Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Ich begrüße Sie, meine Damen und Herren, zum Beginn des zweiten Jahres der 4. Legislaturperiode. Ich hoffe, daß Sie sich gut erholt haben.Wir beginnen diese Stunde mit einem Gedenken
an teure Kolleginnen und Kollegen, die während der Parlamentsferien von uns gegangen sind.Es starb am 10. Juli Dr. Julius Brecht, am 25. Juli Dr. Helene Weber und am 28. September Dr. Robert Pferdmenges.Dr. Julius Brecht wurde am 8. Februar 1900 in Uehlingen in Baden geboren. Nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften wandte er sich bald der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft zu, in der er unbestritten zu den führenden Gestalten gehört hat. 1927 wurde er zunächst Prokurist, dann Direktor der Westfälischen Heimstätte, 1935 Direktor der Saarpfälzischen Heimstätte und 1938 Leiter des Reichsverbandes des deutschen gemeinnützigen Wohnungswesens.Nach dem zweiten Weltkrieg nahm Julius Brecht seine Arbeit im Dienste der Heimstättenbewegung und des gemeinnützigen Wohnungswesens sogleich wieder auf. Von 1947 bis 1951 war er Verbandsdirektor des Gesamtverbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen in Hamburg-Altona, seit 1951 Verbandsdirektor des Gesamtverbandes gemeinnütziger Wohnungsunternehmen in Köln. Er war Lehrbeauftragter für Wohnungswesen und Wohnungswirtschaft an der Universität Köln, Mitglied der Gewerkschaft für Handel, Banken und Versicherungen, Mitglied des Zentralvorstandes des Internationalen Genossenschaftsbundes und Präsident der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft.Im Jahre 1947 schloß sich Julius Brecht der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands an. Von 1949 bis 1951 war er Mitglied der Hamburger Bürgerschaft. Dem Bundestag gehörte er seit 1957 an. Julius Brecht war Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung und Mitglied des Finanzausschusses.Nicht nur die ganze deutsche Wohnungswirtschaft, sondern auch der ganze Deutsche Bundestag betrauern in dem verstorbenen Kollegen Julius Brecht einen großen, anerkannten Fachmann auf einem der wichtigsten Gebiete unseres öffentlichen Lebens und betrauern in ihm einen Mann, dem wir alle gerne ein dankbares Angedenken bewahren werden.Helene Weber wurde am 17. März 1881 in Wuppertal-Elberfeld geboren. Sie war von 1900 bis 1905 Volksschullehrerin und seit 1909 Studienrätin. 1916 gründete und leitete sie die Wohlfahrtsschule des Katholischen Deutschen Frauenbundes. 1919 trat sie in den Dienst des Preußischen Wohlfahrtsministeriums und wirkte dort von 1920 bis 1933 als Ministerialrätin im Arbeitsbereich für soziale Bildungsfragen und Jugendpflege. 1933 mußte sie ihr Amt, das ihr sehr lieb geworden war, aus politischen Gründen verlassen.Unmittelbar nach dem Zusammenbruch wandte sich Frau Dr. honoris causa Helene Weber sogleich erneut der Sozialpflege in der katholischen Frauenbewegung zu. Sie war Vorstandsmitglied des Katholischen Frauenbundes, Vorsitzende Ides Berufsverbandes katholischer Fürsorgerinnen und Vorstandsmitglied des Vereins für öffentliche und private Fürsorge. Sie folgte Frau Elly Heuß-Knapp im Vorsitz des Deutschen Müttergenesungswerkes.Darüber hinaus sind in der Gestalt Helene Webers zwei Epochen des deutschen Parlamentarismus, wie ich glaube, eindrucksvoll präsent. Als Mitglied der Deutschen Zentrumspartei gehörte sie 1919 der Verfassunggebenden Nationalversammlung von Weimar an. Von 1922 bis 1924 war Helene Weber Mitglied des Preußischen Landtages und von 1924 bis 1933 Mitglied des Reichstages.Nach 1945 schloß sich Helene Weber der Christlich-Demokratischen Union an. Im Jahre 1946 gehörte sie dem Landtag von Nordrhein-Westfalen an. Von 1946 bis 1948 war sie Mitglied des Zonenbeirates und von 1948 auf 1949 Mitglied des Parlamentarischen Rates.Dem Deutschen Bundestag gehörte Frau Dr. Weber seit 1949 an. Sie war Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates und der Versammlung der Westeuropäischen Union. Zu den Freuden ihres ehrwürdigen Alters gehörte es, seit 1958 Sprecherin der deutschen Delegierten bei der Beratenden Versammlung des Europarates und der Versammlung der Westeuropäischen Union sein zu dürfen.
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1632 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962
Präsident D. Dr. GerstenmaierDer Deutsche Bundestag verneigt sich in dieser Stunde vor dieser ebenso tapferen wie liebevollen deutschen Frau.Vor knapp einem Jahr hat von dieser Stelle aus unser Kollege Dr. Robert Pferdmenges die 4. Wahlperiode des Deutschen Bundestages als Alterspräsident eröffnet. Am 3. Oktober wurde er mit großen Ehren in Köln. zu Grabe getragen.Robert Pferdmenges wurde am 27. März 1880 in Mönchengladbach geboren. Nach der Banklehre war er von 1904 bis 1914 in London und Antwerpen tätig. Als Reserveoffizier nahm er am ersten Weltkrieg teil.Von 1919 bis 1930 war Dr. honoris causa Pferdmenges Vorstandsmitglied des Schaaffhausen'schen Bankvereins, von 1931 bis 1953 Teilhaber des Bankhauses Salomon Oppenheim & Co.Schon in der Zeit der Weimarer Republik war Robert Pferdmenges Aufsichtsratsvorsitzender zahlreicher Unternehmen und Mitglied des Generalrates der Reichsbank. Im Jahre 1933 trat er von diesen Ämtern zurück. Nach dem 20. Juli 1944 wunde er verhaftet.Robert Pferdmenges gehört zu denen, die sich nach dem Zusammenbruch, in die Freiheit zurückgekehrt, sofort in den Dienst des politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbaus unseres Vaterlandes gestellt haben. Er wurde zunächst Präsident der Industrie- und Handelskammer Köln, später, 1953, deren Ehrenpräsident. Von 1951 bis 1960 war er Präsident, danach Ehrenpräsident des Bundesverbandes des privaten Bankgewerbes.Robert Pferdmenges gehört zu den Männern und Frauen, die in den Trümmern von Köln begonnen haben, die Christlich-Demokratische Union Deutschlands zu gründen. Von 1947 bis 1949 war er Mitglied des Wirtschaftsrates für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet.Dem Bundestag gehörte er seit Januar 1950 an. Er 'war Mitglied des Finanzausschusses und Ältester des Wahlmännerausschusses.Sein Wirken vollzog sich in der Stille, dennoch ist viel davon weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt geworden. In diesem Hause hörten wir Robert Pferdmenges nur einmal sprechen, als er am 17. Oktober 1961 den 4. Bundestag eröffnete. Es war nicht alles glatt und unangefochten, was er damals sagte. Aber es wurden darin die Tugenden sichtbar, die im deutschen Volk einmal etwas gegolten haben und die es wert sind, auch in der Zukunft unter uns in Ehren gehalten zu werden. Damals sagte Robert Pferdmenges zu uns: „Lassen wir Einfachheit, Bescheidenheit, Opferbereitschaft und innere Lauterkeit unsere Devise sein." Nun, meine Kolleginnen und Kollegen, Robert Pferdmenges selbst lebte und wirkte nach diesen Grundsätzen: Ich glaube, daß dies mehr als der große wirtschaftliche Erfolg, den dieser Mann auch gehabt hat, Robert Pferdmenges die hohe Achtung des ganzen Deutschen Bundestages eingetragen hat.Das Gedächtnis unserer heimgegangenen Mitglieder bleibe im Segen.Meine Damen und Herren, wir kommen zur Tagesordnung. Ich rufe auf den Punkt 1:Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Der Bundestag und die Bundesregierung begegnen sich in dem Wunsche, vor Beginn der Winterarbeit einen Überblick über die gegenwärtige Lage zu geben und zu erhalten.Die Einbringung des Haushaltsplanes gibt im allgemeinen die Möglichkeit eines Überblicks. Der Haushaltsplan war aber wegen der besonderen Schwierigkeiten nicht so zeitig fertigzustellen, daß er jetzt schon hätte vorliegen können. Er ist inzwischen dem Bundesrat zugegangen. Die Haushaltsberatungen im Bundestag werden wohl Anfang November beginnen.Bei der Lesung dieses Haushaltsplanes, meine Damen und meine Herren, wird sich Gelegenheit geben, eine ganze Reihe von Fragen aufzuwerfen und zu beantworten. Es hat aber seit einiger Zeit eine so lebhafte und beim Rückblick auf frühere Jahre unterschiedliche Entwicklung eingesetzt, daß es wohl angebracht erscheint, schon jetzt darüber zu sprechen und damit nicht bis zur Einbringung des Haushaltsplanes zu warten.Im ersten Teile meiner Ausführungen werde ich mich mit Fragen der Innenpolitik beschäftigen, im zweiten Teil mit Fragen der Außenpolitik.Für unsere ganze innere Situation ist kennzeichnend, daß das Kabinett einen Entwurf des Haushaltsplanes aufgestellt hat, der keine spektakulären Schätzungen der Einnahmen enthält, sondern nur Einnahmezahlen auf Grund völlig realistischer Schätzungen. Das Kabinett hat beschlossen, unter keinen Umständen über diese realistischen Schätzungen, die auf der zu erwartenden Zuwachsrate des Sozialprodukts beruhen, hinausgehen. Die Folge davon ist, daß bei der Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation in der Bundesrepublik auf der Ausgabenseite erhebliche Kürzungen gegenüber den Anträgen der einzelnen Ministerien vorgenommen werden mußten. In diesem Jahre wäre eine Steuererhöhung notwendig geworden, wenn die Bundesregierung bei der Verabschiedung des Haushaltsplanes nicht die Ausgabenwünsche radikal zusammengestrichen hätte, um die Ausgaben den Einnahmen anzupassen. Das Kabinett ist der Ansicht, daß auf Grund der geringen Steigerung des Sozialproduktes, der Steigerung der Einfuhren, der geringen Steigerung der Ausfuhren, des Steigens der Preise infolge erhöhter innerer Nachfrage eine Lage entstanden ist, die ernst genommen werden muß. Der Entwurf des Haushaltsplanes trägt dieser Überzeugung des Kabinetts Rechnung.Ehe ich zu einer Schilderung der wirtschaftlichen Entwicklung übergehe, lassen Sie mich noch folgendes sagen. Die Bundesrepublik ist kein reiches Land. Sie hat keine nennenswerten Bodenschätze.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962 1633
Bundeskanzler Dr. AdenauerUnsere Steinkohle ist durch die ständig zunehmende Verwendung von Öl in ihrer Bedeutung stark gesunken. Unsere Landwirtschaft ist weder vom Klima noch durch die Qualität des Bodens begünstigt. Im großen gesehen ist das Wertvollste, was unser Land besitzt, die Arbeitskraft, der Wille zur Arbeit, die Kenntnisse seiner Bewohner. Das ist unser wertvollster Besitz. Er muß uns in den Stand setzen, das, was wir zum Leben notwendig haben, soweit wie möglich im Lande zu produzieren, und das, was uns fehlt, zu importieren. Um das zu können, müssen wir Rohstoffe importieren, preiswerte Fertigfabrikate herstellen und sie exportieren. Unsere Arbeit muß uns ferner in den Stand setzen, für unsere Verteidigung gegenüber dem östlichen Kommunismus das aufzubringen, was unsere Bündnispartner mit Recht von uns verlangen können. Es ist eine sehr einfache Wahrheit: wir müssen von unserer Eigenproduktion und vom Überschuß unserer Ausfuhr über unsere Einfuhr leben.Die Entwicklung, die sich jetzt immer deutlicher abzeichnet, kann man nur richtig sehen bei einer Gegenüberstellung der jetzigen Entwicklung und der Entwicklung in den Jahren bis etwa 1961. In der Bundesrepublik sind seit dem Jahre 1949 sehr hohe Summen aufgewendet worden, um das in großem Maße durch den Krieg zerstörte Land wieder aufzubauen und seine Menschen in den Stand zu setzen, zu arbeiten. Sie alle, meine Damen und Herren, wissen, wie groß diese Summen waren, die aufgewendet worden sind und aufgewendet werden mußten zur Schaffung von Wohnungen und zum Wiederaufbau unserer Wirtschaft. Sie wissen auch, daß im Durchschnitt der Lebensstandard eines sehr großen Teiles unserer Bevölkerung dadurch auf einen höheren Stand gebracht worden ist, als er vor den beiden Kriegen war. Daß wir in diesen vergangenen Jahren nicht kleinlich in unserer Ausgabenpolitik waren, war richtig. Durch den Nationalsozialismus, durch den Krieg, durch die Zerstörungen der Wohnungen, durch die Zerstörung und die Demontage unserer Industrien stand unser Volk in Gefahr, der Lethargie und dem Kommunismus, der uns vom Osten her zu unterminieren versuchte, zu verfallen. Unser Volk bedurfte der zielbewußten Aufbauarbeit. Zielbewußte Arbeit ist das beste, ja, vielleicht das einzige Mittel, um ein zu Boden gestrecktes, aus tausend Wunden blutendes Volk wieder aufzurichten, ihm innere Stärke und Selbstbewußtsein, einen klaren Blick für die Realität der Dinge zu geben und damit auch die Kraft zur geistigen Regeneration und zum geistigen Aufbau. Wenn man dem deutschen Volke nach dem Zusammenbruch 1945 das nicht gegeben hätte, was ich in wenigen Sätzen umrissen habe, würde es nach meiner festen Überzeugung dem von Osten her drohenden Kommunismus anheimgefallen sein.Der östliche Kommunismus ist ja nicht nur eine Ideologie. Er ist eine handfeste Methode, andere Völker ihrer Freiheit zu berauben und sie zu beherrschen. Wenn wir das deutsche Volk bewahren wollten vor dem Anheimfallen an den Kommunismus, dann mußten wir es bewahren vor der Hoffnungslosigkeit, dank mußten wir auch eintreten in den Kreis der Völker, die die Freiheit in der Welt retten wollten. Wir konnten aber nur erwarten, in diesen Kreis aufgenommen zu werden, wenn wir durch unsere Aufbauleistungen zeigten, daß wir ein innerlich gesundes Volk sind, und wenn wir den Teil der gemeinsamen Verteidigung auf uns nahmen, den man billigerweise von uns verlangen konnte. Es sind inzwischen Stimmen laut geworden, meine Damen und Herren, es seien auf sozialem Gebiet zu große Aufwendungen gemacht worden. Nun, ich bin der Auffassung, daß es bei der Lage, in der das deutsche Volk sich damals befand, bei der es bedrohenden Gefahr des Kommunismus, besser war, zuviel als zuwenig zu tun.Aus dieser Periode des Wiederaufbaus möchte ich einige besonders eindrucksvolle Leistungen hervorheben. Dabei betone ich nachdrücklich, daß die Arbeit der gesamten Bevölkerung der Bundesrepublik in allen ihren Schichten und Berufen die Grundlage dieser Erfolge ist.Es sind in dieser Zeit rund 6,5 Millionen neuer Wohnungen gebaut worden. Das Bruttosozialprodukt stieg um mehr als das Dreifache. Die Ausfuhr hat sich von geringsten, zuerst von den Besatzungsmächten kontrollierten Anfängen auf 51 Milliarden DM erhöht, die Einfuhr auf 44 Milliarden DM jährlich. Das Rentenrecht wurde grundlegend reformiert. Das Einkommen der Landwirtschaft wurde erheblich gesteigert, die Eigenerzeugung an Nahrungsmitteln auf rund 70 % des Verbrauchs gebracht.Eine große Leistung kommt mehr und mehr in Vergessenheit, und deswegen möchte ich sie besonders hervorheben: Durch den Lastenausgleich wurden bis Ende 1961 rund 43 Milliarden DM an Vertriebene, Kriegssachgeschädigte und Zonenflüchtlinge gezahlt.
Das, meine Damen und Herren, ist eine Vermögensverschiebung größten Ausmaßes, einer Vermögensverschiebung, wie sie wohl in der Geschichte der neueren Zeit einzig dasteht.Die militärische Verteidigung wurde so planmäßig aufgebaut, daß zur Zeit rund 380 000 aktive Soldaten unter den Waffen stehen.Die starke Beanspruchung der Kraft des deutschen Volkes, die aus den von mir angeführten Gründen notwendig war, hat zunächst zur Vollbeschäftigung geführt. Das war auch ein Erfolg, der gut und notwendig war. Dann trat Arbeitermangel ein, der nur ausgefüllt werden konnte durch Heranziehung von ausländischen Arbeitskräften in sehr großem Umfang. Der Arbeitermangel brachte, wie das in der Natur der Sache liegt, eine erhebliche Steigerung der Löhne und, was nicht notwendig gewesen wäre, eine beträchtliche Verminderung der Arbeitszeit pro Woche. Wenn diese durch Tarifverträge ausgehandelte Freizeit wirklich Freizeit geblieben wäre, d. h. eine Zeit, in der man sich von harter Arbeit erholt hätte, so wäre das noch tragbar gewesen, weil es die Leistungskraft erhöht hätte. Statt dessen wurde in großem Maße schwarz gearbeitet.
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1634 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962
Bundeskanzler Dr. AdenauerDiese Entwicklung, die im Laufe der Zeit eintrat und die im Jahre 1962 sehr fühlbar geworden ist, ist folgende: Der Export sinkt, der Import steigt, es steigen die Preise.
Ich möchte keine Untersuchung darüber anstellen, wer an dieser Entwicklung die Hauptschuld trägt, ob die Arbeitnehmer oder die Arbeitgeber;
nach meiner Meinung sind sie beide schuld.
Folgende Ziffern sind von entscheidender Bedeutung: Das Sozialprodukt, das im Jahre 1960 um real 8,8 %, im Jahre 1961 um real 5,3 % stieg, wird nach dem 1962 von Januar bis August erzielten Zuwachs im ganzen Jahr 1962 nur noch um real 5,3 % steigen. Diese Zahl mußte den Steuereinnahmen im Voranschlag des Haushalts 1963 zugrunde gelegt werden.In den ersten acht Monaten 1962 wurden Waren im Werte von 32 Milliarden DM eingeführt und für 34,5 Milliarden DM ausgeführt. Das entspricht einer Zunahme der Einfuhr von 11,9 %, der Ausfuhr aber von nur 3,4 % gegenüber dem gleichen Zeitabschnitt des Vorjahres. Der Ausfuhrüberschuß sank in den ersten acht Monaten des Jahres 1962 auf 2,5 Milliarden DM gegenüber 4,7 Milliarden DM im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Bundesbank sagt in ihrem letzten Monatsbericht, allmählich sei das deutsche Preisniveau auf das des Auslandes hinaufgeschleust worden. Weitere Kostensteigerungen würden daher die Auslandskonkurrenz begünstigen und zu einem Druck auf die Investitionen führen, zu Entwicklungen also, die eine Konjunkturabschwächung mit sich bringen würden. Weitere Preis- und Kostenerhöhungen würden letztlich zu einem fühlbaren Konjunkturrückgang führen.Wir haben in den hinter uns liegenden Jahren viel erreicht, ja, lassen Sie es mich sagen: das deutsche Volk hat nach seinem Zusammenbruch auf allen Lebensgebieten Großes geschaffen. Wir sind auf Grund unserer Leistungen gleichberechtigter Partner der freien Völker der Welt geworden. Wir haben unseren Platz in dem großen Verteidigungssystem, das die freie Welt gezwungen war, gegenüber der Aggression des östlichen Kommunismus zu errichten.Jetzt handelt es sich darum, das, was wir erreicht haben, zu sichern und zu bewahren.
Auch das ist eine große Aufgabe, die unsere volle Kraft verlangt. Nichts darf verlorengehen von dem, was wir erreicht haben. Die Welt muß auch weiter erkennen, daß wir zuverlässig und stetig in unserer ganzen politischen und wirtschaftspolitischen Arbeit sind.Aber nicht nur das liegt vor uns. Die Welt ändert sich ständig. Das gilt vor allem in dieser Epoche stürmischer politischer, technischer, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Entwicklungen und Fortschritte. In maßvoller Weise unseren Aufbau weiter fortzuführen, das ist die zweite Aufgabe, die uns gestellt ist: das Errungene zu bewahren, es weiterzuführen — ich wiederhole nochmals — in maßvoller Weise, das ist jetzt unsere Aufgabe, und alle, meine Damen und Herren, sind verpflichtet, diesen Weg zu gehen.
Eine normale Steigerung des Sozialprodukts ist dazu nötig. Unser Export muß wieder nicht unerheblich den Import überrunden. Dazu brauchen wir eine Stabilität unserer Preise und als deren Folge eine Festigung der Kaufkraft unserer Währung.
Der Entwurf des Haushaltsplanes für 1963 ist ein klares Zeugnis für die Absicht der Bundesregierung, diese Stabilität unter allen Umständen herbeizuführen. Andere Länder drohen uns in der Produktion zu überflügeln. Wir müssen, wo sich in der Welt ein technischer Fortschritt zeigt, bei uns entsprechende Investitionen vornehmen. Auf eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit muß, meine Damen und Herren, verzichtet werden.
Die öffentliche Hand muß mit der Selbstbeschränkung vorangehen.
Die Bundesregierung wird sich mit den Ländern und mit den kommunalen Organisationen in Verbindung setzen, damit alle den gleichen Weg gehen, wie ihn die Bundesregierung gehen wird.
Die Bundesregierung hat sich besonders intensiv mit der Kostensteigerung auf dem Baugebiet beschäftigt. Meine Damen und Herren, ich will möglichst wenig Zahlen geben; deswegen will ich Ihnen hier die Kostensteigerung auf dem Baugebiet in den einzelnen Jahren nicht vorführen. Aber Sie alle wissen es, daß gerade auf dem Baugebiet die Kostensteigerung abnorm groß ist und daß dadurch viele von den Bausparern nicht das Ziel erreichen können, das sie, als sie zu sparen anfingen, erstrebten.
Auf dem Gebiete des Hochbaus, aber auch auf dem Gebiete des Tiefbaus und des Straßenbaus ist die ständige Kostensteigerung verheerend. Diese Kostensteigerung im Bauwesen dehnt sich naturgemäß auch auf alle anderen Wirtschaftszweige aus. Hier ist ein Krankheitsherd, der die ganze Wirtschaft infiziert.Die Bundesregierung hat mit Zustimmung des Ministers Lücke, der zu seinem Bedauern heute nicht anwesend sein kann, für die Ordnung des Bauwesens eine ganze Reihe von Beschlüssen gefaßt. Der Bundesminister der Finanzen wurde beauftragt, dem Kabinett baldmöglichst den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, wonach § 7 b des Einkommensteuergesetzes für zwei Jahre suspendiert wird. Von dieser Suspendierung werden jedoch. die Eigentumsmaßnahmen im Sinne ides Wohnungsbau- und Familien-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962 1635
Bundeskanzler Dr. Adenauerheimgesetzes nicht betroffen werden. Die Bundesregierung wird sich auch rechtzeitig vor Ablauf des bis zum 30. Juni 1963 gültigen Bauverbotsgesetzes über die weiter notwendigen gesetzlichen Maßnahmen zur Ordnung des Baumarktes schlüssig werden.Die Zeit der Suspendierung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes soll 'benutzt werden, um die notwendigen Vorbereitungen für einen Umbau der jetzigen steuerlichen Begünstigung des Wohnungsbaus zu treffen. Bei dieser Reform wird die Bundesregierung weiterhin zu der Förderung des Eigentumserwerbs stehen.Der Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung wurde beauftragt, gemeinsam mit den Ländern den Einsatz der öffentlichen Mittel für den Wohnungsbau entsprechend der Lage am Baumarkt und dem Ziel der Preisstabilisierung zu regeln. Auch hier wird die Bundesregierung mit den Länderregierungen und den kommunalen Organisationen verhandeln, um angesichts des kaum noch zu bewältigenden Überhangs genehmigter Bauvorhaben einen sinnvollen Einsatz der im Jahre 1963 verfügbaren öffentlichen Förderungsmittel zu erreichen.Die Bundesregierung erwägt ferner Schritte zur Förderung des Fertigbaues in Deutschland. Solange in der Bundesrepublik noch nicht genügende Kapazitäten zur Verfügung stehen, wird die Regierung alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, um die Einfuhrhemmnisse bei der Lieferung von Fertighäusern und Baufertigteilen zu beseitigen. Auch wird das kontinuierliche Bauen noch stärker gefördert werden.Angesichts der Bedeutung des Wettbewerbs für die Preisgestaltung in der Wirtschaft wird die Bundesregierung Wettbewerbsbeschränkungen verstärkt entgegentreten. Die Bundesregierung wird daher nach Beratung des Kartellberichts im Parlament, soweit nötig, umgehend den Entwurf einer Novelle zum Kartellgesetz vorlegen.
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1636 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962 1637
— Meine Damen und Herren, ich weiß ja nicht, was dabei zu lachen ist.
— Warten Sie ab, was ich noch sagen werde; dann können Sie ja eventuell noch lachen. — Ich wiederhole es, meine Damen Herren: ich wünsche allen diesen Verhandlungen guten Erfolg, denn Europa kann nicht einig und stark genug werden.
Aber, meine Damen und Herren, bei den Verhandlungen über die Aufnahme neuer Mitglieder in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft müssen wir auch an unsere eigene Wirtschaft denken.
Ich meine, meine Damen und Herren, das ist eine Selbstverständlichkeit,
und kein Mensch sollte lachen, wenn ich darauf hinweise, daß wir das tun werden.
Die Fragen, die durch die Aufnahme neuer Mitglieder in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, was die innere Struktur angeht, entstehen, sind sehr schwierig und sehr ernst. Ich gehe nicht auf Einzelheiten ein, aber ich betone nochmals: diese ganzen Fragen müssen im Kreise der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und in den einzelnen Ländern recht gründlich und eingehend geprüft werden.Die politische Union der sechs Staaten ist leider noch nicht ins Leben getreten. Es schien im April dieses Jahres, daß der Abschluß eines Vertrages erfolgen würde. Belgien erhob Einspruch und verlangte Vertagung. Dadurch gerieten die Verhandlungen ins Stocken. Verschiedene Anläufe weiterzukommen, die in der Folge gemacht wurden, blieben ohne Erfolg. Mir scheint es richtig zu sein, die Frage der europäischen politischen Union zwar keineswegs als erledigt zu betrachten, meine Damen und Herren, aber sie einstweilen auf sich beruhen zu lassen, bis der geeignete Augenblick, sie zum Erfolg zu bringen, gekommen ist.
Sie wissen, daß sich die Sowjetunion und insbesondere auch Herr Chruschtschow vor kurzem für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft interessiert
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1638 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962
Bundeskanzler Dr. Adenauerhaben. Es ist möglich, daß Herr Chruschtschow Verhandlungen, wie sie jetzt in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geführt werden, als Zeichen innerer Schwäche ansieht. Es könnte auch sein, daß die politischen Vorgänge in Frankreich ihm als ein für seine Ziele und Zwecke günstiges Zeichen erscheinen. Vielleicht hat er einen ähnlichen Eindruck von dem Wahlkampf in den Vereinigten Staaten von Amerika. Als Diktator denkt er möglicherweise so.Nun, meine Damen und Herren, wir in der freien Welt wissen, daß er dann total falsch denkt.
In allen Fragen der Verteidigung der Freiheit steht der Westen einmütig zusammen, so geschlossen und so stark wie nur denkbar.
Von der Stärke, von der inneren Gesundheit der europäischen Völker sollte sich auch die Sowjetunion überzeugen lassen durch die Aussöhnung, die Freundschaft des französischen und des deutschen Volkes.
Sie begann mit der Annäherung der führenden Männer der beiden Völker bei den Verhandlungen über die Montanunion, über EURATOM und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft.Ein Markstein in diesen Beziehungen war die Einladung des deutschen Bundespräsidenten durch den französischen Staatspräsidenten nach Paris im Jahre 1961. Es folgte die Einladung des deutschen Bundeskanzlers durch Staatspräsident de Gaulle. Der Besuch des Bundeskanzlers in Frankreich im Juli 1962 war ausgezeichnet durch den Aufenthalt 'in Paris und in der Provinz, durch die Parade französischer und deutscher Truppen vor dem Staatspräsidenten de Gaulle und dem Bundeskanzler in Mourmelon und durch den feierlichen Gottesdienst in der Kathedrale von Reims.Im September 1962 erwiderte dann Staatspräsident de Gaulle beide Besuche durch einen mehrtägigen Aufenthalt in der Bundesrepublik, während dessen er Bonn, Köln, Düsseldorf, Hamburg, München, Stuttgart, Ludwigsburg besuchte, von der ganzen Bevölkerung stürmisch begrüßt und gefeiert.
Aussöhnung, Freundschaft, Solidarität zwischen Frankreich und Deutschland sind ein Anliegen nicht nur der führenden Politiker beider Völker; es bekennen sich dazu vielmehr die Völker selbst, insbesondere auch die Jugend.
Die Bundesregierung legt Wert darauf, die freundschaftlichen Beziehungen zu Frankreich ganz besonders zu pflegen.Um die Bedeutung dieser Solidarität zwischen Frankreich und Deutschland in ihrem vollen Wert zu erkennen, stelle man sich vor, wie die politische Lage in Europa und damit in der Welt wäre, wenn diese beiden Völker wie früher ablehnend oder gar als Gegner einander gegenüberstünden.Die Bundesregierung und die französische Regierung haben vereinbart, Maßnahmen zur Intensivierung der Zusammenarbeit zu ergreifen. Beide Regierungen prüfen gegenwärtig, welche Maßnahmen im einzelnen getroffen werden können. Diese Zusammenarbeit — lassen Sie mich das hervorheben — ist gegen niemanden in der Welt gerichtet. Beide Regierungen glauben vielmehr, daß der enge Zusammenschluß zwischen den früheren Gegnern dem Wohle beider Länder dient, aber auch für das weitere Zusammenwachsen Europas und für die Zukunft und Sicherung aller europäischen Länder von größtem Vorteil ist.
Beide Regierungen glauben darüber hinaus, allen Völkern der freien Welt einen Dienst zu erweisen dadurch, daß sie mitten in Europa einen starken politischen Damm gegen den kommunistischen Expansionsdrang errichten.
Mit großer Sorge verfolgt die Bundesregierung, welche Spannungen und welche Unsicherheit durch den Expansionsdrang des kommunistischen Systems in allen Teilen der Welt herrschen. Diese Unsicherheit hat zu einem beängstigenden Wettrüsten geführt. Wir teilen den Wunsch der meisten Völker, diesem Wettrüsten Einhalt zu gebieten und die Gefahr eines Krieges durch eine allgemeine und kontrollierte Abrüstung abzuwenden.
Die Bundesregierung muß aber in diesem Zusammenhang vor Vorschlägen warnen, die nicht eine weltweite Abrüstung, sondern beispielsweise nur eine sogenannte europäische Sicherheitszone auf der Grundlage der Teilung Deutschlands zum Inhalt haben.
Derartige Vorschläge bringen uns der wirklichen Abrüstung keinen Schritt näher. Sie verewigen die Teilung Deutschlands, verschieben das Kräfteverhältnis zugunsten des Ostblocks und erhöhen damit die Unsicherheit in der Welt und die Gefahr eines alle vernichtenden Krieges. An einer „allgemeinen, vollständigen, kontrollierten Abrüstung" — lassen Sie mich das, meine Damen und Herren, nochmals betonen — „in einer friedlichen Welt" mitzuarbeiten ist die Bundesregierung, wie schon immer, auch in Zukunft bereit; für dieses Ziel ist sie bereit alles zu tun und jedes Opfer zu bringen.Die Sowjetunion hat im November 1958 die Berlin-Krise ausgelöst. Seitdem hält sie den Druck an dieser Stelle Europas und unseres Vaterlandes aufrecht. Seit der Errichtung der Mauer ist der unmenschliche Charakter des kommunistischen Regimes der Weltöffentlichkeit noch bewußter geworden. In Berlin stehen sich zwei Welten gegenüber, der kommunistische Imperialismus auf der einen Seite, Freiheit und Menschenwürde auf der anderen Seite. Die Bundesregierung weiß um die verständliche und berechtigte Verbitterung weiter Kreise
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962 1639
Bundeskanzler Dr. Adenauerbesonders der Berliner Bevölkerung, die die Untaten des Gewaltregimes jenseits der Mauer und die blutigen Zwischenfälle an der Mauer miterleben muß. Sie kann der eigenen Bevölkerung nur immer wieder nahelegen, sich nicht provozieren zu lassen. Der Sowjetunion wird sie weiterhin klarmachen, daß es aussichtslos ist, auf einen Rückzug der freien Welt aus Berlin und auf einen Verzicht des deutschen Volkes auf das Recht der Selbstbestimmung zu rechnen.
Die Bundesregierung warnt daher auch vor dem Abschluß eines Separatvertrages mit Pankow. Dieser Vertrag wäre völkerrechtlich ein Nichts, da er ohne das deutsche Volk abgeschlossen werden müßte. Er wäre ein Vertrag der Sowjets mit sich selbst, aber auch ein brutaler Akt reiner Machtpolitik und eine unberechenbare Steigerung der Gefahr für alle Völker, eine Steigerung der bestehenden Weltkrise.Die Bundesregierung vertraut darauf, daß die Freunde des deutschen Volkes in der Welt Vorschläge zur Unterzeichnung eines Separatvertrages zurückweisen. Sie bittet die Regierungen, mit denen sie politische Beziehungen unterhält, daß diese das Recht des deutschen Volkes auf Selbstbestimmung ebenso anerkennen, wie es die Bundesregierung als Sprecherin des ganzen deutschen Volkes gegenüber allen Staaten anerkennt, vor allem auch gegenüber den neu entstandenen und neu entstehenden Staaten in überseeischen Bereichen.
Die Bundesregierung würde es nicht verstehen, meine Damen und Herren, wenn Staaten, mit denen sie freundschaftliche politische und wirtschaftliche Beziehungen unterhält und die für ihre Forderung auf Selbstbestimmung die Unterstützung des deutschen Volkes in Anspruch nehmen, den deutschen Anspruch auf Selbstbestimmung nicht anerkennen würden.
Die Bundesregierung wiederholt deshalb ihre bereits früher abgegebene Erklärung, daß sie die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem SED-Regime oder die Unterzeichnung eines Separatfriedensvertrages mit der Zone als unfreundlichen Akt gegen das deutsche Volk und als Stellungnahme gegen die Wiedervereinigung und für die dauernde Spaltung Deutschlands ansehen muß.
Meine Damen und Herren, man kann die Welt nicht damit täuschen, daß man aggressive Bestrebungen in den Mantel eines Friedensvertrages hüllt. Das deutsche Volk sehnt zutiefst eine dauerhafte Friedensordnung herbei. Leider will dies die Sowjetunion nicht; sie will ihren Machtbereich noch immer weiter ausdehnen; sie will den Westmächten eine Niederlage beibringen und ihren Willen Millionen freier Menschen aufzwingen. Und lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit denen sagen, die von der Bundesregierung ständig Initiativen erwarten um der Geschäftigkeit willen: solange die Sowjetunion auf der Teilung Deutschlands besteht, Westberlin unterjochen und die Bundesrepublik neutralisieren will, haben die meisten Initiativen, zu denen man aufgefordert wird, keinen Sinn.
In der gegenwärtigen Situation, meine Damen und Herren, muß die Bundesregierung eine Politik verfolgen, die Geduld, Härte und Zähigkeit miteinander verbindet — Geduld in der seelischen Auseinandersetzung mit der Zerreißung unseres Vaterlandes, Härte im Festhalten an unseren Lebensrechten und im Widerstand gegen Drohungen, Zuverlässigkeit bei der Stärkung des westlichen Bündnissystems und bei der Schaffung der Voraussetzungen, die in Gemeinschaft mit unseren Freunden ein Ost-West-Gespräch mit Aussicht auf Erfolg ermöglichen.
Die kommunistische Berlin- und Deutschlandpolitik basiert auf der Hoffnung, daß die Deutschen infolge der ständigen Bedrohungen eines Tages resignieren. Wir haben dafür zu sorgen, daß sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Hierin erblickt die Bundesregierung ihren wichtigsten Auftrag, und sie rechnet dabei fest auf Ihre Unterstützung, meine Damen und Herren vom Bundestag.Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zum Abschluß noch ein Wort an die Sowjetunion richten.Die Bundesregierung bemüht sich, die Beziehungen zur Sowjetunion zu verbessern. Sie kann es aber nur, wenn die Sowjetunion von den oben aufgeführten Zielen abgeht und zu einer wirklich friedlichen Regelung bereit ist.Ich erkläre erneut, daß die Bundesregierung bereit ist, über vieles mit sich reden zu lassen, wenn unsere Brüder in der Zone ihr Leben so einrichten können, wie sie es wollen.
Überlegungen der Menschlichkeit spielen hier für uns eine noch größere Rolle als nationale Überlegungen.
Möge auch die Sowjetunion erkennen, daß ihr nicht damit gedient ist, anderen Menschen eine fremde Lebensordnung aufzuzwingen. Sie gewinnt auf diese Weise keine Freunde, sie gewinnt nicht an Ansehen, und sie gewinnt dabei — im Gegensatz zu dem äußeren Anschein — auch nicht an Macht.Nach wie vor, meine Damen und Herren, glaube ich nicht, daß es zu dem furchtbarsten aller Kriege kommen wird. Auch für die stärkste Macht würde sich der Einsatz nicht lohnen. Aber die freien Völker, meine Damen und Herren, müssen unter Führung der Vereinigten Staaten stark, wachsam und einig sein.
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1640 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962
Meine Damen und Herren, Sie haben die Regierungserklärung gehört. Nach einer Übereinkunft im Ältestenrat findet die Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung am Donnerstag, dem 11. Oktober, vormittags 9 Uhr, statt.
Meine Damen und Herren, bevor ich die Fragestunde, die als Punkt 2 auf der Tagesordnung steht, sich abwickeln lasse, habe ich einige amtliche Mitteilungen zu machen.
— Ich wäre dankbar, wenn Sie mir erlaubten, mich zu Gehör zu bringen.
Als Nachfolger für die verstorbenen Abgeordneten Dr. Brecht, Frau Dr. h. c. Weber und Dr. h, c. Pferdmenges sind mit Wirkung vom 16. Juli der Abgeordnete Bruse, mit Wirkung vom 1. August die Abgeordnete Frau Engländer und mit Wirkung vom 4. Oktober der Abgeordnete Ehren in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße sie in unserer Mitte und wünsche ihnen eine gute Zusammenarbeit.
Ich begrüße gleichfalls den heute erstmals anwesenden Abgeordneten Leukert, der für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Baron Manteuffel-Szoege eingetreten ist. Ihm gilt derselbe Wunsch.
Ich habe eine Reihe von Glückwünschen zu Geburtstagen auszusprechen. Am 1. Juli hat der Abg. Dr. Gossel sein 70., Frau Dr. Probst ihr 60. Lebensjahr vollendet. Am 5. Juli ist der Abgeordnete Weinzierl 65 Jahre alt geworden, am 6: Juli der Abgeordnete Krüger 60 Jahre, am 30. Juli Frau Abgeordnete Dr. Kiep-Altenloh 74 Jahre, am 1. August der Abgeordnete Dr. Schmidt 60 Jahre, am 7. August Abgeordnete Frau Welter (Aachen) 75 Jahre. Am 12. August ist der Abgeordnete Etzel 60 Jahre, am 3. September der Abgeordnete Dr. h. c. Brauer 75 Jahre, am 19. September der Abgeordnete Dr. Pflaumbaum 71 Jahre und am 25. September der Abgeordnete Fürst von Bismarck 65 Jahre alt geworden. Allen Jubilaren, wenn ich so sagen darf, gelten unsere herzlichsten Glückwünsche.
Ich habe folgende weiteren Mitteilungen zu machen.
Der Abgeordnete Gontrum hat mit Schreiben vom 20. September dieses Jahres mitgeteilt, daß er mit Wirkung vom 20. September dieses Jahres dem Bundestag als fraktionsloser Abgeordneter angehören wolle.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen hat am 24. Juli 1962 gemäß § 33 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung die Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsabgaben für das erste Vierteljahr des Rechnungsjahres 1962 übersandt. Sie ist nach einer interfraktionellen Vereinbarung dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Fragestunde
Zur Abwicklung der Fragestunde folgendes: Es wird gewünscht, daß zunächst die Fragen beantwortet werden, die an den Herrn Bundesverkehrsminister gerichtet worden sind. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Ich rufe auf die Frage XI/1 — des Abgeordneten Sänger —:
Ist die Bundesregierung bereit, die Deutsche Bundesbahn zu veranlassen, auf allen Bahnhöfen, vornehmlich dort, wo Fernschnellzüge halten, genügend viele und von allen Seiten mindestens aus dem haltenden Zug ohne Schwierigkeiten lesbare Schilder mit dem Namen der Stadt anzubringen, zu der der Bahnhof gehört?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Seebohm vom 25. Juli 1962 lautet:
Eine gute Kennzeichnung der Bahnhöfe ist für die Eisenbahnen unerläßlich. Es werden deshalb erhebliche Mittel aufgewendet, um die Namen der Bahnhöfe rechtzeitig und gut sichtbar in das Gesichtsfeld der Reisenden zu bringen.
Es ist zuzugeben, daß es trotz aller Maßnahmen der Deutschen Bundesbahn oft schwierig ist, den Bahnhofsnamen zu erkennen, weil auch andere Kennzeichnungen wie „Bahnsteig, Ausgang" usw. und leider auch sehr viel Reklame angebracht werden.
Ich habe die Deutsche Bundesbahn grundsätzlich schon wiederholt darauf hingewiesen, daß die Namen der Bahnhöfe nicht nur aus dein haltenden Zug, sondern schon bei der Einfahrt gut erkennbar sein müssen. Ich weide auch Ihre Frage zum Anlaß nehmen, erneut in diesem Sinne auf die Bundesbahn einzuwirken.
Wir kommen zur Frage XI/2 — des Abgeordneten Burckardt —.
— Dann rufe ich die Fragen XI/2, XI/3 und XI/4 — des Abgeordneten Burckardt — zusammen auf:
Teilt der Herr Bundesverkehrsminister die Auffassung, daß auf der Bundesautobahn Leverkusen-Kamen, die in unmittelbarer Nähe an Solingen vorbeiführt, Hinweistafeln auf die Abfahrt nach Solingen aufgestellt werden müssen?
Welche Gründe sind dafür maßgebend, daß auf der Autobahn Leverkusen-Kamen Hinweistafeln für weniger bedeutsame und nicht so viel besuchte Orte vorhanden sind, während das in bezug auf die in der ganzen Welt bekannte Stadt Solingen nicht der Fall ist?
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, unverzüglich auf der Autobahn Leverkusen-Kamen' die erforderlichen Hinweistafeln auf die Abfahrt nach Solingen aufstellen zu lassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur Frage 2: Der Bundesminister für Verkehr teilt Ihre Auffassung, Herr Abgeordneter.Zur Frage 3: Wenn Solingen bisher noch nicht auf den Schildern an der Autobahn Leverkusen—Kamen erschienen ist, so nur deswegen, weil bis vor kurzem noch Auseinandersetzungen darüber stattfanden, wo der Abgangspunkt sein sollte. Es standen zwei Abfahrten zur Diskussion.Die Frage 4 kann ich dahin beantworten, daß die zuständige Auftragsverwaltung des Landes die
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962 1641
Staatssekretär Dr. SeiermannSchilder, nachdem inzwischen Klarheit geschaffen worden ist, bereits in Auftrag gegeben hat.
Die Fragen 2, 3 und 4 sind beantwortet.Ich rufe auf die Frage XI/5 — des Abgeordneten Folger —:Ist die Behauptung eines Flugkapitäns in der Fachzeitschrift „Flugrevue" richtig, daß eine Lufthansa-Maschine in Hamburg nicht landen konnte und 69 Fluggäste die Nacht an einem anderen Ort verbringen mußten, weil der Radar-Spezialist seine sonntags eine halbe Stunde früher abfahrende letzte Straßenbahn noch hatte erreichen müssen, nachdem die Bundesanstalt für Flugsicherung nicht für eine Fahrgelegenheit gesorgt hatte?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 2. August 1962 lautet:Ihre Frage, ob es den Tatsachen .entspricht, daß eine Lufthansa-Maschine in Hamburg nicht landen konnte, weil der RADAR-Techniker die letzte Straßenbahn noch erreichen mußte, wie es in einem Artikel in der Juli-Ausgabe der „Flug-Revue" geschildert wird, kann ich mit „nein" beantworten. Die Darstellung, daß ein Flugzeug der Deutschen Lufthansa aus einem solchen Anlaß zu einem anderen Flughafen umgeleitet werden mußte, ist eine freie Erfindung des Verfassers des Artikels.Der Autor des Artikels „Ankunft ohne Landung", Lufthansa-Flugkapitan Rudolf Braunburg, betätigt sich privat auch als Schriftsteller. Aus einem Gespräch über RADAR-Einsatz, das er beim Anflug auf Hamburg vor etwa fünf bis sieben Monaten mit der Flugsicherung geführt haben will, ist nach seiner jetzt abgegebenen Erklärung bei ihm der Gedanke entstanden, die Tatsache der Abschaltung der Rundsicht-RADAR-Geräte während der betriebsschwachen Zeiten in einer in dichterischer Freiheit verfaßten heiteren Erzählung zu verarbeiten. Eine Nachprüfung, in welcher Weise dieses angebliche Gespräch stattgefunden hat, ist leider nicht mehr möglich, da die Tonbänder stets nach Ablauf von einem Monat wiederverwandt werden und damit die alte Tonaufzeichnung gelöscht wird.Sachlich ist zu sagen, daß die Ausschaltung der Boden-RADAR-Anlage kein Anlaß ist, ein Flugzeug nach einem Ausweichflughafen umzuleiten, da das Übersichts-RADAR nur der Beschleunigung des Verkehrsablaufs, nicht aber der Sicherheit der Landung dient. Es ist eine auch anderenorts im In- end Ausland aus wirtschaftlichen Gründen oft geübte Praxis, daß RADAR-Anlagen zur Nachtzeit mit geringerem Flugverkehr abgeschaltet werden.Sowohl die Lufthansa als auch der Verfasser des Artikels bedauern es sehr, daß ein feuilletonistischer Beitrag von der Tagespresse als eine wahre Begebenheit 'in sensationeller Aufmachung dargestellt worden ist. Herr Braunburg legt besonderen Wert auf die Feststellung, daß mit dem Artikel keinesfalls eine Beschuldigung der Flugsicherung beabsichtigt war.In rufe auf die Frage XI/6 — des Abgeordneten Dr. Bechert —:Hat die Bundesregierung die Absicht, Sicherheitsgurte für die Vordersitze von Personenkraftwagen vorzuschreiben, wie das nach Pressemeldungen in Italien gesetzliche Vorschrift sein soll?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 2. August 1962 lautet:In Italien bestehen nach meinen Erkundigungen keine gesetzlichen Vorschriften für die Anbringung und Benutzung von Sicherheitsgurten. Auch in anderen europäischen Ländern sind derartige Bestimmungen noch nicht erlassen worden. Nur in England ist kürzlich vorgeschrieben worden, daß Anbringvorrichtungen für Sicherheitsgurte in neue Fahrzeuge eingebaut werden. Auch in Frankreich ist den Automobilherstellern von der Regierung empfohlen worden, Anbringvorrichtungen für Sicherheitsgurte in neue Fahrzeuge einzubauen. Nach Vorliegen weiterer Erfahrungen und nach Abschluß von technisch-wissenschaftlichen Untersuchungen wird in diesen Ländern erwogen wenden, den serienmäßigen Einbau von Sicherheitsgurten in Kraftfahrzeugen durch ,eine gesetzliche Vorschrift zu verlangen.In der Bundesrepublik Deutschland sind ebenso wie in England. und Frankreich die Untersuchungen über die beste und zweckmäßigste Bauart der Sicherheitsgurte noch nicht abgeschlossen. Im Rahmen von Forschungsaufträgen konnten inzwischen neue Erkenntnisse gewonnen werden, die bei der Neufassung der Richtlinien für die Prüfung von Sicherheitsgurten berücksichtigt werden müssen.In den internationalen Ausschüssen, in denen auch die Bundesrepublik Deutschland vertreten ist, werden gegenwärtig einheitliche Richtlinien für die Prüfung und die Bauart von Sicherheitsgurten aufgestellt. Sobald diese Untersuchungen abgeschlossen sind und einheitliche internationale Richtlinien vorliegen, werde ich die Frage nach einer gesetzlichen Regelung des Einbaus von Sicherheitsgurten in Kraftfahrzeugen erneut prüfen.Die deutschen Vorschriften beschränken sich zunächst darauf, daß Sicherheitsgurte in amtlich genehmigter Bauart ausgeführt sein müssen. Die hierbei gestellten Mindestforderungen gewährleisten, daß nur solche Gurte auf den Markt kommen, die den zu erwartenden Beanspruchungen genügen. Die Industrie ist inzwischen auf meine Empfehlung dazu übergegangen, in neuen Fahrzeugen geeignete Anbringvorrichtungen für Sicherheitsgurte vorzusehen.Nach meiner Überzeugung sind Sicherheitsgurte ein vorzügliches Mittel, um Verletzungen bei Unfällen weitgehend zu mindern. Auch ohne gesetzlichen Zwang können heute schon einsichtsvolle Kraftfahrer von diesen Einrichtungen nützlichen Gebrauch machen.Ich rufe auf die Frage XI/7 — des Abgeordneten Ritzel —:Wie wirkt sich die von der Bundestagsmehrheit beschlossene Kürzung der ursprünglich vorgesehenen Haushaltsmittel für die Deutsche Bundesbahn im Rechnungsjahr 1962 aus?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 29. August 1962 lautet:Der vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn Mitte Januar 1962 aufgestellte Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 1962 beruhte auf einer ausgeglichenen Erfolgsrechnung. Hierbei wurde davon ausgegangen, daß der Bund zu den strukturell bedingten überhöhten Versorgungslasten — wie im Einzelplan 12 des Regierungsentwurfs des Bundeshaushaltsplans 1962 vorgesehen — einen Beitrag von 555 Mio DM leistet. Als Folge der vom Bundestag beschlossenen Kürzung dieses Ansatzes um 280 Mio DM erhöht sich der Bundesbahnanteil an den Versorgungsausgaben um den gekürzten Betrag, und im Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung erscheint statt eines Rechnungsausgleichs ein Verlust von 280 Mio DM. Die Deutsche Bundesbahn bereitet z. Z. einen Nachtrag zum Wirtschaftsplan 1962 vor. Hierbei werden die zwischenzeitlichen Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die Erträge und Aufwendungen so genau wie möglich festgestellt, analysiert und finanziell bewertet. Diese Arbeiten werden sich noch bis Ende September hinziehen, weil erst zu diesem Zeitpunkt die voraussichtlichen Jahresergebnisse der Bundesbahnrechnung einigermaßen zuverlässig beurteilt werden können. Vor allem ist im Augenblick noch ungewiß, ob, zu welchem Termin und in welchem Umfang die vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn geplanten Tariferhöhungen schon im Geschäftsjahr 1962 in Kraft treten werden und ob über die Lohnerhöhung vom 1. Juli 1962 hinaus weitere Kostensteigerungen auf dem Personalsektor zu erwarten sind.Es ist aber schon jetzt abzusehen, daß die durch die Kürzung der ursprünglich vorgesehenen Haushaltsmittel um 280 Mio DM entstandene und durch die Lohnerhöhung ab 1. Juli 1962 noch um 75 Mio DM erweiterte Lücke in der Erfolgsrechnung durch eigene Anstrengungen der Bundesbahn einschließlich der bereits erwähnten Anhebung der Verkehrstarife bei weitem nicht geschlossen werden kann. Diese Auswirkung der Haushaltskürzung ist unvermeidlich, obwohl der Vorstand der Deutschen Bundesbahn nach Kräften bemüht ist, sie zu mildern. So können beispielsweise durch überplanmäßige Verringerung des Personalbestandes rd. 20 Mio DM bei den Personalausgaben eingespart werden. Eine Verminderung der Aufwendungen für die laufende Unterhaltung und Erneuerung kann im Hinblick auf die gesetzliche Verpflichtung der Bundesbahn, ihre Anlagen in gutem, betriebssicherem Zustand zu erhalten, aber auch mit Rücksicht auf den sich aus einem solchen Vorgehen ergebenden Substanzverlust nicht erwogen werden.Es ist verständlich, daß bei dieser Sachlage die Liquidität der Bundesbahn durch die Kürzung der Haushaltsansätze fühlbar betroffen wird, wenn auch nicht in gleichem Ausmaß wie das Ergebnis ihrer Erfolgsrechnung, und zwar deshalb, weil im Bundeshaushalt ein Liquiditätsdarlehen in Höhe von 100 Mio DM ausgebracht ist, das unter den gegebenen Verhältnissen in Anspruch genommen werden kann. Wie mir der Vorstand der Deutschen Bundesbahn bestätigt hat, wird sich die Bundesbahn bei der Durchführung ihrer Nettoinvestitionen den Maßnahmen des Bundes zur Dämpfung der Baukonjunktur anschließen. Sie muß jedoch eine gewisse Rücksicht auf die Erhaltung der Sicherheit des Betriebes und die Vermeidung allzu unwirtschaftlicher Betriebserschwernisse nehmen. Diese Maßnahmen können die durch den zu erwartenden Verlust der Erfolgsrechnung bedrohte Liquidität zwar verbessern, die Liquiditätsschwierigkeiten jedoch nicht ausräumen.Ich rufe auf die Frage XI/8 — des AbgeordnetenDr. Dörinkel —:Ist die Bundesregierung in der Lage, dem von Kraftfahrern häufig beklagten Mißstand abzuhelfen, daß auf den Bundesautobahnen durch die Vergußmasse, die aus den Längsfugen quillt, die Fahrsicherheit beeinträchtigt wird und daher insbesondere die Fahrzeuge beim Überholen und bei nassem Wetter ins Schleudern geraten?
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1642 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach dem heutigen Stand der Technik, Herr Abgeordneter, ist es leider nicht zu vermeiden, daß die Fugenvergußmasse bei hohen Temperaturen durch die sich ausdehnenden Betonplatten aus den Fugen herausgedrückt wird. Das Beseitigen der herausgedrückten Fugenvergußmasse geschieht im Wege der laufenden Unterhaltungsarbeiten. Die Länder als die Auftragsverwaltungen des Bundes sind von meinem Hause in einem Runderlaß erneut an die Einhaltung dieser Verkehrssicherungspflicht erinnert worden.
Herr Präsident, gestatten Sie eine Zusatzfrage?
Eine Zusatzfrage!
Eine Zusatzfrage, Herr Staatssekretär! Ist in Ihrem Hause schon einmal geprüft worden, ob man statt der bisher angewandten andere Vergußmassen entwickeln könnte, die die bei den jetzt verwandten Vergußmassen kritisierten Eigenschaften nicht haben, beispielsweise auf Kunststoffbasis?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann Ihnen dazu sagen, Herr Abgeordneter, daß die Auftragsverwaltungen des Bundes laufend Teste und Versuche mit neuen Fugenvergußmassen durchführen. Leider .ist jedoch von der Industrie noch keine Vergußmasse erfunden worden, die alle Anforderungen sowohl in der Winterzeit wie in der Sommerzeit erfüllt. An dieser Aufgabe wird gearbeitet, um möglichst bald die technisch einwandfreieste und geeignetste Vergußmasse für die Bundesfernstraßen zu finden und dann auch zu verwenden.
Ich rufe auf die Frage XI/9 — des Abgeordneten Dr. Imle —:
Welche Rechte stehen dem Bürger zu, wenn Verkehrsbeschränkungen für Kraftfahrzeuge, z. B. an Baustellen, an denen nach Dienstschluß oder über das Wochenende nicht gearbeitet wird, offensichtlich über das erforderliche Maß hinausgehen und damit Verkehrsbehinderungen bewirken?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 6. Oktober 1962 lautet:
Verkehrsbeschränkungen werden nach den §§ 3 und. 4 der Straßenverkehrs-Ordnung in der Fassung vom 29. März 1956 , zuletzt geändert durch Verordnung vom 7. Juli 1960 (Bundesgesetzbl. I S. 485), durch amtliche Verkehrszeichen angeordnet. Jeder, der sich durch amtliche Verkehrszeichen in seinen Rechten verletzt fühlt, kann sich ohne besondere Form oder Frist an die zuständige Straßenverkehrsbehörde wenden. Weiterhin besteht die Möglichkeit der Aufsichtsbeschwerde bei den vorgesetzten Dienststellen. Ob und auf welchem Rechtsweg auch förmliche Rechtsbehelfe gegeben sind, hängt von der Rechtsnatur der Verkehrszeichen ab. Die Rechtsnatur wird unterschiedlich beurteilt. Während die überwiegende Meinung in den Verkehrszeichen Rechtsnormen sieht, neige ich mehr der Auffassung zu, daß die durch Verkehrszeichen erlassenen Anordnungen Verwaltungsakte sind, die im Verwaltungsrechtsweg überprüft werden können. Beim Bundesverwaltungsgericht ist z. Z. ein Verfahren anhängig, in dem die Rechtsnatur der Verkehrszeichen von Bedeutung ist. Es kann erwartet werden, daß das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wesentlich zur Klärung der strittigen Frage beitragen wird.
Ich rufe auf die Frage XI/10 — des Abgeordneten Wächter —:
Was hat die Bundesregierung veranlaßt, den Landkreis Wesermarsch nicht in die Verordnung vom 7. August 1962 über die Anerkennung von Stadt- und Landkreisen nach § 6 a des Güterkraftverkehrsgesetzes aufzunehmen?
Bitte, Herr Staatsekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In die Verordnung vom 7. August 1962 konnten nach § 6 a des Güterkraftverkehrsgesetzes nur diejenigen Stadt- und Landkreise aufgenommen werden, die als „wirtschaftlich schwach" und — ich betone das Wort „und" — „verkehrsmäßig ungünstig gelegen" anzuerkennen waren. Nach den von der Bundesregierung festgestellten Merkmalen sind Kreise als wirtschaftlich schwach anerkannt worden, wenn die Zahl ihrer Industriebeschäftigten bezogen auf 1000 Einwohner am 30. Juni 1960 die Zahl 100 oder ihre Realsteuerkraft je Einwohner im Jahre 1960 den Wert von 90 DM nicht überstieg.
Die erste der beiden Voraussetzungen liegt bei dem Landkreis Wesermarsch vor, so daß er als wirtschaftlich schwach angesehen werden muß. Zur Bestimmung des Begriffs „verkehrsmäßig ungünstig gelegen" hat es die Bundesregierung darauf abgestellt, ob und inwieweit Kreise außerhalb der Nahzone einer Stadt mit mindestens 200 000 Einwohnern liegen. Der Landkreis Wesermarsch befindet sich innerhalb der Nahzone von Bremen. Er konnte aus diesem Grunde nicht als verkehrsmäßig ungüstig gelegen anerkannt und somit auch nicht in die Verordnung aufgenommen werden.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es bei der besonderen geographischen Lage des Landkreises Wesermarsch — die Hälfte der Fläche des Landkreises liegt auf einer Halbinsel —zweckmäßig wäre, wenn in Zukunft die Kriterien lauteten: „verkehrsmäßig ungünstig oder wirtschaftlich schwach" ?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der strenge Wortlaut des Gesetzes läßt diese Auslegung nicht zu.
Glauben Sie, daß es in Anbetracht der besonderen Lage des Landkreises Wesermarsch, über die ich Ihnen hier vorgetragen habe, zweckmäßig wäre, das Gesetz entsprechend zu ändern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich werde diese Frage gern mit der zuständigen Landesregierung erörtern.
Ich rufe auf die Fragen XI/11 und XI/12 — des Abgeordneten Spitzmüller —:Welche Folgen werden sich durch die für das Jahr 1963 in den Bundesländern vorgesehenen Termine der Schulferien im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren für den Fremdenverkehr ergeben?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962 1643
Vizepräsident Dr. SchmidWelche Folgen werden sich durch die für das Jahr 1963 inden Bundesländern vorgesehenen Termine der Schulferien im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren für die Deutsche Bundesbahn ergeben?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 26. September 1962 lautet:Die empfohlene Ordnung für die Sommerferien 1963, über die im Oktober endgültig befunden werden soll, bringt vom verkehrlichen Standpunkt aus anstelle der seit Jahren angestrebten Verbesserung leider wesentliche Verschlechterungen.Während sich in den Jahren 1961 und 1962 der Ferienzeitraum vom 1. Ferientag des ersten Landes bis zum letzten Ferientag des letzten Landes auf 74 Tage erstreckte , sind für 1963 insgesamt nur 66 Tage vorgesehen (4. Juli bis 7. September 1963). Der gesamte von den Schulferien abhängige Urlaubsverkehr muß also im nächsten Jahr innerhalb 66 Tagen abgewickelt werden; dadurch werden die Spitzen noch wesentlich steiler als bisher. Nach dem Feldafinger Beschluß der Ständigen Kultusminister-Konferenz vom 30. Juni/1. Juli 1954 sollte der Sommerferienzeitraum vom 25. Juni bis 15. September dauern. Leider ist dieser von den Kultusministern selbst beschlossene Termin praktisch nie wirksam geworden.Für die Deutsche Bundesbahn sind insbesondere folgende Schwierigkeiten zu erwarten: Das Land Nordrhein-Westfalen ist das bedeutendste Entsendeland und nimmt bei der Ferienordnung insofern eine Schlüsselstellung ein, als von dem Ferienbeginn dieses Landes die mehr oder minder höchste Verkehrsspitze abhängt. Die verkehrsreichsten Wochenenden des ganzen Jahres sind in der Regel das 1. Wochenende nach Beginn der Ferien in Nordrhein-Westfalen sowie die beiden Wochenenden an der Monatswende Juli/August. Im kommenden Jahr sollen die Ferien am 25. Juli beginnen. Sonnabend, der 27. Juli 1963, wird deshalb für die Deutsche Bundesbahn eine fast unlösbare Aufgabe bringen, da das Land Baden-Württemberg entgegen allen bisher vorgetragenen Wünschen auch noch ausgerechnet an diesem Sonnabend, dem 27. Juli, die Schulen schließt.Bisher sind zwar noch keine abschließenden Überlegungen angestellt worden, wie die zu erwartenden Verkehrsspitzen abgefangen werden können. Falls die vom Plenum der Kultusministerkonferenz empfohlene Ferienordnung jedoch nicht mehr geändert wird, sind verkehrslenkende Maßnahmen unvermeidlich, um einigermaßen geordnete Verhältnisse zu schaffen. Trotz bester Organisation und Einsatzes aller verfügbaren Betriebsmittel wird das Gesamtverkehrsaufkommen während einiger Verkehrsspitzen nicht ganz befriedigend abgefahren werden können, da hierfür der Wagenbestand nicht ausreicht und such die Leistungsfähigkeit mancher Strecken gewisse Grenzen setzt. Zugüberfüllungen und Zurückbleiben von Reisenden werden unvermeidlich sein.Für den Fremdenverkehr könnten aus der Regelung 1963 folgende Nachteile erwachsen:Die weitere Verengung des gesamten Sommerferienzeitraums und die ausgedehnteren Überschneidungszeiten werden zu noch unliebsameren Zusammenballungen und Stauungen auf Bahn, Straßen und in den Fremdenverkehrsorten führen. Im Gegensatz zu dem Feldafinger Beschluß der Ständigen Konferenz der Kultusminister 1954 , die Sommerferien möglichst in die Wochen ab 25. Juni bis 15. September einzuplanen, sind die Juniwochen überhaupt nicht mehr genutzt!Ausgesprochen negativ und den Fremdenverkehr sehr nachteilig beeinflussend ist die Ausweitung des Überschneidungszeitraums von 1962 14 Tagen auf 1963 17 Tage, in dem alle Länder gleichzeitig Ferien haben. Die Ferien der drei größten Bundesländer überschneiden sich während fünf Wochen.Über die seit Jahren bestehende, mit dem steilen Anwachsen des Fremdenverkehrs immer größer werdende Problematik hinaus ergeben sich zusätzliche Schwierigkeiten durch die Einführung geschlossener Betriebsferien größter und immer mehr auch kleiner Betriebe, die verlängerte Urlaubsdauer der Erwachsenen und das Ansteigen des internationalen Durchgangsverkehrs.Der Bund Deutscher Verkehrsverbände urteilt über die Urlaubssituation 1963:„Ohne große Phantasie läßt sich schon heute ein beispielloses Ferien- und Verkehrschaos für den Sommer 1963 voraussagen."Der Deutsche Bäderverband ist der Ansicht, daß die Ferienordnung 1963 teils positive, teils negative Aspekte hat. Das Bundesministerium für Verkehr wird weiterhin bemüht bleiben, die für die Ferienregelung zuständigen Kultusminister der Länder von der Notwendigkeit der alsbaldigen Einführung des Schulbeginns im Herbst zu überzeugen, die allein eine Besserung der sich immer mehr zuspitzenden Verhältnisse verspricht. Erforderlichenfalls müßte 1963 an den Ballungstagen und -orten mit verkehrslenkenden Maßnahmen auf der Deutschen Bundesbahn und auf den Autobahnen eingegriffen werden.Ich rufe auf die Frage XI/13 — des Abgeordneten Riegel —:Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung einzuleiten, um auch Versorgungsempfänger der Deutschen Bundesbahn, die früher Angehörige fremder Eisenbahnen waren, die gleichen Freifahrtvergünstigungen zu gewähren, wie sie Bediensteten und Versorgungsempfängern der Deutschen Bundesbahn oder ihrer Rechtsvorgängerin, der Deutschen Reichsbahn, gewährt werden?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 3. Oktober 1962 lautet:Die Fahrvergünstigungen, die die Deutsche Bundesbahn ihrem Personal unter bestimmten Voraussetzungen gewährt, stellen eine freiwillige Leistung des Unternehmens an seine Bediensteten dar; ein Rechtsanspruch besteht nicht. Für Fahrvergünstigungen kommen grundsätzlich nur Personen in Frage, die in einem Dienst- oder Versorgungsverhältnis zur Deutschen Bundesbahn stehen. Versorgungsempfänger, die vor ihrer Zurnuhesetzung oder ihrer Invalidisierung nicht Bedienstete der Deutschen Bundesbahn oder ihrer Rechtsvorgängerin, der Deutschen Reichsbahn, vor dem 8. Mai 1945 gewesen sind, gehören in der Regel nicht zu dem begünstigten Personenkreis.Trotzdem hat die Deutsche Bundesbahn solchen ehemaligen Bediensteten fremder Eisenbahnen, die nach dem Gesetz zu Artikel 131 GG im Bundesgebiet versorgungsberechtigt sind, und ihren Familienangehörigen jährlich je einmal freie Fahrt unter der Voraussetzung zugestanden, daß sie am 8. Mai 1945 eine ununterbrochene Eisenbahndienstzeit von mindestens 5 Jahren abgeleistet hatten. Hierzu hat sich die Deutsche Bundesbahn bereit erklärt, obwohl die Versorgungsbezüge für diese Personen nicht zu ihren Lasten gehen, sondern als sogenannte „politische Lasten" vom Bunde getragen werden. Ein weiteres Entgegenkommen an diese Personen dürfte für die Deutsche 'Bundesbahn nicht zumutbar sein.Ferner darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Fragen der Fahrvergünstigungen auf den Strecken der Deutschen Bundesbahn nach dem Bundesbahngesetz zu den Aufgaben gehören, die der Deutschen Bundesbahn zur Erfüllung in eigener Zuständigkeit übertragen sind. Infolgedessen wäre es mir auch nicht möglich, der Deutschen Bundesbahn auf diesem Sachgebiet eine Weisung zu erteilen.Ich rufe auf die Frage XI/14 — des Abgeordneten Dr. Kübler —:Wie gedenkt die Bundesregierung das Verkehrs-Chaos im Raum um Mannheim zu beseitigen, das durch die Autobahnbausperren bei Viernheim und bei Kronau und die gleichzeitigen Baumaßnahmen auf den als Umleitung in Frage kommenden i Bundesstraßen 3, 36, 38 und 44 entstanden ist und den Verkehrsstrom von wochentags über 15 000 Kraftfahrzeugen — darunter über 700 Fünftonner mit Anhängern, 300 Sattelschlepper und etwa 30 außergewöhnliche Fahrzeuge wie Bagger, Straßenwalzen und Panzer — zu einer Umleitung von 60 km durch engste Ortsdurchfahrten des Landkreises und durch die von 74 Straßenbaustellen eingeengte Stadt Mannheim zwingt?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 6. Oktober lautet:Es ist mir bekannt, daß durch die Arbeiten an der Bundesautobahn bei Viernheim und Kronau bedingte Umleitung des Verkehrs über die Bundesstraßen 3, 36, 38 und 44 stellenweise zu Schwierigkeiten auf den für die Umleitung benützten Straßenzügen geführt hat. Zwar wurden die Ausbauarbeiten von der Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg, die als Auftragsverwaltung des Bundes nach Artikel 90 GG hierfür zuständig ist, von vornherein auf den wesentlich verkehrsärmeren Herbst verlegt, wodurch in der Ferienzeit die vorhandenen Baustellen geräumt und voll für den Verkehr freigegeben werden konnten. Ferner wurden unter Mitwirkung der Landesverkehrsbehörden verschiedene Umleitungswege festgelegt, um den auch im Herbst noch relativ starken Autobahnverkehr weitgehend aufzuspalten und Schwierigkeiten auf den Umleitungen zu vermeiden. Trotz aalleer Vorausplanungen aber haben sich da und dort Komplikationen ergeben, weil auch auf den zur Umleitung benutzten Bundesstraßen unaufschiebbare Ausbauarbeiten durchgeführt werden mußten. Hier bemüht sich die Straßenbauverwaltung jedoch darum, im Benehmen mit den Verkehrsbehörden eine Verbesserung des Verkehrsablaufs zu erzielen.Ich selbst dränge immer wieder darauf, daß die Auftragsverwaltungen bei der Durchführung von Straßenbaumaßnahmen soweit 'wie irgend vertretbar auf den Verkehr Rücksicht nehmen.Ich rufe auf die Frage XI/15 — des Abgeordneten Blumenfeld —:Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Verhältnisse in den Rasthäusern, Tankstellen und auf den Rastplätzen an den Bundesautobahnen von den Autobahnbenutzern in zunehmendem Maße als völlig unzureichend beanstandet werden und im Ausland zu dem Vorurteil führen können, die Bundesrepublik sei ein teueres Reiseland mit „schlechtem Service"?Herr Staatssekretär!
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1644 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Frage, die Sie gestellt haben, ist leider etwas sehr allgemein gehalten. Ich muß mich deshalb auch bei der Beantwortung mehr auf allgemeine Hinweise beschränken. Ich glaube nicht, daß man sagen kann, daß ganz allgemein von den Autobahnbenutzern die Verhältnisse in den Rasthäusern, Tankstellen und auf den Rastplätzen an den Bundesautobahnen als völlig unzureichend beanstandet werden. Wir sind auch nicht der Auffassung, daß die Preisverhältnisse in den Rasthäusern und bei den Tankstellen im Ausland zu dem Vorurteil führen könnten, die Bundesrepublik sei ein teures Reiseland mit schlechtem Service.
Ich komme ganz kurz auf die drei Kategorien zu sprechen, die Sie angesprochen haben: die Rasthäuser, die Tankstellen und die Rastplätze. Was die Rasthäuser anlangt, so sind wir der Auffassung — wir werden in dieser Auffassung auch durch das Ergebnis der von uns angestrebten Ermittlungen bestärkt —, daß in der normalen Zeit, also mit Ausnahme der Spitzenwochen des Reiseverkehrs, die Verhältnisse in den Rasthäusern zu irgendwelchen Beanstandungen keinen Anlaß geben. Bei der Überbeanspruchung der Rasthäuser in der Ferien- und Reisezeit bitten wir zu berücksichtigen, daß bei dem Dienstleistungsgewerbe, um das es sich hier handelt, Schwierigkeiten vorliegen, die wir — nach der Literatur des zuständigen Gewerbes — in der ganzen Gastronomie haben und die bei den Rasthäusern der Bundesautobahnen deswegen besonders schwer wiegen, weil, wie Sie wissen, die Rasthäuser einen 24stündigen ununterbrochenen Betrieb und Service haben und teilweise ab von den nächsten Wohnplätzen liegen; deswegen haben sie im besonderen Maße mit Schwierigkeiten hinsichtlich des Personals zu rechnen.
Die Tankstellen, Herr Abgeordneter, sind, vor allem soweit sie nach dem Kriege gebaut worden sind, doch sicher in einem ganz vorzüglichen Zustande. Auch hier können Beschwerden über eine verzögerte Abfertigung nur in den Zeiten des ausgesprochenen Spitzenverkehrs auftreten. Die Tankstellen und ihre Bedienung können natürlich nicht das ganze Jahr hindurch auf einen solchen Spitzenverkehr eingestellt werden.
Ich gebe offen zu, daß wir hinsichtlich der sogenannten Rastplätze noch vor großen Schwierigkeiten stehen. Wir sind leider erst seit 1961 in die Lage versetzt worden, auch mit Unterstützung von Abgeordneten des Bundestages Verständnis dafür zu gewinnen, daß hier vor allem in hygienischer Beziehung mehr geschehen muß. Mir liegt eine Aufzeichnung der zuständigen Abteilung meines Hauses vor, die ergibt, daß und in welchem Umfange Vorbereitungen dieser Art bereits in die Wege geleitet sind, mit welchen Unkosten sie verbunden sind und daß damit gerechnet werden kann, daß wir mit diesen Schwierigkeiten in nächster Zukunft fertig werden. Um die Fragestunde nicht übermäßig auszudehnen, werde ich mir gestatten, Ihnen diese Aufzeichnung zu überreichen.
Eine Zusatzfrage!
Darf ich Ihren Ausführungen, Herr Staatssekretär entnehmen, daß Ihr Ministerium bereit ist, die Frage noch einmal, auch in bezug auf einfachere Rasthäuser usw,, zu prüfen und da wo notwendig für Abhilfe zu sorgen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Selbstverständlich, Herr Abgeordneter. Ich wäre dankbar, wenn uns dann aber auch konkrete Beschwerden übermittelt würden, damit wir ihnen im konkreten Fall nachgehen können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schwabe!
Sehen Sie, Herr Staatssekretär, eine Möglichkeit, bei diesen Betrieben an der Autobahn, die ja Ihrer Aufsicht, zum mindesten Ihrem Einfluß mit unterliegen, geeignete Maßnahmen im Hinblick auf solche Preisgestaltungen zu treffen, die zweifelsohne im Sinne der Anfrage des Kollegen Blumenfeld dazu beigetragen haben, daß von einer Überhöhung und von einer Schädigung der Gäste gesprochen wird? Gibt es Ansatzpunkte, dort einzugreifen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wir haben jederzeit die Möglichkeit einzugreifen, wenn uns eine konkrete Beschwerde vorgelegt wird. Ich habe in den letzten Monaten verschiedentlich Zuschriften an unser Haus gesehen — es waren nicht sehr viele —, in denen nur allgemein von steigenden Preisen in Autobahnraststätten die Rede war. Auf die Aufforderung aber, die betreffende Raststätte zu nennen, damit wir dieser Beschwerde nachgehen können, wurde leider nicht geantwortet.
Würden Sie den Preis von 3,50 DM für ein einfaches Frühstück als normal oder überteuert betrachten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kommt darauf an. Ich muß, wenn ich auf Dienstreise unterwegs bin, in normalen Gasthäusern und Hotels für ein einfaches Frühstück in der Regel auch 3,50 DM bezahlen, Herr Abgeordneter.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Frede!
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für möglich, die angedeuteten Mißstände in den Rasthäusern dadurch zu beseitigen, daß die Zahl der Rasthäuser auf einigen Autobahnstrecken vermehrt wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das geschieht schon. Eine größere Zahl von Rasthäusern sind in Vorbereitung. Daneben wird aber auch für besondere Anlagen an den Rastplätzen Vorsorge getroffen werden.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962 1645
Wäre es nicht ferner zweckmäßig, das Prinzip der Selbstbedienung, wie es beispielsweise bei den Rasthäusern in Seesen bereits eingeführt ist, mehr und mehr einzuführen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es wird mehr und mehr eingeführt. Es ist inzwischen bereits in weiteren Rasthäusern eingeführt und wird vom Publikum sehr positiv aufgenommen.
Die Frage ist beantwortet. Frage XI/16 — Abgeordneter Hammersen —:
Treffen Pressemeldungen zu, denen zufolge der Herr Bundesverkehrsminister kürzlich auf einem Verkehrskongreß in Frankfurt erklärt haben soll, der Bau eines Eisenbahntunnels zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Stadt Rüdesheim komme nach seinen Vorstellungen keinesfalls in Betracht?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die von Ihnen, Herr Abgeordneter, zitierte Erklärung ist nicht abgegeben worden. Der Bau eines Eisenbahntunnels ist im übrigen Angelegenheit der Deutschen Bundesbahn. Nach der Elektrifizierung der rechten Rheintalstrecke sieht die Deutsche Bundesbahn gegenwärtig keine betriebliche Notwendigkeit, die sie zum Bau und zur Finanzierung eines Eisenbahntunnels bei Rüdesheim veranlassen würde. Auch der Ausbau der Bundesstraße 42 setzt nicht zwingend die Verlegung der Eisenbahnstrecke in einen Tunnel voraus. Das gleiche gilt für die geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der Fahrwasserverhältnisse im Binger Loch. Der Ausbau der Bundesstraße 42 und die Verbesserung der Fahrwasserverhältnisse im Rhein können zweckmäßig und ausreichend durchgeführt werden, ohne daß das Gelände der jetzigen Bundesbahnstrecke benötigt wird.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihrem Hause bekannt, daß der Hessische Landtag mit allen seinen Fraktionen und die hessische Landesregierung nach wie vor einmütig hinter dem Rüdesheimer Tunnelprojekt stehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist mir bekannt, daß solche Beschlüsse im Hessischen Landtag gefaßt sind und daß auch die hessische Regierung in diesem Sinne vorstellig geworden ist. Aber Sie müssen berücksichtigen, Herr Abgeordneter, daß eine Lösung ohne Tunnel etwa 22 Millionen DM Baukosten beansprucht, die Tunnellösung dagegen 62 Millionen DM, und es ist natürlich klar, daß die Bundesbahn, wenn nicht ein dringendes betriebliches Bedürfnis zu dem Tunnel zwingt, kaum in der Lage und bereit sein wird, diese Tunnellösung zu wählen.
Darf ich fragen, Herr Staatssekretär, ob bei Ihrer Auffassung berücksichtigt worden ist, daß sich das Land Hessen nach einer erst im Juli dieses Jahres gegebenen Zusage auch finanziell mit einer namhaften Summe — man spricht von 8 bis 10 Millionen DM — am Rüdesheimer Tunnelprojekt beteiligt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist mir nicht bekannt, aber ich halte das für durchaus möglich. Die Differenz ist jedoch dann immer noch sehr groß, zumal sich die Bundesbahn bereit erklärt hat, mit der Landesbauverwaltung nach einer Lösung zu suchen, die den schienengleichen Bahnübergang vermeidet und durch eine Unterführung ersetzt.
Die Frage ist beantwortet.
Ich rufe auf die Frage XI/17 — des Abgeordneten Eisenmann —:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den Feuerlöschdienst für die Schiffe auf dem Nord-Ostsee-Kanal, speziell im Bereich des Binnenhafens und des Ölhafens von Brunsbüttelkoog, zu verbessern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Feuerlöschdienst auf dem Nord-Ostsee-Kanal einschließlich des Binnenhafens und des Ölhafens in Brunsbüttelkoog ist keine gesetzliche Aufgabe des Bundes, sondern, wie Sie wissen, der örtlichen Gemeinden.
Dessen ungeachtet hat sich der Bund aber seit jeher bereitgefunden, mit den Fahrzeugen und Geräten der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung jede mögliche Hilfe für den Feuerlöschdienst zu geben. Es liegt in Brunsbüttelkoog ein besonderes Feuerlöschboot der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung, das mit zwei Feuerlöschkanonen, kombiniert für Wasser und Schaum, ausgerüstet ist. Ferner stehen ein Verwaltungsschlepper mit einer Feuerlöschkanone und außerdem zwei Tragkraftspritzen zur Verfügung. Die Verwaltungsfähren in Brunsbüttelkoog sind angewiesen, im Gefahrenfall — auch unter Inkaufnahme einer Sperrung des Verkehrs — die Landfahrzeuge der örtlichen Feuerwehr zum Brandherd zu bringen.
Weitere Verwaltungsfahrzeuge in Holtenau und Rendsburg sind ebenfalls mit Feuerlöscheinrichtungen versehen. Auch die Fähren am Nord-Ostsee-
Kanal sollen mit Feuerlöschgeräten ausgerüstet werden.
Die am Kanal ansässigen Ölbunkerfirmen halten Schaum- und Wasserlöscheinrichtungen vor.
Der landeseigene Ölhafen Brunsbüttelkoog wird vom Land Schleswig-Holstein mit einer eigenen Löschwasserversorgung und einer stationären Schaumlöschanlage ausgerüstet. Um ein Ausfließen von Öl vom Hafen in den Kanal zu verhindern, ist beabsichtigt, eine Preßluftschlängelanlage einzurichten; die Versuche hierüber sind im Gange, aber noch nicht abgeschlossen.
Ich rufe auf die Frage XI/18 — der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus —:Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die auch in der Schweizer Zeitung „Die Tat" vom 11. August 1962 als unzulänglich kritisierte Zugverbindung zwischen Stuttgart und Zürich zu verbessern?
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1646 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Strecke Stuttgart — Zürich wird zur Zeit durch vier D-Zug-Paare bedient. Mit diesen vier Zug-Paaren ist dem verkehrlichen Bedürfnis auf dieser Strecke weitgehend Rechnung getragen.
Dennoch bemüht dich die Deutsche Bundesbahn im Sinne Ihrer Anfrage seit Jahren, in dieser Verkehrsbeziehung noch zusätzliche, und zwar nach Möglichkeit sehr schnelle Zugverbindungen 'zu schaffen. So wurde auch anläßlich der diesjährigen Europäischen Fahrplan-Konferenz in Kopenhagen ein deutscher Antrag auf Einrichtung einer weiteren Triebwagenverbindung Stuttgart — Zürich gestellt. Die Schweizerischen Bundesbahnen erklärten sich aber leider außerstande — wegen der dichten Streckenbelegung im Bereich ihres Netzes und wegen Aufnahmeschwierigkeiten dm Bahnhof Zürich —, diese Verbindung im kommenden Fahrplanjahr einzurichten.
Die Deutsche Bundesbahn wird bei weiteren Fahrplanverhandlungen — sie finden jährlich statt — alles versuchen, um auch für die Strecke Stuttgart — Zürich Verbesserungen im Sinne Ihrer Anfrage zu erreichen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen der Aufsatz in der Züricher Zeitung „Die Tat" vom 11. August 1962 bekannt? Dort wird nicht nur bemängelt, daß die Zugverbindung so langsam und nicht ausreichend ist, sondern außerdem der Service, vor allem der Speisewagen als für Schweizer Verhältnisse ganz miserabel bezeichnet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Aufsatz ist mir leider nicht bekannt, gnädige Frau. Wenn Sie die Beschwerde auf den Speisewagen erstreckt hätten, hätte ich auch dazu eine Stellungnahme der Deutschen Speisewagen-Gesellschaft herbeigeführt. Ich werde das nachholen.
Eine letzte Zusatzfrage!
Ist Ihnen weiterhin bekannt, Herr Staatssekretär, daß man zeitweise von Zürich besser über Basel —Karlsruhe nach Stuttgart fährt als direkt von Zürich nach Stuttgart, weil eben zur Zeit die Zahl der Zugverbindungen nicht ausreichend ist? Sie hatten sie in Ihrer Antwort als ausreichend bezeichnet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gnädige Frau, es verkehren 4 D-Zug-Paare.
— Das hängt mit den topographischen Verhältnissen des Landes zusammen.
— Auch mit dem Ausbau der Zugstrecke der Schweizer Bahn; denn da ist eingleisiger Betrieb, gnädige Frau. Ich 'bin bereit, das noch einmal zu überprüfen, und darf darauf zurückkommen.
Frage XI/19 — des Abgeordneten Felder —:
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, auf die Direktion der Deutschen Lufthansa einzuwirken, daß die besondere Benachteiligung Bayerns im Winterflugplan beseitigt wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Lufthansa führt die im Interesse der Sicherheit unbedingt notwendigen Generalüberholungen ihrer Flugzeuge in den verkehrsschwächeren Wintermonaten durch. Infolgedessen können nicht alle im Sommer betriebenen Dienste im Winter aufrechterhalten werden. Hiervon wird im kommenden Winter leider auch die Fluglinie München — Stuttgart — Paris betroffen. Eine andere ins Gewicht fallende Benachteiligung Bayerns läßt der Winterflugplan 1962/63 wohl nicht erkennen. Erst wenn die Lufthansa über eine ihren Aufgaben ,genügende Flotte verfügt, werden diese bedauerlichen Einschränkungen vermieden werden können. Im Sommerflugplan 1963, also vorn 1. April nächsten Jahres an, wird die Lufthansa die genannte, Fluglinie wieder in Betrieb nehmen.
Die Frage ist beantwortet.Meine Damen und Herren, ich habe noch mitzuteilen, daß der Herr Bundesfinanzminister bittet, die an ihn gerichteten Fragen erst am Donnerstag beantworten zu dürfen. Ich denke, das Haus ist einverstanden.Wir fahren nunmehr fort mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts.Ich rufe auf die Frage I/1 — des Abgeordneten Seuffert —:Ist der Bundesregierung bekannt, daß von deutschen Geschäftsfirmen 'durch das Generalsekretariat der Liga der arabischen Staaten, Zentralbüro für den Boykott von Israel, Damaskus, Erklärungen über Beteiligungen in Israel oder Kredite, die nach Israel gegeben oder vermittelt wurden, verlangt werden mit der Androhung, gegebenenfalls diese Firmen auf eine Schwarze Liste für die arabischen Staaten zu setzen?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Schröder vom 27. Juli 1962 lautet:Der Bundesregierung ist bekannt, daß das Generalsekretariat durch seine Mitgliedstaaten — zuweilen aber auch unmittelbar — von deutschen Geschäftsfirmen, die mit Firmen in den Mitgliedstaaten der Liga in Geschäftsverbindung stehen oder solche aufnehmen wollen, vor dem Abschluß von Geschäften Erklärungen über eventuelle Beteiligungen und Geschäftsverbindungen in Israel verlangt, mit der Androhung, daß gegebenenfalls die Geschäftsverbindungen gelöst und die Firmen auf eine sogenannte schwarze Liste für die arabischen Staaten gesetzt würden. Mit der Aufforderung, eine solche Erklärung abzugeben, wird zuweilen die Mitteilung verbunden, daß die Interessen der deutschen Firmen dm arabischen Raum eine Einflußnahme auf die Bundesregierung erforderten, durch welche diese veranlaßt werde, öffentliche oder private Investitionen in Israel oder geschäftliche Verbindungen mit Israel zu verhindern.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962 1647
Vizepräsident Dr. SchmidDie Bundesregierung hat keine rechtliche Handhabe, auf die Entscheidungen deutscher Finnen über deren geschäftliche Beziehungen zu Firmen in anderen Lindern einzuwirken. Das mit den geschäftlichen Beziehungen eventuell verbundene Risiko kann nur von den deutschen Firmen abgeschätzt und getragen werden. Die Bundesregierung wild daher auch in Zukunft den deutschen Firmen die Entscheidung überlassen müssen, mit wem sie geschäftliche Verbindungen im Ausland pflegen wollen.Unabhängig davon sieht jedoch die Bundesregierung es als ihre Aufgabe an, im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Betätigung deutscher Firmen im Ausland zu schützen und vor diskriminierenden Behandlungen zu bewahren. Sie wird daher die weitere Entwicklung des Israel-Boykotts der arabischen Staaten, von dem im übrigen deutsche Firmen bislang kaum betroffen worden sind, weiterhin sorgfältig beobachten und gegebenenfalls nach Beratung mit anderen interessierten Staaten Schritte überlegen, die geeignet sind, solcher Behandlung zu begegnen.Ich rufe auf die Frage I/2 — des Abgeordneten Dr. Mommer —:Was tut die Bundesregierung, um die in Spanien arbeitenden deutschen Arbeitnehmer von der dort erhobenen Gebühr für die jährlich zu erneuernde Arbeitsgenehmigung zu befreien, die bis zu 4 v. H. des Einkommens beträgt?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Carstens vom 1. August 1962 lautet:Der Bundesregierung ist die Benachteiligung der deutschen Arbeitnehmer in Spanien, sowohl gegenüber den spanischen Arbeitnehmern, als auch gegenüber denjenigen ausländischen Arbeitnehmern, die von der Arbeitskartensteuer befreit sind, hinreichend bekannt.Die Bemühungen der Bundesregierung gehen seit langem dahin, in Spanien den deutschen Arbeitnehmern die gleichen Vergünstigungen hinsichtlich der Arbeitskartensteuer zu verschaffen, wie sie den britischen Staatsangehörigen gewährt werden. Danach sollen die deutschen Staatsangehörigen, die bereits vor dem Jahre 1930 in Spanien ansässig waren oder mit einer gebürtigen Spanierin verheiratet sind oder mindestens ein Kind haben, das auf spanischem Staatsgebiet geboren ist, von der Bezahlung der Arbeitskartensteuer befreit werden.Die Bundesregierung wird nach wie vor bemüht bleiben, den für deutsche Arbeitnehmer gemachten Vorschlag der Vergünstigungen hinsichtlich des Erlasses der Arbeitskartensteuer in Spanien zu verwirklichen.Ich rufe auf die Frage I/3 — des AbgeordnetenRollmann —:Wieviel Prozent der in der Bundesrepublik studierenden Studenten aus den Entwicklungsländern verlassen die Bundesrepublik wieder, ohne ihr Studium abgeschlossen zu haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort auf Frage I/3 lautet, daß eine exakte Antwort leider nicht gegeben werden kann, da umfassende statistische Erhebungen über den Studienabschluß von Studenten aus Entwicklungsländern noch nicht angestellt worden sind. Die Statistiken des Statistischen Bundesamts sagen nur über den Prozentsatz der erfolgreichen Examenskandidaten ewas aus, nicht aber über den Prozentsatz der erfolgreichen Prüflinge, bezogen auf die Gesamtzahl der Studierenden. Eine ausführliche Umfrage des Deutschen Akademischen Austauschdienstes über die Qualifikation der Studierenden aus Entwicklungsländern ist aber in Vorbereitung.
Die Universitäten in der Bundesrepublik einschließlich Berlins schätzen den Prozentsatz der deutschen und ausländischen Studenten ohne Studienabschluß auf etwa 25 %. 63 % der ausländischen Studenten stammen aus Entwicklungsländern. Nach Angaben von zwei Technischen Hochschulen haben in den letzten zehn Semestern 38,5 — Karlsruhe — bzw. 30 % — Darmstadt — der Studenten aus den Entwicklungsländern die Hochschule ohne Abschluß verlassen. Ein nennenswerter Unterschied zwischen dem Prozentsatz der Studenten aus der Bundesrepublik und dem Prozentsatz der Studenten
aus den Entwicklungsländern, die zu keinem Studienabschluß gelangen, ist nicht festgestellt worden.
Nicht übersehen werden darf bei dieser Frage aber, daß ein Studienabschluß durchaus nicht von allen Studierenden aus Entwicklungsländern angestrebt wird, da ein in Deutschland abgelegtes Schlußexamen in zahlreichen Entwicklungsländern zu nichts berechtigt. In diesen Fällen kann also nicht von einem Scheitern des Studiums gesprochen werden. Vielfach wird das Studium außer wegen mangelnder Qualifikation auch aus persönlichen Gründen abgebrochen, zum Beispiel wegen Krankheit, Eheschließung, Geldmangels oder Devisenschwierigkeiten. Erst in den letzten Jahren kommen Studenten aus Entwicklungsländern in größerer Zahl nach der Bundesrepublik. Infolgedessen steht der größte Teil derer, die ihren Studiengang abschließen können, erst jetzt in Examensnähe.
Keine Frage mehr. Frage I/4 — des Abgeordneten Liehr —:
In welcher Weise fördert die Bundesregierung Studenten aus Entwicklungsländern, die ihr Studium im kommunistischen Machtbereich abbrechen und den Wunsch haben, im freien Teil Deutschlands zu studieren, auch in den Fällen, wo die Hochschulreife nicht nachgewiesen werden kann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort auf die Frage I/4 lautet: Die Prüfung und Betreuung der Studenten aus Entwicklungsländern, die ihr Studium im Ostblock abgebrochen haben, ist vom Auswärtigen Amt dem Sozialamt des Deutschen Bundesstudentenringes übertragen worden. Die Weiterführung der Ausbildung von Studenten, die über keinen Schulabschluß verfügen — was die Mehrzahl ist —, ist nur nach Sprachkursen und dem Besuch eines Vorstudienkollegs möglich. Für die endgültige Förderung dieses Personenkreises stehen dem Deutschen Akademischen Austauschdienst Mittel für die Vergabe von ordentlichen Stipendien zur Verfügung.
Bisher wurden 9 solcher Stipendien vergeben. Studenten, die aus disziplinären Gründen oder wegen offenkundiger Leistungsmängel im Ostblock ausgeschlossen wurden, können in der Bundesrepublik nicht gefördert werden. Auf diese finden die geltenden ausländerpolizeilichen Bestimmungen Anwendung.
Eine Zusatzfrage.
Herr Außenminister, ist bekannt, daß das so hochgehaltene Prinzip der deutschen Hochschulreife in bezug auf ausländische Studenten durchlöchert ist, wenn es sich um Studenten handelt, die von ihrer Regierung delegiert werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ehrlich gesagt, Herr Kollege, kenne ich dieses Problem nicht. Ich weiß nicht, welche Betrachtung Sie daran knüpfen wollen. Wir sollten uns, meine ich, über diese Sache noch einmal unterhalten; in Frage und Antwort kann man das Problem wohl kaum behandeln.
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1648 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962
Wir kommen zur Frage II aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz; Frage des Abgeordneten Dr. Kohut:
Trifft es zu, daß Generalbundesanwalt Fränkel während seiner Tätigkeit bei der Reichsanwaltschaft bei den von ihm eingeleiteten Nichtigkeitsbeschwerden, die zur Verschärfung der Strafe geführt haben sollen, sich in zwei Fallen u. a. auf den Kommentar zu den Nürnberger Gesetzen des damaligen Oberregierungsrates Dr. Globke bezogen haben soll?
Nach den mir zugänglichen und in meinem Hause geprüften Akten und Veröffentlichungen trifft das nicht zu.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, hält es die Bundesregierung nach den Enthüllungen bei Richtern und Polizeibeamten noch weiterhin für vertretbar, daß der Kommentator der berüchtigten Nürnberger Gesetze sich immer noch in einer Schlüsselstellung als Staatssekretär in hohem Ansehen bei der Bundesregierung befindet?
Herr Kollege, das ist eine Frage, die ich weder zu entscheiden noch zu beantworten habe.
Eine weitere Zusatzfrage.
Glaubt die Bundesregierung, daß ihre Personalpolitik, wenn man die Enthüllungen der letzten Zeit sieht, auf diejenigen, die unter dem Nationalsozialismus zu leiden hatten, besonders günstig wirkt, und daß auch diese Tatsache dem Ansehen der Bundesrepublik in der Welt hilft?
Herr Kollege, ich nehme an, Sie spielen auf den Fall Fränkel an.
— Andere Fälle weiß ich nicht, Herr Kollege. Gerade der Fall Fränkel hat bewiesen, daß die Ostzone hier — weil sie in der Lage war, das Archiv so auszuwerten, wie es ihr gerade paßte — eine Art Propagandaaktion starten wollte und zu meinem Bedauern auch starten konnte. Ich meine, man sollte das hier in der Bundesrepublik nicht aus irgendwelchen Gründen auch noch in der Wirkung unterstützen.
Leider ist meine Fragezeit vorbei.
Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Ich rufe auf die Frage III/1 — des Abgeordneten Dr. Schmidt —:
Ist die Bundesregierung bereit, den Vorschlag des Vizepräsidenten des britischen Milchmarktamtes, James Jackson, eine internationale Konferenz über Milchwerbung und -verkäufe anläßlich der „Royal Dairy Show" in London abzuhalten, zu unterstützen und dabei aktiv mitzuwirken?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Schwarz vom 27. Juli 1962 lautet:
Die Bundesregierung begrüßt die Initiative des Vizepräsidenten des britischen Milchmarktamtes, James Jackson, eine internationale Konferenz über eine weltweite Milch-Werbekampagne anläßlich der „Royal Dairy Show" in London abzuhalten. Sie wird bei dieser Konferenz vertreten sein oder sich durch geeignete Persönlichkeiten vertreten lassen. Inwieweit sie 'die Ziele der Werbekampagne unterstützen wird, hängt von dem Ergebnis der Konferenz ab.
Der britische Vorschlag dürfte vor allem von zwei Gedanken getragen werden:
a) Förderung des Absatzes in den Erzeugerländern und
b) Erschließung neuer Märkte in den Entwicklungsländern zum Absatz von Überschüssen.
Zu a) Die Bundesrepublik hat als Land mit geringem Export von Milcherzeugnissen ihr Bestreben vor allem auf die Zunahme des innerdeutschen Verzehrs gerichtet. Die Werbung hierfür wird überwiegend aus der nach § 22 MFG erhobenen Umlage bestritten; der Gesamtbetrag wird auf die zentrale Werbung und die Werbung auf Landesebene (Landesvereinigungen bzw. Milchwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaften) aufgeschlüsselt. Der „Verein" hat bereits in den letzten Jahren eine internationale Zusammenarbeit mit Werbezentralen anderer Länder angebahnt, die ihren besonderen Ausdruck im internationalen Milchtag findet; an diesem haben sich im Jahre 1962 bereits 13 europäische Länder beteiligt.
Zu b) Eine Erschließung neuer Absatzmöglichkeiten In den Entwicklungsländern dürfte vor allem im Interesse der Länder liegen, die ihre Produktion an Milch und Milcherzeugnissen über den inländischen Bedarf hinaus gesteigert haben. Inwieweit eine Unterstützung derartiger Maßnahmen tunlich sein wird, hängt von der Entwicklung der Erzeugung und dem Verbrauch in der Bundesrepublik, dem kommenden Ausgleich innerhalb der EWG-Länder sowie den Absatz- und den Erlöschancen in den Entwicklungsländern ab.
Es ist damit zu rechnen, daß vorbereitende Gespräche bereits auf dem Internationalen Milchkongreß in Kopenhagen geführt werden und daß sich bereits dort die Vorstellungen des britischen Milchamtes deutlicher erkennen lassen. Auf diesem Kongreß werden das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und die deutsche Milchwirtschaft vertreten sein.
Ich rufe auf die Frage III/2 — des Abgeordneten Ertl —:
Warum wurde der Werkverkehr bei der Frachtsubvention in Höhe von 25 v. H. für Getreidefrachten nicht berücksichtigt?
Ich darf die Frage wie folgt beantworten:Im Zusammenhang mit der Errichtung der Gemeinsamen Marktorganisation für Getreide in der EWG am 30. Juli 1962 war es erforderlich, die Tarife und Frachten für Getreide in der Bundesrepublik auf etwa die Hälfte zu senken, um dem deutschen Getreide allgemein die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und insbesondere den Getreideerzeugern in den marktfernen Gebieten keine allzu großen Verluste im Vergleich zu den bisherigen Erzeugerpreisen zuzumuten.Die Bundesbahn hat ihre Getreidefrachten am 1. August 1962 um 25 % herabgesetzt. Der gewerbliche Güterfernverkehr folgte mit einer Ermäßigung von 22 %.Da diese Senkungen nicht ausreichten, andererseits aber weitergehende Frachtermäßigungen nicht
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962 1649
Bundesminister Schwarzzu erreichen waren, mußte die Bundesregierung zusätzlich eine Frachthilfe gewähren. Um eine allgemein übersehbare und hinsichtlich der Verwendung öffentlicher Mittel im einzelnen nachprüfbare Grundlage zu haben, konnte diese Frachthilfe nur für Beförderungen nach rechtsverbindlich festgesetzten Tarifen und Frachten vorgesehen werden.Der Werkverkehr kennt weder Frachten noch Tarife. Seine Selbstkosten gehen in der Gesamtkalkulation des Betriebes auf; sie sind im einzelnen nicht zu erfassen und je nach Art des Betriebes von unterschiedlicher Höhe.Es kommt noch hinzu, daß der Werkverkehr für den Anwendungsbereich der Frachthilfe kaum in einer Zweifel ausschließenden Weise abgegrenzt werden könnte. Das würde praktisch dazu führen, daß jeder einzelne Landwirt schon für Beförderungen innerhalb seines eigenen Betriebes Anspruch auf Frachthilfe erheben könnte. Es ist aber nicht notwendig, hierfür besondere Geldmittel bereitzustellen. Die abgeleiteten Fracht- und Interventionspreise sind nämlich. unter Berücksichtigung der Tarifsenkungen und der Frachthilfe bereits so festgesetzt worden, daß damit auch die Kosten für innerbetriebliche Beförderungen abgegolten werden.Aus all diesen Gründen war es nicht möglich, den Werkverkehr in die Frachthilfe einzubeziehen.
Herr Minister, entstehen durch die jetzige Lösung für die Erzeuger zusätzliche Belastungen?
Das ist nicht anzunehmen, Herr Kollege.
Ich rufe auf die Frage III/3 — des Abgeordneten Ertl —:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um in Zukunft zu vermeiden, daß das Gemüse in großem Umfang durch die Erzeuger vernichtet wird, während die Verbraucher keine Möglichkeit haben, es zu niedrigen Preisen zu kaufen?
Die Meldungen, daß in diesem Jahre Gemüse in großem Umfange durch die Erzeuger vernichtet worden sei, sind sehr stark übertrieben. Es ist zu keiner nennenswerten Vernichtung einheimischen Gemüses gekommen. In Einzelfällen waren allerdings die Märkte nicht in der Lage, die bei Einsetzen der heißen Witterung in großen Mengen gleichzeitig heranreifenden Erzeugnisse aufzunehmen. Auf den Erzeugergroßmärkten war z. B. Kopfsalat nicht zu 3 DM je 100 Stück, Wirsingkohl nicht zu 3 DM je 50 Kilo absetzbar. Der Bundeswehr, den Krankenhäusern, karitativen Organisationen usw. wurde die Ware angeboten. Sie waren jedoch nicht in der Lage, das Gemüse, selbst ohne jede Bezahlung, zu übernehmen und abzuholen. Da die Aufnahmefähigkeit der Kühllager bald erschöpft war, mußte schließlich an einigen Plätzen besonders der sehr empfindliche Kopfsalat vernichtet werden, weil er durch die Hitze verdorben war. Es handelt sich aber insgesamt nur um geringe Mengen, die tatsächlich vernichtet worden sind.
Schwemmen auf dem Gemüsemarkt hat es immer gegeben; sie werden auch künftig gelegentlich vorkommen. Die Förderung des Baues von Lager- und Kühlräumen aus Mitteln des Grünen Planes trägt dieser Situation Rechnung. Durch die von der Bundesregierung eingeführten Handelsklassen können bis zu einem gewissen Grade ungeeignete Qualitäten vom Markt ferngehalten werden. Sie erleichtern dem Handel und den Verbrauchern den Einkauf und fördern den Absatz.
Die Bundesregierung hat Erzeuger und Verbraucher auf verschiedene Weise über diese Zusammenhänge aufgeklärt. Die große Aufmerksamkeit, die die Vorgänge in der Öffentlichkeit gefunden haben, dürfte auf einige Fernsehberichte zurückzuführen sein, mit denen die Verbraucher auf das große Angebot aufmerksam gemacht wurden.
Damit sind die Möglichkeiten der Bundesregierung erschöpft, da der Obst- und Gemüsemarkt durch das Gesetz von Angebot und Nachfrage gesteuert wird.
Eine Zusatzfrage?
Glauben Sie, daß die bisherige Verbraucheraufklärung ausreichend ist, oder wäre es durch einen Ausbau derselben nicht vielleicht möglich, eine bessere Abnahme durch die Verbraucher zu gewährleisten, nachdem immerhin in Großstädten nach Presseberichten ganze Waggons auf die Schutthalde gefahren werden mußten, und zwar nicht nur Kopfsalat, sondern auch •Gurken und dergleichen?
Herr Kollege, wir sollten uns nicht zum Wortführer spekulativer Berufsstände machen, die Gurken aus anderen Ländern importieren und nachher 'hier ein derartiges Tohuwabohu verursachen. Das kann nicht unsere Aufgabe sein, auch nicht im Rahmen der Verbraucheraufklärung. Was sonst die Verbraucheraufklärung anlangt, so wird mein Haus alles tun, um die nötigen Mittel bereitzustellen, diese sehr gute Einrichtung weiter zu fördern.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung.Ich rufe auf die Frage IV — des Abgeordneten Dr. Mommer —:Ist es richtig, daß der Herr Bundesverteidigungsminister bei der Landesgruppe der CSU in der Fraktion der CDU/CSU die Einbringung einer Kleinen Anfrage betreffend Auslieferung des deutschen Verräters Frenzel an die Tschechoslowakei angeregt und empfohlen hat, durch die ein bis dahin streng vertraulicher Vorgang einer größeren Anzahl von Abgeordneten ohne Vertraulichkeitsbeschränkung bekanntgegeben wurde und in die Öffentlichkeit gekommen ist?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Strauß vom 3. August 1962 lautet:Der in Ihrer Mündlichen Anfrage dargelegte Vorgang, der die Auslieferung des ehemaligen Bundestagsabgeordneten FRENZEL betrifft, ist mir weder dienstlich noch durch meine Zugehörigkeit zur Fraktion der CDU/CSU bekannt gewesen.
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1650 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962
Vizepräsident Dr. SchmidDie Bundesregierung hat keine Möglichkeit festzustellen, ob Abgeordnete auf eigene Initiative oder auf fremde Veranlassung eine parlamentarische Anfrage stellen.Ich habe die Kleine Anfrage betreffend Auslieferung des Fr. nicht veranlaßt.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers. Ich rufe auf die Frage des Abgeordneten Börner:Ist die Bundesregierung bereit, auf die im Bundesbesitz befindlichen Industrieverwaltungsgesellschaft in Bad Godesberg einzuwirken, um die Veräußerung der Siedlung Waldhof im Landkreis Kassel zu einem sozial vertretbaren Preis an die jetzigen Mieter durchzuführen?Lenz, Bundesschatzminister: Herr Abgeordneter, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten. Die bundeseigene Industrieverwaltungsgesellschaft bemüht sich seit langem, die gesamte Siedlung Waldhof im Landkreis Kassel zu veräußern. Da diese Siedlung aus 49 Häusern mit je vier Wohnungen und nur zwei Einzelhäusern besteht, stößt eine Verwertung des Gesamtkomplexes durch unmittelbare Veräußerung an die Mieter auf Schwierigkeiten, zumal nur ein Teil der jetzigen Mieter Grundeigentum erwerben möchte.Die Industrieverwaltungsgesellschaft hat sich daher bemüht, die gesamte Siedlung an den Landkreis Kassel oder an die Hessische Heimstätte Kassel zu veräußern. Die Verhandlungen hierüber sind noch nicht abgeschlossen, weil die Finanzierungsvorschläge der Käuferseite für die Industrieverwaltungsgesellschaft bisher nicht annehmbar sind. Eine Veräußerung der Grundstücke unter dem Verkehrswert ist der Gesellschaft nicht möglich, da die Industrieverwaltungsgesellschaft ebenso wie alle anderen Bundesgesellschaften nach kaufmännischen Grundsätzen zu wirtschaften hat. Der Bundesrechnungshof hat wiederholt, auch diesem Hohen Hause gegenüber, darauf hingewiesen, daß der Grundsatz des § 47 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung, nach dem eine Veräußerung von Bundesvermögen unter Wert unzulässig ist, auch für die Bundesunternehmungen zutrifft.
Eine Zusatzfrage?
Ist Ihnen bekannt, Herr Bundesminister, daß die jetzigen Kaufpreisforderungen der Industrieverwaltungsgesellschaft auch auf die Kritik des Herrn Bundesministers für Heimatvertriebene und Flüchtlinge gestoßen sind und daß darüber hinaus zahlreiche Mieter, die heute in dieser Siedlung wohnen, zur Renovierung der völlig verwahrlosten Gebäude nach dem Kriege sehr erhebliche Eigenleistungen aufgebracht haben, die nicht in den jetzigen Verkehrswertfestsetzungen enthalten sind?
Lenz, Bundesschatzminister: Herr Abgeordneter, es ist mir bekannt, daß der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsbeschädigte eine Auskunft gegeben hat, die offenbar auf einem Mißverständnis beruht. In der fraglichen Sitzung, die in diesem Schreiben angesprochen wird, ist eine solche Äußerung von einem Vertreter unseres Hauses nicht gefallen. Ich will aber dem gern noch einmal nachgehen, wenn Sie es wünschen.
Eine letzte Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, wäre es nicht im Sinne der Eigentumspolitik des Bundes, die Veräußerungskonditionen für die Siedlungshäuser so zu gestalten, daß auch minderbemittelte Mieter an den Erwerb eines solchen Grundstückes bzw. Gebäudes denken können? Und sind Sie bereit, Ihr Haus bzw. die IVG in Godesberg anzuweisen, eventuell durch Zinsbeihilfen den Erwerb der Häuser durch die Mieter zu beschleunigen?
Lenz, Bundesschatzminister: Herr Abgeordneter, ich bin persönlich Ihrer Meinung, aber ich bitte — und ich muß das dem Hohen Hause immer wieder sagen —, den Schatzminister als einen Gefangenen der Reichshaushaltsordnung anzusehen. Es ist dem Schatzminister leider nicht möglich, diese Klausel des § 47 der Reichshaushaltsordnung nicht anzuwenden. Wenn Sie ein Mitstreiter bei der Reform der Reichshaushaltsordnung sein wollen, so ist mir das sehr willkommen.
VI. Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit, eine Frage des Herrn Abgeordneten Rollmann:
Was tut die Bundesregierung, um junge Deutsche mit abgeschlossener Berufsausbildung, die bereit sind, einige Jahre in den Entwicklungsländern zu arbeiten, dorthin zu vermitteln?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage des Herrn Abgeordneten Rollmann bezieht sich auf die Vermittlung junger Deutscher mit abgeschlossener Berufsausbildung in die Entwicklungsländer. Ich darf folgendes auf die Frage antworten.Im Einvernehmen mit der Bundesregierung hat die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, der die Vermittlung von Arbeitskräften gesetzlich obliegt, ihre Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Frankfurt/Main angewiesen, Arbeitnehmer mit abgeschlossener Berufsausbildung in Entwicklungsländer zu vermitteln. Von der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung wurden in den Jahren 1959 bis 1962 1600 Fachkräfte in Entwicklungsländer vermittelt. Hiervon sind etwa 40 junge Kräfte. Eine Regelung, die diesen Personenkreis gegen besondere Risiken ihrer Tätigkeit sichern soll, wird vorbereitet.Abgesehen von dieser Vermittlungstätigkeit der Bundesanstalt hat die Bundesregierung im Rahmen ihres Entwicklungshilfeprogramms über ihren Mandatar, die Wirtschaftsförderungs- und -treuhandgesellschaft, Fachkräfte entsandt, und zwar bis zum 17. September 1962 213 jüngere Fachkräfte. Außerdem wurde von der Bundesregierung eine geringe Anzahl jüngerer Fachkräfte zu übernationalen Organisationen entsandt.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962 1651
Staatssekretär Dr. VialonJunge Fachkräfte ohne längere Berufserfahrung, Herr Abgeordneter, können nur in Ausnahmefällen in Entwicklungsländer vermittelt oder entsandt werden. Die Bundesregierung hat daher die Ausarbeitung eines Programms in Angriff genommen, das die vorläufige Bezeichnung „Entwicklungsdienst — Lernen und Helfen in Übersee" trägt. Diese Aktion sieht eine Anzahl sorgfältig vorbereiteter Maßnahmen -vor, um jungen deutschen Fachkräften zu ermöglichen, bei bescheidener Lebensweise durch das Beispiel persönlicher Tüchtigkeit einen nützlichen Dienst zu leisten und gleichzeitig mit den Verhältnissen der Entwicklungsländer vertraut zu werden. Mit dem Beginn dieser Aktion kann noch vor Ende dieses Jahres gerechnet werden.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, können die Öffentlichkeit und alle Interessierten auf diese Möglichkeiten, die Sie soeben geschildert haben, stärker als bisher hingewiesen werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich zusagen.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern.Ich rufe auf die Frage VII/1 — des Abgeordneten Sänger —:Welche Gründe haben die Bundesregierung veranlaßt, im Bundesinnenministerium den für die Bearbeitung .des Beamtenrechts zuständigen Staatssekretär, weil er die Altersgrenze überschritten hat, nun im Angestelltenverhältnis zu beschäftigen, während andere in diesem Arbeitsgebiet erfahrene und bewährte Beamte jüngeren Alters für diese Aufgabe zur Verfügung standen?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl vom 25. September 1962 lautet:Für die Weiterbeschäftigung eines Beamten nach Erreichen der Altersgrenze gibt es zwei Möglichkeiten, entweder die Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand oder die Beschäftigung im Angestelltenverhältnis. Von der Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand ist bisher nur dann Gebrauch gemacht worden, wenn die Weiterbeschäftigung des Beamten für mindestens ein Jahr vorgesehen war. In dem hier interessierenden Fall ist dagegen nur an eine vorübergehende, kurzfristige Weiterverwendung gedacht. Aus diesem Grunde wurde einer Beschäftigung im Angestelltenverhältnis der Vorzug gegeben.Die Bundesregierung hat sich auf meinen Vorschlag mit einer vorübergehenden Weiterbeschäftigung des Staatssekretärs, der u. a. auch für das öffentliche Dienstrecht zuständig ist, einverstanden erklärt, weil eine solche Weiterbeschäftigung aus Gründen der kontinuierlichen Fortführung der Arbeiten auf dem Gebiet des öffentlichen Dienstrechts, der kulturellen Angelegenheiten des Bundes und des Sozialwesens dringend erforderlich war. Im übrigen stand ein für all diese so vielschichtigen Aufgaben in gleicher Weise geeigneter Nachfolger zu dem gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt des Ausscheidens des Staatssekretärs nicht zur Verfügung.Ich rufe auf die Frage VII/2 — des Abgeordneten Sänger —:Ist die Bundesregierung angesichts der sich häufenden Zusammenstöße von Polizei und Presse bereit, dem in der Bundesrepublik geltenden, von den Berufsverbänden der Presse geschaffenen einheitlichen Presseausweis durch Aufklärung der Polizeibeamten den erforderlichen Respekt zu verschaffen, den solche Ausweise und ihre Inhaber wegen der öffentlichen Aufgabe der Presse in allen. demokratischen Ländern genießen?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl vom 4. Oktober 1962 lautet:Die Bundesregierung ist nach den Vorschriften des Grundgesetzes nicht dafür zuständig, Polizeibeamte der Länder und Gemeinden über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären; Polizeibeamte des Bundes, für deren Unterrichtung ich zuständig wäre, haben mit den in der Mündlichen Anfrage erwähnten Zusammenstößen nichts zu tun. Mir liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die einheitlichen Presseausweise von den Polizeibeamten der Länder nicht hinreichend beachtet werden.Ich habe die Herren Innenminister der Länder über die Mündliche Anfrage unterrichtet und sie gebeten, etwa erforderliche Maßnahmen zu ergreifen.Ich rufe auf die Frage VII/3 — des Abgeordneten Gscheidle —:Hält es die Bundesregierung für richtig, daß Ruhestandsbeamte mit Wohnsitz in Berlin entsprechend § 156 BBG — als außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes wohnend — nur die Ortsklasse A mit dem Hinweis erhalten, daß „die gleiche Lage, wie sie für Ostberlin bestehe, sich auch für andere Großstädte, z. B. Dresden und Leipzig, ergebe"?Der Fragesteller that sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl vom 24. September 1962 lautet;Die Frage der Zahlung des Ortszuschlages für Versorgungsempfänger des Bundes mit Wohnsitz in Berlin-Ost ist zur Zeit Gegenstand der Prüfung mit den beteiligten Stellen. Es wird eine Regelung angestrebt, die der Einheit Berlins Rechnung trägt und auch dem Versorgungsempfänger mit Wohnsitz in Berlin-Ost den Ortszuschlag nach der Ortsklasse S gewährt. Es soll auch die Möglichkeit geprüft werden, ob die Neuregelung vorbehaltlich einer späteren formellen Änderung des Bundesbeamtengesetzes vorweg im Verwaltungswege getroffen werden kann. Die nötigen Verhandlungen werden beschleunigt durchgeführt.Ich rufe auf die Frage VII/4 — des Abgeordneten Ritzel —:Ist die Bundesregierung bereit, Dienstwagen des Bundes zur Unterbindung mißbräuchlicher Verwendung besonders zu kennzeichnen, etwa durch Anbringung des Bundeswappens an den Türen auf beiden Seiten des Wagens?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort det Herrn Bundesministers Höcherl vom 24. September 1962 lautet:Die Vorschriften der Dienstkraftfahrzeuganweisung schließen eine mißbräuchliche Verwendung von Dienstkraftwagen weitgehend aus. Das hat eine Umfrage bei den obersten Bundesbehörden bestätigt. Zusätzlich zu dieser Dienstkraftfahrzeuganweisung hat die Bundesregierung Grundsätze für die Benutzung von Dienstkraftwagen außerhalb der rein dienstlichen Verwendung beschlossen. Die Beachtung der vorgenannten Bestimmungen wird bei allen Bundesbehörden durch die Fahrdienstleiter überwacht.Schon jetzt werden die Dienstkraftwagen nach § 23 der Straßenverkehrszulassungsordnung besonders gekennzeichnet; sie unterscheiden sich dadurch deutlich von den Privatfahrzeugen. Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, die Dienstkraftwagen der Bundesbehörden zusätzlich, etwa durch Anbringung des Bundeswappens an den Türen auf beiden Seiten des Wagens, zu kennzeichnen. Im übrigen dient das Bundeswappen ausschließlich hoheitlichen Zwecken und nicht einer Kennzeichnung von Bundeseigentum.Ich rufe auf die Frage VII/5 — des Abgeordneten Bauer —:Wie hoch schätzt die Bundesregierung die finanzielle Mehrbelastung, die sich aus einer erweiterten Auslegung des § 181 des Bundesbeamtengesetzes daraus ergeben würde, daß diese verbesserte Sonderregelung von 1961 zugunsten der Beamtenhinterbliebenen nicht nur auf in der Kriegsgefangenschaft verstorbene Soldaten im engeren Sinn angewandt, sondern auch auf solche Beamte ausgedehnt wird, die im Zuge der damaligen Kriegshandlungen und ihrer Dienstausübung in Feindeshand gefallen und z. B. In der Internierung verstorben sind?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl vom 21. September 1962 lautet:Die finanzielle Mehrbelastung einer erweiterten Auslegung dieser Vorschrift im Sinne Ihrer Anfrage läßt sich leider nicht schätzen. Der Personenkreis einer solchen Erweiterung, die bei
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1652 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962
Vizepräsident Dr. Schmidder Beratung der Vorschrift im Innenausschuß des Deutschen Bundestages erörtert, aber bewußt nicht übernommen wurde, ist nicht übersehbar.Ich rufe auf die Frage VII/6 — des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen —:Hält die Bundesregierung es nicht für zweckmäßig, die auf Schwerbeschädigte Beamte und Bewerber der Eigenart des öffentlichen Dienstes entsprechend anzuwendenden Vorschriften des Schwerbeschädigtengesetzes in einem Rundschreiben zusammenzufassen, nachdem die Bundesregierung offensichtlich von der Ermächtigung in § 80 Nr. 2 BBG zum Erlaß einer Rechtsverordnung keinen Gebrauch machen will?Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister des Innern.
Der in § 80 Nr. 2 des Bundesbeamtengesetzes enthaltene Auftrag ist materiell bereits erfüllt, und zwar dadurch, daß die Mehrzahl der erforderlichen Vorschriften in das Schwerbeschädigtengesetz selbst aufgenommen worden ist und die noch fehlenden Regelungen in der Bundeslaufbahnverordnung getroffen werden konnten.
Zur Durchführung dieser Vorschriften haben bereits mehrere oberste Bundesbehörden —e darunter auch das Bundesinnenministerium — Rundschreiben für ihren Geschäftsbereich herausgegeben. Ich bin der Meinung, daß derartige Rundschreiben, die auf die einzelnen Ressorts bezogen sind, zweckmäßiger sind als ein allgemeiner Runderlaß.
Zusatzfrage?
Glauben Sie nicht, Herr Minister, daß ein solches Rundschreiben, wie ich es in meiner Frage bezeichnet habe, mit einem Hinweis darauf, daß eine derartige Verordnung nicht mehr kommen wird, geeignet wäre, endlich alle diejenigen besorgten Gemüter bei den nachgeordneten Behörden zu beruhigen, die auf eine solche Verordnung warten?
Wir alle wollen der Verwaltungsvereinfachung dienen. Wir sollten daher möglichst wenig schreiben und möglichst wenig Verordnungen erlassen. Nachdem der Auftrag materiell erfüllt ist, sehe ich nicht ein, warum wir uns zusätzliche Arbeit machen sollen. Aber wenn es absolut gewünscht wird, daß zur Beruhigung einiger unruhiger Seelen ein solches Rundschreiben ergeht, kann das geschehen.
Ich bin überzeugt, daß Sie .der Vereinfachung dienen, wenn Sie die Gemüter beruhigen.
Ich hoffe auch Ihr Gemüt beruhigen zu können, indem ich Ihnen zusage, daß wir das tun werden.
Das scheint mir eine alte Übung zu sein, Herr Bundesinnenminister.
Ich rufe auf die Frage VII/7 — des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen —:
Wann wird die Bundesregierung folgende im Bundesbeamtengesetz geforderte Verordnungen erlassen; Verordnung über die Nebentätigkeit der Beamten ,
c) Verordnung über die der Eigenart des öffentlichen Dienstes entsprechende Anwendung der Vorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes auf Beamte unter achtzehn Jahren ?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern!
Die Vorschriften des Bundesbeamtengesetzes über die Nebentätigkeit entsprechen zum größten Teil denen des Deutschen Beamtengesetzes. Aus diesem Grunde waren die zum Deutschen Beamtengesetz erlassenen Verordnungen über die Nebentätigkeit der Beamten, beamteten Ärzte usw. weiterhin anwendbar. Das Bundesministerium des Innern hat jedoch inzwischen, insbesondere auch wegen der veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse, den Entwurf einer neuen Verordnung ausgearbeitet. Er muß noch mit den obersten Bundesbehörden, den Ländern und den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften erörtert werden.
Zur Frage b) : Die 'Zahl der jugendlichen Beamten ist sehr gering. Jugendliche Beamte gibt es fast nur bei der Bundesbahn und der Bundespost. Dort sind bald nach Inkrafttreten des Jugendarbeitsschutzgesetzes — nachdem das Gesetz selbst von entsprechenden Bestimmungen Albstand genommen hat —durch Erlaß die notwendigen Anordnungen getroffen worden. Eine ausdrückliche Änderung der beamtenrechtlichen Bestimmungen sollte jeweils nur zusammen mit anderen Änderungen vorgenommen werden. Hierfür ist das gleiche Rationalitätsprinzip maßgebend, wie ich es bei der Beantwortung der vorigen Frage erwähnt habe. Dies ist z. B. bezüglich des Urlaubs für jugendliche Beamte geschehen; er wurde geregelt in der Verordnung zur Änderung der Verordnung über den Erholungsurlaub der Bundesbeamten, die in diesen Tagen verkündet wird. Die noch fehlenden Regelungen sind in einem Verordnungsentwurf zusammengefaßt, der den obersten Bundesbehörden zur Stellungnahme zugeleitet worden ist.
Ich rufe auf die Frage VII/8 — des Abgeordneten Dröscher —:
Trifft es zu, daß die Bundesmittel für den sogenannten „Goldenen Plan" noch nicht einmal dazu reichen, in jedem Landkreis pro Jahr ein Sportstättenprojekt zu fördern?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern!
Ich könnte die Frage ganz einfach mit Nein beantworten. Wir haben insgesamt 425 Landkreise. Wenn man den Betrag, den das Hohe Haus als Beitrag des Bundes zum Goldenen Plan beschlossen hat, auf diese 425 Landkreise umlegt, entfallen auf jeden Landkreis 56 500 DM. Nach den bestehenden Vergaberichtlinien soll mit den Bundesmitteln im Regelfall nur die ungedeckte Finanzierungslücke im Sportstättenbau von 20 % geschlossen werden. Diese Bundesmittel sollen also eine Spitzen- oder Anreizfinanzierung darstellen. Geht man davon aus, daß jene 56 500 DM nur 20 % der Baukosten ausmachen sollen, so kommt man zu dem Ergebnis, daß mit
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962 1653
Bundesinnenminister Höcherldiesem Zuschuß Sportstättenprojekte mit einem Baukostenaufwand in Gesamthöhe von 282 500 DM je Landkreis und Jahr gefördert werden können. Das sind etwa die Kosten einer mittleren Turnhalle. Danach würden die vom Bund zur Verfügung gestellten Beträge also ausreichen.Die Praxis ist aber anders. Die Beträge werden schlüsselmäßig auf die Länder verteilt. Von dort aus kommen Listen über verschiedene Projekte, wobei schwächere Gemeinden bevorzugt werden.Grundsätzlich aber würden die Bundesmittel in ihrer Funktion als Anreizfinanzierung ausreichen, um in jedem Landkreis eine Turnhalle mittlerer Größe zu bauen.Im übrigen bin ich der Meinung, daß nicht das Gebäude, sondern der Sportgeist der Beteiligten entscheidend ist.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, hat sich das Ministerium Gedanken darüber gemacht, wie man die Schwierigkeiten ausräumen kann, die daher kommen, daß die Finanzierung von Sportstätten einigermaßen langfristig erfolgen muß? Es kommt vor, daß ein Verein, der einen Antrag einreicht, nicht an die Reihe kommt und im nächsten Jahr nicht mehr bezuschußt werden kann, weil er den Bau mit eigenen Geldern angefangen hat.
Diese Schwierigkeiten können durchaus überwunden werden. Wenn sich das Projekt, das begonnen ist, auf mehrere Jahre verteilt und dies schon bei der ersten Bewilligung in Aussicht genommen ist — das wird regelmäßig im Einvernehmen zwischen Bund und Ländern so gehandelt —, werden die weiteren notwendigen Raten gegeben. Wenn sich z. B. in Ihrem Bereich besondere Schwierigkeiten ergeben sollten, bin ich gern bereit, meine Hilfe zur Verfügung zu stellen.
Wenn ich Ihre Ausführungen richtig verstanden habe, Herr Minister, wären Sie also bereit, zuzugestehen, daß Bezirksregierungen oder Landesregierungen auch Zusagen auf mehrere Jahre geben können.
Ich würde das zugestehen, soweit nicht die Haushaltsordnung, deren gemeinsamer Diener wir sind, entgegensteht.
Ich rufe die Frage VII/9 — des Abgeordneten Felder — auf:
Haben die Verhandlungen des Bundesinnenministeriums mit den Ländern dazu geführt, daß außer den seitherigen Trägern der Stiftung Preußischer Kulturbesitz weitere Bundesländer sich beteiligen?
Leider haben sich zu den bisherigen Beteiligten an dieser großartigen Einrichtung der Verwaltung des Preußischen Kulturbesitzes keine weiteren Länder gefunden, obwohl wir dauernd die Tür offenhalten und die bekannte Politik der „offenen Tür" betreiben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage.
Die Äußerung, die der Herr Kurator der Stiftung kürzlich in der Presse gemacht hatte, beruht also auf einem Irrtum?
Ich kenne die Äußerung nicht. Wenn er gesagt haben sollte, es sei eine gewisse Bereitschaft zu erkennen, so kann es sich um einen stark subjektiven Eindruck handeln. Ich hoffe, daß sich dieser subjektive Eindruck bald objektivieren wird.
Ich bitte um eine zweite Zusatzfrage.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Minister, besteht bei Ihren starken Einflußmöglichkeiten auf das Land Bayern hier keine Hoffnung, daß sich Bayern anschließen wird?
Überschätzen Sie nicht meine Einflußmöglichkeiten in Bayern! Sie wissen, daß gerade der Bundesinnenminister in ganz besonderem Maße zur Achtung der Länderrechte verpflichtet ist, und nicht ganz legale Einflußmöglichkeiten würden wir im gegenseitigen Einvernehmen nicht als verfassungsgemäß anerkennen.
Herr Abgeordneter Ritzel zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, würden Sie der Beteiligung Bayerns eine bessere Chance geben, wenn man den Titel „Preußischer Kulturbesitz" änderte?
Nein, nein, Herr Ritzel. Das ist eine sehr nette Frage. Aber Sie kennen die heimliche Liebe zwischen den Bayern und den Preußen.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat gebeten, die an ihn gerichteten Fragen am Donnerstag beantworten zu dürfen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft.
Ich rufe die Frage IX/1 — Abgeordneter Wendelborn — auf:
Hält es die Bundesregierung im Interesse der Verantwortung für die Ordnung innerhalb der Verkehrswirtschaft für notwendig, bald ein Mineralölfernleitungs-Gesetz vorzulegen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat bisher aus wirtschaftspolitischen Überlegungen keinen Grund gesehen, ein spezielles Gesetz für Mineralölfernleitungen einzubringen. In der Diskussion der
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1654 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962
Staatssekretär Dr. Westrickvergangenen Jahre ist vielerorts der Eindruck entstanden, Rohrleitungsunternehmen stünden gewissermaßen außerhalb der wirtschaftsrechtlichen Ordnung der Bundesrepublik. Tatsächlich unterliegen jedoch Unternehmen für den Bau und Betrieb von Ölleitungen den gleichen rechtlichen Vorschriften wie andere Unternehmen.Der Bundesminister für Verkehr hält jedoch — ebenso wie der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesverkehrsministerium — eine gesetzliche Regelung zur Einordnung der Mineralölleitungen in die Verkehrswirtschaft für erforderlich. Allerdings ist die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Gesetzes zum Zwecke einer Einordnung der Mineralölfernleitungen in die Verkehrswirtschaft nach dem Grundgesetz zweifelhaft. Anders könnte der Fall möglicherweise für ein wirtschaftspolitisches Gesetz beurteilt werden.Auf Beschluß der Verkehrsministerkonferenz der Länder hatte sich ein besonderer Arbeitskreis mit dem Rohrleitungsverkehr beschäftigt und am 6. September 1960 einen Bericht vorgelegt. Im Anschluß daran befaßte sich ein Arbeitskreis der Länderwirtschaftsministerkonferenz mit den Rohrleitungsfragen. Dieser wird in Kürze seinen Bericht der Konferenz vorlegen. Es bleibt abzuwarten, welche Anregungen von den Ländern an die Bundesregierung gegeben werden. Solche Anregungen werden dann selbstverständlich mit aller ihnen zukommenden Aufmerksamkeit und Objektivität geprüft und behandelt werden.
Ich rufe auf die Frage IX/2 — des Abgeordneten Jahn —:
Wann beabsichtigt die Bundesregierung die Ergebnisse der Forschungsaufträge über Möglichkeiten der Arbeitszeitverkürzung zu veröffentlichen, die nach Pressemitteilungen von vier Forschungsinstituten erarbeitet worden sind?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Erhard vom 13. September 1962 lautet:
Die Ergebnisse der Forschungsaufträge sind bereits zum größten Teil publiziert und als Schriftenreihe „Arbeitszeit und Produktivität" im Verlage Duncker und Humblot, Berlin, erschienen. Bisher sind folgende Bände dieser Reihe veröffentlicht:
1. Branchen- und betriebswirtschaftliche Untersuchungen des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, München, Teil I/1958, Teil 1I/1960
2. Ganztägiger Arbeitsablauf
Untersuchungen an 200 Arbeitsplätzen, vom Max-Planck-
Institut, Dortmund, durchgeführt
3. Betriebssoziologische Untersuchungen der Sozialforschungsstelle Dortmund
Das Gesamtprojekt „Arbeitszeit und Produktivität" wurde im Jahre 1956 vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben. Der Auftraggeber hat die genannten Teiluntersuchungen jeweils nach Vorlage zur Veröffentlichung freigegeben.
Gegen die letzte Arbeit in der Untersuchungsreihe, die im Herbst v. J. vorgelegt wurde, bestehen beim Auftraggeber Bedenken, weshalb sich die Veröffentlichung verzögert hat. Es handelt sich um eine Untersuchung über die volkswirtschaftlichen Aspekte und Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung, die von dem Berliner Institut für Wirtschaftsforschung durchgeführt wurde. Diese Arbeit beurteilt nach Auffassung des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zu einseitig die Arbeitszeitverkürzung unter Wachstumsgesichtspunkten. Andere wirtschaftspolitische Gesichtspunkte, vor allem der Zusammenhang zwischen Lohnerhöhungen, Arbeitszeitverkürzungen und der Preisentwicklung und die Rückwirkungen der Arbeitszeitverkürzung auf die Arbeitsmarktlage dürften nicht genügend Beachtung gefunden haben. Weiter beschränkt sich die Arbeit zu sehr auf den industriellen Sektor und würdigt nicht ausreichend die Probleme in den übrigen
Bereichen. Schließlich befaßt sich die Arbeit nicht nur mit den bisherigen Erfahrungen, sondern schließt hieraus auf den zukünftigen Spielraum für Arbeitszeitverkürzungen. Die Schlußfolgerungen für die zukünftige Entwicklung sind nicht überzeugend.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat dem Berliner Institut seine Bedenken mitgeteilt, dennoch sich aber bereit erklärt, die Untersuchung zur Veröffentlichung freizugeben, wenn die oben dargelegten Bedenken gleichzeitig mit veröffentlicht werden. Das Berliner Institut für Wirtschaftsforschung hat dieser Form der Veröffentlichung, die die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung nicht berührt, zugestimmt, so daß in Kürze mit der Freigabe der Untersuchung gerechnet werden kann.
Ich rufe auf die Frage IX/3 des Abgeordneten Dr. Atzenroth:
Ich frage den Herrn Bundeswirtschaftsminister, ob er die Erhöhung der Fahrpreise für die öffentlichen Verkehrsmittel bis zu 100 v. H. für weniger bedenklich hält als die Erhöhung der Automobilpreise.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesminister für Wirtschaft hält eine Erhöhung von Fahrpreisen der öffentlichen Verkehrsmittel — in Einzelfällen sogar bis zu 100 % — unter preispolitischen Gesichtspunkten keineswegs für unbedenklich, ja, ich möchte sagen, für bedauerlicher als eine Erhöhung von Automobilpreisen. Sosehr es naheliegen mag, Herr Abgeordneter, diese beiden Fragen in ihren relativen Auswirkungen auf die Lebenshaltungskosten der Bevölkerung miteinander in Zusammenhang zu bringen, so sind diese beiden Komplexe doch nicht miteinander zu vergleichen. Ich will gewiß nicht behaupten, daß a 11e Anhebungen von Fahrpreisen aus der Entwicklung der Kosten unausweichlich geboten sind. Andererseits kennen Sie, meine Damen und Herren, zum Beispiel die defizitäre Lage der Bundesbahn, und es ist einfach nicht möglich, daß trotz vielfacher Kostensteigerungen die Entgelte für die Dienstleistungen der Bundesbahn unverändert bleiben. Angesichts der sehr unterschiedlichen Lohnintensität scheint mir aber ein Vergleich zwischen den Automobilpreisen und den Fahrpreisen nicht angezeigt.Der Bundeswirtschaftsminister bedauert also unausweichliche Tariferhöhungen, ganz besonders in Bereichen, in denen die eigene Zuständigkeit berührt ist; er wird auch in der Richtung wirken, solche Fahrpreiserhöhungen im Rahmen des Unvermeidlichen zu halten. Aber die Zuständigkeit ist sehr begrenzt und bei regionalen Maßnahmen im allgemeinen nicht gegeben. Die Zuständigkeit für die Genehmigung derartiger Anträge liegt vielmehr fast ausschließlich bei den nach Landesrecht zuständigen Behörden, in den meisten Ländern bei den Regierungspräsidenten bzw. Bezirksregierungen. Nach § 39 Abs. 2 des Personenbeförderungsgesetzes vom 21. März 1961 sollen die Genehmigungsbehörden Erhöhungsanträge auch unter dem Gesichtspunkt prüfen, ob sie mit dem öffentlichen Verkehrsinteresse und dem Gemeinwohl in Einklang stehen. Mangels eigener Kompetenz kann sich der Bundesminister für Wirtschaft leider nicht selbst wirksam einschalten, sondern muß sich in solchen Fällen darauf verlassen, daß die Genehmigungsbehörden bei ihrer Entscheidung die Vereinbarkeit der Anträge mit dem Gemeinwohl besonders kritisch prüfen. Trotzdem hat der Bundesminister für Wirtschaft in besonders kritischen Fällen die zuständigen Landesminister dringend gebeten, über Anträge mit auffallenden Preiserhöhungen nur nach persönlicher
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962 1655
Staatssekretär Dr. Westrickgenauer Überprüfung hinsichtlich Ausmaß und Zeitpunkt zu entscheiden.
Zusatzfrage?
Darf ich zwei Zusatzfragen stellen. Zunächst, Herr Staatssekretär: ist die Zuständigkeit des Herrn Bundeswirtschaftsministers bei der Preisbildung für Automobile größer als die Zuständigkeit bei der Bildung von Fahrpreisen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Preisbildung für Automobile ist völlig frei, Herr Abgeordneter.
Die zweite Frage ist die: Warum hat der Herr Bundeswirtschaftsminister seine warnende Stimme — mehr konnte er ja nicht tun — nicht auch in dem Augenblick erhoben, als z. B. die Bonner Straßenbahnfahrpreise um nicht weniger als 100 % erhöht wurden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Abgeordneter, für diese Frage, weil sie mir die willkommene Gelegenheit gibt, hier in der Öffentlichkeit zu sagen, daß der Bundesminister für Wirtschaft seine warnende Stimme mit großem Nachdruck erhoben hat, worauf auch eine wesentliche Verschiebung der Inkraftsetzung der schon vor langer Zeit beabsichtigten Preiserhöhung eingetreten ist.
Herr Abgeordneter Ritzel zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, hat der Herr Bundeswirtschaftsminister seine warnende Stimme auch im Kabinett zur Geltung gebracht, als dieses versäumte, gegen die Erhöhung der Preise bei der Bundesbahn für die Personenbeförderung Einspruch zu erheben, als es den Termin dazu in der vorigen Woche verstreichen ließ?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Frage der Bundesbahntarife mußte, glaube ich, in dieser Weise geregelt werden, da die defizitäre Lage bei der Bundesbahn ganz unausweichlich zu einer Preiserhöhung führt.
Letzte Zusatzfrage!
Sehen Sie bei dieser Art und dieser Höhe der Preissteigerungen bei der Bundesbahn 'auch die Voraussetzungen in bezug auf die Wahrung des Gemeinwohls, von denen Sie selbst sprachen, als erfüllt an?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich bin nicht der Meinung, daß es die Aufgabe der Bundesbahn ist, gewaltige soziale Lasten im eigenen Bereich zu verkraften. Gerade durch diese großen Lasten ist natürlich die Ertragslage der Bundesbahn ganz erheblich beeinträchtigt.
Ich rufe die Frage IX/4 — des Abgeordneten Schmidt — auf:
Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die rechtzeitige Versorgung der Bevölkerung mit Winterbrand zu sichern, nachdem seit einiger Zeit der Kohleneinzelhandel Hausbrandkohle teilweise erst nach einer Wartefrist von acht Wochen liefern kann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
An die Hausbrand- und Kleinverbraucher von Kohle im Bundesgebiet sind von den Verbrauchsgesellschaften des deutschen Kohlebergbaus im bisherigen Verlauf dieses Kohlenwirtschaftsjahres gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres erhebliche Mehrmengen an festen Brennstoffen für Hausbrand geliefert worden. Sie belaufen sich für die Zeit von ,April bis einschließlich August 1962 auf insgesamt rund 1,8 Millionen t. Dies entspricht einer Steigerung um rund 16 % gegenüber dem Vorjahr.Trotz dieser Mehrlieferungen konnten nicht alle Aufträge des Handels termingerecht erledigt werden, so daß Lieferrückstände entstanden sind, deren Höhe bei den einzelnen Revieren natürlich unterschiedlich ist. Ursache hierfür war in erster Linie der witterungsbedingte Mehrbedarf in der vergangenen, unverhältnismäßig langen Heizperiode. Darüber hinaus dürften aber auch im Zusammenhange mit der im Juni drohenden Streikgefahr im Ruhrbergbau vorsorglich erteilte, überhöhte Aufträge nicht unwesentlich zu diesen Lieferrückständen mit beigetragen haben.Auf Grund dieser Situation ist die bergbauliche Förderung seit längerem ernsthaft darum bemüht, den Lieferengpaß zu beseitigen. Das tut der Kohlenbergbau selbstverständlich schon deswegen, um Abwanderungen von Kunden durch Umstellung auf andere Energiearten zu vermeiden. Die Fördermöglichkeiten des deutschen Kohlenbergbaus an Hausbrandkohle werden völlig ausgenutzt; die Förderung läuft auf vollen Touren. Manche Hausbrandzechen verfahren zur Zeit sogar Sonderschichten.Die Steinkohlenbrikettherstellung wird gesteigert und ,demgemäß die Auslieferung vermehrt. In den fünf Monaten April bis August dieses Jahres betrug die Auslieferung allein an Steinkohlenbriketts 2 190 000 t gegenüber 1 880 000 t im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Dem deutschen Markt sollen im Laufe des gegenwärtigen Kohlenwirtschaftsjahres ca. 20 % mehr Steinkohlenbriketts zur Verfügung gestellt werden als im Vorjahr.Die Braunkohlenbrikettproduktion im Bundesgebiet läuft ebenfalls auf vollen Touren. Auch hier konnten die Auslieferungen wesentlich gesteigert werden. In den vorhin erwähnten fünf Monaten April bis August 1961 wurden 4 136 000 t geliefert, in den gleichen Monaten des laufenden Jahres nahezu 4 500 000 t.
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1656 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962
Staatssekretär Dr. WestrickDie Zulieferungen an Braunkohlenbriketts aus der sowjetischen Besatzungszone entsprechen dem Liefersoll. In den ersten fünf Monaten des Vorjahres betrugen sie 1 178 000 t, im gleichen Zeitraum dieses Jahres 1 316 000 t.Bei Steinkohlenkoks bestehen jetzt keine Lieferschwierigkeiten mehr. Seit August mußten sogar Wieder Mengen auf Halde genommen werden.Nachfrage und Angebot können bei Braunkohlenbriketts und bei Steinkohle 'daher im allgemeinen als ausgeglichen bezeichnet werden. Dagegen konnte der Lieferengpaß bei Steinkohlenbriketts bisher noch nicht beseitigt werden; am 1. Oktober war für das Ruhrgebiet ein Lieferrückstand von 390 000 t zu verzeichnen. Die Verkaufsgesellschaften des Kohlebergbaues haben auf ausdrücklichen Wunsch des Bundeswirtschaftsministers zugesagt, die Erledigung der Aufträge für revierferne Gebiete vorrangig zu behandeln. Wenn nicht außergewöhnliche Umstände eintreten, kann angesichts der geschilderten Maßnahmen wohl damit gerechnet werden, daß die zur Zeit noch bestehenden Lieferschwierigkeiten bei einzelnen Brennstoffarten in absehbarer Zeit, d. h. bis etwa gegen Ende dieses Jahres, behoben sind und damit eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung rechtzeitig erfolgt. Dabei gehen wir allerdings von der Annahme aus, daß wir keinen sibirischen Winter zu erwarten halben.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, Ende des Jahres befinden wir uns leider schon mitten im Winter, und es ist eine Tatsache, daß bis jetzt ein großer Teil der Bevölkerung noch nicht mit Hausbrandkohle versort ist. Besteht nicht die Gefahr, daß maßgebende Kreise der Kohlenverkaufsgesellschaften und auch des Kohlengroßhandels bei der Hausbrandkohlen-Produktion wie auch beim Vertrieb der Hausbrandkohle ihre Monopolstellung zum Nachteil der Verbraucher ausnützen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß es weder im Interesse des Handels noch im Interesse des Bergbaues ist, Hausbrand zu horten und nicht an den Verbraucher zu bringen; denn mit Fortbestehen des Mangels an Hausbrandkohle wird die Gefahr des Übergangs auf das Öl immer stärker. Insoweit haben beide ein gewisses Interesse daran, die Verbraucher zu versorgen. Wie ich eben erwähnte, ist die Versorgung bei allen Kohlensorten, mit Ausnahme der Steinkohlenbriketts, zufriedenstellend.
Herr Präsident, darf ich eine Frage stellen? — Es handelt sich um eine Frage des Abgeordneten Gewandt aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen, hinsichtlich derer vereinbart war, daß der Bundeswirtschaftsminister die Antwort erteilen sollte. Ich sehe Herrn Abgeordneten Gewandt dort sitzen. Darf ich die Frage beantworten?
Bitte sehr! Ich rufe also auf die Frage VIII/2 — des Abgeordneten Gewandt —:
Warum hat die Bundesregierung einer Aufstockung der italienischen Schiffbausubventionen in den Gremien der EWG zugestimmt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Über die Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt entscheidet — vorbehaltlich der Nachprüfung der Entscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften— die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Bei bedeutsameren Beihilfevorhaben eines Mitgliedstaates, wie z. B. auch bei der Aufstockung und Verlängerung der italienischen Schiffbaubeihilfen, unterrichtet sich die Kommission vor ihrer Entscheidung über die Ansichten der übrigen Mitgliedstaaten zu diesem Vorhaben; sie ist aber an deren Stellungnahme nicht gebunden. Italien hat seine Schiffbaubeihilfen im Rahmen eines Gesetzes erhöht, das Teil eines Sanierungsprogramms des italienischen Schiffbaus ist und Ende 1964 ausläuft. Bis zu diesem Zeitpunkt soll auch das Sanierungsprogramm durchgeführt werden.
Die Bundesregierung hat im Rahmen der Erörterungen mit der Kommission gegen dieses Gesetz Bedenken erhoben, insbesondere auch gegen die damit verbundene Aufstockung der italienischen Schiffbaubeihilfen. Die übrigen Mitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft haben zwar teilweise auch Bedenken erhoben, haben sich aber letztlich doch dazu entschlossen, sich dem italienischen Vorhaben nicht zu widersetzen. Infolgedessen hätte sich ein deutscher Widerspruch praktisch nicht auswirken können, zumal die Kommission nicht auf die Zustimmung der Mitgliedstaaten angewiesen ist. Deshalb wäre auch bei Aufrechterhaltung der deutschen Bedenken keine Chance gewesen, von der Kommission eine Ablehnung des italienischen Antrages zu erwarten.
Die Zustimmung der Kommission zu den italienischen Subventionen läuft Ende 1964 aus, und es bedürfte, wenn die Subventionen fortgesetzt werden sollen, einer vorherigen Entscheidung der Kommission. Bei der jetzigen Entscheidung ist bereits vorgesehen, daß die vorübergehende Beibehaltung der Subventionen nur dazu dienen soll, die Produktion bis Ende 1964 so zu gestalten, daß die Werftindustrie ohne Subventionen lebensfähig ist. Die Kommission hat dem italienischen Antrag durch Entscheidung vom 8. März 1961 unter gewissen Auflagen zugestimmt.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, im Gegensatz zu Pressemeldungen hat also die Bundesregierung ihre Bedenken vorgetragen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat die Bedenken vorgetragen, hat sie aber dann schließlich unter dem Eindruck der Haltung der übrigen Mitgliedstaaten unter gewissen Bedingungen zurückgestellt.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962 1657
Meine Damen und Herren, von Rechts wegen ist die Fragestunde abgelaufen. Ich denke aber, wir können vielleicht noch die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung behandeln. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall.
Dann rufe .ich auf die Frage X/1 — der Abgeordneten Frau Dr. Flitz —:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, daß eine 77jährige Person, die seit einiger Zeit Rente wegen Berufsunfähigkeit erhält, noch durch Vorlage besonderer ärztlicher Zeugnisse nachweisen muß, daß sie nicht nur berufsunfähig, sondern auch erwerbsunfähig ist?
Frau Kollegin, Ihre Frage kann sich nur auf einen Fall beziehen, in dem eine Versicherte die Wartezeit für das Altersruhegeld, die 180 Beitragsmonate, nicht erfüllt hat. Ein solcher Versicherter kann jedoch Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit haben, wo bekanntlich das anrechnungsfähige Versicherungsjahr nur mit 1 v. H. der für den Versicherten maßgebenden Berechnungsgrundlage zu Buche schlägt, oder er kann Anspruch haben auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit dem Steigerungssatz 1,5 v. H. Ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die eine oder die andere Rentenart erfüllt sind, muß unter Mitwirkung eines Arztes festgestellt werden. Für die Unterstellung, daß ab einem bestimmten Lebensalter Erwerbsunfähigkeit anzunehmen sei, bietet das Gesetz leider keine Handhabe.
— Es gibt in allen Bereichen des Lebens erstaunliche Leistungsfähigkeit noch im höchsten Alter; das ist auch aus der Geschichte bekannt.
Zusatzfrage!
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß man bei der Gewährung der Rente für eine 77jährige Dame, die aus Schlesien geflüchtet ist und in bedrängtesten Verhältnissen lebt und seit 1957 um ihre Rente gekämpft hat, etwas weniger bürokratisch hätte verfahren können?
Verzeihen Sie, die Rentenversicherungsträger entscheiden nicht mehr oder weniger bürokratisch, sondern streng nach dem Wortlaut des Gesetzes. Wenn diese Dame im übrigen ein bejammernswertes Schicksal hat, so gibt es dafür nach der Gesetzgebung des Bundestages hinreichende Einrichtungen, um ihr zu helfen, damit sie mit dieser schwierigen , Lebenslage fertig werden kann. Die Rentenversicherungsträger können aber nicht anders entscheiden, als es nach dem Willen des Gesetzgebers festgelegt worden ist.
Letzte Zusatzfrage!
Herr Minister, welche Anhaltspunkte gibt es dafür, daß
77jährige — ich denke nicht an die Politik — in der Regel erwerbsfähig sind?
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür. Es gibt immer nur .den konkreten Einzelfall, und hier wird in jedem Falle der Arzt mit seinem Gutachten zu entscheiden haben.
Ich rufe auf die Frage X/2 — des Abgeordneten Regling —:Ist die Auslegung der Außenstelle der Kindergeldkasse Lübeck richtig, die die Berechtigung zum Bezuge von Kindergeld für das 2. Kind für das Jahr 1962 ausschließt, weil durch die Mitarbeit der Ehefrau in der Zeit vom 1. Januar 1961 bis 31. März 1961 bei der Zusammenveranlagung das Jahreseinkommen des Berechtigten zwar um ein Geringfügiges die 7200-DM-Grenze übersteigt, obwohl während neun Monaten des Jahres 1961 das monatliche Einkommen unter 600 DM blieb?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn ,Staatssekretärs Dr. Claussen vom 23. Juli 1962 lautet:Eine Auslegung des Zweitkindergeldrechts, nach der ein Jahresarbeitsverdienst der mitarbeitenden Ehefrau von 161,16 DM dazu führt, daß der Berechtigte die für das Zweitkindergeld maßgebende Einkommensgrenze von 7200 DM überschreitet, ist falsch. In dem von Ihnen erwähnten Falle ist die Außenstelle Lübeck der Kindergeldkasse auch von keiner derartigen Auslegung ausgegangen.Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Kindergeldkassengesetzes bleibt bei der Berechnung des für den Anspruch auf Zweitkindergeld maßgebenden Jahreseinkommens der Arbeitsverdienst der mitverdienenden Ehefrau bis zu dem Betrage von 1200 DM unberücksichtigt. Ein Jahresarbeitsverdienst der Ehefrau von nur 161,16 DM kann also nicht dazu führen, daß das Jahreseinkommen des Berechtigten die Einkommensgrenze überschreitet.In dem Fall, den Sie offenbar im Auge haben, betrug der Jahresarbeitslohn des Berechtigten 7607 DM. Auf der Lohnsteuerkarte des Berechtigten war ein Freibetrag von 3582 DM eingetragen, dem ein auf der Lohnsteuerkarte der Ehefrau eingetragener Hinzurechnungsbetrag von 3420 DM gegenüberstand . Die Ehefrau hatte einen Jahresarbeitsverdienst von 161,16 DM. Daraus ergibt sich nach § 2 Abs. 1 des Kindergeldkassengesetzes folgende Berechnung:7607 DM — 3582 DM (Jahresfreibetrag des Berechtigten) — 100 DM (Weihnachtsfreibetrag des Berechtigten) + 3420 DM (Hinzurechnungsbetrag der Ehefrau des Berechtigten) = 7345 DM.Das Jahreseinkommen des Berechtigten beträgt danach 7345 DM. Meines Wissens hat die Außenstelle der Kindergeldkasse bei dem Berechtigten auch für die Ehefrau einen Weihnachtsfreibetrag von 100 DM abgesetzt und kommt so zu einem Jahreseinkommen von nur 7245 DM. De der Arbeitsverdienst der Ehefrau im vorliogendan Falle völlig unberücksichtigt geblieben ist, hätte der Weihnachtsfreibetrag jedoch nur einmal abgezogen werden dürfen.Die Außenstelle hat den Antragsteller im Widerspruchsverfahren darauf hingewiesen, daß für ihn evtl. weitere Steuer. freibeträge in Frage kommen, deren Berücksichtigung für ihn vielleicht doch noch zu einem Anspruch auf Zweitkindergeld führen könnte. Es liegt beim Antragsteller, ob er solche Freibeträge nachweisen kann.Ich rufe auf die Frage X/3 — des Abgeordneten Dr. Schmid —:Wann ist mit der Herausgabe der angekündigten Richtlinien gemäß § 89 Abs. 2 BVG über die Gewährung von Härteausgleich bel Krebsfällen zu rechnen?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Claussen vom 20. Juli 1962 lautet:Prof. Dr. K. H. Bauer, Heidelberg, wurde am 18. August 1961 um ein grundsätzliches Gutachten zu der Frage gebeten, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen nach wissenschaftlicher Auffassung Krebserkrankungen in einer Härteausgleichsversorgung nach § 89 Abs. 2 BVG einbezogen werden könnten. Prof. Dr. Bauer erklärte sich bereit, dieses Gutachten zu erstellen, und glaubte damals, bis Ende 1961 das Gutachten abliefern zu können. Später teilte Prof. Dr. Bauer jedoch mit, daß er durch die Einrichtung des neuen Krebsinstituts sehr Stark belastet sei und daß die Fertigstellung des Gutachtens sich verzögere. Mehrmals darauf angesprochen sagte er am 4. Juni 1962 zu, das Gutachten bis Ende Juli 1962 abzuschließen.
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1658 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. Oktober 1962
Vizepräsident Dr. SchmidDie Verzögerung ist bedauerlich. Bei dem schwierigen Problem kann jedoch auf eine grundsätzliche Stellungnahme von maßgeblicher wissenschaftlicher Seite nicht verzichtet werden. Ich werde bemüht sein, die Fertigstellung des Gutachtens zu beschleunigen, damit möglichst bald Anhaltspunkte für die Beurteilung dieser Fälle ergehen können.Ich rufe auf die Frage X/4 — des Abgeordneten Folger —:Ist es richtig, daß zwischen Spanien und Deutschland ein Versorgungsvertrag abgeschlossen wurde, wonach spanische Verletzte und Hinterbliebene von Teilnehmern am Rußlandfeldzug die Grundrenten erhalten?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Blank vom 24. August 1962 lautet:Es ist richtig, daß die Bundesrepublik Deutschland mit dem Spanischen Staat einen Vertrag geschlossen hat, wonach die Angehörigen der ehemaligen 250. Infanteriedivision und ihre Hinterbliebenen eine Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz erhalten, aber nur Grundrenten und Teilelternrenten.Die Gewährung anderer laufender Leistungen ist nicht vorgesehen. Wegen dieser Beschränkung der gesetzlichen Leistungen bedürfte es eines Vertrages, der dem deutschen Bundestag zur Zustimmung zugeleitet wird. Dabei wird Gelegenheit sein, die Gründe für den Vertragsabschluß darzulegen.Ich rufe auf die Frage X/5 — des Abgeordneten Bauer —:In welcher Höhe und für welche Zeitdauer veranschlagt die Bundesregierung die Zahlungen, die sie in einem Versorgungsvertrag mit der spanischen Regierung zugunsten von Verletzten und Hinterbliebenen aus dem Teilnehmerkreis am Rußlandfeldzug im Rahmen der sog. Blauen Division unlängst abgeschlossen hat?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Blank vom 5. September 1962 lautet:Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Kriegsopferversorgung sieht keine Zahlung an den Spanischen Staat, sondern eine Gewährung von Grundrenten und Teilelternrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz an jeden einzelnen Berechtigten vor. Wegen dieser Beschränkung der gesetzlichen Leistungen bedurfte es eines Vertrages, der dem Deutschen Bundestag zur Zustimmung zugeleitet werden wird. Dabei wird auch die Hohe der Leistungen insgesamt angegeben werden.Die Frage X/7 — des Abgeordneten Riedel — ist zurückgezogen.Ich rufe auf die Frage X/6 — der Frau Abgeordneten Diemer-Nicolaus —:Ist es richtig, daß bei der Beschäftigung von Rentnern, die bereits ein Ruhegeld beziehen, die Arbeitgeber auch weiterhin Rentenversicherungsbeiträge zahlen müssen, obwohl auf Grund dieser Versicherungsbeiträge niemals mehr eine Leistung des Versicherungsträgers an diesen Rentner erfolgt?
Ja, Frau Kollegin, so steht es im Gesetz. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung von der Kostenseite her den jüngeren Arbeitnehmer gegen eine etwaige Bevorzugung des altersruhegeldberechtigten Arbeitnehmers bei der Einstellung schützen — § 1386 RVO —.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, halten Sie es dann nicht für angebracht, das Gesetz
zu ändern, da die gesetzliche Bestimmung doch in gar keiner Weise mehr auf die heutige Arbeitsmarktlage zutrifft?
Das wäre eine Frage, Frau Kollegin, die man sehr sorgfältig untersuchen müßte. Denn diese Lage kann auch mal wieder anders sein. Die Frage, ob man jeweils das Gesetz ändern soll, wenn die Lage einmal so und dann wieder anders ist, scheint mir jedenfalls einer besonderen Prüfung bedürftig zu sein.
Letzte Zusatzfrage und letzte Frage heute!
Herr Minister, halten Sie — abgesehen von der Arbeitsmarktlage — die gesetzliche Regelung nicht überhaupt für unzulänglich, nach der der Arbeitnehmer keinen Anteil mehr zahlen muß, wohl aber der Arbeitgeber, obwohl der Arbeitnehmer auf Grund dieses Arbeitgeberanteils gar keine Verbesserung seiner Rente mehr erhalten kann? Hier wird also von dem Arbeitgeber eine Leistung erbracht, ,der keine Leistung der öffentlichen Versicherung gegenübersteht.
Das gibt es auch auf anderen Rechtsgebieten. Der betreffende Arbeitnehmer selber bezahlt hier keinen Beitrag mehr, weil er seinen Anspruch auf Rente nicht mehr ausweiten kann; der Arbeitgeber zahlt jedoch noch einen Beitrag. Ähnliches haben Sie in der Kindergeldgesetzgebung. Auch nach ihr muß der Arbeitgeber Beiträge zahlen, obwohl unter Umständen keinem seiner Arbeitnehmer davon irgendeine Zuwendung zufließt.
Im übrigen wird die Frage, ob das mit dem Verfassungsrecht zu vereinbaren ist — wie Ihnen ja bekannt ist —, auf Grund eines Aussetzungs- und Vorlagebeschlusses eines Sozialgerichts nachgeprüft. Ich wäre in diesem Augenblick unredlich, wenn ich nicht sagte, daß die Bundesregierung in diesem Verfahren, nach ihrer Meinung befragt, den Standpunkt vertreten hat, daß in der erwähnten Regelung kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung zu sehen sei.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Fragestunde beendet. Die nächste Fragestunde wird am nächsten Donnerstag, 13 Uhr, sein.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 11. Oktober, 9 Uhr.
Ich schließe die heutige Sitzung.