Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich einige Mitteilungen zu machen.Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 11. März 1965 für den aus dem Europäischen Parlament ausscheidenden Abgeordneten Wischnewski als Nachfolger den Abgeordneten Merten benannt.Das Haus ist damit einverstanden. Damit ist der Abg. Merten als Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt.Die heutige Tagesordnung soll um folgende Punkte ergänzt werden:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur zweiten Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 85/63/EWG über die Festsetzung der Einschleusungspreise und der Zusatzbeträge sowie der Übergangsbestimmungen für Teilstücke von Schweinen sowie Schweinefleisch enthaltende Zubereitungen und Konserven (Drucksachen IV/3158, IV/3176)Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Pflaumbaum;Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Inneres über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG für eineVerordnung des Rats zur Änderung der Berichtigungskoeffizienten für die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten,Verordnung der Räte der EWG/EAG zur Änderung des Statuts der Beamten und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Atomgemeinschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,Verordnung der Räte der EWG/EAG zur Bestimmung der Höhe und des Umfangs der in Artikel 3 a des Anhangs VII des Statuts vorgesehenen Pauschalzulage,Verordnung der Räte der EWG/EAG zur Änderung der Berichtigungskoeffizienten für die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten,Verordnung der Räte der EWG/EAG zur Änderung der Bestimmungen und des Verfahrens für die Erhebung der in Artikel 12 Absatz 1 der Protokolle über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Atomgemeinschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorgesehenen Steuer zugunsten der Gemeinschaft
Berichterstatter: Abgeordneter Schmitt-Vokkenhausen;Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Festsetzung der Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern für Schweine, Schweinefleisch und Schweinefleisch enthaltende Erzeugnisse für Einfuhren, die vom 30. Juni 1965 getätigt werden (DrucksachenIV/3157, IV/3179)Berichterstatter: Abgeordneter Krug.Ist das Haus mit dieser Ergänzung der Tagesordnung einverstanden? — Es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung ein. Wir beginnen mit derFragestunde .
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8616 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
Vizepräsident SchoettleFragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung. Die erste Frage — IV/1 — stellt der Abgeordnete Dr. Gleissner:Ist die Bundesregierung bereit, angesichts der wachsenden Folgelasten und der Verschlechterung der Lebenssituation der Bevölkerung im Raum München, vor allem auch im Hinblick auf die Wohnungsnot, die wegen der hektischen Entwicklung trotz sehr hoher Wohnungsbauleistungen anhält, alle Planungen des Bundes zu überprüfen, die weitere Belastungen des Raumes München — insbesondere der Landkreise im Naherholungsbereich und in den Fremdenverkehrsgebieten — durch neue Behörden, technische, militärische Projekte usw. zur Folge haben?Bitte!
— Dais Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Dr. Claussen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung beachtet, Herr Abgeordneter, die Gesichtspunkte der Raumordnung bei allen Planungen und Maßnahmen, die Grund und Boden beanspruchen oder die räumliche Entwicklung eines Gebietes beeinflussen. Das ist u. a. in dem Kabinettsbeschluß der Bundesregierung am 19. Juni 1962 über die Grundsätze für die raumbedeutsamen Maßnahmen des Bundes festgelegt worden. Für die Zukunft ergibt sich dies aus den gesetzlichen Grundlagen des Raumordnungsgesetzes.
Die Beachtung der räumlichen Entwicklung gilt infolgedessen auch für Planungen des Bundes im Raume München. Die Bundesregierung ist daher selbstverständlich bereit, alle ihre künftigen Pläne im Raume München zu überprüfen, um weitere Belastungen dieses Raumes zu vermeiden.
Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß die weitere Entwicklung des Münchner Raumes nicht vom Bund allein und nicht einmal von ihm in erster Linie beeinflußt wird. Bedeutsamer als die Maßnahmen des Bundes sind diejenigen des Landes Bayern und der Stadt München selbst. Hierzu muß ich darauf hinweisen, daß auf Grund des nunmehr verabschiedeten Raumordnungsgesetzes die Fachplanungen des Bundes an die von den Ländern aufzustellenden Raumordnungsprogramme oder -pläne gebunden sind. Das bedeutet, daß auch der Bund verpflichtet ist, sich an die von der bayerischen Landesplanung für den Raum München vorgelegten landesplanerischen Zielsetzungen zu halten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Gleissner.
Ich möchte die Frage stellen, Herr Staatssekretär — soweit sie jetzt beantwortet werden kann —: Welche neuen raumbedeutsamen und raumwirksamen Planungen des Bundes im Raum München und den umgebenden Landkreisen sind vorgesehen und zur Zeit bekannt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur Zeit, Herr Abgeordneter, sind lediglich bekannt die Verlegung der Bundesanstalt für Fleischforschung von Kulmbach nach München und eine Planung des Bundesverteidigungsministeriums für die Errichtung eines Lazaretts im Raume Grailing — Gauting. Beide Vorlagen werden aber zur Zeit noch von der bayerischen Staatsregierung geprüft.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Gleissner!
Würde für den Fall, daß die bayerische Staatsregierung einen anderen, ebenfalls den Anforderungen entsprechenden Standort für das Bundeswehrlazarett vorschlägt, die Bundesregierung dem Rechnung tragen, einmal um die Waldgürtel von München zu schonen und zum anderen um das bereits stark übersiedelte Naherholungsgebiet im Wurmtal nicht noch mehr zu belasten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dazu wird die Bundesregierung im Einvernehmen mit der Landesregierung und den planerischen Stellen in Bayern sicherlich bereit sein, Herr Abgeordneter.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Althammer!
Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Raum Bayerisch-Schwaben in der letzten Zeit lebhaft darüber Klage geführt worden ist, daß der Raum Bayerisch-Schwaben, besonders der Raum Augsburg, zugunsten Münchens auch bei der Neuschaffung oder Umorganisation von Bundesbehörden benachteiligt worden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Planungen sind, Herr Abgeordneter, der Bundesregierung bekannt. Aber wie ich schon sagte, kommt es bei planerischen Maßnahmen hauptsächlich darauf an, daß das Einvernehmen mit den bayerischen Landesbehörden herbeigeführt wird, die ja in erster Linie die Planungen aufzustellen haben, an die dann, wie ich schon erwähnte, die Bundesregierung bei ihren Planungen gebunden ist.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Althammer!
Ist die Bundesregierung bereit, bei einer zukünftigen Umorganisation oder Neuschaffung von Bundesbehörden im bayerischen Raum wenigstens den sehr nahegelegenen Raum Augsburg und .Schwaben zu berücksichtigen zugunsten einer Entballung Münchens?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dazu ist die Bundesregierung sicher bereit.
Frau Senator Dr Kiep-Altenloh zu einer Frage!
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965 8617
Hat die Bundesregierung feststellen können, daß bei den in letzter Zeit vorgelegten Planungen die Richtlinien des Raumordnungsgesetzes berücksichtigt worden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soweit ich weiß,
Frau Abgeordnete, ist das Gegenteil nicht bekannt.
Noch eine Frage, Frau Abgeordnete!
Stehen die vorhin gebrachten Beispiele im Einklang mit den Richtlinien der Raumordnung?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soweit ich darüber unterrichtet bin, ist das der Fall. Wenn das Gegenteil der Fall sein sollte, Frau Albgeordnete, würde ich vorschlagen, daß der Herr Wohnungsbauminister Ihnen ;direkt eine Antwort erteilt.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Spies.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß der Raum südlich von Augsburg nicht nur vernachlässigt worden ist, sondern daß sich dort für solche Planungen ein Raum geradezu anbietet und daß dort bereits ein Raum von mehr als 100 ha angeboten worden ist, der von der Bundesregierung bis jetzt nicht berücksichtigt worden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, dazu kann ich leider nichts sagen, weil ich in Vertretung des Wohnungsbauministers natürlich auf die Beantwortung der Frage nicht vorbereitet bin. Ich bin aber gerne bereit, die Frage dem Herrn Wohnungsbauminister zu übermitteln, damit er sich mit Ihnen unmittelbar in Verbindung setzt.
Ich rufe auf die Frage IV/2 — des Abgeordneten Dr. Gleissner —:
Ist die Bundesregierung bereit, umgehend zu prüfen, inwieweit von ihrer Seite der Raum München dadurch entlastet werden kann, daß bereits vorhandene Einrichtungen des Bundes, Verwaltungen usw., ganz oder teilweise in andere Orte verlagert werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darauf darf ich wie folgt antworten. Diese Frage hat der Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung bereits vor einiger Zeit geprüft, Die Prüfung hat ergeben, daß der Bund nur in einem geringen Ausmaße zu einer Entlastung des Raumes München beitragen könnte. München zählt nicht zu den Städten, die in außerordentlich hohem Maße mit Bundesbehörden belegt sind. Die Bundesbehörden im Raume München zählen höchstens 10 000 bis 15 000 Beschäftigte, das sind rund 1 % der Einwohnerzahl. Ein überwiegender Teil dieser Bundesbediensteten gehört unmittelbar standortgebundenen Stellen an, die sich in jeder Großstadt befinden und deren Verlegung nicht möglich ist. Es handelt sich hier um das Personal der Bundespost, der Eisenbahn und der Finanzverwaltungen.
Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß einseitige Maßnahmen des Bundes auch kaum getroffen werden könnten. Auch hier bedürfte es in jedem Einzelfall einer Abstimmung mit der Stadt München und dem Land Bayern.
Eine weitere Frage? — Keine.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Frage XIII/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. MüllerHermann —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der gemeinsame Bericht der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr und des Kraftfahrtbundesamtes Der grenzüberschreitende Fernverkehr ausländischer Lastkraftwagen im Jahr 1960" erst im Juni 1964 herausgegeben wurde?
Ist Herr Dr. Müller-Hermann im Saal? — Das scheint nicht der Fall zu sein. Die Fragen werden nicht übernommen?
— Herr Dr. Althammer übernimmt die Frage. Bitte, Herr Bundesminister.
Herr Präsident, ich bitte, falls Herr Dr. MüllerHermann oder sein Vertreter einverstanden ist, seine drei Fragen wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantworten zu dürfen.
Dann rufe ich weiter auf die Fragen XIII/2 und XIII/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der gemeinsame Bericht der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr und des Kraftfahrtbundesamtes „Der Fernverkehr mit Lastkraftfahrzeugen im Jahre 1961" erst in diesen Tagen herauskommt?
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, Berichte der in Fragen XIII/1, 2 genannten Art zeitlich so vorzulegen, daß sie noch einen Aussagewert haben, der im vernünftigen Verhältnis zu den Aufwendungen für die Herstellung steht?
Der Bundesregierung ist bekannt, daß der Bericht „Der grenzüberschreitende Fernverkehr ausländischer Lastkraftfahrzeuge im Jahre 1960" erst im Juli 1964 herausgegeben werden konnte und daß der Bericht „Der Fernverkehr mit Lastkraftfahrzeugen im Jahre 1961" vollständig erst im Januar 1965 ausgeliefert worden ist. Das späte Erscheinen dieser Veröffentlichungen ist auf die umfangreiche textliche Kommentierung und auf Personalschwierigkeiten zurückzuführen. Die Bundesregierung strebt bei diesen und allen anderen verkehrsstatistischen Jahresberichten die Veröffentlichung innerhalb eines Jahres nach Ende des Berichtsjahrs an. Sie hofft, daß dieses Ziel insbesondere nach der Beendigung der Umstellung auf elektronische Datenverarbeitung auch erreicht werden kann.
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8618 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
Bundesminister Dr.-Ing. SeebohmDie Einhaltung der erstrebten Frist wird es allerdings erforderlich machen, von einer textlichen Kommentierung des Materials weitgehend Abstand zu nehmen." Der Aussagewert des umfangreichen Zahlenmaterials wird dadurch aber nicht beeinträchtigt.Im übrigen erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, daß neben diesen sehr ausführlichen Jahresberichten monatlich „Statistische Mitteilungen des KraftfahrtBundesamtes und der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr" erscheinen. Diese monatlichen Berichte bringen die wichtigsten statistischen Angaben über den nationalen und über den internationalen Güterfernverkehr in der Bundesrepublik Deutschland. Sie erscheinen bereits drei Monate nach dem Berichtsmonat. Neben den erwähnten monatlichen Veröffentlichungen geben die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr und das KraftfahrtBundesamt auch noch Jahreskurzkommentare heraus, die innerhalb von sechs Monaten nach dem Berichtsjahr erscheinen, so daß man sich über die wichtigsten Zahlen rechtzeitig zu unterrichten vermag.
Keine weiteren Fragen.
Wir kommen zur Frage XIII/4 — des Herrn Abgeordneten Dr. Gleissner —:
Ist die Bundesregierung bereit, an Stelle des bekanntgewordenen Planes, die Bundesbahndirektion Augsburg nach München zu verlegen, umgekehrt die Bundesbahndirektion München nach Augsburg zu verlagern und — angesichts der geringen Bevölkerungsentwicklung dieser Stadt gegenüber der extremen Entwicklung im Raum München — dort zu einer gemeinsamen Verwaltung zusammenzulegen?
Bitte, Herr Bundesminister.
Herr Kollege Gleissner, der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat in seinem bekannten Bericht vom 1. September 1964 auch die Frage der Neugliederung der Bezirke der Bundesbahndirektionen allgemein, als organisatorische Maßnahme der inneren Rationalisierung, angesprochen. Es sind von ihm jedoch bisher keine konkreten, abschließenden Vorstellungen zu diesem Thema, insbesondere auch nicht hinsichtlich der Bundesbahndirektion Augsburg, entwickelt worden. Er hat vielmehr eine Kommission eingesetzt, die die ganze Frage noch einmal zu überprüfen hat.
In der Fragestunde des Hohen Hauses am 11. November 1964 habe ich anläßlich der Fragen der Herren Kollegen Dr. Althammer und Strohmayr schon zur Frage einer etwaigen Auflösung der Bundesbahndirektion Augsburg Stellung genommen. Ich habe schon damals darauf hingewiesen, daß die Auflösung einer Bundesbahndirektion nicht nur der Willensbildung im Vorstand der Deutschen Bundesbahn bedarf, sondern eines ausdrücklichen Beschlusses des Verwaltungsrates der Deutschen Bundesbahn und einer ausdrücklichen Genehmigung des Bundesministers für Verkehr gemäß §§ 12 und 14 des Bundesbahngesetzes. Außerdem ist der Vorstand der Deutschen Bundesbahn nach § 44 des Bundesbahngesetzes gehalten, vorher die zuständige oberste Landesverkehrsbehörde zu hören und ihr somit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In dem von Ihnen angesprochenen Fall Augsburg wird also der Herr Bayerische Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr rechtzeitig und ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Ich bin sicher, daß die zuständigen Regierungsstellen des Landes Bayern bei dieser Stellungnahme auch auf die besondere Entwicklung im Ballungsraum München und im Bereich Augsburg eingehen werden, aber auch die Chancen nicht zu versäumen wissen, die beiden Zentralämter der Deutschen Bundesbahn im Raum München—Augsburg zu vereinigen. Die Bundesregierung kann nach dem Bundesbahngesetz die von Ihnen, sehr verehrter Herr Kollege, gewünschte Initiative leider nicht ergreifen, sondern muß diese Initiative den Organen der Bundesbahn überlassen.
Herr Dr. Gleissner, keine Frage mehr? — Aber Herr Dr. Althammer, eine Zusatzfrage, bitte!
Herr Minister, trifft es nicht zu, daß bei dem letzten Gutachten, in dem von der Auflösung zweier kleinster Bundesbahndirektionen die Rede war, die aber nicht namentlich genannt waren, doch die Bundesbahndirektion Augsburg gemeint war?
Was in pectore des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn bei diesen Überlegungen vorgegangen ist, vermag ich Ihnen nicht zu sagen. Ich habe aber, weil mir diese Behandlung nur von zwei Direktionen nicht geeignet erschien, das Problem zu lösen, den Vorstand der Bundesbahn gebeten, eine besondere Kornmission einzusetzen, die die gesamte Verwaltungsorganisation der Bundesbahn nicht nur bezüglich der Bundesbahndirektionen, sondern auch bezüglich der sogenannten Ämteretage zu überprüfen und Vorschläge zu machen hat. Diese Kommission unter Vorsitz von Herrn Präsidenten Logemann ist an der Arbeit. Ich nehme an, daß sich dann nicht die Frage stellt, ob zwei kleine Direktionen aufgelöst werden, sondern wie das Gesamtproblem gelöst werden kann. Ich bin nämlich der Auffassung, daß man einen solchen großen Komplex wie die Bundesbahn nicht nach Methoden zu verwalten vermag, die aus dem Jahre 1925 stammen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dr. Althammer.
Herr Minister, darf ich aus dieser Ihrer Antwort entnehmen, daß bis jetzt noch keinerlei konkrete Maßnahmen getroffen oder beabsichtigt sind, um Behörden von München nach Augsburg zu verlagern?
Zur Zeit ist der Stand der Erörterungen über diese Fragen so. Wieweit sich die Untersuchungen der Kommission damit beschäftigen, kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich deren Bericht erst erhalten muß, um dann Stellung nehmen zu können. Hier ist jedenfalls bisher von einem Antrag des Bundesbahnvorstandes auch an den Verwaltungsrat noch nichts be-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965 8619
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmkennt. Vorher könnte der Vorstand irgendwelche Maßnahmen eigentlich auch nicht treffen, allenfalls in Form eines Sandkastenspiels.
Ihre Fragen sind nun erschöpft, Herr Kollege Althammer. Aber Herr Dr. Gleissner hat noch eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, darf ich zu der letzten Bemerkung noch eine Frage stellen: Können Sie mir sagen, welche Stelle zuständig und in der Lage ist, die Bundesbahn wirksam zu veranlassen, ihre Maßnahmen ebenfalls nach raumordnungs- und regionalpolitischen Gesichtspunkten auszurichten, auch im Hinblick auf die Drohung, Nebenstrecken in Förderungsgebieten und im Nahausflugsverkehr, wie z. B. im Falle Isartalbahn, stillzulegen?
Ich würde glauben, Herr Kollege, daß in erster Linie der Bayerische Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr dazu berufen ist, die Gesichtspunkte der Raumordnung und Verkehrsplanung in seinem Land bei diesen Problemen der Bundesbahn mit Nachdruck darzulegen.
Ich hoffe, daß das gehört wird.
Keine weitere Frage mehr.
Die Frage XIII/5 stellt der Abgeordnete SchmittVockenhausen:
Wird der Bundesverkehrsminister nach den Erfahrungen dieses Winters prüfen, welche Maßnahmen notwendig sind, damit die Zebrastreifen auch bei Schnee und Matsch für die Verkehrsteilnehmer zu erkennen sind?
Bitte, Herr Minister.
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich beantworte die Frage dahin: Ja, aber gemeinsam mit den Ländern; denn die Durchführung von Maßnahmen, die notwendig sind, damit die Zebrastreifen auch bei Schnee, Matsch und Regen für alle Verkehrsteilnehmer zu erkennen sind, obliegen den Ländern. Diese sind nach dem Grundgesetz zur Durchführung der bundesrechtlichen Verkehrsvorschriften berufen.
Wiederholt ist deshalb dieses Problem mit den obersten Behörden der Länder erörtert worden. Dazu gehört insbesondere die Frage, ob es zweckmäßig ist, die Zebrastreifen vertikal zu kennzeichnen. Hierfür kommt bisher das in der Anlage zur Straßenverkehrsordnung vorgesehene dreieckige Warnzeichen mit dem Symbol des die Straße überquerenden Fußgängers in Betracht; damit kann nach den Vorschriften ein gelbes Blinklicht verbunden werden, wenn das die örtlichen Behörden wünschen.
Im Rahmen der Beratungen der Europäischen Verkehrsministerkonferenz, die über die Vereinheitlichung der europäischen Straßenverkehrsregeln und -zeichen laufen, ist beschlossen worden, für diese
Fußgängerüberwege ein neues europäisches Hinweiszeichen einzuführen. Dieses Zeichen soll direkt am Fußgängerüberweg aufgestellt werden; es ist viereckig und enthält ein weißes Dreieck, in dem das Sinnbild eines Fußgängers gezeigt wird, der über einen Zebrastreifen geht, auf blauem Grund. Dieses europäische Zeichen wird für die neue Straßenverkehrsordnung vorgeschlagen werden und sollte überall da aufgestellt werden, wo eine besondere vertikale Kennzeichnung der Zebrastreifen notwendig ist. Zusätzlich kann dann zur Vorwarnung der Autofahrer noch das erwähnte dreieckige Warnzeichen in einer entsprechenden Entfernung vor dem Zebrastreifen aufgestellt werden, damit die Autofahrer die Verkehrsgeschwindigkeit auf der Fahrbahn entsprechend regeln, soweit dies den örtlichen Behörden erforderlich erscheint.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, ist Ihnen klar, daß angesichts des innerstädtischen Schilderwaldes, in dem vor allem diese Zebrastreifen vorhanden sind, mit den zusätzlichen Beschilderungen nicht alles gelöst werden kann und daß es besonders darauf ankommt, daß die Zebrastreifen sichtbar gemacht werden? Sehen Sie eine Möglichkeit, Forschungsaufträge für eine Wetterfestmachung zu vergeben?
Es handelt sich hier um zwei Dinge, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen. Der Autofahrer, der auf einer Straße entlangfährt und eventuell vor sich andere Fahrzeuge sieht, könnte — auch wenn dieser Zebrastreifen sehr gut sichtbar ist — ihn wegen der den Zebrastreifen verdeckenden anderen Fahrzeuge zu spät erkennen. Für ihn wäre also eine senkrechte Kennzeichnung an der Straßenseite besser sichtbar. Die Gefahr, bei einer Überschreitung des Zebrastreifens mit einem Auto in Berührung zu kommen, entsteht in erster Linie dadurch, daß der Autofahrer den Zebrastreifen nicht richtig erkennt — nicht der Fußgänger —. Es scheint mir trotz meiner Abneigung gegen die vielen Schilder hier doch eine solche Kennzeichnung notwendig zu sein, weil der Autofahrer sonst nicht mit Sicherheit, und zwar auch nicht bei klaren Farbtönen auf der Straße, erkennen kann, wo ein Zebrastreifen ist, insbesondere wenn er die Stadt nicht kennt.
Ich bin also der Meinung, daß wir beide Wege gehen müssen, nämlich auf der einen Seite alle Möglichkeiten zu erforschen, um die Zebrastreifen dauerhaft und sichtbar auf der Straßenoberfläche in Erscheinung treten zu lassen, auf der anderen Seite aber den Autofahrer, der in seiner Sicht auf die Fahrbahn unter Umständen durch andere Fahrzeuge behindert wird, auf den Zebrastreifen aufmerksam zu machen.
Zusatzfrage!
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8620 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
Herr Minister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß wir viel zuviel Zebrastreifen in den Großstädten haben und daß dadurch der flüssige Verkehr auf dem Fahrdamm außerordentlich behindert wird? Glauben Sie nicht, daß es auch im Interesse des Fußgängers läge, wenn es weniger Zebrastreifen gäbe, die aber besser gekennzeichnet wären?
Ich bin vollkommen Ihrer Auffassung, Herr Kollege Rademacher, und habe das auch den Ländern immer wieder dargetan. Die Entscheidung aber über die Frage, ob und wo Zebrastreifen angelegt werden, obliegt den örtlichen Behörden, und denen kann ich in dieser Hinsicht leider nur allgemeine Hinweise, aber nicht im einzelnen Vorschriften machen. Ich persönlich bin der Meinung, daß wir zuviel Zebrastreifen haben und daß dem Fußgänger wohl zugemutet werden kann, gewisse Umwege 211 gehen, um sich mit den wenigen Zebrastreifen 211 behelfen.
Ich rufe auf die Frage XIII/6 — des Abgeordneten Regling —:
Beabsichtigt die Bundesregierung, das Lotsengeld für das Traverevier zu erhöhen?
Ja. Der Lotsgebührentarif für das Seelotsrevier Trave soll um 10 v. H. angehoben werden.
Ich rufe auf die Frage XIII/7 — des Abgeordneten Regling —:
Wie haben sich die Einnahmen und Ausgaben in den Lotsenrevieren der Nord- und Ostseehäfen während der letzten Jahre entwickelt?
Der Fragesteller hat ,sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 12. März 1965 lautet:
Von 1957 bis 1964 wurden auf allen Seelotsrevieren der Nord- und Ostsee DM 87,5 Mio Lotsgebühren eingenommen und DM 81,2 Mio ausgegeben. Das entspricht einer mittleren Jahreseinnahme von DM 10,9 Mio und einer mittleren Jahresausgabe von DM 10,2 Mio. Der verbleibende Überschuß ist durch bereits fest veranschlagte, aber bis Ende 1964 noch nicht völlig abgewickelte Maßnahmen für Betrieb und Unterhaltung der Lotseinrichtungen verwendet oder gebunden.
Ich rufe dann die Frage XIII/8 — des Abgeordneten Dr. Stecker — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Grenzbevolkerung in den letzten Monaten zunehmend über schwere Verkehrsunfälle klagt, die durch vorschriftswidrig ausgerüstete und rücksichtslos fahrende ausländische Fahrzeuge verursacht werden?
Ist der Abgeordnete Stecker im. Saal? — Das ist nicht der Fall. Dann wird die Frage schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage XIII/9 — des Abgeordneten Dr. Stecker - auf:
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten der Abhilfe für die in Frage XIII/8 genannten Mißstände durch Fühlungnahme mit den Verkehrsministern der Nachbarländer und Einschaltung der Zoll- und Polizeidienststellen im Grenzgebiet?
Auch diese Frage wird schriftlich beantwortet.
Frage XIII/10 — des Abgeordneten Seifriz —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das bei Blohm & Voß erbaute und vor vier Monaten in Dienst gestellte Kühlmotorschiff „Polarlicht" inzwischen alle Erwartungen hinsichtlich des Rationalisierungseffektes dieses im Decks- und Maschinenbetrieb weitgehend automatisierten Schiffstyps erfüllt hat, wobei ein wesentlicher Erfolg in der Erhöhung der Sicherheit des Schiffsbetriebes bestehen soll?
Bitte, Herr Bundesminister.
Herr Präsident, ich bitte darum, die drei Fragen gemeinsam beantworten zu dürfen, wenn der Herr Kollege Seifriz damit einverstanden ist.
Dann rufe ich noch die Fragen XIII/11 und XIII/12 — des Abgeordneten Seifriz — auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Reedereien, daß die heute gültigen Bestimmungen für die Besetzung von Seeschiffen einer alsbaldigen Revision bedürfen, damit die Reeder nicht gezwungen werden, mit einer zu großen Besatzung zu fahren, wodurch die hohen Investitionen größtenteils nutzlos sind und die Vorteile der sich aus der Automation ergebenden Rationalisierung nicht voll genutzt werden können?
Welches sind die sozialpolitischen Konsequenzen, die sich aus einer Reduzierung der Besatzungen und einer höheren Qualifizierung der verbleibenden Besatzungen auf Schiffen wie dem MS „Polarlicht" ergeben?
Die Reederei Hamburg-Südamerikanische Dampfschiffahrtsgesellschaft Eggert & Amsingk hat vor kurzer Zeit eine positive Notiz über die Erfahrungen mit dem Motorschiff „Polarlicht" und dem Motorschiff „Polarstern" veröffentlicht. Ein weiterer und eingehenderer Erfahrungsbericht liegt aber noch nicht vor.Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die sich aus einer Teilautomatisierung und Teilrationalisierung ergebenden Möglichkeiten nur insoweit zu einer Personaleinsparung an Bord ausgenutzt werden können, als es mit der Sicherheit des Schiffs und der Einhaltung der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften vereinbar ist. Das geschieht auch bereits. Auf dem Motorschiff „Polarlicht" werden insgesamt zehn Besatzungsmitglieder, davon ein Schiffsingenieur und drei Schiffsleute in der Maschine, weniger gefahren als z. B. auf der kleineren „San Domingo" der gleichen Reederei.Die Besetzung mit Patentinhabern hält sich im Rahmen der Schiffsbesetzungsordnung; bei den Schiffsleuten hat die Seeberufsgenossenschaft für zwei Mann Ausnahmen von den Bemannungsrichtlinien zugelassen. Ob eine von der Reederei angestrebte weitere Verminderung der Zahl der Patentinhaber möglich ist, bedarf noch eingehender Untersuchungen, bei denen vor allem die Sicherheit des menschlichen Lebens auf See, daneben aber auch die sozialpolitischen Konsequenzen zu berücksichtigen sein werden.Bei der kurzen Zeit der Erprobung und der geringen Zahl der Schiffe mit teilautomatisierten Anlagen — es sind bisher nur fünf von insgesamt 505 Schiffen über 3000 BRT — ist es für eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften nach unserer Ansicht noch viel zu früh. Der Entwicklung sollte viel-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965 8621
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmmehr mit nach der Schiffsbesetzungsordnung möglichen Ausnahmeregelungen mit leichter Hand Rechnung getragen werden. Dabei sollten auch Erfahrungen mit der sich noch weiter entwickelnden Automation gesammelt werden.
Keine Zusatzfragen.
Wir kommen zu den von dem Abgeordneten Rehs gestellten Fragen XIII/13 und XIII/14, die, wenn der Fragesteller einverstanden ist, gemeinsam beantwortet werden können:
Welche Vorbereitungen sind für die Elektrifizierung der Bundesbahnstrecken Hamburg—Kiel, Hamburg—Flensburg und Hamburg—Lübeck im Anschluß an die Elektrifizierung der Strecke bis Hamburg getroffen?
Wann ist mit dem Beginn und mit der Beendigung der Elektrifizierung der in Frage XIII/13 genannten Strecken zu rechnen?
Bitte, Herr Bundesminister.
Die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn hat auf Anregung der Landesregierung Schleswig-Holstein die Frage der Elektrifizierung der Strecken Hamburg–Neumünster–Kiel/Flensburg und Hamburg–Lübeck–Puttgarden 1961 eingehend untersuchen lassen. Sie hat der Landesregierung als Ergebnis mitgeteilt, daß die im allgemeinen nicht sehr hohe Belastung dieser beiden Strecken einen eindeutigen Vorteil der Elektrifizierung gegenüber anderen Traktionsarten noch nicht erwarten lasse und daß sie daher beabsichtige, die Zugförderung auf Dieseltraktion umzustellen.
Die Landesregierung Schleswig-Holstein ist nun im Jahre 1964 erneut an die Deutsche Bundesbahn mit dem Wunsch herangetreten, das damalige Ergebnis zu überprüfen, nachdem ja die Elektrifizierung der Nordstrecke bis Bremen im Jahre 1964 abgeschlossen ist und im April 1965 bis Hamburg durchgeführt sein wird. Die neuen Untersuchungen der Deutschen Bundesbahn werden voraussichtlich im Sommer 1965 abgeschlossen sein. Erst danach kann über die weiteren Maßnahmen, über die Fragen der Finanzierung und über entsprechende Termine eine Entscheidung getroffen werden.
Zu einer Zusatzfrage Abgeordneter Rehs.
Herr Minister Seebohm, räumen Sie mir nicht ein, daß gerade mit Rücksicht auf die Rand-und Zonenrandlage in Schleswig-Holstein die Verbesserung der Verkehrsbedingungen, u. a. eben auch die Elektrifizierung, ein ganz wesentliches Mittel darstellt, die dortige Situation günstiger zu gestalten?
Ja, Herr Kollege Rehs, das ist eines der Mittel. Aber so entscheidend scheint es mir nicht zu sein, da wir mit den neuen Dieselmaschinen beim Personenverkehr mindestens die gleichen Geschwindigkeiten erreichen können wie mit der Elektrifizierung. Die
Elektrifizierung würde vielleicht eine etwas stärkere Verkürzung der Fahrzeiten bei der Frachtbedienung herbeiführen. Aber das würde dort nicht so sehr ins Gewicht fallen, weil die relativ geringen Ersparnisse, die sich nach Minuten bemessen, auf den sehr langen Strecken wieder aufgezehrt würden.
Natürlich würde eine grundsätzliche Elektrifizierung der Hauptstrecken, auch z. B. der Strecken an der Westküste Schleswig-Holsteins, noch mehr zu einer Verkürzung der Fahrtzeiten auch auf den Strecken nach Flensburg, Kiel und Puttgarden, beitragen, wo wir durch den Einsatz der Dieselmaschinen schon wirklich gute Erfolge erzielt haben.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Rehs.
Darf ich aus Ihren Worten vorhin entnehmen, daß eine Überprüfung der Möglichkeiten und der Planungen im Gange ist?
Jawohl, sie ist im Gange. Das Entscheidende ist aber dabei letzten Endes immer die Lösung der Finanzierungsfrage. Sie wissen, daß die Elektrifizierung immer eine finanzielle Mitwirkung des Landes voraussetzt und daß es für das Land Schleswig-Holstein nicht einfach ist, dafür noch zusätzliche Mittel aufzubringen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wendelborn.
Herr Minister, ist damit zu rechnen, daß bei der angekündigten Untersuchung auch die Tatsache berücksichtigt wird, daß in Lübeck/Travemünde ein ganz neuer Verkehrsschwerpunkt hinsichtlich der Fährschifflinien entstanden ist?
Herr Kollege Wendelborn, natürlich hat die Bundesbahn im Hinblick auf den Verkehr in Richtung Skandinavien an der Strecke Hamburg—Lübeck, sowohl in Richtung Travemünde als auch in Richtung Puttgarden, ein größeres Interesse, während die Landesregierung eine Aufschließung des gesamten Landes durch Elektrifizierung stärker in den Vordergrund stellt. Jedenfalls muß dieser neue Schwerpunkt, der sich in Travemünde für den Transitverkehr nach den skandinavischen Ländern gebildet hat, entsprechend Berücksichtigung finden.
Wir kommen zu der Frage des Abgeordneten Werner. Wird sie übernommen? — Herr Abgeordneter Wendelborn übernimmt sie.
Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen des Herrn Kollegen Werner gemeinsam beantworten zu dürfen.
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8622 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
Ich rufe auf die Fragen XIII/15 und XIII/16 — des Herrn Abgeordneten Werner—:
Ist es richtig, daß die Deutsche Bundesbahn trotz der Kürzung ihres Beschaffungsprogramms auf Grund der angestrengten Liquiditätslage gleichzeilig ihre Regiebetriebe weiter ausbaut?
Ist die private Industrie, besonders im Bereich der Aufarbeitungsbetriebe, nicht in der Lage, Aufträge der Deutschen Bundesbahn im notwendigen Umfang zu erfüllen?
Wie mir die Deutsche Bundesbahn mitteilt, trifft es nicht 211, daß sie ihre Regiebetriebe weiter ausbaut. Es werden im Gegenteil die anlagenmäßigen und personellen Kapazitäten für die Unterhaltung der Fahrzeuge und für den Oberbau verringert. Diese Entwicklung wird sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen.
Ob man die bei einer Eisenbahn aufkommenden Aufarbeitungsaufträge tin Regiebetrieben oder bei Privatfirmen durchführen soll, ist in vielen Ländern strittig und auch in diesem Hohen Hause bereits wiederholt behandelt worden. Für die Deutsche Bundesbahn ist diese Frage sehr gründlich vor einigen Jahren von der sogenannten Brand-Kommission untersucht worden. In ihrem Bericht kam die Kommission zu dem Ergebnis, daß es am wirtschaftlichsten sei, wenn die Neufertigung bei der Industrie und wenn die Reparatur bei den Ausbesserungswerken der Bundesbahn liege. Sie hat damit einen Grundsatz bestätigt, nach dem bei uns seit 1951 verfahren wird, und zwar auf Grund einer Verhandlung, die damals mit der Waggonindustrie und den Vertretern der beiden Gewerkschaften, der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands — Vertreter war damals unser verstorbener Kollege Hans Jahn — und der Metallarbeitergewerkschaft, geführt worden sind.
Soweit Ausnahmen vorkommen, handelt es sich fast regelmäßig um vorübergehende Maßnahmen, die im wesentlichen dazu dienen, an Ort und Stelle überschüssig gewordene Werkstättenarbeiter so lange wirtschaftlich zu beschäftigen, bis sie umgesetzt werden können. Dies ist also meist aus sozialen Gründen geschehen. Die Zahl der Ausbesserungswerke der Deutschen Bundesbahn ist, wie dem Hohen Haus bekannt ist, seit 1953 um 18 auf 35 verringert worden. Gleichzeitig wurde die personelle Kapazität von 64 500 Arbeitern in den Ausbesserungswerkstätten auf 42 300, d. h. um 34 %, vermindert. Im Endzustand sollen von jetzt 35 Werken nur 25 erhalten bleiben. Das beweist, daß sich die Regiearbeit weiter vermindert.
Bei den Oberbauarbeiten muß allerdings daraut Rücksicht genommen werden, daß stets ein angemessener Teil von betriebseigenen Leuten zur Verfügung steht, um auf diese Weise eine entsprechende, jederzeit sofort verfügbare Personalreserve für den im Eisenbahnbetrieb unvermeidlichen Spitzenbedarf, z. B. bei Schneefall, Vereisung, Unfällen usw., einsetzen zu können. 1965 wird die Deutsche Bundesbahn 3350 eigene Oberbauarbeiter weniger als im Vorjahr beschäftigen. Sie hat eine weitere
Senkung der eigenen Kräfte um rund 2000 noch für dieses Jahr in Aussicht genommen, um den Oberbaubetrieben eine bessere Beschäftigungsmöglichkeit zu gewährleisten. Bei den nicht mehr Beschäftigten handelt es sich in erster Linie um Gastarbeiter, die entlassen werden können. Deutsche Oberbauarbeiter werden erforderlichenfalls umgesetzt.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, darf ich fragen, ob es zutrifft, daß die privaten Firmen im Gleisoberbau in ihrer Kapazität nicht voll ausgelastet sind.
Das trifft unbedingt zu, Herr Kollege Wendelborn. Wie Sie wissen, haben wir ja in diesem Jahr bei der Bundesbahn die Investitionszahlen von 3 Milliarden auf 2,1 Milliarden, also um fast 900 Millionen vermindert. In diesen Investitionen stecken natürlich auch Oberbauarbeiten. Wir können uns das leisten, weil der Zustand des Oberbaus bei unserer Bundesbahn wesentlich besser ist als der Zustand, der nach den allgemeinen Regeln gefordert wird, und auch wesentlich besser als bei den benachbarten Eisenbahnen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Frede.
Herr Bundesminister, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß die Zuweisung von Ausbesserungsarbeiten für Waggons an Bundesbahnausbesserungsstätten nur eine vorübergehende Maßnahme ist, wenn eben, wie Sie sagten, bei der Verminderung anderer Arbeiten ein zu starker Besatz da ist?
Sie wissen, daß die Grenze zwischen Ausbesserung und Erneuerung im Zuge von Ausbesserungsarbeiten schwer zu ziehen ist. Wo ein Ausbesserungswerk auf die Dauer geschlossen werden soll, ergeben sich vorübergehend natürlich noch Spitzen, die eine wirtschaftliche Beschäftigung der anwesenden Leute erfordern. Handelt es sich dabei um ein Ausbesserungswerk, das Waggonarbeiten ausführt, so wird versucht, diese Spanne zu überbrücken, weil es nicht sinnvoll wäre, die Leute etwa mit unnützen Arbeiten zu beschäftigen, bis sie umgesetzt werden können.
Ich rufe die Frage XIII/17 — des Abgeordneten Schmidt — auf :Hält es die Bundesregierung für vertretbar, daß Doktoranden, die infolge des speziellen Charakters ihrer Doktorarbeit für diese mehr als 1 1/2 Jahre benötigen, weder Antrag auf Schülerfahrkarten noch auf Arbeiterrückfahrkarten für eine verbilligte Familienheimfahrt stellen können, obwohl sie ohne Einkommen sind?Wird diese Frage übernommen? — Sie wird übernommen von Herrn Mertes.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965 8623
Herr Kollege, grundsätzlich ist es nicht möglich, Doktoranden über die im Tarif vorgesehene Zeit von anderthalb Jahren hinaus Schülerfahrkarten zur Verfügung zu stellen. Ob es im Einzelfall möglich ist, solchen Doktoranden, falls sie keine eigenen Einnahmen haben, eine andere Fahrpreisvergünstigung zu gewähren, will ich gern noch einmal zusammen mit der Deutschen Bundesbahn prüfen. Wie mir die Deutsche Bundesbahn mitteilt, sind bei ihr Anträge entsprechender Personen in dieser Richtung bisher nicht vorgelegt worden.
Im übrigen erscheint es mir doch immerhin erstaunlich, daß es Doktoranden gibt, die eine so lange Zeit für ihre Doktorarbeit benötigen, ohne gleichzeitig eigene Einnahmen zu haben. Meist pflegt man die Doktorarbeit dann anzufertigen, wenn man schon eine gewisse Tätigkeit in der Praxis aufgenommen hat, ich habe es auch so gemacht.
Herr Mertes zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, wären Sie bereit, dem Kollegen Schmidt das Ergebnis Ihrer Prüfung mitzuteilen?
Ja, sehr gern. Ich glaube, es kann sich nur um Einzelfälle handeln. Ich bitte, Herrn Kollegen Schmidt doch zu sagen, daß sich die Herren, die er etwa im Auge hat, mit Sonderanträgen an die zuständigen Stellen der Bundesbahn wenden mögen und mir eine Abschrift davon zu geben, damit ich mich weiter dafür einsetzen kann.
Ich rufe die Frage XIII/18 — des Herrn Abgeordneten Dröscher — auf:
Gibt es einen Zusammenhang zwischen den in dem Artikel „Ist Fliegen Glückssache?" in Nr. 4 der Zeitschrift „Kristall" behaupteten Unzulänglichkeiten in der Flugsicherung über der Bundesrepublik und der bereits mehrfach im Bundestag kritisierten Personalpolitik der Anstalt für Flugsicherung?
Herr Bundesminister, bitte.
Zu den in der Zeitschrift „Kristall" behaupteten Unzulänglichkeiten in der Flugsicherung und der den sachlichen Aussagewert dieses Artikels deutlich kennzeichnenden Aufmachung der ihn einleitenden Bildseite verweise ich auf meine schriftliche Antwort an den Herrn Kollegen Börner auf seine Fragen vom 24. Februar 1965 zu diesem Artikel, die inzwischen gedruckt erschienen ist. Daraus ergibt sich, daß echte personelle Schwierigkeiten heute bei der Flugsicherung erfreulicherweise nicht mehr bestehen, da sich die Verbeamtung des Kontrollpersonals und der technischen Kräfte beruhigend ausgewirkt hat und die Nachwuchsfrage heute kein Problem mehr darstellt. Die Personalpolitik in der Flugsicherung in den letzten beiden Jahren hat sich bewährt.
Es gibt daher auch keinen Zusammenhang zwischen ihr und den in der Zeitschrift „Kristall" behaupteten Unzulänglichkeiten in der Flugsicherung.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Bundesminister, könnten nicht doch Spannungsverhältnisse unter dem Personal vorliegen, wenn behauptet wird, daß seit Beginn der Verbeamtungsaktion im Jahre 1962 kein einziger der verbliebenen Angestellten mehr die Weiterbildungslehrgänge hat besuchen können?
Herr Kollege, wir haben uns über diese Frage hier im Hohen Hause sehr eingehend unterhalten, und von mir sind ausreichende Antworten hierzu erteilt worden. Ich glaube, es ist nicht nötig, daß man sie immer wiederholt.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, unter der Voraussetzung, daß offensichtlich doch kein Zustand vorhanden ist, der jeglicher Kritik entzogen werden kann, möchte ich einmal ein konkretes Beispiel fragend hier geklärt wissen.
Das mit dem „fragend" war sehr geschickt.
Trifft es zu, daß entgegen der bei der Flugleitung früher üblichen Lösung, daß immer der Mann mit der höchsten Qualifikation die Vertretung des Wachleiters machte, heute für die Vertretung nicht die höchste Qualifikation, sondern das höchste Pensionsdienstalter — etwa auch aus Vordienstzeiten bei der Post oder Bahn oder ähnlichen Zweigen — maßgebend ist?
Generell trifft das bestimmt nicht zu. Im Einzelfall kann sich das nach den Persönlichkeiten richten.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Rademacher.
Ohne daß ich mich auf die Ausführungen in „Kristall" stützen will, darf ich in diesem Zusammenhang noch einmal fragen: Ist Ihnen bekannt, daß Sportflieger und auch Vertreter von privaten Fluggesellschaften immer noch die allergrößten Bedenken hinsichtlich der Flugsicherung haben und behaupten, es sei ein reiner Zufall, daß nicht mehr Unglücksfälle einträten — durch sogenannte Beinahe-Unfälle —, und es bestünde keine vollendete Kooperation zwischen der zivilen und der militärischen Luftfahrt? Darf ich Sie, um in dieser Sache wirklich einmal zu einer Klarheit zu kommen, an der die Öffentlichkeit ein Interesse hat, fragen: wären Sie damit einverstanden, daß wir im Verkehrsausschuß des Bundestages unter Hinzuziehung von Fachleuten, die wirklich von den Dingen etwas verstehen, einmal eine eingehende Vernehmung und Untersuchung vornehmen?
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8624 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
Ich bin gern damit einverstanden. Ich glaube aber, daß sich die Herren, die behaupten, das beweisen zu können, im Irrtum befinden. Es ist hier ungefähr so, wie wenn jemand, der nur mit dem Kinderwagen auf der Straße fährt, Fahrregeln, die für Autos gelten, für seinen Kinderwagen nicht unbedingt für erforderlich hält.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spies.
Herr Bundesminister, treffen Gerüchte zu, wonach bei den Flugbenzinarten die Brandgefahr unterschiedlich sein soll, daß die Fluggesellschaften wegen der Verteuerung der Flugkosten aber nicht das geeignete Benzin nehmen?
Das hängt nicht mit der Flugsicherung zusammen. Die Fluggesellschaften sind bezüglich der Frage, welchen Brennstoff sie benutzen, nicht irgendwelchen staatlichen Weisungen unterworfen. Sie müssen bestimmte Vorschriften über die Art des Brennstoffes einhalten. Aber dafür sorgen nicht so sehr die Fluggesellschaften als vielmehr die Gesellschaften, die die Fluggesellschaften mit dem Treibstoff beliefern.
Herr Spies, noch eine Frage? — Bitte.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß es hier nicht in erster Linie um die Flugsicherung als solche, sondern um die Erhaltung des Lebens geht?
Herr Kollege, die Flugsicherung wird im wesentlichen eingesetzt, um das Leben der mit den Flugkörpern beförderten Menschen zu schützen und zu wahren. Infolgedessen gibt es auch Vorschriften darüber, welche Treibstoffe zur Benutzung im Flugzeug zugelassen sind, und diese Treibstoffe sollen auch ausschließlich benutzt werden. Es geht nicht darum, daß Treibstoffe bestimmter Firmen verwendet werden, sondern die Treibstoffe müssen bestimmte Oktanzahlen haben und ähnliche Eigenschaften aufweisen.
Keine weitere Frage mehr. Die Frage XIII/19 stellt der Abgeordnete Lautenschlager:
Beabsichtigt die Deutsche Bundesbahn, die Bundesbahndirektion Regensburg im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen aufzuheben?
Bitte, Herr Bundesminister zur Beantwortung.
Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat in dem Bericht vom 1. September 1964, wie ich schon vorhin bei der Angelegenheit Augsburg sagte, auch die Frage der Neugliederung der Bezirke der Bundesbahndirektionen im allgemeinen als organisatorische Maßnahme der inneren Rationalisierung angesprochen. Es sind von ihm aber bisher noch keine konkreten abschließenden Vorstellungen zu diesem Thema, insbesondere 'auch nicht hinsichtlich der Bundesbahndirektion Regensburg, entwickelt worden. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn prüft zur Zeit durch einen besonderen Organisationsausschuß die Frage, ob durch eine Neugliederung der Bundesbahndirektionen im gesamten Bundesgebiet eine wesentliche Verringerung und Vereinfachung des Verwaltungsaufwandes erzielt werden kann. Eine endgültige Entscheidung wird erst dann getroffen werden können, wenn der Bericht des Organisationsausschusses geprüft werden kann.
Zur Auflösung einer Bundesbahndirektion bedarf eis, wie gesagt, neben der Willensbildung im Vorstand der Deutschen Bundesbahn eines Beschlusses des Verwaltungsrates nach § 12 des Bundesbahngesetzes und einer erst danach möglichen ausdrücklichen Genehmigung des Bundesministers für Verkehr nach § 14 dieses Gesetzes. Eine Initiative des Bundesministers für Verkehr ist dabei nach den gesetzlichen Vorschriften nicht möglich.
Vor allem ist auch zu berücksichtigen, wie ich vorhin schon gesagt habe, daß nach § 44 des Bundesbahngesetzes der Vorstand gehalten ist, vor seiner Entscheidung und vor Anrufung des Verwaltungsrates der zuständigen obersten Landesverkehrsbehörde ,Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In dem von Ihnen, Herr Kollege, angesprochenen Fall wird das Land Bayern rechtzeitig und ausreichend Gelegenheit erhalten, seine Auffassung darzulegen, und zwar durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr. Außerdem wird die Lage Regensburgs im Zonenrandgebiet bei diesen Überlegungen natürlich mit besonderer Sorgfalt zu würdigen sein.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lautenschlager.
Herr Minister, können aus der Tatsache, daß die beiden Vorsitzenden der Rationalisierungs- bzw. Organisationskommission, Dr. Völker und Dr. Logemann, am 7. Januar Ihnen vorgestellt wurden und daß am 13. Januar 1965 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Hinweis auf die in naher Zukunft beabsichtigte Reduzierung der Zahl der Bundesbahndirektionen von 18 auf 11 — unter Nennung der Direktionen Augsburg, Münster und Regensburg — ,erschienen ist, Rückschlüsse auf eine entsprechende Zustimmung von Ihrer Seite gezogen werden?
Herr Kollege, Sie wissen, der Phantasie der Journalisten sind Grenzen nicht gesetzt, und die Druckerschwärze ist auch jederzeit in der Lage, dieser Phantasie wirksam Ausdruck .zu geben. Namen sind bisher nicht genannt, und als wir die Kommission an dem genannten Tage bildeten, ist von Namen auch nicht gesprochen worden. Was da so veröffentlicht ist, hat keine Grundlage in den bisherigen Überle-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965 8625
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmgungen, die ja erst angefangen haben und sich erst, wenn der Bericht vorliegt, in einigen Monaten zu Vorschlägen verdichten können.Ich bin allerdings der Meinung, daß diese Vorschläge dann auch mit allem Ernst geprüft werden müssen. Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, daß Organisationsformen, wie sie seit langer Zeit bestehen, bei einem sich wandelnden technischen Unternehmen auch in Zukunft aufrechterhalten werden müssen; man muß vielmehr versuchen, durch Einsatz von Automation, von Elektronik und allen anderen Maßnahmen zu einer schärferen Zusammenfassung zu kommen.Ich kann es den Mitarbeitern bei der Bundesbahn, die oftmals durch Elektrifizierung und in anderer Weise — Zusammenlegung von Ausbesserungswerkstätten usw. — unten spüren, daß sie die Rationalisierung mit zu tragen haben, nicht zumuten, festzustellen, daß nicht auch oben, bei den oberen Beamtenstellen, diese Rationalisierung mit getragen wird.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Albgeordneter Lautenschlager.
Herr Minister, können Sie mir in diesem Zusammenhang sagen: beabsichtigt die Deutsche Bundesbahn im Zuge der Fahrplanumstellung im Mai dieses Jahres, Nebenbahnstrecken, besonders im Grenzland oder im bayerischen Ostraum, stillzulegen?
Herr Kollege, Sie kennen doch den Beschluß der Bundesregierung vom 16. Dezember. Durch diesen Beschluß ist das der Bundesbahn nicht möglich. Sie kann natürlich den Fahrplan gestalten — das liegt in ihrer eigenen Zuständigkeit —, aber Stillegungen kann sie im Grenzland nicht vornehmen.
Die nächste Frage, Frage XIII/20, stammt ebenfalls vom Abgeordneten Lautenschlager:
Wann beabsichtigt die Bundesregierung ihren vertraglichen Verpflichtungen, zusammen mit dem Land Bayern den Ausbau des Rhein-Main-Donaukanals besonders im Abschnitt Nürnberg—Regensburg vorwartszutreiben, nachzukommen?
Bitte, Herr Bundesminister.
Herr Kollege, Grundlage für den Bau der RheinMain-Donau-Großschiffahrtsstraße ist der zwischen dem Deutschen Reich und Bayern im Jahre 1921 abgeschlossene Main-Donau-Vertrag, der ja auch als Bestandteil in das Grundgesetz übergegangen ist und der neben dem Ausbau der Donau zwischen Kelheim und Passau als erstes Ziel die Kanalisierung des Mains bis Bamberg und sodann die jetzt im Bau befindliche Kanalverbindung Bamberg–Nürnberg vorsieht, danach aber auch bereits die Verbindung zwischen Nürnberg und der Donau umfaßt.
Bekanntlich wird angestrebt, mit dem Kanal Nürnberg 1969 anzuschließen. Der Main-Donau-Vertrag enthält keine zwingenden Terminfestlegungen. Vielmehr verpflichtet er das Reich — jetzt den Bund — und den Freistaat Bayern allgemein, die RheinMain-Donau-Wasserstraße so bald zu verwirklichen, wie es die Finanzlage den beiden Vertragspartnern ermöglicht. Während sich die Bauarbeiten der Rhein-Main-Donau AG zur Zeit also auf die Kanalstrecke Bamberg–Nürnberg konzentrieren, die bis 1969 fertiggestellt werden soll, laufen andererseits seitens der Rhein-Main-Donau AG die technischen Vorbereitungen für den Weiterbau über Nürnberg hinaus und sind schon weit gefördert. Über den Baubeginn dieser Reststrecke werden rechtzeitig zwischen dem Bund, dem Freistaat Bayern und der Rhein-Main-Donau AG die notwendigen Abmachungen zu treffen sein. Die Verhandlungen darüber dürften im nächsten Jahr beginnen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lautenschlager.
Herr Minister, teilen Sie die Ansicht, daß es im Hinblick auf die Anstrengungen des Comecon-Blocks, den Oder-Donau-Kanal zu bauen, und im Hinblick auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der verkehrsfernen ostbayerischen Gebiete, die durch gewisse Diskriminierungen in der außerdeutschen Donauschiffahrt noch verschärft werden, im Interesse des Südostraums der Bundesrepublik liegen würde, den Rhein-Main-DonauKanal beschleunigt auszubauen?
Natürlich halten wir grundsätzlich an der großen Verkehrslinie fest, wie sie im Jahre 1921 geplant wurde. Das tun wir unabhängig von dem, was sich in den Comecon-Staaten ergibt; denn Sie wissen ja, Herr Kollege, daß die Planungen einer Verbindung der Oder mit der Donau und auch der Elbe mit der Donau schon zu Zeiten erfolgt sind, wo diese Planungen ausschließlich noch in unserer Hand lagen. Diese Planungen, die wir früher selbst für richtig und zur Erschließung des gesamten Raums für notwendig gehalten haben, werden also hier aufgenommen. Für uns ist natürlich, solange die Wiedervereinigung nicht durchgeführt werden kann und weitere Entscheidungen über einen europäischen Großraum noch nicht getroffen werden können, die Verbindung über den Rhein und den Main zur Donau im Hinblick auf die Südostverbindungen bis zum Schwarzen Meer von außerordentlicher Bedeutung. Sie wird von der Bundesregierung, soweit es ihr finanziell möglich ist, auch weiterhin, wie schon in den letzten Jahren, gefördert werden.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Lautenschlager.
Herr Minister, nehmen Sie an, daß bei einem durchgehenden Rhein-MainDonau-Schiffsverkehr die Bilanz der Berg- und Talfrachten annähernd ausgeglichen werden könnte?
Herr Kollege, wie wollen Sie in diesem Fall von Berg- und Talfrachten sprechen? Die Bergfrachten
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8626 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmauf dem Rhein und dem Main werden auf der Donau zu Talfrachten, und die Bergfrachten auf der Donau werden auf dem Rhein und dem Main zu Talfrachten. Hier kann man, glaube ich, diesen Begriff, der sonst für einen Fluß richtig ist, nicht mehr anwenden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe auf die Frage XIII/21 — des Abgeordneten Lemper —:
Ist die Bundesregierung bereit, die jahrelangen Verhandlungen zwischen der Stadt Kaster und der Deutschen Bundesbahn zu unterstützen, damit die dringend notwendige Haltestelle der Deutschen Bundesbahn in Kaster eingerichtet wird?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 12. März 1964 lautet:
Wie mir die Deutsche Bundesbahn mitteilt, trifft es zu, daß bereits seit einigen Jahren Verhandlungen zwischen der Bundesbahndirektion Köln und der Stadt Kaster mit dem Ziele geführt werden, an der Strecke Düren—Neuß—Düsseldorf einen neuen Haltepunkt Kaster einzurichten. Im Augenblick ist Kaster durch Bushaltestellen der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost angeschlossen. Ausgelöst wurden diese Gespräche durch die im Laufe der nächsten Jahre beabsichtigte Umsiedlung der von dem Braunkohlenabbau betroffenen Bewohner der drei Gemeinden Königshofen, Morken und Harff nach Kaster.
Die Deutsche Bundesbahn beurteilt die Einrichtung dieses Haltepunktes positiv. Allerdings kann die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn ihre Entscheidung erst dann treffen, wenn ihr ein entsprechender Antrag vorliegt. Die Bundesbahndirektion Köln will diesen Antrag für den Jahresfahrplanwechsel 1966 stellen, da zu diesem Zeitpunkt damit gerechnet werden kann, daß eine größere Zahl von Bewohnern bereits umgesiedelt ist. Als Zwischenzustand würden dann bis zum Wegfall des Bahnhofs Harff vorübergehend 2 Halte eingerichtet sein.
Über die Finanzierung des Vorhabens verhandelt die Bundesbahndirektion Köln zur Zeit noch mit der Veranlasserin, die Firma Rheinische Braunkohlenwerke AG. Es wäre erfreulich, wenn auch hier rechtzeitig ein positiver Abschluß erzielt werden könnte, da er die Voraussetzung für den Antrag darstellt.
Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, daß diese Angelegenheit in den Zuständigkeitsbereich der Deutschen Bundesbahn fällt; leider hat der Bundesminister für Verkehr im Rahmen des Bundesbahngesetzes keine Möglichkeit, initiativ zu werden.
Ich rufe die Frage XIII/22 — des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert — auf:
Bis wann ist mit dem Abschluß eines Vertrages der Bundesregierung, der Deutschen Bundesbahn und des Landes RheinlandPfalz zu rechnen, der die Einführung der „Als-ob"-Tarife für die Pfalz an Stelle eines Saar-Pfalz-Kanals zum Gegenstand hat?
Herr Bundesminister, bitte.
Nach dem letzten Stand der Verhandlungen war damit zu rechnen, daß ein Vertrag zwischen der Bundesbahn und dem Land Rheinland-Pfalz über die Einführung von Als-ob-Tarifen im potentiellen Wettbewerb gegen den geplanten Bau eines SaarPfalz-Kanals in aller Kürze abschlußreif sein würde. Die geplanten Tarifmaßnahmen sollen bekanntlich überwiegend für Güter gelten, die dem EWG-Vertrag unterliegen, so daß die EWG-Kommission in Brüssel ihre Zustimmung zur Einführung geben muß. Ohne diese Zustimmung dürfen derartige Tarife auf die Dauer nicht angewendet werden.
In den letzten Tagen sind nun unerwartete Schwierigkeiten aufgetaucht. Aus Brüssel verlautete am 5. März, daß die Kommission in einer internen Beratung Bedenken gehabt habe, diesen potentiellen Wettbewerb anzuerkennen. Eine schriftliche Bestätigung dieser Nachricht und vor allem die Begründung dazu liegen der Bundesregierung bisher noch nicht vor. Vielmehr hat die EWG-Kommission angedeutet, daß sie über die ganze Frage noch weiter verhandeln will. Es läßt sich daher heute noch nicht übersehen, ob und wann bei dieser Stellungnahme der Kommission der gewünschte Vertragsabschluß zwischen dem Lande Rheinland-Pfalz und der Bundesbahn möglich sein wird. Jedenfalls werden wir uns weiterhin in Brüssel mit allem Nachdruck um eine gute Lösung dieser Frage bemühen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller-Emmert!
Herr Minister, halten Sie den derzeitigen Tarifzustand für richtig, der der pfälzischen Wirtschaft und Industrie erhebliche Nachteile deshalb bringt, weil im Saarland bereits ab 1. Juni 1964 die sogenannten Als-ob-Tarife angewendet werden?
Herr Kollege, ich glaube, daß zwischen der pfälzischen Industrie und der saarländischen Industrie in der Beziehung keine so große Konkurrenz besteht und daß, jedenfalls in Richtung auf Süddeutschland, die Tariflage der pfälzischen Industrie noch nicht so schlecht ist, daß erhebliche Bedenken in dieser Richtung geäußert werden könnten. Wenn wir nicht beabsichtigten, den Kanal zu bauen, würde doch die Frage einer tarifarischen Änderung dort überhaupt nicht zur Diskussion stehen.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller-Emmert!
Herr Minister, noch eine Frage bitte: Werden Sie, sofern die Als-ob-Tarife von der EWG-Kommission in Brüssel und von der Hohen Behörde in Luxemburg als unzulässige Unterstützungstarife angesehen werden sollten, sich dann dafür einsetzen, daß der Saar-Pfalz-Kanal wirklich gebaut wird?
Herr Kollege, wir müssen hier doch die Begriffe einmal klarstellen. Die Als-ob-Tarife sind Wettbewerbstarife gegen den potentiellen Wettbewerb des zum Bau vorgesehenen Saar-Pfalz-Kanals. Unterstützungstarife werden dagegen mit Zustimmung der Hohen Behörde für die Montangüter, mit Zustimmung der EWG-Kommission für die Nichtmontangüter dann gewährt, wenn eine besondere Notlage in diesen betreffenden Gebieten anerkannt wird. Es sind also zwei ganz verschiedene Fragen. Wenn die Als-ob-Tarife als Wettbewerbstarife nicht anerkannt werden sollten — aber wir sind der Meinung, sie müßten nach Entscheidungen, die der Europäische Gerichtshof in anderen Fällen getroffen hat, mindestens im Montanbereich anerkannt werden —, dann ist natürlich der Bau des Saar-Pfalz-Kanals auf der Tagesordnung.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965 8627
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher!
Herr Bundesminister, werden Sie sich nicht in jedem Falle für den Bau des SaarPfalz-Kanals einsetzen?
Herr Kollege, die Frage des Saar-Pfalz-Kanals ist ja nur wichtig und wesentlich, wenn dadurch der Wirtschaft des Raumes insbesondere an der Saar entsprechende Vorteile für ihre wirtschaftliche Entwicklung durch besseren verkehrsmäßigen Anschluß gegeben werden. Wenn es möglich ist, durch Als-ob-Tarife den Bau des Kanals und die Investition, die dafür notwendig ist, hinauszuschieben oder vielleicht auf lange Zeit überhaupt nicht notwendig zu machen, ohne daß dadurch der Wirtschaft an der Saar irgendwelche Nachteile erwachsen, dann ist das natürlich eine wesentlich wirtschaftlichere Methode, als wenn man die großen Investitionen eines Kanalbaus auf sich nimmt, der ja zu seiner Fertigstellung viele Jahre benötigt, während ich mit den Tarifen, sofern der potentielle Wettbewerb anerkannt wird, sofort helfen kann. Es ist also hier eine Frage, die sich rein aus der Diskussion darüber ergibt, ob diese Als-obTarife wirklich zugelassen werden und ob man einen potentiellen Wettbewerb sowohl nach den Regeln des Montanvertrages wie nach denen des Römischen Vertrages anerkennt. Wir werden, weil das Gerichtsurteil vorliegt, diese Frage selbstverständlich auch wieder vor den Europäischen Gerichtshof tragen, damit in dieser Frage endgültig einmal eine klare Entscheidung getroffen wird. Wenn auch mit Hilfe des Gerichts die Als-ob-Tarife nicht durchzusetzen sind, ist, wie ich sage, der Bau des SaarPfalz-Kanal auf der Tagesordnung.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dröscher!
Herr Bundesminister, darf ich Ihre Stellungnahme so verstehen, daß Sie in jedem Fall, da der Schwebezustand für die Beteiligten doch unerträglich ist, für eine beschleunigte Entscheidung der zuständigen Stellen eintreten werden?
Herr Kollege, ich bin manchmal der Ansicht, daß, wenn man nach manchen Dingen — die Gegenstand schwieriger Verhandlungen sind — nicht so fragen würde wie hier, der Erfolg unserer Bemühungen leichter zu erreichen wäre.
Herr Abgeordneter Drachsler, noch eine Frage!
Herr Minister, sind Sie bereit, auch anderen Wirtschaftsregionen, die ebenfalls nach „nassen" Standorten auf diesem Gebiet streben, auf diesem Wege zu helfen, wenn dadurch ihre Wettbewerbssituation verstärkt wird? Muß nicht auch berücksichtigt werden, daß ihre Konkurrenzlage verschlechtert wird, wenn anderen Gebieten solche Tarife gewährt werden?
Herr Kollege Drachsler, ich würde die Bundesbahn sehr herzlich bitten, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen. Sie wissen, ich kann diese Tarife ja nicht festsetzen. Aber wenn ein potentieller Wettbewerb gegeben ist, besteht natürlich auch die Möglichkeit, mit der Bahn darüber zu verhandeln, ob sie etwa den Bau einer neuen Wasserstraße im Interesse der Verkehrserhaltung verhindern will, indem sie entsprechend günstigere Tarife anbietet. Ich würde mich immer dafür einsetzen, daß hier eine gleichmäßige Behandlung der verschiedenen Reviere erfolgt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rademacher!
Herr Minister, glauben Sie, daß durch die durchaus berechtigten Wünsche anderer Kanalprojekte, besonders im süddeutschen Raum, der Zehnjahresplan im nordwestdeutschen Raum, einschließlich des Baues des Nordsüdkanals, gefährdet werden könnte?
Nein, Herr Kollege Rademacher. Man muß ja hier folgendes unterscheiden. Wir haben einen Ausbauplan über Wasserstraßen entworfen, der grundsätzlich von uns für notwendig erachtet wird. Wir bemühen uns auf den verschiedensten Wegen, die Finanzierung dieser notwendigen Maßnahmen durchzusetzen. Wir haben im nordwestdeutschen Raum mit Einverständnis der Länder erreicht, daß sie bereit sind, wie im süddeutschen Raum, auch ein Drittel der Kosten, die der Bund aufbringt, zu übernehmen, und damit die Finanzierung sicherzustellen. Im süddeutschen Raum ist die Entscheidunig in dieser Richtung noch nicht endgültig ausgehandelt, weil wir ja dort bisher vor der Frage stehen, ob der Wunsch — der Wille, möchte ich nicht sagen —, den Kanal zu bauen, im Hinblick auf Als-ob-Tarife vorläufig zurückgestellt werden kann.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jacobs.
Herr Minister, gilt Ihr Bekenntnis zu den Als-ob-Tarifen auch für den Fall, daß durch ihre Verwendung ein bereits bestehendes Kanalprojekt in seiner Kapazität erheblich beeinflußt wird, wie es bei der Mosel ja der Fall ist?
Ich kann mir nicht vorstellen — bei allen Überlegungen, die wir angestellt haben —, daß die Frachten auf der Mosel durch den Bau eines SaarPfalz-Kanals in ihrer Menge entscheidend beeinflußt werden. Die Frachten auf der Mosel könnten sogar noch eine Verstärkung erhalten, wenn neben dem Saar-Pfalz-Kanal auch noch die untere Saar kanalisiert wird. Im großen und ganzen also können
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8628 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
Bundesminister Dr.-Ing. SeebohmSie sagen, die Wasserstraßen nehmen sich gegenseitig nichts weg.
Keine weitere Zusatzfrage.
Wir kommen nun zu den Fragen auf der Drucksache IV/3155, zunächst die Frage — des Abgeordneten Felder — aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung:
Welche Haltung nimmt der Bundesverteidigungsminister zu dem Vorschlag der Deutschen Gesellschaft für Psychologie ein, entsprechend dem Muster des „Beirates für Medizin" nun auch einen „Beirat für Psychologie" zu bilden?
Ist Herr Abgeordneter Felder im Saal? — Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Dröscher übernommen.
Bitte, Herr Staatssekretär Gumbel.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesminister der Verteidigung hat der Deutschen Gesellschaft für Psychologie schriftlich geantwortet, daß er eine enge Zusammenarbeit zwischen Universitäts- und Bundeswehrpsychologen sehr begrüßt, sei ,es in Form von gemeinschaftlichen Besprechungen, sei es durch Sachverständigengutachten, sei es durch Übernahme von Forschungsaufträgen. Eine solche Zusammenarbeit ist bereits früher angestrebt worden.
Dagegen ist er nicht der Auffassung, daß diese Zusammenarbeit nur über einen besonderen Beirat für Psychologie herbeigeführt werden kann. Es ist zudem auch nicht möglich, für jedes Arbeitsgebiet einen Beirat einzurichten. Sie haben sich in Ihrer Anfrage, Herr Abgeordneter, auf den Beirat für Medizin bezogen. Ich meine allerdings, daß Bedeutung und Größenordnung zu unterschiedlich sind, als daß daraus der Wunsch nach der Berufung eines Beirats für Psychologie begründet werden könnte. Das hat nichts mit dem Rang der psychologischen Wissenschaft zu tun. Ich schätze sie nicht geringer ein als etwa die Medizin oder eine andere Disziplin. Aber für die Bundeswehr sind Umfang und Bedeutung der Medizin ungleich größer. Das kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß für das Sanitäts- und Gesundheitswesen eine eigene Abteilung und Inspektion im Ministerium eingerichtet worden ist. Im übrigen ist die Psychologie im Beirat Innere Führung vertreten. Auf Grund einer früheren Empfehlung des ersten Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Psychologie sind in den Beirat zwei Diplom-Psychologen berufen worden.
Meine Damen und Herren, die Zeit für die Fragestunde ist leider vorüber; ich muß sie abschließen. Die übrigen Fragen werden schriftlich beantwortet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung weiterhin ergänzt werden um die
Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses zu dem sechzehnten Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes .
Das Haus ist damit einverstanden? Es wird nicht widersprochen? — Es ist so beschlossen.
Ich schlage vor, daß wir diesen Punkt gleich behandeln. — Das Haus ist einverstanden. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Toussaint. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vermittlungsausschuß hat in seiner gestrigen Sitzung den Antrag des Bundesrates auf Streichung der in Art. 1 Nr. 20 Buchstabe c vorgesehenen Neufassung des sogenannten Mischfutterprivilegs im Sechzehnten Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes beraten. Ich bin leider gehalten, Ihnen den Bericht mündlich zu geben, da die Sitzung des Vermittlungsausschusses erst gestern abend stattgefunden hat und die Erstellung eines Schriftlichen Berichts nicht mehr möglich war.Meine Damen und Herren, nach geltendem Recht hat das in der Freiliste 3 Ziffer 10 geregelte Mischfutterprivileg folgende Fassung:Begünstigt sind Mischfuttermittel, die den ernährungswirtschaftlich vorgeschriebenen Normen entsprechen und vorschriftsmäßig registriert, verpackt und gekennzeichnet sind, soweit sie zur Fütterung von Rindern, Pferden, Schweinen, Schafen, Ziegen und Geflügel bestimmt sind.Das vom Bundestag verabschiedete Sechzehnte Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes gibt in Art. 1 Nr. 20 Buchstabe c dieser Vorschrift folgende Neufassung:Begünstigt sind Mischfuttermittel, die zur Fütterung von Rindern, Pferden, Schweinen, Schafen, Ziegen, Geflügel, Kaninchen oder Nutzfischen bestimmt sind, wenn— und .hier kommt es auf die entscheidende Fassung an —durch eine Bescheinigung der zuständigen obersten Landesbehörde oder einer von dieser beauftragten Stelle nachgewiesen wird, daß die Mischfuttermittel unter Beachtung der futtermittelrechtlichen Vorschriften hergestellt und geliefert worden sind.Wie kam es zur Neufassung dieser Bestimmung? Dem Finanzausschuß des Bundestages wurde dargelegt, daß eine Prüfung der Einhaltung der futtermittelrechtlichen Vorschriften durch die Finanzverwaltung, wie sie geschieht, entbehrlich sei, weil bereits eine laufende und sachgerechte Prüfung seitens der Landesernährungsbehörden erfolge. Der Bundestag hat diesem Vorbingen Rechnung getragen und die nach dem geltenden Recht der Finanzverwaltung obliegende Verpflichtung, bei den im Großhandel gelieferten Mischfuttermitteln die Einhaltung der futtermittelrechtlichen Vorschriften zu prüfen, mit der Neufassung beseitigt.Hiergegen hat nun der Bundesrat in seiner 278. Sitzung vom 12. Februar 1965 die Anrufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel der Strei-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965 8629
Dr. Dr. h. c. Toussaintchung dieser Neufassung beschlossen. Der Bundesrat begründete seinen Antrag wie folgt: Nach dem geltenden Recht könne sich die Ernährungsverwaltung auf Stichprobenkontrollen der Mischfuttermittelproduktion beschränken, was sich als ausreichend erwiesen habe. Die Neufassung erfordere infolge der von den Landesernährungsbehörden zu erteilenden Bescheinigung über die Einhaltung der Vorschriften eine ständige Kontrolle der gesamten Produktion. Dies sei technisch undurchführbar und würde personelle und sachliche Kosten in einer Höhe verlangen, die in keinem Verhältnis zum angestrebten Erfolge stände.Gleichzeitig hat der Bundesrat darauf hingewiesen, daß, falls diese Neufassung nicht gestrichen werden würde, die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes festgestellt werden müßte. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß die Neufassung des sogenannten Mischfutterprivilegs das Verfahren von Landesbehörden regle und daher der Zustimmung nach Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes bedürfe.Die gesamte mit der Neufassung des Mischfutterprivilegs aufgetauchte Problematik würde durch die Annahme des Antrags des Vermittlungsausschusses behoben werden können. Ziffer 10 soll danach folgende Fassung erhalten — die Drucksache liegt Ihnen vor —:Mischfuttermittel, die unter einer nach den futtermittelrechtlichen Vorschriften registrierten Bezeichnung geliefert werden, soweit sie zur Fütterung von Rindern, Pferden, Schweinen, Schafen, Ziegen, Geflügel, Kaninchen oder Nutzfischen bestimmt sind.Durch diese Formulierung würde den Bedenken des Bundesrates Rechnung getragen werden, ohne das Anliegen des Bundestages wesentlich zu beeinträchtigen. Bei dieser Fassung würde das Bescheinigungsverfahren, wie vom Bundesrat gefordert, wegfallen und wäre auch die vom Bundesrat aufgeworfene Frage der Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes beseitigt. Auf der anderen Seite hätte die Finanzverwaltung lediglich noch zu prüfen, ob Registrierungsbescheide für die gelieferten Mischfuttermittel vorliegen und ob die Mischfuttermittel unter registrierter Bezeichnung geliefert worden sind. Die Prüfung, ob die futtermittelrechtlichen Bestimmungen beachtet worden sind, obliegt den Ernährungsbehörden wie bisher. Diese Prüfung wird auch nach den Ausführungen des Bundesrates in seinem Anrufungsbeschluß als ausreichend bezeichnet.Der Vermittlungsausschuß empfiehlt Ihnen die Annahme des auf Drucksache IV/3182 vorgelegten Antrags des Vermittlungsausschusses.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort zu Erklärungen gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf den Punkt 4 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation . Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) (Drucksache IV/3075).
Wünscht der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Dr. Wahl, das Wort? — Das ist nicht der Fall.Wir treten in die Beratung ein. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. 1 und 2. Wer den aufgerufenen Artikeln zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen, keine 'Gegenstimmen.Bei Art. 3 müssen wir zunächst über einen Antrag des Ausschusses abstimmen, wonach Art. 3 durch den Satz ergänzt werden soll:Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 ,Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ohne Gegenstimmen und Enthaltungen ist dieser Antrag des Ausschusses einstimmig angenommen.Wir stimmen nun ab über Art. 3 in der neuen Fassung. Wer diesem Art. 3 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Weder Gegenstimmen noch Enthaltungen.Einleitung und Überschrift. — Wer stimmt dem zu? Handzeichen bitte! — Meine Damen und Herren, ich muß die Morgenmüdigkeit durch Abstimmungen etwas überwinden.
— Nein, soweit sind wir noch nicht. Das kommt aber auch noch. — Damit ist das Gesetz in zweiter Beratung verabschiedet.Wir treten in diedritte Beratungein. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Danke. Die Gegenprobe!— Ich nehme an, daß die Herren, die stehen, nicht mit Nein stimmen wollen. — Danke. Enthaltungen?— Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. Das Gesetz ist verabschiedet.Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
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8630 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
Vizepräsident SchoettleVertrag vom 1. Dezember 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die seitliche Abgrenzung des Festlandsockels in Küstennähe .Wird von seiten der Bundesregierung das Wort zur Begründung dieses Entwurfs gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache in der ersten Beratung. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen.Es ist vorgeschlagen, die Vorlage dem Auswärtigen Ausschuß zu überweisen. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Flugplatzes Köln-Ostheim an die Firma Dr. Madaus & Co. in Köln .Die Vorlage soll an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes überwiesen werden. Wird diesem Vorschlag widersprochen? - Das ist nicht der Fall; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 7 a, b, c und d auf:a) Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Zehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 (Drucksache IV/3098),b) Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Zwölften Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 (Drucksache IV/3144),c) Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Vierzehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 (Drucksache IV/3145),d) Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung über Änderung von Zollkontingenten für das Kalenderjahr 1964 .Das Wort wird zu diesen Vorlagen nicht gewünscht. Es ist vorgeschlagen, alle vier Vorlagen an den Außenhandelsausschuß zu überweisen. — Ich höre gegen diesen Vorschlag keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Tamblé, Frau Dr. Heuser, Dr. Jungmann und Genossen betreffend Eintragung der niedergelassenen Ärzte in den Amtlichen Fernsprechbüchern (Drucksachen IV/1969, IV/3096).Wünscht der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Cramer, das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wir müssen über den Ausschußantrag abstimmen. DerAntrag des Ausschusses lautet, den Antrag unverändert anzunehmen. Wir stimmen ab. Wer stimmt dem Antrag des Ausschusses zu? Ich bitte um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Atomgemeinschaft zur Änderung der Bestimmungen des Zweiten Titels Kapitel VI des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Versorgung) (Drucksachen IV/2886, IV/3121).Wünscht der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Flämig, das Wort?
— Sie verweisen auf den Schriftlichen Bericht, ich danke Ihnen. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Sie finden ihn auf Seite 3 der Drucksache IV/3121.Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke! Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ohne Gegenstimmen und Enthaltungen ist der Antrag des Ausschusses angenommen.Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWGfür eine Richtlinie des Rats auf Anwendung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über landwirtschaftliche Pachtverträge auf die Landwirte, die Angehörige anderer Mitgliedstaaten sindfür eine Richtlinie des Rats auf Anerkennung des Rechts der Landwirte, die Angehörige eines Mitgliedstaates und in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, auf Betriebwechsel .Berichterstatter ist der Abgeordnete Walter. Wünscht der Herr Abgeordnete Walter das Wort? — Das ist nicht der Fall; ich danke ihm für seinen Bericht.Es ist beantragt, das Haus wolle Kenntnis nehmen. — Diesem Antrag wird nicht widersprochen.Ich rufe Punkt 111 der Tagesordnung auf:Beratung des Mündlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965 8631
Vizepräsident SchoettleEWG für eine Verordnung des Rats über eine gemeinsame Begriffsbestimmung des Warenursprungs .Berichterstatter ist der Abgeordnete van Delden. Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die im Außenhandelsausschuß behandelte Drucksache IV/2994 verdient es, entgegen der üblichen Prozedur bei Vorlagen des Außenhandelsausschusses mit einigen Worten gewürdigt zu werden. Bei dem Vorschlag der Verordnung des Rats über eine gemeinsame Begriffsbestimmung des Warenursprungs handelt es sich um eine Verordnung, welche von allen Teilen der Wirtschaft begrüßt wird. Auch der Außenhandelsausschuß ist der Meinung, daß dadurch endlich die Grundlage für eine gemeinsame Regelung der Nationalisierungsbestimmungen innerhalb der EWG für Erzeugnisse nicht allein der gewerblichen Wirtschaft geschaffen wird.
Nicht zuletzt sind die in vielen Teilen der Wirtschaft zu beklagenden Wettbewerbsverzerrungen mit auf die Unterschiedlichkeit bei der Ausstellung von Ursprungszeugnissen zurückzuführen. Durch eine solche Vereinheitlichung würde ferner verhindert werden, daß die Begriffsbestimmungen des Warenursprungs je nach der konjunkturellen Lage eines Gewerbezweiges in einem Mitgliedstaat von letzterem manipuliert und damit unzulässigerweise zu einem Mittel der Handelspolitik würden. Die Begriffsbestimmungen sind im wesentlichen von denjenigen übernommen worden, die wir im deutschen Recht bisher kennen.
Neu ist, daß ein Ausschuß bei der EWG gebildet werden soll, welcher die Kommission bei der Beratung unterstützt und auch Kriterien für besonders empfindliche Zweige bzw. Artikel der gewerblichen Wirtschaft herausarbeiten soll. Diesem Ausschuß kommt später besondere Bedeutung zu, nämlich dann, wenn durch Mehrheitsbeschluß solche Kriterien angenommen werden können; denn es kann durchaus sein, daß nachher, wenn erst einmal die Gemeinschaft funktioniert, in einem Lande ein Artikel ein kritisches Erzeugnis darstellt, während die anderen Länder eine großzügigere Handhabung angewandt wissen wollen, um damit vielleicht eine Veredelungsindustrie zu Lasten einer Industrie in einem anderen Lande aufzubauen.
Der Ausschuß hat einmütig von dieser Vorlage Kenntnis genommen und bittet das Hohe Haus, das gleiche zu tun.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; die Aussprache ist geschlossen.Es ist vorgeschlagen, der Bundestag wolle den Vorschlag der Kommission der EWG zur Kenntnis zu nehmen. Ich nehme an, daß ich darüber nicht abstimmen zu lassen brauche. — Da kein Widerspruch gegen diesen Vorschlag erfolgt, ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:a) Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Preissteigerungen im Berufsverkehr ,b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Notstand auf den Straßen und im Straßenbau ,c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Schutz von Taxifahrern gegen Überfälle ,d) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Burgbacher, Rauhaus, Dr. Aschoff und Genossen, dem Abgeordneten Jacobi und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes (Drucksache IV/2751),e) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen über den Antrag der Abgeordneten Lemmrich, Dr. Müller-Hermann, Drachsler, Eisenmann und Genossen betr. Änderung der vorläufigen Richtlinien für die Gewährung von Bundeszuwendungen zu Straßenbaumaßnahmen von Gemeinden und Gemeindeverbänden (Drucksachen IV/1978, IV/2794 in Verbindung mit dem Bericht des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache IV/3122),f) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Drachsler, Dr. Sinn, Dr. Höchst, Adorno, Lemmrich, Wagner und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU, den Abgeordneten Ramms und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes
g) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Löbe, Dr. Imle und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Untersuchung der wirtschaftlichen Lage der Deutschen Bundesbahn, der Binnenschifffahrt und des gewerblichen Kraftverkehrs ,h) Beratung ,des Antrags der Abgeordneten Dr. Löbe, Dr. Imle und der Fraktion der FDP betr. Mannheimer Akte ,i) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Löbe, Rademacher und Genossen betr. Errichtung eines Bundesamtes für Transportkosten ,j) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen über den Entschlie-
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8632 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
Vizepräsident Schoettleßungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl ,k) Zweite und dritte Beratung .des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schiffssicherheitsvertrag vom 17. Juni 1960 ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Ausschuß) (Drucksache IV/3097),
l) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt ;a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache IV/3180),b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache IV/3133),
m) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Ausschuß) (Drucksache IV/3134),
n) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. März 1958 über die Annahme einheitlicher Bedingungen für die Genehmigung der Ausrüstungsgegenstände und Teile von Kraftfahrzeugen und über die gegenseitige Anerkennung der Genehmigung ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Ausschuß) (Drucksache IV/3136),
o) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Adorno, Bauknecht, Maucher und Genossen zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1964 betr. Fernschnellstraße Ulm—Lindau (Drucksache IV/3135, Umdruck 437),p) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen über den Antrag der Abgeordneten Josten, Buchstaller, Dr. Danz und Genossen betr. Verbesserung der Fahrwasserverhältnisse auf dem Rhein, der verkehrsreichsten Wasserstraße Europas (Drucksachen IV/2020, IV/3137),q) Beratung des Antrags ides Abgeordneten Dr. Pohlenz und der Fraktion der SPD betr. Erstversorgung für Unfallverletzte .Wir beginnen zunächst mit der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Preissteigerungen im Berufsverkehr. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Seibert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem während der Parlamentsferien, am 12. August, die sozialdemokratische Fraktion ihre Große Anfrage betreffend Preissteigerungen im Berufsverkehr vorgelegt hatte, fand acht Tage später, am 20. August 1964, im Bundeskanzleramt ein Spitzengespräch über die finanzielle Lage der Deutschen Bundesbahn statt. Das Ergebnis war: Erstens, die Regierung will sich um eine Sicherung 'der Liquidität der Bundesbahn bemühen; zweitens die Tarife im Berufs-, Schüler- und Sozialverkehr sollen nicht erhöht werden. Wir haben heute keinen Überblick mehr darüber, ob man sich auf diese Zusage verlassen kann; denn aus anderen Gründen als aus dem Anlaß für unsere Große Anfrage sind in der Zwischenzeit Erklärungen über die Abdeckung von Verlusten des Berufs- und Schülerverkehrs abgegeben worden. Deshalb wäre die Bundesregierung nicht gut beraten, wenn sie heute hier etwa den Standpunkt vertreten wollte, unsere Fragen seien durch die Entwicklung und die Verabschiedung des Haushalts 1965 überholt.Nun liegt uns zwar noch immer nicht die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem BundesbahnBericht vom 1. September 1964 vor. Aber wir haben die Ausführungen des Herrn Bundesverkehrsministers in der Verkehrsdebatte vom 10. Juni 1964, wonach er die rechnungsmäßige Trennung des Güterund Personenverkehrs billigte, ohne daß er allerdings die Bereitschaft der Bundesregierung erklären konnte, das Defizit des Personenverkehrs unter Aufrechterhaltung der Sozialtarife voll auszugleichen.Aus dieser Formulierung kann nun gewiß nicht geschlossen werden, daß die Bundesregierung allgemein eine Tariferhöhung im Berufs- und Schülerverkehr ablehnen werde.Natürlich übersehen wir nicht die Ausführungen, die der Herr Bundesverkehrsminister kürzlich unter der Überschrift „ Zur Lage der Deutschen Bundesbahn" vom Presse- und Informationsamt hat veröffentlichen lassen.Ich muß ausdrücklich betonen, daß wir Sozialdemokraten die klaren Worte sehr begrüßt haben, nach denen die sogenannte „negative Rationalisierung" — d. h. Einschränkung von Verkehrsdiensten — trotz erheblicher Ausdehnung keine nennenswerten Erträge geliefert hat.Der Herr Bundesverkehrsminister hat ferner betont, daß vielfach ein Verlustausgleich an Stelle „negativer Rationalisierung" volkswirtschaftlich wesentlich sinnvoller und sparsamer sei als die Durchführung des Verkehrs „in anderer Weise".
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965 8633
SeibertSpeziell zur Frage des Personenverkehrs wurde gesagt, die Abwanderung im Personennahverkehr auf die Straße zwinge zu Investitionen, die wesentlich höher sein könnten als die Deckung der Verluste der Massenverkehrsmittel. Es wird darauf verwiesen, daß in unseren Nachbarländern den Eisenbahnen für vom Staat gewünschte, die Selbstkosten nicht deckende Tarife höhere Ausgleichszahlungen als bei uns gewährt werden.Der Herr Bundesverkehrsminister führt ferner aus, nach den Beschlüssen der Europäischen Verkehrsministerkonferenz, der sogenannten CEMT, über die Normalisierung der Konten müsse der Bundesbahn ab 1966 aus öffentlichen Mitteln die Differenz zwischen Einnahmen und Selbstkosten im Schüler-, Berufs- und Sozialverkehr erstattet werden.Meine Damen und Herren, wir sind gespannt darauf, ob die Stellungnahme der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit zu dem Bundesbahnbericht vom 1. September 1964 in diesem Punkt diese klare Haltung einnehmen wird.Nur eines davon mißfällt uns. Wenn diese Überlegungen der CEMT „in den letzten 10 Jahren" angestellt wurden, dann verstehen wir nicht, warum die Bundesregierung diese Frage erst jetzt in dieser Weise anpackt, obwohl doch spätestens seit 1960 klar ist, welche entscheidende Rolle die Verluste im Personenverkehr der Eisenbahnen und der Bundesbahn spielen.Alle Gutachten über die Deutsche Bundesbahn —davon gibt es nunmehr wohl ein gutes Dutzend — einschließlich des sogenannten Brand-Gutachtens und des am 29. Oktober 1964 dem Bundestag zugeleiteten Berichtes des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn vom 1. September 1964 haben immer wieder den Personenverkehr, insbesondere den Nahverkehr und innerhalb dessen wiederum den Berufs-, Schüler- und Sozialverkehr, als die größte Verlustquelle der Deutschen Bundesbahn herausgestellt.Schon in dem am 10. Februar 1960 dem Deutschen Bundestag vorgelegten „Bericht über die Deutsche Bundesbahn", dem Brand-Gutachten, hieß eis, der Verlust des Personenverkehrs betrage 847 Millionen DM, wovon mehr als 600 Millionen dem Berufs- und Schülerverkehr zuzurechnen seien.In diesem Bericht hieß es ferner, daß die Einnahmen des Personenzugverkehrs seinerzeit nur 41 % der Selbstkosten deckten. Im Berufsverkehr sei die Kostendeckung nur zu 33%, im Schülerverkehr nur zu 14% gelungen.Welche Vorschläge hatte die Brand-Kommission daran geknüpft? Sie hatte empfohlen, statt der Tarifbegünstigungen im Berufs-, Schüler- und Sozialverkehr einen allgemeinen Rabatt von 33 1/3% auf den Normaltarif für alle Dauerbenutzer der Deutschen Bundesbahn zu gewähren. Der Normaltarif betrug damals 7,5 Pf je Kilometer, so daß also die Reisenden im Schüler-, Berufs- und Sozialverkehr 5 Pf je Kilometer hätten zahlen müssen.Um aber derart drastische Tariferhöhungen zu vermeiden, hat der Herr Bundesfinanzminister derDeutschen Bundesbahn am 11. Mai 1960 eine Ausgleichszahlung von 150 Millionen DM zugesichert. Gegenüber dem Brand-Vorschlag, rund 305 Millionen DM durch Tariferhöhungen hereinzubringen, war demnach nur eine Mehreinnahme von 155 Millionen DM anzustreben. Die Deutsche Bundesbahn beantragte daher eine Tariferhöhung von 46,5 %.Die Bundesregierung genehmigte ab 1. November 1960 eine Erhöhung um 25% im Berufsverkehr und versagte eine Erhöhung der Schülertarife völlig.Die Deutsche Bundesbahn erzielte auf diese Weise Mehrerlöse auf Grund der 25%igen Erhöhung der Tarife im Berufsverkehr von etwa 70 Millionen DM. Unter Hinzurechnen der Ausgleichszahlung in Höhe von 150 Millionen DM ergeben sich insgesamt rund 220 Millionen DM. Sie blieb also auf Grund der ablehnenden Haltung der Bundesregierung mit ihren Einnahmen um rund 85 Millionen DM hinter dem Brand-Vorschlag zurück. Wäre die Bundesregierung seinerzeit konsequent gewesen, hätte sie eine Ausgleichszahlung von 150 Millionen plus 85 Millionen DM, insgesamt 235 Millionen DM, gewähren müssen.Diese effektive Leistung des Bundes war aber nicht nur dem Betrag nach unzureichend, sondern auch unter dem Gesichtspunkt einer sauberen Abgrenzung und der Haushaltsklarheit und -wahrheit nicht eindeutig im Bundeshaushalt deklariert.Schon im Sofortprogramm der Bundesregierung vom 20. Juni 1960 war nicht mehr von einer „Ausgleichszahlung" die Rede, sondern es hieß dort:Da nicht anzunehmen ist, daß die Deutsche Bundesbahn aus den zu erwartenden Mehreinnahmen und ihrem eigenen gewinnbringenden Verkehr die Verluste vor allem aus dem BerufsSchüler- und sonstigen Sozialverkehr ausgleichen kann, ist der Deutschen Bundesbahn im Rahmen des Sofortprogramms eine Anpassungshilfe zur Erleichterung der Rationalisierung in diesen Verkehren in Höhe von 150 Millionen DM jährlich zu gewähren.Der entsprechende Ansatz im Einzelplan 12 des Bundeshaushalts wird jeweils, wie auch die Erläuterungen zu Kap. 12 02 Tit. 510 Buchstabe e Ziffer 2 im Bundeshaushaltsplan 1965 zeigen, als „Anpassungshilfe zur Erleichterung der Rationalisierung im Personenzugverkehr" bezeichnet. Diese Deklarierung läßt nach Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion jede Kennzeichnung der heute unveränderten Zweckbestimmung dieses Ansatzes — nämlich Verhinderung von Tariferhöhungen vor allem im Berufs-, Schüler- und Sozialverkehr — vermissen.Wir fragen deshalb die Bundesregierung unter Punkt 1: Welche Gründe hatte die Bundesregierung, um die der Deutschen Bundesbahn ab 1960 gewährte Abgeltung für nicht genehmigte Tarifanträge im Berufsverkehr als „Anpassungshilfe" für die Rationalisierung im Personenverkehr zu deklarieren?Nach dem bereits erwähnten Sofortprogramm der Bundesregierung für die Deutsche Bundesbahn vom
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8634 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
Seibert20. Juni 1960 sollte diese Zahlung — und das hat nun eigentlich mit der Deklarierung im Haushalt nichts mehr zu tun — jährlich geleistet werden.Die Bundesregierung mußte sich doch, als sie die Zusage des Bundesministers der Finanzen vom 11. Mai 1960 billigte, der Deutschen Bundesbahn eine Ausgleichszahlung von 150 Millionen DM zu gewähren, darüber im klaren sein, daß eine Kürzung dieser Zuwendung des Bundes nichts anderes zur Folge haben konnte als einen Antrag des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn, die seinerzeit zum Teil zurückgestellte Tariferhöhung, soweit sie-nicht durch die Ausgleichszahlung abgedeckt war, nachzuholen. Die Bundesregierung hatte im übrigen diesen Ausgleichsbetrag für den Berufs-, Schüler- und Sozialverkehr 1962 auf 170 Millionen DM erhöht und auch in den Jahren 1963 und 1964 dieselbe Summe angesetzt. Sie tat dies wohl im Hinblick darauf, daß auf Grund eines immer schlechteren Verhältnisses zwischen Aufwand und Ertrag in diesen Verkehren infolge der zunehmenden Motorisierung die Verluste immer stärker ansteigen, weil die Deutsche Bundesbahn wegen der zwingenden Vorschrift des § 4 des allgemeinen Eisenbahngesetzes, ihr Netz entsprechend den Anforderungen des Verkehrs auszubauen und zum Wohle der Allgemeinheit zu ergänzen, ihr Verkehrsangebot im Personenverkehr nicht einfach entsprechend dem Rückgang des Berufsverkehrs einschränken konnte.Nach Angaben der Deutschen Bundesbahn hatten 1963 die ungedeckten Kasten im Personennahverkehr den Betrag von 928 Millionen DM erreicht, weil jeder Personenkilometer im Durchschnitt die Deutsche Bundesbahn 11,86 Pf kostete bei einer Einnahme von 5,46 Pf. Im Berufsverkehr ist natürlich das Verhältnis noch viel ungünstiger. Es heißt, mehr als die Hälfte des Fehlbetrages von 928 Millionen DM im Personennahverkehr sei auf den Berufsverkehr entfallen. Die Ergebnisse für 1964 sind keineswegs günstiger.Es darf nicht verkannt werden, daß eine Tariferhöhung im Berufsverkehr nicht nur sozialen Bedenken begegnet; sie stünde auch dem entgegen, was verkehrspolitisch notwendig ist und auch gerade von der Enquete-Kommission zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden betont worden ist, nämlich der Schaffung eines besseren Verhältnisses von Individualverkehr und Massenverkehrsmitteln durch vergrößerte Attraktivität der Linienverkehrsmittel. Es wäre unmöglich, dieses Ziel zu erreichen, wenn der Berufsverkehr. der Bundesbahn auch noch verteuert würde.Wir fragen deshalb die Bundesregierung unter Ziffer 2:Aus welchen Gründen ist die Bundesregierung im Jahre 1965 nicht bereit, die 1960 übernommenen Verpflichtungen voll zu erfüllen, indem sie den Ansatz für Anpassungshilfe für die Rationalisierung im Personenverkehr um 50 Millionen DM gekürzt hat?Und unter Ziffer 3 fragen wir:Will die Bundesregierung durch diese Kürzungdie Deutsche Bundesbahn zwingen, Anträge zurErhöhung der Fahrpreise im Berufsverkehr zu stellen, wie dies 'bereits angekündigt worden ist?
— Damals, als die Kürzung im Haushalt bekannt wurde, Herr Kollege Müller-Hermann. Ich darf Sie daran erinnern, wie die Reaktion dann war.
Abgesehen von diesen verkehrspolitischen Überlegungen darf nach Auffassung der SPD nach dem mehrmaligen Hin und Her bei den Telefongebühren und der unglücklichen Hand, welche die Bundesregierung bei der Gestaltung behördlich geregelter Preise in dieser Frage hatte, nicht auch noch eine Erhöhung der Tarife im Berufsverkehr der Bundesbahn treten.Wir fragen daher die Bundesregierung unter Ziffer 4:Ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß angesichts der durch ihre bisherige Politik schon erhöhten Preise auf verschiedenen Gebieten schon die Erörterung von Tariferhöhungen bei der Deutschen Bundesbahn wegen ihrer psychologischen Auswirkungen auf die allgemeine Preisentwicklung die Maßhalteappelle des Bundeskanzlers noch unwirksamer machen könnte?Und unter Ziffer 5 fragen wir:Wird die Bundesregierung alle eventuellen Anträge auf eine Erhöhung von Fahrpsreisen im Berufsverkehr ablehnen?Meine Damen und Herren! Die am 12. August vergangenen Jahres gestellte Große Anfrage der SPD gilt heute um so mehr, als im Zusammenhang mit der Sicherstellung der Liquidität der Deutschen Bundesbahn für das Jahr 1965 solche Diskussionen über Tariferhöhungen abermals aufgetaucht sind. In letzter Zeit ist das Gerede um Tariferhöhungen besonders stark geworden. Der 1. Präsident der Deutschen Bundesbahn, Professor Oeftering, sah sich auch gestern bei einer Pressekonferenz veranlaßt, zu erklären, daß Tariferhöhungen im Berufsverkehr vorerst bzw. in absehbarer Zeit nicht erfolgen würden.Die Fraktion der SPD ist sehr daran interessiert, zu erfahren, welche Vorstellungen die Bundesregierung zu den aufgeworfenen Fragen hat. Sie erwartet von der Bundesregierung auf die Große Anfrage eine Antwort, die geeignet ist, die aufgetretenen Bedenken auszuräumen.
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Bundesregierung beantworte ich die Große Anfrage der Fraktion der Sozialdemo-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965 8635
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmkratischen Partei Deutschlands vom 12. August 1964, die soeben der Herr Kollege Seibert begründet hat, wie folgt.Zu Frage 1. Mit der Zahlung einer sogenannten Anpassungshilfe für die Rationalisierung im Personenverkehr wurde an das Brand-Gutachten, den Bericht über die Deutsche Bundesbahn vom 30. Januar 1960 angeknüpft, auf das sich auch Herr Kollege Seibert vorhin bezogen hat. In diesem Gutachten war als wesentlichste Quelle des Defizits der Deutschen Bundesbahn der Personenzugverkehr und hier insbesondere der Personennahverkehr aufgeführt. Benutzer der Personenzüge der Deutschen Bundesbahn sind etwa zur Hälfte die Reisenden des Berufsverkehrs, im übrigen dienen diese Züge teils dem Schülerverkehr, teils Reisen zu sonstigen Zwecken einschließlich der Anschlußfahrten von und zu Ferienreisezügen.1960 wurde angenommen, daß durch wirtschaftlichere Gestaltung des Reisezugverkehrs, unter anderem durch Elektrifizierung größerer Teile des Streckennetzes, die Rentabilität dieses Verkehrszweiges besonders auch im Personennahverkehr langsam gebessert werden könne. Demgemäß wurden die Zahlungen aus dem Bundeshaushalt zu dem ausdrücklichen Zweck einer Rationalisierung des Personenverkehrs bereitgestellt und nicht in der Form einer Ausgleichszahlung. Falls diese Kennzeichen, über die im Haushaltsausschuß damals gesprochen wurde, dem Wunsch des Hohen Hauses nicht entsprochen haben, hätten sie bei den Haushaltsberatungen seit 1960 auf Grund eines entsprechenden Antrages geändert werden können. Anträge dieser Art wurden aber meines Wissens in diesem Hohen Hause nicht gestellt.Zu Frage 2. Die Bundesregierung hat im Jahre 1960 keinerlei Verpflichtung übernommen, auch in Zukunft jährlich bestimmte Beträge aus dem Bundeshaushalt für den Zweck einer Rationalisierung des Personenverkehrs beizusteuern. Ob und welche Zahlungen geleistet werden, entscheidet sich vielmehr jeweils nach der Haushaltslage. Für das Jahr 1965 wurde der Bundeshaushalt aus den allgemeinen Gründen auf 63,9 Milliarden DM begrenzt. Dies machte es erforderlich, die Leistungen des Bundes für die Deutsche Bundesbahn bei Aufstellung des Haushaltsentwurfs auf 926,5 Millionen DM zu beschränken, d. h. die ursprünglichen Ansätze im Bundeshaushalt um 50 Millionen DM zu kürzen. Die Kürzung mußte damals bei der in Rede stehenden Position durchgeführt werden, weil die erhöhten Zahlungen zum Ausgleich betriebsfremder Lasten und zur Abnahme der Versorgungslasten nicht beeinträchtigt werden sollten. Die entstandene Lücke — soweit man in diesem Zusammenhang überhaupt von einer Lücke sprechen kann — wird schon dadurch ausgefüllt werden, daß weitere Zuschüsse zur Aufrechterhaltung des Berufs- und sonstigen zu Sozialtarifen abgewickelten Nahverkehrs, der aus übergeordneten Gründen auf der Schiene verbleiben muß, in Aussicht genommen sind.Im übrigen darf ich auf die wesentliche Verstärkung der Leistungen des Bundes zugunsten der Deutschen Bundesbahn in den Jahren 1964 und 1965 hinweisen. So wurden 1965, wie Ihnen bekannt, 400 Millionen DM zusätzlich in den Bundeshaushalt eingestellt, die unter anderem dazu dienen, der Bundesbahn einen Teil der Versorgungslasten abzunehmen. Im Haushaltsgesetz 1965 ist die weitere Möglichkeit geschaffen, der Bundesbahn weitere Liquiditätshilfen bis zum Betrage von 750 Millionen DM zu gewähren. Der Deutschen Bundesbahn können im Jahre 1965 auch Öffa-Kredite in Höhe von 100 Millionen DM zur Finanzierung von Rationalisierungsinvestitionen zugeführt werden. Die Bundesregierung kommt also auch im Jahre 1965 wie bisher ihren finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Bundesbahn in weitestmöglichem Umfang nach. Sie tut dies vor allen Dingen auch deshalb, um den Bediensteten der Bundesbahn die ihnen zustehenden Bezüge, auch wenn sie noch kurz vor Weihnachten erhöht wurden, rechtzeitig und in vollem Umfang zukommen zu lassen, obwohl auch erhebliche Bedenken erhoben worden sind, ob dies hätte durchgeführt werden können. Es ist geschehen.Zu Frage 3: Nein. Die erwähnte „Anpassungshilfe für die Rationalisierung im Personenzugverkehr" ist nämlich nur eine Position im Rahmen der verlustmindernden Leistungen des Bundes an die Bundesbahn. Ob Tariferhöhungen notwendig oder möglich sind, um die Einnahmen der Bundesbahn ihrem Finanzbedarf anzugleichen, ist im gegebenen Fall nur auf Grund der jeweiligen finanziellen Gesamtlage der Bundesbahn und der gesamten Wirtschaftslage zu beurteilen. Nach Ansicht der Bundesregierung ist es zudem fraglich, ob bei einer etwaigen Erhöhung der Tarife im Berufsverkehr angesichts der gegenwärtigen Wettbewerbslage überhaupt Mehreinnahmen erzielt werden könnten oder ob die rechnerisch zu erwartenden Mehreinnahmen durch verstärkte Abwanderung vermindert werden würden.Zu Frage 4. Die Bundesregierung teilt die im August 1964 dargelegte Ansicht der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, daß eine Erhöhung der Personentarife und insbesondere der Sozialtarife der Deutschen Bundesbahn nicht in Aussicht genommen werden sollte. Sie hat ihre Auffassung unverändert beibehalten. Entsprechende Anträge der Deutschen Bundesbahn wurden bisher nicht gestellt. Bekanntlich ist die Deutsche Bundesbahn für das Stellen von Tarifanträgen allein zuständig. Diese Tarifanträge bedürfen dann noch der Zustimmung des Verwaltungsrats der Bundesbahn. Irgendwelche Ankündigungen des Vorsitzenden des Vorstandes der Bundesbahn in vagen Ausführungen bei Pressekonferenzen sind also wirklich nicht geeignet, Grundlage einer Diskussion in diesem Hohen Hause zu sein.Zu Frage 5. Die Deutsche Bundesbahn beabsichtigt nach Auskunft ihres Vorstandes, die dieser mir gegeben hat, nicht, Anträge auf Genehmigung einer Erhöhung der Fahrpreise im Berufsverkehr zu stellen. Die Bundesregierung betrachtet es ihrerseits nicht als angebracht, gerade bei dem Berufsverkehr und den anderen Sozialtarifen der Deutschen Bundesbahn Änderungen eintreten zu lassen, zumal diese nicht zu einer entscheidenden Besserung der
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Bundesminister Dr.-Ing. SeebohmErtragslage der Deutschen Bundesbahn führen dürften.Zur Sanierung der Bundesbahnfinanzen wird es einer Vielzahl von Maßnahmen bedürfen, die aufeinander abgestimmt sein müssen. Ein solcher Gesamtvorschlag, der sorgfältiger Überlegung bedarf, liegt der Bundesregierung zur Verabschiedung vor. Ich habe dazu in dem von Herrn Kollegen Seibert zitierten Aufsatz zur Lage der Deutschen Bundesbahn Gedanken entwickelt, die diesem Vorschlag zugrunde gelegt worden sind. Daß er noch nicht verabschiedet werden konnte, liegt an den Schwierigkeiten in den Beratungen über außenpolitische Fragen, die das Kabinett in der letzten Zeit so in Anspruch nahmen, daß die von mir gewünschte Verabschiedung der Kabinettsvorlage, die seit dem Oktober eine mehrfache Umarbeitung wegen der sich ändernden Verhältnisse bei der Bundesbahn erfahren hat, bis zu dieser Debatte leider noch nicht möglich gewesen ist.Dies ist die Antwort, die ich zu erteilen habe.Ich möchte noch folgendes hinzufügen. Es ist allen Mitgliedern des Hohen Hauses auch aus der Debatte anläßlich der zweiten Lesung des Bundeshaushalts für das Jahr 1965 sowie aus den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers über die Fragen der Deutschen Bundesbahn bei der dritten Lesung dieses Haushalts 1965 bekannt, daß in gewissen Fragen eben sozusagen eherne Gesetze gelten. Es gilt als unbestreitbarer Grundsatz, daß kein Dienstleistungsbetrieb es bei steigenden Kosten für Personal und Betriebsstoffe und bei gleichbleibenden Einnahmen vermeiden kann, in immer größere Defizite abzugleiten. Alle Dienstleistungsbetriebe weisen einen sehr hohen Anteil der Personalkosten an ihren Betriebskosten auf. Dieser Anteil liegt bei der Bundesbahn erheblich über zwei Dritteln ihrer Selbstkosten. Kein 'derartiger Dienstleistungsbetrieb vermag die notwendigen Personalkostenerhöhungen durch positive oder negative Rationalisierung auszugleichen. Es ist, wie der Vorsitzende des Verwaltungsrats der Deutschen Bundesbahn, Herr Hermann Josef Abs, in einer Rede in Bremen ausgeführt hat, dann die Entscheidung zu treffen, ob die dadurch entstehenden Defizite, für die das Personal der Deutschen Bundesbahn keine Verantwortung trägt, weil es in absolut guter und zuverlässiger Weise die gestellten Aufgaben erfüllt, entweder über Haushaltsleistungen oder über Leistungen der Verkehrsnutzer auszugleichen sind. Diese Frage bedarf natürlich einer im wesentlichen politischen Entscheidung. Diese politische Entscheidung ist bezüglich der Zonenrandgebiete getroffen worden; sie ist auch bezüglich der Sozialtarife getroffen worden, und deshalb, glaube ich, braucht über diese Frage nicht weiter gesprochen zu werden. Daß ähnliche Probleme auch an anderen Stellen auftreten, beweisen ja 2. B. die Erhöhungen der Nahverkehrstarife in verschiedenen Städten. Mir liegt gerade ein Ausschnitt aus der „Rhein-Neckar-Zeitung" vom 24. Februar 1965 vor, in dem gesagt wird, daß die Heidelberger Studenten gegen die von der dortigen Stadtverwaltung verfügte Erhöhung der Straßenbahnfahrpreise für Studenten von 10 auf 19 DM pro Monat — also um fast 100% — Einspruch erhoben haben. Sie wissen, wer in Heidelberg die Stadtverwaltung politisch zu vertreten hat, und ich brauche dem nichts hinzuzufügen.
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind der Opposition im Grunde sehr dankbar, daß sie das Thema Berufsverkehr und Preise im Berufsverkehr hier zur Diskussion gestellt hat, ganz gleich, aus welchen Motiven das geschehen sein mag.
— Sicher, aus edelsten Motiven, ich habe das gar nicht anders erwartet. Wir meinen nur — und der Bundesverkehrsminister hat das in seiner Antwort ja auch bereits angedeutet —, daß man das Thema nicht allzusehr — nicht nur auf die Bundesbahn — einengen darf.Das Thema Preise im öffentlichen Verkehr ist ein generelles Problem, das nicht nur die Bundesbahn betrifft, sondern natürlich auch die öffentlichen Verkehrsbetriebe und auch die privaten Verkehrsunternehmen, soweit sie Linienverkehr betreiben. Ich kann die Ausführungen des Herrn Bundesverkehrsministers nur ergänzen: Es gibt eine ganze Reihe von Städten, die unter Verwaltung unserer sozialdemokratischen Freunde stehen, die in den letzten Jahren ganz erhebliche Preiserhöhungen haben vornehmen müssen, zu einer Zeit, als bei der Bundesbahn im Berufsverkehr und Sozialverkehr von Preissteigerungen gar keine Rede gewesen ist. Ich darf vielleicht auch die Aufmerksamkeit des Kollegen Seibert darauf hinlenken, daß z. B. die niedersächsische Landesregierung, die auch von der SPD geführt wird, mehreren Privatbahnen wie z. B. der Osthannoverschen Eisenbahn AG eine Erhöhung der Schülertarife um 50% genehmigt hat. Die Erhöhung ist am 1. Januar 1965 in Kraft getreten, und vielleicht sollten sich Ihre Freunde auch einmal an die Adresse der niedersächsischen Landesregierung mit den gleichen Anliegen, die Sie uns hier vorgetragen haben, wenden.Meine Damen und Herren, ich glaube, wir wären unehrlich gegenüber der Öffentlichkeit, wenn wir nicht deutlich machten, daß sich bei unseren Erwägungen bezüglich der Preispolitik im Berufsverkehr zwei Komponenten gegenüberstehen und gegeneinander abgewogen werden müssen. Die eine ist, daß Dienstleistungen bezahlt werden müssen. Aus den Dienstleistungen entstehen ja Kosten, und wenn sie nicht der Nutzer der Dienstleistungen bezahlt, müssen sie eben auf dem Wege über die Haushalte von den Steuerzahlern gezahlt werden. Ich habe darauf hingewiesen — und der Herr Bundesverkehrsminister hat das ausdrücklich unterstrichen —, daß außer dieser Überlegung, daß Dienstleistungen bezahlt werden müssen, auch sozialpolitische und andere allgemeinpolitische Erwägungen berücksichtigt werden müssen. Wir müssen
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Dr. Müller-Hermannz. B. aus Gründen der Familienpolitik, der Förderung der Bildung, aus sozialpolitischen Überlegungen, verteidigungspolitischen Überlegungen bereit sein, von dem Prinzip der vollen Bezahlung von Dienstleistungen abzuweichen. Ich darf aber — gerade an die Adresse der Opposition — Ihnen einmal ein Zahlenbeispiel vor Augen halten. Ein Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalt hat im Jahre 1958 für den öffentlichen Verkehr 2,1 % des Einkommens, im Jahre 1963 1,7 % aufgewandt, während für den privaten Verkehrssektor — Beschaffung von Pkws und Betriebskosten — der Aufwand in einem Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalt im Jahre 1958 1,7 %, im Jahre 1963 6,1% betragen hat.
— Ich stelle das auch nur fest, ohne daran Kritikzu üben. Aber ich glaube, die Sorgen, die aus IhrerAnfrage sprechen, sind nicht ganz gerechtfertigt.Ich komme zurück auf die zweite Überlegung, die wir anstellen müssen und die meines Erachtens gerade bei der Beurteilung der Preispolitik der öffentlichen Verkehrsmittel, einschließlich der Bundesbahn, heute das durchschlagendste Argument ist, nämlich die Gefahr, daß bei Anhebung, auch bei an sich angemessener Anhebung der Preise im Berufsverkehr, der Trend zur Abwanderung auf die Straße übermäßig gefördert würde. Damit stellt sich uns dann die Frage, ob nicht der zusätzliche Trend, die Straße mit privaten Verkehrsmitteln zu benutzen, in der volkswirtschaftlichen Gesamtwirkung teurer ist, als wenn wir durch niedrig gehaltene Sozialtarife die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zu fördern versuchen. Wir bekennen uns ganz eindeutig zu dieser zweiten Überlegung. Aus diesem Grunde sind für uns auch Überlegungen über eine Anhebung der Preise im Berufsverkehr und öffentlichem Verkehr nicht akut. — Bitte, Herr Kollege!
Herr Kollege Müller-Hermann, sind Sie denn auch bereit, dafür einzutreten, daß die Abgeltungsbeträge, die Ausgleichszahlungen des Bundes in voller Höhe dafür gezahlt werden und nicht — wie ich es kritisiert habe — von Fall zu Fall, wie der Herr Bundesverkehrsminister gesagt hat, nach Haushaltslage abgegolten werden? Wer die Musik bezahlt, der hat sie auch bestellt, und wer sie bestellt hat, bezahlt sie.
Ich weiß, Ihre Ungeduld ist unbezähmbar, und ich wäre sofort darauf gekommen. Meine Freunde und ich vertreten den Standpunkt, daß die Lasten, die den Verkehrsunternehmen aus zu niedrig gehaltenen Tarifen erwachsen, generell abgenommen werden müssen. Das betrifft aber nicht nur die Bundesbahn, sondern dieses Prinzip sollte bei allen Betrieben angewandt werden, die öffentlichen Verkehr betreiben. Insoweit begegnen wir uns in unserer Grundforderung durchaus — und Sie wissen, wir haben sie immer wieder nachdrücklich vertreten —, daß auch der Bundesbahn das an Lasten abgenommen werden muß, was einem kaufmännisch arbeitenden Unternehmen nicht zugemutet werden kann. Ich wiederhole hier auch im Namen meiner politischen Freunde den Appell an die Bundesregierung, insbesondere an den Herrn Bundesfinanzminister, sich dazu durchzuringen, daß die Verantwortlichkeiten zwischen dem Eigentümer Bund und der Bundesbahn eindeutig geregelt und der Bahn, wenn nicht auf einen Schlag, dann schrittweise, so abgenommen werden, daß die Bundesbahn angemessen entlastet wird.Ich bitte auch die Bundesregierung, zu erwägen, ob nicht das ganze Thema Beförderungsteuer, das wir im Zusammenhang mit der Neuregelung der Mehrwertsteuer neu geregelt wissen wollten, in bezug auf die Unternehmen, die öffentlichen Verkehr betreiben, vorweg einer Überprüfung, einer Neuregelung unterzogen werden könnte. Hier bietet sich ein Weg zur Entlastung der Unternehmen an. Ich bitte den Herrn Bundesfinanzminister, diese Anregung zu prüfen.Meine Damen und Herren, ich darf noch zwei grundsätzliche Bemerkungen anfügen. Die Notwendigkeit, den öffentlichen Personenverkehr mit allen Mitteln zu fördern, ergibt sich auch aus dem Bericht der schon vom Kollegen Seibert zitierten Enquete-Kommission, die auf unser Betreiben von der Bundesregierung eingesetzt worden ist. Wir wollen unter keinen Umständen die freie Wahl des Verkehrsmittels durch den Verkehrsnutzer behindern, aber wir wollen und müssen meines Erachtens erhöhte Anstrengungen machen — und zwar sowohl der Bund als auch die Länder und die Gemeinden —, daß die öffentlichen Verkehrsmittel eine größere Attraktivität gewinnen und damit der Anreiz, auf den Personenkraftwagen vor allem in den Ballungsgebieten zu verzichten, verstärkt wird. Wir werden uns diesem Problem mit besonderer Sorgfalt weiter widmen und glauben, daß für den Anreiz, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, neben sozial kalkulierten Preisen zwei Faktoren von noch größerer Bedeutung sind: zum einen der Faktor SchnelligkeitZeitersparnis und zum anderen die Bequemlichkeit anstatt dieses nervenaufreibenden — schrittweise, muß man beinahe sagen — Vorwärtsdrängens 'in den Stadt- und Ballungsgebieten.Ein Punkt muß bei diesen Überlegungen mit aller Deutlichkeit noch zur Sprache gebracht werden, und damit will ich meine Ausführungen abschließen. Wir sind uns darüber im klaren, daß trotz aller großen Leistungen, die die Bundesregierung auf dem Gebiet des Straßenbaus vorzuweisen hat und die auch die Länder und die Gemeinden auf dem Gebiet des Straßenbaus vorzuweisen haben, wir die Folgen, die sich aus der Motorisierungswelle ergeben, noch nicht in vollem Umfang gemeistert haben. Gerade die Tatsache, daß der Verkehrsraum begrenzt ist, wird uns zwingen, vor allem in den Gebieten der Städte und in den Ballungsgebieten in zunehmendem Maße den Raum über oder unter der Erde in Anspruch zu nehmen. Ich weiß, daß gerade bei der Opposition, aber auch in breiten Kreisen der Öffentlichkeit und, glauben Sie mir, auch bei uns selbst der Wunsch besteht, daß man auf diesem Gebiet noch rascher vorankommt, um mit den Verkehrsnotständen fertig zu werden. Wir müssen uns aber auch darüber im
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Dr. Müller-Hermannklaren sein, daß wir nicht nur wunderbare technische Lösungen für diese Probleme anbieten dürfen. Wir werden nicht daran vorbeikommen, diese Vorhaben auch zu finanzieren, und welcher Finanzierungsaufwand hier auf uns zukommt, hat uns schon die Enquetekommission zu berichten gewußt. Sie hat darauf hingewiesen, daß in den nächsten 25 bis 30 Jahren ein Finanzbedarf von etwa 250 Milliarden DM entsteht, eine Zahl, die sicher an der unteren Grenze dessen liegt, was tatsächlich gebraucht werden wird. In dem Bericht der Enquetekommission wird auch nachgewiesen, daß der Finanzbedarf, der für die Modernisierung der öffentlichen Verkehrsmittel entsteht, nur etwa 15 % des gesamten Finanzbedarfs ausmacht. Wir können also davon ausgehen, daß wir bei der Modernisierung, der Rationalisierung, der Verstärkung der Attraktivität der öffentlichen Verkehrsmittel mit einem verhältnismäßig geringen Aufwand einen verhältnismäßig großen Nutzeffekt erreichen können.Aus 'diesem Grund mögen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, überzeugt sein, daß wir in den Reichen der Koalitionsfraktionen der Förderung des Berufsverkehrs und der Preiswürdigkeit des Berufsverkehrs auch in Zukunft unser ganz besonderes Augenmerk widmen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei .nahezu jeder Verkehrsdebatte, die wir hier im Bundestag führen, werden seitens der CDU insbesondere die öffentlichen Verkehrsbetriebe erwähnt. Mir ist, offen gestanden, nicht so ganz klar, warum Sie gerade diese Tatbestände immer so bewußt heranziehen. Für solche Tatbestände ist der Bundestag nicht zuständig. Die Tarifregelung im öffentlichen Nahverkehr ist eine Angelegenheit der gemeindlichen Parlamente. In diesen gemeindlichen Parlamenten sind Sie genauso gut vertreten wie wir, und im allgemeinen werden die Tarife dort einstimmig verabschiedet.Aber wenn wir schon über Tariferhöhungen im öffentlichen Nahverkehr sprechen, dann darf ich darauf verweisen — und das wurde früher hier schon wiederholt erwähnt —, daß in puncto Tariferhöhung doch gerade Bonn mit seinen öffentlichen Nahverkehrsmitteln an der Spitze steht, eine Stadt also, auf die wir keinen entscheidenden Einfluß haben. Ich habe den Eindruck, daß Sie mit einer Heranziehung der öffentlichen Nahverkehrsmittel nur von ,der eigentlichen Problematik ablenken wollen, die auch heute wieder im Bundestag ansteht.
Nun, meine Damen und Herren, wir haben mit einiger Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung nicht die Absicht hat, die Tarife des Berufsverkehrs zu erhöhen. Jede Erhöhung würde automatisch zu einer weiteren Abwanderung auf die Straße führen und die Straße weiter verstopfen. Insoweit stimmen wir mit der Ansicht desHerrn Bundesverkehrsministers überein. Im Gegenteil, wir würden es sogar für richtiger halten, ernsthaft zu prüfen, ob man Iden Personennahverkehr der Bundesbahn nicht preisgünstiger und nicht attraktiver gestalten kann, um auf diesem Wege eine Entlastung des Straßennetzes zu erreichen. Das erscheint mir wichtiger als eine im Gesetz verankerte Vorrangigkeit der Bundesbahn im Personennahverkehr.Aber, meine Damen und Herren, wir wollten im Rahmen der heutigen Großen Anfrage ein anderes wesentliches Problem diskutieren, das auch in engem Zusammenhang mit dieser Großen Anfrage steht. Wir wollten über die Beschlüsse der Bundesregierung zur Sanierung der Bundesbahn und zur Tilgung der erheblichen Verluste diskutieren, die sich insbesondere aus dem Personennahverkehr ergeben. Die Kabinettsvorlage sollte heute zur Debatte stehen. Der Herr Bundesverkehrsminister hat erwähnt, daß die Vorlage dem Kabinett seit dem Oktober vorliegt, daß aber ihre Behandlung immer wieder verschoben wurde. Wir haben diese Stellungnahme wiederholt angemahnt, und wir tun das auch heute wieder. Wir wünschen eine schnelle und gründliche Behandlung dieser Frage hier vor diesem Hohen Hause, nicht zuletzt deswegen, weil sich die Wirtschaftslage der Bundesbahn in einer bedrohlichen Weise verschlechtert hat und weil wir es einfach für unerträglich halten, daß diese Entscheidung weiter von Monat zu Monat verschoben wird.
Wenn sich die Ressorts nicht einigen können — das ist auch gestern im Verkehrsausschuß angeklungen —, dann wäre es eine vordringliche Aufgabe des Herrn Bundeskanzlers, endlich die Entscheidung des Kabinetts herbeizuführen. Denn die Situation der Bundesbahn ist nicht nur ein wirtschaftliches Problem. Sie wird immer stärker auch zu einer sozialpolitischen Angelegenheit.Meine Damen und Herren, wir beklagen die mangelhafte Initiative des Bundeskanzlers auf dem Gebiet der Verkehrspolitik. Wenn die Bruttozuwendungen aus dem Haushalt an die Bundesbahn in diesem Jahr die 3-Milliarden-Grenze erreichen, dann halten wir es wirklich für geboten, daß sich der Herr Bundeskanzler um diese Angelegenheit etwas mehr als bisher kümmert,
daß er seine Entscheidung trifft und das Schicksal der Bundesbahn nicht dem Streit der Ressorts überläßt.Herr Bundesverkehrsminister, Sie haben gestern im Ausschuß mit Recht darauf hingewiesen, daß über 450 000 Bedienstete bei der Deutschen Bundesbahn ihren Dienst häufig unter erschwerten Umständen tun und daß wir eine sozialpolitische Verpflichtung gegenüber diesen Beschäftigten haben. Darin stimmen wir Ihnen voll zu. Aber wenn Sie mit uns dieser Meinung sind, warum machen Sie dann nicht endlich reinen Tisch und warum legen Sie dem Bundestag kein durchgreifendes Sanierungsprogramm vor? Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung sind nach unserer Auffassung weiter
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Dr. Bleibnichts als ein Provisorium, um in diesem Jahr über die Runden zu kommen und die Zahlungsbereitschaft der Bundesbahn einigermaßen aufrechtzuerhalten.Die Frage der Verlustdeckung bleibt völlig ungeklärt, obwohl es für jedermann klar ist — das ist doch auch bei meinen Herren Vorrednern zum Ausdruck gekommen —, daß die Bundesbahn weder heute noch in einer überschaubaren Zukunft in der Lage sein wird, die Verluste aus dem Personennahverkehr zu erwirtschaften. Die Einnahme im Personennahverkehr liegt im Durchschnitt bei 4,5 Dpf je Personenkilometer, die Kosten bewegen sich aber um 14 DPf. Es ist einfach unmöglich, einen Ausgleich zu erreichen. Hier hat der Bund die Verpflichtung, aus Haushaltsmitteln für den Ausgleich zu sorgen. Die Bundesbahn kann das nicht erwirtschaften, besonders wenn man weiß, daß auch der Güterverkehr mit einem Verlust von 500 Millionen DM arbeitet.Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang gestatten Sie mir eine weitere Anmerkung. Herr Bundesverkehrsminister, Sie schreiben im Bulletin, da es notwendig sei, das Eigenkapital der Bundesbahn zu erhöhen, daß es notwendig sei, die Fremdverschuldung in angemessenen Grenzen zu halten, und daß es auch notwendig sei, die Zinslast zu mildern. Das ist richtig. Der Meinung sind wir auch. Aber ich möchte Sie fragen: Was sagt der Bundesfinanzminister dazu? Mußte nicht unter seiner Stabführung die Bundesbahn den umgekehrten Weg gehen? Hat sich nicht unter Stabführung des Herrn Bundesfinanzministers ergeben, daß sich in den letzten fünf Jahren die Fremdverschuldung bei der Bundesbahn von 6 Milliarden DM auf 14 Milliarden DM erhöht hat, daß die Zinslast von 325 Millionen DM auf 700 Millionen DM gestiegen ist?Man kann doch auch nicht von einer Stärkung des Eigenkapitals bei der Bundesbahn sprechen, wenn der Verlust des Vorjahres in Höhe von 1 Milliarde DM durch Fremdmittel finanziert werden mußte und die Bundesbahn gehalten ist, den nicht gedeckten Verlust dieses Jahres auch durch Anleihen zu finanzieren! Herr Bundesverkehrsminister, Ihre Ausführungen im Bulletin werden nur dann glaubwürdig, wenn Sie ganz konkrete Zahlen vorlegen. Hier kommt es uns auf das an, was sofort geschieht. Mit Vertröstungen auf die Zukunft ist der Bundesbahn wenig geholfen.Wir haben häufig genug die Forderung gehört, daß die Bundesbahn rationalisieren solle, daß sie modernisieren müsse, um auch ihren Nahverkehr attraktiver zu machen. Wenn man das aber ernsthaft will, dann kann man doch nicht gleichzeitig der Bundesbahn, und zwar mit drastischen Mitteln, die Verpflichtung auferlegen, ihre Investitionen um 800 Millionen DM zu kürzen. Das entbehrt jeder Logik. Die Kürzung der Investitionen geht soweit, daß die Bundesbahn gezwungen ist, einen großen Teil von Zulieferbetrieben mit einer sehr weitgehenden Auftragssperre zu bedenken. Viele Betriebe des gewerblichen Eisenbahnoberbaues, der Lokomotivindustrie, der Waggonindustrie, der Motorenindustrie und einer ganzen Reihe anderer Industriezweige kommen in erhebliche Schwierigkeiten. Es wäre doch gerade eine Aufgabe der Bundesbahn, hier tunlichst für eine gleichmäßige Beschäftigung zu sorgen, um auch bei diesen Betrieben ein rationelles Arbeiten zu ermöglichen.Ich gebe zu, daß die rapide Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit der Bundesbahn für uns alle etwas überraschend kommt. Es ist aber unverkennbar, daß die neue und große Verlustwelle wesentlich bestimmt. wurde — lassen Sie mich das noch einmal ausdrücklich sagen — durch die Aufstockung der Kontingente und durch die Vermehrung der Zahl der Lastzüge im Werkfernverkehr sowie durch den dadurch bedingten Angebotsdruck, der die Bundesbahn gezwungen hat, ohne Rücksicht auf die Wirtschaftlichkeit mit Verkehrserhaltungstarifen zu arbeiten.Herr Bundesverkehrsminister, Sie haben sich vorhin kurz zu der Tarifpolitik der Bundesbahn geäußert. Es ist mir, offen gestanden, nicht ganz verständlich, daß Sie im Bulletin von Tariferhöhungen sprechen, während sich die Deutsche Bundesbahn mitten in einer Tarifsenkungsaktion mit teilweise sehr erheblichen Ausmaßen befindet. Darin liegt mir auch hinsichtlich der Tarifpolitik doch ein wesentlicher Unterschied begründet.Meine Damen und Herren, es zeigt sich für uns erneut, daß durch die von Ihnen betriebene Politik einer überstürzten Lockerung der Wettbewerbsregelung die Wirtschaftlichkeit der Verkehrsträger nicht gestärkt, sondern geschwächt wird und daß sie geschwächt in den europäischen Wettbewerbsmarkt hineingehen. Wenn man versuchen will, die Verhältnisse auf dem deutschen Verkehrsmarkt zu stabilisieren, dann ist nach unserer Auffassung die erste und wichtigste Voraussetzung dafür in der Sanierung der Deutschen Bundesbahn zu sehen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Aber gern!
Bitte, Herr Abgeordneter Müller-Hermann!
Herr Kollege Dr. Bleiß, haben Sie die Ausführungen, die der Herr Bundesverkehrsminister gestern über das, was aus der gemeinsamen Verkehrspolitik auf uns zukommt, schon wieder vergessen?
Herr Kollege Müller-Hermann, ich habe sie nicht vergessen; aber ich bin der Meinung, daß die heutige defizitäre Lage nicht durch Europa, sondern durch Ihre Politik verschuldet wurde.
Ich bin weiter der Meinung, daß es heute unsere Aufgabe ist, zunächst einmal für klare und vernünftige Verhältnisse zu sorgen und nicht immer nur — wie das Kaninchen auf die Schlange — auf Europa zu starren.
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8640 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
Herr Abgeordneter Bleiß, gestatten Sie eine weitere Frage?
Herr Dr. Bleiß, ist Ihnen bekannt — auch im Zusammenhang mit Europa —, daß z. B. die Tarife A bis E bei ,den niederländischen Bahnen um etwa 50 % niedriger gewesen sind als bei uns und daß bei allen Bahnen in der EWG in dieser Tarifgruppe die Tarife wesentlich niedriger sind als bei uns?
Selbstverständlich, Herr Kollege Lemmrich, ist mir das bekannt. Ich pflege die Unterlagen immer sehr genau zu studieren. Ich möchte Ihnen .aber dazu sagen: gerade aus diesem Grund verlangen wir eben so schnell wie möglich eine Sanierung der Bundesbahn, damit wir eine ausgeglichene Rechnung 'bekommen. Das sind ja .gerade die Argumente, die uns immer wieder dazu bewegen, hier doch endlich einmal reinen Tisch zu machen.
Wollen Sie noch eine Frage gestatten, Herr Bleiß?
Herr Kollege Dr. Bleiß, sind Sie sich nicht auch darüber im klaren, daß angesichts der unausweichlichen Tatsache, daß die EWG-Verkehrspolitik einen wesentlich verstärkten Wettbewerb im Bereich des Verkehrs fordert und uns notwendigerweise abgerungen hat, sich auch unsere Verkehrswirtschaft rechtzeitig — wir haben das 1961 eingeleitet — auf diesen verstärkten Wettbewerb im Bereich der Verkehrspolitik vorzubereiten hatte?
Herr Kollege Müller-Hermann, ich möchte Ihnen darauf antworten, daß uns die Wettbewerbslage in Europa bekannt ist. Uns kommt es aber gerade darauf an, zunächst einmal unsere Verkehrsträger gesund Zu machen, und zwar durch eine vernünftige Regelung des Zugangs zum Markt. Es kommt uns darauf an, den Wettbewerbsüberdruck im Markt zu beseitigen, damit wir eine Beruhigung auf dem Verkehrsmarkt erreichen.
Meine Herren Kollegen, lassen Sie mich abschließend noch auf einen Tatbestand zurückkommen, der während der Haushaltsdebatte nicht mehr völlig geklärt werden konnte. Herr Bundesverkehrsminister, Sie haben .sich während Ihrer Haushaltsrede darüber beklagt, ,daß Berichte nicht auf die Tagesordnung des Verkehrsausschusses gesetzt wurden, und hierbei den Brand-Bericht erwähnt. Im Interesse einer sachlichen Diskussion darf ich hierzu folgendes feststellen.
Der Bericht ist dem Ausschuß am 21. Juni 1960 überwiesen worden. In verschiedenen Sitzungen wurde der Bericht ausführlich beraten und am 21. Juni 1961 im Zusammenhang mit dem Sofortprogramm der Bundesregierung vom Plenum dieses Bundestages definitiv verabschiedet. Berichterstatter war seinerzeit der Kollege Dr. Hoeck. Eine erneute Zuweisung ,an .den Ausschuß ist nicht erfolgt.
Das zur Klarstellung. Ich treffe diese Klarstellung im Interesse einer sachlichen Ausschußarbeit, und ich treffe diese Klarstellung, um zu verhindern, daß halbe Wahrheiten durch die Briefe zur Verkehrspolitik verbreitet werden, halbe Wahrheiten, die manchmal ohne sachliche Prüfung auch von namhaften Tageszeitungen übernommen werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem letzten Diskussionsbeitrag — des verehrten Kollegen Dr. Bleiß — muß man sagen, es ist erstaunlich, was man alles aus einer Großen Anfrage machen kann. Die Überschrift heißt doch „Preissteigerungen im Berufsverkehr". Darauf hat der Herr Minister konkret geanwortet, und soweit ich zugehört habe, hat sich auch Herr Müller-Hermann an dieses Thema gehalten.
Herr Dr. Bleiß hat aus dieser Anfrage eine große Verkehrsdebatte entwickelt, wie wir sie schon bei der Beratung des Einzelplans 12 hatten.
Ich möchte damit nur darauf aufmerksam machen, wo wir hinkommen, wenn wir uns nicht selber diszipliniert verhalten und die vielen Anträge, die noch auf den Tischen liegen, Stück für Stück behandeln. Ich jedenfalls werde mich an das Thema der Großen Anfrage halten, das lautet „Preissteigerungen im Berufsverkehr".
Zu den Ziffern 1 und 2 dieser Anfrage möchte ich an die Herren der Opposition die Frage stellen: Wie haben sich die Kollegen der SPD bei der Behandlung der Anpassungshilfe für die Bundesbahn zur Rationalisierung im Personenverkehr im Haushaltsausschuß verhalten? Soweit ich unterrichtet bin, haben sie eingesehen, daß im Rahmen eines auf 63,9 Milliarden DM begrenzten Etats trotz der Berechtigung der in diese Richtung gehenden Wünsche leider nicht mehr zu machen war. — Bitte, Herr Seibert!
Herr Kollege Rademacher, glauben Sie nicht auch, daß, wenn es so ist, wie Sie sagen, es mit das Ergebnis der falschen Deklaration im Haushaltsplan ist, wo ja „Anpassungshilfe" steht? Über die Höhe der Hilfe kann man reden. Aber wenn es sich um einen festen Abgeltungsbetrag handelt, der auf Grund einer Entscheidung im Jahre 1960 angefallen ist, ist es falsch, den Abgeltungsbetrag zu kürzen. Deswegen haben wir auch diese falsche Deklaration angegriffen. Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege Rademacher, daß auch der Rechnungshof diese falsche Deklarierung bemängelt hat?
Ja, aber es ändert leider nichts an der Tatsache, daß Sie sich im Haushaltsausschuß nicht mit aller Deutlichkeit dafür eingesetzt haben — wie es Ihrer Absicht entspräche —, daß eine Anpassungshilfe zum vollen Ausgleich der
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RademacherUnterschiede zwischen Einnahmen und Ausgaben im Berufsverkehr vorgesehen wird.
Gestatten Sie noch eine Frage?
Gern, wir haben ja so viel Zeit!
Herr Kollege Rademacher, ist Ihnen nicht bekannt, daß der Bundesfinanzminister wiederholt erklärt hat, alle Anträge, die über das vorgesehene Volumen des Haushalts hinausgingen, würden von vornherein der Ablehnung verfallen?
Ja, sicher, darauf habe ich ja hingewiesen. Aber ich glaube, dieser Auffassung des Bundesfinanzministers hat sich dann auch die Opposition im Haushalt gefügt, indem sie einsah, daß nichts anderes zu erreichen war. Ich will ja nur den Unterschied demonstrieren zwischen Ihrem Verhalten im Haushaltsausschuß und dem Inhalt der Ziffern 1 und 2 Ihrer vorliegenden Großen Anfrage.
Ziffer 3 Ihrer Anfrage lautet:
Will die Bundesregierung durch diese Kürzung die Deutsche Bundesbahn zwingen, Anträge zur Erhöhung der Fahrpreise im Berufsverkehr zu stellen, wie dies bereits angekündigt worden ist?
Obgleich der Herr Bundesverkehrsminister schon sehr deutlich darauf geantwortet hat, möchte ich dazu aus meiner Mitarbeit im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn etwas sagen. Der 1. Präsident der Deutschen Bundesbahn hat in seinen allgemeinen Betrachtungen über die Lage der Bundesbahn gesagt — Herr Seibert weiß das ganz genau —, wenn man nicht einen Ausgleich über den Etat des Bundes finde, dann müsse man auch einmal überlegen, ob man nicht an die Berufsverkehrs- und Schülertarife herangehen müsse. Das war eine leise, vage Anregung. Ich glaube, daß man sich im Kreise des Vorstands der Deutschen Bundesbahn im Grunde genommen schon immer gedacht hat, daß es — insbesondere im Wahljahr — völlig ausgeschlossen sei, eine Anpassung zu erreichen. Infolgedessen wollen wir eigentlich dadurch die Bundesregierung nur zwingen, auf Kosten des Gesamtetats eine entsprechende Unterstützung vorzunehmen.
Meine Einstellung zu den Dingen kennen Sie. Ich habe sie beim Einzelplan 12 hier dargelegt und auf das Beispiel der berühmten Schülerkarte von 3 Mark im Jahre 1911 und von 3,80 DM im Jahre 1963 hingewiesen. Angesichts der gestiegenen Reallöhne ist also eine gewisse Erhöhung durchaus berechtigt. Aber das ist meine persönliche Auffassung. Sogar im Wahljahr müßte man solche Dinge ernstlich behandeln. So habe ich gesagt, und so ist es ja auch umfangreich durch die Presse gegangen.
Aber jetzt möchte ich etwas ganz Politisches sagen, und zwar im Auftrag der Koalition. Sie wird natürlich — und dafür habe ich sogar Verständnis — nicht so dumm sein, diese Frage im Wahljahr in dem Sinne zu entscheiden,
um Ihnen die notwendige Munition zu geben. Das können Sie von der Koalition nicht verlangen, obgleich ich persönlich der Meinung bin, man sollte auf Wahljahre keine Rücksicht nehmen. Aber das wollte ich hier einmal gesagt haben.
– Aber meine Herren — ich bin ganz humorvoll veranlagt, besonders heute morgen —, was werden Sie denn machen, wenn Sie in der Verantwortung sind? Mehr brauche ich nicht zu sagen.
Herr Abgeordneter Müller-Hermann wollte eine Zwischenfrage stellen.
Herr Kollege Rademacher, würden Sie mir bitte darin zustimmen, daß Sie im Augenblick nur im Namen der FDP gesprochen haben, nicht im Namen der Koalition?
Ich muß das leider auch wieder korrigieren. Herr Müller-Hermann, über diese Punkte habe ich nicht einmal im Namen der FDP gesprochen, sondern nur meine persönliche Meinung geäußert.
— Ja, für die Koalition — das halte ich auch aufrecht — habe ich gesagt, daß es eine Riesendummheit wäre, wenn die Koalition heute sagte: Wir müssen jetzt — im Wahljahr — die Berufs- und Schülerfahrkartenpreise erhöhen.
Das werden Sie doch nicht bestreiten.
Meine Damen und Herren, die Frage 4 ist leider auch etwas demagogisch gestellt, was ich außerordentlich bedaure. Glauben Sie denn wirklich, Herr Seibert, daß eine bestimmte Anhöhung — ich will jetzt nicht vom Schülerverkehr sprechen, sondern ich spreche vom Nahverkehr — überhaupt irgendwelche Auswirkungen auf die Preise hätte? Ich glaube das nicht. Das ist immer so eine billige Aussage, die ich Ihnen und denjenigen, die etwas Derartiges behaupten, nicht abnehme. Hat etwa die Ermäßigung der Gütertarife der höheren Klassen um 150 Millionen DM irgendeine Auswirkung auf die
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RademacherPreise gehabt? Hat sie etwa bewirkt, daß die Preise heruntergegangen sind? Genauso wenig wird es bei einer Erhöhung der Frachttarife zu echten Preissteigerungen kommen.
Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Seibert!
Herr Kollege Rademacher, haben Sie übersehen, daß wir unter Punkt 4 nicht von tatsächlichen, ,sondern von psychologischen Auswirkungen sprechen? Die psychologische Auswirkung ist manchmal gerade der Ansatz, den wir verhindern wollen.
Ja, aber psychologische Auswirkungen können doch immer nur eine praktische Bedeutung haben, wenn ihnen praktische Auswirkungen folgen.
Lassen Sie mich noch einmal auf die Frage der Tarife ganz allgemein eingehen. Die deutsche Wirtschaft behauptet immer wieder: Man muß in erster Linie an die Gütertarife herangehen und die defizitären Personentarife völlig außer acht lassen. Ich meine, daß die verladende Wirtschaft ein Recht hat, so etwas zu sagen. Man kann auf die Dauer an den Personentarifen aller Art nicht vorbeigehen.
Ich bin fest überzeugt, daß wir uns, wenn die Wahlen vorbei sind, sehr ernsthaft mit dieser Angelegenheit werden beschäftigen müssen, und ich finde es sehr gut, daß hier darauf hingewiesen worden ist, daß man sich in den Kommunalbetrieben, ganz gleich wer in den Kommunen regiert — sei es CDU mit FDP oder SPD mit FDP —, um diese Dinge nicht kümmert. Dort hat man das gemacht, was man von der Bundesbahn immer fordert und dessen Unterlassung man ihr vorwirft: kaufmännisch zu denken und zu handeln. Da werden keine Bedenken geäußert.
Aber vielleicht kann man in der Zukunft noch einmal die Frage ventilieren: Warum gibt es eigentlich nur eine Begünstigung der Doppelkilometer von 50 Pf beim Autoverkehr? Könnte man sich nicht einmal gemeinsam eingehend überlegen, ob der Bundesfinanzminister aus Gründen der Gleichheit und zur Entlastung dem Arbeitnehmer diese Erleichterungen nicht gerade beim Berufsnahverkehr und dem Schüler im Schülerverkehr geben sollte? Wenn wir das erreicht haben, werden Sie, meine Herren, wahrscheinlich auch geneigter sein, den völlig unter Selbstkosten liegenden Tarifen im Berufs- und Schülerverkehr eine vernünftige und sachliche Betrachtung zu schenken mit dem Ziel, auch hier einen Ausgleich zu den gewachsenen Reallöhnen herbeizuführen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie werden mir bestätigen, daß ich mich genau an die Große Anfrage gehalten habe.
Herr Abgeordneter Seifriz will jetzt den Antrag unter Punkt 12 b begründen. — Einen Augenblick! Herr Minister, wollen Sie zuerst sprechen?
— Bitte sehr! Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, richtig verstanden zu haben, daß wir nun sozusagen am Ende der Aussprache über die Antwort auf die Große Anfrage stehen. Herr Kollege Bleiß hat das Recht, zu erwarten, daß ich ihm noch einige Auskünfte zu den Fragen gebe, die er angeschnitten hat.Ich darf folgendes bemerken. Herr Kollege Bleiß, Sie sprachen von der Notwendigkeit — von der auch die Bundesregierung durchdrungen ist —, für die Bundesbahn ein Programm vorzulegen. Ich möchte es nicht ein Sanierungsprogramm nennen; denn hier ergibt sich, was ich vorhin schon gesagt habe: daß man eben für bestimmte Teile des Bundesbahnbetriebs, insbesondere für die Personenverkehre, nicht in der Lage ist, von einer Sanierung zu sprechen. Man kann nur von einem Verlustausgleich durch Haushaltsmittel reden. Man muß sich natürlich überlegen, in welcher Form das geschehen soll. Bisher sind die Verluste der Bundesbahn regelmäßig durch den Bundeshaushalt übernommen worden, und zwar in der Folge, wie ich es schon bei der Haushaltsdebatte dargelegt habe: nach Vortrag der vom Bundesrechnungshof genehmigten Abschlüsse und mit Vorfinanzierung durch entsprechende Darlehen. Das wird in diesem Jahr genauso geschehen, wie es im Bundeshaushalt 1965 ja auch vorgesehen ist. Es ist auch im vorigen Jahr geschehen, daß diese Verluste, nachdem sie im Laufe der Jahre zunächst einmal von dem Unternehmen selbst vorfinanziert werden mußten, zum Abschluß des Jahres oder zu Beginn des neuen Jahres in dieser Weise übernommen wurden und so zum Ausgleich kamen, daß die Liquidität der Bundesbahn nicht erschüttert wurde.Ich darf noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, Herr Kollege Bleiß, daß ich es nicht in der Öffentlichkeit stehenlassen kann, wenn Sie davon sprachen, daß der Verlust durch Anleihen finanziert werde. Dabei ist natürlich ,die Frage, was man unter Anleihen versteht. Man kann den Begriff sehr weit ziehen. Ein solches Wort könnte leicht dahin verstanden werden, daß die Bundesbahn Anleihen in der Öffentlichkeit auflegt, um ihre Verluste zu finanzieren. Das ist nicht der Fall.Ich habe schon kürzlich darauf hingewiesen, daß es nicht möglich ist, eine solche Methode anzuwenden, durch Anleihen die entstehenden Einnahmeminderungen auszugleichen. Wir können Anleihen der Bundesbahn der Öffentlichkeit nur vorlegen, wenn diese davon überzeugt sein darf, daß sich jeder
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Bundesminister Dr.-Ing. SeebohmPfennig der Anleihen in erfolgswirksamen Investitionen niederschlägt. Das können Sie jederzeit in den Wirtschaftsplänen und in den Abrechnungen der Bundesbahn feststellen. Herr Kollege Seibert als Vizepräsident des Verwaltungsrates kann Ihnen das ja im einzelnen bis in die Nuancen erläutern; er kann Ihnen auch sagen, was darüber im Verwaltungsrat der Bundesbahn gesprochen worden isst.Ich möchte ausdrücklich feststellen: eine Finanzierung von Verlusten der Bundesbahn durch Anleihen — auch eine Vorfinanzierung — erfolgt nicht. Die Anleihen, die öffentlich aufgelegt werden, werden für erfolgwirksame Investitionen benötigt. Es ist gerade unser Elend in diesem Jahr, daß wir wegen der Schwierigkeiten auf dem Anleihemarkt in besonderer Sorge sind — ich habe das auch das letzte Mal schon dargelegt —, wie wir den Anleihebetrag aufbringen können, der für die Investitionen notwendig ist, und wie wir entsprechende Möglichkeiten des Anleihemarktes ausnutzen können.Sie haben genauso wie wir beklagt, daß die Bundesbahn Investitionskürzungen vornehmen mußte. Das liegt natürlich auch daran, daß der Anleihemarkt diese Möglichkeiten zur Finanzierung der Investitionen in diesem Jahr nur in bescheidenerem Maße bietet; hoffentlich bietet er sie aber so weit, daß wir wenigstens das vorhandene Programm auszunutzen vermögen. Es geht der Bundesbahn nicht anders als irgendeinem anderen Unternehmen, das sich fremdfinanzieren muß; und das ist doch bei den meisten unserer Großunternehmungen der Fall. Bei wachsenden Anforderungen hat die Eigenkapitalbildung nicht den Umsätzen folgen können. Deshalb müssen die Investitionen der Großunternehmungen, zu denen auch die Bundesbahn gehört, über den Anleiheweg erfolgen. Bei Beschreiten des Anleiheweges muß man natürlich sorgfältig vorgehen. Es darf nicht eine übermäßige Verschuldung eintreten. Deswegen hat die Bundesregierung sich bereit erklärt, der Bundesbahn eine Verstärkung ihres Eigenkapitals dadurch zu ermöglichen, daß sie in den letzten Jahren jedes Jahr eine Anleihe von 500 Millionen DM sozusagen durch die Bundesbahn hat begeben lassen, daß sie aber die Amortisation und Verzinsung übernommen hat, so daß der Anleihebetrag dem Eigenkapital der Bundesbahn zuwächst.Nun möchte ich aber noch folgendes zu Ihren Bemerkungen sagen. Wir haben die Bundesbahn als Unternehmen durch die Gesetze von 1961 mindestens bezüglich ihres Güterverkehrs in den Wettbewerb gestellt. Herr Kollege Müller-Hermann hat mit Recht gesagt, daß wir damit einen Weg beschritten haben, der uns nach Annahme der Römischen Verträge durch dieses Hohe Haus gar nicht erspart blieb. Wir wußten, daß wir in die gemeinsame Verkehrspolitik hineinwachsen müssen, aber dennoch keinen Absturz erleben dürfen. So mußten wir versuchen, eine wenn auch unangenehme Entwicklung wenigstens schrittweise zu vollziehen und zu erleichtern. Da ist es natürlich, daß ein solches Unternehmen als Auftraggeber für die übrige Wirtschaft nicht mehr in dem Maße ein Stabilisierungsfaktor sein kann, wie es die Bundesbahn bisher und früher die Reichsbahn gewesen ist. Jedes Unternehmen muß sich auch bezüglich der Investitionen nach seiner Ertragslage richten.Die Investitionen der Bundesbahn konnten dank der Hilfe der Bundesregierung in den letzten ,12 Jahren von 500 Millionen DM im Jahre auf 3 Milliarden DM gesteigert werden; sie konnten also versechsfacht werden. Dabei verzeichnen wir auch dankbar eine Hilfe der Länder. Selbstverständlich ist hier — wie auch bei anderen Unternehmen — eine gewisse Schwankung in der Höhe der Investitionen gegeben. Wenn dann in einem Jahr diese Investitionen etwas reduziert werden müssen, so erinnert das vielleicht die Unternehmensleitung auch daran, daß sie sich bei der Art ihrer Investitionen in dem Rahmen halten soll, den die alte Reichsbahn in ihrer Bescheidenheit gehabt hat. Wenn ich heute manchmal die neuen Bahnhöfe und Gebäude sehe, habe ich das Gefühl, daß diese Methoden und Prinzipien, die früher die alte Reichsbahn gehabt hat, im Zuge einer neuen Entwicklung und einer architektonischen Großgestaltung, wie man sie sonst überall sieht, etwas übertrieben werden.
— Ich meine nicht nur Braunschweig, sondern ich meine auch Essen und verschiedenes andere, Herr Kollege Börner; vielleicht auch Kassel.
— Aber verzeihen Sie, wenn wir mal berechnen, was wir dort früher für einen Raumbedarf hatten und was wir heute für einen Raumbedarf 'haben, dann kommt da schon manches heraus. Wir untereinander, Herr Kollege Börner, können wohl das eine feststellen: wenn sich alle Behörden bezüglich ihres Raumbedarfs so beschränkten wie die Abgeordneten dieses Hohen Hauses, würden wir zu ganz anderen Ausgaben und ganz anderen Abmessungen der Gebäude kommen, wie sie überall dastehen.
Diese Programme für die Bundesbahn werden sehr ernsthaft behandelt. Ich muß Ihnen, Herr Kollege Bleiß, sagen, daß gerade der Herr Bundeskanzler sich dieser Sache persönlich sehr angenommen hat. Wir haben schon im November eine Sitzung des Wirtschaftskabinetts unter seinem Vorsitz gehabt, die über sechs Stunden gedauert hat und in der wir die Grundlagen für dieses Programm durchgesprochen haben. Auf seine Veranlassung hat im Januar eine weitere Sitzung im Bundeskanzleramt stattgefunden, die die Grundlage für die jetzt vorliegende Kabinettsvorlage erbracht hat. Wenn es noch nicht möglich war, sie zu verabschieden, so liegt das daran, daß gewisse Differenzen in den Auffassungen, insbesondere seitens des Wirtschaftsministeriums, noch nicht voll ausgebügelt werden konnten. Infolgedessen bin ich leider nicht in der Lage — ich bedauere das sehr, denn ich hatte es darauf abgestellt —, Ihnen schon heute darüber Endgültiges zu berichten. Aber das ist in der Sache noch nicht eine solche Panne, Herr Kollege Bleiß. Denn der Herr Bundesminister der Finanzen hat mit Recht gesagt: „Ich muß zunächst einmal den Haushalt 1965 verabschiedet haben, ich muß außerdem in diesem
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Bundesminister Dr.-Ing. SeebohmHaushalt die Möglichkeit schaffen, daß die Liquidität der Bundesbahn in diesem Jahr erhalten bleibt, und die Frage, wie man im Zuge des Programms der Normalisierung der Konten die Bundesbahn in der Zukunft behandelt, ist eine Aufgabe für die Aufstellung des Haushalts 1966."Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß wir durch die Steigerung der Defizite bei der Bundesbahn etwas überrascht wurden. Aber diese Defizite liegen einmal u. a. in gewissen Strukturänderungen der Wirtschaft begründet. Ich will nicht wiederholen, was ich bereits bei der zweiten Lesung des Haushalts gesagt habe: Energie, Kohle, Öl, Erzzufuhr und was damit zusammenhängt. Gerade die Massengutverkehrsträger sind von dieser Umstrukturierung der Wirtschaft natürlich besonders betroffen. Sie liegen weiterhin auch in gewissen technischen Umstrukturierungen begründet. Der Einfluß des Lastkraftwagens ist unabhängig von der Steigerung — in Prozenten des gesamten Transportvolumens — laufend von Jahr zu Jahr gestiegen, wie Sie wissen, und er wird auch im europäischen Raum zweifellos weiter steigen.Aber wenn Sie meinen, daß der Verlust, der im letzten Jahr besonders hoch geworden ist und in diesem Jahr noch höher ansteigt, etwa darauf zurückzuführen sei, daß die Werkfernverkehrsteuer im vorigen Jahr erlassen wurde, oder darauf, daß eine gewisse Erhöhung der Konzessionen eintrat, dann muß ich Ihnen sagen: das 'können Sie nur zu einem sehr geringen Teil auf dieses Konto verrechnen. Im wesentlichen sind es die von mir in ihrer Berechtigung durchaus nicht bestrittenen Erhöhungen der Ausgaben für Löhne und Gehälter, also für die Versorgung unserer Mitarbeiter. Wegen ihrer Arbeit, die oftmals schwieriger ist und größere Opfer von ihnen verlangt, als sie von anderen Arbeitern verlangt werden, müssen sie unter allen Umständen mit den übrigen Bundesbediensteten gleichgestellt werden. Ich habe das immer vertreten, genauso wie ich es vertreten habe, daß es unmöglich ist, gerade innerhalb der Bundesbahn die Betriebstreue, die unsere Leute gegenüber ihrem Unternehmen aufbringen, nicht mit der gleichen Treueverpflichtung des Staates zu belohnen und infolgedessen dafür zu sorgen, daß ein Eisenbahner seinen Arbeitsplatz und seine Aufstiegsmöglichkeiten nicht verliert. Es soll vielmehr höchstens einmal, wenn er nach langjährigem Dienst in Pension geht, die durch seinen natürlichen Abgang entstehende Lücke nicht wieder besetzt werden, wenn die Lücke inzwischen durch technische Maßnahmen ausgeglichen werden konnte.
Herr Abgeordneter Brück möchte eine Zwischenfrage stellen.
Herr Bundesminister, da Sie im Augenblick über die sozialen Belange der Bediensteten .gesprochen haben, möchte ich Sie an dieser Stelle fragen, ob Sie in den kommenden Wochen und Monaten, wo Verhandlungen über ein großes Anliegen der bei der Bundesbahn Beschäftigten einsetzen — nämlich Verbesserung der Stellenplanverhältnisse —, Ihre 'ganze Kraft dafür einsetzen werden, daß noch in diesem Jahr eine wirksame Verbesserung eintritt?
Herr Kollege Brück, ich darf Ihnen auf diese Frage antworten, daß mir die Verbesserung der Stellenpläne bei der Bundesbahn in all diesen Jahren sehr am Herzen gelegen hat und daß es für mich eine große Freude und Genugtuung wäre, wenn ich erreichen könnte, daß auch diese berechtigten Wünsche erfüllt werden. Ich werde mich dafür mit allen Nachdruck einsetzen. Naturgemäß liegt aber die Entscheidung in diesen Fragen nicht bei mir allein, und auch diejenigen, die die Erfüllung dieser Wünsche vielleicht versagen könnten, würden das nicht deshalb tun, weil sie sie versagen möchten, vielmehr deshalb, weil es ihnen vielleicht zur Erfüllung dieser Dinge an gewissen Voraussetzungen fehlen könnte. Seien Sie aber überzeugt, ich werde mich wie bisher — das wissen auch die Bundesbahner sehr genau — für eine weitere Verbesserung der Stellenpläne einsetzen.
Herr Abgeordneter Müller-Hermann möchte eine Frage stellen.
Herr Bundesverkehrsminister, darf ich Ihre Ausführungen so verstehen, daß Personaleinsparungen, wo immer sie sich bei der Bundesbahn als zweckmäßig oder richtig erweisen sollten, nur im Zuge eines natürlichen Abgangs und unter Vermeidung sozialer Härten vor sich gehen werden?
Ja.
Ich kann diese Frage so beantworten. Wir haben dass immer so gehalten, wir werden das auch in Zukunft so halten. Bei einem Personalkörper von 470 000 Menschen ist der natürliche Abgang so groß, daß sich dies durchaus in Einklang bringen läßt mit den Einsparungen, die die Rationalisierung ermöglicht. Ich möchte sogar so weit gehen, zu sagen: Wir können gar nicht so viel rationalisieren, daß wir den gesamten natürlichen Abgang in jedem Jahr ausgleichen. Auf der anderen Seite bedeutet das wieder, daß durch Einstellung von jungen Leuten auch für einen geeigneten Altersaufbau der verbleibenden Belegschaft in genügender Weise gesorgt werden kann. Man kann also diese Dinge durchaus gut auspendeln, ohne daß irgend jemand, der nicht vielleicht aus Familiengründen ausscheiden will, genötigt wäre, aus der Bundesbahn auszuscheiden. Was naturgemäß — das habe ich auch immer gesagt — nicht gesichert werden kann, ist, daß jeder Mitarbeiter für alle Zeiten an dem gleichen Ort und dem gleichen Arbeitsplatz bleibt. Gerade aber, weil wir diese großen Aufstiegsmöglichkeiten in der Bundesbahn bieten, muß man eben als Ausgleich dafür die Ortsveränderung in Kauf nehmen.
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Herr Abgeordneter Seibert möchte eine Zwischenfrage stellen.
Herr Minister, ich möchte die von Ihnen verbreitete soziale Atmosphäre ausnutzen und Sie fragen: Sind Sie auch bereit, die Bestrebungen der Eisenbahner hinsichtlich der Arbeitszeitverkürzung künftig positiv zu unterstützen?
Herr Kollege Seibert, das ist eine ganz generelle Frage; ich kann sie nicht für die Eisenbahner allein beantworten. Ich habe Ihnen aber schon immer gesagt, daß ich danach strebe, wenn die Gesamtwirtschaft es erlaubt, uns auf die Fünftagewoche zu konzentrieren. Die Konzentration auf die Fünftagewoche ist etwas, was uns in der Bundesbahn viel Beschwer macht, weil wir nämlich immer noch weitgehend die Sechstagewoche haben. Über diesen Weg sollten wir auch den Bundesbahnern die Möglichkeit geben, in gleicher Weise Freizeit zu haben wie die anderen. Ich spreche hier nicht von Arbeitszeitverkürzung, ich spreche von Freizeit, und ich hoffe, daß Sie das richtig verstehen. Es ist andererseits notwendig, einmal zu unseren französischen Nachbarn hinüberzuschauen und zu fragen, wie es denn dort ist. Wir wollen doch im Rahmen der EWG zu einheitlichen Arbeitsbedingungen in den Verkehrsbetrieben kommen. Wir sind da manchen anderen Eisenbahnverwaltungen glücklicherweise schon voraus.
Aus der Tatsache, daß wir ihnen voraus sind, Herr Kollege Seibert, sehen Sie ja auch, daß der Bundesverkehrsminister dabei zumindest nicht an der Bremse gesessen hat.
Ich will die Debatte angesichts der vielen Fragen, die jetzt schon gestellt sind, nicht weiter aufhalten. Ich möchte nur etwas zu dem sagen, was Herr Kollege Bleiß über den Brand-Bericht ausgeführt hat. Es tut mir leid, es tun zu müssen, Herr Kollege Bleiß, aber ich muß Sie korrigieren. Mir liegt die Drucksache 840 aus der 4. Wahlperiode vor. Dort heißt es:
Der dritte Deutsche Bundestag hat in seiner 165. Sitzung am 29. Juni 1961 beschlossen, die Bundesregierung zu ersuchen, den Bericht der Prüfungskommission für die Deutsche Bundesbahn unter Berücksichtigung der neuesten wirtschaftlichen Ergebnisse der Deutschen Bundesbahn dem Deutschen Bundestag in der kommenden Wahlperiode
— also in unserer —
erneut vorzulegen.
In der Anlage überreiche ich nunmehr dem Hohen Hause
— unter dem Datum des 12. Dezember 1962 —
a) den Bericht der Prüfungskommission für die Deutsche Bundesbahn vom 30. Januar 1960 — Drucksache 1602 der 3. Wahlperiode — ,
b) die Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Bericht ...,
c) die neuesten Wirtschaftsergebnisse der Deutschen Bundesbahn und ein Verzeichnis der Aufstellungen und Tabellen hierzu .
Das war das, war wir neulich, wie ich meinte, im Verkehrsausschuß noch nicht besprochen haben.
Herr Abgeordneter Bleiß hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu zwei Fragen Stellung nehmen. Die erste Frage betrifft die Finanzierung der Bundesbahn. Hierzu möchte ich drei Aspekte herausstellen.Das erste, was wir, glaube ich, zu berücksichtigen haben, ist doch, daß — wenn ich recht unterrichtet bin — der Verlust des Jahres 1964 in einer Höhe von 1 Milliarde DM bisher von der Bundesbahn ohne eine entsprechende Hilfe des Bundes getragen wurde. Das zweite, was wir zu berücksichtigen haben und was uns große Sorgen bereitet, ist, daß wir auch heute noch einen finanziell noch nicht abgedeckten Verlustbetrag von 600 Millionen DM des Betriebsverlustes 1965 bei der Bundesbahn haben. Uns fehlt dafür noch der Deckungsvorschlag. Er ist im Haushalt nicht enthalten. Wenn Sie eine Erklärung abgeben, daß uns ein Deckungsvorschlag zugeleitet wird, werden wir darüber debattieren.Das dritte aber, was uns mit großer Sorge erfüllt, ist der Turmbau der Fremdverschuldung der Bundesbahn. Ich habe das letztemal den Herrn Bundesfinanzminister gefragt, wieweit er diesen Turmbau der Verschuldung der Bundesbahn noch aufzustocken gedenkt und wie hoch nach seiner Meinung die finanzielle Belastbarkeit der Bundesbahn überhaupt ist. Die Bundesbahn hat heute schon eine Zinslast von nahezu 700 Millionen DM zu tragen. Ich habe früher darauf hingewiesen, daß die Zinsen mehr als 11% aller Frachteinnahmen der Bundesbahn ausmachen. Meine Frage an Sie lautet: wie weit soll das mit der Verschuldung gehen? Wenn wir uns im Rahmen des Gesundungsprogramms oder, sagen wir, des Zuschuß- oder Verlustausgleichsprogramms ausführlich darüber unterhalten können, bin ich bereit, diese Frage bis dahin zurückzustellen.Lassen Sie mich zu dem Brand-Bericht noch folgendes sagen. Als Ausschußvorsitzender kann ich im Ausschuß nur Berichte offiziell auf die Tagesordnung setzen, die mir von den Herren Präsidenten des Bundestages überwiesen worden sind. Dieser erste Bericht war überwiesen worden; das ist auch ordnungsgemäß erfolgt. Wir haben den Bericht abschließend in seiner gesamten Problematik behandelt. Seitdem hat sich innerhalb der Brand-Kommission und im Zusammenhang mit dieser Problematik kein neuer Tatbestand ergeben. Die Drucksache IV/840 ist dem Bundestag generell zur Kenntnis
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Dr. Bleißgebracht worden, ohne daß eine spezielle Überweisung an den Ausschuß erfolgt ist.
Damit bestand auch keine Möglichkeit, ihn in der Beratung besonders zu berücksichtigen. Jedem Mitglied des Ausschusses ist es unbenommen, einen solchen Bericht mit seinem Tatsachenmaterial in einer allgemeinen Aussprache zur Debatte zu stellen; aber wir können doch einen Bericht im Ausschuß nicht zweimal offiziell verabschieden.
— Im Zusammenhang mit den anderen Dingen als Material.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Bleiß, auf der gestrigen Tagesordnung des Verkehrsausschusses hat ja der Brand-Bericht gestanden. Ich bin also jetzt wirklich nicht gern bereit, mich mit Ihnen über diese Finessen der Überweisungen des Bundestages auseinanderzusetzen. Die Bundesregierung kann nur einen Bericht vorlegen. Ob der Bundestag diesen Bericht dann nur zur Kenntnis nimmt oder ihn dem Ausschuß zur Beratung überweist, ist selbstverständlich dem Bundestag überlassen. Aber Sie hatten auf der Tagesordnung der gestrigen Sitzung unseres Verkehrsausschusses den Brand-Bericht stehen, und infolgedessen haben Sie sich auch darüber unterhalten. Sie haben ja selbst den Vorstand der Bundesbahn darüber gehört, was nun alles aus diesem Brand-Bericht ausgeführt sei oder nicht. Infolgedessen haben wir den Brand-Bericht doch im Ausschuß behandelt, gestern erst und nicht vor der Sitzung, die wir das letzte Mal hatten.
Dann möchte ich noch eines bemerken. Die Fremdverschuldung der Bundesbahn ist natürlich sehr hoch, und die Zinslasten machen uns natürlich auch Sorge. Wenn Sie aber die Fremdverschuldung einmal im Vergleich zu der anderer großer Industrieunternehmen und im Verhältnis zum Eigenkapital sehen, so stellen Sie fest, daß hier mindestens noch ein durchaus vernünftiges Verhältnis besteht, zumal wenn Sie sich gleichzeitig mit der Konsolidierung dieser Fremdverschuldung beschäftigen. Ich möchte wissen, welches andere große Unternehmen seine Fremdschulden so gut konsolidiert hat wie die Bundesbahn.
Nachdem Sie schließlich die Frage der Deckung des Verlustes des vorigen Jahres angeschnitten haben, darf ich nochmals darauf hinweisen — damit das klar ist —, daß die Bundesregierung eine Deckung des Verlustes ja erst beschließen kann, wenn ihr der Abschluß, und zwar der vom Bundesrechnungshof geprüfte Abschluß, vorliegt. Der Abschluß für das vorige Jahr liegt uns überhaupt noch nicht vor, nicht einmal von der Bundesbahn, und ist noch nicht einmal vom Hauptprüfungsamt geprüft. Wie kann ich einen Verlust decken, dessen Abschluß ich noch gar nicht kenne? Das geschieht nirgends. Ich kann die Deckung aber vorfinanzieren. Darüber laufen die Verhandlungen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen, und ich hoffe, daß es gelingt, zu einem Ergebnis zu kommen.
— Ja, aber doch nicht um die Deckung des Verlustes. Ich habe ja vorhin dargelegt, daß wir in allen früheren Jahren — Sie wissen es doch genau — immer wieder nur zu einer Vorfinanzierung über Darlehen gekommen sind und daß dieses Problem uns natürlich beschäftigt. Sie haben von einer Lücke von 600 Millionen DM gesprochen, die sich im Laufe dieses Jahres ergibt. Schön; sie ist rechnerisch da. Ich sehe sie auch. Keinesfalls bin ich bereit, mir jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen, wie ich bestimmte Leistungen des Bundes, die im vierten Quartal dieses Jahres notwendig sind, bereits jetzt vorausnehmen soll, wenn ich sie doch in der Eindeutigkeit wie sonst bei Haushaltsansätzen nicht zu übersehen vermag. Letzten Endes ist der Ablauf des Wirtschaftsplanes der Deutschen Bundesbahn sehr oft — in positiver und auch in negativer Richtung — überraschend gewesen, so daß man nicht vorher Mittel reservieren kann, die man unter Umständen hinterher gar nicht braucht. Beim Straßenbau ist das etwas anderes. Die Mittel, die da zur Verfügung gestellt werden, werden verbraucht; das wissen wir. Aber bei der Bundesbahn hoffen wir eben noch, daß es idem Ingenium des Vorstandes und den unterstützenden Leistungen unserer Mitarbeiter und auf Grund der Entwicklung der gesamten Wirtschaftslage gelingen wird, die Verhältnisse besser zu gestalten, als wir es heute befürchten müssen. In pectore bereiten wir uns aber natürlich darauf vor, diese Dinge zu überwinden; und wenn das soweit ist, werden wir gemeinsam darüber sprechen.
Damit ist die Aussprache über die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Preissteigerungen im Berufsverkehr beendet.
Wir kommen zu Punkt 12 b betreffend Notstand auf den Straßen und im Straßenbau. Der Antrag der Fraktion der SPD wird von Herrn Abgeordneten Seifriz begründet. Ich gebe ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte 'ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, die nicht dem Verkehrsausschuß angehören, sehr herzlich dafür bedanken, daß sie um diese Zeit noch so treu und tapfer hier mit uns zusammen aushalten.
Erlauben Sie mir auch noch die zusätzliche Bemerkung, daß das vielleicht ein ganz zarter Hinweis in Richtung Ältestenrat .sein könnte, bei künftigen Überlegungen bei Ansetzung von Debatten, die sich mit den öffentlichen Verkehrsproblemen beschäfti-
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Seifrizgen, nicht immer dafür zu sorgen, daß die Verkehrsprobleme zu den ungünstigsten Zeiten, die dem Plenum zur Verfügung stehen, hier debattiert werden müssen.
Herr Kollege, einmal beklagen sich die Bauern, ein andermal beklagen sich die Sozialpolitiker. Ich meine, wir können im Ältestenrat nur nach besten Möglichkeiten die Dinge ordnen.
Recht schönen Dank, Herr Präsident! Ich nehme an, das nächstemal werden wir vielleicht mehr Glück haben.Meine Damen und Herren, wir haben uns angesichts der fortgeschrittenen Zeit heute der notwendigen Kürze zu befleißigen. Das haben bisher fast alle getan, auch ich möchte mich daran halten.Die Debatte über die Behebung der Verkehrsnot in den Großstädten und Gemeinden ist, wie Sie alle wissen, schon lange fällig. Der Bericht der Sachverständigenkommission liegt schon seit einigen Monaten vor. Wir hatten eigentlich .die Hoffnung, wir würden in einer Verkehrsdebatte wie der heutigen schon über die Schlußfolgerungen debattieren können, die die Regierung aus diesem Sachverständigengutachten gezogen hat, zumal wir doch wohl davon ausgehen können, daß das Sachverständigengutachten, mit suhr vielen guten Zahlen gespickt, weithin das bestätigt hat, was wir zum großen Teil alle wußten von den Relationen, von den Schwerpunkten dessen, was hier zu geschehen hat. Ich glaube, daß unsere Auffassungen darüber, was geschehen muß, gar nicht so weit auseinandergehen.Aber in gut dreieinhalb Monaten wird der Bundesrag auseinandergehen mit der negativen Bilanz der unerledigten Gemeinschaftsaufgaben und damit auch der unerledigten Gemeinschaftsaufgabe „Regelung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden".
Wer wollte bestreiten, daß die Behebung der Verkehrsnot in den Großstädten und Gemeinden eine der bedeutendsten Gemeinschaftsaufgaben unserer Zeit ist! Daß wir heute feststellen können, daß diese Verkehrsnot besonders in vielen unserer deutschen Großstädte nicht zu einem unentwirrbaren Chaos ausgeartet ist, verdanken wir vorläufig allein der Tatsache, daß die Länder die von ihnen eingenommenen spezifischen Verkehrsabgaben so gut wie ausschließlich für den Straßenbau verwendet haben, während der Bund noch 50 % seiner Einnahmen aus der Mineralölsteuer zweckentfremdet.Schließlich müssen wir mit Hochachtung anerkennen, daß die Gemeinden selber enorme Anstrengungen gemacht haben, um der Verkehrsmisere wenigstens einigermaßen Herr zu werden. Sie halben, glaube ich, gegeben, was sie konnten, obwohl derBund ihnen als den lebendigsten Zellen unseres demokratischen Staatswesens die wesentliche Hilfe einer gemeindefreundlichen Finanzreform auch in dieser Legislaturperiode wieder versagt hat.
Es wird also halt weitergewurstelt, selbst dann, wenn wir vielleicht in den nächsten Monaten noch einige Erleuchtungen von der Regierung zu hören bekommen werden, was alles an guten Dingen geschehen soll. Es ist ja nicht die erste Legislaturperiode, die von der CDU/CSU und FDP verantwortet wird. Sie haben schon einige Perioden mehr hinter sich, und die Misere auf den Straßen und der Notstand im Verkehr sind daher von Ihnen zu verantworten; denn die Entwicklung, die sich heute da abspielt, ist auch für Sie nicht überraschend gekommen.
Daran ändern auch die „Scherenschnitte" des Herrn Bundesverkehrsministers nichts. Der Bau neuer Autobahnen hat gewiß gute Fortschritte gemacht. Wir sind gewiß die letzten, die das nicht anerkennen wollen. Aber dafür gleichen viele ältere Strecken eher Schüttelrosten, die unsere Bandscheiben quälen. Das ist ein Problem, das bis heute nicht gelöst ist.
- Sie können ruhig meinen Wagen benutzen. Er ist aus einem hervorragenden Werk der deutschen Automobilindustrie. Ich glaube, daran liegt es nicht. Es liegt mehr an unseren Straßen.Wichtige Teile von Autobahnen haben die Aufgabe von städtischen Nahverkehrsverbindungen übernommen, weil die Gemeinden und damit auch die Länder vielfach aus den geschilderten Gründen außerstande sind, das eigene Straßennetz genügend auszubauen. Das Ergebnis: Viele stadtnahe Autobahnen sind in den Verkehrsspitzenzeiten hoffnungslos verstopft. Ich will Ihnen hier keinen Katalog aller Nöte und Unzulänglichkeiten auf unseren Straßen geben. Jeder Verkehrsteilnehmer kann davon ein Lied singen.Meine Damen und Herren, was Ihnen bevorstehen kann, sagt eine sachverständige Schätzung des ADAC, nach der im Jahre 1970 unser Straßennetz um 15% größer ist als 1961 — immer gemessen an dem, was zur Zeit geschieht —, der Verkehr aber um 80% angestiegen sein wird.Wie sollen diese düsteren Aussichten in hoffnungsvolle Perspektiven umgewandelt werden angesichts der Tatsache, daß die Bundesregierung nach der drohenden Stillegung unseres Straßenbaus im Herbst 1964 nur auf Grund einer Initiative der SPD- Bundestagsfraktion und der dadurch ausgelösten öffentlichen Empörung über soviel regierungsamtliches Versagen die finanziellen Voraussetzungen
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Seifrizdafür schuf, daß überhaupt weitergebaut werden konnte?
Sie erinnern sich doch wohl noch an die Debatte, die wir im Sommer und im Herbst geführt haben.
— Ja, das bin ich auch. Meine Damen und Herren, Sie können es nachlesen. Auch unser Antrag Drucksache IV/2517 betreffend Notstand auf den Straßen und im Straßenbau vom 12. August 1964 war als Warnung zu verstehen. Er ist erledigt, nicht nur deshalb, weil der Haushalt, auf den er sich bezog, bereits verabschiedet ist, sondern auch deshalb, weil die Regierung und die Koalition in dieser Frage offensichtlich uneinsichtig bleiben.
— Herr Müller-Hermann, wenn Sie sagen, daß ich mich lächerlich mache, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß sich offenbar die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung lächerlich macht, die von diesen Tatbeständen ausgeht, von Tatbeständen, die wir nicht das erstemal kritisieren müssen, weil Sie nicht in der Lage waren, das Problem ernsthaft aufzugreifen.
Sie wollen doch nicht bestreiten, daß die Verkehrsenquete für Sie keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse auf jeder Seite gebracht hat. Sie wollen doch nicht bestreiten, daß Sie für dieses Problem längst hätten Lösungen vorschlagen können. Sie wollen doch auch nicht bestreiten, daß die Finanzreform längst überfällig ist, eine Finanzreform, die die Voraussetzung ist, wenn man eine solche Gemeinschaftsaufgabe in der erforderlichen Größenordnung wirklich ernsthaft in Angriff nehmen will.
Auch die Sozialdemokraten, meine Damen und Herren, können kein Geld zaubern.
Aber auch der Herr Bundesfinanzminister kann nicht im Ernst bestreiten, daß die SPD ihr 1961 verkündetes Regierungsprogramm der Lösung von Gemeinschaftsaufgaben angesichts der richtig geschätzten Steuereinnahmen hätte mehr als erfüllen können, ohne eingegangene Bundesverpflichtigungen zu vernachlässigen. Sie können ja die Zahlen, die damals von uns kamen, mit denen vergleichen, die das Statistische Bundesamt oder die Bundesfinanzverwaltung dazu mitgeteilt hat, um festzustellen, ob ich recht habe oder nicht.
— Sie können sich darauf verlassen, Herr Lemmrich, daß unser Programm für die kommende Legislaturperiode finanziell ebenso gut abgesichert sein wird.
Das werden Sie noch vor dem Wahltag erfahren. — Wenn Sie von dem Straßenbau in Bremen sprechen, Herr Müller-Hermann: Sie wissen sehr genau, daß Bremen mit dem Neubau von Wohnungen an der Spitze im ganzen Bundesgebiet liegt. All diese Wohnbaugebiete haben die modernsten Straßen bekommen, die man diesem Viertel überhaupt nur geben kann.
Rechnen Sie doch einmal zusammen, was hier -an Straßenbauleistung allein von einer Stadtgemeinde geleistet wurde! Ich glaube, mancher andere könnte sich eine Scheibe davon abschneiden.
— Darüber können wir uns in Bremen unterhalten.
— Ja, natürlich, wir werden uns dann hier darüber unterhalten, wenn es darum geht, die Gemeinden bei ihren Aufgaben, mehr und bessere Straßen zu bauen, endlich so zu unterstützen, wie das erforderlich ist, damit sie ihre Aufgaben auch erfüllen können. Aber das wissen Sie im Grunde genommen selber gut genug.
Unser Programm wird ein Versprechen enthalten, das wir erfüllen werden, das Versprechen, der Verkehrsnot in den Städten, Gemeinden und anderen Ballungszentren in Kooperation mit den Ländern und den Gemeinden energisch zu Leibe zu rücken. Wir haben in den Gemeinden und in den Ländern bisher bewiesen, daß wir im Rahmen der dort gegebenen Möglichkeiten an dieser großen Aufgabe arbeiten. Wir werden, wenn wir die Verantwortung im Bund mehr als bisher mittragen können, dafür sorgen, daß das, was von Ihnen bisher über Jahre in schönen Worten immer angekündigt wurde, dann endlich Wirklichkeit wird.
In einem solchen Programm, meine Damen und Herren, wird der Bau von U-Bahnen, von Unterpflasterbahnen und von Hochbahnen natürlich ein besonderes Schwergewicht bekommen müssen. Auch die Enquete-Kommission ist eindeutig zu der Feststellung gekommen, daß auch die Probleme der städtischen Verkehrsverhältnisse nicht anders zu lösen sind als durch einen stärkeren Ausbau der öffentlichen Nahverkehrswege. Darüber gibt es keinen Zweifel. Das bedeutet aber nicht etwa, daß wir die Initiative im reinen Straßenbau zu vernachlässigen hätten. Dabei denken wir vor allem auch an die Entflechtung wichtiger Innenstadtkreuzungen durch die zweite Ebene. Dabei denken wir an den
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SeifrizBau von Hoch- und Tiefstraßen, die den Verkehr flüssiger machen sollen.
Das sind Aufgaben, die solche finanziellen Größenordnungen haben, daß die Gemeindesteuern allein nicht ausreichen, um sie erfüllen zu können.Auf gar keinen Fall denken wir dabei an die Verödung unserer Städte dadurch, daß wir etwa alle Autos in ihre Randzonen verbannen. Das pulsierende Leben in unseren Citys ist Voraussetzung dafür, daß uns die Städte als bedeutende gesellschaftliche, wirtschaftliche und geistige Kraftquellen der Nation erhalten bleiben. Meine Damen und Herren, das schließt natürlich, wenn wir das technisch sehen wollen, — — - Wie bitte?
— Meine Damen und Herren, Sie kennen viele der Patentlösungen, die uns heute angeboten werden und die davon ausgehen, daß man die Innenstädte einfach generell absperrt, Autos nicht mehr hinein-läßt und wo man meint, man macht eine ganze Innenstadt zur Fußgängerzone. Sie wissen alle, daß diese Probleme nicht nur bei uns, sondern auch im Ausland diskutiert werden. Sie wissen auch, daß beispielsweise in den Vereinigten Staaten ein wichtiges Problem ist, daß die Städte infolge einer falschen Verkehrspolitik zu veröden drohen. Ich glaube, es ist ernst genug, so daß also auch wir uns damit zu beschäftigen haben.Wir treten für ein Sofortprogramm ein, das der dringendsten, der allerdringendsten Verkehrsnöte Herr werden soll, und für ein längerfristiges Programm zur Behebung der Verkehrsnöte der Gemeinden. Für ein Sofortprogramm liegen mir aus 14 deutschen Großstädten mit jeweils über 300 000 Einwohnern neueste Zahlen vor, wonach für dringende bis spätestens Ende 1965 baureife Verkehrsprojekte rund 5 Milliarden DM aufgebracht werden müßten. Das sind nur die Baukosten für die allerdringendsten Projekte, die das alsbaldige Verkehrschaos in diesen 14 größten Städten verhindern sollen. Ganz anders — Herr Müller-Hermann hat wohl schon darauf hingewiesen — sieht die finanzielle Größenordnung für den Verkehrsausbau in der Bundesrepublik insgesamt aus. Die Sachverständigenkommission kommt auf einen Betrag von nahezu 100 Milliarden DM allein bis zum Jahre 1975. Ich meine, vor solchen Anforderungen dürfen wir nicht den Kopf in den Sand stecken. Wir müssen vielmehr das Nötige und Mögliche tun. Dazu gehört — das habe ich schon angeführt — die beschleunigte Inangriffnahme der Finanzreform und die stufenweise Überführung aller spezifischen Verkehrsabgaben in einen Straßenbaufonds, wie wir ihn beharrlich seit Jahren fordern. Es hat schon mehrere Vorlagen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion dazu gegeben, die Sie bisher jedesmal abgelehnt haben. Ein solcher Fonds ermöglicht die zweckmäßige Verteilung der Mittel aus Bund, Ländern und Gemeinden, ermöglicht aber zudem auch die Bildung einer Schwerpunktreserve für besonders vordringliche und aufwendige Verkehrsbauten.
Er macht außerdem eine den besonderen Verhältnissen im Verkehrsraum entsprechende Finanzierungspolitik möglich, zu der wir unsere eigenen Vorstellungen entwickeln. Dabei sind wir ganz besonders froh darüber, daß Herr Müller-Hermann kürzlich auf einer Veranstaltung des Deutschen Städtetages ebenfalls so etwas wie eine Schwerpunktreserve aus einem solchen Fonds gefordert und damit unsere langjährigen Vorstellungen übernommen hat.
Ich glaube, das sind die Perspektiven einer vorausschauenden Verkehrspolitik, einer vorausschauenden Verkehrspolitik, von der, meine Damen und Herren, zu sagen ist, daß auch in anderen Fraktionen viele in diesem Hause durchaus wissen, was geschehen muß. Unser Angriff gegen Sie besagt nicht mehr und nicht weniger als die Tatsache, daß die wesentlichen Tatbestände dessen, was wir heute auf unseren Straßen erleben, Ihnen seit Jahren bekannt sind und daß Sie bisher nicht in der Lage waren und auch nicht die genügenden Ansätze dazu gemacht haben, mit diesen Problemen fertig zu werden. Die Verkehrsnot ist für uns kein unabwendbares Naturereignis, aber ihre Überwindung erfordert Willen und Können. Die guten Dienste vieler sachverständiger Helfer sind längst angeboten. Der Städtetag, der Gemeindetag, der Landkreistag, die Automobilklubs, Presse, Funk und Fernsehen und viele andere wollen mittun. Vor allem ist es die Sachverständigenkommission, der wir für ihre wertvolle Unterstützung der Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden unseren herzlichen Dank abzustatten haben. Ihr Bericht bestätigt im wesentlichen unsere eigenen Erkenntnisse auf unseren sozialdemokratischen Verkehrskongressen, auf denen jedesmal die Fachleute zusammen mit den Politikern die Verkehrsprobleme behandelten, so daß diese mit klaren Vorstellungen antreten können, wenn, was wir zuversichtlich hoffen, der Wähler uns im Herbst die Gelegenheit gibt.
Herr Abgeordneter Ramms möchte noch eine Frage an Sie stellen.
Bitte schön, Herr Ramms!
Herr Kollege, sind Sie wirklich innerlich der Überzeugung, daß der Bau von Straßen mit dem Bau von Automobilen — sowohl materiell als auch finanziell — Schritt halten kann?
Ich bin der Auffassung, Herr Ramms, daß dies auf die Dauer gesehen möglich ist. Wenn ich dieser Auffassung nicht wäre, könnten
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8650 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
Seifrizwir heute ja schon vorweg die Kapitulation anmelden.
Dann müßten wir uns die Frage stellen, was wir mit der Automobilproduktion in der Zukunft machen.
Also sind Sie der Auffassung, daß das über mehrere Jahre hingeht?
Daß wir das nicht heute oder in diesem Jahr lösen können, darüber sind wir uns und ist sich das Haus doch wohl einig, und das ist sicher keine ernsthafte Frage.
Herr Kollege Seifriz, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage ides Abgeordneten Ertl?
Herr Kollege Seifriz, können Sie mir dann sagen, warum die Vereinigten Staaten nicht mit idem Problem fertig geworden sind, obwohl sie ein viel reicheres Land sind als wir?
Das kann ich Ihnen sagen. Auch Präsident Kennedy hat darauf eine Antwort gegeben: weil die Vereinigten Staaten dieses Problem sehr viel später, als es erforderlich gewesen wäre, in Angriff genommen haben. Erst die demokratische Regierung der Vereinigten Staaten hat das Problem mit der erforderlichen Energie und mit idem nötigen Sachverstand in Angriff genommen.
So wenig Abgeordnete und so viel Leidenschaft!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Drachsler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Seifriz, wenn Sie Ihr soeben vorgetragenes Programm zur Behebung der Verkehrsnot in den Städten und Gemeinden mit diesen Riesensummen bewältigen wollen, falls Sie an die Regierung kommen, dann frage ich mich, was dann wohl noch für die „arme Bundesbahn" übrigbleibt. — Herr Kollege Seifriz ist aber — wie ich sehe — gerade nicht da.
Ich möchte aber zunächst verbindlich anfangen, wie Sie auch verbindlich begonnen haben. Ich darf Ihnen versichern, daß wir von der CDU/CSU — und wohl auch von der FDP — es sehr bedauern, daß wir dann, wenn die großen Verkehrsanliegen unserer Zeit in diesem Hause besprochen werden, immer unter chronischem Zeitdruck leiden. Das wird dann aber wieder aufgeholt; das wissen Sie ja. Der Wissensdurst vieler Kollegen, die jetzt nicht da sind, wind dann durch die Anfragen an den Bundesverkehrsminister während der Fragestunde gestillt,
und in dieser Hinsicht hält der Herr Bundesverkehrsminister zweifellos den Rekord. Dadurch kommen wir wieder nicht zu den Fragen, die wir bewältigen müssen.
Gerade dadurch wird ersichtlich, wie wichtig die Verkehrspolitik ist. Nur ist es bedauerlich, daß eine Verkehrsdebatte — man sprach schon lange davon — heute wieder nicht stattgefunden hat, nicht mangels Masse, sondern mangels Zeit. Das bedauere ich auch sehr. Es ist aber auch zu bedauern, daß es angesichts der Abwicklung, wie sie heute gehandhabt wird, keine Verkehrsdebatte gibt. Es werden vielmehr in einem Schnellverfahren plenarreife Vorlagen abgewickelt, wobei sich der eine oder andere Redner daran hält der auch nicht.
Ich möchte kurz etwas zur Vorlage der Drucksache IV/2517 sagen, über die Kollege Seifriz nicht gern gesprochen hat, weil sie sich von selbst erledigt hat und weil diese Drucksache genauso wie die Drucksache betreffend die Große Anfrage ein ferialler Fehlalarm war, der anscheinend vom Jour-Dienst der Opposition in den Ferien — 12. August — entwickelt wurde, um die Öffentlichkeit politisch in Trab zu halten.
Es war damals bekanntlich die Zeit der Erhöhung der Postgebühren und die Debatte darüber. Die Opposition hat sehr viel davon erwartet, was aber nicht eingetreten ist, und so sagte sie sich: Dann müssen wir die Öffentlichkeit wenigstens damit beunruhigen, daß die „böse Bundesregierung" — und die Öffentlichkeit soll das wissen —, solange wir, die SPD, nicht regieren, das so weitergehen lassen wird und daß es neben Preissteigerungen auf anderen Sektoren auch Preissteigerungen im Berufsverkehr geben wird. Und dann wird noch ein Antrag gestellt, um die Öffentlichkeit auf diesen „fürchterlichen Notstand" auf unseren Straßen und im Straßenbau hinzuweisen.
Herr Abgeordneter Börner möchte eine Frage stellen.
Herr Kollege Drachsler, wenn die Sorge der Opposition im vergangenen Sommer nun also nur eine ausgesprochene „Saure-GurkenSorge" gewesen wäre, wie Sie es soeben dargestellt haben, warum, glauben Sie, hat der Herr Bundesfinanzminister denn dann mit so verdächtiger Eile reagiert und die entsprechenden Mittel im September freigegeben?
Das kann ich Ihnen sagen. Der Herr Bundesfinanzminister hat nicht in verdächtiger Eile reagiert, sondern der Herr Bundesfinanzminister und der Herr Bundesverkehrsminister haben zusammen im Kabinett auf eine Interpellation der CDU/CSU — —
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Drachsler— Das ist nachgewiesen. Der Herr Bundesverkehrsminister — —
— Herr Kollege Höhne, ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich mit fremden Federn schmücken. Sie haben doch gefragt und werden erlauben, daß ich darauf anworte. Es ist zu bestätigen, daß in dieser Zeit auf eine Interpellation der CDU/CSU hin das Kabinett beschlossen hat, die für einen flüssigen Weiterbau der Straßen notwendigen Finanzmittel im Vorgriff zur Verfügung zu stellen, weil das Bauwetter in dieser Zeit so günstig war. Das ist meine Antwort. Wenn Sie mir das Gegenteil beweisen können, bin ich gern bereit, das zu akzeptieren. Aber ich kann Ihnen das, was ich gesagt habe, mit Unterlagen belegen.
— Meine Herren, an sich wollte ich in diesem Tone nicht fortfahren. Wenn Sie aber glauben, Herr Kollege Höhne, daß eine weiche Antwort auf eine harte Frage nicht angebracht ist, dann muß ich Ihnen meinerseits sagen — es ist gut, wenn man das einmal ausspricht —: man sollte mit der Formulierung Notstand auf unseren Straßen und im Straßenbau nicht hausieren gehen. Die SPD hat schlechte Erfahrungen damit gemacht, immer von Notstand und Katastrophen zu sprechen. Seit dem Jahre 1949 sprach sie immer wieder davon, es kämen Katastrophen auf uns zu, wenn die Regierung so fortfahre, Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit, soziale Notstände, Bildungsnotstand. Und nun auch noch Notstand auf den Straßen! Wir sind in der glücklichen Lage, es hier nicht mit einem Notstand zu tun zu haben, sondern mit Erscheinungen einer Superkonjunktur, nämlich mit einer Motorisierungswelle, die wir überhaupt nicht voraussehen konnten.
— Sehr richtig, der Zwischenruf kommt sehr gelegen. Es wird unserer Verkehrspolitik und dem Verkehrsminister immer vorgeworfen, daß es Autoschlangen, verstopfte Straßen und Verkehrstote gibt; man sagt, der Verkehrsminister habe keine Konzeption. Verehrte Freunde, wer so argumentiert, daß diejenige Regierung keine Verkehrskonzeption habe, in deren Staat es Autoschlangen, verstopfte Straßen und Verkehrstote gibt, der behauptet damit gleichzeitig, daß kein zivilisierter Staat eine Verkehrskonzeption hat, weil nämlich überall, wo die Entwicklung ähnlich verläuft, diese Symptome auftreten.Der Zwischenruf hätte nicht kommen sollen. Es ist in diesem Hause schon einmal gesagt worden, man sollte die Verkehrstoten nicht in diese Auseinandersetzung hineinziehen. Es ist unser Anliegen, die Verkehrssicherheit mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu heben. Es wurde hier auch schon einmal gesagt, ,daß auf einem Verkehrskongreß der SPD Töne der Art angeschlagen worden sind: Dieser Seebohm ist an allem schuld, auch an den Verkehrstoten! — Meine Freunde — —
„Freunde" ist eine schöne Anrede! — Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Drachsler, Sie haben doch sicher mitbekommen, daß mein Zwischenruf sich auf Ihre Behauptung bezog, es gebe keinen Notstand. Sind Sie nicht der Meinung, daß 16 000 Verkehrstote einen Notstand demonstrieren?
Das hat doch mit dem Straßenbau nichts zu tun! Die Verkehrstoten wären auch durch den intensivsten Straßenbau nicht zu vermeiden,
weil in dem Wettlauf zwischen Straßenbau und Motorisierung der Straßenbau unmöglich Schritt halten kann.
Der Abgeordnete Börner möchte eine Frage stellen.
Herr Kollege Drachsler, wollen Sie wirklich bestreiten, daß das Urteil vieler Straßenbaufachleute, vieler Verkehrsjournalisten und Verkehrsjuristen falsch ist, daß eine erhebliche Anzahl der von uns allen zu beklagenden schweren Unfälle auf die Tatsache zurückzuführen ist, daß unser Straßenbau mit der Motorisierung nicht Schritt hält? Wollen Sie bestreiten, daß .deshalb der Gesetzgeber alles tun muß, um nicht nur strengere Verkehrsvorschriften zu schaffen, sondern auch durch besseren Straßenbau die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen?
Herr Kollege, Sie wissen, daß das unser gemeinsames Bestreben ist, das der Opposition wie auch von unserer Seite. Aber ich sagte schon: den Wettlauf zwischen Motorisierung und Straßenbau zugunsten ,des Straßenbaus zu entscheiden, das werden auch Sie nicht schaffen, wenn Sie wirklich einmal das Glück oder das Pech haben sollten, die Regierung zu stellen.Der Kollege Seifriz hat versucht, nachzuweisen — weniger in sachlicher Form als im Stile einer Wahlrede —, daß die Regierung sich große Versäumnisse auf dem Gebiet der Verkehrspolitik, namentlich auf dem Gebiet des Straßenbaus, habe zuschulden kommen lassen. Herr Kollege Seifriz, Zahlen beruhigen immer wieder, und ich möchte Ihnen einige davon nennen. Es ist Ihnen bekannt, daß wir wegen der Automatik der Vierjahrespläne in der glücklichen Lage sind, den Straßenbauetat alle vier Jahre erhöhen zu können. Während der erste Vierjahresplan etwa 8 Milliarden DM umfaßte, sah der zweite Vierjahresplan 13 Milliarden DM vor. Ihre Sorge war, daß dieser Plan nicht erfüllt wird. Der dritte Vierjahresplan wird wahrscheinlich 18 Milliarden DM umfassen und der vierte sogar 25 Milliarden DM. Sie sehen, daß wir in der Ver-
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Drachslerantwortung für das Ganze — das ist ja die Aufgabe der Regierungspartei, und das zeigt sich auch in der hohen Summe, die in der Enquete über die Verkehrsnot in den Gemeinden und Städten genannt worden ist, nämlich 250 Milliarden DM in 30 Jahren — dem Ziel sehr nahe kommen. Wir brauchen uns nicht zu schämen, auch nicht im Hinblick auf die Leistungen, die in den letzten Jahren gerade für den gemeindlichen Bereich mit Mitteln des Bundeshaushalts trotz der verfassungsrechtlichen Abgrenzung der Zuständigkeit von Bund, Ländern und Gemeinden geleistet worden sind. Bedenken Sie doch nur, daß ein großer Teil der Summe des zweiten Vierjahresplans für den gemeindlichen Bereich gegeben worden ist, nämlich insgesamt fast 4,5 Milliarden DM von 13 Milliarden DM. Wir wissen, daß das dennoch zu wenig ist. Es ist unser großes Anliegen, hier noch mehr zu tun und Zug um Zug dem Gutachten über die Bewältigung der Verkehrsnot in den Städten und Gemeinden gerecht zu werden.680 Millionen DM sind für Zuschüsse an die unteren Baulastträger vorgesehen, davon 450 Millionen DM nur über die Maßnahmen des Gemeindepfennigs. 118 Millionen DM sind allein für die Beseitigung schienengleicher Übergänge vorgesehen, 1,15 Milliarden DM für Ortsdurchfahrten in großen und kleinen Städten und 2,2 Milliarden DM für die Bereinigungen im Vorfeld der Großstädte, für den Bau der verlängerten Ortsdurchfahrten.Natürlich fehlt noch — leider Gottes — ein Betrag für die Schaffung der attraktiven Massenverkehrsmittel, die wir vorgesehen haben. Sie wissen ganz genau, daß ich jederzeit dafür plädiere. Ich bedaure, daß es uns nicht gelungen ist, den Anteil an der Mineralölsteuer zu erhöhen. Ich erinnere nur an das damalige Umstellungsgesetz. Ich bedaure das, aber ich habe den Mut, das auch zu sagen.
— Selbstverständlich. Warum denn nicht? Sie waren nicht im Ausschuß. Wir haben hart darum gerungen. Wir wollten .55% haben. Erst neulich habe ich in einem Gespräch mit dem Herrn Bundesfinanzminister festgestellt, daß die Überlegungen im Bundesfinanzministerium weitergehen als unsere Vorstellungen darüber, wie man diese Riesensumme von 250 Milliarden DM für die nächsten 30 Jahre aufzubringen gedenkt. Ich bin froh darüber, daß man nicht stur — wie die Opposition behauptet — von vornherein sagt: Nein, das machen wir nicht. Wir machen uns schon rechtzeitig Gedanken.Da wir nun gerade einmal bei diesem Punkt sind: während der zweiten Beratung des Haushalts hat der Kollege Erler so mit einem Unterton der Schadenfreude — er ist nicht hier; vielleicht tue ich ihm unrecht; wenn das so ist, nehme ich das Wort gleich zurück; aber ich habe es so gefühlt — leider Gottes gesagt: „Was wollt ihr denn? Diese Regierung hat doch für die Verkehrsnot der Städte nichts übrig! Denken Sie nur an den Fall München. In München plant man seit Jahren ein attraktives Massenverkehrsmittel, nämlich eine Kombination zwischen einer U-Bahn, die die Stadt und der Freie StaatBayern bauen, und der V-Bahn, der unterirdischen Verbindung zwischen Hauptbahnhof und Ostbahnhof. Die Bundesregierung hat sogar den Ersten Präsidenten der Deutschen Bundesbahn, Professor Oeftering, zurückgepfiffen, als er damals nach München kommen wollte, um ein Abkommen zu unterzeichnen." — Da wird aber nichts ab- und zurückgepfiffen. Ich habe es zunächst ebenfalls sehr bedauert, daß wir nicht vorwärtsgekommen sind. Aber ein so großes umfassendes Projekt muß natürlich zunächst finanziell geprüft werden. Der Herr Präsident der Deutschen Bundesbahn wurde nicht zurückgepfiffen, sondern ihm wurde gesagt: Fahren Sie ruhig hin! Dann wurde sogar noch ein offizieller Vertreter des Verkehrsministeriums hingeschickt, um die Bedeutung dieses verkehrspolitischen Aktes durch die Anwesenheit des Verkehrsministeriums zu unterstreichen.
— Das Verkehrsministerium. In Abwesenheit des Herrn Verkehrsministers hat der Herr Staatssekretär gesagt: Herr Bundesbahnpräsident, es ist nicht wahr, daß Sie nicht hinfahren dürfen, wie ein Teil der oppositionellen Presse versucht hat zu verlautbaren, sondern Sie fahren hin; aber Sie können noch nicht unterschreiben,
bevor nicht im Kabinett die Finanzierungsgrundlagen beraten worden sind.Herr Kollege Schäfer, ich bedauere das auch, weil ich hier Befangener bin. Ich wäre sehr glücklich darüber, wenn die Finanzierungsgrundlagen schon geregelt wären, wenn wir in München mit Sicherheit wüßten, welcher Betrag von seiten des Bundes für die Schaffung dieses attraktiven Massenverkehrsmittels gegeben wird. Aber ich darf Sie beruhigen; wir sind sicher, daß das in allernächster Zeit geschieht. — Bitte!
Herr Kollege, hatten Sie nicht bemerkt, daß es echte Besorgnis beim Herrn Kollegen Erler war und keine Spur von Schadenfreude?
Ich habe das nicht bemerkt. Aber wenn Sie glauben, es bemerkt zu haben, dann nehme ich es Ihnen ab. Jedenfalls hatte ich das Empfinden, daß im Unterton eine kleine Schadenfreude vorhanden war. Er sagte auch: „Seht die Regierung an! Die tut nichts für die Großstädte."Sie wissen, daß das Gutachten über die Verkehrsnot in den Städten und Gemeinden auf unsere Initiative zurückgeht. Vielleicht paßt Ihnen das auch wieder nicht. Aber es ist unleugbar. Es braucht seine Zeit, das durchzustudieren. Es ging damals in das Kabinett. Nun wird es in den Ausschüssen dieses Hauses beraten, und dann wird die Sache erledigt, und zwar positiv erledigt.Wir danken an dieser Stelle dem Herrn Verkehrsminister, daß er so großes Verständnis in der Vorbereitung, Planung und Durchführung dieses Münchener Projekts zeigt, das ein Demonstrativ-
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Drachslerprogramm in der Schaffung attraktiver und leistungsfähiger Massenverkehrsmittel für die ganze Bundesrepublik sein wird. Ich bin davon überzeugt, daß auch der Bundesfinanzminister, wenn die entsprechenden Finanzvorlagen von seiten der Bundesbahn im Kabinett eingehen, Verständnis dafür haben wird.Wir sind vor allem dankbar dafür, daß wir schon in diesem Monat, im Frühlingsmonat März, in München auf dem verkehrsreichsten Platz Europas, nämlich auf dem Stachus, Vorbereitungen treffen können, urn die ersten Bauteile für die V-Bahn unter die Erde zu legen. Das ist der nach außen hin sichtbare Ausdruck dafür, daß wir nicht nur gewillt sind, ein solches Projekt durchzuführen, sondern daß wir mit Recht auf die Unterstützung auch des Bundes warten können. Wir sind überzeugt, daß wir wie in den vergangenen Jahren mit den anstehenden Verkehrsproblemen fertig werden.Liebe Freunde, ich darf ihnen noch sagen, daß es überall billig und gut ankommt, wenn man über die Verkehrsnot loszieht und schimpft; denn das ist unser aller Leiden. Wir alle wissen, worin das Ärgernis auf der Straße besteht. Wir alle wissen, was es heißt, keinen Parkplatz zu bekommen. Wir alle wissen, was es heißt, früh zur Arbeit fahren und abends zurückfahren zu müssen; und wir alle wissen, wie zäh und wie breit sich die Autoschlangen in den Großstädten dahinziehen.Aber eines verstehen wir nicht: daß immer nur auf „die in Bonn" geschimpft wird. Man überlegt nicht, daß in den Städten selbst, besonders in den großen Ballungsräumen, verantwortliche Oberbürgermeister und Bürgermeister sitzen, die ein gewisses Maß an Schuld tragen. Die verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten erlauben solche Kritik an der Bundesregierung gar nicht, wenn es in den Städten nicht funktioniert. Einfach billig zu schimpfen, das ist gut, das bringt Beifall. Die Verantwortung zu tragen und angesichts der Verantwortung für das Ganze auch diese verkehrspolitischen Probleme zu lösen ist wesentlich schwerer.
Im werde demnächst im Ältestenrat die Frage zur Debatte stellen, ob wir nicht die Anrede „liebe Freunde" einführen sollten.
Ich finde, sie verbreitet eine so friedliche Atmosphäre.
Das Wort hat der Abgeordnete Lemmrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das klassifizierte Straßennetz der Bundesrepublik Deutschland hat eine Länge von 144 000 km. Hiervon sind 22 % Bundesfernstraßen, 44 % Staatsstraßen und 34 %Kreisstraßen.Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei spricht in ihrem Antrag vom Notstand auf den Straßen. Ich vermisse, daß in den Landtagen ähnliche Anträge eingebracht worden sind. Das hätte man tun müssen, wenn man den angeblichen Notstand auf den Straßen und beim Straßenbau selbst ernst nehmen würde. In der Tat — das muß immer wieder festgestellt werden — besteht das Straßennetz eben nicht nur aus Bundesfernstraßen. Ich möchte allerdings nicht verhehlen, daß nicht nur der Bund sehr große Anstrengungen gemacht hat, ,sondern daß die Länder ebenso außerordentliche Anstrengungen zur Bewältigung ihrer Aufgaben im Straßenbau unternehmen.Im Jahre 1964 haben die Länder für den Straßenbau — einschließlich der Zuschüsse an Gemeinden — einen Betrag von 2305 Millionen DM ausgegeben. Dieser Betrag wurde 1965 um 477 Millionen DM auf 2782 Millionen DM gesteigert. Ich darf vielleicht kurz die Zahlen des Bundes nennen. Der Bund beabsichtigte, 1964 2,9 Milliarden DM für den Bundesfernstraßenbau aufzuwenden. Bei der Bereisung des Bundesfernstraßennetzes durch den Herrn Bundesverkehrsminister wurde deutlich, daß auf Grund der guten Wettersituation die Bauaufträge schneller abgewickelt wurden, als vorauszusehen war. Die Bundesregierung hat nicht im Vorgriff, sondern zusätzlich 180 Millionen DM zur Verfügung gestellt, die dann im Nachtragshaushalt ausgewiesen wurden. Der Bund hat also im Jahre 1964 3096 Millionen DM ausgegeben. Für dieses Haushaltsjahr ist ein Betrag von 3446 Millionen DM vorgesehen.Die Anstrengungen der einzelnen Länder sind wesentlich gestiegen; man muß das anerkennen. Der Herr Kollege Seifriz sprach vorhin davon, als der Zuruf mit Bremen kam, daß Bremen im Wohnungsbau große Aufgaben bewältigt habe. Man muß feststellen, daß die Länder auch andere große Aufgaben zu bewältigen haben wie Wohnungsbau, Abwasserbeseitigung, Wasserleitungsbau usw. Das sind große Aufgaben, die in ihrer Bedeutung bestimmt nicht hinter dem Straßenbau zurückstehen. Danach haben die Länder ihre Schwerpunkte unterschiedlich gebildet. Wenn man die aufgewendeten Gelder für den Straßenbau lauf die Einwohner umlegt, dann kann festgestellt werden, daß fast in jedem Land Steigerungen vorgenommen wurden. Der Freistaat Bayern hat den Betrag pro Einwohner von 1964 auf 1965 von 56,80 DM auf 63,30 DM erhöht, das Land Hessen von 42,60 DM auf 51,50 DM, Rheinland-Pfalz von 51 DM auf 55 DM, Schleswig-Holstein von 36,90 DM auf 49,80 DM. Diese Zahlen machen die unterschiedliche Situation der einzelnen Länder deutlich. Man sollte nicht den Eindruck erwecken, als liege es hier ausgesprochen am guten Willen. Es wird auch da, wo die Sozialdemokratie in der Verantwortung steht, nur mit Wasser gekocht.Der Herr Kollege Seifriz hat besonders die Aufgaben bei den Gemeinden in den Mittelpunkt gestellt. Man kann nun einmal an der im Grundgesetz festgelegten Aufgabenverteilung nicht vorbeigehen. Es ist und bleibt nach dem bisherigen Stand Aufgabe der Länder, die Kommunen und die Kreise mit dem Finanzmitteln auszustatten, die sie benötigen.
Bei uns hat man das gesamte Kraftfahrzeugsteueraufkommen den Gemeinden übergeben. Das ist für
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Lemmrichdie Gemeinden und Landkreise eine gewaltige Hilfe. Auf diese Weise kann das Straßennetz bis in jedes Dorf ausgebaut werden.Der Herr Kollege Seifriz hat gesagt, daß jeder das Seine tun solle. Herr Kollege Seifriz, Sie kommen aus Bremen. Deswegen ist es vielleicht interessant, einmal zu hören, was Ihre Freunde von der SPD — und Sie selber können ja auch etwas dazu tun — im Straßenbau und zur Beseitigung des angeblichen Notstandes auf der Straße getan haben. Im Jahre 1964 waren im Haushaltsplan der Hansestadt Bremen für den Straßenbau 35,4 Millionen DM ausgewiesen. In diesem Jahr sind es nur 34,3 Millionen DM; also sogar eine kleine Reduktion. Ich meine, bei dieser Lage der Dinge sollte man mit seinen Ausführungen hier doch nicht so gewaltig auf die Pauke hauen. Es entzieht sich meiner Kenntnis, warum dies so ist, aber daß es in Verantwortlichkeit geschehen ist, nehme ich an.Herr Kollege Seifriz hat sich insbesondere mit den großstädtischen Verkehrsproblemen befaßt und gesagt, die Stadtzentren sollten nicht veröden. Selbstverständlich nicht. Aber wir wollen auch eines nicht — und darüber sind wir uns z. B. in München in allen Parteien einig —, wir wollen auch nicht, daß unser Stadtbild, unser alter Stadtkern zerstört wird. Herr Kollege Seifriz, Sie waren vielleicht auch schon einmal in den Vereinigten Staaten und haben das Problem studiert. Dort besteht nicht mehr die Absicht, große Stadtautobahnen zu bauen, sondern das Problem besteht in den fehlenden Parkplätzen. Deswegen wird die von den Demokraten seit vielen Jahren regierte Stadt Chicago ihr gesamtes U- und S-Bahnnetz wesentlich erweitern, damit weit draußen vor der Stadt die Fahrzeuge abgestellt werden können. Die Berufstätigen benutzen dann die öffentlichen Verkehrsmittel, um in die Stadt zu kommen. Dies wird wesentliche Änderungen im ganzen Verkehrsablauf zur Folge haben. Z. B. wird sich herausstellen, daß die Taxen ein wesentlicher Verkehrsträger in den Großstädten werden und daß sie hier Aufgaben in einem Ausmaße übernehmen müssen, an die man im Moment noch gar nicht denkt. Ich und meine Freunde — wir sind uns in München auf jeden Fall einig —, wir wollen nicht, daß das Stadtbild unserer schönen Stadt durch Verkehrsbänder, die sehr breit sein müßten, zerstört wird. Wir wollen die Tradition und die Schönheit unserer Stadt, wo sie noch vorhanden sind, auch in Zukunft erhalten.Eines muß jedoch festgestellt werden: Die Bundesregierung und wir haben die Bedeutung des Schwerpunktes Straßenbau erkannt. Das Wort vom „Chaos auf den Straßen" sollte man nicht mehr gebrauchen.Herr Kollege Börner sprach vorhin von den vielen Verkehrstoten. Dieses Problem erfüllt uns alle mit größter Besorgnis. Es gibt uns natürlich zu denken, warum in Großbritannien, wo das Straßennetz nicht so gut ist wie bei uns, die Zahl der Verkehrstoten nur ein Drittel so groß ist wie bei uns. In einer großen Münchener Zeitung — ich weiß nicht, ob so etwas auch bei Ihnen veröffentlicht wird — stand ein Bericht über Ratschläge an englische Autofahrer, die nach Deutschland reisen wollen. Da war die Rede davon, in Deutschland gebe es das beste Straßennetz ganz Europas. So sehen andere unser Land.
— Ja, Herr Kollege, das liegt natürlich daran, daßman darauf schnell fährt, und nach dem physikalischen Gesetz mv2/2 ist die Wucht größer und sinddamit die Unfälle schwerer.Wir wollen nicht in Abrede stellen, daß es auf manchen Straßen Gefahrenstellen gibt. Seit Jahren werden sie jedoch systematisch beseitigt. Wir wollen den Autofahrern das Leben nicht erschweren, sondern wollen, wo es eben nur geht, Gefahrenquellen beseitigen und die Sicherheit erhöhen. Der Vergleich zwischen Großbritannien und Deutschland macht es deutlich, daß es an den Straßen allein nicht liegen kann. Das wollte ich nur gesagt haben, nicht mehr und auch nicht weniger.Die Bundesregierung hat langfristige Straßenbaupläne, wie es die Vierjahrespläne sind, eingeführt. Dieses Vorbild der Bundesregierung und unseres Verkehrsministers Dr. Seebohm hat Schule gemacht in den Ländern der Bundesrepublik wie Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, die nun ebenso langfristige Ausbaupläne entwickelt haben. Ich möchte meinen, die Gerechtigkeit gegenüber dem Bundesverkehrsminister und seiner Straßenbauverwaltung verlangt es, daß die großen Leistungen, die hier vollbracht wurden, gewürdigt werden. Daß wir in Zukunft weitere große Anstrengungen machen müssen, steht außer Frage.Es wären noch verschiedene Probleme anzusprechen, z. B. die Frage, warum bei uns der Straßenbau erst im Jahre 1955 richtig eingesetzt hat. Ich will das Gespräch aber heute nicht ausdehnen. Sie, meine verehrten Kollegen, wissen selbst genau, daß wir zwei Kriege verloren haben und zweimal erst mit Verspätung anfangen konnten nach dem ersten und auch nach dem zweiten Weltkrieg. Um so größer ist die Leistung, die vollbracht worden ist. Es kann keine Rede davon sein, daß es einen Notstand oder ein Chaos auf unseren Straßen gibt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gehört zwar nicht ganz zu dem Antrag Drucksache IV/2517, daß man über den innerstädtischen Verkehr spricht, aber nachdem beide Fraktionen von sich aus speziell auch zu dem Problem der V-Bahn München eine Erklärung abgegeben haben, möchte ich namens der Freien Demokraten feststellen, daß wir uns über den hoffnungsvollen Schimmer freuen, der sich bei der Bundesregierung abzeichnet und es möglich erscheinen läßt, zu einer
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965 8655
Ertlbaldigen Einigung und somit vielleicht auch zu einem intensiven Ausbau zu kommen. Wir sollten aber nicht nur der Bundesregierung den Vorwurf machen, sondern auch bedenken, daß langes Zögern und wenig vorausschauende Planung auch bei den Kommunen die Ursache für das innerstädtische Verkehrsproblem sind. Dafür trägt aber nun nicht die Bundesregierung die Verantwortung.In manchen Dingen dürfte das auch für die Stadt München zutreffen. Es hat sehr lange gedauert, bis es zu einer einheitlichen Konzeption kam. Wir hoffen und wünschen, verehrter Herr Verkehrsminister, daß nun aber im Rahmen Ihrer Möglichkeiten und in Zusammenarbeit mit dem Finanzminister eine Möglichkeit gefunden wird, die V-Bahn im Zusammenhang mit der U-Bahn in München möglichst rasch auszubauen.Das bedarf allerdings auch wieder einer neuen Rücksichtnahme anderer Städte auf die Bundesregierung. Wir wissen, daß auch andere Städte, weil die Bundesregierung mit der V-Bahn ein spezifisches Bundesbahnprojekt durchführen will, an die Bundesregierung herangetreten sind und kommunale Bahnen ebenfalls bezuschußt haben wollen. Ich glaube, der Unterschied muß einmal deutlich gemacht werden. Wir verlangen von der Bundesregierung, daß sie ein 'Bundesbahnprojekt in Koppelung mit einem städtischen U-Bahn-Projekt durchzieht. Wir verlangen aber nicht einen Zuschuß für eine kommunale U-Bahn. Das, glaube ich, muß nochmals in aller Deutlichkeit herausgestellt werden, weil das in der Öffentlichkeit immer wieder mißverständlich behandelt worden ist.Die Befreiung des Kerns unserer Städte vom Kraftverkehr ist, glaube ich, keine Verödung. Hier teile ich die Meinung des Kollegen Lemmrich. Es kann dem Geschäftsleben und dem städtischen Leben nur von Nutzen sein, wenn die verstopften Innenstädte wieder befreit werden. Insoweit ist natürlich der innerstädtische Verkehr das Problem unserer Zeit, mehr als vielleicht manches Fernstraßenproblem. In dem Sinne hoffen wir, verehrter Herr Verkehrsminister, daß Sie auch im Kabinett eine günstige Lösung für die innerstädtischen Verkehrsprobleme finden werden, speziell auch für die V- Bahn in München.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ganz kurz! Die Behauptung des Kollegen Drachsler, daß die Gemeinden aus dem 13-Milliarden-Programm des zweiten Vierjahresplans 4,5 Milliarden DM bekämen, ist doch nicht aufrechtzuerhalten. Wenn Sie das sagen, Herr Drachsler, dann frage ich mich: Warum sagen Sie nicht, die gesamten 13 Milliarden DM flössen in die Gemeinden? Denn alle Straßen, die ausgebaut werden, liegen ja in einer Gemeinde. Tatsache ist — und daran kommen Sie nicht vorbei —, daß die kommunalen Straßenbaulastträger insgesamt 290 000 km Straßen haben —das sind 78 % des Straßennetzes in der Bundesrepublik —, daß sie dafür aber nur 680 Millionen DM erhalten und keinen Pfennig mehr. Das wollte ich zur Klarstellung gesagt haben.
— Nehmen Sie doch die gesamten 13 Milliarden in den Gemeinden!
Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erinnern uns so mancher Debatte in diesem Hause über den Straßenbau, und niemand — auch nicht die Regierungsparteien — ist mit der Entwicklung zufrieden gewesen. Ich habe in der Vergangenheit wiederholt darauf hinweisen können, daß das in erster Linie auch daran liegt, daß man dem Verkehr insgesamt und dem Straßenverkehr speziell von der Geburt unserer Bundesrepublik an — wenn ich mich so ausdrücken darf — nicht die genügende und gebührende Aufmerksamkeit geschenkt hat. Ich weiß, es hat immer andere schwerwiegende Aufgaben gegeben, aber ich glaube, einer der Gründe dafür, daß wir uns im Straßenbau insgesamt — besonders in den Gemeinden — doch noch in einer ziemlichen Misere befinden, ist, daß diesem, einer der größten gesellschaftspolitischen Aufgaben dieser Zeit — nicht nur in der Bundesrepublik, sondern in der ganzen Welt — von Anfang an nicht die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet worden ist.Aber eines, meine Damen und Herren von der Opposition, können auch Sie nicht leugnen: In den letzten Jahren sind wirklich erhebliche Anstrengungen gemacht worden, um den Engpaß zu überwinden. Das möchte ich doch mit aller Deutlichkeit betonen. Unter Hinweis auf das von mir vorher Gesagte möchte ich hier auch wiederholen, daß Unterlassungssünden in der Infrastruktur und insbesondere im Straßenbau angesichts der Entwicklung der Motorisierung einfach nicht wiedergutzumachen sind. Ich glaube, wir müssen in dieser Frage, die keine Weltanschauungsfrage und keine parteipolitische Angelegenheit ist, in Zukunft in diesem Hause wirklich zusammenstehen, um diese Engpässe aus rein menschlichen Gründen zu überwinden. Wir müssen auch mehr Mittel bereitstellen, wie das von dem Kollegen Drachsler hier gesagt worden ist.Zum Schluß möchte ich nur noch ganz allgemein auf eine Bemerkung des Kollegen Drachsler eingehen. Er hat gesagt, die 14 000, 15 000 oder 16 000 Toten und die schweren Unfälle könnten keine Angelegenheit der Debatte sein. Ja, meine Damen und Herren, das ist mir schon verschiedene Male gesagt worden. Darf ich daran erinnern, daß die Bundesregierung das Zweite Verkehrssicherheitsgesetz ganz besonders mit dieser Tatsache begründet hat, und was der Regierung recht ist, muß diesem Hause billig sein.
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8656 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ganz interessant gewesen, daß Herr Kollege Bleiß vorhin gesagt hat, wir sollten doch nicht auf die innerstädtischen Verkehrstarife abheben, weil hier die Zuständigkeiten andere sind. Dann ist der Herr Kollege Seifriz gekommen und hat gesagt, gerade das sei eine Schande, daß sich die Bundesregierung um die innerstädtischen Verkehrsverhältnisse so wenig kümmere.
— Natürlich, das eine ist etwas anderes. In beiden Fällen aber handelt es sich um Geld. Insofern ist die Grundlage doch gegeben. Leider hatten wir damals — nicht aus Gründen, die Ihre Freunde und ich gewollt haben, sondern aus Gründen, die andere gewollt haben — nicht die Möglichkeit, die Gemeinden im Grundgesetz richtig zu verankern. Dann soll man aber auch nicht immer sagen, es liege daran, daß wir den Finanzausgleich nicht richtig gestaltet hätten. Wir wissen ja ganz genau, daß diese Geburtsfehler, die unsere Bundesrepublik nun in dieser Beziehung hat, nicht von den Vätern des Parlamentarischen Rates zu vertreten sind, sondern von anderen, und daß man Geburtsfehler oftmals nur sehr schwer zu beheben vermag. Die Frage eines neuen Finanzausgleichs ist ein so vielschichtiges und schwieriges Problem, daß man über diese Frage wirklich sehr genau nachdenken sollte, bis man sie endgültig einer Klärung zuführt, auch gerade in einem bestimmten Interesse — das möchte ich hier einmal ganz klar sagen —, nämlich wegen des bei uns herrschenden Prinzips der Selbstverwaltung unserer Gemeinden und Gemeindekörperschaften, die dann in einer ganz erheblichen Weise eingeengt werden würde. Wer für diese Selbstverwaltung eintritt, muß sich das auch bei der Frage des Finanzausgleichs sehr überlegen.
Diesen Gedanken muß man hier noch einmal mit hineinstellen; denn natürlich spielen diese Sachen in der ganzen Frage eine erhebliche Rolle.Es ist hier gerade auch das Problem der sogenannten V-Bahn in München von den Herren Kollegen wiederholt angesprochen worden. Nicht nur München wünscht eine solche Eisenbahnverbindung zur Verbesserung der städtischen Verkehrsverhältnisse, das wünscht auch Frankfurt, das wünscht Hamburg, das wünscht Stuttgart. Hier ist an vielen Stellen die Bundesbahn angesprochen; durch entsprechende Leistungen und Anlagen der Bundesbahn soll eine Verbesserung der städtischen Verkehrsverhältnisse geschaffen werden. Man muß sich darüber klar sein, daß eine Vorortstrecke oder eine durch die Stadt führende Strecke im Netz der Bundesbahn auch eine Aufgabe der Bundesbahn darstellt und sein soll.Das ist aber gar nicht einfach. Ich habe hier ein kleines Papier, das mir zeigt, wie die Angelegenheit der V-Bahn München sich entwickelt hat. Das beginnt im Jahre 1954 mit einer Besprechung zwischen dem — inzwischen leider verstorbenen — damaligen Oberbürgermeister Thomas Wimmer und mir, und das endet am 1. Februar 1965 mit der Gründung der Tunnel-Gesellschaft. Das sind elf Jahre. Diese elf Jahre liegen, das wissen unsere Freunde in Bayern ganz genau, im wesentlichen an dem Hickhack innerhalb des Münchener Stadtrats; und da haben wir nicht die Mehrheit gehabt; leider!Das möchte ich doch einmal ganz ruhig darstellen, gerade weil solche Dinge immer wieder verschoben werden, wenn dann zum Schluß der Segen des Bundes nicht sofort vom Himmel herunterfährt, sobald die sich endlich einmal geeinigt haben; wobei man noch gar nicht weiß, ob die Einigung bestehen bleibt. Wieviele Einigungen haben wir schon erlebt, und nachher wurde doch wieder geändert. Dann ist natürlich hinterher gleich der Kuckuck los.Ich muß ganz offen sagen: Wir müssen uns 'diese Dinge erst einmal sorgfältig überlegen, damit die Sachen dann auch in der richtigen Form durchgeführt werden können. Solche Projekte in den Städten, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind planerisch nicht so leicht durchzuführen wie etwa der Bau einer Straße durch die Lüneburger Heide.Wir haben in dieser Beziehung ganz erhebliche Erfahrungen gesammelt. Warum sind denn die Mittel, die wir im Bundeshaushalt zur Unterstützung der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Großgemeinden zur Verfügung gestellt haben, Jahr für Jahr nicht abgerufen worden? Warum sind denn meine Uberhänge immer gerade dort liegengeblieben und nicht dort, wo ich das Geld ausgeben konnte?
Das muß man doch einmal mit aller Deutlichkeit sagen. Wer daran die Schuld trägt, will ich hier nicht im einzelnen untersuchen.
Ich sage Ihnen, daß es sehr viel schwieriger ist, ein solches Projekt in einer Stadt zur Baureife zu führen als in einem anderen Falle, und daß man manchmal natürlich mit der Notwendigkeit der Lösung des Problems sehr viel früher als mit der Möglichkeit der Lösung konfrontiert wird.Dort, wo wir diese Lösungen finden konnten, im Randgebiet und im Vorfeld der Städte, haben wir das gemeinsam getan und haben auch beträchtliche Erfolge erzielt. Deswegen ist es richtig, wenn Herr Kollege Drachsler sagt, daß erhebliche Teile dieser Mittel, auch wenn sie im Vorfeld der Städte und für Ortsumgehungen, aufgewendet worden sind, in erster Linie doch der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Städten gedient haben. Herr Kollege Müller, das bleibt so. Ich will mich auf die Zahlen, die er genannt hat, nicht festlegen. Daß aber Entscheidendes dadurch geschehen ist, das wissen wir beide.
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8658 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
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8660 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
Eine Aussprache wird nicht gewünscht.
Es ist vorgesehen Überweisung an den Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe sowie zur Mitberatung gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. — Ich stelle fest, daß so beschlossen ist.
Wir kommen zur Beratung des Antrags unter e betreffend Änderung der vorläufigen Richtlinien für die Gewährung von Bundeszuwendungen zu Straßenbaumaßnahmen von Gemeinden und Gemeindeverbänden, Drucksachen IV/1978 und IV/2794. Dazu liegt der Bericht des Herrn Abgeordneten Müller vor. Ich danke ihm für seinen Schriftlichen Bericht und erteile ihm das Wort zu einer mündlichen Ergänzung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verweise selbstverständlich auf den Schriftlichen Bericht. Ich bitte jedoch, in dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/2794 folgende mit den Fraktionen abgesprochene Änderung vorzunehmen: Unter Nr. 1 Ziffer IV ist der Termin, bis zu dem die Bundesregierung einen Bericht vorlegen soll, zu ändern in „31. Mai 1965", da der ursprünglich vorgesehene Termin des 31. Januar 1965 inzwischen abgelaufen ist.
Als Berichterstatter des Haushaltsausschusses hat Herr Abgeordneter Mengelkamp das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da der Haushaltsausschuß nur nach § 96 der Geschäftsordnung beteiligt ist, bin ich mir darüber klar, daß hier eine schwierige Situation besteht, die wohl auch protokollarisch nicht ganz einfach zu handhaben ist.
Der gemäß § 96 beteiligte Haushaltsausschuß hat eindeutig festgestellt, daß die anfallenden Kosten durch den vorliegenden Haushalt gedeckt werden. Darüber hinaus hat der Haushaltsausschuß mit Mehrheit beschlossen, zu bedenken zu geben, daß durch die Einfügung einer neuen Ziffer 2 unter Nr. 1 Abschnitt I eine besondere Situation entstanden ist. Auf Empfehlung des Ausschusses für Kommunalpolitik hat nämlich der federführende Ausschuß beschlossen, Abschnitt I Nr. 4 der Richtlinien durch die Einfügung eines Buchstaben aa wie folgt zu ergänzen:
die Kosten der durch den Straßenbau verursachten Veränderungen von Versorgungsanlagen wie auch von Anlagen des öffentlichen Nahverkehrs, soweit diese nicht durch Buchstabe a jährlich ausgeschöpft werden;
Diese Hinzufügung erscheint der Mehrheit des Haushaltsausschusses nicht praktikabel. Auch der anwesende Vertreter des Bundesverkehrsministeriums hat darauf aufmerksam gemacht, daß bei der Durchführung einer derartigen Richtlinie Schwierigkeiten entstehen würden.
Die Formulierung enthält ja den ausdrücklichen Zusatz: „soweit diese nicht durch Buchstabe a jährlich ausgeschöpft werden" . In der Praxis werden also die zur Verfügung stehenden Mittel zunächst nach Buchstabe a aufgeteilt und zur Verausgabung vorgesehen. Ob Mittel übrigbleiben, kann erst nach Ablauf des Haushaltsjahres festgestellt werden. Dann erst würde nach der zitierten Vorschrift unter Buchstabe aa zu verfahren sein. Ein solches Verfahren erscheint aber nicht praktikabel. Deshalb möchte ich hier namens des Haushaltsausschusses Bedenken anmelden.
Das Wort hat der Abgeordnete Lemmrich.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben auf Umdruck 599 *) den Antrag gestellt, unter Nr. 1 Abschnitt I die Ziffer 2 mit dem Buchstaben aa zu streichen. Die Gründe hat mein Kollege Mengelkamp schon dargelegt.
Es handelt sich bei dem hier zu fassenden Beschluß um eine Empfehlung an die Bundesregierung. Sicherlich ist es sinnvoll, wenn wir der Bundesregierung nur das empfehlen, was praktikabel ist. Das unter der angeführten Ziffer vorgesehene Verfahren ist jedoch nach Auffassung des Haushaltsausschusses als nicht praktikabel anzusehen. Da wir Wert darauf legen, daß diese Empfehlung an die Bundesregierung möglichst bald berücksichtigt wird, damit insbesondere die Bezuschussung beim Grunderwerb, der das Hauptproblem darstellt, verbessert werden kann, bitte ich, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorweg darf ich sagen, daß wir den Gemeinden helfen wollen und im Interesse der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden beantragen werden, diesen Antrag und auch die Drucksachen IV/2794 und IV/1978 an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen zurückzuverweisen. Dann kann sich der Ausschuß damit eingehend befassen.Aber ich erinnere jetzt an das, was der Herr Bundesverkehrsminister soeben gesagt hat; denn das steht in Widerspruch zu dem, was Sie, Herr Kollege Mengelkamp, hier unterstellen. Der Herr Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm hat hier behauptet: Es sind erhebliche Reste aus diesem Fonds von 680 Millionen DM vorhanden, so daß das, was wir im Ausschuß erreicht haben und was hier als Antrag vorliegt, doch finanziert werden könnte. Sie, Herr Kollege Mengelkamp, haben vorhin gesagt, Sie könnten den Unfug nicht mitmachen, den der Ausschuß mit Mehrheit beschlossen hat. Daß die Einrichtungen der öffentlichen Nahverkehrsbetriebe mit bezuschußt werden, besagen auch die Richt-*) Siehe Anlage 3
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965 8661
Müller
linien des Landes Nordrhein-Westfalen, und auch der Sachverständigenbericht — Drucksache IV/2661 — unterstützt uns in dem Bemühen, den Gemeinden zu helfen.Damit wir hier nicht auseinandergehen, ohne den Gemeinden die Hilfe zu geben, auf die sie einen Anspruch haben, beantrage ich nochmals Rückverweisung an den Ausschuß.
Dazu Herr Abgeordneter Lemmrich!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Materie, die in diesem Absatz angesprochen ist — Verlegung von Versorgungsleitungen —, befaßt sich ganz detailliert der Antrag der Kollegen Professor Dr. Burgbacher, Rauhaus, Dr. Aschoff und Genossen und der Fraktion der SPD. Diese Materie wird also ohnedies im Verkehrsausschuß beraten werden. Wir sollten deshalb doch dem Antrag, diesen Absatz herauszunehmen, zustimmen. Dann kann die Richtlinie in dieser Richtung geändert werden.
Es muß festgestellt werden, daß es sich bei der Bezuschussung im Zusammenhang mit der Verlegung von Versorgungsleitungen um eine sehr diffizile Rechtsfrage handelt. Das ist auch in den Beratungen des Haushaltsausschusses sehr deutlich geworden. Nur um die Sache nicht zu verzögern und um heute schneller voranzukommen, haben wir davon Abstand genommen, die Überweisung des Antrags von Professor Dr. Burgbacher an den Rechtsausschuß zu beantragen.
Damit das, was nunmehr beschlossen und nicht mehr umstritten ist, jetzt zum Tragen kommen kann, möchte ich Sie bitten, den Antrag nicht noch einmal an den Verkehrsausschuß zurückzuverweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin das Haus nicht überfordern wollen; ich bitte aber auch, das Haus nicht mit diesem Antrag zu überfordern; denn ein Überblick und ein Einblick in die vielschichtige Problematik wird in diesem Augenblick nicht möglch sein.
Nur das dine ,möchte ich sagen: der vom Kollegen Lemmrich vorhin erwähnte, dem Ausschuß überwiesene Gesetzesantrag behandelt zwar in der Sache dasselbe, hat aber mit den Richtlinien nichts zu tun. Alle Fragen, die offen sind, müssen noch einmal gründlich überlegt werden, und zwar unabhängig davon, ob der vorhin eingebrachte Gesetzentwurf irgendwann einmal zur zweiten und dritten Beratung in dieses Haus zurückkommt. Ich glaube, wir sollten hier — entschuldigen Sie — keine Tricks versuchen, sondern die Dinge beim Namen nennen. Hier ist eine Entweder-oder-Entscheidung zu treffen, und der Antrag auf Rücküberweisung gibt allen die Möglichkeit, das Für und Wider in sachlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen.
Ich bitte deshalb, dem Antrag meiner Freunde zu entsprechen.
Wir stimmen dann über den Antrag Müller auf Zurückverweisung an den Verkehrsausschuß und — gemäß § 96 der Geschäftsordnung — an den Haushaltsausschuß ab. Wer zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. — Gegenprobe! — Wir müssen die Abstimmung durch Erheben wiederholen. Wer zustimmt, erhebe sich. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Es ist also beschlossen. Die Vorlagen Drucksachen IV/1978 und 2794 sind an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen sowie — nach § 96 der Geschäftsordnung — an den Haushaltsausschuß zurückverwiesen.
Wir kommen zu Punkt 12 f, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Drachsler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine kurze Bemerkung. Mit Anweisung des Finanzministeriums vom 18. März 1963 an den Bundesverkehrsminister wurde bekanntlich erklärt, daß wegen eines Einspruchs des Rechnungshofs weitere Zuschüsse für den Ausbau von Verkehrssignalanlagen unterbleiben müssen. Nun werden wir heute — ich glaube, es gibt keinen Zweifel daran — die Vorlage annehmen.
Jetzt möchte ich nur an den Finanzminister appellieren, eine Regelung zu finden, nach der die Gemeinden und Städte, die in der unsicheren Lage inzwischen trotzdem weiter Signalanlagen gebaut haben, die entsprechenden Zuschüsse bekommen, weil sie in dem Glauben handelten, daß diese Vorlage sinnvoll gehandhabt werde. Wir wollen uns die Zeit ersparen und keinen solchen Antrag stellen, sondern nur an den Bundesfinanzminister den Appell richten. Wir sind sicher, daß eine Regelung gefunden werden kann.
Ich danke dem Berichterstatter.Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3 sowie Einleitung und Überschrift, und zwar in der Fassung der Drucksache IV/2792. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Angenommen.Ich schließe die zweite und eröffne diedritte Beratung.Wer zustimmt, erhebe sich. — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Wir kommen zu Punkt 12 g, dem Entwurf eines Gesetzes über eine Untersuchung der wirtschaftlichen Lage der Deutschen Bundesbahn, der Binnenschiffahrt und des gewerblichen Kraftverkehrs. — Das Wort wird nicht gewünscht. Der Entwurf soll an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen — federführend —und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
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8662 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965
Vizepräsident Dr. DehlerPunkt 12 h, Antrag betreffend Mannheimer Akte. Der Antrag soll an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen überwiesen werden. — Es ist so beschlossen.Punkt 12 i, Antrag betreffend Errichtung eines Bundesamtes für Transportkosten. Keine Begründung, keine Aussprache. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen— federführend —, an den Wirtschaftsausschuß und an den Haushaltsausschuß vorgesehen. Der Ausschuß für Inneres kann gutachtlich gehört werden; wir wollen grundsätzlich nicht an mehr als drei Ausschüsse überweisen.
— Es ist von Überweisung an vier Ausschüsse gesprochen worden. Das wollen wir grundsätzlich nicht. Mein Vorschlag: Überweisung an den Verkehrs-, den Wirtschafts- und den Haushaltsausschuß, und der Ausschuß für Inneres soll gutachtlich gehört werden. Besteht Einverständnis? — Es ist so beschlossen.Punkt 12 j: Entschließungsantrag betreffend Entwurf eines Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl. Soll der Entschließungsantrag der SPD Umdruck 358 nicht zurückgezogen werden? — Nein, er wird aufrechterhalten; der ursprüngliche Entschließungsantrag wird für erledigt erklärt. Soll der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Abstimmung gestellt werden? — Keine Bedenken. Wer ihm zustimmt, gebe bitte Zeichen. —Gegenprobe! — Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.Wir kommen dann zu Punkt 12 k, zu dem Schiffssicherheitsvertrag vom 17. Juni 1960. Hierzu liegt der Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Löbe vor.— Keine Wortmeldungen.Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. 1, Art. 2, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Einstimmige Annahme.Ich schließe die zweite und eröffne diedritte Beratung.Wer zustimmt, erhebe sich. — Einstimmige Annahme des Gesetzes.Wir kommen nun weiter zu Punkt 121, zu dem Zweiten Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt. Hier sind die Abgeordneten Mengelkamp und Wendelborn Berichterstatter.Als Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Mengelkamp das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst darf ich namens des Haushaltsausschusses feststellen, daß wir sehr glücklich darüber sind, daß hier eine erfreuliche Gesetzesbereinigung hat vorgenommen werden können und daß die Klärung der Kompetenzen von Bund und Ländern in diesem Gesetzgebungswerk so ausgezeichnete Fortschritte gemacht hat. Besonderen
Wert legen wir auf die Feststellung, daß der Bund nicht verpflichtet ist, den Ländern und Gemeinden als Hafenträgern finanzielle Zuschüsse zu leisten. Das ist ja in dem ausgezeichneten Bericht des Herrn Abgeordneten Wendelborn festgehalten worden.
Dann habe ich im Einvernehmen mit dem Herrn Kollegen Wendelborn insgesamt vier Druckfehler zu berichtigen, die sich in seinen Bericht auf Drucksache IV/3133 eingeschlichen haben. Auf der ersten Seite muß es im zweiten Absatz in der 13. Zeile der linken Spalte statt „Staatssicherheitsvorschriften" heißen „Schiffssicherheitsvorschriften". Auf der zweiten Seite des Schriftlichen Berichts muß es in der achtletzten Zeile der linken Seite statt „die eigenen Schiffahrtswege" heißen „die eigentlichen Schiffahrtswege" . In Ziffer 4 auf der rechten Spalte der gleichen Seite muß es heißen „Der Erlaß von Verordnungen über die Abgaben" ; also Plural und nicht Singular. In der 16. und 17. Zeile nach dieser Ziffer 4 muß es heißen „andere Aufgaben wahrzunehmen haben" und nicht „wahrgenommen haben". Ich bitte, diese Druckfehler zu berichtigen.
Die Berichtigungen werden festgehalten.Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf § 1, § 1 a, § 2, § 4, § 4 a, § 4 b, § 4 c, § 5, § 6, § 6 a, § 6 b, § 7, § 8, § 9, § 10, § 11, § 12, § 13, § 14, § 15, § 16, § 17, die Einleitung und die Überschrift. Wer zustimmt, gebe bitte Handzeichen. — Gegenprobe! — Einstimmige Annahme.Ich schließe die zweite Beratung und eröffne diedritte Beratung.Keine Wortmeldungen. Wer zustimmt, erhebe sich. — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Wir kommen zu Punkt 12 m, zur Änderung des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt. Es liegt hier ein Bericht des Herrn Abgeordneten Eisenmann vor; ich danke ihm dafür. — Keine Wortmeldungen.Wir treten in die Einzelberatung ein: Art. 1 mit den vorgenommenen Änderungen, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmt, gebe bitte Handzeichen. — Gegenprobe! — Einstimmige Annahme. Ich schließe die zweite und eröffne diedritte Beratung.Wer zustimmt, erhebe sich vom Platz. — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Unter Punkt 12 n steht der Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen betreffend einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Ausrüstungsgegenstände und Teile von Kraftfahrzeugen und über die gegenseitige Anerkennung der Genehmigung zur Abstimmung. Es liegt der Bericht des Herrn Abgeordneten Höhne vor, dem ich dafür danke. Eine Aussprache wird nicht gewünscht.Wir kommen zur Abstimmung. Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. — Einstim-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1965 8663
Vizepräsident Dr. Dehlermige Annahme. Ich schließe die zweite und eröffne diedritte Beratung.Wer zustimmt, erhebe sich vom Platz. — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 12 o, Entschließungsantrag zum Haushaltsgesetz 1964. Der Ausschuß schlägt vor, den Entschließungsantrag für erledigt zu erklären. — Ich nehme Thr Einverständnis an.Punkt 12 p betrifft die Verbesserung der Fahrwasserverbältnisse auf dem Rhein. — Ich stelle fest, daß Sie dem Ausschußantrag zustimmen.Der Antrag unter 12 q betreffend Erstversorgung für Unfallverletzte ist noch zu erledigen. Die schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Pohlenz nehmen wir zu Protokoll *) . Der Antrag ist zu überweisen an den Ausschuß für Gesundheitswesen — federführend - und zur Mitberatung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen und an den Haushaltsausschuß. - Ich stelle Ihr Einverständnis fest; es ist so beschlossen.Wir kommen nun zu den Zusatzpunkten auf der Ihnen vorliegende Liste. Ich rufe auf:1. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur zweiten Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 85/63/EWG über die Festsetzung der Einschleusungspreise und der Zusatzbeträge sowie der Übergangsbestimmungen für Teilstücke von Schweinen sowie Schweinefleisch enthaltende Zubereitungen und Konserven (Drucksachen IV/3158, IV/3176) ;2. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Inneres über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG für eineVerordnung des Rats zur Änderung der Berichtigungskoeffizienten für die Dienst- und Versorgungsbezüge der BeamtenVerordnung der Räte der EWG/EAG zur Änderung. des Statuts der Beamten und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Atomgemein-*) Siehe Anlage 4schaft und der Europäischen WirtschaftsgemeinschaftVerordnung der Räte der EWG/EAG zur Bestimmung der Höhe und des Umfangs der in Artikel 3 a des Anhangs VII des Statuts vorgesehenen PauschalzulageVerordnung der Räte der EWG/EAG zur Änderung der Berichtigungskoeffizienten für die Dienst- und Versorgungsbezüge der BeamtenVerordnung der Räte der EWG/EAG zur Änderung der Bestimmungen und des Verfahrens für die Erhebung der in Artikel 12 Absatz 1 der Protokolle über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Atomgemeinschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorgesehenen Steuer zugunsten der Gemeinschaft
;
3. Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Festsetzung der Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern für Schweine, Schweinefleisch und Schweinefleisch enthaltende Erzeugnisse für Einfuhren, die vom 1. April bis zum 30. Juni 1965 getätigt werden (Drucksache IV/3157, IV/3179).Die Ausschüsse empfehlen in zwei Fällen — zu den Punkten 1 und 3 —, den Vorschlag der EWG- Kommission zur Kenntnis zu nehmen. In dem zweiten Zusatzpunkt macht der Ausschuß Änderungsvorschläge und empfiehlt im übrigen, die Vorschläge und Entwürfe der Kommission der EWG/ EAG zustimmend zur Kenntnis zu nehmen.Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. — Wir kommen dann zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen IV/3176, IV/3177, IV/3179. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Wir stehen am Schluß der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, 18. März, 14.00 Uhr.Die Sitzung ist geschlossen.