand der von Bundeskanzler Kiesinger am 13. Dezember 1966 abgegebenen Regierungserklärung. Bei der konkreten Lösung der Haushaltsprobleme für 1967 mußten vor allem zwei Zielvorstellungen miteinander und gleichzeitig realisiert werden und zwar 1. der verfassungsmäßig vorgeschriebene Etatausgleich unter hinreichender Berücksichtigung des öffentlichen Bedarfs und 2. der Einsatz des öffentlichen Haushalts als Mittel der Konjunkturpolitik zur Belebung der stagnierenden Wirtschaft. Bei der Lösung dieser Probleme fanden endlich moderne finanz- und wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse Eingang in die Politik. Im Gegensatz zu einer Deflationspolitik à la Brüning wurde unter dem maßgeblichen Einfluß sozialdemokratischer Po- 5740 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 litiker in Bundesparlament und Bundesregierung eine Wachstumspolitik nach Maß eingeleitet und damit vermieden, daß sich die Spirale weiter nach unten in eine Wirtschaftsrezession, verbunden mit zunehmender Arbeitslosigkeit, fortsetzte. Statt dessen wurden offensive Maßnahmen ergriffen, um uns allmählich aus der Talsohle der Konjunktur wieder zu einem stetigen Wirtschaftswachstum mit Vollbeschäftigung und Preisstabilität hinzuführen. In diesen Zusammenhang gehört der erstmalige Einsatz eines Eventualhaushalts in der Größenordnung von 2,5 Mrd. DM, der von der SPD im Grundsatz bereits im vorigen Jahr vor der Regierungsumbildung mit dem Ziele der Investitionsförderung und der Erhaltung der Arbeitsplätze gefordert worden war, zu den hervorstechenden Merkmalen der Umgestaltung des Haushaltes 1967. Erstmalig wird mit dem Bundeshaushalt 1967 bewußte antizyklische Politik betrieben. Besonders erfreulich ist dabei die Tatsache, daß die Bundesbank — gerne als Hüterin der Währung bezeichnet — der regierungsamtlichen Politik nicht mehr gegensteuern muß wie in früheren Zeiten, sondern daß sie mit monetären Mitteln nunmehr die Finanz- und Wirtschaftspolitik des Bundes unterstützt, nicht, weil ihr die Regierung Kiesinger/Brandt genehmer ist, sondern weil sie die Finanz- und Wirtschaftspolitik dieser Regierung in der derzeitigen Wirtschaftslage für richtig hält. Erfolgreiche Beschlüsse der Großen Koalition Diese Haltung der Bundesbank ist auch dadurch ermöglicht worden, daß Bundesregierung und Bundestag bereit waren, den Etatausgleich 1967 zum Teil auch durch „orthodoxe" Maßnahmen herbeizuführen. So wurden seit Bestehen der Großen Koalition Etatentlastungen auf der Einnahmen- und Ausgabenseite in einer Größenordnung von 8,4 Mrd DM ermöglicht; d. i. ein Betrag von mehr als 10 v. H. des Etatvolumens, um den der Bundeshaushalt entgegen früheren Feststellungen manövrierfähiger gemacht worden ist. Darin sind noch nicht enthalten die weiteren fast 1,5 Mrd DM Kürzungen (brutto), die während der Etatberatungen im Haushaltsausschuß zum Zwecke von Umschichtungen vorgenommen wurden. Dieses Ergebnis ist eine große Leistung und berechtigt zu einigen Hoffnungen hinsichtlich des Erfolges für die noch bevorstehenden und sicher harten Entscheidungen über die mittelfristige Finanzplanung und die damit verbundenen Entscheidungen über politische Prioritäten. Unsere bisherige Erfahrung hat gezeigt, daß innerhalb weniger Monate — gestützt auf eine breite Mehrheit in Regierung und Parlament — erhebliche Konsolidierungsmaßnahmen für den Bundeshaushalt beschlossen werden konnten, nachdem vorher jahrelang Ausgabenbeschlüsse gefaßt worden waren, die uns in diese Finanzmisere geführt haben, deren Ausräumung uns noch geraume Zeit beschäftigen wird. Finanzminister Strauß nannte in der vorigen Woche die früheren Haushaltsentscheidungen „eine Sünde wider den Geist einer wirtschaftswissenschaftlich fundierten Finanzpolitik". Da kann ich nur noch, wie mein Fraktionskollege Dr. Möller, sagen: Na endlich! Wir haben mit diesen Etatberatungen den ersten Schritt zur Beseitigung des Erbes aus früheren Bundesregierungen getan, — eines Erbes, das in der ersten Regierungserklärung der Großen Koalition mit vollem Recht als „lange schwelende Krise" bezeichnet wurde. Der Bundeskanzler belegte dieses Bild mit den Feststellungen wie: „düsteres Bild der Finanzlage", „Jahr für Jahr neue Ausgaben und neue Einnahmeverringerungen, ohne die Folgen für die Zukunft zu bedenken", „unbegründete Furcht vor der Ungunst der Wähler haben eine Korrektur verhindert", „das ist die Wahrheit, die wir unserem Volke eingestehen müssen". Ich habe die Feststellungen des Bundeskanzlers aus der Regierungserklärung wiederholt, um allen Damen und Herren dieses Hohen Hauses noch einmal in Erinnerung zu rufen, was die Ausgangslage der neuen Regierung Kiesinger/Brandt war. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Ziel der Etatberatungen 1967 war bei der gegebenen Wirtschaftssituation nicht Sparsamkeit um jeden Preis, sondern Stabilisierung des Haushalts auf einem Niveau, daß von ihm keine kontraktiven Wirkungen, vor allem auf dem Gebiet der öffentlichen Investitionen, auf die Gesamtnachfrage ausgingen. Dabei war es nicht immer ganz einfach, in der Öffentlichkeit deutlich zu machen, daß es in der heutigen Konjunktursituation falsch und unverantwortlich gewesen wäre, die Deckungslücken durch allgemeine Steuererhöhungen oder durch zu starke Ausgabekürzungen zu schließen, nur um dem Fetisch des ausgeglichenen Haushalts ein Opfer zu bringen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einige kurze Bemerkungen zur Konjunktursituation und damit zu den volkswirtschaftlichen Ausgangsdaten für den Etat 1967 machen. Die volkswirtschaftlichen Ausgangsdaten für 1967, die auch für die Steuerschätzungen bestimmend sind, mußten seit der Vorlage des ersten Regierungsentwurfs im Herbst 1966 erheblich revidiert werden. Damals lag dem Bundeshaushalt und den Steuerschätzungen unter Verkennung des Konjunkturablaufs eine Zuwachsrate des Bruttosozialproduktes von 7 v. H. zugrunde. Die Basis für den Ergänzungshaushalt der noch amtierenden ErhardRegierung bildete eine Zuwachsrate des Bruttosozialproduktes von nur noch 6,3 v. H. Die rapide Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage führte schließlich dazu, daß diese Wachstumsraten sich als weit überhöht erwiesen. Durch Beschluß des Kabinetts vom 19. Januar 1967 wurden die Steuereinnahmen wegen weiterer Abschwächung der Wirtschaftstätigkeit auf der Basis einer Zuwachsrate von 5,1 v. H. des Bruttosozialproduktes (um 800 Mio DM) herabgesetzt. Das Kabinett wies jedoch damals bereits darauf hin, daß mit einer weiteren Schrumpfung zu rechnen sei. Die nach dem neuesten Erkenntnisstand vom Arbeitskreis Steuerschätzungen am 25. April nochmals um rd. 3,8 Mrd. DM nach unten berichtigten Bundeseinnahmen basieren nunmehr auf einer Zuwachsrate des Bruttosozialproduktes von 2 bis 3 v. H. Nachfrage-Impulse Um diese Einnahmen auch tatsächlich zu realisieren und um die in der Schillerschen Projektion für 1967 und für die Folgejahre angestrebten Ziele zu Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 5741 erreichen, bedarf es einer in Strukturförderung und Konjunktursteuerung tatkräftigen Wirtschafts- und Finanzpolitik. Mit sturem und schematischem Bremsen der Staatsausgaben wäre hier nicht geholfen; vielmehr ist wohldosiertes Gasgeben angebracht. Es ist sicher richtig, wenn ein Kenner der Materie (Fischer-Menshausen) feststellt: „Eine Haushaltspolitik, die unter dem Zwang der Zukunftssicherung steht, kann nicht mehr allein nach den Regeln der überkommenen Kameralistik und hausväterlichen Sparsamkeit betrieben werden". Um eine Konjunkturwende ohne längeren Wachstumsverzicht zu erreichen, sind daher weitere NachfrageImpulse unerläßlich. Aus diesem Grunde wurde unter Drängen der SPD der zusätzliche Investitionshaushalt beschlossen und aus diesem Grunde wäre es erforderlich, daß auch die Länder und Gemeinden sich antizyklisch verhalten und ihre Investitionsausgaben erhöhen. Der Bund hat in Gestalt des Stabilisierungsgesetzes das neue Instrument geschaffen, mit dem er rasch weitere Konjunkturförderungsmaßnahmen ergreifen kann, falls sich das als notwendig erweist. Denn eines ist klar: Ohne einen baldigen Konjunkturaufschwung wird die Sanierung des Haushaltes nicht endgültig gelingen und ohne Wirtschaftswachstum werden die Defizite der Folgejahre noch größer werden. Bei rückläufiger Entwicklung der Steuereinnahmen wird daher zur Deckung des Defizits eine stärkere Verschuldung des Bundes nicht nur nicht zu vermeiden, sondern sogar positiv notwendig sein. Wir haben zwar keinen Blankoscheck der Bundesbank, aber die berechtigten Hoffnungen, daß sie dafür die monetären Voraussetzungen schafft. Ein Ja zu stärkerer Verschuldung Es ist zu bedauern, daß die Diskussion in der Öffentlichkeit über die Kreditfinanzierung so stark mit Emotionen belastet ist, die das Abwägen der Vor- und Nachteile der Staatsverschuldung erheblich erschweren. Wir sollten uns jedoch bei der Behandlung dieses Themas frei machen von Fragen der Weltanschauung und es statt dessen nur nach seiner ökonomischen Zweckmäßigkeit beurteilen. Die jüngste Analyse der Deutschen Bundesbank über die Verschuldung der öffentlichen Haushalte zeigt, daß die Bundesrepublik Deutschland mit 35,7 Mrd. DM per 31. 12. 1966 im Vergleich zu den USA und Großbritannien relativ niedrige Schulden hat. Die Schulden aus Anleihen betragen beim Bund rd. 6,7 Mrd. DM. D. i. bei einem Haushaltsvolumen von fast 80 Mrd. DM keinesfalls bedenklich. Auch der Anteil des Schuldendienstes an den laufenden Einnahmen und am Haushaltsvolumen hat noch kein zu großes Ausmaß angenommen. Im übrigen darf ich hier auf die Empfehlungen der OECD hinweisen, die in der gleichen Richtung liegen und zu demselben Ergebnis kommen. Eine stärkere öffentliche Verschuldung wäre auch unter dem Aspekt breiter Eigentumsstreuung durchaus nützlich. In den rückliegenden Jahren von 1948 bis 1965 sind z. B. von den vermögenswirksamen Ausgaben der öffentlichen Haushalte in Höhe von mehr als 300 Mrd. DM nur 45 Mrd. DM durch Schuldenaufnahme finanziert worden. Ich bin der Meinung, daß für eine breite Vermögensbildung sicher mehr getan worden wäre als durch die Privatisierung einiger Bundesunternehmen, wenn man einen Weg gefunden hätte, wenigstens einen größeren Teil der Investitionen der öffentlichen Hand durch Anleihen zu finanzieren. Wir sollten uns für diesen Weg der Vermögensbildung entscheiden und intensiver dafür werben. Was in anderen Ländern möglich ist, sollte auf diesem Gebiet auch bei uns erreicht werden können. Der Kreditbedarf des Bundes im Rahmen des a. o. Etats beträgt für 1967 insgesamt 8,05 Mrd. DM; er soll z. T. kurz- und mittelfristig gedeckt werden. Davon entfallen u. a. 2,5 Mrd. DM auf die Finanzierung des zusätzlichen Investitionshaushaltes, gute 3,8 Mrd. DM müssen wegen der konjunkturbedingten Rückläufigkeit der Steuereinnahmen beschafft werden, und schließlich wurden 500 Mio DM zur Vorfinanzierung künftiger Rüstungsaufträge aus dem Verteidigungshaushalt zur Erfüllung des am 30. 6. d. J. auslaufenden Devisenausgleichsabkommens mit den Vereinigten Staaten notwendig. Gesamtergebnisse der parlamentarischen Etatberatungen Nach diesem kurzen Überblick über die gesamtwirtschaftlichen Tatbestände und ihren Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt nunmehr einige Ausführungen zu dem Verlauf und den Ergebnissen der parlamentarischen Etatberatungen. Zunächst ein Gesamtüberblick über die globalen Veränderungen: Der Bundeshaushalt 1966 einschließlich Nachtrag wies ein Volumen von 69,9 Mrd. DM im Plan und von 72,5 Mrd. DM in der Rechnung auf; er schloß mit einem kassenmäßigen -Fehlbedarf von gut einer Milliarde DM ab. Der erste Regierungsentwurf für 1967 vom September 1966 zeigte nur eine geringfügige Steigerung des Volumens auf 73,9 Mrd. DM, davon 0,5 Mrd. DM Kreditaufnahme. Doch bald erwies sich diese Haushaltsplanung als unrealistisch. Bereits Anfang November zeigte sich eine Deckungslücke von 2,6 Mrd. DM, davon 1,1 Mrd. DM wegen der Überschätzung der Steuereinnahmen und 1,3 Mrd. DM wegen der Nichtveranschlagung von Verteidigungsausgaben. Mit dem Ergänzungshaushalt, den der amtierende Finanzminister Schmücker im November 1966 vorlegte, erreichte der Regierungsentwurf ein Gesamtvolumen von 75,3 Mrd. DM; diese Summe finden Sie im Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses Drucksache V/1800. Bis zum Januar 1967 erwuchs erneut eine Dekkungslücke aus einer Reihe von Gründen. Hierzu gehörten - höherer Ausgabenbedarf von ca. 500 Mio DM (z. B. beim Kindergeld und der knappschaftlichen Rentenversicherung, Kokssubventionen für die Stahlindustrie), - geringere Entlastungen durch das Finanzplanungs- und das Steueränderungsgesetz gegenüber den Entwürfen (zus. rd. 1 Mrd. DM), 5742 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 — weitere Steuermindereinnahmen auf Grund der rückläufigen Wirtschaftsentwicklung (mindestens 0,9 Mrd. DM) sowie schließlich — der Kompromiß im Steuerstreit (Herabsetzung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf 37 v. H. = 980 Mio DM und - Ergänzungszuweisungen an finanzschwache Länder = rd. 260 Mio DM). Die sich daraus ergebende Deckungslücke von rd. 3,7 Mrd. DM wurde durch .die Kabinettsbeschlüsse vom 19. Januar 1967 wiederum geschlossen; dadurch wuchs das Haushaltsvolumen auf 74 Mrd. DM an (davon entfielen 1,3 Mrd. DM auf Kreditaufnahmen) und durch die Beschlußfassung über das Kreditfinanzierungsgesetz und den Investitionshaushalt in Höhe von 2,5 Mrd. DM schließlich auf die Summe von 76,5 Mrd. DM — bei vorgesehener Kreditaufnahme von 3,8 Mrd. DM. Durch die Beratungen im Haushaltsausschuß ergab sich nochmals eine Ausweitung um rd. 500 Millionen DM (genau: 491, 8 Millionen DM), die z. T. auf nachträgliche Anmeldungen der Bundesregierung und z. T. auf eigene Wünsche des Haushaltsausschusses zurückgeht. Das Endvolumen beträgt jetzt 77,01 Mrd. DM. Dabei ist der a. o. Etat auf 8,05 Mrd. DM angewachsen wegen der erneuten konjunkturbedingten Herabsetzung. der Steueransätze in einer Größenordnung von rd. 3,8 Mrd. DM. Der Bundeshaushaltsplan 1967 ist damit gegenüber dem Soll 1966 um 7,1 Mrd. DM bzw. rd. 10 v. H. und gegenüber dem Ist 1966 um 4,5 Mrd. DM bzw. rd. 6,2 v. H. höher als sein Vorgänger. Darin drückt sich der politische Wille aus, mit dem Bundeshaushalt 1967 bewußt antizyklische Finanzpolitik zu praktizieren. Es wäre törichter denn je, den Etatzuwachs rein statisch mit der Elle der gleichlaufenden Veränderungsrate .des Bruttosozialprodukts zu messen. Wir haben diese Auffassung in diesem Hause bisher wiederholt vertreten und stellen erfreut fest, daß diese Erkenntnis nun eine breite Mehrheit gefunden hat. Übrigens hat diese Einsicht auch der ehemalige Bundesfinanzminister Dahlgrün kürzlich in einem Kolloquium in München geäußert; wir freuen uns über diese verspätete Einsicht ganz besonders. Schwerpunkte der Veränderungen am Regierungsentwurf Politisch sind von besonderer Bedeutung folgende Veränderungen des Etats im einzelnen: 1. Investitionsetat Ich habe bei der volkswirtschaftlichen Ausgangsposition bereits darauf hingewiesen, was uns zum Investitionshaushalt veranlaßte. Ich möchte hier nur hinzufügen, daß das Parlament hier in einem einmaligen Vorgang unter Außerachtlassung gewisser Rechte verfassungsmäßiger Institutionen in kürzester Frist diesen Investitionshaushalt verabschiedet hat. Das Parlament und der Haushaltsausschuß haben sich befleißigt, der Regierung zu helfen. Verzögerungen sind auf anderer Ebene zu suchen. Vielleicht können Sie mir, Herr Minister, darauf eine Antwort geben, warum im April — obwohl dieses Haus vor Monaten das Gesetz verabschiedet hat — die Gesamtsumme noch nicht ausgegeben war. 2. Hilfen für die Finanzen von Ländern und Gemeinden Trotz der angespannten Finanzsituation des Bundes war es seit Bestehen der Großen Koalition möglich, spürbare finanzielle Aktionen zugunsten der Länder und Gemeinden durchzuführen und damit ein wesentlich gebessertes Klima im Verhältnis von Bund, Ländern und Gemeinden zu schaffen, das Bedeutung haben wird für die kommenden Verhandlungen zur Finanzreform und zur Koordinierung der Haushaltswirtschaften z. B. im Rahmen des Stabilisierungsgesetzes. Angesichts der Tatsache, daß die Länder und Gemeinden — abgesehen von den aktuellen Erschwernissen auf Grund der rückläufigen Wirtschaftslage — vor allem wegen der bisher vernachlässigten Finanzreform nicht mehr in der Lage waren, die Gemeinschaftsaufgaben zu bewältigen, mußte nach sozialdemokratischer Auffassung mit Vorrang und im Vorgriff auf die Finanzreform sofort etwas zur Verbesserung der Finanzen von Ländern und Gemeinden geschehen. Diese Forderung war konkret vom SPD-Parteitag in Dortmund aufgestellt worden; sie fand sich in dem 8-PunkteSachprogramm der SPD während der Regierungsverhandlungen wieder, und sie wird nunmehr im ersten Schritt in praktische Politik umgesetzt. So konnte auf Drängen der SPD zugunsten der Länder erreicht werden: 1. Eine Erhöhung des Länderanteiles an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 61 auf 63 v. H. und damit ein Einnahmezuwachs bei den Ländern von annnähernd 1 Mrd. DM; 2. Ergänzungszuweisungen des Bundes an die leistungsschwachen Länder in Höhe von 260 Mio DM auf Grund eines Gesetzes, das durch Initiative des Bundesrates zustande kam und das den Ländern diese Bundesmittel ohne Dotationsauflage und ohne jegliche Verpflichtung für bebestimmte Verwendungszwecke überläßt. Auch für die Gemeinden konnte als Sofortmaßnahme bereits eine Verstärkung ihrer Finanzmasse erreicht werden, und zwar einmal in Höhe von rd. 265 Mio DM über den Steuerverbund, der durch den erhöhten Länderanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer verstärkt worden ist, und zum anderen und insbesondere aus der von der Großen Koalition beschlossenen Erhöhung der Mineralölsteuer um 3 Pf, die voll für kommunale Verkehrsbaumaßnahmen zweckgebunden sind. Diese gezielte Steuererhöhung halten wir für gerechtfertigt, weil die dadurch ermöglichten kommunalen Verkehrsinvestitionen nicht nur eine derzeit sinnvolle Maßnahme zur Kräftigung der Konjunktur sind, sondern sie entsprechen auch einer langjährigen Forderung der SPD nach einer Verbesserung der Verkehrsstrukturen. Über die bedauerlichen Verzögerungen und Diskussionen bei der Verteilung dieser Mittel will ich mich nicht ausführlich Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 5743 äußern. Hierzu nur eine Feststellung. Die Verzögerung ist nicht Schuld der Bundesregierung und auch nicht dieses Hohen Hauses; ,sie ist allein bei den Ländern zu suchen. Anmerken möchte ich aber, daß der Durchsetzung dieser Forderungen aus dem SPD-8-Punkte-Sachprogramm um so mehr Aufmerksamkeit zu widmen ist, als noch im Sommer 1966 die alte Erhard/MendeRegierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion jede Soforthilfemaßnahme für die Gemeinden durch den Bund strikt abgelehnt hatte. 3. Informationsfonds Zahlenmäßig, zumindest in absoluten Größen, hören sich die hier vorgenommenen Änderungen nicht erheblich an; aber sie dokumentieren einen sehr erfreulichen Stilwandel und stärken unsere demokratischen Vorstellungen auch auf dem Gebiet der Haushaltspolitik. Von der SPD-Bundestagsfraktion wurde Jahr um Jahr der bisher vergebliche Versuch unternommen, den Reptilienfonds im Kanzlerhaushalt bzw. beim Bundespresse- und Informationsamt zu kürzen und einer parlamentarischen Kontrolle zu unterwerfen. In der Verteidigung dieses Reptilienfonds wurde vielfach das ganze Prestige der früheren Regierungen eingesetzt. Man tat so, als ob davon die ganze Funktionsfähigkeit der Regierung abhängen würde. Die früheren Regierungen hatten kein Interesse daran, Einsicht zu gewähren. Endlich haben wir auch hier einen Wandel zu verzeichnen. Durch den Eintritt der SPD in die Bundesregierung wird der bisher obligate Änderungsantrag der Sozialdemokraten zum Bundeshaushalt überflüssig; denn schon im Haushaltsausschuß wurde die alte SPD-Forderung während der Beratung über den Geheimfonds erfüllt. Wir konnten dort durchsetzen, daß der Verfügungsfonds des Bundeskanzlers zur Förderung des Informationswesens auf 8 Mio DM gekürzt wurde, und daß künftig die Verwendung der Mittel durch einen Unterausschuß des Haushaltsausschusses kontrolliert wird. In diesem Unterausschuß werden alle drei Fraktionen des Hauses vertreten sein. 4. Sozialetat Der Haushalt des Ministers für Arbeit und Sozialordnung hat besonders große Veränderungen erfahren. Im Verlauf der Beratungen wurden z. B. erhöht — die Bundeszuschüsse an die knappschaftliche Rentenversicherung um 200 Mio DM auf 2750 Mio DM, — die Mittel nach dem Mutterschutzgesetz um 110 Mio DM, — die Kosten der Heil- und Krankenbehandlunng sowie der Versehrten-Leibesübungen im Rahmen der Kriegsopferversorgung um rd. 55 Mio DM. Hingegen soll(t)en die Zuschüsse des Bundes an die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten auf Vorschlag des Bundeskabinetts vom 19. 1. 1967 um insgesamt 200 Mio DM gekürzt werden. Hier war und ist die SPD-Fraktion anderer Auffassung. Mit einem Gruppenantrag sozialdemokratischer Abgeordneter wurde diese Kürzung wieder rückgängig gemacht, weil wir der Meinung sind, daß der Bund nicht einseitig seinen Zuschuß an die Rentenversicherungsträger kürzen kann, wenn andererseits den Sozialversicherten wahrscheinlich ab nächstem Jahr erhöhte Versicherungsbeiträge abverlangt werden müssen. Auch in diesem Jahr wird den Rentenversicherungsträgern wieder ein Teil des Bundeszuschusses nicht als Barmittel, sondern als Schuldbuchforderungen abgegolten. Die Rechtsgrundlage dafür gibt § 28 a des Haushaltsgesetzes 1967. Wir haben im Haushaltsausschuß die Auffassung vertreten, daß diese Praxis der Hingabe von Schuldbuchforderungen anstelle von Barmitteln an die Rentenversicherungsträger nicht fortgesetzt werden sollte und daß folglich im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung und damit bereits für das Rechnungsjahr 1968 endlich eine befriedigende dauerhafte Lösung gefunden werden muß. Zur Verschuldung des Bundes Auf die konjunkturelle Bedeutung und Notwendigkeit der verstärkten Verschuldung in diesem Haushaltsjahr bin ich eingangs bereits eingegangen. Hier sollen noch einige Zahlen zur Vervollständigung folgen: Der a. o. Etat hat sich von 0,5 Mrd. DM in der ersten Regierungsvorlage auf nunmehr 8,05 Mrd. DM erhöht. Darin sind eingeschlossen die 2,5 Mrd. DM nach dem Kreditfinanzierungsgesetz für den Eventual- oder Investitionshaushalt. Darin sind jedoch nicht enthalten die 1,45 Mrd. DM Schulbuchforderungen für die Rentenversicherungsträger. Der Bundesfinanzminister wird durch § 19 des Haushaltsgesetzes zur Beschaffung dieser Kreditmittel ermächtigt. Außerdem wurde der Kreditrahmen zur vorübergehenden Verstärkung der Betriebsmittel von 4,5 Mrd. DM auf jetzt 7 Mrd. DM erhöht. Der Betrag von 4,5 Mrd. DM galt unverändert seit dem Rechnungsjahr 1958 bei einem damaligen Haushaltsvolumen von 38,7 Mrd. DM. Angesichts des nunmehrigen Etatvolumens von über 77 Milliarden und angesichts der veränderten Haushaltssituation wurde die Erhöhung auf 7 Mrd. DM erforderlich. Auch diese Maßnahme macht den Etat in seinem Vollzug beweglicher. Die Betriebsmittelkredite dürfen nicht später als 24 Monate nach ihrer Aufnahme fällig werden, und es ist sichergestellt, daß der Gesamtbetrag von 7 Mrd. DM nicht überschritten werden kann. Der insgesamt höhere Kreditbedarf führt zwangsläufig zu einem höheren Schuldendienst. Darüber sind wir uns im klaren, und diese Tatsache wird im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung zu berücksichtigen sein. Bereits im Haushaltsjahr 1967 werden die Mittel für den Schuldendienst während der Ausschußberatungen um rd. 600 Mio DM netto verstärkt. 5744 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 Mit unseren Beschlüssen über die Bundesschuld vertrauen wir im übrigen in die fortschreitende Genesung des Kapitalmarktes. Wir sind nicht den Unkenrufen gefolgt, die einen erheblichen Druck auf den Rentenmarkt wegen etwaiger massierter Verkäufe von festverzinslichen Papieren einschließlich von Bundesanleihen seitens der Rentenversicherungsträger prophezeien. Ganz im Gegenteil. So rechnen wir statt dessen im Schuldenhaushalt z. B. bei der Position Kurspflege nicht mit dem Anfallen von Ausgaben zur Kursstützung für Schuldurkunden des Bundes, sondern wir haben vielmehr eine Rückeinnahme aus der Veräußerung von Kursstützungsbeständen in Höhe von 150 Mio DM veranschlagt. Subventionen Mit dem Haushaltsplanentwurf war auch die Beratung des Subventionsberichtes 1966 verbunden. Angesichts der Zeitnot und der Fülle der anstehenden Probleme, unter denen die parlamentarischen Etatberatungen in diesem Jahr verstärkt standen, hat die Beratung des Subventionsberichtes nicht zu Ergebnissen geführt, die über die Beschlüsse der Bundesregierung vom 19. Januar d. J. hinausgehen. Auf diesem Gebiet verbleibt uns für die Zukunft noch ein weites Feld zum Nachdenken und zum Handeln. In diesem Zusammenhang ist es außerordentlich zu begrüßen, daß in das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft der Vorschlag der Sozialdemokraten übernommen worden ist, wonach die Bundesregierung dem Gesetzgeber alle zwei Jahre zusammen mit dem Entwurf des Bundeshaushaltsplanes eine zahlenmäßige Übersicht über die Finanzhilfen vorzulegen hat, die sich nach Erhaltungs-, Anpassungs- und Produktivitätshilfen gliedert. Der gleiche Modus ist für die Steuervergünstigungen vorgeschrieben. Die Bundesregierung wird verpflichtet, anzugeben, wann nach der gegebenen Rechtslage mit einer Beendigung der Finanzhilfen und der Steuervergünstigungen zu rechnen ist, und sie hat weiter Vorschläge zu machen für eine frühere Beendigung oder einen stufenweisen Abbau dieser Subventionen nach einem Zeitplan. Mit dieser gesetzlichen Verpflichtung für die Regierung 'kommen wir endlich aus dem Stadium der Deklamationen heraus und haben konkrete Beschlußvorlagen zu erwarten. Zum Haushaltsgesetz 1967 Einen Schönheitsfehler dieses Etats 1967 möchte ich nicht verschweigen. Wir bedauern, daß die Regierung keine Gesetzesvorlage eingebracht hatte, um ihre Beschlüsse vom 19. Januar abzusichern, soweit sie sich auf ausgabewirksame Gesetze bezogen. Der Haushaltsausschuß mußte daher das Haushaltsgesetz um die §§ 28 a bis 28 d erweitern, mit denen nunmehr zeitlich befristet auf dieses Haushaltsjahr folgende Deckungsmaßnahmen geregelt werden: § 28 b: Übernahme eines Teils der Lasten der knappschaftlichen Rentenversicherung auf die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten; § 28 c: Wegfall der Erstattung der Tuberkulosehilfe durch den Bund; § 28 d: Aussetzung der Ausbildungszulage ab 1. Juli 1967 bis 31. Dezember 1967. Damit Kritiker nicht den Vorwurf der Flickschusterei erheben können, fordern wir die Bundesregierung auf, für 1968 — die Novellen zu ausgabewirksamen Gesetzen vorzulegen und zwar so rechtzeitig, daß sie vom Parlament ohne Zeitnot beraten werden können. Ausblick Wir haben diesen Etatentwurf während der parlamentarischen Beratung unter voller Zustimmung der Sozialdemokraten nach den Erfordernissen der Konjunktur- und Strukturpolitik ausgerichtet. Wir hoffen, daß dank des zusätzlichen Investitionsetats vom Bundeshaushalt 1967 wachstumsfördernde Impulse ausgehen. Aufgabe der Bundesregierung muß es sein, auch den Vollzug des Etats 1967 in diesem Sinne durchzuführen, damit keine kontraktiven Wirkungen mit Bremseffekten für das Wirtschaftswachstum eintreten. Wir würden es begrüßen, wenn der Herr Bundesfinanzminister bis zum Herbst — sagen wir, bis Mitte Oktober d. J. — dem Bundestag einen Zwischenbericht über den Ablauf des Bundeshaushalts gäbe. Dieser Bericht sollte möglichst auch Informationen über die Haushaltswirtschaft der Länder und Gemeinden einschließen. Uns erfüllt es nämlich mit großer Sorge, daß bei den Ländern und Gemeinden, die die Hauptträger der öffentlichen Investitionen sind, nach den Haushaltsplänen für 1967 die Ansätze für Investitionen ganz erheblich zurückgehen, und zwar nach den uns verfügbaren Angaben bei den Ländern um rd. 18 v. H. und bei den Gemeinden um rd. 15 v. H. Wir hoffen, daß Länder und Gemeinden dem von Bundesregierung und Parlament eingeschlagenen und durch Verabschiedung dieses Haushalts manifestierten Weg folgen. Sollten sie zögern, bezweifle ich, daß wir das gesteckte Ziel erreichen. Die Maßnahmen zum Etatausgleich 1967 konnten naturgemäß nur ein erster Schritt zur Konsolidierung sein. Das Ausmaß der Finanzmisere war so groß, daß sie auch von der Großen Koalition nicht mit einem Schlag zu bereinigen ist. Aber wir erwarten von der Bundesregierung, da sie alle Kräfte anspannt, um die Vorbereitungen für den Etat 1968 bald abschließen und dem Bundestag den Regierungsentwurf für 1968 nach der Parlamentspause vorlegen zu können. Das Parlament muß die schwierigen Finanzfragen ohne Zeitdruck beraten können. Es geht nicht an, daß die Bundeshaushalte jedes Jahr — mit wechselnden Begründungen — erst Monate nach dem Beginn des Haushaltsjahres in Kraft treten. Das Parlament begibt sich in diesen Zeiten seiner Einwirkungsmöglichkeiten, indem die Exekutive den Haushaltsablauf über das Nothaushaltsrecht des Art. 111 GG in der Hand hat. Wir erwarten außerdem in Verbindung mit der Vorlage des nächstjährigen Bundeshaushalts auch Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 5745 die Vorstellungen der Bundesregierung über die mittelfristige Finanzplanung. Mein Kollege Schoettle hat dazu in der zweiten Beratung bereits Stellung genommen. Ich möchte hier nur noch folgendes erwähnen. Herr Bundesfinanzminister Strauß hat auf Fragen im Parlament über den Inhalt der mittelfristigen Finanzplanung noch nichts ausgesagt, um den endgültigen Beschlüssen des Verfassungsorgans Bundesregierung nicht vorzugreifen. Wir waren bereit, dieses Verfahren zu akzeptieren, aber wir möchten den Minister dann doch bitten, auch im außerparlamentarischen Raum nicht mehr auszusagen und damit Anlaß zu Spekulationen zu geben. Ich muß noch kurz auf die künftigen EWG-Verpflichtungen hinweisen, die im Agrar-Haushalt ausgewiesen sind. Nach einer neuen Vorlage des Bundesfinanzministers (vom 26. Mai 1967, Bundestagsdrucksache V/1817) betr. Auswirkungen der EWG Agrarfinanzierung auf den Bundeshaushalt wird der Bundeshaushalt ab 1969 bis 1972 mit 1,5 bis 1,7 Mrd. DM jährlich per Saldo belastet; 1967 beträgt die Belastung nur 166,6 Mio DM und 1968 937 Mio DM. Bei dem Schätzverfahren ist die Bundesregierung davon ausgegangen, daß sich ihr Wunsch für ein neues Veranschlagungsverfahren in Brüssel durchsetzt. Derzeit wird mit dem sogenannten Rückvergütungsverfahren gearbeitet. Das hat zur Folge, daß der Bundestag und die Bundesregierung keinen Einfluß mehr auf die Höhe der Ausgaben haben und daß außerdem auch die Bemühungen um eine mittelfristige Finanzplanung auf diesem Sektor erheblich erschwert werden. Wir wiederholen daher unsere Forderung, in Brüssel auf die Umstellung auf das Veranschlagungsverfahren zu drängen. Im übrigen wachsen die Ausgaben auf Grund internationaler Verpflichtungen im Bundeshaushalt stark an. Es wäre zu überlegen, ob sie künftig der besseren Transparenz wegen nachrichtlich im Bundeshaushalt an einer Stelle dargestellt werden. Bedauerlich ist an diesen Verpflichtungen, daß sie einer echten Beratung im Parlament weitgehend entzogen sind, da die Kosten durch Verträge festliegend sind. Wir bedauern diese Aushöhlung des parlamentarischen Budgetrechtes. In diesem Zusammenhang scheint uns eine zeitnahe Rechnungsprüfung um so wichtiger. In Verbindung mit der bevorstehenden Haushaltsrechtsreform sollten wir uns auch Gedanken um eine bessere Effizienz der Rechnungskontrolle machen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch ein paar zusammenfassende Bemerkungen machen. Ich habe versucht, im Laufe meiner Ausführungen nachzuweisen, daß die sozialdemokratische Fraktion in diesem Haushaltsentwurf 1967 ihre Schwerpunkte gesetzt hat; Schwerpunkte zur Stabilisierung der Währung, zur Beseitigung der Finanzmisere und für das wirtschaftliche Wachstum, d. h. für die Sicherheit der Arbeitsplätze. Ich möchte aber das Hohe Haus darauf aufmerksam machen, daß wir nicht nur nach innen, sondern auch nach außen, nach Osten und nach Westen, aufgerufen sind, labile Verhältnisse in der Bundesrepublik, wo sie sich auch zeigen mögen, zu beseitigen. Wir werden unsere Position als drittgrößte Industrienation der Welt nur halten können, wenn wir die Finanzmisere beseitigen und wieder normales wirtschaftliches Wachstum erreichen. Wir werden uns in der Frage der Sozialinvestitionen, Investitionen für Wissenschaft und Forschung mordsmäßig anstrengen müssen, um unsere Handlungsfreiheit nach allen Seiten zu behalten und unseren Freunden und Gegnern darzutun: diese Bundesrepublik ist wirtschaftlich gesund, in ihr herrscht soziale Gerechtigkeit, und es lohnt sich, hier zu leben und zu arbeiten. Dieses Ziel muß erreicht werden, und ich versichere hier im Namen meiner Fraktion: die Sozialdemokraten werden alles tun, um dieser Regierung zu helfen, dieses Ziel zu erreichen; sie werden alles tun, um das Vertrauen, das ihnen von ihren Wählern und der Bevölkerung entgegengebracht worden ist und wird, zu rechtfertigen. Gehen wir deshalb an die Arbeit und setzen diese Grundsätze im verstärkten Maße beim Haushalt 1968 durch! Dann ist der Entschluß, die Große Koalition zu bilden, gerechtfertigt und wird sich für viele Jahre für unser Land fruchtbar auswirken. Anlage 28 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Korspeter (SPD) zu Punkt 3, b der Tagesordnung. In meinen Ausführungen zur zweiten Lesung des Einzeletats 26, die ich wegen der fortgeschrittenen Zeit schriftlich zu Protokoll geben mußte, hatte ich darauf hingewiesen, daß, wenn wir in der IV. Legislaturperiode den Entwurf eines Flüchtlingsgesetzes meiner Fraktion zur umfassenden Gleichstellung der Flüchtlinge mit den übrigen Geschädigten verabschiedet hätten, es heute nicht mehr notwendig wäre, noch immer den Ruf nach Recht und Gerechtigkeit im Zusammenhang mit dem Problem unserer geflüchteten mitteldeutschen Landsleute zu erheben. Leider ist die Mehrheit des Hauses in der vorigen Legislaturperiode unseren langjährigen ernsthaften Bemühungen um diese rechtliche Gleichstellung nicht gefolgt. Man fand sich nicht bereit, die Flüchtlingsgesetzgebung gerecht und dem Schicksal der Flüchtlinge entsprechend zu ordnen. Als Grund wurde immer wieder darauf hingewiesen, daß dem gesamtdeutschen Gedanken dadurch Schaden zugefügt werden könne. Diese Bemerkung schließt auch die Haltung der FDP-Fraktion mit ein. Erst am Ende der IV. Legislaturperiode hat sich dann auch die Mehrheit des Hauses grundsätzlich bereit erklärt, den Flüchtlingen die gleichen Rechte und Vergünstigungen zu gewähren wie den übrigen Geschädigten. Nun, nachdem endlich die politischen Hindernisse über eine Weiterentwicklung des Flüchtlingsrechtes beseitigt sind, spüren es die Flüchtlinge besonders, wie sehr sich der Einbruch der finanziellen Schlecht- 5746 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 wetterperiode des Bundeshaushalts gegen sie richtet und wie sehr sie in das Spannungsfeld unserer Haushaltsschwierigkeiten geraten sind. Es ist ganz sicher für die Flüchtlinge eine tragische Situation, daß für sie die besseren Tage nicht genutzt wurden, weil man das Versagen von Leistungen mit gesamtdeutscher Politik verwechselte. Nun zu dem Entschließungsantrag der FDP-Fraktion auf Umdruck 246. Der Punkt 1), den Entwurf einer 20. Novelle zum LAG bis zum 30. Juni dieses Jahres vorzulegen, wird sicher erfüllt, da das Kabinett nach meiner Kenntnis diesen Entwurf bereits verabschiedet und dem Bundesrat zugeleitet hat. Ich hoffe sehr, daß es dabei möglich sein wird, die so dringend notwendige Verbesserung der Alterssicherung der Flüchtlinge in Anlehnung an die der Vertriebenen vorzunehmen. Der schwierigste Terminvorschlag findet sich in Punkt 2) Ihres Antrages. Sie fordern darin, daß der Entwurf eines Leistungsgesetzes für die Flüchtlinge bis zum 30. September 1967 von der Bundesregierung vorgelegt werden soll. Dieser Terminvorschlag erweckt eigentlich den Eindruck, als wenn Sie es mit Ihrem Antrag nicht ganz erst nehmen würden. Auch Ihnen muß klar sein, daß die Erfüllung dieser Forderung bis zu diesem Termin der Bundesregierung kaum möglich sein wird. Ich bin überzeugt, das hätte auch Ihr Vertriebenenminister a. D. nicht schaffen können. Aber weil wir in der Sache mit Ihnen einig sind — und das haben wir durch unsere langjährigen Bemühungen für alle unter Beweis gestellt —, schlagen wir vor —, und hier spreche ich auch im Namen unseres Koalitionspartners, mit dem wir über diese Fragen in enger Fühlung stehen —, Ihren Entschließungsantrag zur baldigen Beratung in den zuständigen Ausschuß zu überweisen. Darüber hinaus möchte ich noch betonen, daß wir alles versuchen sollten, um den Entwurf eines Währungsausgleichsgesetzes und die Verbesserung der Einkommensgrenze als Voraussetzung für die Gewährung der Einrichtungshilfe im Flüchtlingshilfegesetz im Plenum zu verabschieden, nachdem der zuständige Ausschuß diese beiden Entwürfe positiv behandelt hat. Lassen Sie mich zum Schluß noch einmal sehr deutlich sagen: Wir haben die Verpflichtung, die Weiterentwicklung der Flüchtlingsgesetzgebung mit Aufmerksamkeit und Nachdruck zu verfolgen, nachdem man allzulange die Flüchtlinge hintangestellt hat. Wir sollten deshalb alles versuchen, dieser Gesetzgebung bei der mittelfristigen Finanzplanung einen bevorrechtigten Rang einzuräumen und wir sollten uns dessen bewußt sein, daß eine sinnvolle Gesetzgebung in erster Linie den unmittelbar Geschädigten helfen soll. Anlage 29 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Kühn (Hildesheim) (CDU/CSU) zu Punkt 3, b der Tagesordnung. Durch den Beschluß der Mehrheit dieses Hauses, die Ausbildungsbeihilfe für den Rest des Etatjahres 1967 auszusetzen, wird es notwendig, daß sich der Bundestag im Spätherbst dieses Jahres erneut mit der Frage befaßt. Da sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bis dahin weder die Meinungen noch die sachlichen Voraussetzungen wesentlich geändert haben werden, erscheint es den Initiatoren des Entschließungsantrages, dem die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD beigetreten sind, notwendig, nicht nur dieses Problem, sondern in Verbindung damit die Neuregelung des Familienlastenausgleichsrechtes insgesamt in Angriff zu nehmen. Die Koalitionsfraktionen befinden sich dabei in der glücklichen Lage, sich auf die Zusicherung des Herrn Bundeskanzlers in seiner Regierungserklärung vom 20. Januar 1967 beziehen zu können. Da es sich bei dieser Frage um ein Gebiet übergreifenden Interesses handelt,' sind wir sicher, daß der vorgelegte Entschließungsantrag die Zustimmung des Hauses finden wird. Anlage 30 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Meinecke (SPD) zu Punkt 3, b der Tagesordnung. Die Annahme unseres Antrages auf Umdruck 274 erfordert für dieses Jahr keine zusätzlichen finanziellen Mittel. Der Ausbau des gewünschten Institutes zur Erforschung der durch Umwelt- und Zivilisationseinflüsse hervorgerufenen Krankheiten und gesundheitlichen Schäden wird durchaus im Rahmen der dem Bundesgesundheitsministerium zur Verfügung stehenden Mittel durchführbar sein. Die Notwendigkeit eines solchen Institutes hat uns die Bundesregierung in den drei letzten großen Berichten über die Lage ausgewählter Bevölkerungsgruppen — nämlich der Jugend und Kinder sowie der Frauen — und in der Sozialenquete selbst vor Augen geführt: Wir wissen zu wenig über die Krankheitsanfälligkeit, bedingt durch Umwelt und Zivilisation, bedingt durch Arbeitsleben und Technik unserer Bevölkerung, und werden politische Aufgaben nicht nur gesundheitspolitischer Natur in der Zukunft nicht sinnvoll lösen können! Vorsorge wie Vorbeugung und die Vermeidung schädlicher Einflüsse der Umwelt drängen sich immer mehr in den Vordergrund gesundheitspolitischer und sozialpolitischer Betrachtungsweise. Das Vordringen bestimmter Krankheitserscheinungen beunruhigt große Teile unserer Bevölkerung! Gewiß liegt eine Fülle von Detailergebnissen vor, und natürlich arbeiten auch medizinische Fakultäten und Kliniken an den hier aufgezeigten Zusammenhängen, wenn es sich in die Forschungsrichtung einordnen läßt. Aber eine Gesamtübersicht unserer sozialhygienischen und sozialmedizinischen Kenntnisse ist die Voraussetzung für moderne Gesund- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 5747 heitspolitik. Eine Koordinierung der freien wissenschaftlichen Forschung und der Ressortforschung auf freiwilliger Basis sowie die wissenschaftliche Lösung und Bewältigung der sich dann ergebenden praktischen Fragestellungen wären die Aufgaben eines solchen Institutes, welches die Brücke und Clearing-Stelle zwischen Wissenschaft und Politik darstellen müßte. Der Aufgabenkatalog ist breit gefächert. Die personellen Voraussetzungen sind im Bundesgesundheitsamt gegeben. Über die weitere Entwicklung und den weiteren Ausbau können wir in den Ausschüssen eingehend diskutieren. Wir bitten, dem Antrag zuzustimmen, erklären uns aber auch mit einer Überweisung an den Gesundheitsausschuß und — mitberatend — an den Haushaltsausschuß einverstanden. Anlage 31 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen (SPD) zu Punkt 3, b der Tagesordnung. Nach § 2 Abs. 1 a der Richtlinien werden innerörtliche Hauptverkehrsstraßen und verkehrswichtige Zubringerstraßen zum überörtlichen Verkehrsnetz gefördert. Ergänzend dazu werden nach § 2 Abs. 1 b der Richtlinien auch Zuwendungen für verkehrswichtige zwischenörtliche Straßen in zurückgebliebenen Gebieten und im Zonenrandgebiet gewährt. Diese Regelung berücksichtigt jedoch nicht die Tatsache, daß auch außerhalb dieser Problemgebiete dringend zwischenörtliche Straßen gebaut, erweitert und verlegt werden müssen, um die regionalen Verkehrsverhältnisse zu verbessern. Das betrifft z. B. die unmittelbare Verbindung von Gemeinden in der Nachbarschaft großer Städte, die bisher nur über die City miteinander verbunden sind; eine solche Querverbindung würde auch die City entlasten. Strukturell besonders notwendig ist auch eine gute Straßenverbindung zwischen den Gemeinden eines Versorgungsbereichs und ihrem zentralen Ort. Anlage 32 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Spitzmüller (FDP) zu Punkt 3, b der Tagesordnung. Der Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, der Kollege Schmidt, hat heute früh auf die ihm eigene Art und Weise versucht, das Verhalten seiner Fraktion bei Abstimmungen zum Sozialhaushalt zu rechtfertigen, und er hat, schlicht gesagt, der FDP unsachliche Motive unterstellt. Ich möchte hierzu in aller Deutlichkeit folgendes feststellen: 1. Die Argumentation des Kollegen Schmidt beweist, wie oberflächlich seine Kenntnis über die Einstellung der FDP zur Sozialpolitik generell und zu Einzelfragen ist. Wenn er nicht die Zeit hat, durch Zuhören oder durch Nachlesen sich ein korrektes Bild zu verschaffen, schiene es zumindest zweckmäßig, sich durch Kollegen unterrichten zu lassen, die von den entsprechenden Problemen etwas verstehen. 2. Wir unterstellen den SPD-Kollegen, daß sie nicht aus taktischen Erwägungen Beschwörungstänzen sachfremder Art erlegen sind, sondern daß sie aus grundsätzlicher Einstellung zu bestimmten Problemen ihren Antrag auch gegen den Willen des Kabinetts gestellt haben. Wenn sich hierdurch sichtbar erweist, daß sich der Bundeskanzler im Dezember als stärkerer Mann aufgespielt hat, als er in der Tat ist, so steht dies auf einem völlig anderen Blatt. Im Gegenteil: es kann sich nur als günstig erweisen, wenn er durch Mehrheiten dieses Hauses aus den Wolken der Illusionen rechtzeitig auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird. 3. Wir erwarten aber von der SPD, daß sie die von uns mehrfach vorgetragenen sachlichen Argumente genauso anerkennt wie wir die ihrigen. 4. Es liegt im Interesse der SPD-Fraktion, wenn ihr Vorsitzender nicht auf solch makabre Weise bei der CDU sich ein rotes Röckchen zu verdienen sucht. 5. Er setzt sich sonst nämlich der Gefahr des Verdachts aus, er bedauerte, daß eine Entscheidung im Sinne des Antrages seiner Freunde aus der SPD-Fraktion zustande gekommen ist. Ich glaube, er tut seinen Kollegen unrecht, wenn er sie mit solchen Spekulationen in den Verdacht bringt, daß sie den Antrag nur in Erwartung einer Niederlage gestellt hätten. 6. Wenn er diese Entscheidung bzw. die Art ihres Zustandekommens nicht billigen sollte, so wäre es von ihm überzeugender und redlicher gewesen, darzulegen, daß dieser Antrag nicht im Sinne der Koalitionsvereinbarungen bzw. nicht im Sinne der Führung der SPD-Fraktion liegt. Wer aber so wie er agiert, setzt seine eigenen Freunde der Gefahr des Verdachts aus, nur spekulativ gehandelt zu haben. 7. Der Kollege Schmidt hat von einem Abgeordneten-Antrag bzw. einem Minderheiten-Antrag aus den Reihen der SPD-Bundestagsfraktion gesprochen. Formal mag er hiermit gegenüber dem Koalitionspartner, der CDU/CSU, recht haben. Tatsächlich jedoch stand bei der Abstimmung die SPD-Bundestagsfraktion nahezu geschlossen hinter dem Antrag. Wenn er diesen Eindruck gegenüber der CDU im Parlament verwischen will, so ist das seine Sache. Aber er soll dann die FDP aus dem Spiel lassen und nicht mit der Unterstellung sachfremder Motive und mit Mätzchen versuchen, sie in Koalitionsauseinandersetzungen hineinzuziehen. 8. Offensichtlich ist ihm entgangen, daß in einer Presseverlautbarung der SPD-Fraktion vom 14. Juni 5748 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 1967 im Zusammehang mit der Rechtfertigung des Verhaltens in dieser Abstimmung in Ziffer 3 ausdrücklich auf die sozialdemokratische Bundestagsfraktion mit Bezug genommen worden ist. Noch deutlicher kann ja nicht klargemacht werden, daß vermutlich nur unter Rücksichtnahme auf das Image des Herrn Bundeskanzlers der Abgeordneten-Antrag der SPD nicht als Fraktionsantrag der SPD eingebracht worden ist. Abschließend möchte ich feststellen, daß diejenigen sich irren, die glauben, die FDP werde aus Gefälligkeit gegenüber der einen oder anderen Fraktion Anträgen zustimmen oder sie ablehnen. Solche Spekulationen werden fehlgehen, wenn es sich dabei um solche handeln sollte. Wir werden auch in Zukunft die Anträge unterstützen bzw. ablehnen, die wir für richtig bzw. für falsch halten, egal, woher sie kommen. Anlage 33 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Windelen (CDU/CSU) zu Punkt 3 b der Tagesordnung. Die Gründe für den strukturellen Ausgabenüberhang in der Haushaltswirtschaft des Bundes, mit denen wir auch heute noch zu kämpfen haben, sind in diesem Hause wiederholt dargelegt worden. Bereits der Haushaltsausgleich 1966 konnte nur durch das seinerzeit verabschiedete Haushaltssicherungsgesetz erreicht werden. Obwohl die Einschränkungsmaßnahmen des Haushaltssicherungsgesetzes teilweise bis in das Rechnungsjahr 1967 fortwirken, war damit noch kein dauerhafter Spielraum für eine aktive Haushaltspolitik gewonnen. Für den Bundeshaushalt 1967 bestand vielmehr dieselbe Situation fort. Der Haushaltsausgleich für dieses Jahr wurde außerdem wesentlich dadurch erschwert, daß der strukturelle Ausgabenüberhang mit einer konjunkturell bedingten Verringerung der Einnahmeerwartungen in einem bisher nicht bekannten Umfange kumuliert. Diese Schwierigkeiten waren der Grund dafür, daß der Bundeshaushalt 1967 von einer Vielzahl von Gesetzen begleitet wird. Die schnelle Aufeinanderfolge der Ereignisse, und die jeweils ergriffenen Gegenmaßnahmen haben seit der Einbringung des ersten Entwurfes des Bundeshaushalts zu einer verwirrenden Unübersichtlichkeit geführt. Der erste Entwurf des Haushaltsplans für das Jahr 1967 vom 29. September 1966 war begleitet vom Finanzplanungsgesetz und Steueränderungsgesetz, die durch der Herabsetzung gesetzlich festgelegter Ausgaben und durch steuerliche Maßnahmen den Haushaltsausgleich ermöglichen sollten. Dieser erste Entwurf mußte bereits auf Grund des Abschlusses der Devisenverhandlungen mit den USA sowie auf Grund des bei der Steuerschätzung im Oktober 1966 sichtbar geworden Konjunkturabschwungs durch den Ergänzungshaushalt im November 1966 korrigiert werden. Die sich danach weiter verschlechternde konjunkturelle Entwicklung zwang zu einer noch größeren Zurücknahme der Steuererwartungen. Eine zusätzliche Einnahmeminderung ergab sich ferner aus der Vereinbarung mit den Ländern über die Herabsetzung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Schließlich war insbesondere im Sozialbereich ein Mehrbedarf zu berücksichtigen. Die daraus resultierende Deckungslücke von rund 3,7 Milliarden DM war Gegenstand des Kabinettsbeschlusses vom 19. Januar 1967. Sie wurde mit konventionellen Mitteln — d. h. durch Ausgabekürzungen und Einnahmeverbesserungen — geschlossen. Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen steuerlichen Maßnahmen sind im Januar initiativ von den Fraktionen der Regierungskoalition übernommen und inzwischen verwirklicht worden. Die Vorstellungen der Bundesregierung über Ausgleichsmaßnahmen auf der Ausgabenseite sind vom Haushaltsausschuß im Zuge der Beratungen in den Entwurf des Bundeshaushalts eingearbeitet worden. Bereits im Januar dieses Jahres bestand Klarheit darüber, daß mit dem Ausgleich der Deckungslücke von 3,7 Milliarden DM noch kein Ausgleich für weitere Steuerausfälle gefunden war, die sich durch das Absinken der Steuereinnahmen im Basisjahr 1966 sowie durch eine anhaltende Konjunkturschwäche im Jahre 1967 ergeben. In Übereinstimmung mit der Deutschen Bundesbank hatte die Bundesregierung vorgeschlagen, diese Einnahmeverminderungen durch vermehrte Kreditaufnahmen zu kompensieren. Eine weitere Veränderung hat der Entwurf des Bundeshaushalts schließlich durch den Investitionshaushalt mit 2,5 Milliarden DM erfahren. Das Ergebnis all der genannten Einzelmaßnahmen ist in dem vorliegenden Entwurf des Bundeshaushalts 1967 zusammengefaßt. Dieser Haushaltsplan bringt — das muß in aller Offenheit gesagt werden — noch keine grundsätzliche Bereinigung der langfristigen strukturellen Probleme in der Ausgabenwirtschaft des Bundes. Die Opfer, die durch die Ausgleichsmaßnahmen von allen Teilen unserer Bevölkerung erwartet werden, müssen als Preis für die Stabilisierung hingenommen werden. Dieser Haushalt steht ganz im Zeichen der Konjunkturbelebung. Das wird deutlich durch das Haushaltsvolumen von 77 Milliarden DM, das bereits für sich genommen expansiv wirkt. Das wird aber noch mehr unterstrichen durch den in der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik einmaligen Anstieg des außerordentlichen Haushalts auf rund 8 Milliarden DM. Diese hohe Kreditaufnahme geht in erster Linie darauf zurück, daß sowohl der zusätzliche Investitionshaushalt von 2,5 Milliarden DM als auch die konjunkturell bedingten Steuerausfälle in Höhe von rund 3,7 Milliarden DM über Kreditmittel finanziert werden. Die Finanzierung durch Kredite hat sich in der gegenwärtigen konjunkturellen Situation als unabweisbar notwendig erwiesen. Dieses Haus hat bereits mit der Verabschiedung des Kreditfinanzie- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 5749 rungsgesetzes unterstrichen, daß es bereit ist, die antizyklischen Maßnahmen der Bundesregierung zu unterstützen. Dazu gehört neben den zusätzlichen Investitionsmaßnahmen ebenso ein kreditärer Ausgleich der konjunkturell bedingten Steuerausfälle, die in ihrer Höhe durch die Steuerschätzung vom 25. April dieses Jahres erkennbar geworden sind. Es ist sicher kein leichter Entschluß, einer so hohen Verschuldung zuzustimmen. Es hieße jedoch, die Wirkungen der im Investitionshaushalt enthaltenen zusätzlichen konjunkturbelebenden Maßnahmen zunichte machen, wollte man den Ausgleich für die konjunkturell bedingten Steuerausfälle von 3,7 Milliarden DM auf konventionelle Weise suchen. Weitere Ausgabekürzungen über die bereits im Finanzierungsgesetz getroffenen Maßnahmen hinaus erscheinen gegenwärtig nicht vertretbar, da sie zu einer weiteren Verringerung der Nachfrage führen würden. Auch Steuererhöhungen können wir uns jetzt nicht leisten, da hierdurch sowohl eine Nachfrageverringerung als auch eine Verminderung der Investitionsneigung der privaten Wirtschaft verursacht würde. So hoch das Kreditvolumen von 8,1 Milliarden DM auch ist, so braucht es uns doch nicht bedrohlich zu erscheinen. Der Anstieg der Gesamtverschuldung des Bundes hält sich auch mit der für 1967 vorgesehenen Kreditaufnahme durchaus im Rahmen des Vertretbaren. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Stellungnahme der Deutschen Bundesbank in ihrem Bericht für den Monat April verweisen. Mehr Sorgen muß es allerdings bereiten, daß der Bund gezwungen ist, diese Kreditmittel überwiegend auf dem kurz- und mittelfristigen Geldmarkt aufzunehmen. Selbst bei optimistischer Betrachtung wird man davon ausgehen müssen, daß der Kapitalmarkt nur einen sehr geringen Betrag — vielleicht 1 bis 1,5 Milliarden DM — hergeben wird, wenn nicht private Anleihwünsche in unvertretbarer Weise zurückgedrängt werden sollen. Die kurzfristige Verschuldung des Bundes zwingt dann aber dazu, bereits in den Jahren ab 1969 hohe Tilgungsverpflichtungen abzudecken. Ich möchte deswegen an die Bundesregierung die Bitte richten, bei der Kreditaufnahme dafür Sorge zu tragen, daß sich die Tilgungsverpflichtungen auf die nächsten Jahre einigermaßen gleichmäßig verteilen, damit wir nicht bereits im Jahre 1969 von einer massierten Rückzahlungspflicht erdrückt werden. Selbst wenn man sich in der gegenwärtigen Situation mit der vorgesehenen hohen Kreditaufnahme einverstanden erklärt, so muß doch ganz deutlich klargestellt werden, daß mit den rund 8 Milliarden DM auch die Grenze dessen erreicht ist, was vom Bund übernommen werden kann. Eine Analyse der Ausgabenstruktur des Bundes ergibt überdies, daß der Bundeshaushalt kaum noch Ausgaben enthält, die sich für eine Finanzierung durch Kreditmittel eignen. Mit dem Kreditplafond von 8 Milliarden DM sind die Umsetzungsmöglichkeiten von Ausgaben in den außerordentlichen Haushalt praktisch erschöpft. Die vorgesehenen konjunkturellen Maßnahmen des Bundes werden sicherlich ihre Wirkungen zeigen. Es ist aber notwendig, daß das Vorgehen des Bundes auch von Ländern und Gemeinden unterstützt wird. Der Haushaltsausschuß hat im jetzt vorliegenden Entwurf des Haushaltsgesetzes einer Bestimmung zugestimmt, durch die die Ermächtigung zur Aufnahme von Betriebsmittelkrediten auf 7 Milliarden DM erhöht wird. Die Erhöhung des Betriebsmittelkredits soll der angespannten Liquiditätslage des Bundes Rechnung tragen. Es sei daran erinnert, daß der bisherige Betriebsmittelkreditplafonds von 4,5 Milliarden DM im Jahre 1958 festgesetzt worden ist. Bei dem damaligen Haushaltsvolumen von 38,7 Milliarden DM war diese Grenze durchaus ausreichend. Überdies wird die Liquiditätslage des Bundes im jetzigen Zeitpunkt dadurch erschwert, daß auf dem Kreditkonto sozusagen als Bodensatz noch das Haushaltsdefizit des Jahres 1965 mit rund 500 Millionen DM und das Defizit des Jahres 1966 mit rund 1 Milliarde DM mitgeführt werden muß. Da die Steuereinnahmen des Bundes in den ersten Monaten des Jahres 1967 hinter den Einnahmeerwartungen zurückgeblieben sind, war es bisher nicht möglich, das Defizit des Jahres 1965 auch nur teilweise auszugleichen. Das Defizit des Jahres 1966 wird ohnedies erst im Rechnungsjahr 1968 ausgeglichen werden. Auf Grund des stockenden Flusses der Steuereinnahmen und auf Grund der kassenmäßigen Belastung durch die Defizite der Vorjahre war der Bund in den ersten Monaten dieses Jahres gezwungen, die Betriebsmittel sorgfältig zu bewirtschaften, um liquide zu bleiben. Die vorgeschlagene Erhöhung des Betriebsmittelkredits soll die Schwankungen in der Kassenlage des Bundes ausgleichen, die durch die periodischen Steuereingänge und die Kreditaufnahmen verursacht werden. Um alle Zweifel auszuräumen, mache ich darauf aufmerksam, daß mit der Erhöhung des Betriebsmittelkredits dem Bund keine zusätzlichen Dekkungsmittel zugeführt werden. Insbesondere muß dem hier und da aufgetauchten Verdacht begegnet werden, daß durch die Erhöhung des Betriebsmittelkredits quasi durch die Hintertür die Finanzierung eines zweiten Eventualhaushalts sichergestellt werden sollte. Die Aufnahme eines Betriebsmittelkredits stellt keine Kreditaufnahme zu Deckungszwecken dar. Diese Maßnahme soll dem Bund lediglich flüssige Kassenmittel in ausreichendem Maße verschaffen, damit er in die Lage versetzt wird, die im Haushaltsplan vorgesehenen Ausgaben zeitgerecht und nötigenfalls unter konjunkturellen Gesichtspunkten verstärkt zu leisten. Gerade die Situation Anfang dieses Jahres macht deutlich, welche unheilvollen Folgen es haben kann, wenn Ausgaben mit Rücksicht auf die Kassenlage zurückgestellt werden müssen. Die vorgeschlagene Erhöhung des Betriebsmittelkredits ist daher sachgerecht und notwendig. In dem jetzt vorliegenden Entwurf des Bundeshaushalts 1967 sind die Vorstellungen der Bundes- 5750 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 regierung, die sie am 19. Januar 1967 zum Haushaltsausgleich entwickelt hat, im wesentlichen berücksichtigt. Dieser Haushalt enthält Ansätze zu einer Umstrukturierung der Bundesausgaben. Die in diesem Jahr einmalig verstärkte Investitionstätigkeit darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß mit dem eigentlichen Kernhaushalt die Probleme noch nicht auf Dauer gelöst worden sind. Die Aufgabe dieses Haushalts wird es sein, für 1967 eine Regelung zu finden, die der Bundesregierung Zeit gibt, ihre Vorstellungen für die Jahre ab 1968 zu erarbeiten. Der Bundeshaushalt 1967 kann daher nur als Vorstufe für die endgültige Lösung der grundsätzlichen Haushaltsprobleme des Bundes angesehen werden. Die Bundesregierung hat es in der Regierungserklärung als ihre vordringlichste Aufgabe bezeichnet, eine dauerhafte Sanierung der Bundesfinanzen zu erreichen. Wir vertrauen darauf, daß die Bundesregierung ihr in der Regierungserklärung gegebenes Wort bald einlöst und diesem Hause ein Gesamtprogramm vorlegt, das die finanziellen Probleme des Bundes in einen mehrjährigen Rahmen stellt und die Gewichte so verschiebt, daß wieder ein echter finanzieller Spielraum für politische Entscheidungen gewonnen wird. Insbesondere bei der Behandlung des Bundeshaushalts 1967 wird deutlich, wie begrenzt die Möglichkeiten in der Haushaltswirtschaft des Bundes sind. Wir erwarten deshalb die Vorschläge der Bundesregierung für eine mittelfristige Finanzplanung. Wir werden diese Vorschläge auf ihre Sachgerechtigkeit und Zweckmäßigkeit prüfen. Ich kann aber schon heute für meine Fraktion erklären, daß wir bereit sein werden, auch einschneidende Maßnahmen zu verwirklichen, wenn sie dem langfristigen Ziel einer nachhaltigen Gesundung der Bundesfinanzen dienen. Anlage 34 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Dr. Wolf (CDU/CSU) zu Punkt 3, b der Tagesordnung. Die Vorlage eines Gesetzes zur Förderung des Dienstes von Freiwilligen in Entwicklungsländern hat sich gerade in der letzten Zeit als dringend notwendig erwiesen. Es liegen nunmehr nicht nur die Erfahrungen der ersten Rückkehrer nach ihrer Dienstzeit in Enwicklungsländern vor, sondern die allgemeine Lage in der Bundesrepublik Deutschland hat uns deutlich gemacht, daß wir gerade auf die Tätigkeit und die Hilfe von deutschen Menschen in Entwicklungsländern besonderen Wert legen müssen, und zwar im gleichen Maße wie auf den Einsatz von Kapitalhilfe. Freiwillige erfüllen mit dem Dienst in Entwicklungsländern einen sozialpolitischen Auftrag, nämlich durch beispielgebende Berufsausübung bei den Menschen in Entwicklungsländern Kräfte und Fähigkeiten zur Selbstentfaltung zu wecken und sie mit neuen Lebensformen vertraut zu machen. Sie geben damit den entscheidenden Anstoß zur Selbsthilfe in Entwicklungsländern. Für den Freiwilligen selbst bietet die Aufgabe in Übersee die Möglichkeit, sich in schwierigen Situationen beruflich und persönlich zu bewähren und sich Anforderungen gewachsen zu zeigen, die den ganzen Menschen fordern. Sie können sich von Vorstellungen und Vorurteilen im Inland lösen und erwerben gründliche Kenntnisse in einem Entwicklungsland verbunden mit dem Kennenlernen fremder Kultur und fremder Sprachen. Auf diese Weise sammeln Freiwillige Erfahrungen und erlangen Kenntnisse, die sie für Aufgaben qualifizieren, für die es in Deutschland bisher nur wenige Vorbereitungsmöglichkeiten gibt, beispielsweise in der Zusammenarbeit mit sehr verschiedenartigen Kräften. Dies führt zur Bereicherung für die Freiwilligen selbst und für unsere Gesellschaft. Bisher haben von den Industrieländern, die Freiwillige nach Übersee entsenden, die USA und Belgien ein vergleichbares Gesetz erlassen. Andere Länder, zum Beispiel Großbritannien und Frankreich, können auf bestehende Regelungen für ihre zahlreichen in Übersee tätigen Bürger zurückgreifen. Der Arbeitskreis „Lernen und Helfen in Übersee" e. V., in dem sich die Organisationen zusammengeschlossen haben, die Freiwillige in Entwicklungsländer entsenden, hat auf Grund seiner vielseitigen Erfahrungen auf die Notwendigkeit für die Schaffung eines Gesetzes zur Förderung des Dienstes von Freiwilligen in Entwicklungsländern bereits vor zwei Jahren hingewiesen und hierzu begründete Vorschläge erarbeitet, die den Fraktionen dieses Hauses bekannt sind. Bald sind es über 2000 deutsche Freiwillige, die in Entwicklungsländern Dienst tun. Sie sind ein Teil der rund 20 000 Freiwilligen, die von 15 Industrieländern in Entwicklungsländer entsandt sind. Als Trägerorganisationen sind neben dem Deutschen Entwicklungsdienst besonders die den beiden Kirchen nahestehenden Dienste, die „Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe" und „Dienste in Übersee" zu nennen. Die Arbeit deutscher Freiwilliger und ihr Erfolg in der Welt ist in diesem Hause mehrfach gewürdigt worden und war ebenso Gegenstand von Erklärungen der Vertreter von Bundesregierung und Landesregierungen. Für diesen Dienst in Entwicklungsländern sind angemessene Voraussetzungen seitens der Bundesregierung noch nicht in vollem Umfange geschaffen worden. Als Grundsatz für die Entsendung von Freiwilligen soll gelten, daß sie in ihrer sozialen Sicherung einem vergleichbaren Dienst- oder Beschäftigungsverhältnis im Inland gleichgestellt und gegen die besonderen Risiken eines Dienstes in Entwicklungsländern zusätzlich geschützt sind. Dies ist nach geltendem Recht nicht der Fall. Es bedarf daher gesetzlicher Bestimmungen, die für die Freiwilligen ausreichende soziale Sicherung während des Dienstes in Entwicklungsländern und für deren berufliche Wiedereingliederung gewährleisten. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1967 5751 Besonders wichtig sind versorgungsrechtliche Regelungen für die Fälle, in denen Freiwillige aus Entwicklungsländern mit Krankheits- oder Unfallfolgen zurückkehren, die auf Verhältnisse zurückzuführen sind, die dem Entwicklungsland eigentümlich sind oder für die Freiwilligen eine besondere Gefahr darstellen, ohne daß es sich hierbei um Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung handelt. Außerdem fehlen bisher ausreichende Regelungen für die steuerliche Behandlung der Leistungen an Freiwillige und die Ausübung des Wahlrechts. In dem Gesetz müssen auch Maßnahmen vorgesehen werden, die der Wiedereingliederung der Freiwilligen nach ihrer Rückkehr dienen. Es hat sich herausgestellt, daß viele von ihnen eine weitere Ausbildung wünschen, um damit ihre Erfahrungen besser verwerten zu können. Es muß sichergestellt werden, daß der Dienst von Freiwilligen in Entwicklungsländern keine Benachteiligung gegenüber einem vergleichbaren Dienst im Inland zur Folge hat. In diesem Zusammenhang ist auch die Anerkennung des Überseedienstes als Dienst- und Beschäftigungszeit im öffentlichen Dienst sowie dessen Anrechnung auf berufliche Ausbildungs- und Vorbereitungszeiten zu nennen. Als weiterer Punkt sollte in diesem Gesetz eine Regelung enthalten sein, nach der die Freiwilligen privater Organisationen denen des Deutschen Entwicklungsdienstes in :den gewährten Leistungen möglichst gleichgestellt werden. Dabei kommt der Abgrenzung des Personenkreises, der unter die Bestimmung eines solchen Gesetzes fallen soll, besondere Bedeutung zu. Es soll hiermit zum Ausdruck kommen, daß der Freiwillige Dienst in Entwicklungsländern eine eigene Form der Technischen Hilfe darstellt. Den Freiwilligen kennzeichnen Motiv und Einstellung zum Dienst in Entwicklungsländern sowie seine Bereitschaft zu bescheidener Lebensführung. Er hebt sich damit aus dem Kreis der Personen heraus, die heute Aufgaben in Übersee erfüllen. Mit dem vorliegenden Antrag soll die Bundesregierung ersucht werden, dem Bundestag bis zum 31. Dezember 1967 den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Dienstes von Freiwilligen in Entwicklungsländern vorzulegen, der die Punkte enthält, deren gesetzliche Regelung für diesen auch von der Bundesregierung veranlaßten oder geförderten Dienst vordringlich ist. Ich bitte Sie, dem Antrag zuzustimmen.
Gesamtes Protokol
Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511500000
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat am 13. Juni 1967 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Lastenausgleich — Drucksache V/1803 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1871 verteilt.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksachen V/1842, zu V/1842 —
Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Ich rufe die Frage 31 .des Abgeordneten Reichmann auf:
Sind Bestrebungen zutreffend, daß versucht wird, die Bundesrepublik Deutschland in ein internationales Abkommen zur Vollmilchpulververmarktung einzubeziehen?
Bitte, Herr Bundesminister!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0511500100
Die Teilnehmerstaaten des Gentleman's Agreements Vollmilchpulver, insbesondere die Niederlande und Frankreich, bemühen sich, die Bundesrepublik zum Beitritt zu diesem Agreement zu bewegen, um seine Fortführung sicherzustellen.
Ich würde die beiden anderen Fragen gern gleich mitbeantworten, weil sie in einem Sachzusammenhang mit der ersten Frage stehen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511500200
Dann rufe ich die Fragen 32 und 33 des Abgeordneten Reichmann auf:
Welche Auswirkungen gegenüber dem bisherigen Zustand würden durch den Beitritt zu dem in Frage 31 erwähnten Abkommen insgesamt für die Vollmilchvermarktung, den Erzeugermilchpreis und den Buttermarkt ausgelöst?
Ist die Bundesregierung bereit, infolge der voraussichtlichen erheblichen Nachteile den Beitritt zu dem internationalen Vollmilchpulververmarktungsabkommen abzulehnen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0511500300
Mit diesem Beitritt müßte die Bundesrepublik sich den Bedingungen des
Agreements unterwerfen, nach denen Vollmilchpulver nicht unter einem bestimmten Preis auf dem Weltmarkt verkauft werden darf. 1966 wurden bei einer Erzeugung von 21 500 t rund 1500 t Vollmilchpulver exportiert. Durch einen Beitritt zu diesem Agreement würden die bisherigen Exporte in ihrer Höhe nicht beeinträchtigt, so daß sich keine nachteiligen Auswirkungen auf den Erzeugermilchpreis und den deutschen Buttermarkt ergäben.
Da sich keine Nachteile für den deutschen Milchmarkt ergeben, hat die Bundesregierung gegenüber den Teilnehmern des Agreements ihre Bereitschaft erklärt, beizutreten, sofern alle übrigen Teilnehmer auch weiterhin dem Agreement angehören. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen.
Ich darf ergänzend noch sagen, daß dieses Agreement unter der Patronage der OECD seit 1963 eingerichtet ist und daß ihm folgende Länder angehören: Osterreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, die Niederlande, Neuseeland, Norwegen, Schweden und die Schweiz. Die sehr bedeutsamen westlichen Exportländer wie die Vereinigten Staaten, Kanada und Australien sind zwar nicht formell Mitglieder dieses Agreements, sie halten sich aber an dessen Regeln.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511500400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reichmann.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0511500500
Herr Minister, würden sich bei dem Beitritt zu dem Abkommen die Erstattungen nach dem effektiv erzielten Preis oder nach dem im Abkommen festgelegten Preis richten?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0511500600
Sie schneiden eine sehr wichtige Teilfrage an. Es ist zweifellos so, daß durch dieses Abkommen die Erstattungen bewegt und in einer gewissen Höhe fixiert werden. Das haben wir bereits in der letzten Verordnung auf diesem Sektor berücksichtigt. Aber ich glaube, daß es wichtiger ist, zur Verhinderung einer Preisschleuderei auf dem Weltmarkt an einer solchen Vereinbarung teilzunehmen, die ja so viele Mitglieder mit gleicher Interessenlage hat.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511500700
Bitte, Herr Abgeordneter Reichmann.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0511500800
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die bisherigen Mitgliedstaaten dieses Ab-



Reichmann
kommens sich bei der Vermarktung auf dem Weltmarkt nicht an die Preisvereinbarung des Abkommens hielten, sondern aus Wettbewerbsgründen bereits diesen vereinbarten Preis unterlaufen haben?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0511500900
Es könnte sein, daß das bei dem einen oder anderen der Fall ist. Mir ist der Fall eines Mitgliedlandes bekannt, das Exportzuschüsse gegeben hat. Es mag in dem einen oder anderen Fall auch zu dem Sachverhalt gekommen sein, den Sie erwähnen. Aber in dem Agreement sind Kontrollmaßnahmen eingebaut, und wenn sie nicht perfekt funktionieren sollten, dann wäre das nicht anders als bei den meisten Kontrollmaßnahmen.

(Lachen bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511501000
Eine weitere Zusatzfrage Herr Abgeordneter Reichmann.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0511501100
Herr Minister, die bisherige Praktizierung dieses Abkommens beweist aber, daß der Preis unter dem vereinbarten Preis liegt, so daß bei den Erstattungen die Bundesrepublik nachher benachteiligt wäre.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0511501200
Bei den Erstattungen könnte ein Nachteil eintreten. Aber Sie wissen, daß wir hierbei einen sehr schönen Anteil zu bezahlen haben, nämlich 30 °/o. Ich glaube, daß der andere Weg besser ist, auf dem Weltmarkt eine solide Preisentwicklung zu haben. Wenn ich beides abwäge, möchte ich den Weg des Agreements bevorzugen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511501300
Herr Reichmann!

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0511501400
Die Situation, wie sie jetzt ist, beweist aber, daß der Preis unter dem vereinbarten liegt, so daß in jedem Falle — —

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511501500
Frage, Herr Reichmann, nicht Argument! Wir sind in der Fragestunde.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0511501600
Herr Minister, stimmen Sie mir darin zu, daß die jetzige Situation auf dem Weltmarkt so ist, daß der Preis auch von seiten der Mitgliedsländer unter dem vereinbarten Preis liegt, so daß für die Bundesrepublik im Falle eines Beitritts zu dem Abkommen bezüglich der Erstattungen eine Verschlechterung eintreten würde, weil die Erstattungen ja nach dem in Abkommen vereinbarten Preis erfolgen würden?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0511501700
Herr Reichmann, es gibt auf diesem Sektor keinen statischen Zustand, sondern nur einen dynamischen. Wir haben auch nie zu wählen zwischen gut und besser, sondern meist zwischen schlecht und noch schlechter.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511501800
Herr Reichmann!

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0511501900
Herr Minister, ist Ihnen bekannt,' daß gerade Belgien aus diesem Grunde beabsichtigt, aus dem Abkommen auszutreten, um außerhalb des Abkommens eine bessere Vermarktungsmöglichkeit für Vollmilchpulver zu erreichen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0511502000
Ich habe vorhin von einem Staat gesprochen, von dem mir das eine oder andere bekannt ist. Ich habe seinen Namen absichtlich nicht genannt. Aber es könnte sein, daß dieser Staat und der von Ihnen erwähnte identisch sind.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511502100
Herr Wächter!

Gerold Wächter (FDP):
Rede ID: ID0511502200
Herr Minister, wird Ihre soeben zum Ausdruck gebrachte negative Einstellung zu Kontrollmaßnahmen Sie gegebenenfalls veranlassen, für die Zukunft alle Kontrollmaßnahmen abzulehnen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0511502300
Sie war nicht negativ, sondern realistisch.

(Heiterkeit.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511502400
Keine weiteren Fragen mehr? — Dann rufe ich die Frage 54 des Abgeordneten Wagner aus der Drucksache zu Drucksache V/1842 auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im Sinne des von ihr zur Linderung der in unseren Wäldern eingetretenen Windwurfschäden gefaßten Kabinettsbeschlusses auf die Zulieferunternehmen, die den Holzbedarf der Bundesstellen decken, insbesondere die Imprägnierwerke für Leitungsmasten, mit dem Ziel einzuwirken, daß diese ihren Holzbedarf im Inland decken?
Wird .die Frage übernommen? — Herr Dr. Althammer übernimmt die Frage.
Bitte, Herr Minister!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0511502500
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Zulieferunternehmen der gegenwärtigen Situation Rechnung tragen und in verstärktem Umfange inländisches Holz verwenden sollten. Dies gilt insbesondere für solche Holzsortimente, die durch Windwürfe in großen Mengen angefallen sind. Hierdurch würden die Bemühungen der Bundesregierung um Anpassung der Holzimporte an die augenblickliche Lage wirksam unterstützt. Das ist der Wunsch der Bundesregierung. Ihre Möglichkeiten sehen aber folgendermaßen aus:
Bei den Zulieferunternehmen der Bundesstellen handelt es sich um private oder privatwirtschaftlich geführte Unternehmen. Sie treffen ihre Entscheidungen über den Einkauf ihres Holzbedarfs nach eigenwirtschaftlichen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der jeweiligen Marktverhältnisse. Die Bundesregierung hat keine rechtliche Möglichkeit, die Zulieferunternehmen zu veranlassen, ihren Holzbedarf im Inland zu decken, ganz abgesehen davon, daß ein derartiges Vorgehen zwangsläufig den Vorwurf der Diskriminierung — im Hinblick auf EWG- und GATT-Bestimmungen — auslösen würde. Hinzu kommt, daß die Bundesrepublik Deutschland auch



Bundesminister Höcherl
weiterhin auf Einfuhren von bestimmten Holzsortimenten angewiesen ist. Schließlich darf ich noch auf eine Liberalisierungsverfügung hinweisen, die besagt, daß bei Angeboten von Bewerbern, die ausländische Erzeugnisse für die Ausführung von Leistungen verwenden, wie bei allen anderen Angeboten zu verfahren ist und daß eine Einflußnahme auf Lieferwerke nicht gestattet ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511502600
Zusatzfrage, Herr Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0511502700
Herr Minister, sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, auf einem anderen Wege dieser Notsituation abzuhelfen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0511502800
Herr Kollege, die Bundesregierung hat einen ganzen Katalog von Maßnahmen eingeleitet und zum Teil recht erfolgreich auf dem Weg der Selbstbeschränkung mit Staatshandelsländern verhandeln können. Ich will jetzt nicht in die Darlegung der steuerlichen Maßnahmen eintreten die ja individuellen Charakter haben und des Antrags der einzelnen Geschädigten bedürfen. Ich möchte aber bemerken, daß das Bundesministerium für Wirtschaft auf Grund des Kabinettsbeschlusses vom 15. 3. 1967 mit den Staatshandelsländern Verhandlungen geführt hat. Die Länder Polen,. Rumänien und Ungarn erklärten sich auf Grund dieser Verhandlungen bereit, ihre Lieferungen um 30 %, und die Tschechoslowakei, bei Nadelschnittholz um 20 % und bei Nadelstammholz um 25 % zu reduzieren. Da auch die Einfuhren aus Skandinavien wesentlich sinken, dürften die gesamten Holzimporte gegenüber 1966 um mindestens ein Viertel zurückgegangen sein, und das scheint mir neben der Verminderung des Einschlags und einer Reihe von anderen Maßnahmen etwas Entscheidendes zu sein. Ein gewisser Druck kommt natürlich aus der Situation am Baumarkt und der fortschreitenden Substitution durch andere Baumaterialien.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511502900
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Frage 34. des Abgeordneten Ott:
Ist es richtig, daß die Logemann-Kommission nur die Direktionen befragen durfte, welche als aufnehmende Direktionen vorgesehen sind?
Die Frage wird von Herrn Dr. Althammer übernommen. Bitte, Herr Staatssekretär Börner!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511503000
Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Ott mit Nein.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511503100
Frage 35 des Abgeordneten Ott:
Ist es richtig, daß der Präsident der Deutschen Bundesbahn der Logemann-Kommission untersagt habe, mit den zur Auflösung vorgesehenen Direktionen direkt Verbindung aufzunehmen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511503200
Herr Kollege, weder der Erste Präsident noch ein anderes Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbahn hat eine Weisung im Sinne der Fragestellung gegeben. Alle Direktionspräsidenten wurden vielmehr gebeten, die Logemann-Kommission beratend zu unterstützen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511503300
Frage 36, ebenfalls gestellt von Herrn Abgeordneten Ott:
Ist die Tatsache, daß die Bundesbahndirektion Augsburg ab 1. Juni 1967 wegen Pensionierung des bisherigen Präsidenten keinen neuen Präsidenten erhielt, als kalte Auflösungsmaßnahme anzusehen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511503400
Auch diese Frage, Herr Kollege, kann ich mit Nein beantworten. Herr Präsident Betzl ist am 31. Mai dieses Jahres aus Altersgründen aus dem aktiven Dienst der Deutschen Bundesbahn ausgeschieden. Wie Sie wissen, wird die Organisationskommission bei der Deutschen Bundesbahn Ende Juni oder Anfang Juli einen abschließenden Bericht vorlegen, der die Vollzugspläne für eine Neugliederung der Mittelinstanz der Deutschen Bundesbahn enthalten wird. Sie werden verstehen, daß das Ergebnis abgewartet werden soll, bevor eine Entscheidung über die Neubesetzung des Präsidentenpostens bei der Bundesbahndirektion Augsburg getroffen wird. Die zu treffende Entscheidung wird dadurch weder im positiven noch im negativen Sinne präjudiziert.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511503500
Herr Dr. Althammer!

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0511503600
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß schriftliche Verlautbarungen aus Ihrem Hause existieren, wonach nicht mehr beabsichtigt ist, diese Bundesbahndirektion neu zu besetzen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511503700
Herr Kollege, ich habe soeben darauf hingewiesen, daß die Deutsche Bundesbahn im Laufe dieses Monats dem Bundesverkehrsminister eine grundsätzliche Stellungnahme zu dem Gesamtkomplex vorlegen wird. Es ist Ihnen sicher aus früheren Diskussionen des Hohen Hauses bekannt, daß die Sanierung der Deutschen Bundesbahn nicht ohne einschneidende Veränderungen im Verwaltungsapparat der Bundesbahn zu vollziehen ist. Ich meine aber, daß es sinnvoll wäre, diese Dinge insgesamt zu betrachten, und bin deshalb der Meinung, daß es nicht sinnvoll ist, Personenfragen der Sachdiskussion vorzuschalten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511503800
Herr Dr. Althammer!

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0511503900
Herr Staatssekretär, wie lange, glauben Sie, ist in Anbetracht dieser Überlegungen eine Vakanz im Präsidentensitz einer Bundesbahndirektion vertretbar?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511504000
Ich bin der Meinung, Herr Kollege, daß die Vakanz keinesfalls nur unter dem Gesichtspunkt der Augsburger Situation ge-



Parlamentarischer Staatssekretär Börner
sehen werden darf. Sie wissen, daß eine Vakanz von ein, zwei oder auch drei Monaten bei Wechsel in solchen führenden Stellungen durchaus üblich ist. Aber der Bundesverkehrsminister wird im Laufe dieses Sommers bzw. zu Beginn der Parlamentsarbeit im Herbst dem Hohen Hause grundsätzliche Vorstellungen vorlegen, und ich meine, es ist richtig, diese Entscheidungen — nicht nur in Augsburg, sondern auch an anderen Stellen im Verwaltungsapparat der Deutschen Bundesbahn — dann insgesamt, mit diesem Problem, zu betrachten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511504100
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Gleissner.

Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0511504200
Herr Staatssekretär, treffen Pressemeldungen zu, nach denen in München bereits Vorbereitungen getroffen sind, um die von der Auflösung der Bundesbahndirektion Augsburg Betroffenen demnächst aufnehmen zu können, wodurch die Zentralisierung in München fortgesetzt und München angesichts seiner ungeheuren Wohnungsnot erneut belastet würde?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511504300
Herr Kollege, im Zusammenhang mit den Organisationsplänen der Deutschen Bundesbahn sind auch in früherer Zeit eine ganze Menge Pressemeldungen mit verschiedenen Zwecken lanciert worden. Ich meine, daß es sinnvoll wäre — und ich habe schon in einer der früheren Fragestunden die Möglichkeit gehabt, das dem Hohen Hause zu sagen —, die Überlegungen, die Sie soeben angedeutet haben, wenn sie zutreffen sollten, mit in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Ich bin keinesfalls der Meinung, daß sie für die Entscheidung, die wir vorhaben, unwesentlich sind.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511504400
Keine weiteren Wortmeldungen dazu.
Dann folgen drei Fragen des Abgeordneten Ramms. Ich rufe zunächst die Frage 37 auf:
Sind die Flugsicherheitsbehörden nach Ansicht der Bundesregierung personell so ausgestattet, daß sie ihre Aufgaben voll erfüllen können?
Bitte, Herr Staatsekretär!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511504500
Herr Kollege, die Bundesanstalt für Flugsicherung ist personell so ausgestattet, daß sie die ihr obliegenden Aufgaben der Luftverkehrslenkung voll erfüllen kann.
Grundsätzlich gilt dies auch für das LuftfahrtBundesamt, welches die Aufsicht über die deutschen Luftfahrtunternehmen ausübt. Die ständige Zunahme des Luftverkehrs erfordert jedoch eine weitere Verstärkung dieses Amtes, insbesondere der Flugbetriebsprüfer. Sie ist von meinem Hause bereits in die Wege geleitet.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511504600
Keine Zusatzfrage.
Dann die nächste Frage des Abgeordneten Ramms, die Frage 38:
Worauf ist es zurückzuführen, daß nach landläufiger Meinung die Flugsicherheit im Linienverkehr sehr viel höher ist als im Charterdienst?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511504700
Herr Kollege, die landläufige Meinung, daß die Flugsicherheit im Fluglinienverkehr höher eingeschätzt wird als im Charterverkehr, ist verständlich, da in letzter Zeit eine Reihe von schweren Flugunfällen beim Charterverkehr zu verzeichnen waren.
Soweit es sich um den Verkehr mit deutschen Charterflugzeugen handelt, unterliegen die Unternehmen den gleichen Betriebsvorschriften und der gleichen strengen Überwachung wie der Linienverkehr. Insoweit ist die Meinung nicht berechtigt. Bei dem Verkehr ausländischer Charterflugzeuge kann man grundsätzlich davon ausgehen, daß sie sicher betrieben werden.' Mit Rücksicht auf verschiedene Unfälle ausländischer Unternehmen hat der Bundesminister für Verkehr die Weisung erteilt, daß ausländische Flugzeuge in verstärktem Maße vor ihrem Start überprüft werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511504800
Keine Zusatzfrage.
Dann die dritte Frage des Abgeordneten Ramms, die Frage 39:
Was hat der Bundesverkehrsminister unternommen, die von ihm als „wirkungsvollste Lösung, um die jüngeren Menschen möglichst frühzeitig mit den Problemen und Gefahren des modernen Straßenverkehrs vertraut zu machen und ihnen ein Mindestmaß an Erkenntnis über richtiges Verhalten als Verkehrsteilnehmer zu vermitteln" erkannte Einführung des Verkehrsunterrichts als Pflichtfach in der Praxis durchzusetzen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511504900
Herr Kollege, in allen Ländern der Bundesrepublik ist durch entsprechende Anordnung der Kultusminister den Schulen zur Pflicht gemacht worden, Verkehrserziehung zu betreiben, ohne dafür ein bestimmtes Fach vorzusehen. Ich halte es jedoch für dringend erforderlich, den Verkehrsunterricht in allen Schulen der Bundesrepublik als Pflichtfach einzuführen. Diese vom Bundesverkehrsminister mehrfach erhobene Forderung wird u. a. auch im Herbst dieses Jahres auf einer in Aussicht genommenen Verkehrssicherheitskonferenz mit den Herren Kultusministern der Länder erörtert werden. Wie Sie wissen, hat sich auch der frühere Verkehrsminister bereits auf mehreren Verkehrssicherheitskonferenzen bemüht, dieses Ziel im Gespräch mit den Kultusministern der Länder zu erreichen. Angesichts der Kulturhoheit der Länder kann der Bund allerdings nur Empfehlungen geben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511505000
Keine Zusatzfrage.
Dann die Frage 40 des Abgeordneten SchmittVockenhausen:
Ist der Bundesverkehrsminister bereit, im Rahmen der Planungen für 1968 zu überprüfen, wie aus dem Mehraufkommen der Mineralölsteuer die im Jahre 1967 verhältnismäßig gering bedachten kreisangehörigen Städte und Gemeinden angemessen berücksichtigt werden können?
Bitte, Herr Staatssekretär!




Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511505100
Herr Kollege, die Bauvorhaben, die nach den Richtlinien für Bundeszuwendungen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden zuschußfähig sind, werden nach Maßgabe dieser Richtlinien in erster Linie auf Grund ihrer Dringlichkeit ausgewählt. Dies erfolgt unabhängig davon, ob .es sich um eine kreisfreie oder eine kreisangehörige Gemeinde handelt. Über die Mehrzahl der Vorhaben entscheiden die Länder. Soweit der Bundesminister für Verkehr für die Auswahl zuständig ist, werden im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten auch die dringlichen Objekte in kreisangehörigen Städten und Gemeinden berücksichtigt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511505200
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0511505300
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, gegen Jahresende einmal eine Übersicht zu geben, wie sich die Mittel verteilen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511505400
Wir sind dazu gern bereit. Ich darf aber darauf hinweisen, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, daß das nur in Zusammenarbeit mit den Länderverkehrsministerien gemacht werden kann. Ich bitte deshalb schon im voraus um Entschuldigung, wenn das erst Anfang des nächsten Jahres geschehen kann, weil rein technisch die Angaben nicht früher vorliegen können.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511505500
Herr Schmitt-Vokkenhausen!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0511505600
Herr Staatssekretär, ist Ihr Haus bereit, im Zusammenhang mit einem von Kollegen des Hauses aus verschiedenen Fraktionen eingebrachten Entschließungsantrag die Angelegenheit weiter zu prüfen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511505700
Herr Kollege SchmittVockenhausen, ich will einer eventuellen Diskussion über diesen Entschließungsantrag nicht vorgreifen. Er ist nach meiner Kenntnis weitaus grundsätzlicherer Natur als Ihre soeben gestellte Frage. Das Bundesverkehrsministerium ist aber gerne bereit, alle mit diesem Komplex zusammenhängenden Fragen in den zuständigen Ausschüssen des Hohen Hauses zu erörtern.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511505800
Herr Rawe!

Wilhelm Rawe (CDU):
Rede ID: ID0511505900
Herr Staatssekretär, würden Sie auch bereit sein, in diesem Nachweis zum Ende des Jahres uns darzutun, wieviel von den Mitteln in Ballungsräume und wieviel in Landkreise geflossen sind?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511506000
Herr Kollege Rawe, das werden wir gerne tun. Ich darf nur darauf hinweisen, daß die Richtlinien in der jetzt beschlossenen Form einen Kompromiß zwischen der Auffassung des Herrn Bundesverkehrsministers bzw. der Bundesregierung und der der Länder darstellen und daß nach den Richtlinien ein großer Teil der Mittel in eigener Zuständigkeit der Länder vergeben wird. Das bitte ich bei der Betrachtung des Gesamtkomplexes zu beachten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511506100
Die Frage 41 des Abgeordneten Dr. Schulz (Berlin) wird von dem Abgeordneten Schwabe übernommen:
Wieviel Zeit hält die Bundesregierung für erforderlich, um die Autobahn Frankfurt—Köln von einer permanenten Slalomstrecke in einen normalen Verkehrsweg zurückzuverwandeln?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511506200
Herr Kollege, mit Ablauf dieses Jahres werden rund 77 % der Fahrbahndecken der Bundesautobahn Frankfurt—Köln erneuert sein, so daß danach noch 23 % erneuert werden müssen. Das wird voraussichtlich in weiteren vier Jahren zu bewältigen sein.
Ich darf in diesem Zusammenhang, wenn Sie gestatten, vielleicht darauf hinweisen, daß es sich bei der Autobahn Frankfurt—Köln um eine Strecke handelt, die weitgehend vor dem Krieg nach anderen bautechnischen Normen entstanden ist, als heute hier Autobahnen gebaut werden, und daß sich die hohe Verkehrsbelastung zwischen dem Ruhrgebiet und dem Kölner Raum bzw. dem Rhein-Main-Gebiet auch in der Abnutzung dieser Strecke auswirkt. Das macht es erforderlich, daß die Strecke zur Zeit mit großen Unterhaltungsarbeiten belastet ist. Wir haben Verständnis für den Unmut vieler Kraftfahrer, meinen aber, daß durch bestimmte technische Methoden, die gerade in den letzten Monaten angewandt werden, die jetzige Situation nicht vermeidbar ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511506300
Herr Schwabe!

Wolfgang Schwabe (SPD):
Rede ID: ID0511506400
Darf man Ihrer Antwort auf diese Frage auch entnehmen, daß die Verhältnisse auf dieser Autobahn sehr viel besser geworden sind, daß sie bis zum großen internationalen Reiseverkehr noch besser sein werden und daß Slalomstrecken immer noch besser sind als ein Ableiten des Verkehrs auf Nebenstraßen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511506500
Herr Kollege, ich darf bemerken, daß der Herr Bundesverkehrsminister die Termine für die Fertigstellung der Baustellen so gesetzt hat, daß nach Möglichkeit eine Beeinträchtigung des Ferienreiseverkehrs vermieden werden soll. Zum anderen möchte ich darauf hinweisen, daß eine echte Entlastung dieser Strecke erst nach Fertigstellung der sogenannten Siegerlandautobahn vom Raum Dortmund nach Gießen zu erreichen ist. Wir wissen, daß das noch mehrere Monate dauern wird. Dann wird die Möglichkeit gegeben sein, einen



Parlamentarischer Staatssekretär Börner
großen Teil der von Norden kommenden Fahrzeuge im Raume Dortmund abzuleiten und gewisse Grundreparaturen an der Autobahn Köln—Frankfurt vorzunehmen, die vorgenommen werden müssen, weil diese Strecke sonst in absehbarer Zeit nicht mehr verkehrssicher wäre.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511506600
Herr Schwabe!

Wolfgang Schwabe (SPD):
Rede ID: ID0511506700
Sind Sie mit mir der Meinung, daß die Bemühungen des Deutschen Fremdenverkehrsverbandes und der regionalen Fremdenverkehrsverbände, dem internationalen Tourismus Durchgangswege seitwärts der Autobahnen aufzuzeigen, hier von Bedeutung sind und Ihre Bemühungen unterstützen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511506800
Herr Kollege Schwabe, ich kann dazu nur sagen: Wir begrüßen ein solches Bemühen unter anderem auch deshalb, weil es die Möglichkeit gibt, unseren Nachbarn die Schönheiten unseres Landes noch besser zu zeigen, als sie bei der Fahrt durch die Bundesrepublik von der Autobahn aus zu sehen sind.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511506900
Die Frage 42 stellt der Abgeordnete Unertl:
Ist der Bundesregierung bekannt, welche Folgen sich für die deutsche Fleischwirtschaft, insbesondere für die im Zonenrandgebiet ansässigen Unternehmungen, mit der Aufhebung des Eilstückgutverkehrs der Deutschen Bundesbahn zum 1. Oktober 1967 ergeben?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511507000
Herr Präsident, ich bitte darum, die Fragen zusammen beantworten zu dürfen, wenn der Herr Kollege Unertl einverstanden ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511507100
Der Herr Abgeordnete Unertl ist einverstanden. Ich rufe also auch die Fragen 43 und 44 auf:
Teilt die Bundesregierung die Meinung, daß die von der Deutschen Bundesbahn erwartete Verlagerung des bisherigen Verkehrsaufkommens aus dem Eilstückgutverkehr auf den Kraftfahrzeugsammelverkehr bzw. zum Bahnfrachtgut hin wegen der zu erwartenden längeren Beförderungszeiten als gleichwertiges Verkehrsangebot für die Fleischwarenindustrie nicht in Frage kommt?
Bei Bejahung der Frage 42: Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu ergreifen, um nach der Aufhebung des Eilstückgutverkehrs die Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch usw. auf dem Eisenbahnweg in der bisherigen Weise zu ermöglichen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511507200
Herr Kollege, die Deutsche Bundesbahn hat sich jetzt entschlossen, die zum 1. Oktober 1967 genehmigte Aufhebung des Eilstückgutverkehrs nunmehr erst zum 1. Oktober 1968 durchzuführen, um den Versendern genügend Zeit zur Umstellung zu gewähren. Danach ist zu erwarten, daß sich nachteilige Folgen nur noch in ganz wenigen Ausnahmefällen ergeben können.
Mit der Aufhebung der besonders defizitären Eilstückgutbeförderung trifft die Deutsche Bundesbahn eine Rationalisierungsmaßnahme, die von den meisten westeuropäischen Eisenbahnen — u. a, in allen
EWG-Mitgliedstaaten — bereits seit längerer Zeit verwirklicht ist. Der bisherige Eilstückgutverkehr wird sich zum größten Teil auf den Frachtstückgutverkehr und für besonders eilbedürftige Sendungen auf den Expreßgutverkehr verlagern. Für Fleischwaren in kleineren Sendungen bis zu 15 kg ist z. B. die Expreßgutbeförderung im allgemeinen sogar billiger als die bisherige Eilstückgutfracht.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511507300
Herr Unertl!

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0511507400
Herr Staatssekretär, sind Ihnen die Zahlen bekannt, die z. B. in einer einzigen Sparte, beim Versand von Fleisch- und Wurstwaren, im Monat Juli 1966 ausgewiesen werden? Ist Ihnen bekannt, daß im Eilstückgutverkehr eine bestimmte Menge 9898 DM Frachtkosten verursacht und die gleiche Menge, auf Expreßgutverkehr verladen, 24 485 DM, also 14 000 DM mehr? Das ist doch wirklich nicht zu bagatellisieren.

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511507500
Herr Kollege, es wird nicht bestritten, daß da und dort, je nach Branche, nach 1968 Härten eintreten können. Ich darf nur darauf hinweisen, daß im Treuarbeit-Gutachten über die Deutsche Bundesbahn auch Vorschläge enthalten sind, die auf einen Wegfall solcher und ähnlicher Beförderungen hinzielen, weil für das Unternehmen Bundesbahn dieser Verkehr einen hohen Zuschuß erfordert hat. Sie wissen ja alle, welch hohe Summen das Parlament immer bewilligen muß, um die entstehenden Minusbeträge im Wirtschaftsplan der Bundesbahn auszugleichen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511507600
Herr Unertl!

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0511507700
Herr Staatssekretär, da nun ein Jahr Zeit bleibt, möchte ich Sie fragen, ob Ihr Haus bereit ist, die Gepflogenheit, die bereits früher mit einem Brief vom 8. November vom Vorgänger des jetzigen Verkehrsministers Leber, Herrn Seebohm, angedeutet wurde, durchzuführen, daß im Falle einer Neuregelung dieser Tariffragen dann die Beteiligten bei der zuständigen Tarifkommission gehört werden. Betroffen ist ja nicht nur die Fleischbranche, sondern auch die Fischwirtschaft, die Wirtschaft für Baumschulerzeugnisse usw. Sind Sie also bereit, bevor eine neue Tarifänderung eintritt, die Beteiligten in Ihrem Hause zu hören?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511507800
Herr Kollege Unertl, diese Frage ist praktisch schon in den vergangenen Wochen mit den Beteiligten erörtert worden. Wir haben auf Grund von Anregungen einiger Kollegen des Hohen Hauses sowohl Gespräche — insbesondere — mit der Fischwirtschaft als auch mit anderen Bereichen geführt. Wir sind natürlich auch bereit, noch weitere Gespräche mit den Betroffenen zu führen. Angesichts der schwierigen Finanzlage der Deutschen Bundesbahn möchte ich allerdings heute keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß der nun genannte Termin 1968 wirklich der



Parlamentarischer Staatssekretär Börner
letzte Termin ist. Eine weitere Subventionierung dieses Bereiches kann nach meiner Auffassung nicht verantwortet werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511507900
Herr Prochazka!

Herbert Prochazka (CSU):
Rede ID: ID0511508000
Herr Staatssekretär, läuft diese Anordnung nicht den allgemeinen Bestrebungen der Bundesregierung zuwider, die Zonenrand- und Grenzgebiete mit Erschwernissen jeglicher Art zu verschonen und nichts zu unternehmen, was — wie das naturgemäß beim Inkrafttreten dieser Verordnung der Fall wäre — eine nicht unwesentliche Verteuerung nach sich ziehen würde?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511508100
Herr Kollege, ich wohne selbst im Zonenrandgebiet, ich kenne die Probleme der dort ansässigen Wirtschaft. Ich weiß aber auch, daß man diese Dinge etwas weiträumiger betrachten muß und daß die Zonenrandförderung in dem speziellen Fall praktisch nicht aus dem Wirtschaftsplan der Bundesbahn erfolgen kann. Das sind politische Lasten, die anders abgedeckt werden müssen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511508200
Herr Prochazka!

Herbert Prochazka (CSU):
Rede ID: ID0511508300
Kann diese Maßnahme, die in Aussicht genommen ist, mit den Bemühungen der Bundesregierung in Einklang gebracht werden, revierferne Gebiete durch Frachtvergünstigungen zu unterstützen, um sie konkurrenzfähig zu halten?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511508400
Das ist ein Problem, das nicht nur den Bereich Eilstückgutverkehr betrifft. Ich bin durchaus der Meinung, daß es im Zuge einer vernünftigen und von der Bundesregierung auch gewünschten Strukturpolitik liegen kann, bestimmte Frachtvergünstigungen zu gewähren, wie das in der Vergangenheit auch für das Zonenrandgebiet der Fall gewesen ist. Ich meine nur, bei dem Beispiel, das hier angesprochen wird, könnte man diese Gesamtfrage nicht ausdiskutieren.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511508500
Herr Haage!

Hermann Haage (SPD):
Rede ID: ID0511508600
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß es für diese Gebiete bereits ausreichende Frachthilfen gibt?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511508700
Ich würde sagen, Herr Kollege Haage, das Wort „ausreichend" unterliegt der politischen Wertung. Ich möchte mich dazu im Einzelfall nicht äußern.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511508800
Herr Unertl!

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0511508900
Herr Staatssekretär, wäre es möglich, in Verhandlungen von seiten der Bundesbahn auch mit der Bundespost unter Umständen eine
tragbare Lösung zu finden, die diese bereits aufgezeigten Erschwernisse wenigstens mildern könnte?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511509000
Ich bin gern bereit, Herr Kollege, Ihre Anregung an die zuständigen Stellen bzw. an den Herrn Bundespostminister weiterzugeben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511509100
Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dröscher:
Billigt das Bundesverkehrsministerium die Betriebspraxis und die Preisbildung der Deutschen Schlafwagen- und Speisewagengesellschaft m. b. H., deren Kapital sich überwiegend in der Hand der Deutschen Bundesbahn befindet, wenn sie in den DSGServierwagen für eine Portion Kaffee, die aus einigen Gramm Nescafé besteht, der im Pappbecher mit Heißwasser angefüllt wird, einen Preis von 1,65 DM erhebt und das ganze dann auf der Preisliste mit einer „Portion Nescafé mit Sahne und Zucker" verzeichnet hat?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511509200
Herr Kollege, zu Ihrer Frage hat sich die Deutsche Schlafwagen- und Speisewagengesellschaft auf Anfrage wie folgt geäußert: Der von der DSG in Bechern servierte Kaffee entspricht der Menge nach dem Inhalt von zwei normalen Tassen. Nach Ansicht der Gesellschaft hält sich der Preis von 1,65 DM, zu dem kein Bedienungszuschlag erhoben wird, in den Grenzen der Preise vergleichbarer Gaststätten. Die Gesellschaft weist auch darauf hin, daß sie mit wesentlich höheren Kosten belastet ist als ortsfeste Gaststättenbetriebe.
Ich darf auch darauf aufmerksam machen, daß der Bundesminister für Verkehr in die Geschäftsgebarung dieses privaten Unternehmens nicht unmittelbar eingreifen kann.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511509300
Herr Dröscher!

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0511509400
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, die früher schon einmal von mir in der Fragestunde angeschnittene Möglichkeit der Einrichtung von Automaten in Zügen erneut zu prüfen und damit das Problem kostenmäßig besser als in diesem Fall zu lösen, bei dem man bei Gestehungskosten von vielleicht 0,15 DM dem Kunden 1,65 DM abnimmt?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511509500
Herr Kollege Dröscher, ich bin durchaus der Meinung, daß die von Ihnen gegebene Anregung mit in die Bemühungen der Deutschen Bundesbahn gehört, durch Rationalisierung die Kosten zu senken. Wir wissen ja, daß besonders im Dienstleistungsbereich des Gaststättengewerbes die Personalfrage auch bei Speisewagen in den letzten Jahren sehr drängend geworden ist. Ich könnte mir vorstellen, daß durch eine solche Lösung sowohl dem Bedürfnis des Reisenden entsprochen als auch das Bemühen der Bundesbahn um Rationalisierung gefördert werden könnte.




Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511509600
Frau Meermann!

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0511509700
Herr Staatssekretär, wenn Sie sich schon mit diesem Thema befassen, würden Sie dann auch einmal feststellen, ob zwischen dem Essen in einem TEE-Wagen und dem in einem D-Zug nur ein Unterschied im Preis oder auch einer in der Qualität besteht.

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511509800
Sehr verehrte Frau Kollegin, auf Grund langjähriger Erfahrung als Bahnbenutzer bin ich gern bereit, Ihre Anregung aufzunehmen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511509900
Herr Unertl!

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0511510000
Herr Staatssekretär, ist es wegen der erwähnten Rationalisierungsmaßnahmen der Bundesbahn denn überhaupt verboten, auch Kaffee in Thermosflaschen dann mitzunehmen, wenn der dort verabreichte Kaffee zu teuer ist?

(Heiterkeit.)


Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511510100
Ich glaube nicht, daß die Bundesbahn gegenüber den Reisenden so engherzig ist.

(Erneute Heiterkeit.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511510200
Wir kommen dann zu der Frage 56 des Abgeordneten Rainer, zu Drucksache V/1842:
Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, wieviel Autounfälle pro Jahr auf den Bundesstraßen durch Alleebäume mitbeeinflußt werden?
Ist der Abgeordnete anwesend? - Herr Unertl übernimmt die Frage.
Bitte, Herr Staatssekretär!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511510300
Herr Präsident, ich wäre sehr dankbar, wenn ich die Fragen 56 und 57 wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten könnte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511510400
Ist der Fragesteller einverstanden? — Dann rufe ich noch die Frage 57 des Abgeordneten Rainer auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Verkehrssicherheit auf den Bundesstraßen durch die Beseitigung verkehrsgefährdender Alleebäume zu erhöhen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511510500
Herr Kollege, hierüber liegen keine offiziellen Angaben vor, da diese Unfallart in der amtlichen Straßenverkehrs-Unfallstatistik nicht besonders ausgewiesen ist. Es ist bekannt, daß Straßenbäume einerseits eine gute optische Verkehrsführung gewährleisten, andererseits aber je nach ihrem Abstand vom Fahrbahnrand gefährlich sein können. Deshalb kann eine Entscheidung darüber, ob Straßenbäume verkehrsgefährdend sind oder nicht, nur von Fall zu Fall und nicht generell getroffen werden.
In den einschlägigen Richtlinien für den Ausbau von Landstraßen sind die Querschnittsmaße für den lichten Raum festgelegt. Sie berücksichtigen den für die Verkehrssicherheit gebotenen seitlichen Abstand fester Einbauten neben der Fahrbahn, zu denen auch Bäume gehören. Beim Neu- und Umbau von Landstraßen werden diese Richtlinien eingehalten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511510600
Herr Unertl!

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0511510700
Herr Staatssekretär, sind Ihnen die letzten Verlautbarungen aus der Zeitung, die der Allgemeine Deutsche Automobilclub herausgibt, nicht bekannt? Dort werden die genauen Zahlen derjenigen genannt, die bei Verkehrsunfällen im Zusammenhang mit Bäumen ums Leben gekommen sind.

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0511510800
Doch, Herr Kollege, die Zahlen sind bekannt. Nur ist ihr Aussagewert begrenzt, da die amtliche Statistik, auf die wir uns stützen müssen, diese Angaben nicht gesondert ausweist. Aber Sie können sicher sein, daß diese Überlegungen beim Neubau von Straßen mit berücksichtigt werden — das habe ich ja eben gesagt — und daß darüber hinaus auch bei vorhandenen Landstraßen diese Frage durch die örtlich zuständigen, mit der Verkehrssicherheit befaßten Dienststellen immer wieder geprüft wird. Nur weise ich darauf hin, daß der Bundesverkehrsminister hier kein Weisungsrecht hat.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511510900
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen.
Ich rufe die Frage 46 des Abgeordneten Dr. Pohle auf:
Trifft die im Deutschen Ärzteblatt, Nr. 11/1967, wiedergegebene Erklärung des Dr. Spiess, Professor für Kinderheilkunde an der Universität Göttingen, zu, wonach die für die Pockenschutzimpfung in acht Landesimpfanstalten hergestellten deutschen Impfstoffe von unterschiedlicher Qualität sind und den nach deutschen oder internationalen Normen zu fordernden Standard nicht immer erreichen?
Bitte, Herr Staatssekretär Dr. von Manger-Koenig!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511511000
Ich darf die Frage wie folgt beantworten:
In der Bundesrepublik wird der Pockenimpfstoff in den sechs staatlichen Impfanstalten Berlin, Hamburg, Hannover, Düsseldorf, Darmstadt und München hergestellt. Der Bundesminister für Gesundheitswesen kann über die Qualität der in diesen Impfanstalten der Länder hergestellten Pockenimpfstoffe keine detaillierte Aussage machen, da diese bisher nicht einer vom Hersteller unabhängigen Prüfung unterliegen. Die Länder haben aber versichert, daß ihre Impfstoffe durchaus den an sie zu stellenden Anforderungen genügen.



Staatssekretär Dr. von Manger-Koenig
Eine Änderung der internationalen Vorschriften bedingt, daß ab 1. Januar 1967 für die Pockenschutzimpfung im internationalen Reiseverkehr nur noch ein Impfstoff verwendet werden darf, der den Normen der Weltgesundheitsorganisation entspricht und über den eine entsprechende Bescheinigung vorliegt. Auch hierzu haben die Länder versichert, daß ein solcher Impfstoff bei ihnen hergestellt wird.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511511100
Herr Dr. Pohle zu einer Zusatzfrage.

Dr. Wolfgang Pohle (CSU):
Rede ID: ID0511511200
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten hält die Bundesregierung für gegeben, um tatsächlich bestehende Mängel in der Herstellung und der Auslieferung von Impfstoffen abzustellen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511511300
Nach meiner Kenntnis kann nicht davon ausgegangen werden, daß in der Herstellung und Auslieferung von Impfstoffen Mängel bestehen. Der Impfstoff ist zwar zum Teil in den Wirksamkeitswerten unterschiedlich, entspricht dabei aber immer noch den deutschen gesetzlichen Bestimmungen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511511400
Herr Dr. Pohle zu einer zweiten Zusatzfrage.

Dr. Wolfgang Pohle (CSU):
Rede ID: ID0511511500
Sind ,die nötigen Kontrollen über die Herstellung von Impfstoffen sichergestellt, Herr Staatssekretär?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511511600
Das Reichsimpfgesetz regelt die Herstellung des Impfstoffs. Die danach vorgeschriebenen Kontrollen sind sichergestellt. Allerdings muß darauf hingewiesen werden, daß wir einen Verordnungsentwurf auf Grund des Arzneimittelgesetzes über Seren und Impfstoffe ausgearbeitet haben, die seit 1965 dem Bundesrat vorliegt. Es ist zu hoffen, daß diese Verordnung, die zu einer einheitlichen Prüfungsmethodik führen würde, bald verabschiedet wird.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511511700
Ich rufe die Frage 47 des Abgeordneten Dr. Pohle auf:
Aus welchem Grund bezieht die Bundeswehr, wie das in Frage 46 genannte Blatt mitteilt, ihre Impfstoffe ausschließlich aus der Schweiz?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511511800
Ich darf die Frage wie folgt beantworten:
Nach Auskunft des Bundesministers der Verteidigung verwendet die Bundeswehr ausländischen gefriergetrockneten Impfstoff, weil dieser weit länger lebensfähig als flüssige Lymphe und in seiner Qualität gleichgleibend ist. Diese Vakzine wurde bisher von deutschen pharmazeutischen Firmen aus dem Ausland importiert. Die Bundeswehr hat mehrfach versucht, auch staatliche Impfanstalten in die Beschaffung einzuschalten. Diese Impfanstalten konnten aber den Impfstoff bislang weder in den erforderlichen Mengen noch ebenso preiswert liefern.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511511900
Zu einer Zusatzfrage, Herr Dr. Pohle.

Dr. Wolfgang Pohle (CSU):
Rede ID: ID0511512000
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die acht Landesimpfanstalten zwar Trockenimpfstoff für die Pockenschutzimpfung herstellen, die Bundeswehr aber bisher solchen Impfstoff von den Landesimpfanstalten noch nicht bezogen hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511512100
In den Diskussionen, die wir mit den Ländern laufend führen, ist bekannt geworden, daß einige Länder ihre Impfstoffherstellung in diesen Monaten auf die Herstellung von gefriergetrocknetem Impfstoff umstellen. Die Kapazitäten in diesen Impfanstalten reichen aber noch nicht aus, um den erheblichen Bedarf der Bundeswehr sicherzustellen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511512200
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Pohle.

Dr. Wolfgang Pohle (CSU):
Rede ID: ID0511512300
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob die Behring-Werke in Marburg an der Lahn und die Swiss Pharma in Lörrach (Baden) bei dem von ihnen an die Bundeswehr verkauften Trockenimpfstoff für Pockenschutzimpfungen auch als Hersteller oder nur als Zulieferer fungiert haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511512400
Das sind die beiden Firmen, die diesen Impfstoff aus der Schweiz importiert haben. Nach den gültigen Vorschriften ist es zulässig, daß dieser Impfstoff dann unter dem Etikett der importierenden Firma bereitgestellt und verkauft wird.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511512500
' Ich rufe dann die Frage 48 des Abgeordneten Dr. Pohle auf:
Sind bei dem in der Bundesrepublik Deutschland angewendeten Massenimpfverfahren die Möglichkeiten zur Aufnahme der erforderlichen Anamnesen ausreichend, um das Risiko von Impfschäden auszuschließen oder auf ein Mindestmaß zu verringern?
Bitte, Herr Staatsekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511512600
Ich darf die Frage wie folgt beantworten: Die Durchführung des Impfgesetzes ist Angelegenheit der Länder, die dazu im wesentlichen übereinstimmende Vorschriften erlassen haben. Diese Vorschriften stützen sich auf ein Gutachten des Bundesgesundheitsamtes vom Jahre 1958 über die Durchführung des Impfgesetzes, das die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt.
Wenn nach diesen Vorschriften verfahren wird, ist die Gewähr dafür gegeben, daß auch bei öffentlichen Impfterminen vom Impfarzt eine Vorgeschichte erhoben und der Feststellung der Impffähigkeit des Impflings die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet wird.




Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511512700
Keine Zusatzfrage?
— Ich rufe dann die Frage 49 des Abgeordneten Spitzmüller auf:
Hält die Bundesregierung die Vorschläge des Deutschen Ärztetages für richtig, einheitliche Packungsgrößen für Arzneimittel einzuführen?
Herr Staatssekretär, bitte!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511512800
Es ist der Bundesregierung bekannt, daß die Deutsche Ärzteschaft schon seit mehreren Jahren der pharmazeutischen Industrie Vorschläge zur Vereinheitlichung der Packungsgrößen der Arzneispezialitäten gemacht hat. Das Anliegen der Deutschen Ärzteschaft ist insoweit verständlich, als eine Vereinheitlichung der Packungsgrößen eine Erleichterung für die Verschreibung der Ärzte mit sich bringen würde.
Der jetzige Zustand bringt sicher für den einzelnen Arzt Belastungen mit sich. Sie sind jedoch nicht derart schwerwiegend, daß sie die Sicherheit der Arzneimittelversorgung gefährden. Deshalb halte ich es nicht für eine Aufgabe der Bundesregierung, sich mit den Abpackungsmengen für Arzneimittel zu befassen. Es erscheint mir auch sehr fraglich, ob eine derartige Regelung für alle Anwendungsgebiete gelten kann. Die jeweilige Arzneimittelmenge muß sich nach der für bestimmte Krankheiten und Behandlungsmethoden erfahrungsgemäß durchschnittlichen Anwendungsdauer richten. Aber auch eine solche, auf den Durchschnitt abgestellte Regelung könnte nicht ohne Ausnahmen bleiben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511512900
Keine Zusatzfrage?
— Dann rufe ich die Frage 50 des Abgeordneten Spitzmüller auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um die in Frage 49 erwähnte Anregung zu verwirklichen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511513000
Die Bundesregierung hält es nicht für möglich, etwa durch gesetzliche Vorschriften die Arzneimittelhersteller zu bestimmten Packungsgrößen zu zwingen, da der jetzige Zustand — wie ich eben ausgeführt habe — keine Gefährdung der Öffentlichkeit darstellt. Die vorgeschlagene Vereinheitlichung der Abpackungsmengen sollte nicht durch eine rechtsverbindliche Regelung, sondern könnte allenfalls auf Grund einer Absprache zwischen der Ärzteschaft und dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie erfolgen.
Außerdem ist mir bekannt geworden, daß vor kurzem ein Fachnormenausschuß „Medizin" im Deutschen Normenausschuß gebildet wurde, der sich meines Erachtens mit dieser Frage beschäftigen sollte und der im Oktober seine Beratungen aufnehmen wird.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511513100
Herr Abgeordneter Spitzmüller, zu einer Zusatzfrage.

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0511513200
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung bereit ist, jede Hilfestellung zu geben, zu einer freiheitlichen Vereinbarung zu kommen, daß sie es aber ablehnt, irgendwelche gesetzlichen Krücken zu liefern?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511513300
Man sollte nicht durch Gesetze regeln wollen, was sich durch freiwillige Regelung zwischen den Beteiligten erreichen läßt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511513400
Frau Meermann, zu einer Zusatzfrage.

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0511513500
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für möglich, daß durch einheitliche Packungsgrößen eine Preisbewegung für Medikamente nach unten erfolgen könnte, wenn der Patient erst bei gängigen Medikamenten, z. B. bei Grippetabletten, feststellen kann, daß er für die gleiche Menge bei verschiedenen Fabrikaten sehr unterschiedliche Preise bezahlen muß?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511513600
Zunächst wird die Vereinheitlichung der Packungsgrößen erhebliche Umstellungen in den Konfektionierungsmaschinen der Industrie notwendig machen. Das aber bedeutet wieder eine entsprechende Erhöhung der fixen Kosten, die sich auf den Preis niederschlagen wird. Im übrigen sagte ich schon, daß es durchaus möglich und bisher auch ,die Regel ist, daß die einzelnen Abpackungsmengen auf den individuellen Bedarf abgestellt werden. So werden z. B. Medikamente gegen Reisekrankheit in kleinsten Dosierungen abgegeben; dem Durchschnittsgebrauch entsprechend. Das halten wir ebenso für eine den Verbraucherwünschen Rechnung tragende Verbilligungsmethode.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511513700
Keine weiteren Fragen. Damit ist die Fragestunde geschlossen.
Wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1967 (Haushaltsgesetz 1967)

— Drucksachen V/1000, V/1235, V/1751 bis V/1781, V/1800 —
Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung
— Drucksache V/1872 —
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511513800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während der bisherigen Haushaltsberatungen wurden eine Fülle von Beiträgen sowohl von den Abgeordneten dieses Hohen Hauses als auch von der Regierungsbank geleistet, die wir natürlich mit der größten Aufmerk-



Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
samkeit angehört haben. Leider war ich nicht in der Lage, während der ganzen Beratungen zugegen zu sein, weil mich andere dienstliche Verpflichtungen abgehalten haben. Ich bitte daher um Nachsicht, wenn ich nicht jetzt schon in dieser Debatte auf alle Fragen, die etwa an mich gestellt worden sind, Antwort gebe. Mir liegt aber daran, daß am Schluß unserer Haushaltsberatungen doch noch einmal vom Regierungschef selbst der Versuch gemacht wird, eine zusammenfassende Darstellung zu geben, damit nicht schließlich vor lauter Bäumen der Wald aus unserem Gesichtsfeld verschwindet. Ich will hier nicht wiederholen, was die einzelnen Chefs der Ressorts im Laufe der Beratungen vorgetragen und auf Fragen und Kritik geantwortet. Ich will auch nicht vorwegnehmen, was der Bundesfinanzminister sicherlich noch im Laufe dieser Beratungen aus seinem Arbeitsfeld vortragen wird. Lassen Sie mich aber noch einmal auf folgende Dinge hinweisen.
Als diese Regierung gebildet wurde, fand sie eine besorgniserregende innen- und außenpolitische Situation vor: innenpolitisch die zunehmende Konjunkturabschwächung, drohende Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit, dann eine völlig verfahrene Haushalts- und finanzpolitische Situation, außenpolitisch eine stagnierende, zwielichtige und alles in allem recht unbefriedigende und sogar beunruhigende Lage. Selbstverständlich konnte die Regierung in dem halben Jahr, in dem sie nun gearbeitet hat, nicht alle Aufgaben zu Ende führen. Das im Jahre 1969 getan zu haben, wäre schon ein Riesenerfolg. Sie konnte einiges abschließen. Auf vielen anderen Gebieten hat sie, lassen Sie mich dieses Bild gebrauchen, Stollen vorangetrieben, und es ist natürlich nicht immer möglich, genau zu sagen, wieweit sie mit dieser Arbeit gediehen ist.

(Zurufe von der FDP.)

Daß die Opposition gerade diese Tätigkeit der Regierung mit souveräner Nichtachtung übergangen hat, kann ich ihr nicht verargen, um so mehr, als es ja auch nicht möglich ist, über den präzisen Stand dieser Arbeiten in jedem Ressort ganz exakte Angaben zu machen. Aber es ist so, daß diese Regierung — Sie wissen es, auch die Opposition weiß es — vom ersten Tage an mit größter, angespanntester Energie an die Bewältigung der Aufgaben, die vor ihr liegen, herangegangen ist. Ich will also nicht wiederholen, was an Erfolgsbilanz hier schon vorgetragen worden ist. Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine Mahnung aussprechen. Sie wissen, daß ich selbst den Vorsitz im Kabinettsausschuß für mittelfristige Finanzplanung übernommen habe und daß ich mich in dieses schwierige und komplizierte Gebiet und in dieses völlig neuartige Wagnis, das wir unternommen haben, einzuarbeiten versucht habe. Ich weiß also aus erster Hand, wie es um die Dinge steht. Sie liegen — es ist eine Banalität, es noch einmal zu wiederholen - ernst. Als der Bundesbankpräsident kürzlich einmal sagte, das, was wir alle, die Regierung und dieses Hohe Haus, im Blick auf die Haushalte der nächsten Jahre zu leisten hätten, sei eine Herkulesarbeit, hat er damit wirklich nicht übertrieben. Es ist eine Herkulesarbeit.
Wir wissen, daß dabei unserem Volk auch einiges zugemutet werden muß. Es müssen alle Schichten unseres Volkes da und dort einfach die Pflöcke zurückstecken. Ich habe Verständnis dafür, wenn die Vertreter ganz besonderer Interessen — und ich nehme dieses Wort „Interessen" jetzt nicht etwa abschätzig in den Mund, sondern ich spreche von durchaus legitimen Interessen — glauben, gerade auf ihrem Gebiete dürften die Pflöcke nicht zurückgesteckt werden. Ich kann nur sagen, sie täuschen sich. Die Pflöcke müssen nahezu auf allen Gebieten zurückgesteckt werden. Wenn wir jetzt nicht anfangen, wenn wir die Entscheidungen vor uns herschieben, wenn wir glauben, bittere Dinge dürften erst im letzten Jahr getan werden,

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)

dann könnten wir erleben, daß die Bereitschaft unseres Volkes, die heute wirklich noch vorhanden ist, diese ihm zugemuteten Opfer zu bringen, allmählich erlahmt und daß wir dann vor einer sehr schwierigen psychologischen und politischen Situation stehen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Ich will auf die Einzelheiten nicht eingehen. Es sind einige Gefahrensignale in diesen Beratungen aufgeleuchtet. Ich war sehr froh zu erfahren, daß in einem interfraktionellen Gespräch, das offenbar gestern abend stattgefunden hat — wir hatten im Kabinett gestern vormittag darüber gesprochen —, zwischen den beiden Koalitionsfraktionen noch einmal der Grundsatz betont wurde: Es gibt keine Tabus, d. h. wir überprüfen alles.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Ich sagte, wir haben ein ganz neues Wagnis unternommen mit dieser Aufgabe der mittelfristigen Finanzplanung. Die Idee ist alt. Ich weiß noch aus Baden-Württemberg, wie Herr Dr. Alex Möller seinerzeit dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg den Rat gab, diese Aufgabe zu übernehmen. Aber ich merkte dann erst im Laufe der Zeit, wie schwierig es ist, über ein bloßes Streichquintett hinaus zu dem zu kommen, was man wirklich eine mittelfristige Finanzplanung nennen kann. Das, was bisher geschehen ist, ermutigt mich zu der Hoffnung, daß es diesmal wirklich gelingt, mehr zu tun, als zu streichen — also nicht nur, wie ich in meiner Regierungserklärung sagte, mit der Holzaxt dazwischenzufahren —, und daß dabei wirklich auch ein politisches Programm gewonnen wird, das sich sehen lassen kann.
Die Dinge stehen so, daß wir noch eine Sitzung des Finanzkabinetts brauchen und daß wir dann am 5. Juli im Kabinett diese mittelfristige Finanzplanung verabschieden werden. In der Zwischenzeit werden die Ressorts natürlich alle Mühe haben, ihre Tränen darüber zu vergießen, was ihnen alles zugemutet wird. Das ist eine unausbleibliche Folge einer solchen Arbeit. Aber ich hoffe, daß alle gemeinsam



Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
von dem Willen zur Bewältigung dieser schwierigen Haushaltssituation beseelt sein werden. Meine Damen und Herren, ich habe schon oft gesagt, an dieser Aufgabe werden wir gemessen werden. Lassen wir uns nicht dadurch täuschen, daß vielleicht durch andere Fragen das augenblickliche Interesse stärker bewegt wird. An unserer Kraft, die Haushalts- und Finanzsituation der kommenden Jahre in Ordnung zu bringen — und zwar gilt das nicht nur für die Haushalte des Bundes, sondern wir müssen auch eine vernünftige Relation der Haushalte des Bundes, der Länder und der Gemeinden herstellen —, werden wir gemessen werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich wiederhole es: Hier siegen wir oder hier unterliegen wir.
Auf dem Gebiete der Wirtschaftspolitik haben wir, so meine ich, unser Möglichstes getan. Ich gehöre nicht zu den dogmatischen Köpfen, d. h. ich glaube nicht an die Machbarkeit aller Dinge und am wenigsten an die Machbarkeit aller Dinge auf dem Gebiete der Wirtschaft. Ich weiß, daß hier Spotaneität und staatliche Intervention, wo diese notwendig ist, zusammenwirken müssen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich weiß nicht recht, ob ich noch einmal sagen soll, was ich auf dem Parteitag der CDU in Braunschweig gesagt habe, nämlich daß ich der festen Überzeugung bin, daß das, was wir hier tun, nach wie vor den guten alten Namen der sozialen Marktwirtschaft verdient.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Soziale Marktwirtschaft — das sage ich zu niemandes Lust und zu niemandes Leid.

(Abg. Schmidt [Hamburg] : Nicht nach wie vor, sondern jetzt erst! — Heiterkeit in der Mitte. — Beifall bei der SPD.)

— Das ist natürlich eine ganz neuartige Interpretation, Herr Kollege Schmidt. Lassen Sie mich die Wahrheit in der Mitte suchen.

(Abg. Schmidt [Hamburg] : Schon besser!)

Ich würde sagen, es ist die soziale Marktwirtschaft, angepaßt an die neue Phase der Entwicklung, in die wir eingetreten sind;

(Beifall bei der CDU/CSU — Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

eine Phase, die durch eine Reihe von neuen Umständen gekennzeichnet ist, nämlich durch die Umwandlung, die Ausdehnung und die Integration der Märkte, durch die Abschwächung der wirtschaftlichen Zuwachsraten und — nach meiner Meinung das Wichtigste — durch tiefgreifende strukturelle Wandlungen. Aber das Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft, nämlich ein Maximum an Freiheit und das Notwendige an sozialer Gerechtigkeit, gilt auch für diese Phase.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Weil mir ,der Satz in Braunschweig so gut gefallen
hat, wiederhole ich ihn auch jetzt: Die soziale
Marktwirtschaft hat zu beweisen, daß sie nicht nur als Schönwetterpolitik etwas taugt, sondern daß sie auch einem rauheren Klima gewachsen ist.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dabei — ich wiederhole es — wissen wir, daß zwischen Spontaneität und staatlicher Intervention eine geheimnisvolle Beziehung besteht, daß es sehr auf ein Klima des Vertrauens ankommt; und dieses Klima des Vertrauens hängt natürlich ganz wesentlich davon ab, inwieweit unser Volk Vertrauen in diese Regierung, in die sie tragende Koalition setzt. Es ist ohne Zweifel so — die demoskopischen Umfragen bestätigen uns das ja —, daß dieses Vertrauen glücklicherweise vorhanden ist, ,daß unser Volk von dieser Koalition und ihrer Regierung, der Regierung dieser Koalition, erwartet, daß sie vor allen Dingen den Bereich, der ihr in besonderem Maße anvertraut ist, ,den finanzpolitischen und Haushaltsbereich, in Ordnung hält. So wird auch die Wirtschaft dieses Vertrauen, das notwendig ist, um die Investitionsfreudigkeit in der Wirtschaft zu vermehren, zurückgewinnen, und sie hat es schon zu einem erheblichen Teil zurückgewonnen.
Ich weiß nicht recht, wie ich das nun sagen soll, was ich jetzt sagen will. Als Kanzler bin ich natürlich verpflichtet, nicht nur auf meine Ressortchefs zu hören. Das wäre der Gläubigkeit ein wenig zu viel.

(Heiterkeit und Beifall in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

Ich muß bei allem Respekt für die Ressortchefs versuchen — —

(Zuruf von der SPD: Die Fraktionschefs nicht zu vergessen!)

— Die Fraktionen kommen noch, Herr Dr. Moeller. Ich muß versuchen, mir bei allem Respekt für meine Ressorts und ihre Chefs ein unbefangenes Urteil zu erlauben. Ich habe schon einmal gesagt: Prophete rechts, Prophetie links, das Weltkind in der Mitte. Natürlich höre ich mit äußerstem Respekt auf das, was die Fraktionen und deren Sachverständige mir zu sagen haben. Und ich höre auch darauf, was die Opposition zu sagen hat, und je seriöser sie es sagt, desto genauer höre ich hin.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nun habe ich manchmal, wenn ich Presseberichte studiere, wenn ich einzelne Äußerungen lese, das Gefühl einer gewissen Kryptokritik. Es wird in der einen oder anderen Zeitung gesagt: Ja, also da stimmt etwas nicht ganz. Es wird ein Gefühl des Unbehagens ausgedrückt. Aber es ist kein Fleisch an diesen kritischen Knochen; und ich suche nach diesem Fleisch, ich möchte mich ja gern auseinandersetzen.
Ich habe des öfteren unseren verehrten, von mir hoch geschätzten Wirtschaftsminister Professor Schiller zitiert, nicht etwa, um mich über ihn lustig zu machen, sondern über diejenigen, die an einigen seiner Äußerungen und einigen seiner termini technici diese kryptokritischen Bemerkungen ange-



Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
wandt haben. Wenn ich sagte „Globalsteuerung", „konzertierte Aktion", „Investitionshaushalt" und „soziale Symmetrie", dann habe ich mich an diejenigen gewandt, die dabei ein Gefühl hatten: da kann doch etwas nicht stimmen; das sind ja neue Wörter, und wir haben uns doch im Laufe der Jahre so behaglich auf die alten eingerichtet.

(Zustimmung bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, wenn schon Kritik, dann klare Kritik; denn wir alle haben doch nur ein Interesse — der Wirtschaftsminister wie ich und wie Sie —, daß wir die schwierigen Aufgaben, die vor uns liegen, auch wirklich mit den richtigen Maßnahmen bewältigen können, und wir haben nicht ein Interesse daran, uns über Termini technici zu streiten. Mit Worten läßt sich bekanntlich trefflich streiten, mit Worten ein System bereiten.

(Heiterkeit.)

Ich bitte also alle Kritiker, daß sie — —(Zurufe)

— Natürlich, aber da wir nur Worte zur Verfügung haben, um uns miteinander auseinanderzusetzen, müssen wir auch, wenn neue Wörter geprägt werden, diese neuen Wörter unbefangen aufnehmen und unbefangen prüfen.
Ich meine aber mit dieser Kryptokritik nicht dieses Hohe Haus, sondern ich meine damit manche Kreise der Öffentlichkeit, die nicht zustimmen wollen, die aber zu gewisesn Maßnahmen auch keine konkreten kritischen Aussagen zu machen vermögen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Das nützt uns nichts, das nützt unserem Volk nichts. Ich bitte also, wenn schon jemand kritisiert, dann heraus aus den Höhlen und deutlich gesagt, was man meint! Dann wird man sich besser verstehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Lassen Sie mich auf dem Gebiet der Innenpolitik nur noch zu einem Punkt etwas sagen. Es hat hier Mißverständnisse gegeben. Ich habe Herrn Scheel auf seine Intervention zum Wahlrecht etwas gesagt. Ich habe gesagt, er wirft uns vor, daß wir aus der Großen Koalition einen Fetisch machen, und nimmt es uns gleichzeitig übel, daß wir am Beginn dieser Großen Koalition zugleich auch deren Ende bedacht und für deren Ende vorgesorgt haben, nämlich dadurch, daß wir an die Begründung eines Wahlrechts dachten, das dann eindeutige Mehrheiten bei den Wahlen bringen würde.
Aus einigen Äußerungen der letzten Tage ist der Eindruck entstanden, als ob sich die Koalition in dieser Frage nicht mehr einig sei. Ich kann dazu nur sagen: das ist nicht der Fall. Die Frage des Wahlrechts ist genauso aktuell, wie sie es bei der Begründung der Großen Koalition war.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Hört! Hört! bei der FDP. — Abg. Dr. Mende: Wo bleibt der Beifall der sozialdemokratischen Fraktion? — Zuruf von der FDP: Applaus, meine Herren, Applaus! — Abg. Schmidt [Hamburg] spendet, zur Seite der FDP gewandt, demonstrativ Beifall.)

— Sie haben gesehen, Herr Mende, der Applaus ist gekommen; Ihr Wunsch hat sich erfüllt.

(Zuruf von der FDP.)

Meine Damen und Herren, auf außenpolitischem Gebiet lag, wie ich sagte, eine stagnierende, zwielichtige und alles in allem wenig zufriedenstellende, ja beunruhigende Situation vor. Wir haben in den vergangenen Monaten versucht, die Atmosphäre zu klären. Sie wissen, daß wir versucht haben, mit Frankreich sofort bessere, klarere Beziehungen herzustellen. Ich verhehle mir nicht, daß die Wiederbelebung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages eine schwierige Aufgabe ist, daß das, was wir bei der ersten Unterhaltung im Januar in Paris erreicht haben, eben nur ein Anfang des guten Willens war und daß gezeigt werden muß, auf welchen Gebieten unsere beiden Völker wirklich jene weit gespannte, gemeinsame politische Arbeit unternehmen können, von der im Januar in Paris die Rede war. Natürlich hat diese Arbeit in der Zwischenzeit nicht geruht. Die Ressorts haben auf vielen, vielen Gebieten mit den entsprechenden Ressorts in Paris beraten, haben gemeinsame Projekte ins Auge gefaßt. Wir werden am 12. und 13. Juli das erste Mal Gelegenheit haben, das bisherige Ergebnis unserer Zusammenarbeit zusammenzufassen, wenn der französische Präsident zu seinem Besuch nach Bonn kommt. Die Bundesregierung jedenfalls wird in diese Beratungen mit einem genau bedachten, genau überlegten Programm gehen, und wir hoffen, daß wir uns mit unseren französischen Freunden über dieses Programm werden einigen können.
Das Hohe Haus weiß, daß in wichtigen Fragen die deutschen und die französischen Auffassungen nicht übereinstimmen. Auch hier haben wir bei den Beratungen im Januar versucht, möglichst Klarheit zu schaffen. Wir sind, wie Sie wissen, entschieden für den Eintritt Großbritanniens und der anderen — etwa jetzt Irlands und Dänemarks — in den Gemeinsamen Markt, in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft.
Wir halten am militärisch integrierten System des nordatlantischen Bündnisses fest und wünschen die Anwesenheit amerikanischer Streitkräfte in Europa und insbesondere auf deutschem Boden.
Das alles drängt uns. Aber es drängt uns nicht so sehr — so stellten wir im Januar fest, und so dürfen wir heute feststellen —, daß nicht noch eine Zusammenarbeit großen Stiles möglich wäre. Ich glaube sogar, daß der Bundesrepublik in diesem schwierigen Komplex, in diesem schwierigen Verhältnis zwischen Paris, Washington und London vielleicht eine besondere Aufgabe zukommt, und ich glaube, ein wenig haben wir das bereits bei der letzten Konferenz der Regierungschefs in Rom beweisen können. Sie wissen, daß unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten, lassen Sie mich's ruhig so sagen, nicht so in Ordnung war, wie wir es gern wünschten und, ich glaube, ich darf sagen, wie es auch in Amerika gewünscht wird. Wir gehen nach wie vor von der Feststellung aus — und das ist eine Feststellung, die, glaube ich, niemand in Europa bestreitet —, daß im Falle einer Aggression gegen Westeuropa Westeuropa seine Freiheit, sei-



Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
nen Frieden aus eigenen Kräften nicht auf lange Zeit bewahren könnte. Das heißt, wir sind auf die Hilfe der Vereinigten Staaten in einem solchen Fall unbedingt angewiesen. Nun sollte man nach meiner Meinung nicht einfach, fast ein wenig leichtfertig, davon ausgehen, daß man, wenn je eine solche Aggression geschähe — ich glaube nicht, daß irgend jemand eine Aggression in der von uns übersehbaren Zeit beabsichtigt; aber Politik muß ja von solchen gedachten Möglichkeiten ausgehen — sagen könnte: in einem solchen Falle müßten die Vereinigten Staaten ohnehin intervenieren. Meine Damen und Herren, ob interveniert wird oder nicht interveniert wird, bestimmt sich eben sehr häufig in der Geschichte nicht nur nach den Gesetzen der reinen Logik, sondern auch nach den Bindungen und Beziehungen, die zwischen den Völkern bestehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien)

Ich finde, wir sollten alles tun, um Mißverständnisse auszuräumen, Mißtrauen zu beseitigen, und wir sollten unsere Beziehungen auf einen sehr festen Grund stellen.
Ich glaube, wir können sagen, daß wir mit unseren Bemühungen in den vergangenen Monaten hier mancherlei erreicht haben. Ich erinnere Sie noch einmal an die Schwierigkeiten: erstens die Frage des Devisenausgleichs, zweitens die Frage der Truppenreduktionen, drittens die Frage des Atomsperrvertrages; und ich darf auch eine vierte große, sich immer schärfer abzeichnende Problematik nennen: das Problem der zukünftigen internationalen Währungsordnung, das Problem der internationalen Liquidität, das sicher bei unseren zukünftigen Gesprächen mit den Vereinigten Staaten eine bedeutende Rolle spielen wird.
In all diesen Fragen drängten wir darauf, sie nicht isoliert zu behandeln, sondern sie im Rahmen eines gemeinsamen politischen Konzepts zu sehen, zu bedenken und zu beraten. Ich war außerordentlich froh, daß sich bei meinen Gesprächen mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten diese gemeinsame Einsicht durchsetzte, und ich bin überzeugt, daß bei den Gesprächen, die ich am 7. und 8. Juli in Washington mit dem amerikanischen Präsidenten haben werde, das, was wir hier in Bonn begonnen haben, auf eine gute Weise fortgesetzt werden wird.
Ich wiederhole: mir liegt daran, daß unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten so klar, so entschieden, so deutlich definiert wie möglich sich fortentwickelt, daß wir in einer umfassenden Bestandsaufnahme unsere gemeinsamen Interessen feststellen und auch offen darüber sprechen, wo möglicherweise unsere Interessen voneinander abweichen. Das ist die einzige Art, gute Politik miteinander zu machen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie wissen, daß eine meiner großen Sorgen seit vielen, vielen Jahren — und ich weiß, daß ich das auch von diesem Hohen Hause sagen kann: eine unserer großen Sorgen in den vergangenen Jahren — die Frage nach der Zukunft Europas ist. Man geniert sich fast, über dieses Thema noch zu sprechen nach so vielen europäischen Festreden, nach so vielen europäischen Debatten seit so vielen zurückliegenden Jahren. Und doch ist es das große Thema dieses Kontinents und d a s große Thema unserer Generation. Es mag manches wichtig, manches sehr wichtig sein; aber nach meiner festen Überzeugung ist es das Wichtigste, daß es uns Europäern gelingt, nicht nur unsere wirtschaftlichen, sondern auch unsere politischen Kräfte, mit welchen Methoden auch immer, so miteinander zu verbinden, daß Europa als eine handlungsfähige Entität in der Geschichte des Restes dieses Jahrhunderts aufzutreten vermag.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich glaube, daß es eine der vornehmsten Aufgaben dieser Großen Koalition sein wird, hier neue Initiativen zu ergreifen. Man gewöhnt sich natürlich im Laufe der Jahre auch hier daran, sich in eingefahrenen Bahnen zu bewegen, und wenn dann neue und überraschende Faktoren auftreten, braucht man eine gewisse Zeit, sich auf diese neuen Dinge einzustellen. Das soll uns nicht hindern, diesen Weg weiterzugehen, und ich hoffe, daß es uns auch gelingen wird, das etwas verbleichende, verblichene Interesse der Vereinigten Staaten für diese große Aufgabe wieder zu beleben. Denn auch hier sind wir auf die Sympathie und die Unterstützung der Vereinigten Staaten angewiesen. Meine Damen und Herren, ich habe keinen Satellitenkomplex gegenüber den Vereinigten Staaten. Ob man Satellit ist oder nicht, hängt ganz einfach davon ab, ob man das, was möglich und nötig ist, aus den eigenen Kräften tut, die einem zur Verfügung stehen, oder nicht.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das ist die schlichte Aufgabe, und dann werden wir auch von unserem größeren Partner respektiert werden.
Wenn ich „Europa" sage, dann möchte ich jetzt nicht das sehr viel kühnere Wort des französischen Präsidenten in den Mund nehmen: Europa vom Atlantik bis zum Ural, oder: von einem Ende bis zum anderen, — ein Wort, das ich nie etwa lächelnd mit heruntergezogenen Mundwinkeln angehört habe, weil es nämlich ein Wort ist, das zwar eine sehr kühne Zukunfsvision vorwegnimmt, aber eine Zukunftsvision, die wir um des Schicksals dieses Kontinentes willen alle im Kopfe haben müssen. Europa von einem Ende bis zum anderen: wer das ablehnt, der bejaht die permanente Existenz eines europäischen Antagonismus, der nicht nur Europa, sondern vor allem unser eigenes Volk in zwei Teile zerschneidet.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nun weiß ich wohl, man ist großen Worten gegenüber vorsichtig, und ich bin es auch. Wann, wie, auf welche Weise sich dieser europäische Antagonismus eines Tages überwinden läßt, wann endlich jene europäische Friedensordnung heraufdämmern wird, die wir alle wünschen, das vermag keiner von uns zu sagen. Politik — ich wiederhole es — ist



Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
keine Reißbrettaufgabe ; Politik kann nicht nach einem genauen Fahrplan gemacht werden, es sei denn, es handelt sich um eine kurzfristige politische Aktion, wo eine derartige Kalkulierbarkeit noch möglich ist. Ich kann es nicht anders sagen als so: Ich komme mir, und ich denke, wir kommen uns als Menschen vor, die wissen, daß sie in eine bestimmte Richtung gehen müssen, in einem unwegsamen Gelände durch Sümpfe und Dschungel hindurch, daß sie einen Weg bahnen müssen einem Ziel entgegen. Wir wissen nicht, was uns da unterwegs begegnet, welche Hindernisse auftauchen werden, welche Rückzüge wir antreten müssen, welche Änderungen der Zielrichtungen wir vorzunehmen gezwungen sein werden. Wir wissen nur eines: daß der Weg in diese Richtung gehen muß und daß wir alle Kraft daransetzen werden, diesen Weg so rasch wie möglich zu bahnen. Das ist der Weg zu einer europäischen Friedensordnung, und das ist auch der Weg zur Überwindung der Spaltung unseres Volkes.
Meine Damen und Herren, wir alle wissen, daß die Überwindung der Spaltung unseres Volkes, wenn wir nicht auf einer der skurrilen und gefährlichen Launen der Geschichte warten wollen, in der Tat nur durch ein Arangement mit Moskau möglich sein wird. Daß unsere ersten politischen Versuche in Moskau nicht mit Jubel aufgenommen worden sind, hat mich nicht verwundert. Überall in der Welt muß man sich, wenn eine neue Politik beginnt, erst auf diese neue Politik einstellen, sich an sie gewöhnen.

(Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Sogar bei uns!)

— Natürlich, überall in der Welt.
Ich sage nur eines, auch an die Adresse Moskaus: Es ist nicht wahr, daß es sich bei dieser Politik nur um eine raffiniertere Terminologie, um eine raffiniertere Aussageweise handelt. Diese Politik hat ein neues entscheidendes Element, das — ich wiederhole es — auf die Herbeiführung einer europäischen Friedensordnung und auf die Überwindung des europäischen Antagonismus gerichtet ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Eine solche Politik bringt es notwendigerweise mit sich, daß man auch einmal Fehler macht oder daß man in der Realisierung dieser Politik einen falschen Eindruck erweckt. Ich will die Gelegenheit noch einmal benutzen, um zu wiederholen, was ich schon an anderer Stelle gesagt habe: Die Friedensnote des vergangenen Jahres, die eine Note bester Absicht war, konnte vielleicht den Eindruck erwecken, daß sie zu stark an die übrigen östlichen Nachbarn und weniger pointiert an die Adresse Moskaus gerichtet war. Das war sicher nicht die Absicht; aber der Eindruck konnte entstehen. Wenn wir dann mit Rumänien diplomatische Beziehungen aufgenommen haben, einem Land, das sich ohne Zweifel durch einen besonders starken Willen zur Eigenständigkeit auszeichnet, dann konnte dieser Eindruck sogar verstärkt werden.
Ich erkläre hier ausdrücklich: Man soll doch anderswo, vor allem in Moskau nicht glauben, daß wir hier so töricht seien zu meinen, wir könnten eine Politik, die der Heraufführung einer europäischen
Friedensordnung und der Überwindung der deutschen Spaltung dient, dadurch betreiben, daß wir im Osten Unfrieden säen und die dortigen Länder gegen Moskau aufhetzen. So kleinkariert denken wir politisch nicht. Ich bitte wirklich diejenigen, die es angeht, uns zu glauben, daß wir gute Beziehungen mit allen unseren östlichen Nachbarn, mit Moskau wie mit Bukarest, mit Moskau wie mit Budapest oder mit Prag oder mit Warschau oder mit wem immer, wollen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Natürlich weiß ich, daß mit der Schaffung eines guten Klimas allein noch nicht viel getan ist. In der Politik entscheiden nun einmal die Interessenlagen. Da, wo Interessen hart gegen Interessen stehen, muß man versuchen, auszugleichen, oder man muß die Geduld haben zu warten, bis sich die Interessenlage geändert hat. Aber eines wird mir doch jeder glauben: daß der richtige Anfang der Dinge doch der sein muß, daß wir den Graben zu überwinden und Kontakte zu gewinnen versuchen. Denn dort leben — Ideologie hin, Ideologie her — eben auch Menschen, deren tiefstes Herzensbedürfnis auch heißt: Frieden, und ich wage auf lange Sicht sogar zu sagen: auch Freiheit.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich will aber gleich hinzufügen, um nicht mißverstanden zu werden: so hoch denke ich von unserer Lebensordnung nicht, daß ich glauben würde, bei uns sei alles vollkommen; daß heißt, wir gehen auch hier nicht einfach mit dem Geist des schulmeisterlichen Bevormundens an die Kontakte. Wir sind bereit, mit offenen Augen zu sehen und auch zu lernen, wo es etwas zu lernen gibt. Jedenfalls aber wollen wir Menschen mit Menschen zusammenbringen., und .das ist das beste Mittel, die Politik zu vermenschlichen oder — wenn das Fremdwort besser verstanden wird — zu humanisieren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich habe keine Sorge, daß dieser Weg weiter gebahnt werden wird. Wir sind auf die ersten Hindernisse gestoßen, auf die ersten Barrieren oder Barrikaden, die man in der Eile aufgebaut hat. Meine Damen und Herren, sie waren zu erwarten. Sie sollen uns nicht allzu große Sorgen machen, aber wir sollten sie auch nicht zu leicht nehmen. Ich bin aber überzeugt, .daß sie sich überwinden lassen, und wenn nicht ganz unerwartete Dinge aufkommen, wird, glaube ich, im nächsten Jahr das Wetter schon wieder sehr viel besser aussehen, als es uns heute anmutet, wo der Himmel noch von einigen politischen Wolken bedeckt ist.
Da ist nun auch die deutsche Frage, die deutsche Frage, die nun so viele Jahre dieses Haus beschäftigt hat, 'die deutsche Frage, die je und je in der Abfolge der Jahre, in welchen in diesem Hause beraten wurde, andere Aspekte hatte. Und doch blieb immer durch all diese Jahre hindurch der eine gleiche Aspekt, der nämlich, daß nach wie vor dieses getrennte Volk wieder zusammenkommen will und muß.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)




Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
Wir alle wußten über diese vielen Jahre hin, daß, je länger es dauern würde und je weniger wir in der Lage sein würden, unseren Freunden und Verbündeten einleuchtende Vorschläge zur Lösung dieser Frage zu machen, die Gefahr bestand, daß das Interesse der übrigen Welt, aber auch das Interesse unserer Freunde, für diese Frage sich abschwächen mußte. Und es hat sich abgeschwächt. Wir müssen uns eben auch einmal in die Haut der anderen versetzen. Wenn man schließlich nur noch jedes Jahr ein- oder zweimal' gebeten wird, eine feierliche Sympathieerklärung in der deutschen Frage abzugeben, dann kommt einem das schließlich zuletzt ein wenig langweilig und lächerlich vor. Das liegt nicht etwa an einem Versagen der deutschen Außenpolitik. Was einmal richtig war, kann mit dem Ablauf der Jahre eben zweifelhaft und schließlich falsch werden. Es kommt nur darauf an, daß man erkennt, wann eine politische Methode nicht mehr richtig ist und nicht mehr mit dem Ablauf der Zeit übereinstimmt.
Ich glaube, meine Damen und Herren, daß es uns gelungen ist, die deutsche Frage durch unsere Politik wieder in das Bewußtsein der Welt und insbesondere in das Bewußtsein unserer Verbündeten zu stellen. Wir haben ihnen sagen können: Gut, wir wissen, daß im Augenblick die deutsche Frage nicht gelöst werden kann. Das ist eine bittere Wahrheit, aber es ist eine Wahrheit, die unser Volk hüben wie drüben längst erkannt hat. So laßt uns wenigstens uns nicht begnügen mit der Konfrontation der politischen und rechtlichen Standpunkte, sondern laßt uns wenigstens versuchen, ob auf dem Zwischenfeld zwischen diesen beiden Standpunkten nicht Möglichkeiten vernünftigen und menschlichen politischen Tuns bestehen.
Das ist das; was wir begonnen haben. Wir haben gesagt: Wenn wir diese Atmosphäre eines neuen Vertrauens schaffen wollen, auch mit unseren Nachbarn im Osten, können wir jedenfalls nicht diejenigen sein, die schuld daran wären, daß zwischen den beiden Teilen Deutschlands, dem freien hier und dem anderen dort, eine ständig vergiftete Atmosphäre besteht. Wir haben gesagt, wir sind bereit, bei der prinzipiellen Unlösbarkeit der deutschen Frage, die im Augenblick besteht, diese Trennung so schmerzlos wie möglich zu machen, die Nöte und Sorgen, die durch sie entstanden sind, zu beschwichtigen und auch gewisse praktische Aufgaben in Angriff zu nehmen, die dem Wohle beider Teile unseres Volkes dienen. Das und nur das paßt hinein in die Gesamtkonzeption dieser Ostpolitik.
Meine Damen und Herren, ich wundere mich immer wieder darüber, wenn ich lese oder höre: ja, d i e Politik ist aber nun schön gescheitert. Hat denn irgend jemand ernsthaft daran gedacht, daß derartige Vorschläge, wie sie in der Regierungserklärung vom 12. April gemacht und vom ganzen Hause gebilligt worden sind, drüben mit großem Jubel aufgenommen werden würden? Das konnte doch ein realistisch Denkender nicht erwarten. Diese Politik ist zwar sehr ernsthaft an die Adresse der Herren in Pankow gerichtet; aber sie ist ebenso ernsthaft an alle Völker des Ostens und des Westens und der übrigen Welt gerichtet.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Darum, meine Damen und Herren, bin ich davon überzeugt, daß auf die Dauer dieses von uns erstrebte Klima des Vertrauens jene moralische Unterstützung schaffen wird, die von allen Seiten her auf die Verantwortlichen im anderen Teil Deutschlands einwirken und sie schließlich erkennen lassen wird, daß sie nicht länger in dieser starren Haltung, die sie jetzt einnehmen, verharren können.
Sie wissen, daß ich auf die Regierungserklärung vom 12. April einen Brief des Herrn Stoph mit dem Vorschlag erhalten habe, mich mit ihm zu treffen und über eine Reihe von Fragen zu sprechen; aber eben nicht über jene Fragen, von denen ich soeben gesprochen habe, nämlich über jene Fragen, über die man bei diesem Stand der Dinge allein mit Aussicht auf Erfolg, mit Aussicht auf Besserung der Dinge sprechen kann. Alles andere wären Scheingefechte, die nur dazu dienen sollten, drüben den Verantwortlichen eine Sprosse höher in der Suche nach internationaler Anerkennung zu helfen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Auf ernsthafte Gespräche über ernsthafte Möglichkeiten lassen wir uns jederzeit ein. Wir harren also der Dinge, die da kommen werden.
Ich habe gestern den Brief des Herrn Stoph durch einen eigenen Brief beantwortet. Sie haben den Wortlaut des Briefes auf Ihren Plätzen liegen. Ich habe den Wortlaut so gefaßt, daß ihn auch jeder einfache Mann und jede einfache Frau hüben wie drüben verstehen kann, damit genau deutlich wird, was wir wollen. Ich hoffe, daß möglichst viele Menschen im anderen Teile Deutschlands diesen meinen Brief auch wirklich zu Gesicht bekommen und lesen werden.
Meine Damen und Herren, das Gesetz des Handelns wird in unserer Hand bleiben. Wir werden darauf bestehen, daß über die Fragen gesprochen wird, über die mit Aussicht auf Erfolg gesprochen werden kann, und wir werden uns auf irgendwelche Scheingefechte nicht einlassen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Natürlich mag es sein, daß da und dort bei Beobachtern, die nicht genau zusehen, der Eindruck entstehen könnte, als bauten wir langsam unsere bisherige Rechtsposition ab. Das ist nicht der Fall. Deswegen habe ich die Ehre, jetzt eine Erklärung der Bundesregierung zu verlesen, die den übrigen Mächten zugestellt werden wird, eine Erklärung, die sich gegen eine solche Mißdeutung verwahrt. Die Erklärung hat folgenden Wortlaut:
Das deutsche Volk ist gegen seinen Willen heute noch geteilt. Die Demarkationslinie, die im Jahre 1945 für die Zwecke der militärischen Besetzung gezogen worden war, trennt weiterhin Menschen eines Volkes. Noch ist nicht abzusehen, wann und auf welchem Wege die Einheit Deutschlands wiederhergestellt werden kann.



Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
Die Bundesregierung bleibt bemüht, die Einheit des Volkes zu wahren und im Sinne ihrer Politik der Entspannung und Verständigung in Europa das Verhältnis zwischen beiden Teilen Deutschlands zu entschärfen. Sie wird alle Maßnahmen unterstützen, die geeignet sind, die künstlich errichteten Gräben zwischen den Menschen in beiden Teilen Deutschlands zu überbrücken. Die Menschen im anderen Teil Deutschlands sollen nicht darunter leiden, daß sie unter einem von ihnen nicht frei gewählten Regime leben müssen. Die Bundesregierung ist bereit, im Zusammenwirken der zuständigen Stellen zweckmäßige und sachgerechte Regelungen herbeizuführen.
Was die Bundesregierung in dieser Hinsicht zu tun für geboten halten wird, bedeutet keine Änderung ihres Rechtsstandspunktes, daß eine Anerkennung dieses anderen Teiles Deutschlands als eines zweiten deutschen Staates nicht in Betracht gezogen werden kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren, ich habe die Gelegenheit dieser Haushaltsberatungen benutzt, um Ihnen einige Gedanken und einige Sorgen des Bundeskanzlers und der Bundesregierung vorzutragen. Es ist durchaus richtig, mitten im Spiel der Zahlen und Statistiken diese große Aufgabe, die wir miteinander haben, zusammenzufassen. Wenn wir diesen Weg mit einigem Erfolg weitergehen, meine Damen und Herren, dann werden wir eines Tages sagen dürfen, daß der Name „Große Koalition" nicht nur die Bezeichnung für eine Quantität, sondern das Urteil über eine große Qualität sein wird. Möge es uns gelingen!

(Langanhaltender, lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511513900
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0511514000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat eingangs seiner Ausführungen um Nachsicht gebeten, daß er im Augenblick nicht alle Fragen, die in den letzten Tagen an ihn gestellt worden sind, beantworten kann. Dafür habe ich zum Teil Verständnis. Zum Teil muß ich aber leider feststellen, daß eine ganze Reihe von sehr gewichtigen Fragen, die in dieser Debatte in den letzten Tagen vorgebracht worden sind, nicht beantwortet wurden. Es ist ja ein etwas neuer Stil, der hier eingeführt worden ist, daß nicht nur vor jedem Etat der zuständige Minister und beim Bundeskanzleretat der Bundeskanzler eine Erklärung abgeben, sondern daß auch zu Beginn der dritten Lesung der Bundeskanzler spricht. Ich hätte es verstanden, wenn das im Laufe der Debatte noch einmal geschehen wäre. Aber sei's drum, — wenn es so gewünscht wird; wir sind gern bereit, auch darauf einzugehen.
Eines muß ich allerdings leider gleich zu Beginn feststellen. Ein Zitat Ihres Landsmannes, Herr Bundeskanzler, trifft auf die bisherige Arbeit der Bundesregierung leider nicht zu. Ich denke an das Wort „Es fließt .die Arbeit munter fort, wenn schöne Reden sie begleiten".

(Beifall bei der FDP.)

So munter ist die Arbeit in diesem Kabinett noch nicht fortgeflossen.
Herr Bundeskanzler, Sie haben hier deutlich
gemacht, daß Sie eine Herkules-Aufgabe vor sich haben. Sie haben damit ein Verdikt über Ihren Parteifreund und Vorgänger ausgesprochen.

(Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger: Über Sie genauso!)

— Darüber müssen Sie sich in Ihrer eigenen Fraktion auseinandersetzen. Wenn Sie sagen: „Über Sie genauso!", heißt das doch schlicht, daß Sie damit bestätigen, was ich eben gesagt habe, daß Sie damit Ihrem eigenen Bundeskanzler Erhard hier eine Bescheinigung ausgestellt haben, die unter Parteifreunden eigentlich nicht üblich ist.

(Beifall bei der FDP.)

Nun, das müssen Sie wissen.
Ich nehme es Ihnen ab, daß die Dinge sehr schwierig, sehr ernst sind. Ihre Mahnung, die Sie aussprachen, alle müßten ihre Pflöcke zurückstecken, war für uns ein Beweis dafür, wie gewichtig es ist, daß Sie diese Worte, die Sie hier gesagt haben, immer wieder an Ihre eigene Fraktion richten, denn die Debatte in der zweiten Lesung hat ja deutlich gemacht, daß in Ihrer Fraktion viele Freunde sitzen, die eben nicht die Pflöcke zurückstecken und damit die gleichen Schwierigkeiten heraufbeschwören wollen, wie es in der Vergangenheit gewesen ist.

(Beifall bei der FDP.)

Ich finde es sehr verdienstvoll, wenn das auch von hier aus geschieht. Es zeigt aber immer wieder, daß bedauerlicherweise die gleichen Diskussionen, die in der Vergangenheit die Arbeit der Regierung bestimmten, offensichtlich heute wieder geführt werden müssen.
Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, von „Pflöcke zurückstecken" sprechen, sind wir allerdings der Meinung, daß dies dann nicht nur auf dem stillen, dem heimlichen Weg geschehen sollte, wie es zum Beispiel bei der Rentenversicherung vorgesehen ist, sondern daß das auch gesetzgeberisch einwandfrei gemacht werden muß. Wir sind der Meinung, daß man den Mut haben muß, früher beschlossene Gesetze, die falsch sind, hier zu ändern, und nicht über den Haushalt versucht, Dinge wegzuwischen, die einem nicht passen.

(Beifall bei der FDP.)

Herr Bundeskanzler, Sie haben davon gesprochen, daß Sie sich darüber freuten, daß eine interfraktionelle Übereinkunft über diese Fragen zustande gekommen sei. Ich nehme an, das war ein Lapsus linguae. Sie meinen eine Koalitionsvereinbarung, denn „interfraktionell" würde ja bedeuten, daß die Opposition mit eingeschaltet wird. Aber das will man ja von der jetzigen Regierung generell nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ankündigung, daß am 5. Juli das Bundeskabinett



Mischnick
bzw. die Finanzplanungskommission ihre abschließende Sitzung haben wird, ist eine sehr erfreuliche Nachricht. Aber ich stelle fest: Der Termin ist doch haarscharf in die Parlamentsferien gelegt worden, damit hier möglichst keine Debatten darüber in den Fraktionen stattfinden können und praktisch bei Ihnen drei Monate Zeit sind, über die Dinge nachzudenken. Wenn S i e die Zeit brauchen — auch dafür habe ich Verständnis. W i r haben unsere Überlegungen dazu weitgehend abgeschlossen.
Mit Recht ist vom Herrn Bundeskanzler davon gesprochen worden, daß es bei vielen Fragen nicht nur darauf ankommt, daß man neue Vokabeln als Vokabel betrachtet, sondern sich genau überlegt, ob nicht eine alte Sache nur mit einem neuen Namen belegt worden ist. Wenn ich aber Ihre ganze Rede ansehe, Herr Bundeskanzler, komme ich doch zu dem Ergebnis, daß Sie eigentlich die Frage: neu oder alt dreidimensional betrachten müssen. Wenn es um die Politik gegenüber der Sowjetunion geht, wird von „neu" gesprochen; wenn es um Ihre Wähler geht, wird von „alt" gesprochen; wenn es um die Koalition geht, heißt es „alte Politik mit neuen Nuancen". Was nun eigentlich das Richtige ist, das ist für den Außenstehenden nicht festzustellen.

(Beifall bei der FDP.)

Sie sprachen davon, daß das Vertrauen zu dieser Koalition nach demoskopischen Untersuchungen sehr groß ist. Es ist festgestellt, etwas über 60 %, und interessanterweise — —

(Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger: Viel mehr!)

— Jetzt sind es 69, 70, 75 %? Gut. Das zeigt aber, daß diese 75 % — ich bin dankbar für die Bestätigung — eben haarscharf dem entsprechen, was wir hier im Parlament immer wieder erleben: Es ist eben nicht die breite Mehrheit von 90 % der Abgeordneten, sondern nur ein Teil dieser Mehrheit steht wirklich hinter Ihnen — im Parlament wie in der Öffentlichkeit. Dabei ist bis zur Stunde natürlich die Hoffnung bei denen, die zu dieser Koalition ja sagen, größer als das Wissen um das, was tatsächlich geschehen oder, besser gesagt: nicht geschehen ist.

(Beifall bei der FDP.)

Mit Recht weisen Sie darauf hin, daß gewisse Dinge nicht allein durch Gesetzgebung, durch staatliche Eingriffe, und was alles genannt worden ist, geregelt werden können, sondern daß dazu auch Vertrauen vorhanden sein muß. Wir teilen diese Meinung: Es muß das Vertrauen da sein. Herr Bundeskanzler, es wäre deshalb gut, wenn Sie für die Zukunft dafür sorgen könnten, daß das Vertrauen z. B. in den deutschen Volkswagen nicht durch eines Ihrer Regierungsmitglieder im Ausland untergraben wird und damit eine negative Wirkung eintritt.

(Beifall bei der FDP.)

Das ist auch ein Punkt, der dabei zu beachten ist.

(Zurufe von der Mitte.)

Sie haben gesagt, Herr Bundeskanzler, auch auf die Opposition würden Sie hören, je seriöser sie ihre Argumente vorbringe. Wenn ich an die Debatte der vergangenen Woche denke, muß ich feststellen, daß die Worte „Verleumdung" und ähnliches nicht von der Opposition, sondern von einem Regierungsmitglied gebraucht worden sind, und meine Freunde sind in der Lage, ihre Angaben durch Zeugen zu bestätigen. Ich bedaure, daß wir diese Dinge nicht auf dem Weg aus der Welt bringen können, den meine Freunde vorgeschlagen haben.

(Abg. Dorn: Sehr richtig!)

Mit Recht hat der Herr Bundeskanzler darauf hingewiesen, daß Kritik — er sprach von Kritik außerhalb des Parlaments — sehr viel einfacher ist, wenn sie nur als Kritik vorgetragen wird und keine entsprechenden Gegenvorschläge kommen. Durchaus richtig. Ich hatte aber so ein bißchen das Gefühl, daß mit diesem Hinweis auf die Kritik außerhalb des Parlaments, mit dem Ruf „Heraus aus den Höhlen!" vielleicht jemand gemeint war, der hier unten sitzt und der nun von diesem Platz aus die Kritik äußern soll, die er in Zeitungsinterviews zum Ausdruck gebracht hat.

(Sehr richtig! rechts.)

Wir würden uns auch freuen, wenn der Herr Bundeskanzler a. D. Erhard hier einmal das sagte, was er in Zeitungsinterviews zum Ausdruck gebracht hat und was wir in vielen Passagen absolut teilen.

(Beifall bei der FDP.)

Sie haben zum Ausdruck gebracht, Herr Bundeskanzler, daß die Nachrichten, die vor wenigen Tagen durch die Presse gingen, nämlich daß in der Frage des Wahlrechts offensichtlich nicht mehr Übereinstimmung herrsche, nicht zuträfen. Sie betonten hier, diese Übereinstimmung sei nach wie vor vorhanden. Nun, das müssen Sie in Ihrer Koalition ausmachen. Aber eines ist doch interessant gewesen — ich denke da an die Abstimmungen in der zweiten Lesung —: Das Auseinanderfallen der CDU/CSU, z. B. beim Pennälergehalt, hat doch deutlich gemacht, was passieren würde, wenn Ihre Partei hier wieder die absolute Mehrheit hätte.

(Beifall bei der FDP.)

Ich denke nur an die Jahre 1957 bis 1961, wo alle strittigen Fragen wie Krankenversicherungsreform und Unfallversicherungsreform vor uns hergeschoben wurden. Die Minderheit konnte nicht die Behandlung erzwingen; die Mehrheit Ihrer Partei konnte sich nicht einigen, und so blieben die Probleme liegen. Was hätten Sie eigentlich gemacht, wenn die Opposition nicht mitgeholfen hätte, das Pennälergehalt endgültig zu streichen? Ihr Haushalt wäre eben nicht ausgeglichen gewesen. Das sind doch die Schwierigkeiten, die Sie selbst bedenken müssen, wenn Sie an Wahlrechtsänderungen denken und wenn Sie Ihre eigene Fraktion vor Augen haben.

(Beifall bei .der FDP.)

Ich will nicht näher auf die Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers eingehen, daß nicht alle Fragen hier beantwortet werden konnten. Es sind etwa 26 große und kleine Fragen — ich habe es schnell noch einmal nachgezählt —, die wir gestellt haben. Eine Frage möchte ich aber in diesem Zusammenhang aufwerfen; ein paar wenige werde ich später noch bringen.



Mischnick
Sie haben von dem deutsch-französischen und dem deutsch-amerikanischen Verhältnis gesprochen und gesagt, daß wir wieder ein Stück vorangekommen seien. Durchaus zugegeben! Aber es fehlt uns leider immer noch hier im Plenum oder auch im Verteidigungsausschuß oder im Außenpolitischen Ausschuß die Antwort auf die Frage, was denn nun eigentlich der Auftrag der französischen Truppen hier in der Bundesrepublik ist. Das scheint mir doch eine gewichtige Frage zu sein, über die man nicht wie bei manchen Detailfragen hinweggehen kann. Da kann man nicht sagen: Das muß später einmal geklärt werden. Das ist eine Kernfrage für unsere gesamte Politik, die nach unserer Auffassung schnellstens sowohl zwischen Ihnen und dem französischen Staatspräsidenten als auch zwischen Ihnen und dem Parlament im zuständigen Ausschuß behandelt werden muß.

(Beifall bei der FDP.)

Ich stehe nicht an zu erklären, daß das, was Sie im Hinblick auf das deutsch-sowjetische Verhältnis zum Ausdruck gebracht haben, gute Worte, gewichtige Worte waren, daß es ein Ton war, den wir in der Vergangenheit manchmal vermißt haben. Ich meine den Hinweis, daß man in Moskau nicht glauben soll, daß wir etwa Unfrieden säen wollten. Sie und wir alle gehen davon aus, daß da drüben im Raum des Warschauer Paktes Menschen leben, die eben auch den Frieden und, wenn ,es möglich ist, auch die Freiheit wollen. Wir freuen uns, daß diese 'klare Aussage hier gebracht worden ist. Insofern ist sie — leider, muß ich sagen — etwas Neues. Denn wir haben immer wieder erleben müssen, daß diese Fragen nicht nüchtern betrachtet, sondern nur aus Ressentiments beurteilt worden sind, und das würde uns keinen Schritt weiterhelfen. Darüber sind wir absolut einig.
Herr Bundeskanzler, Sie haben dann zu dem Stoph-Brief gesprochen. Hier muß ich sagen, daß wir Freien Demokraten enttäuscht darüber sind, daß nach so wochenlangen Beratungen nicht mehr herausgekommen ist. Wenn man fünf Wochen braucht, um dann das in dem Brief niederzulegen, was praktisch etwa das gleiche ist, was in der Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht worden ist, stellt sich doch mit Recht die Frage: Warum braucht man diese Zeit? Ist es immer noch so, daß eine Mehrheit Ihrer Freunde nicht bereit ist, den gleichen Weg wie Sie zu gehen, daß Sie Mühe hatten, sie überhaupt davon zu überzeugen, daß ein solcher Brief geschrieben werden sollte?
Es ist ein Fortschritt, daß man auf einen Brief antwortet. Das sei absolut zugestanden. Insofern sind wir einen Schritt weiter. Aber sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es schlecht ist, daß von der Ankunft des Briefes am 11. Mai bis zur Überreichung der Antwort am 13. Juni eine so lange Zeit vergangen ist, obwohl doch in den Grundprinzipien — so nehme ich an — in Ihrem Kabinett oder zumindest zwischen den Herren, die sich um diese Fragen kümmern, Übereinstimmung bestand? Offensichtlich hat das Begreiflichmachen bei Ihren Freunden, was hier an Übereinstimmung ist, diese Zeit gebraucht. Die Sorge, die uns dabei befällt, ist die: Besteht nicht, wenn wir einmal sehr schnell reagieren müssen, die Gefahr, daß wir wieder den richtigen Zeitpunkt verpassen, nur weil man sich bei Ihren Freunden über die Art der Reaktion nicht einig werden kann?

(Beifall bei der FDP.)

Ich will nicht verschweigen, daß wir es bedauern, daß bei der Auswahl des Überbringers des Briefes offensichtlich mit der gesamtdeutschen Problematik Vertraute nicht mitgewirkt haben. Das richtet sich nicht gegen die Person. Aber hier wäre es doch notwendig, das, was man sonst zum Ausdruck bringt — ich will mich vorsichtig ausdrücken —, auch bei der Auswahl der Überbringerperson zu berücksichtigen: denn sonst wird die sonstige Aussage im Politischen unglaubhaft.

(Beifall bei der FDP.)

Ersparen Sie es mir, Herr Bundeskanzler, hier die Dinge im einzelnen darzulegen. Aber ich glaube, Sie wissen selbst, was ich dabei meine.
Eines ist allerdings — und das möchte ich hier mit aller Deutlichkeit feststellen — ein unwürdiger Zustand: daß die Opposition erst am heutigen Morgen auf dem Tisch den Wortlaut des Briefes vorfindet und gestern nachmittag darauf angewiesen war, sich zu bemühen, daß sie irgendwoher den Inhalt des Briefes bekommt. Das ist ein unwürdiger Zustand für ein parlamentarisches System.

(Beifall bei der FDP.)

Hier wäre es notwendig, das zu übernehmen, was in der Vergangenheit üblich war, daß zumindest der Fraktionsvorsitzende der Oppositionspartei im gleichen Augenblick unterrichtet wird, in dem der Herr Stoph in Ostberlin den Brief in die Hand gedrückt bekommt, und nicht erst hinterher.

(Beifall bei der FDP. — Zurufe von der FDP: Unerhört! — Ein neuer Stil ist das!)

Ich möchte auch ausdrücklich unterstellen — —

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511514100
Gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Schmidt?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0511514200
Bitte.

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0511514300
Herr Kollege, da Sie bei der Bemerkung eben zu unterstellen schienen, daß diese Art der Handhabung in Bonn bisher üblich gewesen sei, möchte ich Sie gern fragen, ob Sie wirklich meinen, daß die sozialdemokratische Opposition 17 Jahre lang, davon eine Reihe von Jahren bei Ihrer Regierungsbeteiligung, so behandelt worden ist, wie Sie nachträglich wünschen, daß es immer geschehen wäre.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0511514400
Herr Kollege Schmidt, ich bin nicht in der Lage, zu sagen, daß es 17 Jahre so war. Ich bin aber in der Lage zu sagen: Solange ich im Kabinett und anschließend bei uns im Fraktionsvorstand als stellvertretender Fraktionsvorsitzender war, ist das so gehandhabt worden, und eine Reihe von Kollegen, die ich jetzt nicht alle namentlich nennen will, waren bei entsprechenden Vorbereitungsgesprächen dabei.




Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0511514500
Verstehe ich Sie jetzt richtig, Herr Kollege Mischnick, daß Sie wünschen, daß in Zukunft — ich 'sage das ohne Polemik — die FDP hier im Hause durch die Bundesregierung so behandelt wird, wie wir Sozialdemokraten in den elf Monaten behandelt worden sind, in denen Sie persönlich in der Regierung waren?

(Lachen bei den Regierungsparteien.)


Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0511514600
Herr Kollege Schmidt, in Ihrer Frage sind zwei Irrtümer enthalten. Zunächst war ich 24 Monate in der Regierung, nicht 11 Monate.

(Abg. Schmidt [Hamburg] : Noch schlimmer!)

Zweitens: Auch in der Zeit von 1961 bis 1963 ist es nicht so gewesen; denn ich kann mich an Gespräche erinnern, die ich selbst geführt habe, um Unterrichtungen vorzunehmen. Es ist nicht so, Herr Kollege Schmidt, wie Sie es hier darstellen.

(Abg. Schmidt [Hamburg] : Das ist Geschichtsklitterung!)

— Das ist keine Geschichtsklitterung,

(Abg. Schmidt [Hamburg]: Aber ja!) sondern das sind Tatsachen.

Herr Kollege Schmidt, wenn Sie fragen, ob wir so behandelt werden wollen, wie Sie damals behandelt worden sind — denken Sie in diesem Zusammenhang an die Fragen allein in der Zeit von 1963 bis 1966, sei es an den Redneraustausch, sei es an das Memorandum der Bundesregierung vom 9. August 1963, in das Ihr damaliger Vorsitzender, Kollege Ollenhauer, genauso Einsicht bekommen hat wie Kollege Mende als Parteivorsitzender der FDP; er war ja damals nicht im Kabinett —, dann ist das eben keine tatsächliche Feststellung, die Sie hier treffen, sondern der Versuch, polemisch ein bißchen abzulenken, wofür ich Verständnis habe, was aber leider den Tatsachen nicht entspricht.

(Beifall bei der FDP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu dem Stoph-Brief noch eins sagen. Ich möchte ausdrücklich unterstellen, daß die Nichterwähnung Berlins und seiner Probleme wohl unterstreichen soll, für wie selbstverständlich wir es halten, daß das Land Berlin in diesem Brief als zum Bund gehörig betrachtet wird. Ich würde es allerdings begrüßen, wenn wir das bei anderen Fragen — und in Kürze stehen hier ja einige Themen an — mit der gleichen Selbstverständlichkeit tun würden, wie es hier bei der Formulierung des Briefes offensichtlich geschehen ist.

(Beifall bei der FDP.)

Es wäre schlecht, wenn man in solchen Briefen von einer Selbstverständlichkeit ausgeht, dann aber in diesem Hause, wenn wir über bestimmte Fragen sprechen, die Berlin betreffen, doch Unterscheidungen getroffen werden, die nicht angemessen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mich darauf beschränkt, auf das, was der Herr Bundeskanzler hier angesprochen hat, in einigen Punkten Antwort zu geben und dazu Stellung zu nehmen. Ich habe nicht zu den allgemeinen finanz- und wirtschaftspolitischen Fragen gesprochen, einfach deshalb nicht, weil ja unsere Kollegen, die in der dritten Lesung zum Haushalt Stellung nehmen, noch ihre Reden zu halten haben und sich dabei mit dem auseinanderzusetzen haben — das wird mein Kollege Emde tun —, was von Ihnen, Herr Bundeskanzler, auf diesem Gebiet erreicht worden ist.
Lassen Sie mich mit einer Bitte und einem Hinweis schließen. Herr Bundeskanzler, Sie haben zugesagt, auch die Opposition zu hören, wenn es notwendig ist. Bitte denken Sie daran!

(Abg. Windelen: Seriös! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

— Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wäre wirklich überrascht, wenn Sie mir auch nur einmal nachweisen könnten, daß hier von mir etwas Unseriöses gesagt worden ist. Das werden Sie mir niemals nachweisen können.

(Beifall bei der FDP.)

Wenn Sie das so betonen, mußte der Eindruck entstehen, daß Sie damit zum Ausdruck bringen wollen, daß das, was wir hier sagen, nicht seriös ist. Ich bin überzeugt, der Herr Bundeskanzler hat gemeint:
seriös vorgetragen.

(Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger: Nein, ich habe gesagt: Je seriöser!)

— Je seriöser — also noch eine Abstufung. Vielleicht nehmen Sie die auch zur Kenntnis. Je seriöser, d. h. also: die Möglichkeit, in steigendem Maße gehört zu werden. Es wäre gut, wenn dieses Hören dann nicht nur im Plenum stattfände; denn wir könnten manchen Ratschlag geben, der vielleicht die eine oder andere Panne vermeiden läßt, die Ihre eigene Politik gefährdet.

(Beifall bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0511514700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0511514800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich in den Streit um die Nuancierung des Komparativs von „seriös" und die Nuance mit dem „je" davor hier nicht noch einmischen.
Wir glauben, daß es gut war, daß der Herr Bundeskanzler nach der etwas ausgeuferten Debatte zur zweiten Lesung den Blick wieder auf das Wesentliche und auf die Zusammenhänge gerichtet hat. Wir glauben, wir sollten diesen roten Faden alle für diese dritte Lesung annehmen.
Herr Kollege Mischnick, Sie haben von dem neuen Stil gesprochen. -Nun schön, das nehme ich gern auf. Ich finde, dies ist ein guter Stil. Wir finden, der Herr Bundeskanzler hat nicht nur gut geredet, sondern er hat auch etwas gesagt, und das habe ich bei Ihnen ein bißchen vermissen müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Da Sie erneut versucht haben, etwas zu suchen oder
vielleicht etwas zu säen zwischen dieser Fraktion



Dr. Barzel
und dem Bundeskanzler, muß ich zu einigen Fragen etwas detaillierter Stellung nehmen, als ich es vorhatte, um möglichst konkret zu untermauern, welch hohes Maß an Übereinstimmung zwischen diesem Kanzler, seiner Regierung und dieser Fraktion der CDU/CSU besteht.
Meine Damen und Herren, die Bundestagsfraktion der CDU/CSU hat, als die Regierungserklärung des Bundeskanzlers Kiesinger hier diskutiert wurde, am 15. Dezember 1966 erklärt: Leichte, scheinbar populäre Arbeit werde in der verantwortlichen Politik auf Jahre nicht zu finden sein. Das haben wir hier erklärt, das haben wir im letzten halben Jahr gespürt, und das spürt jeder, der die Dinge gehört hat, die der Kanzler gesagt hat, und der kennt, was vor uns liegt.
Wenn der Herr Bundeskanzler heute nicht nur den Blick nach hinten, sondern auch in die nächsten Monate gewendet und versucht hat, von dem Stück zu sprechen, das wir in den Stollen gegraben hätten, dann wollen wir auch aus unserer Sicht und gerade wegen der Hinweise von Herrn Mischnick noch höchst präzise das eine oder andere zu diesem Punkt sagen.
Wir haben bei der Debatte über die Regierungserklärung gesagt, daß es aus unserer Sicht fünf große Aufgaben gebe, die vor uns stünden: die Stärkung unserer Wirtschaftskraft, die großen Reformen, die Selbstbesinnung und Selbstbestimmung der Deutschen, die europäischen Probleme und die Probleme Bündnis und Frieden. Fragen wir uns also: Sind wir auf diesen fünf Gebieten ein Stück vorangekommen? Wir begrüßen zunächst — Stärkung der Wirtschaftskraft —, daß der Herr Bundeskanzler mit so beredten Worten hier heute morgen ganz klar den Schwerpunkt dieser Fragen und die Bewährung dieses ganzen Hauses an diesen Fragen, wie man heute so schön sagt, nach vorne gestellt hat. Wir sehen dies genauso, und wir möchten auch daran festhalten, daß einiges auf diesem Gebiet, was sich vorteilhaft auswirkt, doch geschehen ist.
Wenn ich daran denke, wie mancher hier im Hause — auf allen Seiten — zum Jahreswechsel, aber auch noch zu Beginn dieses Jahres Erwartungen über viel höhere Arbeitslosenziffern hatte — um das Wichtigste zuerst zu sagen — und wie sich das in Wirklichkeit abgespielt hat und welche Zahlen wir haben, dann, glaube ich, kann man dies als halbwegs erfreulich feststellen.
Es bleibt festzuhalten, daß das Mehrwertsteuergesetz verabschiedet ist, daß das Stabilitätsgesetz einvernehmlich verabschiedet ist, daß nicht nur hier im Hause, sondern auch in der Öffentlichkeit das Verständnis wächst, wirtschaftliche Dinge auch von den Strukturfragen her zu sehen und daß die europäischen Zusammenhänge hier dabei sind. Wir halten es für wichtig, festzuhalten, daß es dieser Koalition gelungen ist, etwas Entscheidendes für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte hier einen, wie ich hoffe. auch für die Opposition ganz unverdächtigen und sicherlich dort wie bei uns hoch angesehenen Mann einfach zu diesen wirtschaftlichen Dingen zitieren. Ich möchte gleich hinzufügen, daß es uns darauf ankommt, das in derselben Unabhängigkeit für die Zukunft zu erhalten, wie es bisher war. Ich spreche vom Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Herrn Blessing. Herr Blessing hat zum Wochenende folgendes erklärt, was ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten eben verlesen möchte. Ich glaube, das ist ein unverdächtiger Zeuge.
Die Wirtschaftslage der Bundesrepublik ist augenblicklich sicher nicht befriedigend. Sie ist aber auch nicht so, daß wir Grund hätten, die Dinge schwarz in schwarz zu malen. Von einer Krise kann jedenfalls keine Rede sein. Die Massenkaufkraft ist nach wie vor hoch. Ebenso ist die Beschäftigungslage im ganzen erträglich. Die privaten Unternehmungen halten zwar mit ihren Investitionen zurück. Aber auch das wird nicht ewig dauern, besonders dann, wenn die Kosten im Zaum gehalten werden. Die Weichen sind gestellt, und die Räder sind geschmiert. Der Zug wird an Tempo gewinnen. Leichte Ansätze der Konjunkturbesserung zeichnen sich schon jetzt ab.
Soweit Herr Blessing. Ich glaube, dies sollte man hier festhalten. Das ist ein Stück Fortschritt. Worauf es jetzt ankommt, ist die Stetigkeit unseres Handelns, aus der allein Vertrauen wächst. Dies ist das eine. Und das andere ist dann der Haushalt, zu dem nachher mehr und Sachverständigeres wird gesagt werden müssen.
Wir legen aber Wert darauf, doch schon jetzt in diesem Zusammenhang ein paar Worte hierzu zu sagen. Ich glaube, uns allen wäre wohler, wenn wir den antizyklischen Haushalt 1967 aus Reserven speisen könnten und ihn nicht so ausgleichen müßten, wie dies nun geschieht.
Mehr als der Umfang der Schulden verdient ihre Qualität und die Art ihrer Finanzierung unsere Aufmerksamkeit. Dies wollen wir nicht nur so dahersagen, sondern gleich Konsequenzen daran knüpfen, nämlich die, daß wir, wie besprochen, den Haushalt 1968 zum Herbst erwarten, eingebettet in eine mittelfristige Finanzplanung,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und die, daß dies deshalb nicht der Augenblick ist, etwa an einen zweiten Investitionshaushalt zu denken.
Meine Damen und Herren! Mittelfristige Finanzplanung — das muß auch gleich gesagt werden, weil wir ja die Sommerpause vor uns haben, in der manches zu diesen Fragen geredet werden wird — schafft auch aus unserer Erkenntnis kein Geld, sondern nur Ubersicht.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Aber diese Ubersicht wird den Zwang verstärken, Prioritäten nach den Sachen und nach dem Zeitablauf zu setzen. Wir möchten allen Beteiligten gleich für die Ferien, in denen sie das in der Öffentlichkeit vieleicht diskutieren, noch einmal sagen: das Ja zur Priorität X wird erst glaubhaft im Nein zur Priorität Y.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Dr. Barzel
Das ist der Zusammenhang, meine Damen und Herren.
Wenn wir sowohl von der Opposition, die doch Verständnis haben sollte— ich will das nicht konkretisieren — für die Schwierigkeiten, mittelfristige Finanzplanungen aufzustellen, als auch von unserer Öffentlichkeit den Zuruf hören, es interessiere nun weniger, wann wo welches Defizit entstünde, sondern viel mehr, wann und wie es beseitigt werde, dann hören wir diesen Zuruf und können zugleich sagen, daß die Bundesregierung kurz vor Abschluß ihrer Beratungen zu diesen Fragen steht. Und, Herr Mischnick, wie man es da macht, ist es natürlich aus .der Sicht der Opposition falsch. Gibt man drei Monate Zeit, in den Ferien etwas zu überlegen, so ist das falsch. Das haben Sie soeben gesagt.

(Abg. Mischnick: Das haben wir nicht gesagt! Acht Tage vorher!)

— Na gut, aber Sie wissen, wie schwierig das ist; Sie haben soeben von Ihren Kabinettserfahrungen hier gesprochen. Ich glaube, wir sollten darüber nicht weiter diskutieren.
Die Bundesregierung steht vor dem Abschluß dieser Beratungen, und dann, meine Damen und Herren, wird Gelegenheit sein, hier nicht zu reden, sondern durch Handeln und Abstimmung darzutun, was volkswirtschaftlich und für unsere Zukunft richtig ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Darum erklären wir — und es ist wichtig, das festzuhalten, obwohl der Bundeskanzler das aus gutem Grunde vorweggenommen hat —, daß sich da nicht nur die Koalition, sondern das ganze Haus wird bewähren müssen. Wir erklären mit großem Nachdruck, daß wir an alle Fragen entsprechend der Regierungserklärung, die die Basis der Zusammenarbeit ist und bleibt, ohne Tabus herangehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.) Nur dann wird Ausgleich möglich sein.

Meine Damen und Herren, ich bin hier vielleicht noch einen praktischen Punkt schuldig. Es hat in der zweiten Lesung einen Antrag gegeben, entgegen dem einstimmigen Kabinettsbeschluß, entgegen der einmütigen Haltung des Haushaltsausschusses nun doch in der Frage der Renten in einer Höhe von 200 Millionen DM eine andere Finanzierung vorzusehen. Es gab dazu eine Zustimmung der Freien Demokraten. Wir haben eine andere Auffassung gehabt. Wir haben versucht, wiederherzustellen, was im Kabinett und im Haushaltsausschuß beschlossen war. Wir haben gesehen, daß sich hierfür eine Mehrheit nicht findet. Unsere Auffassung zur Sache ist unverändert, aber wir haben — da aussichtslos — nicht die Absicht, in dritter Lesung das nun noch einmal zu bekräftigen, was wir hier in der zweiten Lesung haben erleben müssen.
Herr Bundeskanzler, ich möchte Ihnen noch einmal und in aller Form, weil wir vor schwierigen Entscheidungen stehen — Sie und wir miteinander —, für diese Fraktion, die stärkste des Hauses, erklären, daß wir bereit sind, auch „Durststrekken" des scheinbar Unpopulären mit Ihnen zu durchwandern.

(Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der SPD.)

An dieses Wort soll uns jeder erinnern können.

(Zuruf von der FDP.)

— Was soll ich Ihnen denn jetzt antworten? Was Sie da bei den Renten gemacht haben, das ist doch nicht Ihr Niveau, Herr Kollege. Lassen wir es doch!
— Das wird um so leichter sein, als, Herr Bundeskanzler, wir in einem ständigen Gespräch auch mit denen, die es betrifft, sind und deutlich machen, wofür und zu welchen Zwecken diese Gewohnheit abgebaut und jene Erwartung zugestellt werden muß. — So viel zu diesem ersten Punkt.
Zum zweiten Punkt: Das sind aus unserer Sicht die großen Reformen, vor denen wir stehen. Ich möchte nur unterstreichen, was alle hier im Hause wissen; aber man muß es einmal zusammenfassen, um zu sehen, daß in der Tat in diesem letzten halben Jahr hier vorzüglich und zügig gearbeitet worden ist. Ich buche, daß wir das Stabilitätsgesetz verabschiedet haben, die Mehrwertsteuer verabschiedet haben, das Parteiengesetz in 14 Tagen verabschieden werden, die Notstandsgesetzgebung in erster Lesung vor der Sommerpause haben und bis zum Sommer 1968 verabschieden wollen, daß, was die Finanzverfassungsreform betrifft, beide Koalitionspartner in internen Beratungen der Bundesregierung ihre Auffassung gesagt haben, so daß aus der Sicht des Hauses es möglich ist, im Herbst eine Vorlage zur Finanzverfassungsreform vorzulegen. Ich begrüße die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zur Frage des Wahlrechts; wir bleiben darüber im Gespräch und bei dem, was verabredet is; und wir stellen fest, daß Aussicht besteht, die Strafrechtsreform in dieser Periode zu Ende zu bringen.
Meine Damen und Herren, ein großes Programm großer Reformen; und auch daran wird sich diese Koalition - des bin ich zuversichtlich — bewähren. —
Nun zum dritten Punkt, der gesamtdeutschen Frage der Selbstbestimmung und der Selbstbesinnung der Deutschen. Wir legen Wert darauf, allem voran den Satz zu sagen — damit uns niemand mißversteht —: Wir werden nicht made werden in unserem Bemühen, die Selbstbestimmung aller Deutschen zu erreichen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Niemand soll meinen, das sei nun anders.

Und wenn Sie, Herr Kollege Mischnick, gerügt haben, daß zur Reaktion auf den Brief des Herrn Stoph ein wenig Zeit vergangen sei, so möchte ich dazu zwei Sachen sagen. Zunächst: Herr Stoph hat eine Antwort auf unsere Initiative gegeben. Es ging also um eine Fortsetzung einer begonnenen Sache. Das ist das erste, was man festhalten muß. Und das zweite, Herr Mischnick — nehmen Sie mir nicht übel, wenn ich es sage. Ich zitiere aus dem Gedächtnis. Nach Ihrem Parteitag in Hannover schrieb Grä-



Dr. Barzel
fin Dönhoff in der „Zeit" einen bedeutenden Aufsatz. Da warnte sie vor jenen Hektikern, die nun kopflos in die gesamtdeutsche Zukunft springen wollen. Ich sage nicht, daß das irgend jemand hier im Hause ist. Ich sage nur: wir wollen zu dieser Art kopflos in die Zukunft springenden Hektikern nie gehören.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir machen es uns hier schwer, und 'ich habe nichts dagegen, wenn irgend jemand hier im Hause oder außerhalb uns für die Besonneren in dieser Frage hält. Denn hier, meine Damen und Herren, kann man nicht aus dem Handgelenk — das ist das Schlechteste — und hier kann man nicht zu jedem Zeitpunkt und in jeder Öffentlichkeit tätig werden. Ich denke, wir haben vergangenen Mittwoch hier dargetan, warum wir die vergangene Woche nicht für den rechten Zeitpunkt gehalten haben, diese Initiative fortzusetzen, die der Kanzler gestern und heute fortgesetzt hat, und wir haben gestern erklärt — ich brauche es nicht zu wiederholen —, daß wir das unterstützen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0511514900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0511515000
Bitte schön!

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0511515100
Herr Kollege Barzel, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß am 12. April, als hier die Regierungserklärung abgegeben wurde, schon klar war, welche drei Möglichkeiten der Reaktion, darunter auch der Brief, kommen konnten und daß man sich von diesem Zeitpunkt ab über die Frage der Reaktion schon unterhalten konnte, daß deshalb von „Hektik" keine Rede sein kann, wenn man dann vielleicht schon vier oder fünf Tage danach reagiert?

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0511515200
Lieber Herr Mischnick, uns waren nicht nur drei potentielle Möglichkeiten vertraut, sondern viel mehr; und da es jetzt auch darum ging, nicht nur eine Reaktion bloß zu setzen, sondern die weiteren Schritte sorgfältig abzustimmen und das in die richtige Landschaft zu bringen, brauchten wir akkurat die Zeit, die hier verstrichen ist. Das ist die Antwort auf Ihre Frage.

(Abg. Mischnick: Die Abstimmung war also vorher noch nicht der Fall?)

— Aber lieber Herr Mischnick, natürlich war es vorher klar. Wir haben vor dem 12. April gewußt, wie es weitergeht. Aber wir haben ja auch davon gesprochen, daß das Wann eine große Rolle spielt. Das will ich nicht noch einmal sagen; ich habe es am vergangenen Mittwoch hier dargetan, und ich habe den Eindruck, daß auch Sie es in der Erinnerung haben.
Wir legen aber Wert •darauf, weil wir immer von Selbstbestimmung und Selbstbesinnung der Deutschen in einem sprechen, hier noch ein anderes Wort anzufügen. Sowohl der Bundeskanzler heute — und wir begrüßen das — wie der Bundesminister des Auswärtigen in der vergangenen Woche haben mit Nachdruck betont, was Moskau für uns für die Lösung der deutschen Frage bedeutet. Wir unterstützen dies, und wir möchten die Herren in Moskau, die uns am 28. Januar in einer als Note verkleideten Erklärung, möchte ich einmal sagen, Vorwürfe über unsere innere Ordnung, über daraus entstehende Gefahren gemacht haben — sie haben gesagt, hier sei ein finsterer Hort von Nazismus, Antisemitismus und Militarismus —, bitten, eins zu hören. Ich will nicht nur darauf hinweisen, welche Haltung zu nahöstlichen Fragen die Kommunisten in Pankow einnehmen. Ich will nicht nur darauf hinweisen, daß wir hier auf militärische Schauspiele verzichten, und, nicht nur darauf hinweisen, daß bei uns die Jugend — anders als drüben — nicht offiziell zu Haß erzogen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte besonders auch darauf hinweisen, daß unsere deutschen Bürger bei den Wahlen in Berlin, in Rheinland-Pfalz, in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen die Antwort gegeben haben, die man nun in Moskau hören müßte, nämlich daß dieses deutsche Volk keinen Wunsch hat, irgendeiner Radikalität zu verfallen. Man sollte sich allerdings auch darüber im klaren sein, daß dasselbe für die Radikalen von Linksaußen gilt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich will zu diesen Fragen nur noch weniges sagen. Es wird überall soviel von einer europäischen Friedensordnung gesprochen, es wird davon gesprochen, daß natürlich alle europäischen Nachbarn der Lösung der deutschen Frage zustimmen müßten. Nun gut! Ich meine aber, man muß auch noch einmal sagen — ich sehe dies auch in dem, was hier heute vom Kanzler erklärt worden ist, und wir sagen das in aller Schlichtheit, aber mit aller Bestimmtheit —: Auch dieses deutsche Volk wird ja sagen müssen, wenn eine Friedensordnung dauerhaft sein soll, und dieses deutsche Volk wird nur zu einer Friedensordnun ja sagen, die Menschenrechte im ganzen Deutschland beinhaltet. Alles andere würde den Versuch bedeuten, auf einem dynamischen Tatbestand einer noch ungelösten Frage, wie der deutschen Frage, einen Status quo zu etabilieren. Ich stimme Ihnen, Herr Bundeskanzler in aller Form zu, wenn Sie hier erklärt haben: Die Realität, um deren Anerkennung es überall geht, ist die: Dies ist e i n deutsches Volk, das wieder zusammenleben will und wieder zusammenleben wird. Diese Anerkennung durchzusetzen das ist, glaube ich, unser Problem.
Meine Damen und Herren, was wir zur Frage der europäischen Friedensordnung tun können, das geschieht, bis hin zu der gestrigen Erklärung eines Gewaltverzichts. Wir erwarten nun — und das bitte ich gerade drüben sehr ernst zu nehmen, wir erwarten dies in aller Form und mit aller Bestimmtheit —, daß die Anwendung von Gewalt im anderen Teil Deutschlands aufhört.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Schießerei muß aufhören, die Einkerkerei muß
aufhören, das Nur-Beschimpfen muß aufhören, und
es muß beginnen wenigstens mit Freizügigkeit für



Dr. Barzel
Menschen, für Medikamente, für Waren und auch für politische Ideen.
Dies wollten wir heute hier dazu sagen. Ich glaube, Herr Kollege Mischnick, hier ist keine Chance, irgend etwas zu finden, was entzweien könnte.
Zum vierten Punkt, den europäischen Dingen, sehen wir gewisse Fortschritte. Wir unterstützen zunächst, daß der Herr Bundeskanzler hier von der vitalen Lebensfrage unseres Volkes gesprochen hat, wir unterstützen sein sichtbares Bemühen, auch zur politischen Einigung in Europa zu kommen. Wir verbuchen Fortschritte im Verhältnis zwischen Paris und Bonn, wir verbuchen sehr kleine, aber immerhin wichtige Fortschritte in dem Procedere der Behandlung des Antrages Großbritanniens, und wir hoffen, daß die Bemühungen um technologische Dinge in Europa weitergehen werden. Herr Bundeskanzler — auch das sage ich nur noch einmal, weil Herr Mischnick hier so etwas versucht hat —, Sie wissen uns an Ihrer Seite, wenn Sie sich in den Ländern Ost- und Mitteleuropas mit Geduld darum bemühen, die von uns gemeinsam anvisierten Ziele zu erreichen.
Zu dem fünften Punkt, Bündnis und Frieden, hat der Herr Bundeskanzler so Vorzügliches gesagt, daß ich dazu nichts mehr zu sagen brauche. Ich habe auch von Herrn Mischnick nichts gehört, was mich veranlassen könnte, uns hier noch einmal ausdrücklich festzulegen.
Aber ich möchte einen einzigen Akzent hierzu noch etwas verdeutlichen, weil in der öffentlichen Debatte — nicht in diesem Hause, aber in einer öffentlichen Debatte, an der auch Mitglieder des Hauses beteiligt sind — doch so eine Alternative aufgebaut wird: Was zuerst: Entspannung oder Sicherheit? Wir möchten dazu ganz deutlich sagen: Entspannungspolitik hat eine Voraussetzung, das ist die Sicherheit. So bleibt es bei unserer Politik des Zugleich, der Sicherung durch Abschreckung und der Entspannungsbemühungen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte hier aus gutem Anlaß die Reihenfolge zitieren, die der Präsident der USA für solche Dinge in seiner bedeutsamen Erklärung vom Oktober gebraucht hat. Der Präsident sagte — ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten —:
Wir müssen auf drei Gebieten vorangehen: Erstens. Wir müssen die NATO modernisieren und die übrigen atlantischen Institutionen stärken.
Zweitens müssen wir die Integration der westeuropäischen Gemeinschaft fördern.
Drittens müssen wir den Fortschritt in den OstWest-Beziehungen beschleunigen.
Soweit der Präsident der USA. Ich finde, er hat hier eine geradezu klassische Reihenfolge aufgestellt. Wir sollten uns also nicht in ein Entweder-Oder, nicht in einen Vorrang drängen lassen, so, wie wir früher einen törichten, völlig sinnlosen Streit um einen Vorrang bei den Beziehungen zu westlichen Hauptstädten hatten. Ich wollte dies von vornherein sagen, damit hier nicht eine Diskussion entsteht, die nicht gut ist.
Zu der nahöstlichen Sache wollte ich nicht noch einmal argumentieren; das ist jetzt nicht meine Aufgabe. Ich möchte nur folgendes sagen, Herr Bundeskanzler, da wir nicht wissen, was später im Ferienablauf noch passieren kann: Sie haben die Fraktion der CDU/CSU voll auf Ihrer Seite, wenn Sie im Fortlauf der Entwicklung im Nahen Osten nach den Kräften und Möglichkeiten, die uns gegeben sind, humanitäre Erleichterungen, wo immer Menschen menschlich betroffen sind, geben wollen. Sie haben uns bei diesen Bemühungen auf Ihrer Seite.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich komme zum Schluß und möchte noch zwei Bemerkungen machen. Ich erinnere, wie der Herr Bundeskanzler und wie andere auch an die besorgten Stimmen in der deutschen Öffentlichkeit, auch hier im Hause, was die Große Koalition wohl für unsere demokratische Wirklichkeit bedeuten könnte. Ich glaube, wir können nach sechs Monaten sagen: Wir haben eine positive Bilanz. Wir haben keine Wunder gewirkt; aber das Mögliche haben wir schnell erreicht. Ich glaube, all denen, die da gemeint haben, das Parlament werde entmachtet, die politische Diskussion werde verstummen, die Fronten würden verwischt, der Proporz würde zur heiligen Kuh avancieren, und wie das alles hieß, kann man nach sechs Monaten sagen: weil wir diese Gefahren sahen, sind wir ihnen nicht erlegen, und wir haben auch nicht die Absicht, ihnen zu erliegen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Gleichwohl: Die Bewährung steht noch vor uns in
den Fragen, denen der Herr Bundeskanzler heute
den Vorrang einräumt, was auch wir getan haben.
Als Allerletztes noch dies: Uns macht besorgt, was sich hier und da an deutschen Universitäten ereignet. Die akademische Jugend, an deren demokratischer Gesinnung auch hier kein Zweifel aufkommen sollte, ist sicher nicht mit ihrem lautstarken Teil identisch.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber wir dürfen es uns nicht zu leicht machen. Es gibt eine Gefahr, die des Einander-Fremd-Werdens. Deshalb, meine ich, sollten wir, die Verantwortlichen, uns zum Gespräch stellen, und die jungen Menschen sollten in Rede und Gegenrede ihre Besorgnisse ausdrücken wie wir die unseren. Gespräche werden natürlich um so leichter, je weniger lautstark sie geführt sind; Lautstärke allein ist auch hier kein Argument. Ich denke also, es würde niemandem von uns und niemandem von diesen jungen Menschen schaden, wenn wir ein Gespräch führen, ein bewußtes, ein bemühtes Gespräch miteinander. Ich meine, es würde dies nicht nur niemandem schaden, sondern uns allen nützen; denn das Hinhören aufeinander und das Miteinanderreden bleiben die Wurzel der parlamentarischen Demokratie.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0511515300
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Hamburg).




Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0511515400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat sich heute, ich glaube, schon zum zweitenmal, und wenn ich noch eine Gelegenheit mitzähle, die außerhalb dieses Hauses war, schon zum drittenmal — es macht ihm Freude, das zu tun — als „Weltkind in der Mitten" hingestellt.

(Heiterkeit.)

Ich will daran gar nicht herumstreiten, das mag wohl so sein. Es liegt sogar, wie mir scheint, noch eine tiefere Wahrheit in diesem Satz, den er immer zitiert, als ihm bewußt sein mag: „Prophete links, Prophete rechts" . Das ist ja die Delikatheit der Position dieses Bundeskanzlers, daß er zwischen der linken und der rechten Fraktion dieser Großen Koalition die rechte Mitte zu finden und immer zu halten haben wird.

(Zuruf von der FDP: Die rechte Mitte!)

— Mit „rechte" habe ich euch nicht gemeint, ihr seid für mich rechts außen oder links außen, je nach dem, wie ihr gerade redet.

(Heiterkeit.)

Nein, nein, mit rechts habe ich schon die CDU/CSU gemeint. Die nimmt das auch gar nicht übel, die empfindet sich rechts von den Sozialdemokraten, und wir empfinden uns links von der Christlich Demokratischen oder Christlich Sozialen Union. Da sind wir uns völlig einig.
Aber das ist natürlich das Problem des Bundeskanzlers, diese mittlere Position immer zu halten. Es gibt viele Anhänger der Sozialdemokratischen Partei draußen, die fürchten, er würde viel zu sehr auf dem rechten Flügel dieser Koalition agieren, und es gibt Anhänger der Christlich Demokratischen und Christlich Sozialen Union, die das Gegenteil an die Wand malen. Übrigens ist das für den Bundeskanzler nicht allein schwierig, es ist auch für seinen Stellvertreter schwierig, der gleich ihm im Nebenamt Parteivorsitzender ist. Es ist eine komplizierte Konstruktion, man sieht es richtig: als Parteivorsitzender steht er auf dem rechten Flügel, der andere steht als Parteivorsitzender auf dem linken Flügel, und trotzdem sollen sie als Kanzler und als dessen Stellvertreter und Außenminister die mittlere Position wahren oder herstellen. In vielen Fällen muß sie ja hergestellt werden. Das ist alles gar nicht so ganz leicht, und ich habe natürlich tiefes Verständnis, wenn Herr Mischnick und ab und zu andere von der FDP versuchen, dieses, wie ihnen scheint, schwierige Kunststück zu stören. Aber so schwierig, Herr Mischnick, ist das Kunststück auch wieder nicht, daß es Ihnen mit den bisher ziemlich plumpen Versuchen gelingen konnte, es zu stören. Es beruht nämlich auf beiden Seiten auf dem Willen, es zustande zu bringen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich gebe zu, Herr Mischnick argumentiert wesentlich nuancierter als vor ein paar Tagen Herr Dorn. Der war eigentlich schon unterhalb jeder Nuance.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die FDP muß ihre Rolle als Opposition in diesem Hause eigentlich erst noch finden.

(Abg. Genscher: Es fehlt das Vorbild!)

— Was heißt hier das Vorbild? Lieber Herr Genscher, hören Sie einmal, wie oft durften Sie als Erster nach dem Kanzler reden. Wir mußten 17 Jahre lang hier als Dritter oder Vierter sprechen.

(Beifall bei der SPD.)

Also dieses penetrante Selbstmitleid, wie schlecht es Ihnen hier gehe, das mögen wir nun nicht mehr hören.

(Beifall in der Mitte. — Unruhe bei der FDP. — Abg. Mischnick: Argumente, Herr Schmidt!)

— Gut, Argumente, die kommen jetzt. An und für sich lohnt es sich erst, ein Argument zu setzen, wenn vorher eines kam, als Gegenargument.

(Abg. Genscher: Zu wem sprechen Sie jetzt?)

— Ich spreche jetzt zu Ihnen. Und jetzt möchte ich einmal wissen, wieviel Anträge Sie gestellt haben. Wenn ich die vielen Hunderte Minuten zusammenzähle, die Sie hier geredet haben, muß ich fragen: Wo sind Ihre konkreten Anträge zum Haushalt, meine Herren?

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie haben an manchen Tagen der letzten Woche dreimal so viel geredet wie meine Fraktion, manchmal zweimal so viel, aber die Zahl Ihrer Anträge bleibt wesentlich hinter dem zurück, was die beiden Koalitionsfraktionen gemeinsam an den bisherigen Ergebnissen des Haushaltsausschusses oder der Regierung zu ändern für notwendig befunden haben. Es muß also doch der rednerische Aufwand und das, was sich hinterher im Protokoll meßbar und lesbar niederschlägt, irgendwie im Verhältnis zueinander stehen! Aber ich wollte eigentlich gar nicht über die FDP reden.

(Abg. Genscher: Man kommt nicht an ihr vorbei!)

Ich war ja bei dem „Weltkind".

(Erneuter Zuruf des Abg. Genscher.)

— Nein, nein, ich war bei dem „Weltkind". Sie sind kein Weltkind, Herr Genscher; Sie sind bloß ein Kind.

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. - Abg. Genscher: Das war zu billig! — Weitere Zurufe von der FDP.)

— Es tut mir leid, ich nehme es zurück.

(Erneute Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der FDP: Also nicht mal ein Kind!)

Lassen Sie mich auf das „Weltkind" zurückkommen.

(Zuruf von der FDP: Aha!)

Es ist ein Verdienst der CDU/CSU, in Bundeskanzler Kiesinger einen Mann präsentiert zu haben —
den wir gemeinsam zum Kanzler gewählt haben —,

(Zuruf von der FDP: Nicht alle!)




Schmidt (Hamburg)

der mit Würde — ich rede nicht schon wieder von Ihnen; mir ist klar, daß Sie ihn nicht gewählt haben —

(Heiterkeit)


(Beifall bei den Regierungsparteien — Lachen bei der FDP)

den schwierigen Versuch fortgesetzt unternimmt, seiner eigenen Partei die neue Politik so nahezubringen, daß diese eigene Partei sie als ihre eigene Politik betrachten kann.

(Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Beifall bei der SPD.)

An der Art der Darlegungen des Kanzlers hatten wir — abgesehen von ein oder zwei persönlichen Nuancen hinsichtlich der sozialen Marktwirtschaft — aber das haben wir ja schon durch Zwischenrufe miteinander abgeglichen, Herr Kiesinger — nichts zu kritisieren. Er hat es fertiggebracht, das in einer Weise, die wir überhaupt nicht beanstanden können oder auch beanstanden wollen oder an der wir innerlich Kritik üben wollten, darzulegen, daß bei jedem hier in der Mitte des Hauses und, wie ich annehme, auch bei vielen draußen das Bewußtsein der Kontinuität nicht zerstört wird, was ich für eine notwendige Leistung halte. Ich will das nicht verkleinern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Herr Bundeskanzler, Sie haben in dem Zusammenhang — mit Recht, wie ich meine — Ihre persönliche Bemühung und auch die Ihres Finanzministers um die Beseitigung der finanziellen Anarchie herausgestrichen. Hier handelt es sich allerdings nicht darum, daß eine Kontinuität gewahrt wird, sondern hier ist wirklich Diskontinuität gewollt; wir wollen etwas anderes — Sie auch — als das, was auf dem finanziellen Gebiet bis zum Herbst stattgefunden hat.
Sie haben dann das Wort „Herkules-Arbeit" gebraucht. Ich habe in meiner nicht ganz zureichenden klassischen Bildung geforscht. Ich muß bekennen, daß ich nicht mehr genau weiß, wie viele Prüfungen dem Herkules auferlegt worden waren.

(Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger: Zehn!)

Ich will also auch keine Prognose über die Zahl der Prüfungen abgeben, die der Regierung 'in Zukunft noch auferlegt werden mögen. Aber eines weiß ich genau, daß nämlich die Reinigung der Ställe des Augias darunter gewesen ist.

(Heiterkeit.)

Sollten Sie dies in bezug auf die finanzielle Lage gemeint haben, so stimmen wir Ihnen uneingeschränkt zu, Herr Bundeskanzler.

(Beifall bei der SPD.)

Es gibt nun den Antrag über die 200 Millionen DM. Herr Bundeskanzler Kiesinger hat darüber sehr

(Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger: Dezent!)

— dezent gesprochen. Herr Barzel hat etwas deutlicher darüber gesprochen, aber genauso seriös wie der Kanzler und wie die FDP ja demnächst auch.

(Heiterkeit.)

Lassen Sie uns doch einmal offen über diesen Fall reden! Ich habe heute morgen im „Handelsblatt" gelesen — ich darf zitieren —:
Dies war ein Tiefschlag gegen die Koalitionsregierung, der um so gefährlicher war, als zahlreiche Abgeordnete der CDU in den Chor eingestimmt haben. Die Vorgänge, die sich jetzt abspielten, sind in ihrer Tragweite noch nicht zu übersehen.
Wenn ich so einen Unfug lese, dann meine ich, muß man darüber einmal offen reden.
Natürlich hat das seine Tragweite, und darüber sollten wir miteinander sprechen. Es bekommt dadurch nicht mehr und nicht weniger Tragweite, daß die FDP gestern abend für die Rentenversicherung gestimmt hat; das wollen wir mal beiseite lassen. Uns ist völlig klar, daß Ihre Stimmabgabe in dieser Sache nur dem Versuch dient, einen Keil zwischen die beiden großen Fraktionen zu treiben, die sich miteinander verbündet haben. Das ist uns ganz klar.

(Zuruf des Abg. Mischnick.)

Das ist auch Herrn Barzel klar, und deswegen benutze ich diese Gelegenheit zur Selbstverständigung unter denjenigen, die sich hier in einer Koalition verbündet haben. Ich hielt diese Sache bisher für nicht übermäßig wichtig. Ich habe sie auch in ihrem finanziellen Volumen nicht für übermäßig wichtig gehalten. Wenn es von überragender Bedeutung gewesen wäre, Herr Kiesinger, hätte sich die Bundesregierung bei uns eher melden müssen, nämlich letzte Woche, als sich die Fraktionsführungen der einen und anderen Fraktion schon einmal über dieses Thema unterhielten. Das war ja nicht verborgen. Ich habe es also bisher nicht für finanziell überragend gehalten, weil es im Haushalt 1968 letztlich nur um einen relativ geringfügigen Betrag von einigen 20 Millionen DM geht. —

(Zuruf von .der SPD: Erst 1968!)

Im Jahre 1968 werden hier erstmalig 20 Millionen DM fließen.
Ich habe auf der anderen Seite auch nicht erkannt, daß für die zukünftige Neuordnung all der Probleme, die wir unter dem Stichwort „Rentenberg" begreifen, in der Annahme jenes Antrags durch eine Mehrheit prinzipiell ein Präjudiz liege. Das ist auch tatsächlich nicht so; denn es ist ganz klar, daß wir in ganz anderen Quantitäten denken müssen, wenn wir an die Neuordnung dieser Probleme herangehen müssen, als mit 'diesen 200 Millionen DM angedeutet ist. Auch die Bundesregierung hat bei dem 67er Haushalt schon in ganz anderen Quantitäten, nämlich in Milliarden-Quantitäten, in bezug auf die Rentenversicherung hantiert. Sie hätten genauso gut 500 Millionen wie 200 Millionenn DM streichen können. Es hätte an der Effektivität der Rentenzahlung inn diesem Jahr und an den Beiträgen der Rentenversicherten nichts geändert.



Schmidt (Hamburg)

Ich meine also, daß im Augenblick alles ein bißchen überbewertet wird. Uns lag daran — ich sage das nicht für meine Fraktion, sondern für eine Gruppe von einzelnen Abgeordneten, die diesen Antrag unterschrieben haben —, jetzt kein negatives Präjudiz eintreten zu lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD.)

Wir wissen, daß das draußen in manchen Kreisen unserer Gesellschaft mehr Bedeutung hat als hier unter uns, zumal es in bestimmten Kreisen — ich komme darauf nachher noch einmal zurück - so etwas wie eine Selbstzufriedenheit der Negation gibt, der man nicht unbedingt unnötige Aufhängepunkte liefern muß.
Im übrigen stimme ich Herrn Barzel sehr zu — ich habe das gestern schon in privatem Gespräch getan, ich tue es heute morgen offiziell für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion —: Es gibt kein Problem, über das man nicht miteinander reden könnte und müßte, wenn es darum geht, die finanzielle Neuordnung zu schaffen.
Die FDP hat heute morgen erneut so getan — das hören wir in letzter Zeit häufiger —, als habe sich diese Regierung und habe sich die Koalition eigentlich gegenseitig des häufigeren selbst beweihräuchert, aber sonst doch nicht viel geleistet; ich hoffe, ich gebe Sie korrekt wieder, Herr Kollege Mischnick. Vielleicht muß man sich wirklich einmal selbst beweihräuchern, damit man sich klar wird, was diese Regierung in diesem halben Jahr gemeinsam zustande gebracht hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Vielleicht muß das hier wirklich einmal einer tun und aufzählen, was zustande gebracht worden ist.

(Abg. Mischnick: „Erstens"!)

— Erstens (Heiterkeit) —da muß ich gleich die CDU/CSU-Fraktion loben, ob das meinen Freunden nun gefällt oder nicht —: Mit Hilfe eines überaus konzilianten Entgegenkommens der großen Masse der CDU/CSU-Fraktion haben wir ein Präjudiz auf einem Gebiet verhindert, das einer großen Zahl unserer Anhänger draußen im Lande und Menschen, mit denen wir uns verbunden fühlen, entscheidend wichtig ist. Wir haben nämlich verhindert, daß die Montan-Mitbestimmung in zwei großen Konzernen kaputtgemacht wurde. Ich sage noch einmal: mit Hilfe der liebenswürdigen Konzilianz dieser anderen großen Fraktion. Sie, meine Herren von der FDP, hatten dabei ganz andere Süppchen zu kochen.

(Beifall bei der SPD.)

Ich nenne das nur deshalb zuerst, weil Sie so demonstrativ „erstens" gerufen haben.
Ich komme zu zweitens. — Ich habe eine ganze Menge Punkte. — Wenn ich mir das Stabilitätsgesetz anschaue, wie es vom Parlament im Laufe der dreivierteljährigen Beratung gestaltet worden ist und gegenwärtig vorliegt, möchte ich glauben: Das ist ein Ausweis dafür, daß dieses Parlament in dem Ausschuß, der dieses Gesetz bearbeitete, weiß Gott etwas anderes getan hat, als von hoher Hand zu empfangen, was im Kabinett beschlossen worden ist, und seinen Stempel darunterzusetzen und zu sagen, damit sei es nun gut. Dieses Stabilitätsgesetz, wie es heute da ist — —

(Zuruf von der FDP: Das ist keine Leistung!) — Das ist keine Leistung?


(Abg. Scheel: Nicht dieser Koalition!)

— Das ist eine Leistung dieser beiden großen Parteien, die die Arbeit des Parlaments tragen, Herr Scheel. Wessen denn sonst?

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich will gern zugeben, daß einer Ihrer Parteifreunde den Sitzungen des betreffenden Ausschusses vorgesessen hat. Insofern hat er mitgeleistet.

(Heiterkeit und Beifall.)

Die Mitglieder jenes Ausschusses wissen, wie wahr das ist, was ich eben gesagt habe.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Aber eines ist doch auch ganz klar, Herr Scheel: Dieses Gesetz geht doch in seiner Bedeutung weit über die Lösung der gegenwärtigen konjunkturellen Abschwungphase hinaus. Es ist ein Lenkungsgesetz auf lange Zeit.

(Abg. Scheel: Es stammt aber von der damaligen Regierung!)

— Nein, eben nicht! Es ist im letzten Dreivierteljahr völlig umgebaut worden, lieber Herr Scheel.

(Zurufe.)

— Frau Kalinke kann ich nicht verstehen. Das liegt aber an mir.

(Zuruf der Abg. Frau Kalinke. — Heiterkeit. — Abg. Frau Kalinke: Haben Sie verstanden?)

— Ja, ich habe es verstanden; ich will es aber nicht wiederholen, sonst kriege ich einen Ordnungsruf.

(Heiterkeit.)

Aber wenn Sie mich schon fragen, was wir als Erfolge dieser Großen Koalition ansehen, dann sage ich Ihnen: daß wir zum Beispiel trotz der finanziellen Sorgen, die solche Männer wie Alex Möller und Hans Hermsdorf mindestens so bedrücken wie die Kollegen Leicht, Windelen oder Strauß, daß wir trotz dieser großen Sorgen, die wir ganz genauso empfinden wie jedermann, der Verantwortung in diesem Haus trägt, gleichwohl die Grundrenten für die Kriegsopfer nicht gestrichen, sondern vielmehr die jährlichen Leistungen für die Kriegsopfer — wenn ich mich recht erinnere — um 885 Millionen DM in jedem Jahr erhöht haben, weil wir meinten, das sei nun schlechterdings unumgänglich.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Widerspruch bei der FDP.)

Ich erinnere an ein anderes Thema. Die Fraktion der CDU/CSU und meine Fraktion sind gemeinsam zum Herrn Kiesinger hinmarschiert und haben gesagt: Wir haben zwar kein Geld, aber das mit der Arbeitslosigkeit ist in diesem Jahr sehr ernst, und man kann die Arbeitslosengelder nicht unter das Niveau der öffentlichen Fürsorgerichtsätze sinken



Schmidt (Hamburg)

lassen; das Arbeitslosengeld muß höher werden, als ihr im Kabinett beschlossen habt. Das ist dann auch heraufgesetzt worden. Es ist ja nicht so, wie Sie gerne glauben machen wollen, daß wir hier so die Briefempfänger seien und unseren Stempel darauf machten auf das, was da aus dem Palais Schaumburg herauskommt. So ist es gar nicht. Das ist eine Ihrer Klitterungen der Wirklichkeit hier in Bonn.

(Zuruf von der FDP: Bringen Sie Argumente! Bei „zweitens" waren Sie!)

— Ich meine, wenn Tatsachen bei Ihnen schon nicht zählen, werden Argumente erst recht nicht ankommen. Das verstehe ich schon.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Aber ich kann noch ein paar Tatsachen mehr aufzählen. Nehmen Sie einmal die Sache mit dem Investitionshaushalt. Ich will gern zugeben, daß wir aus dem Tal der Konjunktur noch nicht wieder heraus sind. Ich bin persönlich — ich sage das nur für meine Person — in diesem Punkt etwas skeptischer als die Urheber der einen oder anderen Äußerung, die ich von der Regierungsbank her hier oder draußen höre. Wir sind da noch nicht heraus. Das Tal war sehr viel tiefer, als wir es alle gemeinsam im Dezember haben kommen sehen. Wir haben zwar schon seit August, September, Oktober gewarnt. Herr Barzel hat vorhin die Bundesbank gelobt. Ich will davon nichts abstreichen. Ich kann mir aber die Zusatzbemerkung nicht verkneifen, daß die Bundesbank im September und Oktober des vergangenen Jahres noch in einer falschen Richtung gewarnt hat.

(Abg. Barzel: Mein Lob galt dem Präsidenten der Bundesbank!)

— Herr Barzel macht mich darauf aufmerksam, daß er den Präsidenten der Bundesbank gelobt hat. Er will damit deutlich machen,

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien. — Abg. Dr. Barzel: Ich bin von der Notwendigkeit einer unabhängigen Bundesbank überzeugt!)

daß es verschiedene Organe gibt. Er will damit die Unabhängigkeit der Bundesbank unterstreichen. Die will ich hier gar nicht beknabbern.

(Abg. Dr. Pohle: Einschließlich der Sachverständigen!)

Worauf es mir ankommt, ist, zu sagen, daß zu einer
Zeit, als Herr Mende noch Vizekanzler war und
auch Herr Mischnick noch in der Regierung war
— ich bin mir nicht ganz klar darüber, wann Sie in der Regierung waren, Herr Mischnick; nehmen Sie es mir nicht übel —,

(Heiterkeit bei den Regierungsparteien — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern]: Lebenslauf schicken!)

jemand, der da sitzt (zeigt auf Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller), hier gestanden und gesagt hat: Das wird ernst mit dieser Konjunktur. Er hat gesagt: Für den Fall, daß es so ernst wird, wie ich befürchten muß, für diesen Eventualfall müßt ihr euch darauf vorbereiten, daß der Staat zusätzlich Geld ausgibt — auch wenn er keins hat —, um den Investitionsgüterbereich wieder in Gang zu bringen. Ich kann mich noch an die Überheblichkeit erinnern, mit der das damals von jener Bank aus beantwortet wurde.

(Zurufe rechts.)

Inzwischen ist es gemacht worden, inzwischen wissen wir, daß das noch nicht einmal ausreicht, um die Konjunktur wieder auf die Höhe zu bringen, die wir gern haben möchten. Verstehen Sie diesen letzten Satz bitte nicht dahin, daß ich einen zweiten Investitionshaushalt haben wollte. Das will ich weder positiv noch negativ berühren. Ich wollte nur sagen: wir sind uns darüber klar, daß wir noch nicht heraus sind aus

(Zuruf von der FDP: ... dem Schulden machen!)

der Situation, von der Herr Kiesinger gesagt hat, sie erfordere

(Zuruf von der SPD: Augiasstall!)

eine Herkules-Arbeit. Da sind wir noch nicht ganz wieder heraus.
Auch die Sache mit der mittelfristigen Finanzplanung ist ja nicht Ihre Erfindung, Herr Mischnick.

(Abg. Mischnick: Das habe ich auch nicht gesagt!)

Sie ist auch nicht Herrn Mendes Erfindung, auch nicht Herrn von Kühlmann-Stumms Erfindung; nicht einmal Thomas Dehler hat das erfunden,

(Heiterkeit bei den Regierungsparteien)

obwohl sonst vieles auf dessen Konto kommt. Das ist nun einmal eine Erfindung, die aus einer anderen Himmelsrichtung kommt.

(Zuruf von der Mitte: Sie wären froh, wenn sie das gekonnt hätten!)

Uns befriedigt es sehr, daß das jetzt ernsthaft versucht wird und der Bundeskanzler sich persönlich darum kümmert, wenngleich ich weder ihn noch den Finanzminister um diese Arbeit beneide, nachdem sie als Konsequenz der Rezession ihre Einnahmevorausschätzungen dauernd nach unten korrigieren müssen. Ich beneide sie nicht darum. Auf der anderen Seite ist aber der Finanzminister stämmig genug; er kann auch allein damit fertigwerden; er bedarf keines Mitleids.
Der Herr Bundeskanzler hat zu einigen außen- und deutschlandpolitischen Punkten gesprochen. Ich will dazu nur schlechthin unsere Zustimmung erklären. Aber ich kann mir nicht verkneifen, an die Adresse der Opposition zu sagen, daß zwischen der Wirtschafts-, der Sozial- und der Außenpolitik noch ein paar innenpolitische Bereiche liegen, die man hier bei einer solchen Tour d'horizon erwähnen könnte. Ich beschränke mich auf einen einzigen Punkt.

(Zuruf von der FDP: Sie beschränken sich sehr!)

Ich beschränke mich auf den Hinweis, daß zum
erstenmal seit 17 Jahren der geheimnisumwitterte
Reptilienfonds aus dem Dunkeln geholt und der



Schmidt (Hamburg)

parlamentarischen Kontrolle unterworfen worden isst.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der FDP, mit den Möglichkeiten, die die CDU/CSU-Fraktion und die SPD-Fraktion Ihnen gemeinsam eingeräumt haben, auf dem Felde des Hispano-Suiza genauso zügig vorankommen, wie wir mit dem Reptilienfonds vorangekommen sind, dann kann es eigentlich um die Sauberkeit der Demokratie in Bonn nicht schlecht bestellt sein.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0511515500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Moersch? — Bitte!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0511515600
Herr Schmidt, darf ich aus Ihren Äußerungen schließen, daß Sie die Meinung des einen oder anderen Kollegen von der CDU teilen, der in Gesprächen mit Pressevertretern geäußert hat, es sei Sache der FDP, das Untersuchungsmaterial für die HS 30-Angelegenheit zu beschaffen, und nicht Sache einer Regierungspartei, eine Meinung, die von Ihren Kollegen ja nicht geteilt wird? Oder sind Sie mit mir der Meinung, daß es Aufgabe des ganzen Parlaments ist, einem solchen Bericht des Rechnungshofes nachzugehen?

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0511515700
Ich bin der Meinung, daß dies Sache eines jeden einzelnen Mitglieds des Untersuchungsausschusses ist, daß es Sache aller Mitglieder ist, die sich an diesem Problem beteiligen. Auf der anderen Seite gibt es aber doch keinen Blick daran vorbei, lieber Herr Moersch, daß ihr den Untersuchungsausschuß wolltet, daß ihr zunächst darüber geklagt habt, ihr mit 50 Mann könntet ihn allein nicht einsetzen, und daß dann die CDU/CSU- und SPD-Fraktion euch gemeinsam geholfen haben, den Ausschuß überhaupt zustande zu bringen. Das muß man ja bei dieser Gelegenheit wohl auch sagen dürfen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es waren eure Initiativen, und wir haben euch geholfen, das zu verwirklichen, was nun hoffentlich bald kommt.
Wir möchten die Gelegenheit benutzen, den außenpolitischen Akzenten, die der Bundeskanzler in bezug auf die Zusammenarbeit mit Amerika und mit Frankreich gesetzt hat, ausdrücklich zuzustimmen. Wir sind natürlich — das bedarf heute morgen keiner großen Unterstreichung — mit den Entwicklungen unserer Deutschlandpolitik hier in Bonn sehr einverstanden. Wir sind sehr einverstanden, wenn Herr Kiesinger klarmacht, daß unsere Politik ja nicht darauf hinausläuft, irgend jemanden von seinen Freunden in Osteuropa zu isolieren, auch nicht darauf hinauslaufen kann und darf, etwa jemanden, der mit der Sowjetunion eng verbunden ist, von ihr zu lösen. Vielmehr gehen wir davon aus, daß Entspannung in Europa nur möglich ist, wenn sich alle sicher fühlen, und zum Sicher-Fühlen gehört für viele von denen drüben im östlichen Bereich Europas eben die enge Verbindung zur sowjetischen Großmacht.
Eine Bemerkung in diesem Zusammenhang zur Nahost-Krise. Ich glaube, daß wir im Laufe des Sommers nicht nur viele Kommentare in den Zeitungen und Zeitschriften lesen werden, sondern daß wir uns im Laufe des Sommers und des Herbstes auch noch unseren eigenen Kopf zerbrechen müssen über die bisher schon zu ziehenden gedanklichen Konsequenzen aus dem Ablauf dieser Krise. Ich sage: bisher schon zu ziehenden; die Krise ist ja noch nicht zu Ende. Das kann immer noch ein sehr heißer Sommer werden.
Aber schon jetzt ist doch zu fragen, ob denn die Zusammenarbeit der Verbündeten innerhalb des Bündnisses, dem wir angehören, täglich und richtig funktioniert hat. Es bleibt die Frage zu stellen, wie eigentlich wir z. B. in Zukunft die Rolle der Vereinten Nationen einzuschätzen haben. Es bleibt die Frage zu stellen, wie eigentlich die Rolle der beiden Bündnisvormächte im Osten und im Westen wirklich beschaffen ist, wie weit ihr Einfluß bei der Bewältigung von Krisen reicht und wie weit man sich auf dieses bipolare System verlassen kann. Alles das ist sehr viel Stoff zum Nachdenken und für vielerlei tiefgreifende Analyse. Es- betrifft auch uns. Es betrifft auch die Bundesrepublik Deutschland und unsere Sicherheit.
Es liegt mir am Herzen, in diesem Zusammenhang auf einen Antrag aufmerksam zu machen, den die CDU/CSU-Fraktion und die sozialdemokratische Fraktion heute gemeinsam einbringen. Es gibt im Nahen Osten im Augenblick außerordentlich viel Elend, Flüchtlingselend. Wir meinen, daß unabhängig von unserer politischen Nichteinmischung und unabhängig von unserer moralischen Bewertung der Vorgänge, die vor ein paar Wochen auf diesen Feldzug, auf diesen Krieg hingeführt haben, wir, die Bundesrepublik Deutschland, unser Volk Erhebliches dazu beitragen sollte, dieses Flüchtlingselend zu mildern, nicht nur mit Geld, auch mit Sachleistungen. Ich denke, unsere Flugzeuge sollten dazu beitragen, daß das, was da in der Wüste gebraucht wird, auch so schnell wie möglich in den Nahen Osten geflogen wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das ist sicherlich im jordanischen Teil am schlimmsten. Aber auch in einigen anderen ist es schlimm.
Ich möchte auf einen Punkt eingehen dürfen, den Herr Barzel am Schluß berührt hat. Herr Barzel hat von den Studenten gesprochen und von der Gefahr des Auseinanderlebens. Wir haben in Deutschland lange Jahre eine gewisse Ruhe der Selbstzufriedenheit gehabt, die vielleicht auch jüngere Menschen über Gebühr ergriffen hatte. Das beruhte auf dem gemeinsam geschaffenen höheren Lebensstandard und auf dem Wiederaufgenommensein in die Gemeinschaft der Völker.
Dazu eine Fußnote Es ist nicht unbedingt notwendig, daß wir unsere Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Völker dadurch dokumentieren, daß wir in Bonn bei der Anwesenheit fremder Staatsoberhäupter oder in anderen deutschen Städten so tun, wie wir uns vorstellen, daß eine Supermacht es tun müßte.

(Beifall bei der SPD.)




Schmidt (Hamburg)

Das ist nicht nötig. Wir brauchen auch nicht auf den Betonpisten von Flugplätzen keine Lorbeerbäume aufzupflanzen, wenn jemand zu Besuch kommt. Auch das ist nicht nötig. Da ist vielerlei geschehen, was überflüssig ist. Alles das zusammen hat eine gewisse Atmosphäre der Selbstzufriedenheit erzeugt; lassen Sie die Fußnote jetzt beiseite.
Inzwischen sind manche Teile der Bevölkerung aufgewacht. Das gilt für viele Arbeitnehmer, nicht nur für Arbeiter in den strukturell betroffenen Bereichen wie Kohle, Stahl oder Automobilindustrie. Das gilt auch für Angestellte, die sich durch die Nichtwiederbesetzung von freiwerdenden Stellen heute in die Notwendigkeit der Umsetzung, der Versetzung innerhalb ihrer Betriebe gesetzt sehen. Es gibt allerhand Unruhe überall unter den Arbeitnehmern in Deutschland, Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes, Angst vor der Einsparung tariflich nicht gesicherter Leistungen, und es gibt eine erhebliche Unruhe bei einem Teil der jungen Generation, der aus der Erkenntnis, daß weder die Zeit noch die NATO die Wiedervereinigung herbeigeführt noch uns ihr angenähert haben, in die Gefahr von Kurzschlüssen und von Hinwendungen zum Radikalimus gebracht wird, die älteren mehr nach rechts, die jüngeren, wie in Berlin, mehr nach links.
Wir müssen aufpassen, daß die Große Koalition draußen im Lande nicht einerseits dem deutschen Kleinbürger Nahrung gibt für neue Selbstzufriedenheiten

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

und nicht andererseits damit demjenigen, der gegen den deutschen Kleinbürger opponiert, Anlaß gibt zu einer letztlich ohne Ziel zu artikulierenden Protesthaltung. Hier haben wir aufzupassen. Wir sind in der Gefahr — und diese Gefahr müssen wir sehen —, zu solchen Haltungen beizutragen. Ich meine, daß die Unruhe an den deutschen Universitäten nicht etwa nur auf der Aufwiegelung durch einzelne extreme Gruppen beruht und nicht etwa nur durch die allerdings exorbitanten Absperrungsmaßnahmen beim Besuch eines ausländischen Staatsoberhaupts provoziert ist — ob es sich nun um die Maßnahmen handelt, die ein FDP-Innenminister in Nordrhein-Westfalen oder ein SPD-Innensenator in Berlin oder ein CSU-Innenminister in München veranlaßt hat. Ich nenne sie alle drei, damit niemand glaubt, er könne sich aus dieser Verantwortung herausdrücken.

(Abg. Mattick: Hamburg haben Sie vergessen;)

Der Vorwurf ist mit Recht an alle diese Adressen zu richten.
Aber ich meine, auch das ist eigentlich noch nicht der Kern der Provokation bei den jungen Leuten. Die Ursache liegt viel tiefer. Es ist ganz offensichtlich so, daß ein Teil unserer akademischen Jugend, und nicht nur der akademischen Jugend, von Unzufriedenheit und zum Teil von Verzweiflung über die Selbstzufriedenheit des deutschen Kleinbürgers ergriffen ist. Deswegen haben zwar die jungen Leute mit dem, was sie kritisieren, und mit dem, was sie angreifen, nicht immer recht. Sie haben insbesondere nicht immer recht mit den Mitteln, die sie benutzen. Ich möchte hier aber ein Wort eines meiner Berliner Parteifreunde benutzen und sagen: Eine Gesellschaft, die mit einem nicht unbedeutenden Teil der heranwachsenden Generation in solchem Spannungsverhältnis lebt wie wir heute, hat Grund zur kritischen Untersuchung aller Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und aller möglichen Ursachen.
Ich sagte vorhin in der Auseinandersetzung mit der FDP, es gebe ja so etwas wie die Selbstzufriedenheit der Negation. Manche Leute sind ganz zufrieden, wenn sie zu allem immer bloß nein sagen können. Damit meine ich nicht so sehr die FDP hier im Hause, sondern viele Menschen draußen im Lande. Es gibt ja auch im Lande Menschen, die meinen, Opposition sei dazu da, nein zu sagen. Wir haben schon früher gelernt, daß das falsch ist. Sie werden es auch lernen, meine Herren auf der Rechten. Opposition ist nicht dazu da, immer nur nein zu sagen. Wenn jemand das so auffaßt, sieht er seine Rolle zum Ganzen falsch.
Opposition hat die Aufgabe, Alternativen zu bieten, und manches, was wir von draußen hören, verzichtet darauf, Alternativen bieten zu wollen. Es ist beinahe schon so: Wenn in bestimmten Kreisen ein Stichwort wie „Notstand" fällt, rasten die ein und schalten innerlich. auf „buh". Wenn irgendwo das Stichwort „Wahlrechtsreform" fällt, rasten sie ein und machen auf „buh". Herr Kiesinger hat ja recht. Das Thema ist genauso aktuell wie damals, als die Große Koalition gegründet wurde. Unsere Haltung dazu ist genau dieselbe wie damals, als sie begründet wurde, Herr Bundeskanzler. Und es gibt andere, die, wenn sie das Stichwort „soziale Symmetrie" hören, einrasten und dann bloß noch in Opposition, in negativer Grundattitüde machen.
Ich glaube, eine der großen Wirkungen eines Mannes wie Kennedy hat darauf beruht, daß er die Fähigkeit hatte, dieses Unbehagen an den Zuständen der Gesellschaft, dieses Nichtbefriedigtsein, die Verzweiflung über die Selbstzufriedenheit umzuprägen in ein Engagement für ideelle Ziele. Ich glaube, das haben wir auch nötig. So wichtig wir die Finanzdinge nehmen, so wichtig wir die Rentenversicherung nehmen, so wichtig wir die konjunkturelle Lage nehmen, in der wir uns befinden, so wichtig müssen wir auch nehmen — ob es uns paßt oder nicht —, daß wir über den täglichen Pragmatismus hinaus der jungen Generation in Deutschland auch die Ziele da oben zeigen müssen, wo wir im Grundsätzlichen hin wollen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Und da gibt es sicherlich dann auch, was diese Ziele angeht, Auseinandersetzungen. Aber im Grunde ist Unruhe etwas Gesundes. Das war ja doch in einer kleinbürgerlichen Ara, wo jemand gemeint hat, Ruhe sei die erste Bürgerpflicht. Unruhe und geistige Auseinandersetzung sind etwas Gesundes.
Niemand wird am Ende dieser Haushaltsberatung sagen können, hier habe keine Unruhe geherrscht, in diesem Hause habe es nur farblose Diskussionen gegeben. Niemand wird sagen können, es habe den



Schmidt (Hamburg)

Abstimmungen ein echtes Spannungselement gefehlt. Ich habe nur zu unterstützen, was Herr Barzel gesagt hat: Alle diese Prognosen, daß hier Friedhofsruhe eintreten würde, und da hat er ein wunderschönes Bild gehabt. Herr Barzel, was war das mit der heiligen Kuh, und die wurde avanciert? Ich habe es jetzt vergessen. Ein wunderschönes Bild haben Sie gehabt.

(Abg. Dr. Barzel: Der Proportius sollte zur heiligen Kuh avancieren!)

— Der Proporz sollte zur heiligen Kuh avancieren.

(Abg. Dr. Barzel: Proportius! Der Komparativ der Nuance ist hier im Proportius zu sehen!)

Ich meine, er hat doch recht, es ist alles nicht wahr. Es ist alles nicht eingetreten. Dieses Parlament ist heute lebendig, bilde ich mir ein, wenn man genau zuhört. Das muß man allerdings; man muß heute viel mehr auf die Nuancen achten als früher. Man muß auf .die Nuance achten, wenn Herr Kiesinger hier steht und teils zu seiner Fraktion gewendet spricht, teils zu unserer Fraktion und teils zur FDP gewendet spricht. Man muß auf die Nuance achten, wenn Herr Barzel zu unserer Fraktion spricht; und Herr Barzel muß auf die Nuance achten, wenn wir zu seiner Fraktion sprechen. Es ist wirklich interessant geworden in diesem Haus.

(Heiterkeit.)

Es geht eben mit anderen Methoden als mit denen der frühen 50er Jahre, zu denen Sie gewiß nicht zurückkehren wollen, so hoffe ich, Herr Dorn. Es sind andere Stilmittel, andere Ausdrucksformen; aber daß hier keine geistige und etwa auch keine politische Spannung knisterte, das soll sich bitte keiner einbilden. Jedenfalls kenne ich einige Personen der mir verbündeten anderen Fraktion sehr genau, in denen in den letzten Tagen einige Spannung geknistert hat. Bei uns übrigens auch. Und wir unterschätzen das nicht.
Wir glauben auf der anderen Seite, daß ein gewisses Maß an Spannung auch bleiben muß. Die beiden Fraktionen haben ja nicht vereinbart, ihre eigenen Programme, ihre eigenen Grundsätze aufzugeben. Sie haben vereinbart, bestimmte Dinge gemeinsam zu tun; und die Minister und der Kanzler sind in der schwierigen Lage, nun immer die richtige Mitte ausfindig zu machen. Manchmal finden sie sie nicht. Manchmal haben wir sie untereinander gefunden, und die waren dann nicht ganz froh. Es gibt auch auf der Regierungsbank Leute, die meinen, die Regierung sei zum Regieren da, und das Parlament sei im wesentlichen dazu da, zu akklamieren. Also das ist auch nicht ganz richtig.

(Zuruf des Bundeskanzlers Dr. h. c. Kiesinger.)

— Ich habe Sie nicht gemeint, Herr Bundeskanzler. Ich will aber auch nicht sagen, ich hätte nur die zweite Reihe auf der Regierungsbank gemeint.

(Heiterkeit.)

Wir werden uns im Laufe der Zeit schon zusammenraufen. All die Unkenrufe von vor einem halben Jahr sind widerlegt. Wer sich auf der anderen Seite erhofft hatte, daß die alte Folge von Kabinettskrisen und Schwierigkeiten in der Regierung und was weiß ich sich wiederholen würde, der ist auch widerlegt. Wir hoffen, daß es so bleibt, und wir werden nach unseren Kräften dazu beitragen. Ich sage mit aller Offenheit — ich beziehe mich jetzt auf Herrn Barzels Worte —: Wir sehen auch einige Fehler, die wir im Laufe des letzten halben Jahres gemacht haben, ohne daß ich sie im Augenblick beziffern will, Herr Barzel. Ich nehme an, es gibt auch auf der anderen Seite des Hauses einige, die Fehler sehen, die wir im Laufe des letzten halben Jahres im Verhältnis zueinander gemacht haben. Aber wir lernen ja aus diesen Fehlern, und an unserer Entschlossenheit, das gemeinsam zu einem guten Ende zu führen, kann überhaupt nicht gezweifelt werden.
Manches erscheint — das sage ich nach rechts außen — in solcher Lage populär, meine Damen und Herren, was im Grunde und im Endergebnis der Sache und dem Volk nicht zuträglich ist und was sich an den harten Kanten der Wirklichkeit stößt. Manchmal vergeht solche Popularität schnell. Auch darüber können wir aus vergangenen Jahrzehnten Lieder singen.

(Abg. Dorn: Auch aus den letzten Monaten? — Zuruf von der CDU/CSU: Vor allem was die FDP anbelangt!)

— Wir haben . in den letzten Monaten nicht auf Popularität gespielt, Herr Dorn, wir nicht!

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten in der Mitte.)

Das war mehr in einer anderen Himmelsrichtung geschehen.

(Zuruf von der FDP: Selbstlos!)

Manchmal stößt man sich dann nachher an den Kanten der Wirklichkeit, und es bleiben im Endergebnis die Beulen nach, die man mühsam heilen muß und die viel Zeit kosten.
Umgekehrt erscheint manches, was notwendig ist, auf den ersten Blick unpopulär, und derjenige, der das Notwendige tut und das Notwendige respektiert, der mag auch auf den ersten Blick nicht verstanden werden. Aber es bleibt ja nicht beim ersten Blick. Auch wenn Sie uns wünschen möchten, daß wir auf die Dauer unter dieser Großen Koalition litten! Ich sehe mit Vergnügen, wie Sie immer wieder auf uns hier anspielen und wie dann die CDU/ CSU liebenswürdigerweise hier in der Debatte unseren Part übernimmt, und wir sitzen da hören uns das an. Ich sehe das mit Vergnügen. Sie müssen sich auch überlegen, wo Sie es hintreiben wollen. Sie können sich mit dieser Taktik völlig an den Rand manövrieren. Sie haben auch noch nicht im zweiten Grad darüber nachgedacht, was Sie hier unter den drei Parteien anstellen. Aber das ist Ihre Sorge und nicht meine.
Was uns angeht — diese Fraktion da drüben —, so glauben wir, derjenige, der mit mutiger Hand das Notwendige tut, das Notwendige nach draußen vertritt und klarmacht, warum es notwendig ist,



Schmidt (Hamburg)

sich dabei aber nicht von seinen Grundsätzen und Überzeugungen löst, sondern sich von ihnen leiten läßt, der kann auf die Dauer gar nichts anderes als Erfolg und Anerkennung erringen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0511515800
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0511515900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vorsitzende der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei hat das bemerkenswerte Wort ausgesprochen, daß auch für diese Zeit der Satz gelte: Unruhe ist des Bürgers erste Pflicht nach wie vor. Auch die Mitglieder der Regierung sind Bürger. Der Finanzminister ist ein Mitglied der Regierung, also möchte
er einen Beitrag zur produktiven Unruhe leisten.

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir sprechen über die ganze Fülle der politischen Themen. Der besondere Anlaß ist nach klassischer parlamentarischer Weise der Haushalt 1967.
Dieser Haushalt 1967 hat eine bemerkenswerte Vorgeschichte, und der Ablauf der Vorgeschichte ist ein Musterbeispiel für die gegenseitige Abhängigkeit von Wirtschafts- und Finanzpolitik. Eine große Entscheidung steht bevor, der Abschluß der dritten Lesung, die Verabschiedung dieses Haushalts 1967 durch den Deutschen Bundestag.
Dieser Haushalt ist ohne Zweifel ein wichtiger Einschnitt in der Finanzgeschichte der Bundesrepublik. Er bedeutet noch nicht die große Wende, aber er ist ein Haushalt des Übergangs und der Weichenstellung. Es ist bewußt antizyklisch gehaltener Haushalt. Übergang zu neuen Methoden heißt die Forderung der Zeit und der Zukunft. Über die mittelfristige Finanzplanung wird noch in Stichworten zu reden sein. Ich habe am 1. Februar 1967 bei Einbringung des Ergänzungshaushalts die Umstände erläutert, warum wiederholte Änderungen des Haushaltsplans bis zu den Kabinettsbeschlüssen vom 19. Januar 1967 erforderlich waren.
Der Haushalt kann leider erst in der Mitte des Jahres verabschiedet werden. Deshalb war es geboten, die letzte Änderung, die sich auf Grund der Kabinettsbeschlüsse vom 19. Januar 1967 ergab, unter Verzicht auf das Initiativrecht der Bundesregierung in der Form einzubringen, daß die Ausgleichsvorschläge mit Vorlage vom 22. Februar dem Haushaltsausschuß für das laufende Beratungsverfahren übergeben worden sind. Ich möchte nicht werten, aber positiv sagen, daß der Haushaltsausschuß bei der Bewältigung dieser Aufgabe diesmal vor einer ungewöhnlich schwierigen Aufgabe stand, wahrscheinlich vor einer schwierigeren als bei der Behandlung und Beratung vieler Haushaltspläne zuvor. Ich möchte deshalb auch den Mitgliedern des Haushaltsausschusses für das ungeheure Maß an Arbeit, für den großen Grad an Verantwortungsbewußtsein und für die Schnelligkeit, mit der die
Arbeit geleistet worden ist, ein herzliches Wort des Dankes der Bundesregierung sagen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Der Haushaltsausschuß hat die Vorschläge der Bundesregierung im wesentlichen übernommen. Wenn der Bundestag sich den Vorschlägen des Haushaltsausschusses anschließt, sind die konventionellen Maßnahmen zum Ausgleich des Haushalts 1967 — Ausgabenkürzung und Einnahmeverbesserung — verwirklicht. Der Finanzminister vertritt aus Loyalität und Überzeugung die Beschlüsse der Bundesregierung und ist deshalb auch der Meinung, daß die eine wesentliche Abweichung, die beabsichtigt ist, nicht unbedenklich ist.
Es ist bei der Verabschiedung des Haushalts 1967 in der Fassung der Kabinettsbeschlüsse vom 19. Januar die Frage erhoben worden — ich habe sie in diesem Hohen Hause schon gestellt —: Warum nicht mehr Einsparungen, warum nicht mehr Einnahmeverbesserungen, das heißt praktisch, Steuererhöhungen? Ich habe die Gründe dafür schon mehrmals vor diesem Hohen Hause dargelegt. Nach der rasch wachsenden Flut der Ausgaben der letzten Jahre, nach einem zunehmenden Überhang der Ausgaben gegenüber den optimal zu erwartenden Einnahmen mußte hier mit außergewöhnlichen Mitteln — besonders außergewöhnlich angesichts der wirtschaftlichen Situation — gearbeitet werden. Der Grund, warum nicht schon jetzt mehr Einsparungen vorgenommen oder mehr Steuererhöhungen durchgesetzt worden sind, liegt ausschließlich darin, daß eine antizyklische Finanzpolitik in einem rezessiven Stadium der deutschen Wirtschaft, über dessen Beginn und Dauer sich manche, sogar Weise, grundlegend getäuscht hatten, nicht durch noch weitere Kürzung von Ausgaben oder durch drastische Erhöhung von Einnahmen den Circulus vitiosus einer kontraktiv kumulierenden Wirkung verstärken durfte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sowohl stärkere Einsparungen wie noch größere Einnahmeverbesserungen hätten in unterschiedlichem Maße, aber in der Gesamtwirkung gleichlaufend, in einer Verminderung der Kaufkraft, in einer Verminderung der Nachfrage, in einer Verminderung des Absatzes, in einer weiteren Verminderung der Produktion und einer abermaligen Verminderung der Bereitschaft zur Investition bestanden. Das kann man pauschal sowohl für stärkere Einsparungen wie für größere Einnahmeverbesserungen in diesem wirtschaftlichen Stadium mit absolutem Recht behaupten.
Ich darf trotzdem sagen, daß vom August 1966 bis zu den Kabinettsbeschlüssen vom 19. Januar 1967 bzw. jetzt zur Verabschiedung dieses Haushalts Deckungslücken von 10,5 Milliarden DM geschlossen worden sind. Das unterstreicht um so mehr, daß noch weitere Einsparungen oder noch größere Einnahmeerhöhungen, ich sage es noch einmal, angesichts der Zeichen der Zeit nicht zu vertreten gewesen wären.
Von diesen 10,5 Milliarden DM sind 7,5 Milliarden DM durch Einsparung bzw. Nichterbringung von Barleistungen ausgeglichen worden, etwa 3 Milliar-



Bundesminister Dr. h. c. Strauß
den DM durch Einnahmeverbesserung, Erhöhung von Steuern oder Beseitigung von Steuervorteilen.
Zu der Situation vom 19. Januar 1967 mit der Schließung von 10,5 Milliarden DM Deckungslücke kommen noch zusätzlich hinzu 3,8 Milliarden DM Steuermindereinnahmen gemäß Schätzung des Arbeitskreises Steuerschätzung — Bund, Länder, Institute — vom 25. April dieses Jahres, so daß sich die zu schließende Deckungslücke gegenüber August 1966 auf 14,3 Milliarden DM beläuft. Diese Mindereinnahmen konnten nur durch außergewöhnliche Maßnahmen, nämlich eine zusätzliche Ausweitung des außerordentlichen Haushalts, gedeckt werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß gegenüber April 1966, als die Grundlagen für den Haushalt 1967 erstellt wurden, die Einnahmeschätzungen bis zum 25. April 1967, also innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten, reduziert werden mußten im Oktober um 1,1 Milliarden DM, im Januar um weitere 800 Millionen DM und im April um weitere 3,8 Milliarden DM.

(Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

Das ist innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten eine Rücknahme der Steuerschätzungen um 5,7 Milliarden DM. Das ist ein abermaliger drastischer Hinweis darauf, daß hier eine Interdependenz zwischen Wirtschafts- und Finanzpolitik besteht, der wir in der Gestaltung dieses Haushalts und der kommenden Haushalte in besonders verantwortungsbewußter und ernstester Weise Rechnung tragen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

An dieser Stelle darf ich noch — zufällig ergibt es sich, daß es nicht auf dem Wege der Veröffentlichung, sondern auf dem Wege der Bekanntgabe gegenüber dem Hohen Hause geschehen kann — die letzten Ergebnisse der Steuereingänge 1967 bekanntgeben.
Im Mai 1967 lagen die Steuereinnahmen des Bundes bei 4495 Millionen DM, das sind plus 3,4 % gegenüber Mai 1966, die Steuereinnahmen der Länder bei 2201 Millionen DM gleich plus 1,2 % gegenüber Mai 1966. Hier wirkt sich die Konjunkturempfindlichkeit der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Umkehrung der Zahlen oder Relationen früherer Monate drastisch aus. Steuereinnahmen Bund und Länder zusammen im Mai 1967: 6696 Millionen DM, ein Plus von 2,7% gegenüber Mai 1966.
Die Mehreinnahmen betrugen 'bei der Tabaksteuer 235 Millionen DM; das bedeutet gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres plus 81,1 %. Die absoluten Zahlen: Mai 1966 289,7 Millionen DM, Mai 1967 524,7 Millionen DM. Das ist ein Beweis, meine Damen und Herren von der FDP, wie wirksam und auch notwendig die Steuererhöhung auf diesem Gebiet gewesen ist:

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Einnahmen bei der Mineralölsteuer in absoluten
Zahlen: Mai 1966 595 Millionen DM, Mai 1967
729 Millionen DM, ein Mehr von 134 Millionen DM.
Die Mindereinnahmen betrugen bei der Lohnsteuer, immer bezogen auf den gleichen Monat des Vorjahres, 65 Millionen DM, das sind minus 4,9 %. Hier wirken sich Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit nach wie vor aus.
Mindereinnahmen bei der Umsatzsteuer: 3,1 Millionen DM, das sind minus 3,9 %. Das heißt, daß die angeblich am wenigsten konjunkturempfindliche Steuer, die Umsatzsteuer, im Mai 1967 gegenüber dem Mai 1966 eindeutig rückläufig war.
Das heißt aber weiter, daß das trotzdem insgesamt bessere Ergebnis des Bundes nur durch die beiden am Ende des letzten Jahres beschlossenen Steuererhöhungen und Steuerverbesserungen erreicht werden konnte. Ich glaube, daß diese Zahlen mehr als alle rhetorische Argumentation die Richtigkeit der damals ergriffenen Maßnahmen nachhaltig und zwingend unter Beweis stellen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Vergleich der Steuereinnahmen Januar bis Mai 1967 gegenüber Januar bis Mai 1966: Bund minus 107 Millionen DM, gleich minus 0,4 %, Länder plus 353 Millionen DM, gleich plus 2,8 %. Bund und Länder zusammen werden wahrscheinlich ein Plus von 246 Millionen DM, gleich plus 0,7 v. H. in den ersten fünf Monaten, verglichen mit den ersten fünf Monaten des letzten Jahres, erreichen.
Nun komme ich zu einer Schlußfolgerung. Im Haushaltsplan 1967, so, wie er Ihnen vorliegt, sind auch jetzt noch nach den Verlagerungen vom ordentlichen in den außerordentlichen Haushalt an Steuern 64,5 Milliarden DM veranschlagt. Dieser Ansatz ist nur zu erreichen, wenn in den verbleibenden sieben Monaten des Jahres — Juni bis einschließlich Dezember — die Steuereinnahmen des Bundes gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2,587 Milliarden DM — gleich plus 6,8 % — steigen. Auf diesen Grundlagen, die ich soeben genannt habe, beruht der Haushalt 1967.
Bei den Kabinettsbeschlüssen vom 19. Januar 1967 hatten wir nur einen Betrag von 1,28 Milliarden DM Kreditmittel — also einen relativ bescheidenen Umfang des außerordentlichen Haushalts — vorgesehen. Für alle weiteren Finanzierungsbedürfnisse — Investitionshaushalt in Höhe von 2,5 Milliarden DM, von denen bis zur Stunde 2,3 Milliarden DM in Aufträge umgesetzt sind, Eventualhaushalt, weiterer Steuerausfall, wie er sich schon durch die Steuerschätzung vom 25. April 1967 ergab, und nochmaliger Steuerausfall, wenn die vorher genannten Zahlen nicht erreicht werden — bedarf es der Kreditfinanzierung, d. h. einer engen Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Bundesbank, um über die Flaute hinweg- und durch die Engpässe dieses Jahres und vielleicht auch noch einiger Monate des nächsten Jahres hindurchzukommen.
Den Kabinettsbeschlüssen vom 19. Januar 1967 war eine geschätzte Steigerungsrate des nominellen Sozialprodukts von 5,1 % zugrunde gelegt worden. Diese 5,1 % waren nur eine rechnerische Größe, was ich in verschiedenen Ausschüssen des Bundestages mehrmals erklärt habe. Sie waren eine rechnerische Größe für den konventionellen Haushalts-



Bundesminister Dr. h. c. Strauß
ausgleich, eine rechnerische Größe, auf die sich Bundesregierung und. Bundesbank geeinigt hatten, um eine bestimmte Grenze festzulegen, innerhalb deren der Haushalt 1967 — einschließlich 1,28 Milliarden DM Kreditmittel — mit konventionellen Mitteln ausgeglichen werden sollte. Wir haben diese Zuwachsrate auch damals nicht erwartet. Ich mache hier nicht nachträglich aus der Not eine Tugend. Ich habe in parlamentarischen Kreisen meiner Fraktion und in Ausschüssen schon ab Januar gesagt, daß wir diese Zuwachsrate nicht erwarten, daß das aber die zwischen der Bundesbank und der Bundesregierung vereinbarte Grenze sei. Es bestand zwischen Bundesbank und Bundesregierung Übereinstimmung darüber, daß, soweit diese Grenze nicht erreicht wird, der weiter erforderliche Haushaltsausgleich mit nicht konventionellen Mitteln erfolgen sollte, nämlich auf dem Weg der Kreditfinanzierung durch Begebung kurz- und mittelfristiger Papiere. Dementsprechend sind Ausgaben von dem ordentlichen in den außerordentlichen Haushalt bei den Beratungen des Haushaltsausschusses im Zusammenhang mit den Steuerschätzungen vom 25. April in der Größenordnung von 4,3 Milliarden DM gegenüber den Kabinettsbeschlüssen vom 19. Januar verlagert worden. Die gleiche Finanzierungsmethode ist bei weiterem Rückgang von Steuereinnahmen gegenüber den Schätzungen vom 25. April 1967 zum Ausgleich von Kassendefiziten vorgesehen. Die obengenannten Zahlen weisen bereits darauf hin, daß mit großer Wahrscheinlichkeit davon wird Gebrauch gemacht werden müssen.
Hier bin ich verpflichtet, einen Hinweis zu geben; ich kann ihn gar nicht deutlich genug machen. Die Voraussetzung für eine weitere wirksame Zusammenarbeit von Bundesregierung und Bundesbank, nämlich weitere Deckungslücken jenseits der Beschlüsse vom 19. Januar 1967 mit nichtkonventionellen Mitteln finanzieren zu können, hängt von der Einhaltung der Einsparungen und von Einnahmeverbesserungen ab, die in der Größenordnung von 10,5 Milliarden DM festgelegt worden sind. Das heißt — ich sage das auch an die Adresse der Opposition —, daß die Kombination von zwei Dritteln Einsparung oder Nichterbringung von Barleistungen und einem Drittel Einnahmevermehrung in einer Größenordnung der Kabinettsbeschlüsse vom 19. 1. 1967 das Äußerste war, was in harten Verhandlungen, die auch der Bundeswirtschaftsminister besonders mit der Bundesbank geführt hat, als Linie der Übereinkunft und als Grenze erzielt worden ist. Auf dieser Grundlage war die Bundesbank bereit, einer auf dem Wege der Konsolidierung befindlichen Bundesfinanzpolitik, die erste Ansätze und guten Willen zeigt, behilflich zu sein, die Schwierigkeiten der Jahre 1967 und 1968 zu überbrücken. Wären wir diesen Weg, auch den der Einnahmeverbesserungen nicht gegangen, wäre dieses erfreuliche Maß an Kooperation von Bundesregierung und Bundesbank, auf das die Bundesregierung noch mehr angewiesen ist als die Bundesbank, nicht möglich gewesen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nun ein Wort zur Gesamtverschuldung des Bundes. Die gesamte Verschuldung des Bundes betrug am 31. Dezember 1966 einschließlich Schuldbuchforderungen etwa 36,5 Milliarden DM. Die weitere Bruttoverschuldung im Jahre 1967 beträgt 8,1 Milliarden DM. Die Nettoverschuldung ist um 1,7 Milliarden DM geringer. Also 8,1 Milliarden DM laut Haushaltsplan. Dazu kommen 1250 Millionen plus — ich kann die Bemerkung leider nicht unterdrükken - gemäß den Parlamentsbeschlüssen weitere 200 Millionen DM, d. h. 1450 Millionen Schuldbuchforderungen, die sowohl verzinst als auch getilgt werden müssen. Dazu kommen 425 Millionen DM Öffa-Kredite und 500 Millionen DM Bundesbahnanleihe und 300 Millionen DM Postanleihe. Anleiheschuldner sind zwar die Sondervermögen, der Bund trägt aber den gesamten Kapitaldienst. Das ist für den Haushalt 1967 ein Betrag von rund 10,5 Milliarden DM Bruttoverschuldung, der sich noch um den Betrag erhöhen wird, um den die vorher genannten Steuereingangszahlen nicht erreicht werden, d. h. die Bruttoverschuldung des Bundes wächst nach meiner Schätzung in diesem Jahr um 11,5 Milliarden DM. Die Nettoverschuldung ist wie gesagt um 1,7 Milliarden DM geringer.
Ich darf hier noch ein Wort sagen, weil sonst der komplizierte Mechanismus der Finanzpolitik der Jahre 1967 und 1968 vor der Öffentlichkeit nicht verständlich ist. Angesichts der Schwierigkeit der Probleme und ohne Dramatisierung des Ernstes der Situation handelt die Bundesregierung am besten, wenn sie diese Zahlen, diese Zusammenhänge und diese Argumente vor diesem Hause, nicht etwa nur in Pressekonferenzen, Interviews oder allgemeinen Veröffentlichungen, darlegt.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Hermsdorf: Da sind Sie aber schon vorgeprellt, Herr Minister!)

— Leider sind die modernen Kommunikationsmittel plus ein weitgehendes Maß an Indiskretion auf allen Seiten so, daß man in bestimmten Situationen die Öffentlichkeit informieren muß, weil es nicht möglich ist, es zeitgerecht erstmalig vor diesem Hohen Hause zu tun. Das geht nicht nur mir so; das geht anderen Ressortkollegen genauso.
Wie soll diese Kreditaufnahme finanziert werden? Der Kreditbedarf nach dem außerordentlichen Haushalt — ohne Bundesbahn, ohne Bundespost, ohne Öffa-Schuldbuchforderungen; diese brauchen hier jetzt nicht unmittelbar aufgenommen zu werden — kann folgendermaßen finanziert werden. Bisher, nach dem Stand vom 7. Juni 1967, sind 3,3 Milliarden DM aufgenommen worden. Noch aufzunehmen sind 4,8 Milliarden DM, die wir bisher noch nicht aufnehmen konnten und bei denen wir auch noch nicht unter dem dringenden Zwang standen, sie aufnehmen zu müssen. Die Aufnahme dieses Restbetrages von 4,8 Milliarden DM, zu dem noch Öffa-Kredite, Bundesbahn- und Bundespostanleihe hinzukommen, wird nur zu einem geringen Teil auf dem Kapitalmarkt möglich sein.
Die Bundesregierung steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß der langfristige Kapitalmarkt nicht von der öffentlichen Hand ausgeräumt werden darf, sondern daß er nach der erfreulichen Verbesserung, die bei ihm genauso wie beim Geldmarkt eingetre-



Bundesminister Dr. h. c. Strauß
ten ist, in erster Linie für die Finanzierungsbedürfnisse und Investitionsnotwendigkeiten der Privatwirtschaft wieder funktionsfähig gemacht und erhalten werden muß.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Für den Rest — 4,8 Milliarden DM minus Anleihe auf dem Kapitalmarkt —, für den erheblichen Rest, der verbleibt — wobei in den 4,8 Milliarden DM die 1 Milliarde Steuereinnahmen, die wir nicht mehr erwarten, noch nicht enthalten ist —, streben wir mittelfristige Kredite mit Laufzeiten zwischen drei und sechs Jahren an. Die Dinge werden hart, meine Damen und Herren, weil der Geldmarkt nicht nur vom Bund, sondern auch von den Ländern, Gemeinden und anderen strapaziert werden muß.
Für die Zentralbankratssitzung vom 15. Juni ist mit der Bundesbank eine Aufnahme von vierjährigen Kassenobligationen in Höhe von 500 Millionen DM vorbesprochen. Vorgesehen ist hier erstmals die Anwendung des sogenannten Tenderverfahrens — üblich in den USA und in anderen angelsächsischen Ländern —, d. h. die Ausschreibung mit der Aufforderung, Gebote zur Übernahme von Kassenobligationen abzugeben, wobei gleichzeitig eine Untergrenze bezüglich des Zinssatzes und des Ausgabekurses festgelegt wird. Im Rahmen der Angebote erfolgt dann Kursfestsetzung durch die Bundesbank und Zuteilung an die günstigsten Bieter.
Weiterhin soll, sobald die Kapitalmarktlage es zuläßt, wieder eine größere Anleihe aufgelegt werden. Dazu bedarf es der Abstimmung am runden Tisch, im Bundeswirtschaftsministerium bzw. im Konjunkturrat der öffentlichen Hand, für den der Bundeswirtschaftsminister federführend ist. Der Bund hat bisher für 1967 erst eine Anleihe in Höhe von 250 Millionen DM im April aufgenommen.
Weiterhin sind auch Länder und Gemeinden auf Kredite für die Finanzierung ihrer Investitionen dringend angewiesen. Der Bund muß bei seinen Planungen darauf Rücksicht nehmen. Wenn eine konjunkturgerechte Finanzpolitik getrieben werden soll, dann ist es nicht möglich, nur die Finanzmasse des Bundes antizyklisch zu bewegen, sondern dann bedarf es einer antizyklischen Bewegung der Finanzmasse von Bund, Ländern und Gemeinden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Gerade weil ich kein Anhänger eines zentralistisch dirigierten Einheitsstaats, sondern eines gesunden föderativ gegliederten und föderalistisch funktionierenden Bundesstaates bin, meine ich, eine föderalistische Struktur muß in der Lage sein, die Probleme, die sich daraus' ergeben, im Sinne eines kooperativen und 'zukunftsorientierten Föderalismus zu lösen. Ein Föderalismus, der nicht in der Lage wäre, die gesamte Finanzmasse der öffentlichen Hand antizyklisch, konjunkturkonform zu bewegen, würde sehr bald unter Sachzwang und Mißständen, die sich ergeben, dem allgemeinen Unwillen und einer wachsenden Ablehnung anheimfallen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir müssen daran denken, den Kreditplafond für die Länder nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f des Bundesbankgesetzes zu erhöhen. Die Frage ist zur Zeit in der Diskussion. Der bisherige Betrag von 20 DM je Einwohner erscheint bei Nachlassen der Wirtschaftstätigkeit und daraus resultierenden Mindereinnahmen zu niedrig. Eine Erhöhung des Kopfbetrages wird von uns angestrebt. Falls der Kreditplafond für die Länder erhöht wird, sollte gleichzeitig der Kassenkreditplafond des Bundes, der zur Zeit 3 Milliarden DM beträgt und vor vielen Jahren festgelegt wurde, als der Bundeshaushalt kaum die Hälfte seines heutigen Umfangs hatte, ebenfalls den veränderten Verhältnissen angepaßt werden. Dabei bin ich nicht in der Lage, hier das Ziel der Anpassung im einzelnen zu nennen, bevor die Verhandlungen abgeschlossen sind.
Der Haushalt, der hier vorliegt, meine Damen und Herren, bietet nur die Lösung für 1967. Erlauben Sie mir die Frage, die ich mir in den letzten Monaten selber oft ironisch gestellt habe, ob man der eigenen Verantwortung gewachsen ist und gerecht werden kann, ob man besser von geringem Einkommen oder hohen Schulden lebt. Eine verantwortungsbewußte Finanzpolitik erfordert Begrenzung der Schuldenaufnahme auf das für eine antizyklische Wirkung des Haushalts unablässig erforderliche Maß.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Schuldenaufnahme des Bundes dient in erster Linie selbstverständlich der Finanzierung von Staatsaufgaben, wie überhaupt die Finanzpolitik nicht beliebig nach Konjunkturgesichtspunkten manipulierbar ist.
Was für den ordentlichen Haushalt so festgestellt wird, muß für den außerordentlichen Haushalt wohl etwas modifiziert werden. Hier muß die Schuldengestaltung in der Hauptsache auf das für eine antizyklische Finanzpolitik erforderliche Maß begrenzt werden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Das wird erfordern, daß die Mahnung des Bundeskanzlers beachtet wird, das Lebensnotwendige vom Wichtigen, das Wichtige vom Wünschenswerten und das Wünschenswerte vom Angenehmen sorgfältig zu trennen und dabei die Gesichtspunkte zum Grundsatz der Finanzplanung zu machen, die bei der Regierungserklärung des Bundeskanzlers auch von denen, die noch nicht wußten, wie sehr sie betroffen werden, mit lautem Beifall stürmisch begrüßt worden sind.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Darum war es auch nicht das Ziel, mit hausväterlicher Sparsamkeit und strengsten Maßstäben enger Fiskalpolitik einen konventionellen Ausgleich für den Haushalt 1967 zu erreichen, sondern einen Haushalt — lassen Sie mich das sagen; das Lexikon erweitert sich immer mehr — der Symbiose zwischen Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Ich möchte hier eine Warnung aussprechen, die nicht leichtfertig in den Wind geschlagen werden sollte. Der Weg, den wir im Jahr 1967 mit einer Mehrverschuldung des Bundes von brutto 10,5 Mil-



Bundesminister Dr. h. c. Strauß
liarden DM plus einer weiteren Milliarde DM, die zur Diskussion steht, gehen mußten, wenn sich die vorher genannten Steuererwartungen nicht erfüllen, kann auf die Dauer nicht gegangen werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Er darf nicht etwa gegangen werden, weil man politische Widerstände umgehen oder vermeiden wollte. Er darf nicht etwa gegangen werden, weil man sich vor unvermeidbaren Entscheidungen drücken wollte. Es gibt für die Finanzpolitik der nächsten Jahre kein Opportunitätsprinzip nach den obengenannten negativen Kriterien. Eine verantwortungsbewußte Bundesregierung, die in geordneten Staatsfinanzen die Grundlage ihrer Innenpolitik und in einer stabilen Innenpolitik die Voraussetzung für eine erfolgreiche Außenpolitik sieht, kann nicht den Weg des leichten Geldes — des Easy Money — gehen.

(Beifall in der Mitte.)

Deficit spending ist für einen nicht mehr auf zwölf Monate zu beschränkenden Haushaltsausgleich unvermeidbar, doch muß der Ausgleich innerhalb einer Periode von drei bis fünf Jahren entsprechend dem Konjunkturrhythmus im großen und ganzen wiederhergestellt werden. Eine geldschöpferische Inflationsfinanzierung wäre nichts anderes als das Hüpfen von einer Eisscholle zur anderen, weil man nicht mehr die moralische Kraft, den äußeren Mut, die innere Entschlossenheit zu der Konsequenz aufbringt, das Gesetz der Zahl anzuerkennen, das weder durch Höflichkeit noch durch Charme noch durch Phraseologie aus der Welt geschafft werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

In diesem Sinne empfehle ich dem Herrn Bundeskanzler — so wie er es heute auch sagte —, seinen Blick nicht gleichzeitig auf zu viele Ressortminister zu richten; das trübt den Blick, das zerstreut die Aufmerksamkeit.

(Abg. Schmidt [Hamburg] : Nur auf den Finanzminister?!)

— Es genügt, wenn er seine Aufmerksamkeit auf den Wirtschafts- und auf den Finanzminister richtet, über deren gegenseitige Abhängigkeit ich hier — abgesehen von der persönlichen Wertschätzung und sachlichen Hochachtung — meine Überzeugung aus nunmehr mehrmonatiger Erfahrung und Amtsverpflichtung mehrmals dargelegt habe.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Seit Beginn der neuen Regierung sind zwei große Teilbereiche der Finanzreform geregelt worden: Mehrwertsteuergesetz und Stabilitätsgesetz. Das braucht hier nicht mehr erläutert zu werden. Das Kreditfinanzierungsgesetz war bereits eine Art Vorwegnahme des Instrumentariums, das dann im Stabilitätsgesetz noch eigens im Wege der Gesetzgebung vorgesehen worden ist. Die Bundesrepublik hat sich damit finanz- und wirtschaftspolitische Instrumente geschaffen, deren Anwendung die Aufgaben der Zukunft meistern hilft.
Zwei große Teilbereiche mit besonders schwieriger politischer Problematik stehen noch bevor:
Finanzverfassungsreform und Finanzreform, mit allem, was dazu gehört, und die mittelfristige Finanzplanung, die auch ein Stück Finanzreform ist, und die im übrigen auch bereits im Stabilitätsgesetz vorgeschrieben und umrissen ist. Diese beiden großen Problemkreise werden diesem Hause — und nicht nur ihm — noch viel zu schaffen machen. Es geht mir bei der Darlegung dieser grundsätzlichen Dinge — ich sage das mit tiefem Ernst und, ich hoffe, mit vollem Verantwortungsbewußtsein — nicht um eine Prestigefrage für die Bundesregierung. Ich lese hier die Überschriften von Artikeln der letzten Tage von heute: „Der Tiefschlag", „Finanzplanung oder neue Schulden?", „Finanzplanung stößt auf Schwierigkeiten", „Zweite Niederlage der Bundesregierung", „Kabinett besteht auf Kürzung der Zuschüsse", „Mit Sozialpolitikern droht Machtprobe". Ich habe hier nur eine unvollkommene Auslese. Hier geht es nicht darum, recht zu haben, als ob das Rechthaben oder Nichtrechthaben nur eine Sache des subjektiven Prestiges sei. Hier geht es darum, das Gesetz der Zahl und seine unerbittliche Härte und Konsequenz für die kommenden Jahre anzuerkennen und sich danach zu verhalten.

(Beifall in der Mitte.)

Sonst ist diese Bundesrepublik innenpolitisch nicht zu konsolidieren,

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr gut!)

selbst bei allen Reformen an der Gesellschaftsordnung, die sich dann mehr oder minder im verbalen
Bereich erschöpfen werden.
Die Stabilitätspolitik der letzten Monate hat Erfolge gebracht — eindeutige Erfolge — und für beide Tarifpartner den heilsamen Zwang zur Besinnung. Kollege Schiller hat sich große Mühe gegeben, allen — Bund, Ländern, Gemeinden, Arbeitgebern und Arbeitnehmern — zu sagen, was im Sinne der konzertierten Aktion und ihrer Zielsetzung erreicht werden muß.
Es gibt wieder gewisse Arbeitskräftereserven, die bei Belebung der Konjunktur an der richtigen Stelle verwendet werden können. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es einen nicht mehr ausschließlich saisonal bedingten Rückgang in der Zahl von Arbeitslosen und Kurzarbeitern. Es gibt einige ermutigende Anzeichen. Aber der Silberstreifen am Horizont ist noch sehr schmal. Der konjunkturelle Aufstieg ist auch erschwert, weil in der Phase des Konjunkturabstiegs strukturelle Schwierigkeiten in gewissen Bereichen besonders spürbar geworden sind. Ich gebe dem Kollegen Schiller recht, wenn er vor dem Bundesverband des Groß- und Außenhandels gesagt hat: Für die allgemeine Konjunkturpolitik bedarf es der globalen Maßnahmen, aber für die strukturellen Probleme bedarf es der Spezialmaßnahmen, weil die strukturellen Probleme in gewissen Bereichen die konjunkturellen Probleme überlagern und weil ein allgemeiner Wiederaufstieg der Konjunktur nicht ausreichen würde, um in den Bereichen der kritischen Strukturen . schon die notwendige Wirkung zu erzielen. Das Stichwort „Kohle" sei nur am Rande erwähnt. Ich möchte keine weiteren Struktur-



Bundesminister Dr. h. c. Strauß
krisen erwähnen, weil schon die Erwähnung einen psychologisch negativen Effekt aufweist.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Die Voraussetzungen sind mit dem Stabilitätsgesetz und den Leertiteln im Haushaltsplan für konjunkturelle Maßnahmen gegeben. Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, die in Zeiten einer überschäumenden Konjunktur zum Teil voreilig aufgebauten Überkapazitäten mit Kreditmitteln der öffentlichen Hand auszulasten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Weitere Maßnahmen dürfen die bemerkenswerte Preis- und Währungsstabilität, die erreicht worden ist, nicht wieder gefährden. Die Umschaltung auf Wachstum muß das erreichte Maß an Stabilität als Dauererscheinung mit sich fortziehen.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir können deshalb keine Antibiotika für künstliche Heilungsprozesse auf Kosten des Gesamtorganismus verschreiben. Auch die strukturelle Bereinigung ist notwendig. Es genügt nicht, an den Symptomen zu kurieren und die Augen vor den Notwendigkeiten zu verschließen, wie die Grundlagen für eine wirtschaftliche Gesundung wiedergewonnen und erhalten werden können. Das ist auch der Grund — ich sage das angesichts der Verschiedenartigkeit der Kommentierung der Konjunkturlage in unserer allgemeinen und wirtschaftlichen Publizistik —, warum der Wiederaufschwung eine gewisse Zeit braucht und nicht ausschließlich durch Belebungsmaßnahmen der öffentlichen Hand künstlich herbeigeführt werden kann.

(Zustimmung in der Mitte.)

Die öffentliche Hand kann ergänzen, sie kann subsidiär wirken, aber sie kann nicht ersetzen. Man kann die Wirtschaft nicht wie ein Fernsehgerät oder wie einen Elektromotor abstellen und wiederanstellen. Darum werden auch die Belebungsmaßnahmen der Bundesregierung nach unserer festen Überzeugung ihren Sinn und ihre Richtigkeit haben. Sie haben einen stärkeren Abschwung verhindert, den ersten Silberstreifen am Horizont gebracht und auch eine gewisse psychologische Belebung zur Folge gehabt. Diese Maßnahmen der Bundesregierung werden nur in einer längeren Frist greifen, wobei der Faktor „psychologischer Effekt" früher oder später eine beträchtliche Rolle spielen wird. Es ist müßig, zu fragen, ob sich zu Beginn des Herbstes oder Ende des Winters die Wirkungen zeigen werden. Der Finanzminister möchte sich enthalten, hier eine Konjunkturprognose zu geben. Aber sicherlich darf er darauf hinweisen, daß es im Sommer immer eine gewisse Auftragsflaute gibt, daß es im Herbst wieder einen gewissen Aufstieg im Hinblick auf das Weihnachtsgeschäft gibt, daß allerdings die Regelung der Entlastung der Altvorräte ein gewisses verzögerndes Moment wieder mit sich bringt, daß umgekehrt aber ein stärkerer Auftragsstoß zur Auffüllung der Lager Anfang des nächsten Jahres einen belebenden Impuls bringen wird. Ich möchte von dieser Stelle aus die deutsche Öffentlichkeit, die deutsche Wirtschaft nochmals auffordern, ihre Lagerhaltung nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Ausnutzung des letzten steuertechnischen Details bestimmen zu wollen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das Wichtigste scheint mir zu sein, daß sich die Bundesregierung durch ihre gezielten konjunkturellen Maßnahmen wieder ein Vertrauenskapital in der Öffentlichkeit erworben hat. Dieses Vertrauen gilt es behutsam zu pflegen und nicht durch übertriebene Hektik und Ungeduld zu verschrecken. Dieses Vertrauen gilt es zu ermuntern, wo es noch zaghaft ist, um den bisherigen Attentismus zu überwinden. Mit ihren Maßnahmen hat die Bundesregierung das in ihren Kräften Stehende bis jetzt getan, um die Voraussetzungen für den nächsten Konjunkturaufschwung zu schaffen.
Diese Bemühungen sind in dankenswerter Weise durch die Maßnahmen der Bundesbank ergänzt und unterstützt worden. Der Diskontsatz ist in vier Monaten um 2 % herabgesetzt worden. Dem entspricht weitgehend die Entwicklung der Debetzinsen. Die Mindestreserven sind um rund 3 Milliarden DM gesenkt worden. Die reichliche Liquiditätsversorgung des Bankensystems hat eine Sanierung des Rentenmarktes eingeleitet.
Ich darf zur Sanierung des Rentenmarkts nur wenige Bemerkungen machen. Der Herr Präsident der Deutschen Bundesbank hat mir vor wenigen Tagen einen Brief geschrieben, dessen Inhalt ich wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung diesem Hohen Hause nicht vorenthalten möchte. Er schreibt:
Der deutsche Rentenmarkt steht seit Ende April d. J. unter dem Eindruck der Ankündigung erheblicher Rentenverkäufe aus den Portefeuilles der Rentenversicherungsträger. Wie wir an den Börsen beobachten konnten, sind in letzter Zeit tatsächlich Verkäufe in beträchtlichem Umfang durchgeführt worden. Die Folge waren Schwankungen an den Märkten mit einem nicht unerheblichen Druck auf die Kurse. Damit wurde zugleich eine Tendenz zur Wiedererhöhung der Renditen und zur Verhinderung der angestrebten weiteren Zinssenkung ausgelöst. Die Rendite der festverzinslichen Wertpapiere, die vom Herbst v. J. bis zum Frühjahr d. J. nachhaltig zurückgegangen ist, und zwar von 8,6 % im Juli 1966 auf 6,8 % im April 1967, ist seitdem wieder leicht gestiegen: auf 6,93 % für ,alle festverzinslichen Wertpapiere, auf 6,86 % für die Anleihen der öffentlichen Hand.
Diese Entwicklung ist unerwünscht. Sie steht im Widerspruch zur konjunkturpolitischen Zielsetzung der Bundesregierung, die darauf gerichtet ist, die Rentenmärkte zur Finanzierung öffentlicher und privater Investitionen verstärkt funktionsfähig zu machen und dabei den Zinssatz weiter zu senken.
Im Interesse dieser Zielsetzung möchten wir ein Doppeltes zu erwägen geben:
1. Nach Informationen aus Ihrem Hause scheint
es nicht mehr möglich zu sein, das für das Jahr
1967 zu erwartende Defizit der Rentenversiche-



Bundesminister Dr. h. c. Strauß
rungsträger durch eine Beitragserhöhung auszugleichen; die Rentenversicherungen werden deshalb nicht umhin können, sich die notwendige Liquidität zur Deckung des Defizits und für die Übernahme von 1250
— nunmehr 1450 —
Millionen DM Schuldbuchforderungen des Bundes (an Stelle von Barzuschüssen des Bundes) durch Rückgriff auf ihre Liquiditätsreserven und durch Verkäufe von Rentenwerten aus ihren Vermögensbeständen zu beschaffen.
Es sollte deshalb nach Wegen gesucht werden, den hierdurch ausgelösten unerwünschten Verkaufsdruck am Rentenmarkt durch entsprechende marktregulierende Käufe auszugleichen. Hierzu 'möchten wir anregen, daß der Bund die Bundesbank zu entsprechenden Interventionskäufen, die über die gegenwärtige flexible Marktregulierung am Markte der Bundesanleihen hinausgehen, ermächtigt. Ergänzend schlagen wir vor, daß der Bund sich die- Mittel hierzu durch Begebung von U-Schätzen beschafft, die durch uns am Markt abgesetzt werden.
— Ich habe von der Zunahme der Bruttoverschuldung von voraussichtlich 11,5 Milliarden DM im Jahre '1967 gegenüber dem 31. Dezember 1966 gesprochen. Diese Bruttoverschuldung muß, wenn der Stoß dieser Rentenpapiere aufgefangen werden soll und auf diesem Wege aufgefangen werden kann, durch weitere Begebung von U-Schätzen noch erhöht werden. —
Als Größenordnung für diese Transaktion, durch die Geldmarktmittel vorübergehend dem Kapitalmarkt zugeführt werden, schlagen wir zunächst einen Betrag von 200 bis 300 Mio DM vor... .
2. Um einen verstärkten Druck am Rentenmarkt durch Verkäufe von Wertpapieren durch die Rentenversicherungsträger im Jahre 1968 mit den sich daraus ergebenden unerwünschten Folgen 'zu verhindern, möchten wir empfehlen, sobald wie möglich die erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung eines Defizits der Sozialversicherungsträger im Jahre 1968 einzuleiten.
Wir haben eine Abschrift 'dieses Schreibens dem
Herrn Bundesminister für Wirtschaft übersandt.
Ich halte diesen Brief angesichts der Diskussion in diesem Hause für grundsätzlich so bedeutsam, daß ich glaube, ihn, zumal sein Inhalt wahrlich kein Geheimnis darstellt, diesem Hause bei der Rede aus Anlaß des Abschlusses der dritten Lesung nicht vorenthalten zu dürfen.
Ich möchte zu den Schuldbuchforderungen zur Unterrichtung der Öffentlichkeit und dieses Hauses, dessen Mitglieder sicher nicht alle Bescheid wissen
— genauso wie auch ich, bevor ich damit amtlich zu tun hatte —, sagen, daß wir aus der Vergangenheit nach dem Stand vom 31. 12. 1966 noch Schuldbuchforderungen in Höhe von insgesamt 4,325 Milliarden DM hatten. Sie wachsen jetzt um weitere
1,450 Milliarden DM. Damit erreichen sie einen Stand von 5,775 Milliarden DM. Die vorgesehenen neuen Schuldbuchforderungen haben unter Berücksichtigung der Zinsen von 6,75 % sowie einer 4%igen Tilgung zuzüglich ersparter Zinsen eine Laufzeit von zwölf Jahren. Bei der vorgesehenen Zuteilung von 1,450 Milliarden DM Schuldbuchforderungen im Jahre 1967 wächst die Bundesbelastung ab 1968 für zwölf Jahre jährlich um 156 Millionen DM. Unter Berücksichtigung der bisher bereits zugeteilten Schuldbuchforderungen beträgt die jährliche Bundesbelastung aus den Schuldbuchforderungen ab 1968 656 Millionen DM. Zins- und Tilgungsraten für zugeteilte Schuldbuchforderungen einschließlich der 1,450 Milliarden DM werden jetzt in die mittelfristige Finanzplanung in voller Höhe eingestellt werden müssen. Eine Erhöhung der Schuldbuchforderungen — ich kann das nicht verschweigen — wird die Schwierigkeiten des Bundes in der Zukunft verstärken und unter Umständen abermalige Änderungen nicht angenehmer Art in der mittelfristigen Finanzplanung — zu Lasten investiver Ausgaben? — hervorrufen.
Es ist nunmehr erforderlich, daß der erste Investitionsstoß des Bundes durch Investitionen der privaten Wirtschaft fortgesetzt wird. Sie muß die eigentliche Wende in der Konjunkturpolitik herbeiführen. Die Wirtschaft ist aufgerufen, aus ihrer bisherigen Reserve herauszukommen und die Voraussetzungen zu schaffen, daß sie für den nächsten Konjunkturaufschwung gerüstet ist. Das bedeutet, bereits heute die Rationalisierungsinvestitionen vorzunehmen und die Kapazitäten aufzubauen, die in einer Phase des Wiederaufschwungs und einer Belebung der Nachfrage benötigt werden. Das bedeutet eine Normalisierung und Verstärkung der Lagerhaltung, und das verbietet allzu vorsichtige Dispositionen, wie ich sie vorhin im Zusammenhang mit dem Mehrwertsteuergesetz erwähnt habe. Die Tarifpartner, Länder und Gemeinden sind aufgerufen, sich konjunkturkonform zu verhalten. Wir sind aufgerufen, alles zu vermeiden, was Dispositionsfreudigkeit und Initiative der Unternehmer und Verbraucher lähmen oder zurückhalten könnte. Preis- und Währungsstabilität müssen erhalten bleiben. Wachstum muß wieder kommen.
Wir haben uns mit allen Ländern — in einer Konferenz der Bundesminister für Wirtschaft und der Finanzen und der Länderfinanz- und -wirtschaftsminister — eingehend über eine konjunkturkonforme antizyklische Finanzpolitik der Länder und Gemeinden unterhalten. Wir haben deshalb auch die Länder gebeten, den Vermittlungsausschuß bei der Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes nicht anzurufen. Zum Glück hat die Einsicht der Mehrheit uns mit Erfolg gesegnet. Denn diese Gespräche dürfen angesichts der Zahlen, die ich bei den Steuereingängen genannt habe, nicht mehr als unverbindliche Zusammenkünfte fortgesetzt werden, sondern müssen unter Federführung des Wirtschaftsministers auf institutioneller Basis in einem Konjunkturrat der öffentlichen Hand systematisch und regelmäßig gepflegt werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)




Bundesminister Dr. h. c. Strauß
Der Arzt muß sozusagen ständig die Hand am Puls des Patienten halten und den Kreislauf beobachten und ihm kreislaufbelebende Mittel verabreichen, damit der Gesamtorganismus selbst wieder von innen heraus zu pulsieren anfängt und ein normales Pulstempo einhält.

(Zuruf von der CDU/CSU: Auch unter die kalte Brause stellen!)

Wenn ich aber vorhin, meine sehr verehrten Damen und Herren, von diesem Anwachsen der Bundesschulden im Jahre 1967 gesprochen habe — Größenordnung 10,5 Milliarden brutto plus wahrscheinlich noch eine Milliarde plus Auffangen der Papiere, die von dem Rentenversicherungsträger verkauft werden —, dann heißt das nicht nur, daß hier eines Tages diese Schulden wieder abgebaut, daß sie wieder getilgt werden müssen. Das heißt auch schon für den laufenden Haushalt 1967, daß wir als Minimum 1100 Millionen DM Kreditfinanzierungskosten mehr haben werden als im Jahre 1966. Der Anstieg beläuft sich von ungefähr 2,7 Millarden DM IstRechnung 1966 auf mindestens 3,8 wahrscheinlich auf über 4 Milliarden DM im Jahre 1967. Allein die Zunahme von 1,1 Milliarden DM in einem Jahr an Mehrbelastung des Bundesschuldenhaushalts für Zinsen und Kapitaltilgung spricht eine ernste Sprache und unterstreicht das, was ich vorhin gesagt habe. Dabei müssen wir, meine Damen und Herren, ab 1969 mit besonders hohen Tilgungsraten rechnen.
Ich sehe in der mittelfristigen Finanzplanung, was dieses Problem anbetrifft, keine Möglichkeit zurechtzukommen, wenn wir nicht im Jahre 1969 Bundesschulden in der Höhe von mindestens 4,9 Milliarden DM prolongieren, 1970 in der Höhe von 1,5 Milliarden und 1971 in der Höhe von 3,5 Milliarden DM. Denn es war uns trotz stärkster Eingriffe auf der Ausgabenseite, trotz schmerzlicher Erhöhung auf der Einnahmenseite nur mit einem solchen Prolongierungsplan — der eher noch zu bescheiden als zu weitgehend ist — möglich, ein ausgeglichenes, stabiles, konsolidiertes Bild der Bundesfinanzen in der Planung von 1968 bis 1971 zu erstellen, und zwar mit der Hoffnung, daß ab 1970 wieder etwas mehr finanzielle Dispositionsfähigkeit eintritt, als wir sie in der Entwicklung der letzten Jahre — struktureller Überhang der Ausgaben bei zurückfallenden Einnahmen — verzeichnen konnten.
Lassen Sie mich noch ein letztes sagen, nachdem ich das Wort mittelfristige Finanzplanung erwähnt habe. Ich bitte, daß sich niemand durch den folgenden Satz beleidigt fühlen möge. Es wäre eine leichtfertige Selbsttäuschung oder vielleicht ein rosiger Optimismus zu glauben, daß die noch nicht offiziell genannten, jedenfalls nicht im Detail, sondern nur in globalen Größen genannten Zahlen — ich nenne sie jetzt nicht mehr Deckungslücken, sondern Ausgabenüberhänge, strukturelle Ausgabenüberhänge — Hochrechnungen oder Tartarenmeldungen aus dem Finanzministerium wären. Davon kann — ich sage beinahe: leider — keine Rede sein.
Wer hier im übrigen das Wort Hochrechnung verwendet, der hat gar keine rechte Ahnung von der Verwendung elektronischer Datenverarbeitung; denn Hochrechnung heißt nicht künstliche Übertreibung, sondern heißt nur Fortrechnung nach einem bestimmten Diagramm, dessen Verlauf sich abzuzeichnen begonnen hat. Es sind leider weder Hochrechnungen noch Tartarenmeldungen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was ist denn die Aufgabe der mittelfristigen Finanzplanung? Die Aufgabe der mittelfristigen Finanzplanung ist es einmal, die Voraussetzungen, ich sage: die Daten und Fakten festzulegen, auf denen diese Planung beruht.
Hierfür hat sich der Finanzminister der mittelfristigen Wirtschaftsprojektion bedient, die der Bundeswirtschaftsminister verantwortlich aufgestellt hat. Wir haben diese mittelfristige Zielprojektion im Finanzministerium so übernommen, wie sie der Wirtschaftsminister unter Beteiligung des Finanzministers und unter Mitwirkung der wirtschaftswissenschaftlichen Institute erarbeitet hat. Diese Zielprojektion sieht für die kommenden Jahre einen Zuwachs des nominellen Bruttosozialprodukts vor, und zwar für 1967 in Höhe von 4,0 %, im Haushaltsjahr 1968 sogar in Höhe von 6,5 %, 1969 in Höhe von 5,5 % und in den folgenden Jahren in Höhe von 5,0 %. Dabei sind aber die 6,5 % bereits hervorgerufen durch Konjunkturbelebungsmaßnahmen und Auswirkungen der Mehrwertsteuer, sie sind also keine natürliche Erhöhung. Auf dieser Projektion beruht also die Schätzung unserer Einnahmeseite.
Wir haben ferner für die folgenden Jahre den Kreditbedarf des Bundes wesentlich höher angesetzt, als das in früheren, glücklicheren Finanzjahren üblich war, nämlich für das Haushaltsjahr 1968 mit — Minimum — 5 Milliarden DM, für die folgenden Jahre mit — Minimum — 3 Milliarden DM. Was ich hier nenne, das sind nur die unteren Grenzen, die bei der abschließenden Beratung im Finanzkabinett oder im Gesamtkabinett noch nach oben geschoben werden könnten, wenn die Lage es erfordert.
Wir sind ausgegangen von der bestehenden Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern. Wir sind ausgegangen von dem bestehenden Steuersystem. Wir sind ausgegangen von den auf Grund bestehender gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtungen eingeleiteten Programmen. Diese Zahlen gelten also ohne neue Programme und ohne die Möglichkeit, besondere Schwerpunkte zu schaffen.
Daraus würde sich die Notwendigkeit ergeben — ich darf die Zahlen jetzt etwas genauer nennen —, wenn die Voraussetzungen richtig sind — andernfalls werden die Zahlen noch höher werden; daß die Voraussetzungen günstiger liegen, als ich sie genannt habe, ist kaum anzunehmen, sie liegen eher ungünstiger —, einen strukturbedingten Ausgabenüberhang für das Jahr 1968 von 7,2 Milliarden DM, für das Jahr 1969 von 9,2 Milliarden DM, für das Jahr 1970 von 9,2 Milliarden DM und für das Jahr 1971 — bei perspektivischer Verkleinerung; das ist das übliche Leid solcher Schätzungen — von 9,8 Milliarden DM zu beseitigen.
Aber mit der Beseitigung dieses Ausgabenüberhangs ist die Lücke noch nicht geschlossen, weil nämlich diese Überhangszahlen bereits voraussetzen,



Bundesminister Dr. h. c. Strauß
daß die Einnahmeseite verbessert wird. Als Verbesserung der Einnahmeseite müßte im Jahre 1968 durch Steuererhöhungen und Beseitigung von Steuervorteilen für den Bund ein Betrag von mindestens 2,5 Milliarden DM herausgeholt werden — 7,2 plus 2,5, wobei das eine struktureller Ausgabenüberhang bei bereits verbesserter Einnahmeseite ist und der Rest mit 2,5 Milliarden DM dann durch Verbesserung der Einnahmeseite geschaffen werden muß.
Wenn ich bei der Beseitigung der Steuervorteile an eine Größenordnung von 600 bis 700 Millionen DM denke, dann bedeutet das, daß der Bund davon nur ein Drittel bekommt, daß also die wirkliche Vermehrung der Steuer dreimal so hoch ist und rund 2 Milliarden ausmacht, plus 1,8 Milliarden DM aus Erhöhungen der Bundessteuern. Das würde also allein für das Jahr 1968 eine Erhöhung der Steuerlastquote um beinahe 4 Milliarden DM bedeuten.
Offen bleibt die Frage der Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge, eine Frage, die aber nicht mehr ad infinitum aufgeschoben werden kann.
Dazu kommt eine Ausgabenkürzung um 7,2 Milliarden DM für 1968.
Das Ziel einer mittelfristigen Finanzplanung kann es nicht sein — damit darf ich meine Ausführungen zunächst beschließen —, nur 'eine mittelfristige Finanzvorschau unverbindlicher Art zugeben, dann von Jahr zu Jahr 'ein „Streichorchester" einzusetzen, das durch lineare oder gezielte Kürzungen quer durch den Garten sämtlicher Einzelpläne jeweils von Jahr zu Jahr mit einem jährlich wiederkehrenden Haushaltssicherungsgesetz einen Papierausgleich schafft. Der Sinn der mittelfristigen Finanzplanung muß vielmehr sein, erstens, ein zuverlässiges Instrumentarium für die Planung zu erarbeiten — wobei man sich der Unzuverlässigkeit mancher Ansätze 'bewußt sein muß —, zweitens, die Einnahmeseite einschließlich der möglichen Verbesserungen unter Beachtung einer wirtschaftlich erträglichen Steuerlastquote festzulegen, bei der Ausgabenseite nicht allein bestehende Ausgaben fortzuschreiben, wie wir es zunächst zur Ermittlung der strukturellen Überhänge getan haben, sondern dann die Ausgaben des Bundes gemäß den Grundsätzen der Regierungserklärung vom Dezember letzten Jahres unter Setzung klarer und glaubwürdiger Prioritäten zukunftsorientierend zu gestalten.
Das erfordert, meine sehr Verehrten Damen und Herren, eine Verstärkung des Investitionsanteils des Bundeshaushalts und eine geringfügige Kürzung des Nichtinvestitionsanteils des Bundeshaushalts. Die Zahlen, die ich Ihnen genannt habe — allein im Jahre 1968 2,6 Milliarden DM Einnahmeverbesserung bei insgesamt 4 Milliarden DM Erhöhung der Steuerlastquote plus 7,2 Milliarden DM Ausgabenkürzung —, ergeben, Sie werden es fast nicht glauben, nur eine Verschiebung der Investitionsquote von 18 % auf 19,4 %. Ohne diese Maßnahmen: Investitionsquote 18 %; mit diesen Maßnahmen, Schaffung der Prioritäten — in Einzelheiten kann ich hier verständlicherweise nicht gehen — 19,4 %. Nur zu erreichen, wenn unsere Pläne zur Einnahmeverbesserung entweder angenommen oder durch gleichwirksame bessere ersetzt werden und wenn unsere
Pläne zur Ausgabenkürzung entweder angenommen oder durch gleichgute und genauso wirksame ersetzt werden. Ich behaupte nicht, daß das, was im Schoße des Finanzministeriums, des Finanzkabinetts, des Ministerialdirektorenausschusses erarbeitet worden ist, der Weisheit letzter Schluß ist. Aber das Instrumentarium stimmt, die Einnahmerechnung stimmt, die Ausgaberechnung stimmt, und die Konsequenzen, wenn die Prioritäten verlagert werden sollen, sind so, wie ich sie hier dargestellt habe. Daß der Weg der beste ist, der wenigen eingefallen ist, kann ich nicht behaupten. Dafür geht es durch die Gesamtregierung, und dafür liegt das letzte Wort bei diesem Parlament, das in der Gestaltung der künftigen Haushalte, das in der Änderung von Gesetzen, sei es nach der Einnahme-, sei es nach der Ausgabeseite hin, die Konsequenzen aus dem ziehen muß, was die Bundesregierung spätestens Anfang Juli verabschieden muß, damit mit Wiederbeginn der parlamentarischen Tätigkeit im Herbst nicht nur die allgemeine Diskussion geführt, sondern auch die Folgerungen daraus gezogen werden können.
Ich mache aus meiner Überzeugung kein Hehl, daß die Konsolidierung der Bundesfinanzen die Voraussetzung für eine stabile Innenpolitik ist, daß stabile Innenpolitik der Hintergrund der Glaubwürdigkeit für unsere Außenpolitik und für ihre Erfolgswirksamkeit ist und daß mit der Bewältigung dieses Problems, bei dem es nicht um Prestige oder Rechthaben geht, bei dem es auch nicht darum geht, eine Gruppe gegen die andere auszuspielen, bei dem es nicht darum geht, oppositionelle oder gouvernementale Maßstäbe gegeneinander auszuspielen, ein Stück Schicksal parlamentarischer Demokratie, deutscher Nachkriegsgeschichte und bestimmt die Existenz dieser Koalition entschieden wird.

(Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0511516000
Meine Damen und Herren, der Herr Bundesminister des Auswärtigen ließ mir mitteilen, daß er nach Rückkehr von der Tagung des NATO-Rats in Luxemburg eine Erklärung abzugeben wünscht — nicht irgendwo draußen, sondern vor diesem Hause. Ich glaube, daß das Haus diese Absicht begrüßt.

(Beifall.)

Ich schlage vor, daß wir jetzt in die Mittagspause eintreten und daß wir mit dieser Erklärung des Bundesaußenministers um 15 Uhr wieder beginnen.
Die Sitzung isst bis 15 Uhr unterbrochen.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.15 Uhr bis 15.01 Uhr.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0511516100
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das Wort zu einer
Erklärung
dem Herrn Bundesaußenminister.




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511516200
Herr Präsident! Meine 'Damen und Herren! Der Ministerrat des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses hat gestern und heute In Luxemburg getagt. Ich begrüße die Gelegenheit, dem Hohen Hause über die Ergebnisse dieser Beratungen berichten zu können, vor allem unid zunächst zu der aktuellen Frage, die auch uns alle bedrückt und in den letzten Tagen unid Wochen beschäftigt hat; ich meine damit die Nahostkrise.
Alle Außenminister der zur NATO gehörenden Staaten haben übereinstimmend die Notwendigkeit betont, zu einer stabilen Friedensregelung im Nahen Osten zu gelangen. Übereinstimmend wurde die Ansicht vertreten, daß man helfen müsse, im Rahmen einer Friedensregelung im Nahen Osten vor allem folgende Fragen zu klären:
erstens die Sicherung der Existenz dies Staates Israel unid seiner Grenzen ebenso wie die Sicherung der legitimen Rechte der arabischen Staaten,
zweitens die freie Benutzung der Wasserwege im Nahen Osten,
drittens eine Regelung für die arabischen Flüchtlinge und Sofortmaßnahmen zur Linderung der Flüchtlingsnot und
viertens Ost-West-Absprachen über Waffenlieferungen in den Nahen Osten.
Die wichtige Rolle der Vereinten Nationen bei der Lösung der Nahostkrise wunde von allen Delegationen in Luxemburg betont. Es wurde jedoch auch darauf hingewiesen, daß durch den übereilten Rückzug der UNO-Streitkräfte aus dem Gaza-Streifen und durch die Inaktivität des Sicherheitsrates vor Ausbruch der Feindseligkeiten das Prestige der Vereinten Nationen erheblich beeinträchtigt sei.

(Abg. Dr. Mommer: Leider wahr!)

Man befürchtete, daß der Vorschlag die Vollversammlung statt des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen mit der Krise zu befassen, die Situation nicht vereinfache, sondern eher noch komplizierter werden laisse.
Wir haben im NATO-Ministerrat unsere Politik erläutert, aus unserer Sicht und Verantwortung die Notwendigkeit einer stabilen Friedensordnung begründet und von allem abgeraten, was als Versuch einer aufgezwungenen Regelung aufgefaßt werden könnte.
Die Möglichkeiten einer amerikanisch-sowjetischen Zusammenarbeit zur Regelung der Probleme des Nahen Ostens wurden nicht zuletzt auf amerikanischer Seite eher pessimistisch beurteilt. Auch der Hinweis, der in diesen Wochen und in den letzten Tagen nicht neu ist, die vier ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates seien in erster Linie berufen, eine Lösung zu finden, scheint gegenwärtig nicht weiterzuhelfen. Der französische Außenminister bezeichnete es als entscheidend, daß die beteiligten Großmächte und die Staaten, die ein traditionelles Interesse an den Verhältnissen deis Nahen Ostens hätten, zu einem Übereinkommen kämen, das ein dauerhaftes Gleichgewicht der Kräfte in diesem Bereich gewährleiste.
Aus guten Gründen, meine Damen unid Herren, ist die Nahostkrise nicht zu einer NATO-Angelegenheit erklärt und gemacht worden; davon haben auch wir abgeraten.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Aber man war sich doch darüber im klaren, daß die politische Konsultation der westlichen Verbündeten viel zu wünschen übriggelassen hat und wesentlich verbessert werden muß.
Wir haben auch gesagt, daß wir es für sehr unbefriedigend halten, wenn es angesichts einer schweren Krise vor der Haustür Europas kaum die Ansätze einer europäischen politischen Zusammenarbeit gibt. Ich habe in diesem Zusammenhang offen von einer „politischen Unterentwicklung" Europas gesprochen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Über die künftige Rolle der europäischen Komponente im westlichen Bündnis wird nicht nur aus diesem akuten Anlaß, sondern auch aus anderen Gründen und im Zusammenhang mit den künftigen Aufgaben der Allianz weiter zu beraten sein.
Über Europa sprachen gestern unid heute in Luxemburg nicht zuletzt auch die Außenminister jener Länder, die, wie Großbritannien und Dänemark, ihre Aufnahme in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft beantragt haben. Am 26. Juni werden die Außenminister der sechs Mitgliedstaaten der EWG ihre Beratungen über diese Anträge unid über die Fragen, die durch eine Ausweitung der EWG aufgeworfen werden, beginnen. Es wird dann auch darauf ankommen, daß die britische Regierung ihren Antrag möglichst bald vor .den Vertretern der jetzigen Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission erläutern kann.
Ich darf, Herr Präsident, meine Damen und Herren, dann noch ein paar Bemerkungen über die Erörterung der Ost-West-Fragen in Luxemburg hinzufügen, vor allen Dingen, soweit wir dadurch direkt betroffen sind.
Auf der Konferenz gab es eine starke Zustimmung zu unserem Hinweis und Appell, die bilateralen Kontakte westlicher Bündnispartner mit der Sowjetunion und den Staaten Osteuropas stärker aufeinander abzustimmen. Und aus dieser Tagung wird der Auftrag abgeleitet werden, den Teil der Studien über die Zukunft des Bündnisses beschleunigt fertigzustellen, der sich auf Fragen einer europäischen Friedensordnung oder, wenn man so will, eines europäischen Sicherheitssystems bezieht, um damit Grundelemente einer solchen Friedensordnung zu erarbeiten, die bilateral, aber koordiniert in den Gesprächen mit den Gesprächspartnern Sowjetunion und Osteuropa oder osteuropäische Staaten erörtert werden können.
Der italienische Außenminister hat heute früh, meiner Meinung nach völlig zu Recht, darauf hingewiesen — jedenfalls hat ihm keiner von uns widersprochen —, daß wir Europäer .das Thema einer europäischen Sicherheitskonferenz nicht nur den Kommunisten überlassen dürfen.

(Sehr richtig! in der Mitte und Beifall bei der SPD.)




Bundesminister Brandt
Es hat — das muß ich andererseits sagen, denn es kommt ja darauf an, sich nicht in die Tasche zu lügen, sondern einen nüchternen Bericht zu geben — eine Bestätigung dessen gegeben, daß bisher in !der Haltung der Sowjetunion gegenüber Deutschland auch nach Meinung unserer Bündnispartner kaum Veränderungen festzustellen sind. Der amerikanische Außenminister hat in seinem Bericht darauf hingewiesen, daß die Propaganda gegenüber der Bundesrepublik Deutschland so intensiv wie eh und je sei und aus seiner Sicht keine Bewegung in der sowjetischen Behandlung deutscher Fragen zu erkennen sei. Der britische Außenminister meinte feststellen zu können, daß er bei seinem kürzlichen Besuch in Moskau, was Deutschland angehe, nicht auf eine gleich starke Ablehnung wie noch vor einigen Monaten gestoßen sei, und er hat dem hinzugefügt, er habe seine sowjetischen Gesprächspartner hart bedrängt, eine aufgeschlossenere Haltung gegenüber den Bemühungen der Bundesrepublik Deutschland einzunehmen.
Es bestand starkes Interesse an der Darlegung der Ostpolitik dieser Regierung, d. h. unseres Bemühens um verbesserte Beziehungen zur Sowjetunion, um Normalisierung der Beziehungen zwischen den Staaten Deutschland und Rußland, und auch für unsere Bemühungen um innerdeutsche Entkrampfung. Ich kann hier ohne Übertreibung feststellen, daß ich aus Luxemburg zurückkomme mit dem doch starken Eindruck einer Unterstützung und Ermutigung durch unsere westlichen Verbündeten, wo es sich um diese Elemente unserer auswärtigen und deutschen Politik handelt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Der französische Außenminister hat die Bundesregierung im Ministerrat ausdrücklich zu ihren Bemühungen und Anstrengungen beglückwünscht.

(Bravo! bei der SPD.)

Der italienische Außenminister hat die deutsche Ostpolitik ausdrücklich begrüßt. Der englische Außenminister hat darauf hingewiesen, daß dieses unser Bemühen um veränderte und verbesserte Beziehungen zu Moskau und Osteuropa lebensnotwendig sei. Der belgische Außenminister hat heute früh erklärt, unsere Verbündeten, unsere Freunde müßten sich ganz hinter die deutschen Bemühungen um Entspannung stellen, und der amerikanische Außenminister hat erklärt, diese Politik zeuge von Selbstbewußtsein und konstruktiver Orientierung der deutschen Politik.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Was die deutschen Fragen angeht, darf ich nur noch hinzufügen, daß über den Ministerrat hinaus gestern abend beim nun schon traditionellen Vierertreffen, d. h. bei den zweimal im Jahr stattfindenden Begegnungen der Außenminister der Vereinigten Staaten, Frankreichs, Großbritanniens und der Bundesrepublik Deutschland, die Außenminister dieser drei mit den deutschen Fragen aus Gründen, die ich hier nicht darzulegen brauche, besonders verbundenen Staaten die Bemühungen der Bundesregierung um eine Ausweitung der menschlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte zwischen den beiden Teilen Deutschlands begrüßten und übereinstimmend feststellten, daß 'dieser innerdeutsche Vorgang als wichtiger Beitrag zur Entspannung in Europa zu werten ist, und daß sie zweitens auch dem deutschen Außenminister darin zustimmten, daß es notwendig sei, Berlin dabei zu unterstützen, auch und gerade in einer Phase veränderter und sich weiter verändernder Ost-West-Beziehungen seine Lebensfähigkeit zu stärken.

(Beifall bei den Regierungsparteien und Abgeordneten der FDP.)

Meine Damen und Herren, ich habe mich auf einige aktuelle Fragen beschränkt unid hoffe, daß diese Orientierung dien Mitgliedern des Hohen Hauses bei ihrer Meinungsbildung hilft.

(Beifall auf allen Seiten.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0511516300
Meine Damen und Herren, Sie haben die Erklärung des Herrn Bundesaußenministers gehört. Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. — Keine Wortmeldungen.
Wir fahren dann in der allgemeinen Aussprache zur dritten Lesung des Bundeshaushalts fort,
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mende.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0511516400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die parlamentarische Opposition begrüßt es, daß der Herr Bundesaußenminister den Deutschen Bundestag als ersten über die Ergebnisse der NATO-Ministerratssitzung informiert. Das dient der richtigen Einschätzung des Parlaments in der Öffentlichkeit und auch der Objektivierung politisch-parlamentarischer Auseinandersetzungen. Wir möchten dem Bundesaußenminister dafür danken.
Gleichzeitig aber muß das Haus nun einmal in Kauf nehmen, daß dadurch die Thematik der Haushaltsdebatte etwas verändert wird.
Ich hatte mich bereits am Vormittag zu dem gemeldet, was der Herr Bundeskanzler an grundsätzlichen Erklärungen — auch bezüglich der Deutschland- und Ostpolitik — geäußert hatte. Der Herr Bundesfinanzminister hatte es dann allerdings für richtig gehalten, sich in diese Thematik einzuschieben, obwohl ihm bewußt war, daß die vormittags begonnene Debatte noch nicht abgeschlossen war und dadurch eine Zerreißung des Themas beklagt werden mußte. Der Herr Bundesfinanzminister bestand, obgleich vom Präsidenten darauf aufmerksam gemacht, in seiner uns bekannten Robustheit auf der ihm durch Grundgesetz und Geschäftsordnung eingeräumten Privilegierung. Wir wünschen dem Herrn Bundesfinanzminister, daß er die gleiche Robustheit auch in seinem Ressort in der Bundesregierung beweisen wird, wenn es um die Streichung von Ausgaben einschließlich gewisser Subventionen zum Ausgleich des Haushalts 1967 und der folgenden Haushalte gehen wird.
Herr Bundeskanzler, Sie sprachen von der schwierigen Lage, die die neue Regierung unter Ihrer Führung im Dezember 1966 übernehmen mußte. Ist



Dr. Mende
Ihnen, Herr Bundeskanzler, bewußt gewesen, daß die Schwarzmalerei an der alten Koalition unter Professor Erhard, die Sie hier wiederholten, um dann ins Rosarot der ersten sechs Monate Ihrer Regierung überzugehen, auch ein Stück Eigenkritik an Ihrer Partei und Ihrem Vorgänger als Bundeskanzler und Parteivorsitzenden gewesen ist. Mir scheint es irgendwie ans Schizophrene zu grenzen, wenn man auf der einen Seite sagt, damals seien wir in einer sehr schwierigen innen- und außenpolitischen Lage gewesen, und nun sei in sechs Monaten eine wesentliche Verbesserung eingetreten, dabei aber auf der anderen Seite verschweigt, daß die Hauptverantwortung in der alten Koalition aus CDU/CSU und FDP die gleiche Partei getragen hat, die mit 9 Bundesministern gleichen Namens auch heute in dem Kabinett der Großen Koalition vertreten ist. Irgendwie stimmt hier etwas an der Objektivierung der Symmetrie der Verantwortung nicht, wenn man auf der einen Seite feststellt, die Wirtschaftspolitik sei damals in Schwierigkeiten gekommen, aber auf der anderen Seite der Wirtschaftsminister heute als Schatzminister im Kabinett sitzt, wenn man sagt, die Außenpolitik habe das deutsch-amerikanische Verhältnis nicht mehr besonders gepflegt, das deutsch-französische Verhältnis vernachlässigt, aber der damalige Außenminister — in anderer Funktion — auch wieder in der neuen Regierung sitzt.
Herr Bundeskanzler, man sollte bei allen Versuchen der Kosmetik für das Gesicht der Großen Koalition nicht zur Selbstverstümmlung gegenüber dem alten Bundeskanzler und den alten Koalitionspartnern gelangen.

(Beifall bei der FDP. — Zurufe von der SPD.)

Ich muß, nachdem es niemand aus den Reihen der Christlich-Demokratischen Fraktion getan hat, den früheren Bundeskanzler — auch um des objektiven Urteils über sein Wirken willen — in Schutz nehmen. Es war Ludwig Erhard, der das Maßhalten hier im Hause und draußen im Lande geradezu predigte, zum Gelächter der damaligen Opposition und zum Gespött eines Teils der deutschen Öffentlichkeit, die sich jetzt beklagt, daß wir nicht rechtzeitig maßgehalten haben.

(Beifall bei der FDP.)

Natürlich widerspricht es einem liberalen Wirtschaftspolitiker wie Ludwig Erhard, ebenso wie es Professor Rüstow, Professor Röpke oder Professor Müller-Armack widerstreben würde, zu früh zur Intervention zu schreiten. Es liegt im Wesen des Liberalismus, daß er im Glauben an die Balancierung und das freie Spiel der Kräfte erst als letztesdie Ausuferung der Ausgaben der öffentlichen Hand nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern, auch in den Gemeinden zu beklagen war. Das gilt auch für Länder, die damals einen tüchtigen Ministerpräsidenten und einen tüchtigen Finanzminister hatten, in Ländern, die sich damals sehr sträubten, dem Bund in bezug auf seinen Anteil mehr zu geben, als der Ministerpräsident des Landes BadenWürttemberg Kiesinger es damals für richtig hielt.
Mittel die Intervention des Staates ansieht. Aber hier darf ich darauf hinweisen, daß sich die frühere Regierung mit dem Haushaltssicherungsgesetz, daß sie bereits im Sommer 1965 im Wahlkampf ankündigte, und durch das Stabilisierungsgesetz auch unter Ludwig Erhard der Erkenntnis nicht mehr verschloß, daß leider gewisse Interventionen notwendig wurden. Man darf es sich nicht so leicht machen, die frühere Regierung einschließlich des früheren Kanzlers zum Schuttabladeplatz zu machen, zumal
Der Herr Bundeskanzler leitet sein positives Urteil über die ersten sechs Monate seiner Regierung auch aus der Zustimmung durch die Demoskopen ab. Ich hoffe nicht, daß wir allmählich die Demoskopie zum Ersatzmittel für Politik machen wollen; denn mit der Vox populi, Herr Bundeskanzler, und der Vox Dei hat es, wie die letzten 50 Jahre der deutschen Geschichte beweisen, so etwas auf sich. Man sollte demoskopische Zustimmung bei allem Zweifel, den wir hier ohnehin hegen müssen, nicht zum Maßstab einer politischen Selbstzufriedenheit machen wollen. Im übrigen hatte auch Ihr Vorgänger im Amt — wenn Sie so wollen — das eindrucksvollste demoskopische Ergebnis, das man seit 1957 in Ihrer Partei verzeichnen konnte. Immerhin hatte Ludwig Erhard als Kanzler und Vorsitzender der CDU mit seiner damaligen Regierung 300 Mandate erreicht, er selbst mit der CDU 245 Mandate. Ihm fehlten nur vier Mandate an der absoluten Mehrheit,

(Abg. Rasner: Und das war schade!)

also ein Ergebnis, das besser war als das von 1961. Wenn Sie, Herr Kollege Rasner, dieses Wahlergebnis zum Maßstab machen, so kann nach der Meinung des Volkes die Politik damals nicht so schlecht gewesen sein, sonst hätte der damalige Bundeskanzler nicht eine solche Zustimmung am 19. September 1965 erreichen können.

(Abg. Rasner: Mit 5 mehr wäre es noch besser gegangen!)

Immerhin fand das Kopf-an-Kopf-Rennen nicht statt! Die Entscheidungen sind aber nun gefallen, und es hat wenig Sinn, allzu rückwärts gerichtete Betrachtungen anzustellen. Aber manche sind notwendig, um subjektive Verzerrungen in der Darstellung der Entstehung der Großen Koalition zu vermeiden.
Natürlich, Herr Bundeskanzler, sind viele heute voller Erwartung darüber, was diese Regierung Kiesinger-Brandt mit neun Zehnteln aller Mandate nun an Wundern vollbringen wird. Ein Teil der Industrie glaubt, daß es nun, nachdem die Sozialdemokratische Partei in der Verantwortung ist, gelingen werde, die Gewerkschaften an die Kette zu legen, mit Lohnleitlinien die Lohnforderungen der Gewerkschaften einzudämmen und gleichzeitig die Zustimmung zu den Notstandsgesetzen zu erreichen. Das ist die Hoffnung eines Teils der Industriellen und der Arbeitgeber. Die Gewerkschaften wiederum glauben, daß durch die Hereinnahme der Sozialdemokraten in die Regierung eine Umverteilung des gegenwärtigen Vermögens auf einfacherem Wege möglich ist. Die Rentner sind der Überzeugung, daß in der Bundesgenossenschaft SchellenbergKatzer eine sozialprogressive Rentenpolitik getrie-



Dr. Mende
ben wird. An Erwartungen, die in weiten Kreisen gehegt werden, fehlt es nicht. Ob sich diese Erwartungen 'erfüllen, wird man wohl erst in ein bis zwei Jahren beurteilen können, nicht bereits nach sechs Monaten.
Nun haben Sie, Herr Bundeskanzler, das Wort geprägt, Sie würden der Opposition das Ohr desto mehr leihen, je mehr diese Opposition seriös sei. Man kann jetzt in der Tat darüber streiten, was Seriosität ist. Es gibt zu allen Zeiten der politisch-parlamentarischen Auseinandersetzungen Streit um den richtigen Stil, Streit auch um das Wesen der Opposition. Mir scheint, ,daß es notwendig ist, Herr Bundeskanzler, einige Richtigstellungen zur Einschätzung der Opposition zu treffen, wie sie in den letzten drei Tagen von dem einen oder anderen Redner dieses Hohen Hauses leider zu vermerken war. Die Reife einer Demokratie und ihre Stärke mißt sich an der Art, wie die Mehrheit der Minderheit begegnet, selbst wenn es sich um eine unliebsame Minderheit handelt.

(Beifall bei der FDP.)

Hier haben wir in den letzten drei Tagen einige sehr interessante Feststellungen treffen müssen. Einige rechneten quasi mit der Stoppuhr die Minutenzahl aus. Welch mechanistische Einschätzung einer geistig-politischen Auseinandersetzung!

(Zuruf von der SPD.)

Andere wiederum, Herr Kollege Schmidt, fragten: Wieviele Anträge haben Sie gestellt? — Meine Kollegen, das Wesen des Parlamentarismus beruht darin, daß man in einem diskussiven Vorgang von Rede und Gegenrede, von Argument und Gegenargument das relativ Richtige für den Staat findet und entscheidet. Kollege Erler, der verstorbene, von uns hochgeschätzte Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion, hat in seinem Buch in der richtigen Ausdeutung des englischen „democracy is government by discussion" gesagt: Demokratie ist Regieren durch Diskutieren Wenn Sie also das Wesen der Demokratie im Diskutieren, im Austausch von Argument und Gegenargument sehen, dann dürfen Sie nicht in geradezu kleinkarierter Art nach Minuten rechnen und nach Anträgen fragen, sondern müssen uns hier reden lassen, solange wir etwas zu sagen haben, und hören, was wir zu sagen haben.

(Beifall bei der FDP. — Zurufe von der SPD.)

Alles andere wäre nämlich der Beginn einer anderen Denkform, die sich dann vom Parlamentarismus Zug um Zug entfernte. Hier sitzen viele Freunde einer Generation, die zum Teil noch die Propaganda gegen die „Schwätz-Demokratie" von Weimar erlebt hat. Es hat einmal so begonnen, daß man den Parlamentarismus des Weimarer Reichstages als „unnötiges Geschwätz" darstellte.

(Zurufe von der SPD und von der Mitte.)

— Ja, Herr Kollege Marx, hören Sie bitte zu; vielleicht werden Sie jetzt bei dem, was kommt, einige Verwandtschaft entdecken.
Es war kein geringerer als der Professor Carl Schmitt, geboren in Plettenberg — im nächsten Jahr wird er 80 Jahre alt —, der in seiner Schrift „Die geistesgeschichtlichen Grundlagen des heutigen Parlamentarismus" (1923) schrieb: Der Parlamentarismus sei überholt! In der modernen Massendemokratie habe er keine Existenzberechtigung mehr. Die Entscheidungen fielen ja gar nicht mehr im Plenum und in den Ausschüssen. Es sei gar keine geistige Auseinandersetzung von Argument und Gegenargument mehr vorhanden. Das werde in den Fraktionen, in den Parteizentralen ausgehandelt. Und er schließt: Der Parlamentarismus sei nichts anderes, als wenn man eine Zentralheizung mit gelben und roten Farben striche, um die Illusion eines lodernden Feuers zu erzeugen. Carl Schmitt, der mit diesem vernichtenden Urteil über die geistigen Grundlagen des Parlamentarismus einer der Wegbereiter des Monismus war, sagt dann: Der Parlamentarismus habe seine geistige Grundlage verloren!
Der Weg ging dann auch über die „SchwätzDemokratie" von Weimar hinweg. Ein großer Teil der Öffentlichkeit schloß sich diesem vernichtenden Urteil an. Das Ergebnis war der Monismus einer Diktatur mit allen seinen verheerenden Auswirkungen.
Heute kann man wieder in einigen deutschen Zeitungen renommierten Rufes lesen: Die Liberalen hätten filibustert; was solle überhaupt diese dreitägige Debatte; was schwätze man eigentlich, die Entscheidung sei doch klar; die Mehrheit von neun Zehnteln der Abgeordneten, der Großen Koalition, sei doch fixiert; warum das alles? — Ich sehe hier wiederum Ansätze des Versuchs, von unserer parlamentarischen Demokratie, wie sie das Grundgesetz statuiert, zu einem autoritären bürokratischen Verwaltungsstaat zu gelangen, in dem wir Parlamentarier nicht mehr viel zu sagen hätten.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Rasner: Ein Popanz!)

Sie dürfen sich nicht wundern, wenn die Liberalen diese Sorge haben, zumal wenn sie sehen und beweisen können, wie stark ein Teil der konzentrierten deutschen Presse als neues Mittel der Unterdrückung einer Opposition das Verschweigen, ja sogar die Mißachtung der liberalen Partei betreibt.

(Oh-Rufe von der Mitte. — Abg. Rasner: Das ist doch ein Popanz!)

Nun, meine Damen und Herren, ob noch das freie Spiel der Kräfte auf dem Gebiet des deutschen Pressewesens vorhanden ist, das zu untersuchen haben Sie sich ja entschlossen! Wenn dem so wäre, hätten Sie keinen Untersuchungsausschuß eingesetzt.
Herr Bundeskanzler, wir bitten Sie einschließlich Ihrer beiden Koalitionsfraktionen, auch eine Ihnen manchmal unangenehme liberale Minderheit dieses Hauses und damit jene Grundsätze zu respektieren, die nun einmal integrierender Bestandteil unserer parlamentarischen Ordnung sind.
Natürlich ist auch in den Reden der Freien Demokraten nach dem Motto: „Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil" und: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus" manche harte For-



Dr. Mende
mulierung gefallen. Wenn man das einmal überprüft, sollte man den Versuch machen, beiderseits eine neue Ausgangsposition zu finden. Ich bedaure, daß mein Versuch, zwischen den wechselseitig harten Angriffen des Bundesinnenministers und des Abgeordneten Dorn im Ältestenrat einen Ausgleich zu finden, gescheitert ist.

(Abg. Rasner: Dorn soll sich entschuldigen!)

Herr Bundesminister, wir sollten alles tun — und ich bin als Vorsitzender der Freien Demokratischen Partei dazu bereit —, um die gegenseitige Spannung zu beseitigen, die zwischen Ihnen als dem Verfassungsminister und der Fraktion der Freien Demokraten in diesem Hause besteht. Dabei kann es nicht bleiben! Beide Seiten sollten den Versuch einer Überwindung der Spannungen machen. Wir sind dazu bereit. Aber wir erwarten auch Ihre Bereitschaft dazu.
Natürlich ist eine Opposition, wenn sie mit Charme, Schirm und Melone gehandhabt wird, manchmal angenehmer. Die sozialdemokratische Fraktion hat von 1949 bis 1959 hier eine sehr harte Opposition geführt. Man braucht nur in den Protokollen nachzulesen. Ab 1959, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, waren Sie nicht mehr parlamentarische und politische Opposition, sondern mehr eine Koalitionspartei im Wartestand. Entsprechend Ihrem Wunsch sind Sie dann auch in Ihre heutige Position eingetreten. Sie dürfen sich also nicht wundern, Herr Kollege Schmidt, wenn wir dort anfangen, wo Sie 1959 aufgehört haben, d. h. bei einer harten parlamentarischen Opposition, weil wir eben nicht Koalitionspartei im Wartestand sein wollen.

(Abg. Dr. Barzel: Herr Mende, fangen Sie doch mal an mit der Opposition!)

Nun hat der Kollege Schmidt davon gesprochen, daß sich Herr Mischnick über mangelnde Informierung hier verbreitet habe, und er, Schmidt, meinte, man müsse die heutige Opposition der FDP so behandeln, wie die frühere Opposition der SPD behandelt worden sei. Herr Kollege Schmidt, Sie waren lange Jahre in Hamburg; darum nehme ich Ihnen das nicht übel. Fragen Sie Ihren Kollegen Herbert Wehner, den früheren Vorsitzenden des Gesamtdeutschen Ausschusses, wie er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Gesamtdeutschen Ausschusses, aber auch als stellvertretender Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei über alle Angelegenheiten aus meinem Ressort ständig auf dem laufenden gehalten wurde! Fragen Sie Herrn Wischnewski, wie Kollege Scheel das in seinem Ressort hielt! Fragen Sie Herrn Kollegen Möller, den Herr Starke damals als ersten einlud, und seinen Nachfolger Dahlgrün, wie es in der Finanzpolitik war! Nicht zuletzt fragen Sie Herrn Kollegen Bucher! Herr Kollege Bucher ging so weit in der Einschätzung der Notwendigkeit ständiger Informiertheit der parlamentarischen Opposition im Falle des Kollegen Jahn, daß im Kabinett der Kanzler von seiner Richtlinienbefugnis Gebrauch machen mußte, um Buchers Einwand zu überwinden. So weit sind wir in der Einschätzung der parlamentarischen Opposition gegangen. Wir sollten uns also nach dem, was wir in den vergangenen Jahren an Bereitschaft zur Zusammenarbeit bewiesen haben, nicht ein falsches Bild setzen lassen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0511516500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0511516600
Herr Kollege Mende, entschuldigen Sie, Sie sind schon einen Gedankengang weiter. Aber vielleicht darf ich noch einmal darauf zurückkommen. Sie bestreiten nicht, daß die Sozialdemokraten Opposition waren, wie Sie sie auch bezeichnen mögen. Aber liegt nicht der wesentliche Unterschied zwischen der Opposition und Ihnen darin, daß Sie schon in der Regierung versucht haben, Regierung und Opposition zugleich zu sein, und daß das heute nicht mehr geht?

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)


Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0511516700
Herr Kollege Hermsdorf, Sie haben wohl am ersten Tag erlebt, wie in der Frage des Stoph-Briefes die Meinungen zwischen dem Kollegen Barzel und dem Kollegen Schmidt auseinandergingen. Zweitens haben Sie wohl die Zwischenrufe des Herrn Kollegen Wehner, der in dieser Debatte überraschenderweise mehr unten saß als oben, gegenüber dem Kollegen Barzel zur Kenntnis nehmen können. Also so ganz homogen ist das heute auch nicht. Aber wenn Sie mich fragen, mir ist eine liberale Partei, die auch ihre Eigenständigkeit in der Koalition beweist, immer noch sympathischer als ein gleichgeschaltetes Anhängsel.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0511516800
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0511516900
Herr Kollege Mende, würden Sie uns als ein liberaler Politiker nicht lieber Lob zollen, daß wir der Gefahr des Eintopfs offenkundig entgangen sind?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0511517000
Deswegen habe ich ja auf den Zwischenruf des Kollegen Rasner, es fehlten fünf Mandate, nicht geantwortet. Ich halte absolute Mehrheiten im pluralistischen Staat für sehr problematisch, weil die Gefahr des Machtmißbrauchs besteht. Daß die damalige Opposition in der Koalition manchmal sehr heilsam war, hat sich ja wohl in vielen Fällen erwiesen. Der einzige Kummer, den ich nachträglich noch habe, ist, daß wir in der Finanzpolitik nicht früher in der Koalition eine harte Opposition getrieben haben — einschließlich der Anwendung des Art. 113 im Sommer 1965.

(Beifall bei der FDP. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Aber Sie wissen ja, daß der Finanzminister Dahlgrün die Anwendung des Art. 113 vorschlug, Herr Kollege Barzel. Sie wissen auch, warum Art. 113 damals nicht angewendet wurde, und Sie wissen schließlich, daß Herr Dahlgrün daraufhin seinen Rücktritt erklären wollte. Sie wissen ebenso, warum wir das drei Monate vor der Wahl einfach nicht tun



Dr. Mende
konnten, wenn wir nichtallgemeinen Mißdeutungen ausgesetzt werden wollten. Die Richtlinien der Politik hat immer noch Ihr Bundeskanzler bestimmt und nicht der Finanzminister.
Zu der Frage der Deutschlandpolitik hat der Herr Bundeskanzler darauf hingewiesen, daß sich früher alle Bemühungen mehr oder minder am Widerstand des Ostens festliefen. Ich will hier nicht rückschauend noch einmal beim März 1952 beginnen. Historiker mögen prüfen, welche Möglichkeiten damals genutzt oder nicht genutzt wurden. Ich will auch nicht darauf zu sprechen kommen, ob die Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1955 dann auch entsprechend genutzt wurde. Aber spätestens im Frühjahr 1958, Herr Bundeskanzler, zeigen sich doch einige Daten und Fakten, die nicht zufällig sein können. Der stellvertretende Ministerpräsident der Sowjetunion, Mikojan, erscheint mit der Delegation in Bonn, um den Handelsvertrag abzuschließen. Er führt auch Gespräche — getrennt — mit Repräsentanten aller drei Fraktionen des Hauses, mit dem Bundeskanzler, mit der Regierung. Versuche, außer über handelspolitische Fragen auch über allgemeinpolitische Angelegenheiten zu verhandeln, sind leider gescheitert — nicht an Herrn Mikojan. Mikojan reist im Frühjahr 1958 ab. Im November 1958 kommt dann die Berlin-Note mit der ultimativen Drohung gegenüber West-Berlin. Im Januar 1959 wird der sowjetische Friedensvertragsentwurf — solch einen Namen verdient er kaum, aber so nennt er sich — auf den Tisch gelegt. Man mag an einen Zufall glauben. Wir Freien Demokraten glauben, daß diese Aneinanderreihung der Verschärfung und Veränderung der sowjetischen Deutschlandpolitik von dem Besuch Mikojans in Bonn über die BerlinNote, über den Friedensvertragsentwurf 1959 bis zur Errichtung der Mauer im August 1961 kein Zufall ist.
Nun ist ein Brief geschrieben worden. Der Brief schien beinahe schon eine neue Ost- und Deutschlandpolitik einzuleiten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0511517100
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Barzel?

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0511517200
Habe ich Sie recht verstanden, daß dies alles kein Zufall sei? Würden Sie vielleicht die nun doch in der Luft hängende Frage beantworten, wer wohl die Verantwortung für die Verschärfung der sowjetrussischen Politik gegenüber der Bundesrepublik Deutschland hat? Er wäre, glaube ich, nicht ganz fair, das nur zu erwähnen, ohne hier die Verantwortlichkeiten festzulegen, Herr Kollege Mende.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0511517300
Ich möchte sagen, Herr Kollege Barzel, es gab Aktionen und Reaktionen. Es war in den fünfziger Jahren eine Bereitschaft zu erkennen, Ulbricht anders einzuschätzen, .als das leider in den sechziger Jahren der Fall war. Das galt damals auch für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, zur Tschechoslowakei. Selbstverständlich gebührt die Hauptverantwortung für die Verschärfung im
Ost-West-Konflikt dem Verhalten der Sowjetunion, spätestens auch nach der Pariser Konferenz von 1960, nachdem sich der Geist von Camp David endgültig verflüchtigt hatte.
Ich frage mich nur, ob wir die davor liegenden Jahre genügend genutzt haben, um wenigstens zu einer Verbesserung der deutschsowjetischen Beziehungen zu kommen. Die Behandlung der Reise der Parlamentarierdelegation nach Moskau, Herr Kollege Barzel, die zu verhindern Sie sich jahrelang Mühe gegeben haben, hat nicht gerade dazu beigetragen, das deutsch-sowjetische Verhältnis zu verbessern. Wenn jetzt ,gereist wird, dann, finde ich, ist es schon sehr spät. Es wäre besser gewesen, 1959, 1960 oder 1961, noch vor Errichtung der Mauer, die Parlamentariereinladung anzunehmen. Nachher kann man Krokodilstränen weinen! Es wäre besser gewesen, die vorherigen Jahre wenigstens zu dem Versuch zu nutzen, das Klima zu verbessern. Ich bilde mir nicht ein, Herr Kollege Barzel, daß wir mit der Wiedervereinigung oder einer Berlinlösung im Gepäck zurückgekommen wären — so einfach ist das nicht —; die Zeit hat aber hier doppelseitig gegen uns gearbeitet.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0511517400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Barzel?

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0511517500
Würden Sie die Freundlichkeit haben, Herr Kollege Mende, vielleicht einmal den Zeitpunkt und den Anlaß zu bezeichnen, aus dem die Einladung aus Moskau an eine Delegation dieses Hauses ergangen ist, und vielleicht hätten Sie im weiteren die Liebenswürdigkeit, die sachlichen Argumente der früheren Koalition in den letzten Jahren zu dieser Frage auch dem Hause mitzuteilen?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0511517600
Herr Kollege Barzel, neben dem Besuch des Bundeskanzlers Adenauer und der damaligen Delegation und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion hat es eine Vielzahl von Einladungen gegeben, darunter auch eine Einladung an den Deutschen Bundestag durch den Obersten Sowjet. Diese Einladung ist mehrfach im Ältestenrat besprochen worden. Sowohl die CDU wie die SPD wie die FDP wurden vom Präsidenten dieses Hohen Hauses um ihre Stellungnahme ersucht.

(Abg. Dr. Barzel: Anlaß und Zeitpunkt!)

Die CDU erklärte immer wieder, sie glaube, daß der Zeitpunkt jetzt nicht zweckmäßig sei. So ist von Zeitpunkt zu Zeitpunkt eine zehnjährige Vertagung dieser Reise erfolgt.

(Abg. Rasner: Sie wollen nicht antworten!)

Ich verstehe nicht.

(Abg. Rasner: Es war gefragt: Was war Anlaß und was der Zeitpunkt dieser Einladung!)

— Der Anlaß war, nach Aufnahme diplomatischer
Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland über
die Regierung hinaus auch Parlamentarier in die



Dr. Mende
Lage zu versetzen, sich an Ort und Stelle über die Verhältnisse in der Sowjetunion zu informieren und Gespräche zu führen. Oder haben Sie einen anderen Anlaß? Dann sagen Sie ihn. Mir ist ein anderer Anlaß der Sowjets, eine Parlamentarierdelegation nach Moskau einzuladen, nicht bekannt. Mit einer Anerkennung konnte dabei nichts verbunden werden. Die Sowjetunion hatte ja bereits ihre diplomatischen Beziehungen, und Ulbrichts Position war damals so schwach, daß man sogar über ihn hätte mit Moskau reden können — damals!
Meine Kollegen, ich darf auf den Brief des Herrn Bundeskanzlers an Herrn Stoph eingehen. Wir wissen schon jetzt, daß auf diesen Brief eine Reaktion unserer Erwartung nicht erfolgen wird. Die andere Seite versucht, durch die Briefaktion zu testen! Genauso wie sie am entscheidenden Punkt bei der Rednerbegegnung zwischen SPD und SED oder bei den versuchten Rednerbegegnungen zwischen FDP und LDP ausgewichen war, so wird sie auch hier kneifen. Jedenfalls wird sie nicht dem Rechnung tragen wollen, was das Anliegen der Bundesregierung ist, unterstützt von der Opposition, nämlich zusammenzukommen, um über eine Erleichterung der Verhältnisse, bessere Reisebedingungen, bessere Wirtschaftsbeziehungen, Kultur- und Sportbegegnungen zu sprechen, um aus dem Gegeneinander eine Art geregeltes Nebeneinander zu erreichen, ohne Anerkennung eines zweiten deutschen Staates als Völkerrechtssubjekt, ohne Preisgabe der dem Frieden vorbehaltenen Verhandlungsgegenstände. Darüber gibt es keine Meinungsverschiedenheiten.
Aber wer hier jetzt den ersten Brief geschrieben hat — immerhin nach einer Zeit von über einem Monat —, der muß wissen, daß ein zweiter oder dritter Versuch Ostberlins in Kürze folgen wird. Es wäre gut, wenn die Bundesregierung auf den zweiten und dritten Schritt besser vorbereitet wäre und nicht wieder einen Monat brauchte, um sich über die Modalitäten dieses Briefes in der Regierung einig zu werden.
Bezüglich der Begegungsmöglichkeiten ergeben sich in Kürze folgende Fragen.
Erstens. Welche Bevollmächtigung werden die Beauftragten vorzuweisen haben? Wie weit ist die Bundesregierung bereit, in der Bevollmächtigung ihres Beauftragten zu gehen?
Zweitens. Welche Delegation wird die Bundesregierung zu möglichen Verhandlungen über innerdeutsche Fragen entsenden?
Drittens. In welcher Form wird die Bundesregierung eine Vorbehaltserklärung abgeben? Denn selbstverständlich werden diese Verhandlungen nicht ohne Vorbehaltserklärungen — wahrscheinlich beider Seiten — beginnen können.
Viertens. Welche Unterschrift plant die Bundesregierung unter die dann möglichen Vereinbarungen? Wir wissen ja, daß der innerdeutsche Handel seit zwei Jahren daran krankt, daß ein neues Handelsabkommen nicht mehr zustande gekommen ist, da eine Einigkeit beider Seiten über die Unterschriftsform nicht mehr erreicht werden konnte.
Herr Bundeskanzler, es muß nicht einen ganzen. Monat dauern, bis man sich in der Regierung über die Modalitäten einig wird, und es muß auch nicht die ganze Sache als ein Staatsgeheimnis behandelt werden. Bei aller pluralistischen Struktur einer Koalitionsregierung hätte nach den leidvollen Erfahrungen der Vergangenheit etwas mehr Koordinierung vorliegen müssen.

(Zuruf des Abg. Schmitt-Vockenhausen.)

In der Vergangenheit, in der früheren Regierung, der so viel geschmähten, Herr Schmitt-Vockenhausen, ist auch ein Brief gekommen, der Abusch-Brief vom 6. Dezember 1963. Dieser Brief war ohne viel Aufhebens am gleichen Abend in Bonn. Am nächsten Tag wurden der Kanzler, ein kleiner Kabinettsausschuß und die Fraktionsvorsitzenden informiert, auch der Vorsitzende der sozialdemokratischen Opposition. Am übernächsten Tag war eine Kabinettsentscheidung getroffen, und Herr Leopold fuhr nach Ostberlin. Er wurde abgewiesen, wir mußten eine andere Verhandlungsrunde beginnen. Am 16. Dezember 1963 wurde die Passierscheinübereinkunft unterzeichnet, die Sie, Herr Barzel, im Januar 1964 noch sehr heftig im Fernsehen angriffen haben, auch einige andere Kollegen, z. B. auch Herr von Guttenberg. Was wären wir froh, Herr Bundeskanzler, wenn wir 1967 die gleichen Vereinbarungen unter den gleichen Modalitäten erreichen könnten wie damals!

(Beifall bei der FDP.)

Nun hat auch die Sorge um eine Gemeinsamkeit in der deutschen Frage hier eine Rolle gespielt, eine Gemeinsamkeit in der Außenpolitik schlechthin. Es war hier fast 18 Jahre lang das richtige Bemühen, in den Grundfragen der deutschen Politik — Deutschland- und Berlin-Politik, Außenpolitik, Sicherheitspolitik — ein Höchstmaß an Übereinstimmung zu finden ohne eine geistige Gleichschaltung der natürlich verschiedenartig strukturierten und argumentierenden politischen Kräfte dieses Hauses. Seit einigen Monaten ist es nicht mehr möglich, über neue Schritte informiert zu werden. Auch die Deutschland-Gespräche, die früher beim Bundeskanzler Erhard stattfanden, sind seit sechs Monaten unterbrochen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511517700
Soll diese Behandlung der parlamentarischen Opposition etwa bedeuten, daß Sie auf die Gemeinsamkeit aller drei Fraktionen dieses Hohen Hauses in wesentlichen Fragen der Deutschland- und Außenpolitik keinen Wert mehr legen? Auf diese Frage wünschen wir eine Antwort; denn das Verhalten der Regierung der Großen Koalition gegenüber der liberalen Opposition ist nicht mehr anders als durch den Willen zu erklären, auch die bisherigen Grundsätze der Gemeinsamkeit in diesem Hause preiszugeben und die Opposition als eine Quantité négligeable zu behandeln.
Das mag vielleicht für die Zeit der nächsten zwei Jahre für Sie recht gut sein. Aber wenn nicht alle Zeichen täuschen, Herr Kollege Schmidt — er ist leider nicht da —, wird es, mit oder ohne Wahlgesetz, vielleicht auch im Jahre 1969 wieder eine größere Opposition in diesem Hause geben, und es



Dr. Mende
könnte sich dann die Behandlung der kleinen Opposition bitter rächen, wenn die gleichen Grundsätze dann auch Ihnen als der großen Opposition gegenüber wieder in Anwendung kommen.

(Zurufe von der SPD: Wieso wir?)

— Sie wollen doch nicht leugnen, daß nach dem, was hier in diesem Hause zu hören war, auch nach dem Lob Ihres Kollegen Schmidt für den Bundeskanzler Kiesinger, die absolute Mehrheit der CDU mit Kanzler Kiesinger für die SPD beinahe unvermeidbar geworden ist; denn anders, Herr Kollege Schmidt, kann ich doch Ihre Äußerung nicht werten, daß das ein großartiger Kanzler ist. Wahrscheinlich werden Sie im Jahre 1969 gar keinen Kanzlerkandidaten der SPD mehr aufstellen. Aber das ist Ihre Sache.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Machen Sie sich lieber Gedanken darüber, was die FDP im Jahre 1969 tun wird!)

— Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ob mit oder ohne Wahlgesetz: die Geschichte geht weiter. Und ein temporärer Mißbrauch der Macht rächt sich bitter an denen, die Ende 1966 glaubten, in eine Regierungsbeteiligungs-Euphorie verfallen zu müssen, wie es die Sozialdemokraten in Deutschland taten.

(Beifall bei der FDP. — Abg. SchmittVockenhausen: Herr Mende, Regierungsbeteiligungs-Euphorie war doch bei Ihnen permanent vorhanden!)

Meine Kollegen, die Frage ist gestellt: Wie gedenkt die Bundesregierung es mit der Gemeinsamkeit dieses Hohen Hauses in wesentlichen Fragen der Deutschland- und Außenpolitik in Zukunft zu halten? Legt sie überhaupt noch Wert darauf?
Wir haben, Herr Bundeskanzler, ein Wort von Ihnen zu Berlin und zu der besonderen Lage vermißt, in der sich Berlin in nächster Zeit möglicherweise befinden könnte. Wir wissen, daß die Alliierten auf Grund eines verfassungsrechtlichen Urteils ein Schreiben an den Regierenden Bürgermeister von Berlin und an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses gerichtet haben. Allen Bemühungen mehrerer Fraktionen dieses Hohen Hauses und des früheren Regierenden Bürgermeisters und heutigen Außenministers Brandt zum Trotz ist in einem Schreiben der Alliierten Kommandantura von Ende Mai eine scharfe Distanzierung von allen Tendenzen erfolgt, Berlin stärker mit dem Bundesgebiet zu verklammern. Das Schreiben hat in seinen wesentlichen Passagen folgenden Wortlaut — ich darf es, mit Genehmigung des Präsidenten, verlesen —;
Die Alliierte Kommandantura würdigt die Erklärung des Bundesverfassungsgerichts, daß der in Nummer 4 des Genehmigungsschreibens der Militärgouverneure zum Grundgesetz vom 12. Mai 1949 enthaltene Vorbehalt in bezug auf Berlin von allen Organen der Bundesrepublik im Einzelfall unmittelbar zu beachten ist. Es entspricht nach wie vor der Absicht und der Auffassung der Alliierten, daß Berlin nicht als ein Land der Bundesrepublik anzusehen und auch nicht durch den Bund zu regieren ist.
Außerdem ist und bleibt es die Absicht und die Auffassung der Alliierten, daß Berliner Gesetze, durch die bundesrechtliche Bestimmungen übernommen werden, gesetzgebende Handlungen des Abgeordnetenhauses von Berlin darstellen und sich in rechtlicher Hinsicht von den betreffenden Bundesgesetzen unterscheiden.
In seiner Entscheidung vom 20. Januar 1966 hat das Bundesverfassungsgericht auf verschiedene Situationen verwiesen, die sich auf Rechtsverfahren beziehen, die ihren Ursprung in Berlin haben. Die Alliierte Kommandantura ist der Ansicht, daß das Gericht in Beziehung auf Berlin keine Gerichtsbarkeit hat, und daß es demzufolge nicht zuständig ist, (1) die Verfassungsmäßigkeit von Handlungen Berliner Behörden oder (2) die Verfassungsmäßigkeit von Berliner Gesetzen, einschließlich von Gesetzen zur Übernahme von Bestimmungen der Bundesgesetzgebung, zu überprüfen.
Die Alliierte Kommandantura ersucht Sie, sicherzustellen, daß, sollte sich für den Senat oder das Abgeordnetenhaus die Gelegenheit ergeben, dem Bundesverfassungsgericht Stellungnahmen zu unterbreiten, solche Stellungnahmen dem Inhalt dieses Schreibens Rechnung tragen.
Wir sind überrascht, daß ein so harter, unmißverständlicher Vorgang völlig unerwähnt bleibt. Sie, Herr Kollege Mattick, haben doch sonst Ihre Sorgen bezüglich der Berliner Position rechtzeitig in der gehörigen Form zum Ausdruck gebracht. Daß hier die frühere Oppositions- und heutige Koalitionspartei an dieser Frage einfach schweigend vorbeigeht, erscheint uns grotesk, zumal in der nächsten Woche der Deutsche Bundestag mit seinen Ausschüssen nach Berlin geht. Was sagen denn die Ausschüsse zu diesem harten Schreiben der Alliierten Kommandantura? Die Berliner müssen doch den Eindruck haben, daß wir in der nächsten Woche nur Pflichtübungen in Berlin veranstalten, wenn wir zu dieser Stellungnahme schweigen und nicht einmal das Bedauern über diese harte Stellungnahme hier im Hohen Hause zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei der FDP.)

Damit komme ich zu einem anderen Problem, das uns Liberale beängstigt. Wir lesen in einem Teil der zum Teil gleichgeschalteten und konzentrierten deutschen Presse Formulierungen im Rahmen der Behandlung des Nahostkrieges,

(Zuruf von der CDU/CSU: Was verstehen Sie unter „gleichgeschaltet"?)

die uns verteufelt an 1939/40 erinnern: „Blitzkrieg", „Panzerkeil", „geniale Strategie", „am Boden zerstört", „aufs Haupt geschlagen". Man hat beinahe den Eindruck, daß die Kriegsberichterstatter von damals heute die Chefredakteure in diesen Zeitungen sind, so gut verstehen sie sich auf das Schildern solcher Lagen. In keiner amerikanischen, englischen oder französischen Zeitung können Sie diese Art lesen. Ausgerechnet wir maßen uns an, in dieser Form mit dem Jargon von 1939 Kriegsberichte in einem großen Teil unserer Presse zu drucken. Ob



Dr. Mende
das gut ist, meine Damen und Herren, und ob uns das am Ende nützt, wage ich zu bezweifeln. Ich fürchte, daß wir manche Formulierung, der in der Öffentlichkeit und auch in diesem Hause nicht genügend entgegengetreten wurde, in den kommenden Monaten auf manchen Tischen werden lesen müssen, mit dem Bedauern, daß ausgerechnet wir Deutschen in dieser Zeit und in dieser Art glaubten reagieren zu müssen. Sie werden als alter Journalist sagen, Herr Kollege Rasner, daß die Presse frei ist und daß wir dazu von der Regierungsseite aus nichts zu sagen haben. Natürlich weiß ich das. Es gibt doch auch die Möglichkeit, wie ich das hier tue, in diesem Hohen Hause die Besorgnis über manche Diktion und manche Art der intellektuellen Einmischung, bei allem Verständnis für die Seelenlage, zu äußern. Hier geht es um die Behandlung kriegerischer Auseinandersetzungen in einer Form, die ich zum ersten Mal 1939 im „Völkischen Beobachter" gelesen habe.

(Beifall bei der FDP. — Pfui-Rufe und Unruhe bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0511517800
Einen Augenbilck, meine Damen und Herren! Ich mache das Haus darauf aufmerksam, daß auch diese Ausführungen unter dem Schutz der Redefreiheit stehen. Gestatten Sie aber, Herr Abgeordneter, eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rasner?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0511517900
Bitte sehr!

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0511518000
Herr Kollege Mende, habe ich Sie richtig verstanden: haben Sie von „gleichgeschalteter deutscher Presse" gesprochen? Das letzte Mal, daß die deutsche Presse gleichgeschaltet wurde, geschah es unter Goebbels. Ich frage Sie hierzu, wer die deutsche Presse jetzt gleichgeschaltet hat.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0511518100
Ich spreche von einer gleichgeschalteten konzentrierten Presse — gleichgeschaltet natürlich vom Konzernherrn, der die Sprachregelung bestimmt, nicht vom Reichsminister für Propaganda. Aber das können wohl auch Sie in einigen Zeitungen dieses Konzerns feststellen: daß dort gegenüber der liberalen Opposition — „Filibusterrede", dazu heute der Leserbrief von Herrn Dehler in der „Welt" ! — genau die gleiche Form der Behandlung militärischer Ereignisse zu vermerken ist, wie das schon einmal der Fall war. Ich fürchte, daß die Parallelität der Behandlung dieser Dinge und sogar die Identität der Formulierungen uns auf lange Sicht, vielleicht schon in den nächsten Monaten erkennbar, nicht nutzt. Wir haben den Mut, hier unsere Besorgnisse zum Ausdruck zu bringen. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt: damit haben wir, meine Damen und Herren, schlechte Erfahrungen gemacht. Ein nüchternes Maß der Mitte scheint mir hier besser zu sein.
Im übrigen hat Deutschland alle Möglichkeiten, durch humanitäre Hilfen, durch große Leistungen ohne Rücksicht auf Sieger und Besiegte der Menschlichkeit zu dienen. Wir brauchen keine Kriegsberichterstattung im Sinne eines Hochputschens eines quasi-militaristischen Geistes, den wir nach allen schlechten Erfahrungen, die wir hinter uns haben, in unserer Jugend nicht mehr wünschen.

(Beifall bei der FDP.)

Die Bundesregierung hat sich zu einer strikten Neutralität entschlossen. Sie hat dabei die Zustimmung auch der Opposition erfahren. Schon jetzt hat es sich herausgestellt, daß es richtig war, sich zu dieser Nichteinmischung und strikten Neutralität zu bekennen. Denn, meine Damen und Herren, der erste Akt dieses. bedauerlichen Nahostkrieges liegt hinter uns; der zweite und der dritte Akt möglicherweise neuer schwieriger internationaler Entwicklungen stehen noch bevor. Die Bundesregierung sollte alles daransetzen, bei der besonders gefährdeten Lage Berlins und des geteilten Deutschland den Grundsatz der strikten Neutralität nach allen Seiten hin zu beweisen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0511518200
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511518300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme nur deswegen noch einmal ans Rednerpult, weil ich nicht stehenlassen kann, was nach Herrn Mischnick Herr Dr. Mende wiederholt hat, so etwa, es sei eine halbe Unwahrhaftigkeit und eine halbe Unanständigkeit von mir gewesen, über die Situation, die die neue Regierung vorgefunden habe, zu sprechen und dabei doch eigentlich meinen Vorgänger mit anzuschwärzen. Meine Damen und Herren, ,das war ein schlechtes Stück Oppositionsarbeit,

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

das uns hier vorgetragen wurde. Ich mußte an das Wort von Wilhelm Busch denken und es abwandeln: Opposition werden ist nicht schwer, Opposition sein, dagegen sehr.

(Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

Ich muß einfach aus Respekt gegenüber meinem Vorgänger wiederholen, was ich gesagt habe. Ich habe gesagt: Wir haben drei besorgniserregende Tatbestände vorgefunden. Das eine war das abgeschwächte Wirtschaftswachstum. Daran war Ludwig Erhard ganz sicher nicht schuld. Das zweite war eine verfahrene haushalts- und. finanzpolitische Situation. Daran war Ludwig Erhard nicht allein, sondern waren wir alle schuld, und ich schließe die Ministerpräsidenten der deutschen Länder als Mitglieder des Bundesrates mit ein.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das dritte war eine beunruhigende, ungeklärte außenpolitische Situation. Daran war die geschichtliche Entwicklung schuld und nicht irgendeiner von uns. Wenn also hier solche Feststellungen getroffen werden, dann sollten Sie sich hüten, mir nur um einer — nicht guten — Opposition willen das Wort im Munde umzudrehen.



Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
Herr Kollege Mende: Regieren ist ganz gewiß nicht Diskutieren. Regieren ist parlamentarisch kontrollierte Führung der politischen Geschäfte und nichts anderes. Das ist das, was unser Volk von uns erwartet, nicht „Wunder", von denen Sie gesprochen haben.
Im übrigen erwartet in der Tat unser Volk von uns auch einen guten parlamentarischen Stil. Ich stehe nicht an, Ihnen zu sagen: Wenn ,die Opposition den Wunsch hat, mit der Koalition und auch mit der Regierung in wichtigen, für unser Volk schicksalhaften Fragen zusammenzuarbeiten und sich dabei gelegentlich gemeinsam mit uns an einen Tisch zu setzen, so ist sie dazu herzlich eingeladen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Mertes: Sagenhaft!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0511518400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Emde.

Dr. Hans Georg Emde (FDP):
Rede ID: ID0511518500
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist jetzt 16 Uhr und wir beginnen mit dem tatsächlichen Teil der Etatdebatte, mit der dritten Lesung. Ich glaube, es ist notwendig, eine Reihe von Tatbeständen zu behandeln, auch wenn es schon so spät ist. Ein Teil der Kollegen dieses Hauses hat bereits heute morgen das Konzept meiner Rede bekommen. Zum Teil ist schon in den Diskussionsbeiträgen auf Argumente von uns eingegangen worden oder sind Argumente von mir behandelt worden. Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich die Dinge noch einmal so darstelle, wie wir als Freie Demokratische Partei, als Opposition in diesem Hause, sie sehen.
Herr Bundeskanzler, ich stimme mit Ihnen völlig überein: Wir befinden uns tatsächlich in einer ernsten Situation, vor ernsten Entscheidungen. Ich glaube, es ist notwendig, hier zu versuchen, die Debatte so zu gestalten, daß nicht der eine dem anderen irgendwelche Gags vorspielt oder wegnimmt, sondern daß wir hier in Rede und Gegenrede aufeinander eingehen und miteinander diskutieren.
Sie, Herr Bundeskanzler, haben mit Ihrer Eröffnungsrede zum Einzelplan 4, Ihrem Haushalt, sechs Monate nach Beginn Ihrer Regierungstätigkeit vor einigen Tagen die große Aussprache eröffnet. Es ist an der Zeit, noch einmal die Arbeitsmethoden, die Ziele, die Ergebnisse der Regierung Kiesinger -Brandt zu untersuchen. Diese Tage haben dem gedient. Heute in der Abschlußdebatte können wir noch einmal zusammenfassen, was sich ergeben hat.
Hier ist erstens deutlich geworden, wo die Regierung und wo die Opposition steht. Wir haben in unserer Partei, in der Freien Demokratischen Partei, die Funktion der Opposition nicht mühsam erlernt. Wir haben in einer leidenschaftlichen Diskussion auf unserem Bundesparteitag unseren Standort überprüft, unsere Ziele dargestellt und unsere Arbeitsmethoden für die kommenden Jahre festgelegt. Die geistigen Auseinandersetzungen, die sich bei uns abgespielt haben, über Probleme von sehr hoher politischer Brisanz, wie sie in Hannover anstanden, klingen natürlich nicht wohltuend konzertiert. Aber wenn aus dieser Dissonanz der Diskussion eine klare Haltung entsteht, dann ist das um vieles besser als eine konzertierte Aktion, bei der betehende Dissonanzen nur mühsam mit wohlklingenden Tönen überdeckt werden.
Wir sind uns in dieser letzten Woche und heute gegenübergestanden, Sie, die Große Koalition, und wir, die Opposition. Aus welcher Machtfülle heraus haben Sie nicht operieren können, Sie, Herr Bundeskanzler, und Sie, die ganze Bundesregierung: die zwei stärksten Parteien miteinander verbunden, die absolute Mehrheit weit übertreffend, mit Zweidrittelmehrheit, mit vierhundert Stimmen Übergewicht gegenüber uns, dazu die totale Beherrschung des Bundesrates. Das Wort „Bund und Land Hand in Hand", Herr Bundeskanzler, vor Jahren eines der Wahlziele Ihrer Partei in den Landtagswahlen, ist für Sie zur beglückenden Wirklichkeit geworden. Dazu kommt die publizistische Unterstützung. Welche Fülle renommierter Blätter, welche Schar angesehener Journalisten bemüht sich nicht, tagaus tagein den Ruhm dieser neuen historischen Verbindung zu besingen, wohl unterstützt von Ihrem Presse- und Informationsamt! Das ist wahrlich eine seltene Chance für eine Regierung in normalen Zeiten parlamentarischer Demokratie, ihre Vorstellungen zu entwickeln, durchzusetzen und unter die Leute zu bringen.
Wie ist es nun mit den Ergebnissen? Ich meine: Wie ist es mit den realen Arbeitsergebnissen dieser Koalition? Ich meine hier nicht das, was die Propaganda verkündet. Wie ist es tatsächlich mit dem bestellt, was erarbeitet wurde?
Herr Kollege Schmidt von der SPD hat heute morgen schon einmal einzelne Teile dieser meiner Diktion behandelt. Erlauben Sie mir aber, noch einmal sechs Punkte der Arbeit Ihrer Koalition herauszustellen.
Herr Bundeskanzler, Sie haben am 7. Juni in diesem Hause gesagt: Wir haben in den vergangenen Monaten schon ein erhebliches Stück Arbeit miteinander geleistet. Nun, da ist erstens — ich trage hier nicht ganz logisch in der Reihenfolge vor, sondern nur so, wie es sich für mich aus der Debatte ergibt — die Verabschiedung der Mehrwertsteuer. Dieses Gesetz war seit Jahren in präzisen Beratungen so weit parlamentarisch gediehen, daß die zweite und dritte Lesung nur der letzte krönende Abschluß einer von Finanzminister Dahlgrün, von der alten Bundesregierung und vom ganzen Hause geleisteten Arbeit war.
Da ist zweitens die Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes. Dieses Gesetz war von Wirtschaftsminister Schmücker im vergangenen Herbst eingebracht worden. Es wurde von allen Parteien unterstützt, weitergestaltet und so weit vorberaten, daß auch hier die Verabschiedung in der zweiten und dritten Lesung keine wesentlich neue Leistung darstellte.

(Zuruf von der SPD: Haben Sie sich das Gesetz mal angesehen?)

— Natürlich, dieses Gesetz ist — etwas verändert
— der stabilitäts- und wirtschaftspolitischen Lage



Dr. Emde
angepaßt worden. Es ist etwas mehr Schwergewicht auf die eine Seite gelegt worden, die aber schon bei der Einbringung vom Kollegen Schmücker mit berücksichtigt war. Das war nicht nur ein Gesetz zum Abfangen von Konjunkturüberhitzungen; dieses Gesetz bot in seiner ersten Diktion die Möglichkeit, auch Konjunkturabschwünge abzufangen. Daß man diesen zweiten Teil stärker entwickelt hat, das habe ich hier mit den Worten „weitergestaltet in der zweiten und dritten Lesung" gesagt.
Da ist drittens die Verabschiedung der verschiedenen Gesetze zum Ausgleich des Bundeshaushalts. Fast alle dazugehörigen Maßnahmen waren vom Kabinett Erhard vorbereitet und vorberaten. Einzige Streitpunkte waren der Komplex der Steuererhöhungen im Bereich der Verbrauchsteuern und der Wegfall der Ausbildungsförderungs-Beihilfen. Auch hier war die Verabschiedung nur die Effektuierung vorbereiteter Maßnahmen bei kontroversen Abstimmungen in diesem Hause in der Frage Steuererhöhung und Pennälergehalt.
Da ist viertens die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Rumänien. Diese Maßnahme war von der Regierung Erhard-Mende soweit vorverhandelt, daß es nur abschließender diplomatischer Gespräche bedurfte, um zum Ergebnis zu kommen. Der Herr Bundesaußenminister hat in der Debatte noch ausdrücklich erklärt, daß zumindest ein ganz entscheidender Teil vorbereitender Arbeiten auch bei diesem Problem von der alten Regierung geleistet worden war.
Da ist fünftens die Frage des Investitionshaushalts. Hier bedauere ich, daß der Kollege Schmidt von der SPD nicht da ist. Diese Maßnahme ist von den Kollegen Schiller und Möller am 10. November 1966 unter der Bezeichnung „Eventualhaushalt" erstmals hier erwähnt worden. Noch in der gleichen Debatte ist von mir im Namen der FDP positiv zu diesem Vorschlag gesprochen worden. Es ist nicht so, wie Kollege Schmidt gesagt hat, daß von der Bank der Regierung ein lautes Nein oder eine laute Ablehnung erscholl. Auf keinen Fall von uns! Wir saßen damals nicht mehr in der Regierung. Aber auch die Alleinregierung der CDU/CSU hat bei dem Vorschlag Eventualhaushalt nicht nein gesagt. Nein, die Dinge sind von allen aufgenommen und von allen in der entsprechenden Form untersucht und behandelt worden. Es ist also notwendig, den Klitterungen der Geschichtsentwicklung, wie sie heute morgen hier partiell gerade vom Kollegen Schmidt versucht worden sind, entgegenzutreten.
Ich komme schließlich zum Ausgleich dieses Etats. Dazu haben Sie, Herr Bundeskanzler, am 7. Juni gesagt:
Das, was die vorige Regierung nicht fertiggebracht hat, haben wir binnen weniger Wochen geschafft.
Nach einigen Zwischenrufen, die von unserer Seite kamen, haben Sie weiter ausgeführt:
— Wollen Sie leugnen, daß wir binnen weniger
Wochen den Haushalt 1967 ausgeglichen haben?
Nein, Herr Bundeskanzler, das leugnen wir bestimmt
nicht. Nur können wir nicht Ihre Befriedigung über
diesen endgültigen Ausgleich des Haushalts teilen. Das, was der Bundesfinanzminister heute morgen in seiner ernsten und guten Rede zu dieser Frage dargestellt hat, steht doch im Gegensatz zu der Vorstellung: Nun, was die nicht gekonnt haben, das haben wir in wenigen Wochen geleistet.

(Beifall bei der FDP)

Denn so wundersam, wie es aus Ihren Worten klingt, ist der Ausgleich doch wirklich nicht!
Wenn ich nun die eine oder andere Zahl nicht ganz so à jour darstellen kann, wie sie Finanzminister Strauß heute morgen vorgetragen hat, so bitte ich dafür um Entschuldigung. Aber ich habe bei der Rede des Herrn Finanzministers nicht alle diese Zahlen mitschreiben können; ich liege vielleicht um eine halbe oder eine Milliarde falsch. Aber im Prinzip stimme ich dem zu, was Herr Strauß gesagt hat. Denn wir haben 8 Milliarden DM an Darlehen in diesem Haushalt, und 4 Milliarden DM dieser Darlehen sind doch nur schlicht und einfach aufgenommen worden, um die Deckungslücke, die durch den zu erwartenden Steuerausfall entstand, auszugleichen. Das, Herr Bundeskanzler, hätten auch andere gekonnt; denn mit einer derartigen Darlehensaufnahme ist keines der echten Probleme gelöst.

(Beifall bei der FDP.)

Sie haben sich aus der kritischen Lage zu befreien versucht, indem Sie die künftigen Haushaltsjahre kräftig belastet haben. Die wirklichen Probleme sind nur am Rande berührt worden. Nach diesen wirklichen Problemen zu fragen, die Ursachen des Haushaltsfehlbedarfs auch für die nächsten Jahre offenzulegen, das ist doch das Grundproblem der heutigen Situation, in der wir uns hier befinden. Nur wer den Mut hat, diese Ursachen aufzuspüren, und wer den Mut hat, diese Dinge beim Namen zu nennen, hat die Chance, mit ihnen fertigzuwerden.
Lassen Sie mich nur drei Hauptargumente vortragen. Es sind einmal die Strukturveränderungen verschiedener Teilbereiche der deutschen Wirtschaft. Es sind zum zweiten die sinkenden Gewinne der Betriebe aller Größenordnungen infolge ständig steigender Produktionskosten, und es ist drittens die wachsende Überforderung der öffentlichen Haushalte durch alte und ständig neue Ausgabenwünsche. Diese drei Ursachen haben zu den sinkenden Steuerzuwachsraten bei gleichzeitig steigenden Staatsausgaben geführt.
Dazu kam im vorigen Jahr die Wirkung der rezessiven Notenbankmaßnahmen, und dann wurde die negative Entwicklung gefördert durch ein dauerndes Krisengerede. Mancher in diesem Hause, der heute laut in unsere Richtung ruft, man möge nicht durch allzu klare Darstellung der tatsächlichen Lage den psychologischen Prozeß der Zunahme des Vertrauens in die Aufwärtsentwicklung stören, hat vor einigen Monaten durch sein eigenes Verhalten und durch seine eigenen Äußerungen — sicherlich unbewußt und ohne die Folgen zu ahnen — munter mitgeholfen, in der Vergangenheit gebildetes Vertrauenskapital selbst abzubauen.

(Beifall bei der FDP.)




Dr. Emde
Herr Professor Erhard hat in einem Interview mit dem „Industriekurier" am 17. Mai dieses Jahres ganz drastisch erklärt: „Die Krise wurde künstlich erzeugt." Ich nehme an, daß ich nicht der einzige in diesem Hause bin, der dieses Interview gelesen hat. Aber ich habe bis jetzt nirgendwo gefunden, daß irgend jemand dieser Erklärung widersprochen hätte.
Gehen wir aber weiter! Unheilvoll beeinflußt wurde die Entwicklung durch die falschen Steuerentscheidungen der Regierung Kiesinger-Brandt, gestützt von der Fraktion der CDU/CSU im Dezember vorigen Jahres. Das, Herr Bundesfinanzminister, ist allerdings der Punkt, an dem Ihre Darlegungen nicht mit unseren Vorstellungen übereinstimmen. Im Dezember 1966 mußte sich bei der labilen wirtschaftlichen Lage und bei den erkennbaren Auswirkungen des Krisengeredes auf die Bevölkerung die Vorstellung, die Mineralölsteuer zu erhöhen, die Kilometerpauschale zu senken und zugleich der Erhöhung der Haftplichtversicherungsprämien zuzustimmen, automatisch negativ auf den Absatz der Kraftfahrzeugindustrie auswirken. Wir von der FDP haben die kumulierende Wirkung dieser Maßnahmen befürchtet. Wir haben sie vorausgesehen. Wir haben damals von dieser Stelle aus rechtzeitig gewarnt. Man hat leider nicht auf uns gehört.
Dann wirkte ein negativer Vorgang verstärkend auf den anderen ein, und die gefürchtete Spirale drohte abwärts zu gehen. Ohne den Investitionshaushalt wäre die Entwicklung sicherlich nicht abzufangen gewesen. Darum haben wir auch dem Investitionshaushalt voll zugestimmt. Darum haben wir mit zugestimmt, daß alle parlamentarischen Fristen abgekürzt wurden.
Aber, meine Herren von der Regierung, noch heute ist uns nicht verständlich, warum Sie zwischen der Aufstellung, der Verabschiedung und dem Wirksamwerden dieses Investitionshaushalts so viel Zeit verstreichen ließen. Sie selbst hatten doch mehrfach auf das Zeitmoment des notwendigerweise schnellen Wirksamwerdens der Maßnahmen hingewiesen.
Am 10. November 1966 wurde der Plan erstmalig von seinen Urhebern vorgetragen. Am gleichen Tag fand er die Zustimmung der FDP. In den Koalitionsverhandlungen im November wurde er zwischen Ihnen, meine Herren von der SPD, und uns von der FDP als Bestandteil einer möglichen gemeinsamen Regierungsarbeit fest verabredet. Ich nehme an, daß Ähnliches zwischen Ihnen von der SPD und der CDU/CSU erfolgt ist.
Am 13. Dezember war die Regierungserklärung. Zur Jahreswende stimmte die Bundesbank zu. Einbringung und erste Lesung des Investitionshaushalts fanden am 17. Februar, die zweite und die dritte Lusung am 23. Februar statt. Schneller konnte das Parlament doch beim besten Willen nicht arbeiten. Die Zustimmung des Bundesrates kam erst am 17. März. Und wie lange dauerte es dann noch, bis die Masse der Beträge vom Bund zugeteilt war? Bis in den Monat Mai hinein! Hatten die verschiedenen Ressorts der Regierung nicht Zeit genug, zwischen dem 13. Dezember 1966 und dem 17. März 1967, also dem Tag der Verabschiedung im Bundesrat, die Dinge so vorzubereiten, daß die Zuteilungen schon am nächsten Tag erfolgen konnten?
Mit den Erträgen aus der Erhöhung der Mineralölsteuer war es noch schlimmer. Diese Steuererhöhung war der CDU liebstes Kind. Sie wurde mit den Finanznöten der Gemeinden begründet.

(Abg. Dr. Barzel: Ach, Herr Emde!)

— Doch, Herr Kollege. Hier hätte ich an Stelle der Bundesregierung einen anderen Weg eingeschlagen. Ich hätte Darlehen aufgenommen und den Ertrag zins- und tilgungsfrei den Gemeinden zugeführt. Das wäre konjunkturpolitisch richtig gewesen. Damit hätten die schädlichen Auswirkungen der Steuererhöhung auf den Absatz der Autoindustrie verhindert werden können. Damit hätte man die Steuereinnahmen nicht so stark zurückgedrückt. Man hätte den Gemeinden helfen können, so daß im Endeffekt ohne eine höhere Darlehensquote, als sie jetzt erreicht wurde, doch der Haushaltsausgleich erfolgt wäre.
Ich komme jetzt, Herr Kollege Barzel, zu dem Wort „liebstes Kind". Es war nämlich so wie bei der Sekt- und Branntweinsteuererhöhung 1965. Damals sagte ein Teil der CDU/CSU-Fraktion — es war gewiß ein recht einflußreicher Teil, nämlich die Gruppe der Familien- und Sozialpolitiker —: Wir stimmen Streichungen im Haushalt nur dann zu, wenn zugleich partielle Steuererhöhungen erfolgen, nämlich bei der Sekt- und Branntweinsteuer. Herr Bundeskanzler, so ist das gewesen. Genauso war es 1966 mit der Tabak- und der Mineralölsteuer. Das war der Fetisch, den der linke Flügel der CDU/CSU-Fraktion verlangte, ehe er Einsparungen im Haushalt zuzustimmen bereit war.
Nun hatten Sie also Ihr Glück. Die Vorlage betreffend Erhöhung der Mineralölsteuer war am 10. November eingebracht worden. Die zweite und die dritte Lesung fanden am 8. Dezember statt, und dann kam das große Schweigen. Erst am 28. April 1967 brachten Sie das Gesetz durch den Bundesrat. Ja, du meine Güte, war das denn nicht schneller möglich? Im Bundesrat saßen doch keine Ihnen feindlich gesinnten Völkerstämme. Der verehrte Kollege Professor Carlo Schmid als zuständiger Bundesratsminister, verstärkt um einen Staatssekretär mit hoher Verwaltungserfahrung, hätte doch hier ein fruchtbares Feld nützlicher Betätigung finden können.

(Beifall bei der FDP.)

Auch hier konnte man doch ab Dezember 1966 die Dinge so vorverhandeln, daß man nachher wirklich schnell aktionsfähig war. Denn, meine Herren, daß ab Dezember 1966 Not im Anzug war, sah doch ein jeder. Nein, zu dem Fehler, über die Steuererhöhung den Kraftfahrzeugabsatz negativ zu beinflussen, kam nun das Zeitmoment der verspäteten Zuweisung der Gelder an die auszahlenden Stellen, und nur derjenige, der bereit ist, das Zeitmoment staatlicher Maßnahmen in Zeiten von Konjunkturschwankungen zu bewerten, weiß, welcher Schaden hier durch Ressort- und Zuständigkeitsstreitigkeiten entstanden ist.



Dr. Emde
So mußte die Talfahrt nun noch tiefer gehen, als Skeptiker im November vorigen Jahres befürchtet hatten. Dadurch wurde die Zuwachsrate der Steuereinnahmen noch stärker abgebremst, so daß im Mai dann die Ausgaben des Haushaltsplanes 1967 die Einnahmen um 4 Milliarden DM überschritten und wir in diese hohe Darlehnsquote hineingehen mußten. So kompliziert war der finanzgeschichtliche Ablauf der Dinge, so belastend in seiner Auswirkung das unverständlich langsame Handeln der Regierung.
Herr Bundeskanzler, mit Ihren Worten: „Das, was die vorige Regierung nicht fertiggebracht hat, haben wir binnen weniger Wochen geschafft", haben Sie ein Problem in einer Weise verniedlicht, die nicht dem Ernst dieser Lage entspricht.

(Beifall bei der FDP.)

Denn wie soll das Spiel nun weitergehen? Der Blick zurück ist notwendig, um die Ursachen der Schwierigkeiten und den Lauf der Entwicklung zu analysieren. Die schöpferische politische Leistung aber erfolgt dann, wenn aus den Erfahrungen von gestern die Entscheidungen für morgen gefällt werden. Die 8 Milliarden DM Darlehen müssen, um zu einem echten Bild zu kommen, erhöht werden um das, was sich so nebenbei an Schulden ansammelt: 1,4 Milliarden DM Schuldverschreibungen für die Rentenversicherungsträger; 250 Millionen DM ÖffaFinanzierung im Straßenbau; 150 Millionen DM Offa-Finanzierung im Wohnungsbau. Unser Kollege Dr. Möller hat diese Art der Finanzierung in der Vergangenheit immer den „Schattenhaushalt" genannt und kritisiert. Ich habe diese Definition — zusammen mit der Kritik — in den letzten Jahren auch für meine Reden übernommen, was mir damals manchen Vorwurf meiner damaligen Koalitionspartner eingebracht hat. Also ändere ich meine Aussagen aus der Vergangenheit in keiner Weise ab, wenn ich auf die Gefahren dieses Schattenhaushalts hinweise und seine Zahlen mit den direkten Darlehnsbelastungen addiere, so daß man über die 10 Milliarden DM kommt, die der Bundesfinanzminister heute morgen vorgetragen hat.
Man kann auch nicht sagen: Das haben wir alles nicht gewußt, das konnte man nicht vorhersehen. Natürlich ist es vorhergesehen worden. Man kann auch nicht sagen, die alte Regierung und der Herr Dahlgrün hätten geschlafen. Ich staune über die Fähigkeit mancher Leute in unserem Lande, so zu tun, als ob das nicht bekannt gewesen sei. Im Februar 1966 ist der Finanzbericht für das Jahr 1966 erschienen, der auf Seite 97 in einer Tabelle klar und deutlich ausweist, in Worten und in Zahlen, daß in den Jahren 1967 bis 1970 Fehlbedarfe zwischen 6 und 9 Miliarden DM entstehen würden. Die Dinge sind also schon damals angesprochen worden.

(Abg. Dr. Barzel: Die Zahlen stimmen aber nicht!)

— Ich komme sofort auf die Zahlen. — Nur man hat daraus keine Folgerungen gezogen. Herr Kollege Barzel, wenn man jetzt die Zahlen richtigstellt, wenn man die Haushaltsverschlechterungen durch das Devisenausgleichsabkommen und die Steuermindereinnahmen und die Haushaltsverbesserungen — —

(Abg. Schoettle: Wer ist in diesem Fall „man"?)

— Jeder, der hier rechnet oder addiert, also Sie oder ich oder irgend jemand anders. Wenn man dann das abzieht, was wir an Finanzverbesserungen mit den Gesetzen im Dezember und Januar erreicht haben, dann kommt man im Endeffekt auf die Zahlen von damals. Die echte Deckungslücke, erhöht um die Steuerminderausgaben, liegt tatsächlich zwischen 6 und 8 Milliarden DM — präzise dort, wo Finanzminister Strauß heute morgen seine Zahlen angesetzt hat. Wenn ich dazu noch die 1 Milliarde DM Defizit aus 1966 addiere, dann komme ich genau dorthin, wo wir im vergangenen Jahre standen. Ob die Zahlen um 1 Milliarde nicht gestimmt haben, ist doch gar nicht entscheidend. Der Trend der Entwicklung war doch richtig vorhergesagt.

(Beifall bei der FDP.)

Man muß den Mut haben, eine zweite Feststellung zu machen. Man muß sich überlegen, ob die wirtschaftliche Lage wirklich so schlecht ist, wie sie manchmal dargestellt wird. Die Arbeitslosigkeit und die Zahl der Kurzarbeiter gehen zurück. Man muß präzise unterscheiden zwischen der Krise des öffentlichen Haushalts und der allgemeinen Lage in der Wirtschaft. In der Wirtschaft haben wir uns nur am Rande einer Rezession bewegt. Die innere Kraft unseres Wirtschaftskörpers, gestützt von den Maßnahmen des Staates, wird, wenn nicht Krisen von außen über unser Volk hereinbrechen, ausreichend sein, um in den nächsten Monaten den Weg zu einem neuen Wachstum zu finden. Da aber der Abschwung nicht so stark war, wie er manchmal dargestellt wird, kann der zu erwartende Anstieg auch nicht die Wunderwirkung erbringen, von der mancher träumt in der Hoffnung, damit bitteren Entscheidungen ausweichen zu können.
Die Steuermehreinnahmen, die im Verlauf des Aufstiegs errechnet werden können, werden auf keinen Fall genügen, um den Haushaltsfehlbedarf der kommenden Jahre auszugleichen. Selbst wenn die Steuereinnahmen um 4 bis 5 Milliarden steigen — der Finanzminister hat das dargestellt —, wird die Deckungslücke nicht geschlossen werden können. So bestätigt sich die Prognose des Finanzberichts von 1966, der auch bei wachsenden Steuereinnahmen immerhin mit einem Fehlbedarf zwischen 5 oder 7 oder 8 Milliarden gerechnet hat. Also auch volles Wirken der Belebungsmaßnahmen, also des Investitionshaushalts und des ganzen deficit spending, wird dem Finanzminister nicht das in seine Kassen bringen, was er zur Erfüllung seines Ausgabenprogramms auf der Basis der heutigen gesetzlichen und rechtlichen Verpflichtungen benötigt.
Dazu kommt eine Tatsache, von der bisher noch niemand gesprochen hat. In dem Augenblick, in dem die Wirtschaft wieder voll zu investieren beginnt, wird sprunghaft eine Beanspruchung des Geld- und Kapitalmarktes beginnen, durch welche die Möglichkeiten der öffentlichen Hand, in großem Umfang ihre Haushalte über Darlehensaufnahme zu finanzieren, drastisch beschränkt werden. Wenn die



Dr. Emde
Regierung nicht den Weg der Geldschöpfung, also der geplanten Inflation, gehen will — und ich erkläre hier ausdrücklich: ich glaube bis heute, daß sie das nicht tun will —, dann muß sie den zu erwartenden Verhältnissen entsprechend ihre Ausgaben den Einnahmemöglichkeiten anpassen.
Nun möge man mir nicht sagen, das sei das Problem des nächsten Jahres. Wir haben von Herrn Strauß gehört, wie drängend die Probleme sind und wie gefährlich die Lage ist. Im Endeffekt sind wir dort, wo wir im vorigen Jahr standen, nur bereichert um 10 Milliarden DM mehr an direkter und indirekter Verschuldung, bereichert um einen ganzen Stapel konjunkturpolitischer Erfahrungen und in schlechterer Ausgangsstellung zur Lösung der Grundfragen als im Vorjahr.
Nun wird mir die Regierung antworten: Ja, aber wir haben jetzt eine Ministergruppe für mittelfristige Finanzplanung, und die wird die Dinge regeln. Der Herr Bundeskanzler sagte dazu am 7. Juni 1967:
Wir haben gestern eine ganztägige Sitzung des Ausschusses für mittelfristige Finanzplanung unter meinem Vorsitz gehabt, und ich bin am Abend mit einiger Zuversicht nach Hause gegangen, weil es sich doch gezeigt hat, daß es uns gelingen kann, diese außerordentlich schwere Arbeit zu leisten.
Ich habe mir heute morgen erlaubt, aus der heutigen Rede des Bundeskanzlers einige Gags zusammenzustellen. Ich möchte sagen: ich nehme an, daß der Bundeskanzler dabei den Heimweg durch die schöne Abendluft genommen hat und nicht durch die Stollen marschiert ist, die die Regierung inzwischen vorgetrieben hat. Unter Umständen wäre er dann in den Stollen nicht auf schweißnasse Minister bei der Stollenarbeit, sondern in den finsteren Höhlen vielleicht auf dort lauernde Kryptokritiker und auf taubes Gestein gestoßen, und das wünscht ihm noch nicht einmal die Opposition.

(Beifall bei der FDP.)

Aber, Herr Bundeskanzler, woraus schöpfen Sie die Hoffnung, daß das alles so viel leichter sei als im vergangenen Jahr. Wir haben doch unsere Erfahrungen gesammelt. Auch im vorigen Jahr hatten wir einen solchen Ausschuß. Damals hieß das Unternehmen „Kabinettsausschuß zur Vorbereitung einer längerfristigen Finanzplanung". Die Ziele waren damals die gleichen wie heute: Haushaltsausgleich, Zurückgewinnung der haushaltspolitischen Bewegungsfreiheit, Festlegung einer Finanzpolitik für mehrere Jahre. Der einzige Unterschied zum heutigen Ausschuß bestand darin, daß ein Minister des sozialen Bereichs der CDU, der verehrte Kollege Katzer, in diesem Ausschuß vertreten war. Es ist also nur ein neues Wort für einen alten Vorgang gefunden worden.
Hoffentlich werden die Ergebnisse diesmal besser sein. Der alte Ausschuß hat im vergangenen Jahr eine Menge Material zusammengetragen und untersucht. Er hat Vorschläge gemacht. Aber er ist nicht zum Kern der Dinge vorgestoßen. Das ergibt sich aus den Vorschlägen der damaligen Regierung zum
Haushaltsausgleich. Denn der Ausgleich, der im November 1966 vorgeschlagen wurde, sah im Endeffekt eine Notkonstruktion für das Jahr 1967 vor. Das zweite Ziel, die Zurückgewinnung der haushaltspolitischen Bewegungsfreiheit, konnte mit den Vorschlägen des Regierungsentwurfs für den Haushalt 1967 nicht gewonnen werden.
Die alte Regierung ist ohne Zweifel an dein äußeren Anlaß gescheitert, daß keine Einigung über die Streitfrage erzielt werden konnte, ob eine Steuererhöhung in der konjunkturpolitischen Lage des Oktober oder November 1966 volkswirtschaftlich vertretbar sei. In Wirklichkeit aber ist die Regierung Erhard-Mende 'doch auseinandergebrochen, weil auch nicht der Ansatz einer Hoffnung bestand, eine Übereinstimmung in der mittelfristigen Finanzplanung und in der Frage der Zurückgewinnung der haushaltspoltischen Bewegungsfreiheit zu erzielen. Diese haushaltspolitische Bewegungsfreiheit war im vergangenen Herbst und ist auch heute — und darum hat sich die Situation in Wirklichkeit nicht verändert — nur dann zurückzugewinnen, wenn eine grundsätzliche Beschränkung der großen Ausgabenblöcke um einige Milliarden DM gelingt. Ich sage das hier nicht aus Gründen parteitaktischer Rechthaberei, sondern nur darum, weil diese Entscheidungen in einigen Wochen und Monaten vor uns stehen.
Natürlich versteht jeder, daß Familien- und Sozialpolitiker Positionen halten und ausbauen wollen, die sie in der Gesetzgebung der letzten Jahre mühsam gewonnen haben. Natürlich verstehen wir, daß Empfänger von Subventionen, gleichgültig ob es die Wirtschaft mit direkten Subventionen ist oder der Steuerzahler mit der indirekten Hilfe der Steuervergünstigungen, nicht gerne auf ihre Vorteile verzichten. Natürlich verstehen wir, daß die Verteidigungspolitiker jede Umstrukturierung der Bundeswehr, ausgelöst durch Haushaltsüberlegungen, am liebsten weit von sich weisen möchten. Natürlich verstehen wir, daß es Außenpolitiker nur ungern sehen, wenn die ihnen zur Unterhaltung ihrer politischen und diplomatischen Absichten zur Verfügung stehenden Beträge gekürzt werden.
Unsere Vorstellungen haben wir im Oktober 1966 in den Verhandlungen mit dem damaligen Bundeskanzler und mit der CDU mehrfach präzise dargestellt; ich werde sie nachher an einzelnen Stellen wiederholen. Aber das erfolgreiche „Nein"-Rufen aller Gruppen im vergangenen Jahr und die Unfähigkeit des damaligen Kanzlers, drastische Maßnahmen durchzudrücken, haben zu den machtpolitischen Veränderungen in unserem Land' geführt. Wenn ich die Frage stelle, ob inzwischen ein Geisteswandel bei der stärksten Fraktion in diesem Hause erfolgt ist, dann tue ich das aus den negativen Erfahrungen der Vergangenheit und .aus der tiefen Sorge heraus, die einen überkommt, wenn man sieht, was hier in der zweiten Lesung an einer Stelle geschehen ist.
Es wird aufgefallen sein — Herr Kollege Schmidt hat uns das zum Vorwurf gemacht —, daß wir keine Anträge gestellt haben. Nun, wir haben bewußt keine Anträge gestellt, die Geld gekostet hätten.



Dr. Emde
Wir haben auch im Haushaltsausschuß keine Anträge gestellt, die Geld gekostet hätten, weil wir die Finanz- und Haushaltssituation der Regierung nicht verschlechtern wollten. Man darf uns das nicht zum Vorwurf machen. Im Gegenteil müßte man sich darüber freuen, daß wir uns nicht bemüht haben, durch geldschöpfende oder geldausgebende Anträge die Dinge in Bewegung zu bringen, sondern daß wir uns zurückgehalten haben. Nur die Umlagerung von 1,5 Millionen DM innerhalb verschiedener Einzelpläne, von einer Position zur anderen, haben wir beantragt. Das kostet kein zusätzliches Geld, und wenn das nicht geschieht, wird auch für uns nicht die Welt zusammenbrechen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0511518600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0511518700
Darf ich Sie, nachdem Sie so plausibel begründet haben, warum Sie keine Anträge gestellt haben, fragen: Sie teilen also nicht die Ansicht des Kollegen Mischnick, daß Sie Umschichtungen im Haushalt und Einsparungen in Höhe von vielen hundert Millionen DM hier zur Debatte stellen?

Dr. Hans Georg Emde (FDP):
Rede ID: ID0511518800
Nein, Herr Kollege SchmittVockenhausen, so ist das auch nicht gesagt worden.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Doch, das hat er in einem Rundfunkgespräch mit mir gesagt!)

— Nein. Aber jetzt sofort die Brücke zu dem, was Kollege Mischnick gesagt hat: Finanzminister Strauß hat heute morgen gesagt, wir müßten bei den Veränderungen für die Zukunft erreichen, daß die investiven Ausgaben zunähmen und die konsumtiven Ausgaben verringert würden. Genau das meinen wir, und das meint jeder aus dem Haushaltsausschuß -
quer durch alle Parteien —, wenn wir von notwendigen Umschichtungen reden. Nur so, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ist es zu verstehen, wenn wir von notwendigen Umschichtungen sprechen, so, wie es Herr Strauß hier bezüglich der investiven und konsumtiven Ausgaben gesagt hat.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Sie haben seinen Rückzug gut gedeckt!)

— Es ist doch nett, daß wir uns auch geschickt unterhalten können. Die Worte, die einer der CDU-Kollegen hier vor einigen Tagen vorgetragen hat, daß nämlich die FDP stärker sein müßte, dann wären vielleicht ein paar mehr intelligente Leute bei der FDP in diesem Hause zu finden, waren sicherlich etwas töricht und sind zumindest nicht mit Ihrer und meiner Unterhaltung zu begründen.
Lassen Sie mich noch einmal einige Worte zu der Frage sagen, die ich bereits mit der Sorge über eine nicht erfolgte Sinneswandlung bei der CDU/CSU angesprochen habe. Von Herrn Kollegen Stingl ist hier der Antrag eingebracht worden, noch einmal 55 Millionen DM für die Ausbildungsförderungsbeihilfe einzusetzen. Kollege Stingl war in der zweiten Lesung kein Einzelgänger; er ist von großen Teilen der CDU/CSU — auch von erheblichen Teilen des
Fraktionsvorstandes — unterstützt worden. Es ist nur einem Teil der CDU/CSU-Kollegen zu verdanken — ich möchte hier besonders betonen: wir freuen uns, daß Kollege Strauß und Kollege Leicht mit der SPD und uns gestimmt haben —, daß diese Mehrausgabe vermieden wurde, die nicht entstehen durfte.

(Abg. Dr. Barzel: Wie war das denn mit den 200 Millionen DM?)

— Aber nein, bei den Zuschüssen an die Rentenversicherungsträger handelt es sich doch nicht um eine Mehrausgabe; hier besteht doch eine rechtliche Verpflichtung. Sie wissen genau, Herr Kollege Barzel, daß Minister Katzer derselben Meinung ist wie die SPD und wir, und ein Teil Ihrer Fraktion hat hier auch mit uns zusammen gestimmt. Das ist keine Mehrausgabe. Diese Beträge hätten nachgezahlt werden müssen.
Lassen Sie mich noch einige Worte zur Rentenversicherung sagen. Wir müssen ja heute schon mit 1,5 Milliarden DM an die Reserven gehen. Das heißt doch, Geld aus der Wirtschaft mit Kursverlusten herauszuziehen. Das ist doch heute morgen alles dargestellt worden. Da ist tatsächlich eine ganz andere Situation gegeben als bei der Frage des Pennälergehalts.
Meine Kollegen von der CDU/CSU, Ihre Situation ist nicht einfach, wenn Sie das vertreten wollen. Es ist auch deutlich, daß am Ende bei der Abstimmung zum Haushaltsgesetz die Zahl Ihrer Kollegen, die gegen Ihren Antrag stimmten, erheblich zugenommen hat.
Aber meine Kollegen, ich meine, wir sollten bereit sein, nicht nur über das, was war und ist, zu reden, sondern auch über das, was werden soll. Wir haben hier für die FDP eine Reihe von präzisen Erklärungen abgegeben, und wir haben gesagt, an welchen Stellen im Haushalt nach unserer Meinung gespart werden könnte. Darum, Herr Kollege SchmittVockenhausen, haben wir dann keine Anträge gestellt. Wir haben — und wenn es manchem auch nicht gefallen hat — gesagt, wo wir glauben, daß gestrichen und gespart werden könnte.
Ich möchte hier noch einmal deutlich das Gebiet der Verteidigungskosten ansprechen, damit klar zusammengefaßt wird, wie die FDP in dieser Frage steht. Wir gehen davon aus, daß neben den haushaltspolitischen Notwendigkeiten auch die Veränderungen der Weltlage Entscheidungen auf diesem Gebiet zwingend herbeifordern. Die letzten Jahre liefern uns reiches Anschauungsmaterial, das zu sichten und zu werten für jede künftige Entscheidung mehr als nützlich sein wird. Der Versuch, direkt oder indirekt einen Anteil an der Atommacht der NATO zu gewinnen, ist kläglich gescheitert. Ebenso kläglich gescheitert ist der Versuch, innerhalb der NATO im Rahmen zweiseitiger Abkommen Anteil an einer Teilatommacht zu gewinnen. Das war also weder durch Verhandlungen innerhalb des NATO-Rates noch durch zweiseitige Verhandlungen mit einzelnen Mitgliedern der NATO zu erreichen. Weder Verhandlungsgeschick noch langjährige Beharrlichkeit, noch taktische Veränderun-



Dr. Emde
gen des Verhandlungszieles haben hier zur Verwirklichung der Wünsche der CDU/CSU geführt. Es gibt keinen Zweifel, daß wir diesen Versuchen von Anbeginn an skeptisch gegenübergestanden haben und das dann, wenn es notwendig war, auch in der Öffentlichkeit entsprechend deutlich ausgedrückt haben. Die Entwicklung ist in Wirklichkeit nicht nur ungünstig für diesen Wunsch nach Anteil an der Atommacht gewesen. Sie hat darüber hinaus gezeigt — das hat der amerikanische Verteidigungsminister im vergangenen Jahr in Paris doch ausdrücklich gesagt —, daß im Rahmen des Bündnisses sogar der Wunsch besteht, Teile der deutschen Starfighterverbände wieder zum reinen Jagdflugzeug umzurüsten.
Diese Tatsache müßte für uns ein ganz wesentlicher Hinweis dafür sein, wenn das neue Waffensystem ausgewählt wird, das in Zukunft den F 104 G ersetzen wird. Die Entscheidung für einen reinen Abfangjäger würde erheblich geringere Kosten verursachen als für ein Waffensystem, das als militärische Weiterentwicklung des F 104 G gewünscht wird. Selbst wenn daneben ein eigenes Waffensystem für die Erdkampfunterstützung der Truppe — —

(Abg. Mengelkamp: Herr Emde, das ist doch zwischenzeitlich abgeklärt bei der Verteidigungsdebatte; Sie haben Ihre Rede vorher vorbereitet!)

— Nein, wir haben sie danach noch einmal durchgesprochen, Herr Mengelkamp.
Selbst wenn daneben ein eignes Waffensystem für die Erdkampfunterstützung der Truppe weitergeführt werden müßte, würde die mittelfristige Finanzplanung von den 70er Jahren an erheblich entlastet werden.
Ebenso ist die Frage zu bewerten, ob die 18monatige Dienstzeit nicht auf 12 Monate verkürzt werden kann. Eine bessere Erfassung der gedienten Wehrpflichtigen würde militärisch einen völligen Ausgleich bedeuten. Die Kampfkraft der Bundeswehr brauchte in keiner Weise verringert zu werden. Die Vorgänge im Nahen Osten haben doch politisch und militärisch hervorragendes Anschauungsmaterial zur Verfügung gestellt für die Fragen der Vorwarnzeit in politischen Krisen, für das Problem, in welchem Umfang die Großmächte gewillt sind, politische und militärische Konflikte zu lokalisieren, und für die Frage, in welchem Umfang eine auf großen gedienten Reserven aufgebaute Armee in der Lage ist, Kampfaufträge auch in einem modernen technisierten Krieg zu erfüllen.
Unmittelbar mit diesem Problem verknüpft ist die Frage, ob eine größere Zahl aktiver Verbände allein ausreichend ist, militärische Sicherheit zu bieten, oder ob nicht eine geringere Zahl aktiver Verbände, unterstützt durch eine größere Anzahl von Reserveeinheiten, deren militärischer und personeller Rahmen ständig vorgehalten und bereitgehalten wird, nicht sogar höheren militärischen Schutz bietet. Das Anschauungsmaterial ist gerade jetzt . in genügendem Umfange vorhanden, allen Fachleuten zugängig und sollte in den zuständigen Ausschüssen dieses Hauses vorurteilsfrei für die Übertragung auf unsere Verhältnisse analysiert werden.
Meine Fraktion ist fest davon überzeugt, daß auch bei einer Verkürzung der Wehrpflicht auf 12 Monate, bei einer Verringerung der aktiven Kampfverbände zugunsten des Aufbaus von Kaderverbänden beim stehenden Heer und beim Ersatz der F 104 G durch eine unseren Erfordernissen entsprechende Maschine die Verteidigungsfähigkeit nicht verringert wird, dagegen aber im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung in den nächsten Jahren erhebliche Abstriche von den bisher als gegeben erachteten Ausgabennotwendigkeiten gemacht werden können, so daß der Verteidigungshaushalt nicht über die zur Zeit erforderlichen 18 oder 19 Milliarden DM ausgedehnt zu werden braucht. Das heißt, daß man dann also nicht die 21 Milliarden DM benötigt, die die CDU/CSU in den Koalitionsverhandlungen 1966 beim Verteidigungsetat ab 1970 für erforderlich erachtete.
Welche politischen Möglichkeiten sich für uns im Rahmen einer aktiven Entspannungspolitik daraus ergeben, kann im einzelnen gar nicht in wenigen Sätzen dargestellt werden. Ich verweise auch hier nur auf die Erfahrung der letzten Jahre. Hätte sich die Bundesregierung nicht in so starkem Maße unter dem Druck der CDU/CSU gegen den Abzug einzelner amerikanischer und englischer Einheiten gewandt, der, wie die Wirklichkeit zeigt, doch nicht zu verhindern war,

(Zuruf von der CDU/CSU: Waren Sie gestern nicht hier?)

dann hätte sich sicherlich bei Handeln zur richtigen Zeit ein entsprechender Abzug sowjetischer Truppen aus der DDR im Verhandlungswege erreichen lassen. So ist das Ergebnis kein Ruhmesblatt der deutschen Verhandlungstaktik und der politischen Zielsetzung.

(Zuruf des Abg. Schmitt-Vockenhausen.)

Auch die großzügige Hingabe von Milliardenbeträgen im Rahmen des sogenannten Devisenausgleichsabkommens mit den USA — bei verhandlungstechnischer Ausschaltung des Bundesfinanzministers Dahlgrün im Dezember 1965 — hat keine Veränderung der amerikanischen Absichten herbeigeführt, ihre Truppenstärke in Deutschland zu reduzieren, wobei es auch für unsere Sicherheit relativ gleichgültig ist, ob der eine oder andere US-Kampfverband abgezogen wird, solange die tatsächliche militärische Stärke der USA das Gleichgewicht zum Ostblock garantiert. Zwischen dem Denken der CDU/ CSU und unserem Denken haben in diesen Fragen immer fundamentale Unterschiede bestanden.
Dem Phänomen des Kommunismus zuerst die Position der militärischen Stärke und die Theorie einer militärisch offensiven Verteidigung — noch dazu mit untauglichen Mitteln - entgegenzusetzen und geistig in der Defensive zu verharren, beschwört alle Gefahren einer überholten Machtpolitik herauf, die nicht geeignet ist, unseren deutschen und europäischen Zielen zu dienen, und führt letzten Endes zur politischen Isolierung Deutschlands. Die FDP dagegen hat den Mut zur geistigen und politischen



Dr. Emde
Auseinandersetzung, abgesichert durch eine glaubhafte militärpolitisch defensive Konzeption mit den dazu geeigneten Mitteln und einer entsprechenden Wehrverfassung. Wir stehen damit in Übereinstimmung mit unseren Verbündeten im westlichen Bündnis.
Der andere Fragenkomplex liegt bei der Sozialpolitik. Hier geht es doch in erster Linie um die Rentenversicherungsträger. Sollen die Zuschüsse in der alten Form weiter steigen? Soll weiterhin in der alten Form ein Teil der Barleistungen durch Hergabe von Schuldscheinen ersetzt werden? Oder wie glaubt die Bundesregierung, die Finanzsituation der Rentenversicherungsträger verändern zu können? Das, Herr Bundeskanzler, wird die schwierigste Aufgabe für Sie sein; denn Sie müssen zuerst die Widersprüche in Ihrer eigenen Partei ausräumen und dann eine Übereinstimmung mit Ihrem Koalitionspartner finden.
Was gilt denn Ihre Feststellung in diesem Hause, daß die künftige Bemessungsgrundlage der Zuschüsse zur Rentenversicherung und die Entwicklung der Leistungen überprüft werden müßten, oder die Feststellung von Professor Schellenberg, daß hier im Prinzip nichts geändert werden wird? Wenn die Entscheidung der SPD für diese Koalition gilt, braucht nämlich überhaupt nichts überprüft zu werden. Dann muß man bloß die Beitragssätze ändern, dann handelt es sich bloß um eine mathematische Frage und nicht um ein Problem der Entwicklung hinsichtlich der Frage, wieviel als Zuschuß an die Rentenversicherungsträger gezahlt werden muß.
Ähnlich ist es bei den Subventionen. In diesem Hause sind im Laufe der letzten Jahre die kühnsten Pläne vorgetragen worden. Der eine wollte die Subventionen generell um 10'0/o kürzen, der andere wollte an den Subventionen 3 bis 4 Milliarden DM einsparen.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kollege Emde, was würden Sie uns denn für Vorschläge auf diesem Gebiet machen?)

— Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, Sie merken ja, ich weiche nicht aus. Wir, die FDP, hatten im vergangenen Jahr bei den Koalitionsgesprächen vorgeschlagen, z. B. die allgemeinen Steuerfreibeträge abzubauen. Das hätte für Bund und Länder 800 Millionen DM Mehreinnahmen bedeutet. Dieser Vorschlag ist aber damals abgelehnt worden, und man hat noch in den zweiten Lesung vor einigen Tagen diese Vorschläge von uns hier als besonders unsozial hingestellt.

(Zuruf von der SPD: Ja sicher!)

— Aber, meine Damen und Herren, es wird alles schwierig sein, und nirgendwo werden sie abschneiden oder streichen können, ohne daß jemand zutiefst betroffen ist. Sie werden immer die Möglichkeit haben zu sagen: das ist unsozial. Wenn Sie sich aber dahinter verschanzen, wird nichts geschehen. Wir waren im vorigen Jahr ohne Rücksicht auf die Auswirkungen in der Öffentlichkeit bereit, z. B. diese wenig populären Vorschläge durchzuführen.
Wir sind gespannt, was im Laufe der nächsten Monate gesagt und getan werden wird.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Also eigene Vorschläge machen Sie heute auch nicht?)

— Ich bin bereit, diesen Vorschlag zu wiederholen. Es handelt sich bei ihm um 800 Millionen DM. Dieser Vorschlag steht immer noch da, und ich möchte wissen, meine Kollegen von der SPD und gerade Sie, Herr Schmitt-Vockenhausen, was Sie sagen werden, wenn diese Sache knallhart hier auf dem Tisch liegt. In einigen Monaten wird es so weit sein, daß wir uns über diese Fragen unterhalten werden. Wir werden dann feststellen können, ob Sie bereit sind, die notwendigen Konsequenzen aus dem Ernst der Lage zu ziehen.

(Beifall bei der FDP.)

Was ist hier nicht alles über Verwaltungsvereinfachung gesagt worden! Ja, welche Chance der Verwaltungsvereinfachung ist denn ausgenützt worden? Im vorigen Jahr bestand die wohllöbliche Absicht bei allen Verhandlungspartnern, die Zahl der Ministerien zu beschränken. Was ist geschehen? — Diese Idee ist• praktisch auf dem Altar des Proporzdenkens geopfert worden, und man ist erneut mit 20 Ministerien erschienen. Auch die Einführung der Institution der Parlamentarischen Staatssekretäre, die sinnvoll gewesen wäre, wenn man die Zahl der Ministerien verringert hätte, ist als Zusatz zu der alten Zahl der Ministerien doch in Wirklichkeit auch nur ein Stück Proporz-Operation, um alle die mit versorgen zu können, die nicht die Chance hatten, in den Rang der Ministerwürde hineinzukommen. Ich sage damit nichts gegen die Institution des Parlamentarischen Staatssekretärs. Wir hatten diese Frage nur immer verknüpft mit der Frage der Zahl der Ministerien. Bei 20 Ministerien ist die Einführung dieser Institution ein sehr, sehr zweifelhaftes Unternehmen.

(Beifall bei der FDP.)

Das Bundeskanzleramt ist vor zwei Jahren unter dem damaligen Bundeskanzler um eine dritte Abteilung vergrößert worden. Heute fordert der Bundeskanzler in einer zusätzlichen „Stellenanforderung im Zusammenhang mit der Neubildung der Bundesregierung" — so lautet der Vermerk in der Vorlage des Bundesfinanzministeriums — elf neue Stellen zur Errichtung eines Planstabes. Die Planstellen und Stelleninhaber des Ministeriums für den Bundesverteidigungsrat sind vor einigen Wochen auch auf das Bundeskanzleramt verlagert worden. Man hat also eine Fülle von Stellen und Menschen dazubekommen. Wir sind gespannt, was nun das Ergebnis sein wird. Nach den bisherigen Erfahrungen mehr beschriebenes und mehr bedrucktes Papier. Wir sind gespannt, ob die Qualität der geleisteten politischen Arbeit im Verhältnis zur Verstärkung des Kanzleramtes in Zukunft wachsen wird.

(Beifall bei der FDP.)

Ich habe vor einigen Wochen im Rahmen der Behandlung einer Kleinen Anfrage - sie ist damals nicht ganz verstanden worden — eine interessante Feststellung gemacht, nämlich in der Frage in Brühl frei gewordener Besatzungswohnungen, die bis da-



Dr. Emde
hin von belgischen Soldaten bewohnt waren. Aus dem Frage-. und Antwortspiel ergab sich, daß drei Bundesministerien, ein Landesministerium und eine Oberfinanzdirektion mit diesem Problem befaßt waren; wieviel Referate mit der Sache zu tun hatten, kann kein Mensch untersuchen. Das Ergebnis: daß die einfache Überholung von Wohnungen sechs Monate dauert. Wirklich, ein weites Feld von Möglichkeiten der Verwaltungsvereinfachung bietet sich der Regierung, und wir wären froh, wenn diese Große Koalition das vollbrächte, was die CDU bei der Alleinregierung und in der Kombination mit uns nicht fertiggebracht hat. Es scheint so zu sein, daß im Zuge des wirtschaftlichen Aufstiegs kein Amt verschwinden kann. Vielleicht gelingt es jetzt in den Zeiten der wirtschaftlichen und haushaltspolitischen Krise, zu erreichen, daß wenigstens das eine oder andere Amt und das eine oder andere Ressort in dieser Verwaltungsapparatur gestrichen wird.

(Beifall bei der FDP.)

Wir stellen in der dritten Lesung einen Entschließungsantrag, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die Aufgaben des Paßkontrolldienstes auf die Zollverwaltung zu übertragen. Das bringt uns auch Ärger bei den Leuten, die dadurch betroffen sind; aber eine beträchtliche Einsparung an Verwaltungsarbeit und Planstellen könnte erreicht werden. Eine von vielen Möglichkeiten!
Wir werden die Regierung überall unterstützen, wo sich für uns die Chance bietet und wo wir die Möglichkeit sehen, eine sinnvolle Regierungstätigkeit mit unserem Votum zu verstärken oder zum Erfolg zu führen.
Ich möchte aber meine Darlegungen nicht schließen, ohne auf einen Vorgang einzugehen, der uns alle im Laufe der letzten Wochen doch in relativ starker und mehr oder weniger persönlich bedrükkender Weise betroffen hat. Ich bedauere, daß der Herr Bundesinnenminister, der die ganze Zeit da war, gerade in diesem Moment nicht auf der Regierungsbank sitzt.
Wir haben vor einigen Tagen eine harte Auseinandersetzung über den Einzelplan 06 gehabt. Ich kann die Rede meiner Fraktion nicht abschließen, ohne noch einmal die Position des Bundesinnenministers anzusprechen. Ich möchte mich bemühen, das in so ruhiger und sachlicher Form zu tun, daß aus dieser Ansprache keine neue persönliche Differenz hier entsteht.
Beim Besuch des persischen Kaiserpaares haben wir Beispiele einer Demonstration staatlicher Machtanwendung in unserem Lande erlebt, über die und über deren Auswirkungen gar nicht deutlich genug gesprochen werden kann.

(Zuruf: Der Herr Innenminister ist da!)

— Ja, ich habe es gesehen. — Ich gehe davon aus, daß eine jahrzehntelange politische und darüber hinaus menschliche Verbindung zwischen dem persischen Volk und Deutschland besteht, daß Freundschaftsbande entwickelt wurden, die unsere politische Stellung in diesem Teil des Vorderen Orients positiv beeinflußt haben. Ich gehe weiter davon aus, daß das persische Kaiserpaar, wenn es seinen
Winterurlaub in der Schweiz verbringt, auch dort polizeilichen Schutz genießt, ohne daß derartig tiefgreifende Einwirkungen in dem Bereich der persönlichen Freiheitsrechte erfolgen, wie es bei uns geschehen ist. Wir haben einen Aufmarsch polizeilicher Machtmittel erlebt, der in keinem angemessenen Verhältnis zu der tatsächlichen Situation in der Bundesrepublik steht. Ich glaube, viele von uns haben in diesen Tagen genügende persönliche Erfahrungen gesammelt. Es steht außer Zweifel, daß Umfang und Ausmaß der Sicherheitsmaßnahmen in der Verantwortung des Auswärtigen Amtes und des Bundesinnenministeriums liegen, die über die Bonner Sicherungsgruppe direkt und über Anweisungen an die Landesinnenminister indirekt für Protokoll und Polizeieinsatz verantwortlich sind.
Herr Bundesinnenminister, welche Vorstellungen hat man eigentlich von dem Leben in unserem Volke? Ich habe das persönlich miterlebt und die Kommentare der Bevölkerung gehört, und das, was ich hier sage, klingt und ist harmlos im Vergleich zu dem, was die Leute auf der Straße gesagt haben. Als am Samstag, dem 27. Mai, Hunderte von Polizisten die Zufahrt zum Brühler Schloß sicherten — und dort standen nur Leute, die klatschten und positiv eingestellt waren, keiner, der pfiff oder johlte —, als nach meiner 'eigenen Zählung sechs Hubschrauber im Tiefflug mit geöffneten Seitentüren über Schloß und umliegende Gebiete kreisten, da scheint der Herr Bundesinnenminister das Schloß Brühl, die es umgegebenden Waldungen und Gewässer mit den vom Vietkong beherrschten Dschungelgebieten von Vietnam verwechselt zu haben.
Daß durch solche Maßnahmen auch eine gutwillige Bevölkerung von den Straßen in ihre Wohnungen vertrieben wind, das mußte doch jedem Verantwortlichen vorher klar sein. Daß Autobahnsperrungen über Dutzende von Kilometern, 'die Blockierung des Verkehrs und des wirtschaftlichen Lebens für ganze Stunden den tiefen Unwillen aller Schichten unseres Volkes hervorrufen würden, das mußte doch auch jedem Verantwortlichen klar sein. Halten Sie, Herr Bundesinnenminister, den Umfang dieser Maßnahmen für gerechtfertigt? Wir könnten Ihnen ja dankbar dafür sein, daß Sie uns gezeigt haben, in welchem Umfang man bereits mit den heutigen Gesetzen Bürger von der Straße vertreiben, Personen arretieren und deportieren und die Freiheitsrechte beschneiden kann. Jetzt können wir uns auch ausmalen, was mit Notstandsgesetzen erst alles gemacht werden kann.
Während viele einsichtige Männer — ich nenne hier stellvertretend nur den Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft Kuhlmann und Innenminister Weyer — seit Jahren bemüht sind, das Verhältnis zwischen Bürger und Polizei zu demokratisieren und zu verbessern, wird durch solche überspitzten Maßnahmen eine Stimmung geschaffen, in der es dann zu unkontrollierbaren Explosionen von beiden Seiten kommt, mit dem Ergebnis, daß am Ende ein Unschuldiger sein Leben lassen muß.
Diese Vorgänge, Herr Bundesinnenminister, bewegen gerade Menschen meiner Jahrgänge besonders stark. Ich war im Jahre 1933 dreizehn Jahre alt, und als der Krieg ausbrach, war ich zwanzig



Dr. Emde
Jahre. Ich gehöre zu denen, die aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht nur oberflächlich gelernt haben, sondern die wissen, daß Freiheit und Würde dies einzelnen unverbrüchliche Bestandteile eines freien Volkes auch in »der modernen industriellen Massengesellschaft sind. Hier sollte das Bundesinnenministerium »einen größeren Teil schöpferischer Arbeit ansetzen als in den Kampf um die Dinge, über »die mit Ihnen, Herr Bundesinnenminister, mein Kollege Dorn vor einigen Tagen diskutiert hat. Auch diese Erfahrung gestaltet mit unsere Haltung zu der von Bundeskanzler Kiesinger geführten Regierung. Auch das, was der Bundesinnenminister sagt und tut, ist Teil dieser Regierungspolitik, solange wir aus dem Munde des Bundeskanzlers nichts anderes hören.
Ich glaube, Herr Bundesinnenminister, der Schwere des Problems und den psychologischen Auswirkungen des Problems entsprechend mich sehr zurückhaltend geäußert zu haben.

(Vorsitz : Vizepräsident Dr. Jaeger.)

Lassen Sie mich zum Abschluß sagen: Wir unterstützen die Regierung überall, wo wir der Meinung sind, daß sie gute und nützliche Arbeit für unser Volk leistet. Wir haben einer Reihe von Gesetzen in den letzten Monaten in diesem Hause vollinhaltlich zugestimmt. Wir haben durch keine Aktion im Haushaltsausschuß Ausgaben vermehrt. Wir haben in unseren Diskussionsbeiträgen hier in der zweiten und dritten Lesung in keiner Weise mehr Geld gefordert, als die Regierung oder der Haushaltsausschuß in seinen Beratungen zur Verfügung gestellt hat. Aber eine Zustimmung zu dieser Politik können wir im ganzen nicht geben. Zu undeutlich sind Ihre Absichten, zu gering ist die Entschlossenheit, die drängenden Probleme zu lösen, zu stark sind die Dissonanzen, Herr Bundeskanzler, in der von Ihnen geführten Partei und in Ihrem Kabinett. Die FDP lehnt den Haushalt des Jahres 1967 als ein Symbol der Tätigkeit dieser Bundesregierung ab.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511518900
Das Wort hat der Herr Bundesminister ides Innern.

Paul Lücke (CDU):
Rede ID: ID0511519000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Emde, Sie kennen die verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten genau und wissen, daß die Länder für die Sicherheit bei Staatsbesuchen zuständig sind.
Nach den Erkenntnissen bei den Dienststellen des Bundes und der Länder war bei dem Besuch des iranischen Kaiserpaares mit einem Attentat zu rechnen. Nach vertraulichen Informationen bestanden Pläne, während dieses Staatsbesuches Sprengstoffpakete zu versenden, darüber hinaus Zeitbomben zu legen und ein Pistolenattentat zu verüben.
Tatsächlich sind am 16. Mai 1967 bei iranischen Staatsangehörigen in der Bundesrepublik zwei Sprengstoffpakete mit scharfen Zündern eingegangen. Ein weiteres Paket ohne Zünder war an das
Auswärtige Amt gerichtet. Ein nicht vollständig fertiggestelltes Sprengstoffpaket wurde bei der Durchsuchung des Arbeitsplatzes eines iranischen Staatsangehörigen gefunden. Dem an das Auswärtige Amt übersandten Sprengstoffpaket lag ein Brief mit der Aufforderung bei, den Staatsbesuch abzusagen; wenn das iranische Staatsoberhaupt dennoch nach Deutschland komme, würde — so stand in dem Brief zu lesen — um das Ganze gehen.
Auch andere anonyme Attentatsdrohungen lagen in einem bisher bei Staatsbesuchen nicht gekannten Umfange vor. Es war ferner bekannt, daß mehr Sprengstoff aus dem benachbarten Ausland in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verbracht worden war, als die vier erwähnten und bekanntgewordenen Sprengstoffpakete enthielten. Weiter wurde bekannt, daß iranische Staatsangehörige in einem westlichen Nachbarland der Bundesrepublik zahlreiche Pistolen gekauft hatten. Während des Staatsbesuches in Berlin mißlang ein Versuch, einen ferngesteuerten Personenwagen auf den Wagen des iranischen Staatsoberhauptes zu lenken.
Aus den Berichten .der Innenminister der Länder war ferner bekannt, daß umfangreiche Demonstrationspläne iranischer Studenten bestanden, die von Deutschen, besonders von Mitgliedern des Sozialistischen Studentenbundes, unterstützt wurden.
Bei dieser Sachlage mußte von den Polizeien der Länder, auf die der Bundesminister des Innern keinerlei Einfluß hat und hinsichtlich deren er keine Weisungsbefugnisse hat, die für die Sicherheit der Staatsgäste verantwortlich waren, die stärksten Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Hierzu gehörte auch — zumindest für die ersten Tage des Staatsbesuches — die Sperrung der Autobahn. Sie wissen, Herr Kollege Emde, daß ich selber ein Opfer dieser Absperrung geworden bin.
Ich möchte aber nicht, daß man der Polizei den Vorwurf macht. Die Polizei hatte von den zuständigen Ministern klare Anweisungen, und die Polizei hat die Anweisungen der Minister ausgeführt. Ich habe mich auch nach der Anweisung des Polizisten in die Schlange ,der wartenden Autos eingereiht. Der Polizeibeamte des Landes Nordrhein-Westfalen hatte eine klare Anweisung. Der Innenminister hat mich daraufhin angerufen, die Sache richtiggestellt und sehr bedauert, daß das passiert sei. Mehreren Kollegen ist ein solches Mißgeschick widerfahren. Ich bitte aber dringend darum, daß man nicht der Polizei die Verantwortung zuschiebt, sondern den verantwortlichen Ministern, die diese Anweisung gegeben haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich selber habe — außerhalb der Sicherungsgruppe — für diese Fragen keine Kompetenz und spreche deshalb nur das aus, was ich bei meinen Gesprächen mit den Länderinnenministern »erfahren konnte.
Sicherlich werden die jetzt vorliegenden Erfahrungen bei der Gestaltung der Programme künftiger Staatsbesuche ihren Niederschlag finden. Nicht, weil ich hierfür zuständig bin, sondern als Mitglied der Bundesregierung werde ich von mir aus mit dafür Sorge tragen, daß man bei Absperrungen andere,



Bundesminister Lücke
vielleicht modernere Wege geht. Ich habe zu diesem Zweck einen Erfahrungsaustausch mit den Innenministern der Länder, die für die Sicherheit der Staatsgäste verantwortlich sind, und dem Auswärtigen Amt in die Wege geleitet.
Ich möchte dennoch der Polizei in Berlin und auch hier für den Einsatz danken, der es ermöglicht hat, daß dieser Staatsbesuch — abgesehen von dem bedauerlichen Zwischenfall mit dem Studenten Ohnesorg — so abgelaufen ist. Wir alle, die wir uns gemeinsam mit ,dieser Frage befassen mußten, waren in ,diesen Wochen recht besorgt und wierden uns in den Gesprächen, die eingeleitet worden sind, überlegen müssen, wie wir die Dinge künftighin dm Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeiten besser behandeln können.

(Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511519100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Windelen.

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0511519200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin versucht, mich dafür zu entschuldigen, daß ich als Haushaltssprecher meiner Fraktion nun in der dritten Lesung des Haushaltes nach fünf Tagen beabsichtige, zum Haushalt zu sprechen.

(Abg. Haase [Kassel] : Ausgezeichnet!)

Aber ich kann Ihnen versprechen: ich werde es kurz machen, wenn ich auch meine, daß die eigentlichen haushaltspolitischen Fragen einige Erwähnung verdient hätten.
Dies ist ein besonderer Haushalt, den wir hier heute behandeln. Es ist der schwierigste Haushalt, der seit Gründung der Bundesrepublik von diesem Parlament zu verabschieden war. Drei Bundesregierungen und drei Bundesfinanzminister waren an der Lösung dieser Aufgabe beteiligt — und nicht alle sind dabei über die Runden gekommen.
Der erste Entwurf stammte noch vom Kabinett Erhard-Mende. Er wurde vom Finanzminister Dahlgrün ausgearbeitet und am 29. September 1966 eingebracht. Nachdem die Minister der FDP gerade wegen dieses Haushaltsausgleichs aus der Bundesregierung ausgeschieden waren, legte am 7. November 1966 der kommissarische Bundesfinanzminister Schmücker der Minderheitenregierung Erhard den Ergänzungshaushalt 1967 vor, da inzwischen beträchtliche Deckungslücken unübersehbar geworden waren. Schließlich legte die Bundesregierung Kiesinger, die Regierung der Großen Koalition, vertreten durch den Finanzminister Strauß, durch den Kabinettsbeschluß am 19. Januar 1967 die Grundlage für den Ausgleich dieses Haushalts.
Warum komme ich noch einmal auf die Entstehungsgeschichte dieses Haushalts zurück? Nun, auch deswegen, weil ich einen Hinweis auf den Anteil der jetzigen Opposition an der Aufstellung dieses Haushalts geben wollte. Denn der Kernhaushalt — und darauf hat Kollege Dr. Emde ja auch hingewiesen — war der Ausgangspunkt für den uns jetzt vorliegenden Entwurf. Herr Kollege Emde hat sich ausdrücklich zu dieser Mitverantwortung bekannt, und er hat auch Anteil der FDP an diesem Haushalt reklamiert. Aber gerade daran gemessen, scheint mir der Beitrag, den die Opposition zur Haushaltsdebatte geleistet hat, unzureichend und unbefriedigend.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Länge der Diskussionsbeiträge der Opposition, Herr Kollege Emde — lassen Sie mich das hier in aller Deutlichkeit sagen —, war umgekehrt proportional zu ihrem Gehalt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es ist sicher nichts dagegen einzuwenden, wenn hier scharfe Kritik geübt wird. Es ist sicher nichts dagegen einzuwenden, wenn Sie Ihre Bedenken äußern. Aber es wurde hier doch auch nicht der Schimmer einer Alternative oder einer besseren Finanzkonzeption aufgezeigt. Herr Kollege Emde ist vorhin noch einmal auf diese Frage zurückgekommen und hat gesagt, sie hätten bewußt keine Anträge gestellt, weil sie das Volumen nicht erhöhen wollten. Nun bitte, dann stimmen Sie doch diesem Haushalt in allein seinen Einzelheiten zu, oder aber legen Sie uns Alternativen vor! Legen Sie uns Anträge über Verlagerungen der Schwerpunkte dort vor, wo sie Ihren Vorstellungen nicht entsprechen.
Sie haben uns einen einzigen solchen Änderungsantrag auf Umdruck 244 vorgelegt. Hier geht es um die Verlagerung von 1 000 000 DM von der Möbelhilfe für Flüchtlinge auf einen Titel zum Währungsausgleich für Reichsmarksparguthaben. Aber auch hier handelt es sich nicht etwa um einen neuen Akzent, etwa um die Verlagerung von konsumtiven Ausgaben in den investiven Bereich, sondern hier handelt es sich lediglich um Verlagerungen von konsumtiven Ausgaben von dem einen in den anderen Titel, noch dazu mit erheblicher präjudizierender und expansiver Wirkung. Das ist Ihr einziger konkreter, in Zahlen und Beträgen vorliegender Antrag zu diesem Haushalt.
Dagegen waren die zahlreichen und auch sehr langen Einzelbeiträge, die Sie hier geleistet haben, widersprüchlich und teilweise miteinander völlig unvereinbar.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Ich war einigermaßen auf die Haushaltsrede gespannt, die Sie, Herr Kollege Emde, hier halten würden.

(Abg. Haase [Kassel] : Sie war lang!)

Von den Sprechern der FDP ist Kritik an unzureichenden Leistungen und an unzureichenden Haushaltsansätzen in den verschiedenen Etats geübt worden. Das ist ihr gutes Recht. So hat der Kollege Peters z. B. scharfe Kritik an den „unzureichenden" Ansätzen im Einzelplan 10 geübt, und er hat beträchtliche Mehrforderungen in der Größenordnung von Hunderten von Millionen Mark als vordringlich bezeichnet, und zwar beim Dieselöl, bei der Zinsverbilligung, bei der Siedlung, beim Getreidepreisausgleich und bei dem Milchauszahlungspreis, ohne auch nur den Versuch eines Deckungsvorschlages



Windelen
zu unterbreiten. Wir hörten die gleiche Kritik an Ansätzen auch bei anderen Einzelplänen, gleichzeitig aber heftige Vorwürfe des Kollegen Dr. Haas an der Expansion dieses Haushalts und an dem Umfang der Verschuldung.

(Beifall in der Mitte.)

Dazu kamen dann, um das Maß vollzumachen, die Zweifel der Kollegin Funcke, ob nicht noch weitere zwei Milliarden durch Steuerrückgänge dazu kämen, die dann natürlich auch noch durch weitere Verschuldung gedeckt werden müßten. Um dem allem die Krone aufzusetzen, gaben Sie dann noch Ihre Zustimmung zum Gruppenantrag der SPD,

(Abg. Haase [Kassel] : Das ist eine reife Leistung!)

den Rentenversicherungsträgern noch weitere 200 Millionen DM Schuldbuchforderungen einzuräumen, um damit nach dem Bemerken des Kollegen Mischnick sicherzustellen, daß über die Finanzierung der Rentenversicherung Klarheit geschaffen werde. Dazu hätten Sie wahrlich nicht auch noch einem Erhöhungsantrag zuzustimmen brauchen. Seit wann wird denn durch Erhöhungsanträge die Finanzierung gesichert?!

(Abg. Leicht: Sehr gut!)

Lassen Sie mich an dieser Stelle sehr deutlich sagen: Wir sind mit den Leistungen der Bundesregierung — gemessen an den Schwierigkeiten, vor denen sie steht, gemessen an der kurzen Zeit, die sie im Amt ist — durchaus zufrieden, und wir möchten ihr für diese ihre Arbeit danken.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Wir sind aber auch durchaus mit der Darstellung dieser Politik durch das Presse- und Informationsamt einverstanden. Wir danken dem Presse- und Informationsamt für seine Arbeit und weisen die maßlose Kritik der Opposition an diesem Amt nachdrücklich zurück.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich will meinen Eindruck von der Debatte zusammenfassen. Wir haben viele und lange Reden gehört, aber wenig Neues und vor allem wenig Konstruktives.
Herr Kollege Mende hat hier soeben etwas wehleidig beklagt, daß die Opposition in ihren Rechten beeinträchtigt werde.

(Abg. Haase [Kassel] : Er muß mehr in den Ausschuß kommen!)

Herr Kollege Mende, wo haben wir Sie in ihren Rechten beeinträchtigt? Die Haushaltssprecher der Fraktionen nehmen jetzt, am fünften Tage dieser Debatte, zum erstenmal das Wort zum Haushalt. Bis dahin konnte geredet werden und ist geredet worden, wie der einzelne immer wollte.
Sie haben sich darüber beklagt, daß die Mehrheit die Minderheit schlecht behandelt habe. Nun, Herr Dr. Mende, wir haben Sie in großer Geduld angehört, wir haben nach Argumenten gesucht, wir haben nach Alternativen und nach konstruktiven Vorschlägen gesucht. Leider vergeblich.
Was sollen wir denn mit einer solchen Opposition anfangen? Wir haben lange Reden gehört, teilweise sehr polemische, teilweise — hier denke ich besonders an den Kollegen Dorn — sehr verletzende.
Ich ziehe hier ein Bild aus der langen Debatte gestern zum Einzelplan 14 heran. In dieser Haushaltsschlacht haben Sie sich doch im wesentlichen in die Etappe oder an die Heimatfront zurückgezogen.

(Abg. Haase [Kassel] : Hinter den SuezKanal!)

Ich habe Verständnis, dort ist die Luft natürlich nicht so eisenhaltig.

(Abg. Dr. Mende: Auch Sie sind so angesteckt! Sie lesen die Bild-Zeitung!)

— Das bleibt nicht aus, Herr Kollege. Aber Ihrer Aufgabe sind Sie kaum gerecht geworden.
Ich darf zu dem Bild zurückkehren: Ihren Kampfauftrag, Herr Kollege Mende, haben Sie in dieser Haushaltsschlacht jedenfalls nicht erfüllt. Alle Vernebelungsversuche können daran gar nichts ändern.
Im übrigen erleben wir hier im Grundsatz das gleiche wie auch während der Ausschußberatungen. Denn dort hatten Sie ja meist nur eine Stallwache abgestellt. Auch da haben wir vergeblich wenigstens ab und zu auf ein Stoßtruppunternehmen gewartet. Dann hatten wir gedacht, Sie hätten sich Ihre Munition für die Plenardebatte aufgespart. Aber auch hier nichts als Platzpatronen.

(Heiterkeit in der Mitte.)

Statt dessen erleben wir jetzt einen groß angelegten Tarnungsversuch, nämlich den Versuch, sich aus der Mitverantwortung für die Haushaltsentwicklung herauszuschleichen.

(Abg. Leicht: Sehr gut!)

Was denn sonst waren die Ausfälle des Kollegen Dorn mit Zitaten des damaligen Finanzministers Dahlgrün, mit Zitaten des Kollegen Dr. Alex Möller, mit Zitaten des Kollegen Dr. Altammer und des Kollegen Wehner? Was waren sie denn sonst als der Versuch, die eigene Verantwortung abzuwälzen? Ich muß Ihnen ehrlich sagen: Ich halte nicht viel von dieser Form der Bewältigung der Vergangenheit. Aber wenn hier schon nach Schuldigen gesucht werden soll, dann habe auch ich dazu noch einen kleinen Beitrag zu leisten.
Mir liegt ein Auszug aus einer Drucksache des Haushaltsausschusses vor. Sie trägt die Nummer 1346 und die Unterschrift des damaligen Finanzministers Dr. Dahlgrün. Darin sind die ganzen Gesetzesinitiativen aller Fraktionen aufgezeichnet. Ich beschränke mich jetzt auf die Initiativen der FDP-Fraktion, d. h. die Initiativen, die sie allein in eigener Verantwortung eingebracht hat. Ich verzichte also völlig auf die Nennung ihres Anteils an gemeinsamen Anträgen.
Wir haben hier — als erstes — die Bundestagsdrucksache IV/1863 verzeichnet: Viertes Gesetz zur Änderung des 131 er-Gesetzes mit einer Dauerbelastung von 425 Millionen DM pro Jahr. Die Frage ist hier schon angesprochen worden. Herr Kollege



Windelen
Schmitt-Vockenhausen hat das getan, und Herr Dorn hat damals gesagt, die Deckung hätten wir leicht mit 1,8 Milliarden DM aus dem Verteidigungshaushalt gefunden.

(Sehr gut! in der Mitte. — Zurufe von der FDP.)

— Doch, doch, das hat er gesagt. Lesen Sie es nach!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511519300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0511519400
Ist Ihnen nicht bekannt, daß Herr Kollege Dorn auf den Vorschlag eines Kollegen der SPD Bezug genommen hat, der von 1,8 Milliarden DM gesprochen hatte?

(Abg. Hermsdorf: Das war Herr Klepsch, der von 1 Milliarde gesprochen hat! Bei uns ist nicht darüber geredet worden!)


Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0511519500
Das nächste ist das Gesetz zur Änderung des Landwirtschaftsgesetzes, Bundestagsdrucksache IV/2011; Jahresbelastung für den Bund: 3 bis 5 Milliarden DM; Bundestagsdrucksache IV/2686, Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung — Sparprämiengesetz —; jährliche Belastung: 325 Millionen DM; Bundestagsdrucksache IV/3209, Marktstrukturgesetz; jährliche Belastung: 600 Millionen DM bis 1 Milliarde DM; Drucksache IV/3245, EWG-Anpassungsgesetz; jährliche Belastung: 1,5 Milliarden DM bis 3 Milliarden DM. Wenn wir das zusammenzählen, dann sind das Initiativanträge von der FDP, die jährliche Belastungen von zirka 6 bis knapp 10 Milliarden DM zur Folge gehabt hätten.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Herr Kollege Mende, so sah die harte finanzpolitische Opposition der FDP innerhalb der Kleinen Koalition aus.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie haben vorhin noch einmal die Maßhalteappelle von Ludwig Erhard zitiert und uns ins Gedächtnis zurückgerufen. Hätten Sie ihn doch damals auch unterstützt, indem Sie derartige Initiativen unterlassen hätten!

(Abg. Dr. Mende: Die gab es bei allen Fraktionen, auch bei Ihrer, auch bei den Sozialdemokraten!)

— Einverstanden, Herr Kollege Dr. Mende. Ich sage noch einmal: Ich halte die Suche nach dem Schuldigen oder gar nach einem Alleinschuldigen für völlig müßig. Ich halte sie für unfruchtbar. Aber ich hatte Ihnen einen Beitrag zu lieferen in Erwiderung des Versuchs des Kollegen Dorn, die Alleinschuld einseitig anzulasten.

(Beifall in der Mitte.)

Ich glaube, unser Volk will in dieser Situation nicht hören, wer der Alleinschuldige ist. Unser Volk weiß ganz genau, daß es keinen Alleinschuldigen gibt, aber unser Volk will endlich hören, wie wir mit diesen Problemen hier fertig werden,

(Beifall in der Mitte)

und vor allem, wie wir eine Wiederholung verhindern. Dazu, meine Damen und Herren von der Opposition, ist Ihnen nichts eingefallen.

(Abg. Genscher: Was haben Sie denn zu sagen?)

— Hören Sie mir doch zu; ich bin doch noch gar nicht fertig.
Ich möchte zum eigentlichen Gegenstand, nämlich dem Aufbau, der Entwicklung und den neuralgischen Punkten des Haushaltsplanes 1967 nicht viel ausführen. Ich habe nach dem Verlauf der Debatte und nach der Rede des Bundesfinanzministers, in der die wesentlichen Daten — und zwar in der aktuellsten Form — diesem Hause mitgeteilt wurden, meine diesbezüglichen Ausführungen schriftlich fixiert, und ich möchte Sie zu Protokoll geben.
Vielleicht gestatten Sie mir aber noch einige mehr allgemeine und in die Zukunft weisende Betrachtungen. Die Kosten- und die Personallawine im öffentlichen Dienst macht uns zunehmend Sorge. Jedes Jahr vermehrt sich das Heer der im öffentlichen Dienst Beschäftigten um 50 000 bis 60 000. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der im öffentlichen Dienst Beschäftigten um 36 % erhöht — bei einem Bevölkerungszuwachs von etwa 12,4 %. Wenn die Prognosen von Professor Ellwein stimmen — ich fürchte, sie stimmen —, dann ist damit zu rechnen, daß sich diese Zahl in den nächsten zehn Jahren mindestens noch einmal um 50 % erhöht. Professor Ellwein rechnet unter gewissen Umständen sogar mit einer weiteren Verdoppelung innerhalb der nächsten zehn Jahre.
Ich möchte nicht so weit gehen wie Professor Parkinson, der gesagt hat: Sobald eine Behörde den Personalbestand von 500 erreicht hat, bedarf sie fürderhin keines Kontaktes mehr mit der Umwelt, um vollbeschäftigt zu sein.

(Heiterkeit.)

Das ist sicher nur scherzhaft gemeint, aber es bleibt doch eine sehr ernste Frage an uns. Ich bin weit davon entfernt, die Verantwortung für diese Entwicklung etwa in erster Linie oder ausschließlich bei den Verwaltungen selbst zu suchen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511519600
Herr Abgeordneter Windelen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Brück?

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0511519700
Selbstverständlich. Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte!

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0511519800
Herr Windelen, könnten Sie uns denn auch einen Weg aufzeigen, tatsächlich einmal die Aufgaben abzubauen? Ist ihnen bekannt, daß bei den 25 Entschließungsanträgen zur dritten Lesung 3 Anträge zwar zum Ziel haben, Personal einzusparen, 13 Anträge aber zweifellos eine Personalvermehrung zur Folge haben werden, wenn ihnen zugestimmt wird?




Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0511519900
Ich gebe Ihnen völlig recht, Herr Kollege Brück, und ich wiederhole: ich bin weit davon entfernt, die Verantwortung für diese Entwicklung etwa bei den Beamten oder in den Verwaltungen selbst zu suchen. Sie liegt mindestens im gleichen Maße beim Gesetzgeber, also bei uns. Es ist völlig klar: wenn wir den Verwaltungen immer neue Aufgaben zuordnen, geben wir den Anlaß dazu, daß sich diese Verwaltungen vergrößern müssen.
Aber dennoch meine ich, daß uns die Zahlen, die wir über die künftige Entwicklung gehört haben, zum Nachdenken zwingen. Wir können nicht auf diesem Wege fortfahren. Wir müssen sehen, wie wir mit dieser Entwicklung fertigwerden, und wir werden uns noch mehr als bisher modernerer Methoden in der Verwaltungspraxis bedienen müssen, Methoden, die in der Wirtschaft längst selbstverständlich geworden sind.
Der Kollege Dr. Haas hat zu diesem Thema einiges gesagt. Er hat sich sehr nachdrücklich auch für eine stärkere Einführung der Datenverarbeitung in Staatsführung und Verwaltung eingesetzt. Ich kann das nur unterstreichen, Herr Kollege Dr. Haas. Ich selbst habe einige Überlegungen in dieser Richtung angestellt und in einem Artikel niedergelegt. Ich wäre dankbar, wenn Sie diese meine Überlegungen unterstützen würden. Da geht es um eine ganz wichtige Frage, die man in ihrer Bedeutung nicht unterschätzen sollte, und je eher wir uns hier zu Beschlüssen durchringen, um so besser für uns alle.
Lassen Sie mich ein sehr eindrucksvolles Beispiel aus den USA anführen, die ja in dieser Frage erheblich weiter sind als wir: Würden die amerikanischen Banken heute noch ohne Computer arbeiten, dann müßte die gesamte weibliche Bevölkerung zwischen 20 und 45 Jahren allein im Scheckdienst beschäftigt werden. So weit sollten wir es bei uns nicht kommen lassen. Wir sollten lieber ein Zehntel unserer Haushaltsmittel für unsere Zukunft aufwenden anstatt ein Drittel für die Aufrechterhaltung der Vergangenheit.

(Beifall in der Mitte.)

Damit habe ich das Thema der Subventionen nur am Rande gestreift. Dessen bin ich mir sehr wohl bewußt. Aber für die eigentlichen Themen unserer Zukunft bleibt ja in diesem Hause nicht viel Raum und nicht viel Zeit.
Erlauben Sie mir noch ein paar Bemerkungen zur Rolle der Haushaltspolitik heute. Während in der Vergangenheit Haushaltspolitik im wesentlichen Fiskalpolitik war, während sie vorrangig dem Gesichtspunkt diente, den öffentlichen Finanzbedarf zu befriedigen, während sie in diesem Zusammenhang ein Schattendasein führte, ist inzwischen die Erkenntnis allgemein geworden, daß bei dem hohen und wachsenden Anteil der öffentlichen Haushalte am Sozialprodukt Haushaltspolitik heute zugleich Wirtschafts-, Konjunktur-, Währungs-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik ist. Insofern ist heute die Haushaltspolitik in das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit gerückt. Man erwartet heute von der Haushaltspolitik die Lösung fast aller Probleme. Deswegen scheint es mir jetzt an der Zeit zu sein, daran zu erinnern, daß der Haushalt nicht nur ein Instrument der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik ist, sondern daß auch jetzt noch die Vorschrift des Grundgesetzes gilt, daß der Haushalt nach Einnahmen und Ausgaben auszugleichen ist.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Darum möchte ich gerade in dieser Stunde und an dieser Stelle ein sehr offenes und ein sehr deutliches Wort an dieses Haus richten. Wenn der Haushaltsausschuß und wenn die Fraktionen — alle Fraktionen dieses Hauses — bereit gewesen sind, um die Arbeitsplätze zu sichern, um die Auftragsbücher unserer Wirtschaft wieder zu füllen, beträchtliche Schulden zu übernehmen, muß ich heute schon anmelden, daß die zusätzlichen Einnahmen aus diesem deficit spending nicht zu höheren öffentlichen Ausgaben in der erwarteten Aufschwungphase,

(Beifall bei der CDU/CSU)

sondern zunächst zur Abdeckung der Schulden eingesetzt werden müssen.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

Auch das ist eine Frage der sozialen Symmetrie. Ich muß das hier sehr deutlich aussprechen. Es herrscht doch vielfach der Glaube in der Öffentlichkeit, aber auch in diesem Hause, man könne die Gesetze der Volkswirtschaft durch Mehrheitsbeschlüsse außer Kraft setzen. Diesen Irrglauben haben wir teuer bezahlen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.) Ich warne vor Wiederholungen.

Aber noch eine andere Geisteshaltung bereitet mir Sorgen, der Wunderglaube an die Machbarkeit aller Dinge. Der Herr Bundeskanzler hat dazu ein kurzes Wort gesagt. Ich möchte einiges hinzufügen. Hier werden offensichtlich die erstaunlichen Erfolge bei den Naturwissenschaften, welche uns die Lösung fast aller technischen Probleme erlauben, auf den politischen Bereich übertragen. Hier wird doch eine Auffassung gelehrt, daß die wissenschaftlichen Erkenntnisse über Politik und Gesellschaft, Regierung und Parlament von dem Zwang befreien könnten, sich zu einer Rangordnung der wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele zu bekennen. Das scheinen mir typische Merkmale einer Geisteshaltung zu sein, die sich pragmatisch, die sich wissenschaftlich, die sich wertneutral nennt, in Wirklichkeit aber unpolitisch ist. Manche modernen Wirtschaftspolitiker haben offenbar die Vorstellung, daß politische und wirtschaftliche Entwicklungen beliebig manipulierbar seien. So versuchen solche Strategen, den Verlauf der Kurven ihrer statistischen Schaubilder durch immer neue künstliche Einflüsse oder Einspritzungen, wie man das heute nennt, auf das vorgegebene Ziel hin auszurichten. Dabei wird dann vergessen, daß die entscheidende Frage ist und bleibt: Welche Gruppe unserer Gesellschaft ist denn noch bereit, im Interesse der Stabilität unserer Ordnung die Opfer zu bringen, die sie von anderen verlangt? An



Windelen
der Antwort auf diese Frage werden wir gemessen werden. Daran führt kein Weg vorbei.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Schon in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers Kiesinger steht dieser Satz:
Die Gesundung der Bundesfinanzen ist weniger eine Frage des Sachverstandes als des politischen Mutes und der Einsicht aller Mitverantwortlichen.
Nun, meine Damen und Herren, die nächsten Wochen und Monate werden uns überreichlich Gelegenheit dazu geben, zu zeigen, wie einsichtvoll Minister und wie einsichtsvoll Abgeordnete sind.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU ist sich dieser Problematik des Haushalts sehr wohl bewußt. Sie weiß, daß er viele Wünsche offenläßt. Sie stimmt ihm dennoch zu, weil das nach Lage der Dinge der einzige Weg ist, den Ausgleich zu finden, ohne Wirtschaft und Konjunktur unvertretbar zu belasten.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511520000
Das Wort hat der Abgeordnete Hermsdorf.

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0511520100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich resigniere noch mehr als mein Kollege Windelen.

(Heiterkeit.)

Ich bin nicht nur versucht, mich zu entschuldigen, sondern ich entschuldige mich, daß ich als ein Sprecher meiner Fraktion in Haushaltsfragen hier noch einmal das Wort ergreife. Ich werde mich noch kürzer fassen als Sie — ich bitte das nicht falsch zu verstehen, Herr Kollege Windelen —, weil ich mir meine Auffassung zur Haushaltspolitik und zum Haushalt selbst sehr genau überlegt habe und heute in den Diskussionen hier in diesem Hohen Hause sowohl von einzelnen Sprechern als auch von der Regierungsbank all die Probleme und all das angesprochen gesehen habe, was ich mir selbst dazu überlegt und ausgedacht habe. Ich halte es für eine Zumutung für die Damen und Herren, die wirklich daran interessiert sind, etwas über Haushalt zu hören — und immerhin stelle ich fest, daß es mehr sind als in früheren Jahren —, wenn ich hier das alles noch einmal erwähnen würde. Obwohl ich weiß, daß es keine demokratische Gepflogenheit ist, gebe ich meine Ausführungen zum Haushalt zu Protokoll. *)

(Beifall.)

Ich würde trotzdem bitten, daß der eine oder andere sie einmal nachliest.

(Beifall auf allen Seiten.)

Lassen Sie mich nun doch noch ein paar Bemerkungen machen, denn schließlich haben wir eine andere Situation als bei früheren Haushaltsdebatten. Die Sozialdemokraten sind in der Regierung und
*) Siehe Anlage 27 stimmen nicht nur, weil sie in der Regierung sind, sondern weil sie diese Politik, die sich hier in diesem Haushalt niederschlägt, voll inhaltlich billigen, diesem Haushalt zu.
Vielleicht darf ich aber auch noch ein Wort an die Fraktionsvorsitzenden, die nicht mehr anwesend sind, und ein Wort .an die Regierung hinsichtlich der Behandlung des Haushalts im Parlament in Zukunft und hinsichtlich der Behandlung des Haushaltsausschusses und seiner Mitglieder richten. Als Mitglieder des Haushaltsausschusses sind wir gewohnt — das gilt für alle drei Fraktionen —, ein halbes Jahr lang den Versuch zu machen, nicht nur die Konzeption der Bundesregierung durchzusetzen, sondern auch die Vorstellungen dieses Hauses dabei zu berücksichtigen. Es wäre dann wahrscheinlich nicht mehr als recht und billig, wenn auch die Vertreter dieses Ausschusses hier die Möglichkeit hätten, einmal darüber zu reden, wie sie sich die Abwicklung dieses Haushalts vorgestellt und wie sie sich abgeplagt haben. Ich bedauere deshalb außerordentlich, daß noch etwas als eine neue Belastung hinzukommt, was bei früheren Regierungen nicht der Fall war, nämlich daß jetzt noch vor der dritten Lesung Regierungserklärungen abgegeben werden, die uns als Haushaltsausschußmitglieder in eine nach größere Schwierigkeit bringen, als das bis heute der Fall war. Ich würde nur bitten, das zu überlegen.
Jetzt lassen Sie mich zum Schluß, meine Damen und Herren, kurz sagen, weshalb die sozialdemokratische Fraktion diesem Haushalt zustimmt. Hier ist heute morgen vom Herrn Bundeskanzler noch einmal in aller Deutlichkeit gesagt worden, was die Ausgangslage war, als diese neue Regierung gebildet wurde. Ich verweise ausdrücklich auf die Ausführungen .des Bundeskanzlers von heute morgen.
Wenn jetzt hier von der FDP und einigen anderen gesagt wird: Was ist nun geschehen; so schlimm war es doch gar nicht; oder: Es waren alle schuld — nun, meine Damen und Herren, dann muß ich sagen: so einfach kann man sich die Sache ,auch nicht machen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Schließlich hatte der Regierungswechsel Ursachen. Ohne Ursachen wären wir nicht zu einer anderen Regierung gekommen.

(Zustimmung bei der SPD.)

Jetzt haben wir versucht, mit ,der Misere fertigzuwerden. Wir wissen genau, .daß wir uns hier erst in einem Anfangsstadium befinden. Aber daß hier Leistungen vollbracht worden sind, das sollte selbst von der FDP nicht bestritten werden. Immerhin hat diese neue Regierung innerhalb dreier Monate 8,4 Milliarden DM in diesem Haushalt sozusagen bereinigt — innerhalb von drei Monaten! Ist das keine Leistung?

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es sind hier Appelle, auch an die Opposition, gerichtet worden, diese Leistungen nicht zu verkleinern,
sondern bei dieser Leistung mitzuhelfen, die schwie-



Hermsdorf
rigen Probleme, die uns noch bevorstehen, mit zu erledigen.

(Zuruf von der FDP: Das tun wir doch!)

Ich muß Ihnen offen sagen, ich habe hier von Ihnen — ich will gar nicht polemisieren — in der Haushaltsberatung nicht den geringsten Ansatzpunkt gefunden, wie es nun weitergehen soll, und das ist doch der Kernpunkt.
Zustimmung bei den Regierungsparteien.)
Wo sind aber nun die Schwerpunkte gesetzt worden? Nicht nur in der Bereinigung von 8,4 Milliarden DM sind Schwerpunkte gesetzt worden, sondern auch hinsichtlich des Verhältnisses Bund und Länder. Hier sind wir als Sozialdemokraten auf die Frage des Anteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer mit vielem Bemühen auf das Kompromiß gekommen. Das war eine Hilfe für die Länder. Hier sind Hilfen für die Gemeinden geleistet worden. Hier sind mit dem Investitionshaushalt Spritzen als Initialzündung für die Wirtschaft gegeben worden, die Mittel hierfür dann aber wieder in dem außerordentlichen Haushalt eingebaut worden, damit keine Augenauswischerei erfolgt.
Sowohl unser Fraktionsvorsitzender, mein Freund Helmut Schmidt, als auch Herr Barzel haben offen gesagt, daß wir bewußt in die Zukunft sehen und wissen, welche schwierigen Probleme vor uns stehen, und daß es keine Tabus gibt.
Mein Appell. an dieses Haus geht dahin, daß es alle Veranlassung hat, hinsichtlich des Haushaltes die Schwerpunkte zu erkennen und ferner zu erkennen, daß es hier eine neue Politik gibt, die fortgesetzt werden wird, wobei wir hoffen und wünschen, daß die Regierung das Ziel erreicht, das sie sich gesetzt hat, nämlich wirtschaftliche Stabilität, Bereinigung der finanziellen Misere, wirtschaftliches Wachstum und — das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen — das Gefühl der Sicherheit für alle Bürger dieses Landes.
Bei diesen Bemühungen wünschen wir der Regierung vollen Erfolg. Sie darf sich auf die Unterstützung der sozialdemokratischen Fraktion verlassen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511520200
Meine Damen und Herren, wir nehmen die nicht gehaltenen Teile der Reden der Abgeordneten Windelen *) und Hermsdorf **) zu Protokoll. Ich möchet mich dem Wunsch des letzten Redners anschließen, daß auch diese Reden vor allem von den in Haushaltsfragen maßgebenden Damen und Herren des Hauses in der Lektüre gewürdigt werden. Ich habe mit Vergnügen festgestellt, daß der Herr Bundesfinanzminister mit gutem Beispiel vorangehen will. Bei Haushaltsberatungen dürfte dies ja der wichtigste Effekt sein.
Das Wort hat der Abgeornete Schlee.

Albrecht Schlee (CSU):
Rede ID: ID0511520300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde Ihre Aufmerksamkeit
*) Siehe Anlage 33 **) Siehe Anlage 27 nicht lange in Anspruch nehmen. Aber ich möchte am Schluß dieser allgemeinen Aussprache in der dritten Lesung in aller Kürze ein Problem aufgreifen, das ich schon einmal in einem kleineren Kreise behandelt habe und das auch bereits Gegenstand einer Kleinen Anfrage der Fraktion der SPD gewesen ist. Ich verweise Sie auf die Drucksache V/852 und auf die Drucksache V/880, in der die Regierung ihre Antwort erteilt hat. Auch unsere Kollegen Dr. Althammer, Leicht, Windelen und Genossen haben sich in weiterem Bezug mit dieser Frage befaßt und in der Drucksache V/1439 eine Kleine Anfrage an die Regierung gerichtet, die diese in der Drucksache V/1519 beantwortet hat. Es handelt ,sich um Aufbau und Gliederung unserer Haushaltspläne.
Nach § 5 unserer Reichshaushaltsordnung ist unser Haushaltsplan in Einzelplänen darzustellen. Diese Einzelpläne enthalten die Einnahmen und Ausgaben eines einzelnen Verwaltungszweiges oder bestimmte Gruppen von Einnahmen und Ausgaben. Die zweite Alternative allerdings, die Zusammenfassung bestimmter Gruppen von Einnahmen und Ausgaben, finden wir wohl nur in den Einzelplänen 32, 33, 35, 36 und 60. Die meisten der Pläne sind ausgerichtet auf die Ausgaben und Einnahmen eines Ministeriums, also eines einzelnen Verwaltungszweiges. Wir können daher sagen, daß unser Haushalt heute noch vorgelegt wird und geordnet ist nach dem sogenannten Ministerialsystem.
Meine Damen und Herren! Ein Haushaltsplan in dieser Ordnung ist ein Plan für die Exekutive, aber es ist kein Plan für die Legislative. Es werden bei dieser Ordnung die Ausgaben und Einnahmen nach der organisatorischen Zuständigkeit eingeordnet. Diese Ordnung entspricht auch dem Umstand, daß wir mit dem Haushaltsgesetz die Verwaltung und deren einzelne Dienststellen und Zweige ermächtigen, für bestimmte Aufgaben Ausgaben zu leisten. Ich bin aber der Meinung, ein Plan in dieser Ordnung gibt dem Parlamentarier nicht den notwendigen Überblick über die Struktur des Haushalts und über die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge. Diesen Überblick aber braucht er für seine Mitarbeit am gesamten Haushalt. Ich bin natürlich überzeugt, daß der Herr Bundesminister der Finanzen und die Herren seines Hauses diesen Überblick besitzen, und ich bin auch überzeugt, daß die Mitglieder unseres Haushaltsausschusses dieses Überblicks teilhaftig sind. Aber für die meisten Mitglieder des Hauses, die nicht dem Haushaltsausschuß angehören, ist es doch nahezu unmöglich, sich aus Titeln und Kapiteln die globalen Vorstellungen zu erarbeiten, die sie brauchen, um den Haushalt richtig beurteilen zu können und einen Einblick in die volkswirtschaftliche Bedeutung des gesamten Haushalts zu erhalten.
Ich glaube, daß auch der Funktionenplan diese Aufgabe in seiner heutigen Ordnung nicht erfüllt. Es ist doch so, daß die meisten von uns die Teile in ihrer Hand halten, aber es fehlt eben das geistige Band, und so -geschieht es immer wieder, daß ein Parlamentarier einige Titel kennt, in denen der Schwerpunkt seiner parlamentarischen Tätigkeit konkretisiert ist, und sobald er den Haus-



Schlee
halt in die Hand bekommt, schlägt er nach, ob die Ansätze dieser Titel erhöht oder zumindest gleich hoch geblieben sind. Ist das der Fall, ist er zufrieden. Sind aber die Ansätze geringer veranschlagt, dann pumpt er Luft in die Lungen, um demnächst zu einer großen Rede ansetzen zu können oder um andere Hebel in Bewegung zu setzen, damit die Ansätze wieder die alte Höhe erhalten.

(Abg. Könen [Düsseldorf] : Sehr schmeichelhaft ist das aber nicht, was Sie da von Ihren Kollegen sagen!)

— Aber es ist so, Herr Könen.
Meine Damen und Herren, ich möchte meinen, daß ein Haushalt in globalen Zusammenfassungen mit den notwendigen Unterteilungen folgende Punkte darstellen sollte.
Erstens. Was kostet unser Staatsapparat der Bundesrepublik?
Zweitens. Was müssen wir für unsere rechtsgebundenen Aufgaben, z. B. für unsere Sozialleistungen, aufwenden?
Drittens. Was können und wollen wir dann für diejenigen Aufgaben aufwenden, bei denen wir den Aufwand zwar verändern können, denen wir uns aber — aus der Natur der Dinge — nicht überhaupt entziehen können, z. B. für die Verteidigung, z. B. für den Straßenbau?
Viertens. Was können wir an wirtschaftlichen Subventionen leisten?
Fünftens. Was können wir leisten für Wissenschaft, Forschung, kulturelle Förderung?
Sechstens endlich: Wie steht es mit unseren Schulden und deren Tilgung?
In dieser Reihenfolge der Einteilung kommt natürlich auch eine Stufung der Zwangsläufigkeit der Ausgaben zum Ausdruck. Dieser Zwangsläufigkeit müßte auch der Überblick über die Einnahmen entsprechen. Die Notwendigkeit der Trennung in einen außerordentlichen und einen ordentlichen Haushalt wird weithin nicht mehr anerkannt. Und so meine ich, der Überblick über die Einnahmen müßte darstellen: Wie hoch und welcher Art sind unsere ordentlichen Einnahmen? Welche Ausgaben sind damit zu decken? Welches Defizit bleibt, das wir durch Kredite decken müssen? Welche Rangordnung soll bestehen, für die durch Kredite zu deckenden Ausgaben, soweit Kredite nicht in der vorgesehenen Höhe zu erlangen sind?
Meine Damen und Herren, das ist natürlich nur ein roher Vorschlag, und ich bin nicht der Meinung, daß es keine anderen und keine besseren Möglichkeiten der Ordnung gibt. Aber ich bin als Mitglied dieses Hauses ebenso überzeugt, daß wir in Zukunft für unsere Arbeit mehr denn je einer arbeitsgerechten Systematik und Gliederung unseres Haushalts bedürfen. Ich darf — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — vorlesen, Was die Regierung seinerzeit auf die Kleine Anfrage der SPD in einigen Sätzen erklärt hat. Sie hat geantwortet:
Dabei
— bei der Neuüberarbeitung der Haushaltssystematik und bei der Finanzreform —
soll die Systematik der öffentlichen Haushalte nicht nur vereinheitlicht, sondern auch verbessert werden. Die derzeitige Gruppierungssystematik ist auf die haushaltsmäßigen Erfordernisse bei der Aufstellung, Beratung und Ausführung des Haushaltsplans abgestellt. Künftig soll diese Systematik viel stärker als bisher auch eine Beurteilung des wirtschaftspolitischen Gehalts des Haushaltsplans ermöglichen.
Ich habe mir erlaubt, Ihre Zustimmung vorauszusetzen, und es für richtig gehalten, den Wunsch nach einer tunlichsten Förderung dieser Arbeit und nach einer tunlichst baldigen Erneuerung der Systematik unserer Haushaltsordnung auch einmal im Plenum in der Debatte über den Haushalt zum Ausdruck zu bringen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511520400
Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist erschöpft. Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe nunmehr die Einzelpläne auf, zu denen Änderungsanträge gestellt worden sind. Nach den Richtlinien des Ältestenrats werden die Änderungs- und Entschließungsanträge vor den Einzelplänen abgestimmt.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Memmel!

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0511520500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in dieser braunen Mappe 27 Umdrucke zur dritten Beratung. Von diesen 27 grünen Umdrucken tragen sieben der Vermerk „neu" . Ich würde es sehr begrüßen, wenn auf diesen Umdrucken „neu" durch Unterstreichung oder Fettdruck kenntlich gemacht würde, wodurch sich der Umdruck „neu" vom Umdruck „alt" unterscheidet. Man würde uns dadurch die mühselige Arbeit ersparen, immer wieder zu vergleichen. Ich glaube, es ist kein unbilliges Verlangen, uns diese mühselige Arbeit zu ersparen und künftig zu kennzeichnen, wodurch sich „neu" von „alt" unterscheidet.

(Beifall.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511520600
Dieser Wunsch gehört natürlich nicht in die Debatte über diesen Haushalt, wo diesem Wunsche ja nicht mehr Rechnung getragen werden kann, sondern müßte im Ältestenrat behandelt werden.
Meine Damen und Herren, ich rufe als ersten den Einzelplan 04 auf. Hier handelt es sich um den Entschließungsantrag Umdruck 266 (neu) *). Soll dieser Antrag noch begründet werden? — Das ist nicht der Fall. Das Wort in der Aussprache wird auch nicht gewünscht.
Wer dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Frau Renger, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Frau Brauksiepe und Genossen auf Umdruck 266 (neu) zuzu-
*) Siehe Anlage 2



Vizepräsident Dr. Jaeger
stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit beschlossen!
Ich komme damit zur Abstimmung über den Einzelplan 04. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich komme nunmehr zum Einzelplan 05. Hier handelt es sich um den Änderungsantrag Umdruck 271 1) und um den Entschließungsantrag Umdruck 240 (neu). Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Umdruck 271 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen beschlossen.
Wer dem Entschließungsantrag aller Fraktionen des Hauses auf Umdruck 240 (neu) 2) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Wer dem Einzelplan 05 mit der vorhin beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.

(Zurufe von der FDP: Enthaltungen!)

— Bei zahlreichen Enthaltungen.

(Zurufe.)

— Über das „zahlreich" gehen die Meinungen auseinander. Die Opposition ist immer „zahlreich".

(Heiterkeit. — Abg. Dr. Mende: Bei Enthaltung einer Fraktion, Herr Präsident!)

— Das habe ich nicht so genau festgestellt, da müßte ich die Trennungslinie genau anschauen, und das nähme zu viel Zeit in Anspruch. Aber Ihr Zwischenruf ist zu Protokoll genommen.
Ich komme zum Einzelplan 06.

(Abg. Dr. Barzel: Herr Präsident, ich bitte zu diesem Einzelplan um das Wort!)

— Ich darf nur die Änderungs- bzw. Entschließungsanträge aufrufen: Umdruck 263 3), Umdruck 242 4) und Umdruck 267 5).
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0511520700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will die Beratungen nicht aufhalten; aber mir wird soeben eine Meldung der „Deutschen Presseagentur" vorgelegt, nach der Thomas Dehler, Mitglied des FDP-Vorstandes und Bundestagsvizepräsident, am Mittwoch dem Bundesinnenminister Paul Lücke „geistiges und sittliches Versagen" vorgeworfen haben soll.

(Rufe von der CDU/CSU: Pfui! — Unerhört!)

1) Siehe Anlage 3
2) Siehe Anlage 4
3) Siehe Anlage 5
4) Siehe Anlage 6
5) Siehe Anlage 7 Wir nehmen dies zum Anlaß, zweierlei zu erklären: Erstens, wir erwarten die Entschuldigung von Thomas Dehler.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Zweitens, wir erklären in aller Form, daß der Bundesminister des Innern, ein aufrechter Demokrat. sich nicht nur unseres vollen Vertrauens, sondern unserer Sympathie erfreut und weiter erfreuen wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511520800
Wird zu den aufgerufenen Entschließungs- und Änderungsanträgen noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann stimmen wir über den Änderungsantrag der Abgeordneten Haase (Kassel), Dr. Conring, Hermsdorf und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 263 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Wir müssen die Abstimmung wiederholen.
Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist nicht klar zu ersehen. Wir müssen die Stimmen auszählen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung durch Auszählung bekannt: Mit Ja haben gestimmt 123 Mitglieder des Hauses, mit Nein 132, enthalten hat sich niemand; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei auf Umdruck 242.

(Abg. Rösing: Überweisung an den Innenausschuß!)

— Es liegt der Antrag vor, diesen Antrag an den Innenausschuß zu überwiesen. Dieser Antrag geht der Sachabstimmung vor.
Wer dem Antrag auf Ausschußüberweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich btite um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Wir kommen nun zum Entschließungsantrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands auf Umdruck 267.

(Abg. Rösing: Überweisung an den Kulturpolitischen Ausschuß!)

— Der Antrag soll, wie ich höre, an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik überwiesen werden.
Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —

(Abg. Rösing: Und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung!)

— An den Haushaltsausschuß — mitberatend —. Ist das Haus damit einverstanden? — Dann ist beides so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir können dann über den Einzelplan 06 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich



Vizepräsident Dr. Jaeger
bitte um die Gegenprobe. — Gegen die Stimmen der Freien Demokraten angenommen.
Nunmehr ist noch über die Ziffer 2 des Ausschußantrages, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären, abzustimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zum Einzelplan 09. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 268 (neu) *) vor. Wird das Wort gewünscht? —
Das Wort hat der Abgeordnete Könen.

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0511520900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich riskiere jetzt, daß man mir sagt, ich könne nicht lesen. Ich frage trotzdem. Ich habe mir die beiden Umdrucke 268 und 268 (neu) gut angesehen und habe sie verglichen. In 268 (neu) steht genau dasselbe wie in 268, mit Ausnahme des Vermerks über den Haushaltsvermerk und das Austauschen der beiden Etatpositionen.
Nun möchte ich gerne folgendes wissen. Es heißt auf Umdruck 268 (neu) unter Ziffer 1, .daß man vom Kap. 09 02 10 000 000 DM wegnimmt, Kap. A 09 02 als Darlehenskapitel installiert und da die 10 Millionen hinbringt. Das ist verständlich.
Jetzt kommt aber Ziffer 2. Dort steht:
a) Zu Kap. A 60 02
Der Ansatz bei Tit. 571 a) — Regionale Hilfsmaßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftskraft, Darlehen — wird von 50 000 000 DM um 10 000 000 DM auf 40 000 000 herabgesetzt.
b) Zu Kap. 60 02
Tit. 571 a) — Regionale Hilfsmaßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftskraft, Darlehen — Der Ansatz beträgt 10 000 000 DM.
Dann kommt der Haushaltsvermerk:
„Die Mittel ,der Tit. 571 a) und 571 b) sind gegenseitig deckungsfähig."
Ich bitte, mir doch einmal zu erklären, was bei Ziffer 2 gemeint und gewollt ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511521000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0511521100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege, ich gebe gerne zu, daß es sich hier um einen Fall von „Haushaltschinesisch" handelt, das nicht ohne weiteres zu verstehen ist. Der Sinn des Antrages ist, neue Zuschußmittel zu schaffen, die mit den Darlehensmitteln für das regionale Förderungsprogramm gegenseitig deckungsfähig sind. Im Gegensatz zum Vorjahr sind nämlich Mittel, die bisher im ordentlichen Haushalt standen — Darlehen und Zuschüsse — zum Teil in den außerordentlichen Haushalt, zum Teil in den ERP-Haushalt verlagert worden. Dadurch haben sich bei der gegenseitigen
*) Siehe Anlage 8
Deckungsfähigkeit der Darlehen und Zuschüsse Schwierigkeiten ergeben, die so weit gegangen sind, daß bereits in Aussicht gestellte Zusagen für wichtige Programme dieses Jahres widerrufen werden mußten. Deshalb haben wir versucht, diese Schwierigkeiten dahin zu überwinden, daß bei Zuschüssen ein Teil wieder in den ordentlichen Haushalt zurückgenommen worden ist und die gegenseitige Deckungsfähigkeit wiederhergestellt wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511521200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Könen?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0511521300
Bitte sehr!

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0511521400
Darf ich Sie so verstehen, daß sich der Haushaltsvermerk sowohl von Kap. A 60 02 als auch von Kap. 60 02 auf Tit. 571 a bezieht?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0511521500
Sehr richtig! Könen (Düsseldorf) (SPD): Danke schön!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511521600
Wird das Wort noch gewünscht? — Die Zweifelsfragen sind geklärt. Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Nunmehr lasse ich über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Althammer, Weigl, Röhner, Unertl, Prochazka und Genossen und der Fraktionen der CDU/CSU, SPD auf Umdruck 268 (neu) abstimmen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und einer Enthaltung angenommen.
Damit kommen wir zur Abstimmung über die Einzelpläne 09 und 60 in der soeben beschlossenen geänderten Fassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Nun komme ich zu Einzelplan 10. Dazu liegen die Entschließungsanträge Umdrucke 243 *), 273 **) und 275 ***) vor. Wird das Wort gewünscht? — Herr Dr. Ritz!

Dr. Burkhard Ritz (CDU):
Rede ID: ID0511521700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich in aller gebotenen Kürze den vorliegenden Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen auf Umdruck 243 (neu) begründe.
In diesem Antrag wird die Bundesregierung ersucht, die Dokumentation im Bereich von Ernährung, Landwirtschaft und Forsten stärker als bisher zu fördern und dafür im Haushaltsplan 1968 die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen.
Meine Damen und Herren, die Dokumentation hat angesichts der wachsenden Zahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen eine immer größere Bedeutung.
*) Siehe Anlage 9 **) Siehe Anlage 10 ***) Siehe Anlage 11



Dr. Ritz
Wenn wir davon ausgehen, daß etwa im Bereich der Landbauwissenschaften in allen Sprachgebieten mit jährlich 200 000 relevanten wissenschaftlichen Arbeiten zu rechnen ist, dann wird deutlich, daß eine Auswertung, eine Erfassung und eine Nutzanwendung auch für die Praxis und Agrarpolitik auf dem bisherigen Weg nicht mehr gewährleistet sind.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Haben Sie die Fischerei absichtlich herausgelassen?)

— Die Fischerei gehört in den Bereich der Landwirtschaft.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Dann müßten Sie das auch ausdrücken!)

— Sie wird, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, allgemein unter Landwirtschaft geführt.
Wir haben eine Dokumentation, die arbeitet, die aber des Ausbaus bedarf. Vor allem fehlt völlig der Bereich der Veterinärmedizin und der landwirtschaftlichen Technologie. Ich darf Sie, meine Damen und Herren, sehr herzlich bitten, diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben. Es wird sich insgesamt wahrscheinlich um einen Betrag in der Größenordnung von 2 Millionen DM handeln. Mir erscheint es möglich, im Rahmen des Einzelplans 10 eine entsprechende Deckung zu finden. Ihr Ja wird mit dazu beitragen, daß durch den Ausbau der Dokumentation sowohl der Wissenschaft wie der Praxis und der Agrarpolitik in Zukunft eine wertvolle Hilfestellung gegeben wird.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511521800
Nun Herr Abgeordneter Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0511521900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer den Abschluß der mitternächtlichen Agrardebatte vor wenigen Tagen mitmachte, dem war klar, daß der Umdruck 273 von den Kollegen der SPD kommen mußte, denn dieser Umdruck ist der Ausdruck der Unzufriedenheit mit der. Agrarpolitik der eigenen Regierung. Das ist für uns sehr interessant, weil wir viel Verständnis dafür haben. Uns wurde früher wiederholt der Vorwurf gemacht, Opposition in der Koalition zu machen. Dieser Umdruck ist ein klassisches Beispiel für Opposition in der Koalition. Um so mehr muß die echte Opposition natürlich sachlich weitgehend diesem Umdruck zustimmen, und wir haben auch viel Gemeinsames mit diesem Umdruck. Ich meine, daß er auch deshalb besonders interessant ist, weil er ein Protest gegen die derzeitige Konzeption ist.
Ich schlage Ihnen deshalb vor, diesen Umdruck dem Ausschuß zu überweisen; denn dort gibt es noch viele Einzelheiten zu beraten.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511522000
Wird des weiteren das Wort zu den drei Entschließungsanträgen gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme dann zur Abstimmung, zunächst über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Umdruck 243 (neu). Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. — Angenommen.
Ich komme nunmehr zum Entschließungsantrag des Abgeordneten Dr. Schmidt (Gellersen) und Genossen auf Umdruck 273. Es ist vorgeschlagen, diesen Antrag dem Agrarausschuß — federführend —, dem Außen- und dem Haushaltsausschuß — mitberatend — zu überweisen. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich komme daraufhin zum Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Umdruck 275. Hier ist keine Ausschußüberweisung beantragt. Wer dem Antrag in der Sache zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. — Einstimmig angenommen.
Es wurde kein Änderungsantrag angenommen. Über den Haushalt braucht nicht erneut abgestimmt zu werden.
Ich rufe deshalb den Einzelplan 11 auf. Dazu liegen die Umdrucke 236 (neu) 1), 238 2) und 247 3) —alles Entschließungsanträge — vor. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0511522100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, die Anträge auf den Umdrucken 238 und 247 dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511522200
Demgemäß soll aber über den Antrag auf Umdruck 236 (neu) in der Sache abgestimmt werden. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Umdruck 236 (neu) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Herr Abgeordneter Spitzmüller gibt eine schriftliche Erklärung zu Protokoll. 4) Das Haus entspricht dem Wunsch.
Die Entschließungsanträge auf den Umdrucken 238 und 247 sollen gemäß dem Antrag des Abgeordneten Dr. Schellenberg dem Ausschuß für Sozialpolitik überwiesen werden. — Es ist so beschlossen.
Damit komme ich zum Einzelplan 12 und rufe die Umdrucke 237 5) und 255 6) — ebenfalls zwei Entschließungsanträge — auf. Wird das Wort gewünscht? - Wird Antrag auf Ausschußüberweisung gestellt?

(Zuruf: Für beide an den Verkehrsausschuß!)

Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen, bitte sehr!
1) Siehe Anlage 12
2) Siehe Anlage 13
3) Siehe Anlage 14
4) Siehe Anlage 32
5) Siehe Anlage 15
6) Siehe Anlage 16




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0511522300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, auch den Antrag Umdruck 255 dem Verkehrsausschuß zu überweisen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511522400
Es sollen also beide Entschließungsanträge, Umdruck 237 und Umdruck 255, an den Verkehrsausschuß überwiesen werden. Erfolgt Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist die Überweisung beschlossen.
Wir kommen nunmehr zum Einzelplan 14. Ich rufe die Entschließungsanträge Umdruck 259 *), Umdruck 260 **), Umdruck 261 ***) und Umdruck 265 ****) auf. Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Jung!

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0511522500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Interesse haben wir den Entschließungsantrag Umdruck 265 der Kollegen der CDU/ CSU-Fraktion gelesen. Dieser Antrag besagt, daß die Ausbildung nach 12 Monaten abgeschlossen ist und daß die Klagen über den Gammeldienst in den letzten 6 Monaten der, Wehrdienstzeit offensichtlich berechtigt sind. Ich beziehe mich hier auf den Bericht des Wehrbeauftragten. Ferner erscheint es ,den Antragstellern möglich, in den letzten 6 Monaten etwa 30 bis 40 Wochenstunden abzuzweigen, damit die Soldaten an Universitäten oder Technischen Hochschulen Vorlesungen besuchen können, ganz abgesehen von der Zeit, die für das häusliche Studium aufzuwenden ist. Hier werden also Überlegungen, die die FDP angestellt hat, durchaus bestätigt.
Dennoch ist es uns unmöglich, diesem Antrag zuzustimmen; denn ihm haftet ein großer Nachteil an, nicht nur in organisatorischer Hinsicht. Nicht geklärt ist nämlich die Frage, was der andere Teil der Wehrpflichtigen in dieser Zeit zu tun hat. Auch diese Wehrpflichtigen haben ja Anspruch auf berufliche Weiterbildung. Oder sollen die etwa weitergammeln?
Gerechter scheint es mir 'deshalb zu sein, dem FDP-Antrag, den Sie in Kürze vorgelegt bekommen, zuzustimmen und die Wehrpflicht generell auf 12 Monate zurückzuführen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511522600
Wird weiter 'das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, es ist bei mir der Antrag gestellt worden, den Entschließungsantrag 'der Fraktion der FDP auf Umdruck 259 dem Verteidigungsausschuß — federführend — und dem Innnenausschuß — mitberatend — zu überweisen. Erfolgt Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; die Überweisung ist beschlossen.
Auch der Entschließungsantrag der FDP Umdruck 260 soll dem Verteidigungsausschuß über-
*) Siehe Anlage 17 **) Siehe Anlage 18 ***) Siehe Anlage 19 ****) Siehe Anlage 20 wiesen werden. — Widerspruch erfolgt nicht; die Überweisung ist beschlossen.
Über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 261 soll in der Sache abgestimmt werden. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dichgans und Genossen Umdruck 265 soll dem Verteidigungsausschuß überwiesen werden. — Widerspruch erfolgt nicht; die Überweisung ist beschlossen.
Damit kommen wir zum Einzelplan 15. Ich rufe den Entschließungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Hubert und Genossen Umdruck 274 *) auf. Wird dazu das Wort gewünscht?

(Zuruf von der Mitte: Ausschußüberweisung!)

— Welcher Ausschuß?

(Zurufe von der Mitte: Gesundheitsausschuß! — Und Haushaltsausschuß!)

Das Wort hat Herr Dr. Meinecke.

Dr. Rolf Meinecke (SPD):
Rede ID: ID0511522700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erstens. Die Annahme dieses Antrags Umdruck 274 erfordert — das wird Sie sehr beruhigen — für dieses Jahr keine zusätzlichen finanziellen Mittel.
Zweitens. Der Ausbau des gewünschten Instituts zur Erforschung der durch Umwelt- und Zivilisationseinflüsse hervorgerufenen Krankheiten wird durchaus im Rahmen der dem Bundesgesundheitsministerium zur Verfügung stehenden Mittel auch in den nächsten Jahren möglich sein.
Drittens. Die Notwendigkeit eines solchen Instituts hat uns die Bundesregierung in ' den letzten drei großen Berichten über die Lage ausgewählter Bevölkerungsgruppen, nämlich der Kinder und der Jugend, der Frauen, sowie in der Sozialenquete, selbst vor Augen geführt.
Wenn Sie nun in der Lage sind, dem Entschließungantrag zuzustimmen, kann ich meine weiteren Ausführungen zu Protokoll **) geben. Wenn Sie andererseits wünschen, daß dieser Antrag dem Gesundheitsausschuß — federführend — und dem Haushaltsausschuß — mitberatend — überwiesen wird, bin ich auch noch geneigt, meine weiteren Ausführungen zu Protokoll zu geben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511522800
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Es ist beantragt, den Antrag Umdruck 274 dem Gesundheitsausschuß und zur Mitberatung dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Erfolgt Widerspruch? — Herr Abgeordneter Hermsdorf will dazu sprechen.
*) Siehe Anlage 21 **) Siehe Anlage 30




Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0511522900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten ursprünglich den Versuch gemacht, diesen Antrag hier in direkter Abstimmung zu erledigen. Es sind dann in dem Koalitionsgespräch Bedenken erhoben worden, und wir haben uns heute in diesem Koalitionsgespräch für die Ausschußüberweisung ausgesprochen. Ich will dem auch hier nicht widersprechen, sondern nur eine Feststellung treffen.
Wir haben kurz vorher einen Antrag, der 2 Millionen DM kostete und innerhalb des Einzelplans 10 gedeckt werden sollte, sofort angenommen, wie ja immer in diesem Hause Anträge die von der Landwirtschaft kommen, mit viel größerer Sympathie entgegengenommen werden als andere. Hier geht es um eine gesundheitliche Geschichte, die 250 000 DM kostet, wobei auch vorgeschlagen worden ist, daß sie im Einzelplan gedeckt werden soll. Aber man besteht hier auf Ausschußüberweisung.
Wir beugen uns, nachdem wir zugesagt haben. Aber ich möchte den Ausschüssen dabei — und das war der Grund meiner Bemerkungen — gleich auf den Weg geben, sich in solchen Fällen ebenso wohlwollend zu verhalten wie beim Einzelplan 10.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511523000
Meine Damen und Herren, ich komme nunmehr zu der Ausschußüberweisung des Antrags Umdruck 274, und zwar an die beiden von mir soeben genannten Ausschüsse. Erfolgt Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.
Dann darf ich einen Augenblick zum Einzelplan 14 zurückkehren und Ihnen vorschlagen, daß wir gemäß dem Ausschußantrag die Petitionen für erledigt erklären. — Widerspruch erfolgt auch hier nicht; es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zum Einzelplan 23 und dem Antrag Umdruck 269 (neu) *). Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Wolf.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0511523100
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte Sie nicht aufhalten, sondern eine Erklärung zu diesem Antrag zu Protokoll **) geben.
Ich möchte nur darauf hinweisen, daß es hier darum geht, den Entwicklungshelfern, die sich in den letzten Jahren sehr bewährt haben,

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

die notwendige Sicherung in ihrer Arbeit, in der Wahrung ihrer staatsbürgerlichen Rechte und bei der Wiedereingliederung zu geben. Gleichzeitig aber darf ich darauf hinweisen, daß diese Entwicklungshelfer nicht nur für die Entwicklungsländer, sondern auch für unsere Gesellschaft eine Hilfe bedeuten, weil ihre Erkenntnisse in den Entwicklungsländern mehr Verständnis für die Entwicklungshilfe wecken können, als bisher vorhanden
*) Siehe Anlage 22 **) Siehe Anlage 34 war. Ich bitte Sie deshalb, diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511523200
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP auf Umdruck 269 (neu) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Auch hier ist unter Nr. 2 der Ausschußantrag auf Erledigung der Petitionen gestellt. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich komme nunmehr zum Einzelplan 25. Auch hier ist der Antrag Nr. 2 gestellt. — Es wird ihm nicht widersprochen.
Damit rufe ich den Einzelplan 26 und den Entschließungsantrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei Umdruck 246 *) auf. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0511523300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es kurz machen.
Der Haushalt des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte ist um 54 6/o gekürzt worden. Wir möchten in diesem Zusammenhang nicht untersuchen, inwieweit das Prinzip der Gleichmäßigkeit und der sozialen Gerechtigkeit gewahrt wurde, das nach den Worten des Herrn Bundeskanzlers bei notwendigen harten Eingriffen gelten sollte.
Wir sehen uns zu dem vorgelegten Entschließungsantrag veranlaßt, da erstens die Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 ausführte: „Die Gesetzgebung über die Abwicklung von Kriegs- und Nachkriegsfolgen sollte abgeschlossen werden." Zweitens ist unsere Kleine Anfrage, in der wir darüber Näheres erfahren wollten, nur allgemein und unverbindlich beantwortet worden. Drittens sollte der Mehrheit des Hauses hiermit Gelegenheit gegeben werden, unter Beweis zu stellen, daß die angesprochenen Fragenkomplexe einer gesetzlichen Regelung zuführen will.
Unser Antrag läßt im Rahmen der materiellen Leistungen alles offen. Wenn jedoch die Regierung gegen eines dieser Vorhaben grundsätzliche Bedenken haben sollte, so würden wir es für richtig halten, wenn es hier und heute deutlich ausgesprochen würde.
Zu den einzelnen Punkten möchte ich nur folgendes anführen.
Zu 1. Es hat uns gefreut, daß das Kabinett wenige Tage nach der Einbringung unseres Entschließungsantrags bereits die 20. LAG-Novelle verabschiedet hat.
Zu 2. Nachdem der zuständige Ressortminister gegenüber den Vereinigten Landsmannschaften er-
*) Siehe Anlage 23



Spitzmüller
klärt hat, daß es für ihn keinen ersichtlichen Grund gibt, der einer Beratung solch eines Gesetzes im Wege steht, sollte die Bundesregierung mit der baldigen Vorlage nicht länger zögern.
Zu 3. Hier gilt es, festen Zusagen aller Parteien, die hier im Parlament vertreten sind, in irgendeiner Form Rechnung zu tragen. Daß die haushaltsmäßige Situation dabei besondere Berücksichtigung verlangt, versteht sich von selbst und ist von den Betroffenen auch selbst angesprochen worden.
Zu 4. Gerade die politischen Häftlinge haben durch ihre Ablehnung von Gewaltherrschaft und Diktatur und durch ihr Eintreten für demokratische Prinzipien Opfer bringen müssen, wie sie anderen erspart geblieben sind. Der Bundestag sollte auch hier nicht zögern, eine zumindest rechtliche Abschlußlösung in Angriff zu nehmen, nachdem in der vorigen Legislaturperiode für andere politisch Verfolgte entsprechende Regelungen gefunden worden sind.
Wir glauben, daß das Haus diesem Anliegen des FDP-Antrags Rechnung tragen sollte. Wir haben nichts einzuwenden, wenn Sie Überweisung an den Ausschuß beantragen. Lieber ist es uns natürlich, wenn Sie den Antrag direkt annehmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511523400
Das Wort hat Frau Abgeordnete Korspeter.

Lisa Korspeter (SPD):
Rede ID: ID0511523500
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich hatte eigentlich die Absicht, im Zusammenhang mit dem Antrag der FDP einige grundsätzliche Ausführungen zur Flüchtlingsgesetzgebung zu machen. Wie nun schon in der vorigen Woche bei der zweiten Beratung des Einzelplans 26 steht auch heute leider wieder sehr wenig Zeit zur Debatte zur Verfügung. Das bedauere ich um der Sache willen. Da ich mich aber hier im Hause nicht unbeliebt machen möchte — dafür haben Sie sicher Verständnis —, gebe ich meine Ausführungen zu dem FDP-Antrag zu Protokoll *) und empfehle diese Ausführungen Ihrer Aufmerksamkeit.
Ich bitte aber — auch im Namen unseres Koalitionspartners —, den Antrag der FDP dem zuständigen Ausschuß — es ist der Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden — zu überweisen, um ihn dort eingehend, insbesondere im Hinblick auf die Terminvorschläge, beraten zu können.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511523600
Ich zweifle nicht daran, daß diese Ausführungen Ihre Beliebtheit im Hause, Frau Kollegin, nur noch gesteigert haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Baier.

Fritz Baier (CDU):
Rede ID: ID0511523700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist unbestritten und wir sind uns mit der Bundesregierung darin einig, daß es sich bei dem Entschließungsantrag Umdruck 246 um Aufgaben handelt, die es zu lösen gilt. Auch wir stimmen diesen verschiedenen Anliegen grundsätzlich zu, aber angesichts der in Arbeit befindlichen mittelfristigen
*) Siehe Anlage 28
Finanzplanung ist es richtig, diesen Antrag den Ausschüssen zu überweisen. Ich beantrage Überweisung an den Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden — federführend — und den Ausschuß für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen und den Haushaltsausschuß — mitberatend —.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511523800
Wird des weiteren das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Sie haben den Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden federführend —, den Ausschuß für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen und den Haushaltsausschuß — mitberatend — gehört. Wird dem widersprochen? — Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Ich komme nunmehr zum Einzelplan 28, wo wieder ein Ausschußantrag Nr. 2 vorliegt. Es erhebt sich kein Widerspruch. - Es ist so beschlossen.
Ich komme nunmehr zum Einzelplan 29 und dem Entschließungsantrag Umdruck 251 *) der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Kühn (Hildesheim) !

Friedrich Kühn (CDU):
Rede ID: ID0511523900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich dem Beispiel der Frau Kollegin Korspeter anschließen. Ich darf das, was hier zu sagen wäre, zu Protokoll **) geben, und ich bitte, es dort nachzulesen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511524000
Meine Damen und Herren, wird des weiteren das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ausschußüberweisung ist nicht beantragt?

(Zuruf: Nein!)

— Wer dem Entschließungsantrag Umdruck 251 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen rechts angenommen.

(Abg. Hermsdorf: Drei bis vier Mann sind nicht zahlreich!)

Wir kommen nunmehr zum Einzelplan 32.

(Abg. Windelen: Zu Einzelplan 32 eine Korrektur!)

— Herr Abgeordneter Windelen zu Einzelplan 32!

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0511524100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe hier lediglich eine Korrektur anzubringen.
Mit Umdruck 234 ***) ist bei Kap. A 32 01 — Anleihe — ein Tit. 96 (Leertitel) eingesetzt worden. Der Vermerk zur Zweckbestimmung lautet: „Einnahmen dienen zur Deckung der Ausgaben bei Kap. 60 02 Tit. 960".
*) Siehe Anlage 24
**) Siehe Anlage 29
***) Siehe 113. Sitzung, Anlage 5



Windelen
Es muß richtig heißen: „Kap. A 60 02", nicht „Kap. 60 02".
Ich darf diese Änderung zu Protokoll geben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511524200
Ich danke Ihnen. Ich glaube, daß wir in diesem Sinne beschließen können, den bereits in zweiter Lesung verabschiedeten Haushalt in dritter Lesung so zu ergänzen und erneut zu verabschieden. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich komme damit zum Haushaltsgesetz selbst. Ich rufe den Entschließungsantrag auf Umdruck 270 *) auf. Das Wort hat der Abgeordnete Rawe.

Wilhelm Rawe (CDU):
Rede ID: ID0511524300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Entschließungsantrag auf Umdruck 270 bekanntgeworden ist, sind hier einige Mißverständnisse aufgekommen. Ich darf mir deshalb erlauben, eine ganz kurze Begründung zu diesem Entschließungsantrag zu geben.
Zunächst, glaube ich, sind Sie mit mir darüber einig, daß wir immer wieder Klage darüber führen müssen, daß sich die Personalkosten in den öffentlichen Haushalten ständig ausweiten. Unser Kollege Windelen hat das vorhin in der Beratung hier noch einmal deutlich gemacht.
Ich darf Ihnen zwei andere Zahlen nennen. Allein innerhalb der Bundesverwaltung, ohne den militärischen Bereich, sind in den letzten zehn Jahren die Personalkosten von 874,7 Millionen DM auf 1901,8 Millionen DM angewachsen, d. h. sie haben sich mehr als verdoppelt. Es steht fest, daß ein großer Teil dieser Mehrkosten dadurch entstanden ist, daß sich die Stellenpläne immer mehr ausgeweitet haben.
Nun hat sich der Haushaltsausschuß bei den Beratungen dieses Haushalts sehr große Mühe gegeben, Stellenvermehrungen zu unterbinden, indem er alle Anforderungen zurückgestellt und für spätere Stelfenanforderungen im § 11 Abs. 2 des Haushaltsgesetzes einen sehr strengen Maßstab aufgestellt hat. Mit unserem Entschließungsantrag soll nichts anderes erreicht werden, als daß diese Bemühungen des Haushaltsausschusses hier durch das Plenum nachdrücklich unterstützt werden und sichergestellt wird, daß dieser strenge Maßstab auch für die nächsten drei Jahre angewendet wird.
Ich verhehle Ihnen nicht, daß ein Teil der Antragsteller mit der Formulierung der Ziffer 1 zunächst nicht einverstanden war und eine schärfere Fassung in der Weise wünschte, daß jede Stellenvermehrung für die Dauer von drei Jahren unterbleiben sollte. Wir haben uns aber davon überzeugen lassen, daß das nicht durchführbar ist, weil es bestimmte Bereiche gibt, in denen wir auch in der Zukunft noch Stellenvermehrungen gestatten müssen. Ich darf hier z. B. den Bereich von Wissenschaft und Forschung nennen. Es gibt aber auch einige Verwaltungen, in denen die Personallage sehr ange-
*) Siehe Anlage 25
spannt ist. Ich denke hier nur an die Finanzverwaltung.
Meine Damen und Herren! Mit der Ziffer 2 unseres Entschließungsantrages wollen wir darüber hinaus Einsparungen erzielen und die Bundesregierung ersuchen, bei jeder frei werdenden Stelle zu prüfen, ob es nicht möglich ist, durch Rationalisierungsmaßnahmen zu erreichen, daß jede fünfte frei werdende Stelle eingespart wird. Mir wird sicher entgegengehalten, daß man so nicht verfahren könne. Deswegen darf ich vielleicht ein ganz einfaches Berechnungsbeispiel anführen, um zu zeigen, was es eigentlich bedeutet, jede fünfte frei werdende Stelle einzusparen.
Wenn wir davon ausgehen, daß jeder Beamte oder Angestellte des öffentlichen Dienstes etwa 30 Jahre im Dienst ist, dann bedeutet das, daß in jedem Jahr etwa ein Dreißigstel aller im öffentlichen Dienst Tätigen ausscheidet. Das sind 3,33 %. Davon ein Fünftel macht etwa 0,67 %. Es soll also nicht einmal jede 150. Planstelle eingespart werden, und man soll mir nicht sagen, daß man das nicht durch vernünftige Rationalisierungsmaßnahmen erreichen kann.
Ich bin mir auch darüber im klaren, daß die Ausweitung der Zahl der Personalstellen nicht auf das Verschulden der Beamten zurückzuführen ist. Wir sollten uns einmal selber an die Brust klopfen, meine Damen und Herren. Wir haben in diesem Hohen Hause erheblich dazu beigetragen, daß die Verwaltungen mit immer neuen Aufgaben überbelastet worden sind.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Ich will hier gar nicht von der Gesetzgebung sprechen. Wir brauchen nur an die vielen Initiativanträge zu denken, die manchmal geradezu Unmögliches von unserer Verwaltung gefordert haben.

(Abg. Leicht: Fragestunde!)

— Mir wird gerade zugerufen: „Fragestunde!". Ich bin mit Ihnen einig, Herr Kollege Leicht. Ich weiß nicht, ob wir nicht unser parlamentarisches Fragerecht gröblichst mißbrauchen, indem wir in der Fragestunde Wahlkreispolitik machen

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

und mit nichtigen Fragen einen ganzen Stab von Beamten in Marsch setzen, damit diese Fragen beantwortet werden können. Ich meine, das sollten wir einmal abstellen.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP.)

Die Ziffer 3 unseres Entschließungsantrages will die Bundesregierung nur in den Zwang nehmen, dafür zu sorgen, daß künftig Schwierigkeiten, die sich aus den Maßnahmen, die wir vorschlagen, im Einzelfall ergeben, innerhalb der Ressorts oder auch zwischen den Ressorts ausgeglichen werden. Es ist doch einfach unverantwortlich, meine Damen und Herren, wenn es passieren kann, daß die Beamten und Angestellten eines Ministeriums, das längst aufgelöst ist, noch nach einem halben Jahr



Rawe
nicht in andere Ministerien eingegliedert worden sind.

(Beifall bei allen Fraktionen.)

Meine Damen und Herren! Mir ist nach Bekannntwerden dieses Entschließungsantrags auch entgegengehalten worden, unser Antrag richte sich gegen die Beamtenschaft. Ich darf das hier einmal in aller Entschiedenheit zurückweisen. Wir wissen alle, meine Damen und Herren, daß unsere Beamten, Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes für diesen Staat und für unser Volk ihre Pflicht tun, und wir wissen auch, welch hohe Leistung sie für den Wiederaufbau dieses Staates erbracht haben. Ich glaube, das steht außer Zweifel und ist von Sprechern aller Fraktionen und auch von der Bundesregierung, vornehmlich durch den Herrn Innenminister, von dieser Stelle aus oft bekundet worden. Ich brauche das nicht erneut auszuführen. Ich kann das unterstreichen. Deswegen habe ich ja auch zu Beginn ausgeführt, daß nicht die Beamten an der Entwicklung schuld sind. Aber wir müssen hier doch endlich Einhalt gebieten und dafür Sorge tragen, daß die Dinge in Ordnung kommen.
Lassen Sie mich ein Letztes sagen, meine Damen und Herren. Wir alle wissen doch, wie sehr die Beamten in ihrer Besoldung immer hinter der Entwicklung herhinken und wie lange es dauert, bis ihre Besoldungsentwicklung an die Entwicklung in der freien Wirtschaft angepaßt werden kann. Wir erleben doch jetzt ein Beispiel. Unsere dringend beschlossenen Besoldungsverbesserungen werden unter Umständen zurückgestellt, weil der Bundesrat erneut den Vermittlungsausschuß angerufen hat.
Warum mache ich diese Ausführungen? Wir können uns ausrechnen, daß, wir, wenn die die Ausweitung der Stellenpläne nicht eindämmen, irgendwann den Punkt erreichen, wo wir die Mehrausgaben im Haushalt einfach nicht mehr verkraften können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Uns geht es aber darum, sicherzustellen, daß wir auch in Zukunft unseren Beamten noch eine leistungsgerechte Bezahlung gewähren können. Deswegen ist es, glaube ich, besser, jetzt diese Rationalisierungsmaßnahmen zu fordern, als daß wir einmal durch Notverordnungen die Entgelte im öffentlichen Dienst kürzen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, ein Allerletztes; steinigen Sie mich bitte nicht, weil ich Ihre Zeit so lange in Anspruch genommen habe. Ich darf Ihnen sagen, daß mit den von uns vorgeschlagenen Maßnahmen in einer Reihe von Kommunalverwaltungen mit Einverständnis der dort tätigen Bediensteten hervorragende Ergebnisse erzielt worden sind.
Aus diesen Gründen darf ich Sie herzlich bitten, unseren Entschließungsantrag anzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511524400
Ich höre, daß es sich hier um eine Jungfernrede gehandelt hat, und darf dem Herrn Kollegen gratulieren.

(Beifall.)

Wir kommen zur Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.

Karl Krammig (CDU):
Rede ID: ID0511524500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Rawe einen Entschließungsantrag hätte einbringen wollen, der den wesentlichen Grundzügen seiner Darlegungen entspricht, so hätte dieser Antrag lauten müssen: „Das Hohe Haus möge beschließen, weniger Gesetze zu verabschieden, die die Bundesverwaltung betreffen".

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dann wäre dieser Entschließungsantrag richtig gewesen. So ist das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt worden. Deshalb muß ich einiges dazu bemerken.
Zu Punkt 1 dieses Entschließungsantrages! „Bei der Erörterung der Haushaltssituation des Bundes ist wiederholt die Forderung erhoben worden, einer weiteren Ausweitung des öffentlichen Dienstes entgegenzutreten und darüber hinaus auf eine Personalverminderung in der Bundesverwaltung hinzuwirken. Auf das Protokoll über die 50. Sitzung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages am 2. Februar dieses Jahres weise ich in diesem Zusammenhang hin." Meine Damen und Herren, diese Worte stammen nicht von mir, sondern sind die Einleitung eines Schnellbriefes des Bundesministers .des Innern vom 31. März 1967 — nicht vom 14. Juni, sondern vom 31. März! — an die obersten Bundesbehörden. Mit diesem Erlaß werden die Ressorts gebeten, bis zum 15. April 1967 — also auch schon in der Vergangenheit, zwei Monate zurück — zu Fragen, die der Bundesminister des Innern an sie richtete, Stellung zu nehmen. Diese Fragen bezogen sich auf folgende Probleme: Umfang einer möglichen Einstellungssperre; Möglichkeit der Personalverminderung durch Einstellung geeigneterer Kräfte für bestimmte Aufgaben; Verminderung des StellenSolls und nicht nur des Stellen-Ists durch natürliche Abgänge; müssen Ausnahmen von der )Einstellungssperre vorgesehen werden (z. B. bei Dienstanfängern); welche Erfahrungen haben die Ressorts gesammelt, die bereits eine Einstellungssperre verfügt haben, auch was Härtefalle (Schwerbeschädigte usw.) angeht; sollen solche Maßnahmen auch auf bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts und auf Zuwendungsempfänger erstreckt werden? — Das war der Inhalt des Schnellbriefs an die obersten Bundesbehörden. Bei seinen Fragen an die obersten Bundesbehörden geht der Bundesminister 'des Innern davon aus, daß diese entsprechend den Bemerkungen für die Aufstellung des Haushaltsvoranschlages 1968 grundsätzlich keine neuen Stellen angefordert haben.
Sie sehen, meine Damen und Herren, daß mit Punkt 1 des Entschließungsantrages insofern offene Türen eingerannt werden, als das federführende



Krammig
Ressort der Bundesregierung bereits entsprechende Maßnahmen eingeleitet hat.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. SchmittVockenhausen: Herr Krammig, müßte man nicht auch annehmen, daß der Haushaltsausschuß die Grundsätze von Ziffer 1 bisher vernachlässigt hätte?)

— Ich komme gleich darauf; danke schön.
Bemerken darf ich ferner, daß meines Wissens die in den Einzelplänen ausgebrachten Stellen zunächst von der Regierung, dann vom Bundesrechnungshof eingehend auf ihre Notwendigkeit überprüft werden, bevor sie dem Haushaltsausschuß unterbreitet werden, der sie dann dem Parlament zur Annahme empfiehlt. So ist der ordnungsgemäße Gang der Dinge. Ich verstehe im Grunde genommen nicht — entschuldigen Sie diese Bemerkung —, wie eine solche Zahl von Mitgliedern des Haushaltsausschusses, dem ich auch einmal eine Zeitlang anzugehören die Ehre hatte, einen solchen Antrag unterschreiben kann. Sie, meine Kollegen, stellen sich damit doch das Zeugnis aus, daß Sie die Dinge nicht in der Hand haben, die Sie in der Hand haben müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun zu den Ziffern 2 und 3 des Antrages. Die Antragsteller wollen die Bundesregierung ersuchen lassen, innerhalb der Bundesverwaltung für die Dauer von drei Jahren jede fünfte frei werdende Planstelle nicht wieder zu besetzen,

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Antrag Brese neu!)

— das wollte ich auch gerade sagen, Sie nehmen es mir vorweg, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen — wobei „im Einzelfall sich daraus ergebende Schwierigkeiten durch Umsetzung innerhalb und zwischen den Ressorts" ausgeglichen werden sollen. Gegenüber früheren mit schöner Regelmäßigkeit wiederkehrenden Streichungsanträgen stellt diese Formulierung schon einen Fortschritt dar. Ich meine damit, daß gegenüber der Holzhammermethode — jede dritte frei werdende Planstelle zu erschlagen — so hieß es nämlich früher in den Anträgen — nun zwischen Hammer und Planstelle noch zwei weitere Planstellen hinzugenommen wurden und zwischen Hammer und Planstelle auch noch ein Gummipuffer, nämlich die Einzelfallprüfung bei besonderen Schwierigkeiten, eingefügt wurde. Das ist aber auch alles, was sich gegenüber den alten Anträgen geändert hat. Der Vorschlag, meine Damen und Herren, ist deshalb aber nicht praktikabler geworden. Warum nicht?
Pauschale Kürzungen des Personalhaushalts führen zu einer Störung des Personalaufbaues. Eine Streichung frei werdender Stellen schränkt zunächst, da es sich bei diesen meist um Endstellen handelt
— und deshalb, Herr Kollege Rawe, stimmt Ihre Ziffer 2 mit „jede fünfte frei werdende Planstelle" eben nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen überein —, die Beförderungsmöglichkeiten erheblich ein. Ich kann nicht alle Gründe anführen, die gegen pauschale Regelungen sprechen. Wo individuelle
Lösungsmöglichkeiten liegen, möchte ich an einem Beispiel darlegen.
Es handelt sich um eine Verwaltung, die mir sehr nahesteht. Ich habe ihr Jahrzehnte bis zum Jahre 1953 angehört und bin über ihre Verhältnisse einigermaßen unterrichtet. Die Bundeszollverwaltung hat ohne großes Aufheben durch scharfe Rationalisierungsmaßnahmen trotz Verdoppelung der Warenverzollungen in der Zeit von 1954 bis 1966, der Verdreifachung der Zahl der Reisenden und der Verzehnfachung des grenzüberschreitenden Verkehrs mit Kraftfahrzeugen seit 1959 250 Dienststellen eingespart bzw. mit anderen Dienststellen zusammengelegt und die Zahl ihrer Planstellen seit 1960 bis zum Voranschlag für den Haushalt 1968 um 2643 Planstellen, das sind 8 % des Planstellenbestandes von 1960, auf 29 957 Planstellen im Haushaltsvoranschlag 1968 vermindert. In der Berliner Zollverwaltung wurden im gleichen Zeitraum sogar 14 % der Planstellen eingespart, das sind in absoluten Zahlen 372 Stellen, so daß das Planstellensoll 1968 noch 2316 Köpfe umfassen wird.
Wenn mehr in dieser Verwaltung noch nicht möglich war, dann liegt das nicht an der Bundeszollverwaltung. Das liegt vielmehr u. a. am Gesetzgeber, der durch seine Gesetzgebung laufend für Mehrarbeit sorgt, an der nur schrittweise vorankommenden Integration innerhalb der EWG und an dem nur langsamen Abbau der Handelsschranken in der Welt.
Dieser Punkt, d. h. der Gesetzgeber, spielt die maßgebende Rolle bei der Zahl der im öffentlichen Dienst tätigen und benötigten Menschen. Seine Gesetzgebung schafft neue Verwaltungsaufgaben, damit aber auch neue Planstellen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511524600
Herr Abgeordneter Krammig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Könen? — Bitte!

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0511524700
Herr Kollege Krammig, Sie wissen, daß ich ein Gemütsmensch bin. Aber nun habe ich doch eine Sorge und muß Ihnen eine Frage stellen: Herr Kollege Krammig, sehen Sie nicht wie ich die Gefahr auftauchen, daß jetzt jede Sparte hier hinaufgeht und nachweist, daß es bei ihr nicht passieren darf?

Karl Krammig (CDU):
Rede ID: ID0511524800
Nein, verehrter Herr Kollege Könen. Die Bundeszollverwaltung ist ein Musterbeispiel dafür, daß durch individuelle Maßnahmen und durch Rationalisierung innerhalb der Verwaltung Planstellen eingespart werden können, ohne daß dieses Haus Entschließungsanträge dazu faßt. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt.

(Beifall bei den Abgeordneten in der Mitte.)

In einer Veröffentlichung des „Industriekuriers" vom 17. Mai hat ein sehr angesehenes Mitglied dieses Hauses — —

(Abg. Hermsdorf: Halten Sie das nicht für eine Zumutung, was Sie jetzt hier vortragen?)




Krammig
— Verehrter Herr Kollege, ich habe in den ganzen Monaten den Mund gehalten. Ich glaube, in der Haushaltsdebatte auch einmal ein Wort sprechen zu dürfen, wenn ich das für notwendig halte.

(Abg. Hermsdorf: Es ist eine Zumutung!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511524900
Herr Abgeordneter Hermsdorf, Sie sind als nächster Redner vorgemerkt.

Karl Krammig (CDU):
Rede ID: ID0511525000
Was heißt eine Zumutung? Ich habe das Recht zu sprechen. Das können Sie mir nicht verbieten. Das lasse ich mir auch nicht von Ihnen verbieten, damit Sie genau Bescheid wissen.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Denken Sie daran, daß wir den Antrag ablehnen!)

In dieser Zeitung steht folgendes:

(Abg. Hermsdorf: Können Sie nicht noch ein Beispiel von Bremen oder irgendwoher bringen, damit wir noch eine Weile aufgehalten werden?)

— Ich will mir das mal überlegen. Vielleicht fällt mir noch eins ein.

(Zurufe von der SPD. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511525100
Ich wollte nur dem Redner Gehör verschaffen und ihm zu seinem verfassungsrechtlichen Recht verhelfen, hier zu sprechen.

Karl Krammig (CDU):
Rede ID: ID0511525200
Es heißt hier:
Wenn wir hören, daß jedes Jahr 50 000 bis 60 000 Verwaltungsdiener mehr die Ämter und Behörden bevölkern, daß in den letzten zehn Jahren die Zahl der im öffentlichen Dienst Tätigen von 1,4 auf 1,9 Millionen um 36 % gewachsen ist, bei einer Bevölkerungszunahme von 12,4 %, dann kann man sich leicht ausrechnen, wann bei Fortsetzung dieser Entwicklung auch der letzte Mitbürger im öffentlichen Dienst gelandet sein wird.
So also im „Industriekurier".

(Zurufe von der SPD.)

— Verehrter Herr Kollege Hermsdorf, ich würde nicht von einer Unverschämtheit sprechen, wenn ein Mitglied dieses Hauses hier spricht. Ich habe sehr gute Ohren und habe das wohl gehört.
Ich will die Zahl gar nicht bezweifeln, die hier genannt ist. Ich bezweifle aber die Schlußfolgerung. Dazu benutze ich Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die in Heft 5/1966 von „Wirtschaft und Statistik", Seite 312, zu finden sind. Im Jahre 1960 waren bei den Behörden und Einrichtungen der Bundes-, Länder- und Gemeindeverwaltungen, bei den Wirtschaftsunternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit und bei Bundespost und Bundesbahn hauptberuflich vollbeschäftigt 2 638 367 Köpfe. Diese Zahl belief sich im Jahre 1965 auf 2 900 510 Köpfe; das ist ein Mehr von 262 143 Köpfen oder 9,9 N. Das entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Personalzuwachs um rund 52 000 Köpfe oder knapp 2 % des Standes von 1960. Ab 1963 waren die Zuwachsraten jedoch degressiv. Relativ am stärksten war in den letzten 5 Jahren die Bundesverwaltung gewachsen. Warum denn? Weil — ich zitiere wörtlich -
dies „fast ausschließlich auf den Aufbau der Bundeswehr zurückzuführen" ist. „Ohne diese betrug die Personalverstärkung im gleichen Zeitraum nur 3,6 %."

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kollege Krammig, glauben Sie nicht, daß wir das im Ausschuß in aller Ruhe klären könnten?)

— Könnten Sie. Ich habe Herrn Kollegen Rawe empfohlen, auf seine Begründung zu verzichten. Dann hätte ich hier gar kein Wort gesagt.

(Zurufe von der SPD.)

— Was haben Sie gemeint?

(Abg. Hermsdorf: Wir könnten noch eine Stunde weitermachen!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511525300
Meine Damen und Herren, wenn Sie auf Zwischenrufe und Zwischenfragen verzichteten — wozu ich Sie nicht zwingen will —, würden Sie natürlich den Fluß der Rede beschleunigen.

Karl Krammig (CDU):
Rede ID: ID0511525400
Dann wäre ich schon längst fertig.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511525500
Trotzdem eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rawe.

Wilhelm Rawe (CDU):
Rede ID: ID0511525600
Herr Kollege Krammig, würden Sie bitte zugestehen, daß ich bei den Zahlen, die ich genannt habe, ausdrücklich den Bereich der Bundeswehr ausgenommen habe. Ich weiß, daß da die Verhältnisse anders liegen und daß wir sie da schlecht ändern können.

Karl Krammig (CDU):
Rede ID: ID0511525700
Verehrter Herr Kollege Rawe, ich spreche eben nicht über Ihre Zahlen, sondern ich spreche über das, was ein sachverständiges Mitglied dieses Hohen Hauses im „Industriekurier" zum besten gegeben hat, und das ist unzutreffend.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511525800
Herr Abgeordneter Krammig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Windelen?

Karl Krammig (CDU):
Rede ID: ID0511525900
Ja, bitte!

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0511526000
Herr Kollege Krammig, Sie nannten mich als den Verfasser dieses Artikels im „Industriekurier". Darf ich Sie fragen, ob Sie meine Ausführungen zu dieser Frage vor wenigen Minuten in diesem Hause gehört haben, wo ich zurückgegangen bin auf die Prognose von Professor Ellwein, der ausführt, daß bei einer Fortsetzung dieser Entwicklung in den nächsten 10 Jahren sich der öffentliche Dienst um mindestens weitere 50 % — wenn nicht 100 % — vermehrt?




Karl Krammig (CDU):
Rede ID: ID0511526100
Das ist eben nicht richtig, Herr Windelen, und jetzt kommen die Zahlen, die Ihnen das beweisen werden. In den Jahren 1960 bis 1965 — neuere Zahlen stehen nicht zur Verfügung — betrug der Anteil der im öffentlichen Dienst Tätigen an der Gesamtzahl der unabhängigen Erwerbstätigen 13,2 bzw. 13,3 %. Sie werden feststellen, daß diese Zahl unverändert geblieben ist. Oder auf 1000 unabhängige Erwerbstätige bezogen, waren es 48 bzw. 49 Personen, die im öffentlichen Dienst waren. Diese Zahlen rechtfertigen Ihre Schlußfolgerungen eben nicht, daß nach einem absehbaren Zeitraum alles im öffentlichen Dienst untergekrochen sein werde. Das ist falsch, und das war hier richtigzustellen.
Meine Damen und Herren, die Antragsteller haben für den Fall, daß bei der Realisierung ihrer Anregung Schwierigkeiten auftreten sollten, vorgeschlagen, durch Umsetzungen innerhalb und zwischen den Ressorts Abhilfe zu schaffen. Innerhalb größerer Bundesverwaltungen ist ein solcher interner Ausgleich nicht möglich, weil die Verwaltungsangehörigen der einzelnen Dienstzweige und Laufbahngruppen nur in den seltensten Fällen austauschbar sind. Auch eine Bereinigung von Schwierigkeiten durch eine Umsetzung zwischen den Ressorts wird nicht daran vorbeikommen, die unterschiedlichen Anforderungen an Vorbildung, Erfahrung und Qualifizierung zu beachten.
Innerhalb der Bundesregierung und auch bei uns bestehen keine Meinungsverschiedenheiten darüber, daß man mit den Personalanforderungen sehr sparsam umgehen und nur dort, wo sie gerechtfertigt sind, solche fordern sollte. Pauschale oder starre Regelungen verbieten sich wegen der Differenziertheit des Problems. Daher kann man durch eine solche Methode, jede fünfte frei werdende Stelle nicht zu besetzen, das Problem nicht lösen, sondern man muß sich individuelle Lösungen einfallen lassen, muß das erwägen, und dazu, meine Damen und Herren, sind die Beratungen im Haushaltsausschuß und nicht Entschließungsanträge bestimmt. Ich beantrage Überweisung dieses Antrages an den Innenausschuß — federführend — und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511526200
Das Wort hat der Abgeordnete Hermsdorf.

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0511526300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich während der Rede des Kollegen Krammig etwas erregt. Sofern ich einen unparlamentarischen Ausdruck gebraucht habe, bitte ich um Entschuldigung. Ich möchte hier aber in aller Freundschaft feststellen, daß ich es doch für eine Zumutung für dieses Haus halte, daß hier Ausschußreden gehalten werden, während die Hauptsprecher wegen der fortgeschrittenen Zeit ihre Reden zu Protokoll geben. Das halte ich für eine Zumutung, und die Fraktionen sollten sich bemühen, das abzustellen.

(Beifall bei Abgeordeten der SPD und der CDU/CSU.)

Im übrigen bin ich bei meiner Unterschrift unter den Antrag selbstverständlich davon ausgegangen — und nur das kann zur Debatte stehen —, daß dieser Antrag dem Ausschuß überwiesen wird. Deshalb hätten Sie sich die ganze Rede, die Sie hier vorgetragen haben, sparen können, Herr Krammig.
Der zweite Punkt ist — auch das möchte ich sagen —, daß einige Kollegen sehr erbost auf mich zugekommen sind und gesagt haben: Das ist unmöglich. — Selbstverständlich ist dieses Prinzip nicht im einzelnen durchzuhalten. Aber um eines muß ich Sie doch auch bitten, meine Damen und Herren! Hier sind heute von allen Fraktionen Reden gehalten worden, wir sollten sparen. Und wenn man das tun will, dann wird plötzlich gesagt: das geht nicht mehr. Es kann mir doch niemand sagen, daß es in der Verwaltung, wo auch immer, nicht Stellen gäbe, die überflüssig sind. Das ist doch ganz klar!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Worauf es den Antragstellern ankam, war, hier nicht feste Haken einzusetzen, sondern nur klarzumachen, daß bei allem Beamtenstandpunkt, den wir vertreten, doch die Sparsamkeit in der Verwaltung oberstes Gesetz sein muß, auch wenn es sich um das Personal handelt. Deshalb sind wir für die Ausschußüberweisung und stimmen im Prinzip der Richtlinie, Personal zu sparen, und damit diesem Antrag zu.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511526400
Meine Damen und Herren, ich bitte, sich bei den Äußerungen darüber, welche Ausführungen in diesem Zeitpunkt noch zweckmäßig sind oder nicht, zurückzuhalten. — Das Wort hat der Abgeordnete Berger.

(Abg. Hermsdorf: Ja, was heißt denn das wieder? Der darf reden und ich muß mich zurückhalten!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511526500
Ich habe es zu den kommenden Rednern gesagt, nicht zu den voraufgegangenen.

Ulrich Berger (CDU):
Rede ID: ID0511526600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte feststellen, daß Herr Kollege Krammig durchaus das Recht hatte, zu diesem Entschließungsantrag das Wort zu nehmen. Wir streiten auch nicht darüber, ob gespart werden muß. Es geht bei diesem Antrag vielmehr darum, ob jede fünfte frei werdende Stelle nicht wieder besetzt werden kann.
Ich habe mich nur gemeldet, um auf einige Unklarheiten hinzuweisen. Herr Kollege Rawe hat erklärt, daß jeder Beamte etwa 30 Jahre im Dienst sei, und er hat daraus errechnet, daß 0,6 % der Beamten und nur jede 150. Planstelle betroffen seien. Das ist ein großer Irrtum. Denn ein Beamter, der etwa vom Inspektor zum Oberinspektor befördert wird, macht damit seine Inspektorenstelle frei.
Darüber hinaus ergeben sich aber, Herr Kollege Rawe, aus diesem Antrag viele Zweifel und Schwie-



Berger
rigkeiten. Sie haben selber gesagt, die Bundeswehr sei ausgenommen. Ich möchte Sie fragen: Wie halten Sie es denn mit dem Bundeskriminalamt, was halten Sie denn vom Flugsicherungsdienst usw.? Wir können zu dem Antrag in dieser Form nicht einfach schweigen. Selbst wenn die Überweisung an den Innenausschuß — und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung — festzustehen scheint, muß doch die Möglichkeit gegeben sein, selbst in vorgerückter Stunde hier darauf hinzuweisen, daß die Methode, jede fünfte Planstelle wegfallen zu lassen, nicht richtig ist, sondern daß unser Ziel, zu sparen, auf andere Weise erreicht werden muß.
Es ist ja schon darauf hingewiesen worden, daß die Fragestunde nicht etwa benutzt werden sollte, Wahlkreispolitik zu treiben. Aber, Herr Kollege Rawe und meine Herren Antragsteller, das hat damit nichts zu tun; es gibt auch sicherlich Verwaltungen, bei denen mehr als nur jede fünfte frei werdende Stelle eingespart werden kann.
Ich möchte also mit allem Nachdruck starke Bedenken gegen diese Form des Antrags vorbringen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0511526700
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. — Es wurde vorgeschlagen, den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rawe und Genossen auf Umdruck 270 dem Innenausschuß — federführend — und dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen eine Reihe von Stimmen beschlossen.
Meine Damen und Herren, bevor wir zur Schlußabstimmung kommen, muß noch ein Zweifel geklärt werden. Im Augenblick ist nicht sicher festzustellen,
ob wir vorhin den Antrag Umdruck 272 (neu) *) angenommen haben, der die Folgerung daraus zieht, daß der Ansatz im Haushalt des Auswärtigen Amts über 5 Millionen DM für humanitäre Hilfe des Deutschen Roten Kreuzes im Nahen Osten auch Konsequenzen hat: in Kap. 60 02 Tit. 300 erhöht sich die Minderausgabe um diesen Betrag. — Ich stelle damit fest, daß das Haus damit einverstanden ist und das Zahlenwerk jedenfalls in Ordnung ist.
Wir kommen nunmehr zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem und damit dem Bundeshaushalt zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Nur gegen die Stimmen der Fraktion der Freien Demokratischen Partei und ohne Enthaltungen angenommen.
Dann kommen wir noch zu dem Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache V/1800. Über Ziffer 1 haben wir schon abgestimmt. Wird zu den Ziffern 2 — Ergänzungsgesetz zum Finanzplanungsgesetz —, 3 — Entwicklung der sichtbaren und unsichtbaren Finanzhilfen des Bundes — und 4 — eingegangene Petition —das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, stehen wir am Ende einer umfangreichen Tagesordnung. Der Termin der nächsten Plenarsitzung wird noch bekanntgegeben. Sie wird in der übernächsten Woche stattfinden.
Die Sitzung ist geschlossen.