Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gebe ich bekannt: Nach einer interfraktionellen Vereinbarung
wird die heutige Tagesordnung erweitert um drei
Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses
über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung von Teilflächen der ehem. Sedankaserne in Ulm an die Firma Telefunken GmbH — Drucksachen 2932, 2939 —,
über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der ehem. Kraftfahr-Kaserne in StuttgartBad Cannstatt an das Land Baden-Württemberg — Drucksachen 2933, 2940 —,
über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des bundeseigenen Grundstücks der ehem. Pionierkaserne in Ulm an die Stadt Ulm — Drucksachen 2419, 2941 —
und um den
Mündlichen Bericht des Ausschusses für Verteidigung über die Entschließungsanträge der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU zur dritten Beratung des Haushaltsgesetzes 1961 — Umdrucke 793, 834, Drucksache 2942 —.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung begrüße ich den Herrn Präsidenten des
Japanischen Unterhauses, Herrn Dr. Ichiro Kiyose,
und eine Delegation des Japanischen Reichstages.
Herr Präsident, es ist uns eine Ehre und Freude, daß Sie hier unter uns sind. Dieses Haus hat Gelegenheit genommen, gestern während einer Nachtsitzung des schweren Unglücks zu gedenken, das Ihr Land in diesen Tagen betroffen hat. Ich benütze diese Gelegenheit, Ihnen und Ihren Begleitern unsere aufrichtige und herzliche Anteilnahme auszusprechen.
Folgende amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Verteidigung hat unter dem 28. Juni 1961 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Inanspruchnahme der Ländereien des bayerischen Stammgestüts Schwaiganger als Panzerübungsplatz — Drucksache 2837 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2943 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 28. Juni 1961 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. h. c. Weber , Frau Dr. Hubert und Genossen betr. Europäische Sozialcharta — Drucksache 2840 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2944 verteilt.
Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf Punkt 1:
Fragestunde .
Wir fahren fort auf der Drucksache 2934, und zwar mit dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe auf die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Bucher:
Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu unternehmen, daß bei einer Ausstellung, die von der sogenannten DDR in Moskau veranstaltet wird, der Bundesadler als Pleitegeier verhöhnt wird?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten Bucher wie folgt beantworten. Unsere Botschaft in Moskau hat bei dem sowjetischen Außenministerium gegen die Verunglimpfung der Bundesrepublik Deutschland auf der Konsumgüterausstellung der SBZ unter Überreichung eines Aide Mémoire protestiert. Der Protest wurde von der sowjetischen Seite nicht akzeptiert. Das Aide Mémoire ist an die Botschaft Moskau zurückgesandt worden. Die Bundesregierung hat den Vorgang ,daraufhin veröffentlicht.
Keine Zusatzfrage.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Ich rufe auf die Frage X/1 — des Herrn Abgeordneten Altmaier. — Sie wird übernommen von Herrn Abgeordneten Dr. Brecht:Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Reichspost im Jahre 1938 von der Gemeinde Bergen-Enkheim Kr. Hanau ein Gelände von 11 000 qm zum Preise von 3,50 RM pro qm erwarb, daß bis heute jedoch dieses Gelände unbenützt brach liegt und daß jetzt die Gemeinde Bergen-Enkheim dieses für Industrie-
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9578 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Präsident D. Dr. Gerstenmaierzwecke dringend benötigte Gelände von der Deutschen Bundespost zurückkaufen will, wofür die zuständige Bundespostbehörde den Betrag von 50 DM pro qm plus Ersatzgelände verlangt?Zur Beantwortung ,der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen!
Es trifft weder zu, daß die Gemeinde Bergen-Enkheim das im Jahre 1938 an die damalige Reichspost verkaufte Grundstück selbst zurückkaufen wollte, noch daß die Deutsche Bundespost für dieses Grundstück einen Preis von 50 DM je Quadratmeter und Ersatzgelände verlangt hat. Richtig ist vielmehr, daß die Gemeinde Bergen-Enkheim an einer Veräußerung des fraglichen Grundstücks an eine Firma interessiert war. Sie wollte der Deutschen Bundespost auch ein Ersatzgrundstück zur Verfügung 'stellen. Die Unterschiede im Wert der beiden Grundstücke sollten geldlich ausgeglichen werden. Die Firma war jedoch nicht bereit, den von mehreren sachverständigen Maklern als angemessen bezeichneten Preis von 50 DM zu bezahlen. Zu dem von der Firma angebotenen Preis von 12,50 DM je Quadratmeter konnte das Grundstück nicht abgegeben werden. Die Reichshaushaltsordnung läßt eine Veräußerung von Gegenständen, die im Eigentum des Bundes stehen, nur gegen einen dem vollen Wert entsprechenden Preis zu. Auch die Deutsche Bundespost muß beim Erwerb von Grundstücken den jeweiligen Zeitwert bezahlen.
Eine Zusatzfrage?
Unabhängig davon, Herr Minister, wie sich die Sache zugetragen hat, — halten Sie eine solche Forderung von ca. 50 DM gegenüber einem Preis, den die Reichspost 1938 mit 3,50 RM gezahlt hat, für ein gutes und nachahmenswertes Beispiel 'für die Bemühungen der Bundesregierung und der Bundesbehörden gegen die Bodenspekulation und die Bodenpreissteigerung?
Herr Abgeordneter, die Deutsche Bundespost ist leider gezwungen, in sehr vielen Fällen Grundstücke zu erwerben, und ich habe weder von Gemeinden noch aus anderer Hand jemals ein solches Entgegenkommen erzielt, daß ein Grundstück, weil es 1938 3,50 RM gekostet hätte, mir heute zu dem gleichen Preis überlassen worden wäre. Die Deutsche Bundespost ist nach der Reichshaushaltsordnung verpflichtet, den Marktpreis zu nehmen.
Eine letzte Zusatzfrage!
Halten Sie es wirklich nicht für notwendig, Herr Minister, daß im Verkehr zwischen Bundesbehörden und Bundesverwaltungen bei Grundstückskäufen nicht derart hohe Preise gefordert werden, nachdem im Jahre 1938 der Gemeinde ein solch niedriger Preis gezahlt wurde?
Herr Abgeordneter, eingangs meiner Frage habe ich klar beantwortet, daß eine Firma beabsichtigte, dieses Grundstück zu kaufen, und daß diese Firma nur bereit war, 12,50 DM zu zahlen, obwohl der anerkannte Marktpreis 50 DM ist.
Frage X/2 — des Herrn Abgeordneten Kroll:
Sind der Bundesregierung die sehr unterschiedlichen „Erfahrungsberichte" über die technische Ausbreitung des Kontrastprogramms der Rundfunkanstalten der Länder, das z. Z. über die 29 Sender der Deutschen Bundespost ausgestrahlt wird, bekannt, und welche Feststellungen hat die Bundespost selbst treffen können?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Die von mir veranlaßten Messungen und Empfangsbeobachtungen sowie Umfragen bei den Fachhändlern haben ergeben, daß bei der Planung der ersten Ausbaustufe die angestrebte Versorgung eines Gebiets, das etwa 65 % der Bevölkerung in der Bundesrepublik umfaßt, erreicht wird. Die Bild- und Tonqualität wird bei allen, die in dieses Gebiet der 65 % einbezogen sind, sowie von den Sachverständigen als gleich gut bezeichnet.
Zusatzfrage?
Herr Minister, Sie sprachen soeben von einer ersten Ausbaustufe. Welche weiteren Ausbaupläne bestehen seitens Ihres Ministeriums?
Die erste Ausbaustufe ist bereits am 1. Januar 1961 abgeschlossen gewesen, und die letzten Sender dieser ersten Ausbaustufe wurden im Laufe des Frühjahrs 1961 in Betrieb genommen. Gleichzeitig aber ist bereits die zweite Ausbaustufe angelaufen. Die Deutsche Bundespost wird in diesem Jahr noch mehr als 50 Sender in der zweiten Ausbaustufe installieren. Allerdings mache ich eine einzige Einschränkung, Herr Kollege, daß nämlich die deutsche Fernmeldeindustrie, die Senderbauindustrie uns auch tatsächlich wie vereinbart zu den angegebenen Terminen beliefern kann.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, sind neben den Sendern, von denen Sie gesprochen haben, auch Umsetzer zur Ausleuchtung von Tälern usw. vorgesehen?
Zum Teil sind Umsetzer vorgesehen, aber die Ausstrahlung der Täler und der empfangsungünstigen Gegenden kann erst dann vorgenommen werden, wenn einmal die große Fläche des Bundesgebiets ausgestrahlt ist.
Danke!
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9579
Ich rufe auf Frage X/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Fritz —:
Wie weit sind die Pläne für den Aufbau des Postamtes Ludwigshafen gediehen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Stücklen vom 29. Juni 1961 lautet:
Die Pläne für den Umbau und die Erweiterung des Hauptpostamts in Ludwigshafen waren Ende des Jahres 1960 so weit gediehen, daß es im Jahre 1961 möglich gewesen wäre, ein Fertighaus für die Paketzustellung auf Bundesbahngelände zu erstellen und den Umbau und die Erweiterung des Hauptpostamts zu beginnen. Im Februar 1961 wurde mir dann bekannt, daß die Verhandlungen der Stadt Ludwigshafen über den Bau des geplanten Durchgangsbahnhofs in ein entscheidendes Stadium getreten seien. Der dabei für die Erstellung des neuen Bahnhofs genannte Termin zwang dazu, die von der Bahnhofsfrage abhängige gesamte Planung für die Neugestaltung der Postämter und die Organisation des Postdienstes in Ludwigshafen zu überprüfen und auf die veränderten Verhältnisse umzustellen. Aus diesem Grunde mußte auch die fast abgeschlossene und in allen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung bereits geklärte Planung für den Umbau und die Erweiterung des Hauptpostamts erneut überprüft werden. Diese Arbeiten sind inzwischen so weit gediehen, daß die Oberpostdirektion Neustadt mit der Ausarbeitung des Vorentwurfs, dessen Fertigstellung Voraussetzung für die Aufnahme des Bauvorhabens in den Voranschlag der Deutschen Bundespost ist, beauftragt werden konnte. Die noch notwendigen Planungsarbeiten werden so betrieben werden, daß möglichst bald mit dem Umbau und der Erweiterung des Hauptpostamts an der Jägerstraße/Ecke Bismarckstraße in Ludwigshafen begonnen werden kann. Voraussetzung hierfür ist, daß keine Verzögerungen durch Maßnahmen entstehen, die nicht von der Deutschen Bundespost zu vertreten sind.
Ich rufe auf Frage X/4 — des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut:
Ist der Herr Bundespostminister bereit, die Deutsche Bundespost zu veranlassen, zur Verbesserung der unerträglichen postalischen Verhältnisse in Sprendlingen Kr. Offenbach in absehbarer Zeit ein eigenes Fernsprechamt einzurichten, neue Telefonhäuschen aufzustellen und ein neues Postamt zu errichten?
Trotz Hilfe der Kreis- und Stadtverwaltung ist es nicht gelungen, in Sprendlingen an günstig gelegener Stelle Räume für die Einrichtung eines Postamtes zu beschaffen oder ein Grundstück für einen Neubau zu tragbaren Bedingungen zu erwerben. Auf den Plan, in Sprendlingen ein neues Postamt zu errichten, mußte daher verzichtet werden. Zur Anpassung der Betriebseinrichtungen an die veränderten örtlichen Verhältnisse ist jedoch das bestehende Postamt umgebaut und erweitert worden. Weiterhin ist in dem neu entstandenen Ortsteil im Norden der Stadt ein Annahmepostamt geplant, mit dessen Inbetriebnahme im nächsen Jahr gerechnet werden kann.
Die Fernsprechvermittlungsstelle, die sich im Gebäude des Postamtes Sprendlingen befindet, wird dem Bedürfnis entsprechend im Rahmen der Lieferkapazität der Fernmeldeindustrie erweitert werden. Darüber hinaus ist geplant, die Vermittlungsstelle aus dem Postamt in ein neues Gebäude zu verlegen, sobald ein geeignetes Grundstück gefunden ist.
Ein weiterer Münzfernsprecher wird an der Ecke Frankfurter Straße/Fichtelstraße eingerichtet werden.
Zusatzfrage?
Ist Ihnen bekannt, Herr Minister, daß in dem neu erstandenen Ortsteil im Industrie-Viertel von Sprendlingen mit 6000 bis 8000
Einwohnern die Post nur eine Nebenstelle mit einer Grundfläche von 150 qm Raum einrichten will, obwohl gerade dort vom Hauswirt, der diese 150 qm an die Post vermieten will, wesentlich mehr Raum gemietet werden könnte, so daß mehr Platz zur Verfügung gestellt werden kann?
Herr Kollege Kohut, dieses Amt ist ein reines Betriebsamt für die Annahme von Postsendungen, Auszahlung von Geldüberweisungen usw., und dafür reichen diese 150 qm wahrscheinlich aus; denn sonst hätte die Deutsche Bundespost sicherlich mehr gemietet.
Zweite Zusatzfrage!
Glauben Sie wirklich, daß das ausreicht, wenn Sie bedenken, daß die Zuwachsquote der Bevölkerung von Sprendlingen etwa 8,6 % pro anno beträgt und daß die Zahl der Einwohner sich von 7000 in der Vorkriegszeit über 10 000 im Jahre 1950 bis zu 17 000 jetzt entwickelt hat? Da müßten doch eigentlich weitergehende Maßnahmen ergriffen werden.
Wenn die Wachstumsrate dieses Ortes so groß ist, bin ich gern bereit, das noch einmal zu überprüfen, und wenn schon Räume zur Verfügung stehen oder Mieträume angeboten werden, werden wir selbstverständlich jede Möglichkeit ausschöpfen, um einen reibungslosen Ablauf des Postverkehrs zu ermöglichen.
Danke!
Ich rufe auf Frage X/5 — der Abgeordneten Frau Dr. Schwarzhaupt —:
Besteht eine Möglichkeit, ein gemeinsames Telephonbuch des Rheln-Main-Wirtschaftsgebietes zu schaffen oder zumindest zu ermöglichen, daß den Fernsprechteilnehmern von Wiesbaden und Mainz jeweils das Fernsprechbuch der anderen Stadt kostenlos mitgeliefert wird?
Frau Dr. Schwarzhaupt ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe auf Frage X/6 — des Herrn Abgeordneten Kroll —:
Zu welchem Ergebnis kommt die Bundesregierung bei einem Vergleich der Rundfunk- und Fernsehgebühren in der Bundesrepublik mit denen anderer, vergleichbarer Länder?
Zur Beantwortung ,der Herr Bundespostminister.
Die Ton- und Fernsehrundfunkgebühr ist in den europäischen Ländern im Vergleich zur Bundesrepublik zum Teil höher, zum Teil etwa gleich hoch und zum Teil niedriger. Rückschlüsse können aus den unterschiedlichen Höhen nach meiner Auffassung jedoch besonders wegen der verschiedenartigen Organisation des Rundfunkwesens, der nicht übereinstimmenden Zahl der Sendestun-
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9580 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Bundespostminister Stücklenden, der unterschiedlichen technischen Gegebenheiten und des Währungsgefälles nicht gezogen werden,
Keine Zusatzfrage.
Frage XI/1 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau — eine Frage des Abgeordneten Varelmann —.
Ist die Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft des VdK, Düsseldorf, die im Rahmen der Wohnungsfürsorge des Bundes mit öffentlichen . Mitteln Kaufeigenheime für Bundesbedienstete in Bonn errichtet hat, berechtigt, unter Berufung auf die Oberfinanzdirektion Köln von den Bewerbern schriftliche Bestätigungen zu verlangen, daß die Bauarbeiten sach- und fachgerecht ausgeführt wurden — Erklärungen also, die mit gutem Gewisser nur von Bausachverständigen abgegeben werden können und auch nur dann, wenn die notwendigen Unterlagen für eine Prüfung von der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich beantworte die Frage wie folgt. Die genannte Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft hatte in Bonn-Endenich 70 Familienheime errichtet. Innerhalb dieses Bauvorhabens hat das Wohnungsunternehmen 16 Bundesbedienstete auf deren Wunsch hin betreut, die Familienheimdarlehen des Bundes in Anspruch nahmen. Die Schlußrate des Familienheimdarlehns darf bestimmungsgemäß erst nach Vorlage und Prüfung der Schlußabrechnung gezahlt werden. Die erwähnte Gesellschaft hatte nun Schwierigkeiten, diese Schlußabrechnungen kurzfristig zu erstellen. Um den Familienheimbewerbern Zwischenfinanzierungskosten zu ersparen und die Übertragung des Eigentums an sie zu beschleunigen, hatte sich die Oberfinanzdirektion Köln entgegenkommenderweise bereit erklärt, die Schlußrate schon zu zahlen, wenn die Kaufbewerber die schriftliche Bestätigung abgaben, daß die Bauarbeiten sach- und fachgerecht ausgeführt wurden.
Diese Absicht der Oberfinanzdirektion, den Eigenheimbewerbern zu helfen, muß anerkannt werden. Die von den Kaufbewerbern verlangte schriftliche Bestätigung sollte nach der Sachlage nur die vorzeitige Auszahlung der Schlußrate ermöglichen und daher nur beinhalten, daß den Kaufbewerbern sichtbare Mängel des Hauses nicht aufgefallen seien. Da die gewählte Formulierung immerhin zu Mißdeutungen führen kann, ist die Oberfinanzdirektion angewiesen worden, in Zukunft für derartige Fälle die beanstandete Formulierung der Bestätigung nicht mehr zu verwenden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat der Bundesrechnungshof schon einmal von seinem Recht Gebrauch gemacht, die Verwendung der zur Errichtung von Eigenheimen für Bundesbedienstete an Wohnungsbaugesellschaften gewährten Darlehen nachzuprüfen? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist mir im Augenblick nicht bekannt, Herr Abgeordneter.
Frage XI/2 — des Abgeordneten Dr. Brecht —:
Bis wann werden die Ergebnisse der Bundesstatistik über das Wohnungsdefizit Ende 1960 der Öffentlichkeit bekanntgegeben, die zum Erlaß der Rechtsverordnungen der Länder über die gebietsweise Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung ab 1. Juli 1961 erforderlich sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Berechnung des Wohnungsdefizits vom 31. Dezember 1960 für die Landkreise und kreisfreien Städte nach den Bestimmungen des Abbaugesetzes ist inzwischen vom Statistischen Bundesamt abgeschlossen. Die Veröffentlichung der Ergebnisse wird noch bis Ende dieses Monats in der Form eines statistischen Berichts von seiten des Bundesamtes erfolgen. Die Ergebnisse sind schon vor längerer Zeit den Statistischen Landesämtern mitgeteilt und mit diesen abgestimmt worden. Die nach § 3 d des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes erforderlichen Rechtsverordnungen der Länder über die gebietsweise Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung werden also termingerecht erlassen werden.
Eine Zusatzfrage.
Können Sie uns die Gründe sagen, Herr Staatssekretär, weshalb die Veröffentlichung noch nicht erfolgt ist und erst demnächst erfolgen soll, obwohl den Ländern die Ergebnisse schon längere Zeit bekannt sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Ergebnisse, die das Statistische Bundesamt erarbeitet, werden mit den Statistischen Landesämtern abgestimmt. In Grenzfällen können sich Differenzen und Meinungsverschiedenheiten ergeben. Das dauert naturgemäß einige Zeit.
Noch eine Zusatzfrage.
Ist es nicht so, Herr Staatssekretär, daß die Ergebnisse aus dieser Statistik nicht ganz das bestätigen, was im Bundeswohnungsbauministerium immer erklärt wird — daß das Defizit unter 1 Million liegt —, und daß deshalb die Bekanntgabe noch nicht erfolgt ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, Herr Abgeordneter, der Grund ist der, den ich eben angab.
Frage XI/3 -
des Abgeordneten Dr. Brecht —:
Wird der Gesetzentwurf über die endgültige Gewährung der Mietbeihilfen nach den früher abgegebenen Erklärungen des Herrn Wohnungsbauministers noch in dieser Wahlperiode eingereicht?
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn Donnerstag, den 29. Juni 1961 9581
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage beantworte ich wie folgt: Nein. Bis gestern währten die Beratungen über die Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. In diesem Gesetz sind wesentliche Neuerungen auf dem Gebiet der Miet- und Lastenbeihilfen für neugeschaffene Sozialwohnungen enthalten. Der Entwurf des endgültigen Gesetzes über die Gewährung von Miet- und Lastenbeihilfen muß selbstverständlich mit dieser Regelung verzahnt werden. Wie Sie wissen, ist die Entscheidung des Vermittlungsausschusses aber erst am 23. dieses Monats gefallen. Die Arbeiten an dem endgültigen Gesetz können nunmehr fortgesetzt werden.
Da der Bundestag in dieser Woche seine Arbeiten beendet, ist eine Vorlage in dieser Legislaturperiode nicht mehr sinnvoll. Diese Entwicklung bringt keine Härten mit sich. Sie hat dagegen den Vorteil, daß durch die Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes wesentliche Probleme der Miet- und Lastenbeihilfen gelöst wurden. Die Erfahrungen mit dieser Regelung werden dem endgültigen Gesetz zugute kommen.
Könnte nicht in der Zwischenzeit, Herr Staatssekretär, bis das endgültige Gesetz kommt, schon alles unternommen werden, um die Flut der Erlasse und der Bestimmungen einzuschränken, die jetzt schon dazu führt, daß das Gesetz, die Verordnung und die Erlasse mit den dazu gehörigen Formularen einen Umfang von annähernd 200 Druckseiten. ausmachen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir werden uns in der Richtung bemühen, Herr Abgeordneter.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier; Frage XII -
des Herrn Abgeordneten Dr. Brecht — aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes:
B,is wann werden die ersten Grundstücke aus dem Besitz des Bundes zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues nach den Beschlüssen des Bundestages auf Grund der Großen Anfrage der SPD veräußert?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Vorarbeiten des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft in Frankfurt zur Durchführung der Konzentrationsenquete sind abgeschlossen. Es wurde eine besondere Enqueteabteilung im Amt aufgebaut, die mit der praktischen Arbeit bereits begonnen hat. Die das Bundesamt beratende Kommission — —
Einen Augenblick, Herr Staatssekretär! Ich wundere mich, daß Sie so großzügig sind und gleich das Bundesschatzministerium mitbetreuen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte um 'Entschuldigung, ich hatte „Wirtschaftsministerium" verstanden.
Wirtschaft ist auch wirtschaftlicher Besitz des Bundes. Leider ist das schwer zu unterscheiden. Aber zunächst der Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes. Wo ist der Herr Bundesminister? Sein Vertreter? Nicht da? Ich muß das aufrichtig bedauern. Der Herr Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes ist verpflichtet, hier zu erscheinen und eine Antwort zu geben.
Ich rufe auf die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Dahlgrün aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft:
Hat das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in Frankfurt die Vorbereitungsarbeiten abgeschlossen und mit der praktischen Arbeit zur Durchführung der Konzentrations-Enquete begonnen?
Auf die andere Sache komme ich nachher zurück. —
Nun hat der Herr Staatssekretär Dr. Westrick das Wort zur Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Dahlgrün.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf noch einmal mit der Beantwortung beginnen und bitte um Entschuldigung, daß ich mich zu früh gemeldet habe.Die Vorarbeiten des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft in Frankfurt zur Durchführung- der Konzentrationsenquete sind abgeschlossen. Es wurde eine besondere Enqueteabteilung im Amt aufgebaut, die mit der praktischen Arbeit begonnen hat.Die das Bundesamt beratende Kommission wurde zum frühestmöglichen Zeitpunkt, nämlich am ersten Werktag nach Inkrafttreten des Gesetzes, also zum 2. Mai 1961., einberufen. Diese erste Sitzung fand unter Vorsitz des Bundesministers für Wirtschaft statt. Dabei wurde in aller Deutlichkeit auf die Notwendigkeit eines raschen Beginns und einer zügigen Durchführung der Arbeiten hingewiesen. Die Kommission hat angesichts der Dringlichkeit der Aufgabe ihre Tätigkeit unverzüglich aufgenommen und bereits mehrere Sitzungen abgehalten. Sie wird über ihre Arbeitsergebnisse sowie die Überlegungen der von ihr eingesetzten Unterausschüsse dem Bundesamt laufend Bericht erstatten.Im Rahmen der Untersuchung wurde aus Zweckmäßigkeitsgründen zunächst damit begonnen, sämtliche das Thema betreffende Unterlagen zu sammeln, zu sichten und auszuwerten. Ebenfalls wurde .die Verarbeitung aller amtlichen Statistiken, die für die Konzentration von Interesse sein können, aufgenommen. Die Ergänzung des statistischen Materials ist in enger Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt eingeleitet worden. Mit der Anforderung des für die Untersuchung bedeutsamen Materials bei der Wirtschaft wird so bald wie möglich begonnen. Dies kann sinnvollerweise erst dann geschehen, wenn die Fragestellung eindeutig geklärt und die Abgrenzung der zu untersuchenden Schwerpunktbereiche und Objekte abgeschlossen ist. Mit diesem Thema befaßt sich gegenwärtig in Vollzug des gesetzlichen Auftrags die
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9582 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Staatssekretär Dr. Westrick1 Kommission in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft. Auch diese Arbeiten gehen zufriedenstellend voran.
Keine Zusatzfrage? — Meine Damen und Herren, ich höre soeben, daß der Wagen des Herrn Staatssekretär des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes eine Motorpanne hat und unterwegs liegengeblieben ist. Herr Abgeordneter Dr. Brecht, es ist Ihre Frage. Wenn der Herr Staatssekretär hier ist, werde ich den Verhandlungspunkt unterbrechen und auf diese Frage zurückkommen. — Damit wären sämtliche Fragen, nicht nur für diese Sitzung, sondern für diese Legislaturperiode, beantwortet.
Ich rufe dann, einer interfraktionellen Vereinbarung folgend, Punkt 34 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Anderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen ,
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache 2852)
.
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. Der Herr Berichterstatter verzichtet.
) Damit treten wir in die zweite Lesung ein. Ich rufe auf den Artikel I. Hierzu liegt zunächst auf Umdruck 948 ein Änderungsantrag der Abgeordneten Kreitmeyer, Kühn und Genossen vor. Wind das Wort zu diesem Änderungsantrag gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Kreitmeyer!
- Bitte sehr, Herr Abgeordneter Kreitmeyer zur Begründung der Anträge Umdruck 948 und 971.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der FDP-Fraktion möchte ich zu den Anträgen auf den Umdrucken 948 und 971 folgendes erklären.
Angesichts der erfreulichen Tatsache, daß ein gemeinsamer Änderungsantrag aller drei Fraktionen dieses Hohen Hauses vorliegt, schlägt Ihnen die FDP-Fraktion vor, ihre Anträge auf den Umdrucken 948 und 971 der Bundesregierung als Material für die Vierte Novelle zu überweisen. Unser Entschluß, so zu verfahren, wurde besonders durch den Umstand erleichtert, daß man uns verbindlich mitteilte, daß der Herr Bundesinnenminister in 'der Lage ist, über den § 56 des Gesetzes zu Artikel 131 des Grundgesetzes den in den Anträgen auf den Umdrucken 948 und 971 Ziffer 1 angesprochenen Personenkreis im Sinne der Antragsteller zu unterstützen. Der Bundesminister für Finanzen hat eine entsprechende Verstärkung der Haushaltsansätze
zugesagt. Dem gemeinsamen Antrag auf Umdruck 980 bitte ich zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird zu dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 971 unter Ziffer 1 das Wort gewünscht?
— Er soll also ebenso wie die Anträge Umdruck 948 und Umdruck 972 der Bundesregierung' als Material überwiesen werden. Wir müssen demnach nur noch über den Änderungsantrag aller drei Fraktionen auf Umdruck 980 abstimmen. Das bedeutet, daß wir in Art. I erst bei Ziffer 10 a abzustimmen halben; erst dort beginnen die 'Änderungen.Zunächst rufe ich also die Nrn. 1 bis 10 des Artikels I auf. Wird dazu das Wort gewünscht? —Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Jetzt kommt Nr. 10 a, Änderungsantrag Umdruck 980 Ziffer 1, ein interfraktioneller Antrag. Keine Wortmeldungen. Wer 'zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Jetzt kann abgestimmt werden über die geänderte Nr. 10 a und die Nrn. 11 his 27 im Artikel I. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Einstimmig angenommen.Jetzt kommt Nr. 27 a des Art. L Dazu liegt der interfraktionelle Änderungsantrag auf Umdruck 980/2 vor, Wird zu diesem Änderungsantrag das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. Wird zu Nr. 27 a in der so geänderten Fassung und zu Nr. 28 in der Fassung der Ausschußvorlage das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Jetzt kommt die Nr. 29 des Art. I. Hier ist über den interfraktionellen Antrag auf Umdruck 980 Ziffer 3 abzustimmen. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? 'Einstimmig angenommen.Ich rufe die geänderte Nr. 29 sowie die Nrn. 30 bis 39 auf. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Bei Nr. 40 kommt wieder der Antrag Umdruck 980 Ziffer 2 zur Abstimmung. Wer diesem interfraktionellen Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9583
Präsident D. Dr. Gerstenmaierum das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.Wer der so geänderten Nr. 40 und sämtlichen weiteren Nummern des Art. I, also 41 bis 55, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.Nun kommt der Artikel II. Wird dazu das Wort gewünscht? — Änderungsanträge liegen nicht vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Zu Art. III liegen ebenfalls keine Änderungsanträge vor. Das gleiche gilt für die Art. IV, V, VI sowie die Einleitung und die Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Lesung angenommen.Wir kommen zur dritten Beratung. Allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Keine Änderungsanträge.
— Wird zu Protokoll genommen *).
— Wird ebenfalls zu Protokoll genommen **). Ferner wird eine Erklärung des Abgeordneten SchmittVockenhausen zu Protokoll genommen ***).Wer dem Gesetz in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Meine Damen und Herren, es ist noch über Ziffer 2 des Ausschußantrages abzustimmen. Dem Ausschußantrag wird zugestimmt. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Jetzt frage ich, ob der Herr Staatssekretär des Bundesschatzministeriums anwesend ist. — Letzte Frage in dieser Legislaturperiode: Ich hatte die Frage XII des Herrn Abgeordneten Dr. Brecht aufgerufen. Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für wirtschaftlichen Besitz des Bundes.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Brecht beantworte ich wie folgt:
Nach § 3 Abs. 3 des Haushaltsgesetzes 1961 ist die Bundesregierung ermächtigt, bundeseigene unbebaute Grundstücke zu Zwecken des sozialen Wohnungsbaus unter dem vollen Wert zu veräußern. Der Erlaß von Richtlinien für diesen Baulandverkauf ist dem Bundesschatzminister im Einvernehmen mit den Herren Bundesministern der Finanzen und für Wohnungsbau übertragen worden. Diese Richtlinien sind inzwischen unter Beteiligung der Spitzenverbände der Wohnungswirtschaft erarbeitet. Sie werden heute im Ministerialblatt des
*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 3. ***) Siehe Anlage 4.
Bundesministeriums der Finanzen veröffentlicht werden. Alsdann wird sofort mit der Veräußerung entbehrlicher Grundstücke begonnen werden. Die Entscheidung über eine Reihe bereits vorliegender Anträge ist lediglich mit Rücksicht auf das noch ausstehende Inkrafttreten der Richtlinien zurückgestellt worden.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, um wieviel Grundstücke es sich jetzt tatsächlich handelt? Am Sonntag in der Zeitung 40 000 ha, am Montag waren es 8000 ha, und inzwischen sind es 5000 ha geworden. Wieviel Grundstücke sollen es nun tatsächlich sein, die seitens des Bundes abgegeben werden können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Zahl der Grundstücke, die Hektargröße dieser Grundstücke ist nicht eindeutig festzustellen. Sie werden von Fall zu Fall angeboten. Es wird sich vielleicht um 8000 ha handeln. Es hängt davon ab, wieviele von diesen Grundstücken für bundeseigene Zwecke, nämlich insbesondere für die Verteidigung, benötigt werden.
Zweite und letzte Zusatzfrage!
Ist es tatsächlich richtig, Herr Staatssekretär, daß etwa oder nahezu die Hälfte der in den Listen vorgesehenen Grundstücke heute noch blockiert sind und gar nicht verkauft werden können, weil sie noch für die Verwendung zugunsten der Bundeswehr blockiert sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Grundstücksliste ist von den einzelnen Oberfinanzpräsidenten aufgestellt worden. Wie weit in dieser Liste auch Grundstücke enthalten sind, die für die Bundeswehr benötigt werden, kann ich nicht angeben.
Weitere Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wann etwa besteht die Möglichkeit, die genaue Hektarzahl anzugeben? Wann glauben Sie, daß die Ermittlungen in der Richtung abgeschlossen sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich im Augenblick nicht angeben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Krammig.
Herr Staatssekretär, ist bekannt, ob irgendeine Landesregierung dem Beispiel ,der Bundesregierung folgt und Gelände aus
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9584 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Krammigihrem Eigentum für Wohnungsbauzwecke verbilligt zur Verfügung stellt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dazu haben sich die Landesregierungen bisher noch nicht geäußert.
Herr Abgeordneter Börner, Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, halten Sie bei der Größe der Objekte, die Sie eben genannt haben, diesen Bonus von 30 % wirklich für auf den Bodenpreis im freien Markt einwirkend?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das möchte ich doch annehmen.
Noch eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, welche Sicherungen dagegen eingebaut werden, daß ein Grundstückserwerber nach dem Bebauen des Grundstücks innerhalb der drei Jahre das alsdann bebaute Grundstück zu einem Mehrfachen des Erwerbspreises weiterverkauft und so mit Bundesgrundstücken und erhaltenem Bonus neue Bodenspekulation treibt und fördert?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Erwerber ist ja verpflichtet, innerhalb einer bestimmten Zeit zu bauen. Sonst hat der Bund ein Rückkaufsrecht, und zwar zu dem gleichen Preis, zu dem der Bund ursprünglich das Grundstück an den Erwerber verkauft hat. Eine Spekulation dürfte damit ziemlich ausgeschlossen sein.
Keine weiteren Zusatzfragen! Die Fragestunde ist geschlossen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Kindergeld für zweite Kinder und die Errichtung einer Kindergeldkasse (Drucksache 2648);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 2868)
.
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht.
— Der Herr Berichterstatter verzichtet. Ich bedanke mich.
Ich rufe in zweiter Lesung den § 1 auf. Hierzu liegen zwei Änderunganträge vor. Einmal der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 949
Ziffer 1 Buchstabe a). Das ist der Antrag, von dem ich vorhin gesagt habe, daß er wahrscheinlich mit dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 961 gleich ist.
Zur Begründung hat das Wort die Frau Abgeordnete Döhring.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Änderungsantrag, den Ihnen die sozialdemokratische Fraktion auf Umdruck 949 unter Ziffer 1 vorgelegt hat, sieht die Beseitigung der Einkommensbegrenzung vor. Die unter Buchstaben a) und b) aufgeführten Änderungen gehören der Sache nach zusammen. Ich möchte Sie, Herr Präsident, daher bitten, mir zu gestatten, daß ich diese beiden Punkte zusammen behandele.
Bitte sehr!
Die SPD-Fraktion beantragt hiermit, den § 1 des Kindergeldgesetzes für zweite Kinder dahingehend zu ändern, daß alle zweiten Kinder berücksichtigt werden. Wir möchten Ihnen, meine Herren und Damen von der Regierungspartei, damit noch einmal Gelegenheit geben, aus diesem Gesetzentwurf eine Ungerechtigkeit herauszunehmen, die mit der von Ihnen vorgesehenen Einkommensgrenze entstehen würde.Durch die verschiedenen Kindergeldgesetze erhält heute jede Familie für das dritte und weitere Kind monatlich 40 DM Kindergeld; hierbei ist es ganz gleichgültig, wie hoch das Einkommen der Familien ist. Gegenüber dieser geltenden Regelung wäre die Einführung einer Einkommensgrenze von 600 DM monatlich als Voraussetzung für die Gewährung von Kindergeld für die zweiten Kinder eine große Ungerechtigkeit. Von dieser Ungerechtigkeit würden insbesondere jene Familien betroffen, deren Einkommen knapp über der Einkommensgrenze liegt.
Fast die Hälfte aller Familien, die zwei und mehr Kinder haben, würde nach diesem Gesetz kein Kindergeld erhalten.Der Wegfall des Kindergeldanspruches für die zweiten Kinder von einem Einkommen von 601 DM monatlich an ist ja von Ihnen, meine Herren und Damen von der Regierungspartei, u. a. damit begründet worden, daß von dieser Einkommenshöhe ab bereits ein entsprechender Steuerfreibetrag gewährt werde. Diese Begründung überzeugt nicht; denn für zweite und weitere Kinder wird ja das Kindergeld zusätzlich zum Steuerfreibetrag ohne jede Einkommensgrenze gewährt. Und warum soll das — so möchte ich Sie fragen, meine Herren und Damen von der CDU/CSU —, was für dritte und mehr Kinder auch Ihrer Meinung nach richtig ist, für die zweiten Kinder falsch sein? Jetzt am Ende der dritten Legislaturperiode für die zweiten Kinder ein anderes Prinzip als für die dritten und weiteren Kinder einzuführen, ist wirklich nicht sinnvoll und begegnet in weiten Kreisen der Bevölkerung auch
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9585
Frau Döhring
keinem Verständnis. Denn auch die Familien mit zwei Kindern wollen genau wie die Familien mit drei und mehr Kindern einen Rechtsanspruch ohne Einkommensprüfung.Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen also verschiedene Rechtsgrundsätze für das zweite Kind und für das dritte und weitere Kind in ein und derselben Familie gelten. Das ist keine gute Sache.
Es zeigt sich hier die Unzulänglichkeit einer Sozialgesetzgebung, die nicht auf weite Sicht gemacht wird, sondern nur auf kurze Sicht
und ganz offensichtlich unter wahlpolitischen Gesichtspunkten.Die Bundesregierung wäre unseres Erachtens verpflichtet gewesen, das Kindergeldrecht für das zweite Kind mit dem bisherigen Kindergeldrecht abzustimmen und in Harmonie mit dem Einkommensteuerrecht zu bringen. Wir Sozialdemokraten sind grundsätzlich der Auffassung, daß dies notwendig ist, und der nächste Bundestag wird diese Aufgabe lösen müssen.Zur Begründung der Einführung einer Einkommensbegrenzung ist von seiten der Bundesregierung und der Herren und Damen von der Regierungspartei im Ausschuß des weiteren gesagt worden, man wolle vor allen Dingen den einkommensschwachen Familien helfen. Für alle zwei Kinder seien eben nicht genügend Mittel da. Dieses Argument ist unseres Erachtens beschämend für eine Partei, die seit zwölf Jahren in diesem Hause die Mehrheit hat.
Das ist eine schlechte Familienpolitik, und das Argument ist unseres Erachtens nicht überzeugend. In diesen Jahren haben Sie, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, regelmäßig unsere Anträge auf Bereitstellung von Bundesmitteln für die Gewährung von Zweitkindergeld abgelehnt. Heute, wo für diese Kinder ein Kindergeld von monatlich 25 DM aus allgemeinen Steuermitteln beschlossen werden soll — und wir sind glücklich darüber, daß Sie damit jetzt auf die Konzeption der Sozialdemokratischen Partei, die diese von Anfang an in diesem Hause vertreten hat, eingegangen sind —, wollen Sie die Gewährung von Kindergeld für die zweiten Kinder bedauerlicherweise von Einkommensprüfungen abhängig machen. Das ist weder im Sinne der betroffenen Familien, noch ist es überhaupt mit einer zeitgerechten Familienpolitik vereinbar.
Wir Sozialdemokraten sind nach wie vor der Auffassung, daß das Kindergeld nicht zu einer Leistung für minderbemittelte Familien abgestempelt werden darf, und deshalb beantragen wir die Streichung der Einkommensgrenze.Mit dem Wegfall der Einkommensbegrenzung würde auch die komplizierte Prüfung und die umständliche Rechnerei, wie sie im § 2 des Gesetzentwurfs vorgesehen ist, entfallen. Das ganze Gesetz würde klarer und einfacher. Vor allem würden — das lassen Sie mich bitte namens meiner politischen Freunde ganz besonders betonen — durch die Beseitigung der Einkommensgrenze viel Unruhe und große Enttäuschungen den Familien erspart bleiben. Hierfür nur ein Beispiel. Eine Ehefrau, die ihre Erwerbstätigkeit nach der Geburt ihres zweiten Kindes aufgibt, bekommt, falls das Einkommen beider Ehegatten zusammengenommen bisher über der Einkommensgrenze gelegen hat, erst im Jahre 1963 Kindergeld. Kommt diese Familie dann endlich in den Genuß des Kindergeldes, so kann es sein, daß es im darauffolgenden Jahre wieder in Fortfall kommt, weil das monatliche Einkommen des Ehemannes inzwischen die 600-DM-Grenze überschritten hat. — So ließe sich noch manches konkrete Beispiel dafür anführen, wie kompliziert dieses Gesetz durch die Einkommensgrenzen ist; doch ich will es mit diesem Beispiel bewenden lassen.Abschließend darf ich sagen: Wir Sozialdemokraten halten die Einführung einer Einkommensbegrenzung und damit von Bedürftigkeitsprüfungen im Familienlastenausgleich für höchst bedenklich, und zwar vor allem aus zwei Gründen. Erstens: Die Beschränkung der Kindergeldzahlung auf Familien mit niedrigerem Einkommen würde nur etwa die Hälfte der Familien mit zwei und mehr Kindern berücksichtigen und den Familienlastenausgleich zu einer Politik für minderbemittelte Familien abstempeln.Zweitens: Durch die Einkommensgrenze würde ein großer Teil jener Familien vom Kindergeld ausgeschlossen, in denen die Mutter aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen ist, den Lebensunterhalt für die Familie mit zu verdienen.
Das ist eine ganz besondere Härte. Denn wir wissen, daß die meisten Mütter, die mit berufstätig sind, rein aus wirtschaftlichen Gründen das Opfer der doppelten Arbeitsbelastung auf sich nehmen. All diese Familien würden durch die Einkommensbegrenzung bestraft.
- Vielleicht, vielleicht auch nicht.Aus diesen Gründen lehnen wir die in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehene Einkommensbegrenzung bei der Gewährung von Kindergeld für die zweiten Kinder ab. Namens der SPD-Fraktion darf ich Sie, meine Herren und Damen, bitten, im Interesse einer sinnvollen Familienpolitik dem vorliegenden Antrag Ihre Zustimmung nicht zu versagen.
Zur Begründung des FDP-Änderungsantrags der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich nehme gern
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9586 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Spitzmülleran, daß alle anwesenden Mitglieder den Ausschußbericht des Kollegen Ruf gelesen haben. Wer ihn gelesen hat, der weiß, daß keine Fraktion sehr glücklich war über das, was wir hier verabschieden müssen. Denn alle Fraktionen haben bedauert, daß es keine Vereinheitlichung und keine Vereinfachung der Kindergeldgesetzgebung darstellt. Was soll ich Sie also deshalb allzulange mit Ausführungen aufhalten? Unser Antrag beinhaltet theoretisch dasselbe wie der der SPD. Aber mit Ziffer 2 unseres Antrags tragen wir dafür Sorge, daß keine Haushaltsüberschreitungen stattfinden werden. Wer also dem Antrag unter Ziffer 1 zustimmt, der sollte auch dem unter Ziffer 2 des Umdrucks 961 zustimmen.Ich möchte zu der ganzen Materie des § 1 nur eines sagen. Er ist es, der die Schwierigkeiten in das gesamte Kindergeldkassengesetz hineinbringt. Gehen Sie aber so vor, daß Sie die Einkommensbegrenzung wegfallen lassen, indem Sie in § 1 grundsätzlich die Anspruchsberechtigung in dem von uns und von der SPD geforderten Sinn festlegen, dann fallen viele der aufgezeigten und im Ausschuß sehr deutlich gewordenen Schwierigkeiten weg.Dann erreichen Sie auch, daß in der Öffentlichkeit nicht mehr die Frage aufkommt: Was ist denn das für ein Kindergeld? Ist es ähnlich wie beim dritten und vierten Kind ein Sockel-Betrag, der zum Ausgleich aller möglichen zusätzlichen Steuern gegeben wird, die die Kinderreichen infolge der sehr starken indirekten Besteuerung aller möglichen Waren zahlen müssen, oder ist es eine Rückgewähr nicht ausgeschöpfter Steuerfreibeträge? Auf diese Frage müssen Sie in der Öffentlichkeit Antwort geben. Wenn Sie darauf die Antwort geben müssen — und es gibt keine andere —: Es ist die Rückgewähr nicht ausgeschöpfter Steuerfreibeträge, dann erhebt sich die Frage: Warum dann Rückgewähr nicht ausgeschöpfter Freibeträge nur beim zweiten Kind und nicht auch beim dritten und vierten Kind?Sie sollten also, glaube ich, schon aus Gründen der Vereinheitlichung, aus Gründen der Überschaubarkeit und aus Gründen der Klarheit den Anträgen, die die beiden Oppositionsfraktionen vorgelegt haben, folgen.
Herr Abgeordneter Winkelheide.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, beide Anträge, den der SPD und auch den der FDP, abzulehnen. Ich verweise hierbei auf die Darlegungen in der ersten Lesung. Wir halten an der Einkommensbegrenzung fest. Ich möchte aber herausstellen, daß diese Einkommensbegrenzung keine Bedürftigkeitsprüfung darstellt. Vielmehr muß ,da, wo ein Einkommen ist, auch
eine Prüfung stattfinden, ob das Einkommen in dieser Höhe liegt. Das ist naturnotwendig.
Der Sinn dieses Gesetzes ist einfach der, daß wir dort, wo die Steuerfreibeträge nicht mehr wirksam werden, das Kindergeld in Höhe von 25 DM zahlen. Daher ist es nicht eine Ungerechtigkeit, sondern ein Akt der echten Gerechtigkeit. Das ist der Sinn des Gesetzes, und diesen Sinn möchten wir auch nicht verfälschen lassen.
Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich einige Sätze aus der „Welt" zitieren. Die Berichte über die Beratungen des Ausschusses sind ja immer sofort bei der Presse gelandet. Die „Welt" schreibt am 15. Juni:
Wenn die Schleusen jetzt allzu hemmungslos geöffnet würden, so stieße dies zwar bei vielen auf Wohlgefallen. Aber die Rechnung würde dem Steuerzahler sehr bald präsentiert werden.
Und dann heißt es weiter:
Der Ruf nach dem Staat erreicht gelegentlich eine bedenkliche Lautstärke.
Ich darf sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir uns in Grenzen gehalten haben, die uns tragbar erscheinen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Herr Kollege Winkelheide, ist Ihnen bekannt, daß für die Bezieher hoher Einkommen die Steuerermäßigung den Betrag von 25 DM monatlich wesentlich übersteigt und einen Betrag bis zu 80 DM monatlich erreichen kann?
Herr Professor Schellenberg, das ist mir bekannt.
Sie wissen genauso gut wie wir alle hier in diesem Hause, und Sie wissen es besonders gut, da Sie im Ausschuß dabei waren — Sie hatten ja den Vorsitz —, daß dies ein Überleitungsgesetz sein soll. Wenn Sie das ganze Problem des Kindergeldes neu regeln wollen, dann wird das im nächsten Bundestag geschehen müssen. Dann müssen Sie eine Harmonisierung zwischen dem echten Kindergeld, das gezahlt wird, und den gesamten Steuerfreibeträgen herstellen; dann haben Sie eine Ganzheitslösung. Diese Lösung aber ist eine Anfangslösung, eine Übergangslösung, um das zweite Kind zunächst einmal in diese Ordnung mit einzubeziehen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Herr Kollege Winkelheide, wir haben seit 1954 Kindergeldgesetze. Warum haben Sie sich nicht dafür eingesetzt, daß
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9587
Dr. Schellenbergwir in den sieben Jahren zu einer Harmonisierungzwischen Kindergeldrecht und Steuerrecht kamen?
Herr Professor Schellenberg, das Problem des Steuerrechts und des Kindergeldes ist so vielschichtig, daß man es in der kurzen Zeit nicht bewältigen kann. Aber durch dieses Gesetz ist eine grundsätzliche Weichenstellung erfolgt, und diese Weichenstellung wird uns eines Tages auch zu einer ganz guten Lösung bringen.
Aber ich darf noch zwei, drei Sätze anfügen. Wir haben doch auch hier gegenüber der Regierungsvorlage einige Verbesserungen eingebaut. Wir haben das Ausgleichskindergeld fallengelassen.
Wir haben die 600-DM-Grenze genommen, und der ganze Aufwand beläuft sich heute auf über 600 Millionen DM. Ich meine, meine Damen und Herren, daß das eine angemessene Leistung ist im Sinne unserer aufbauenden Familienpolitik, im Sinne einer fortschrittlichen Familienpolitik, die wir seit Jahr und Tag betrieben haben.
Ich bitte das Hohe Haus, die beiden Anträge abzulehnen.
Einen Augenblick, eine Frage der Frau Abgeordneten Döhring.
Herr Kollege Winkelheide, wie wollen Sie jenen Familien, die nur knapp über der Einkommensgrenze liegen, etwa bei 620 DM, 700 DM oder auch 750 DM, plausibel machen, daß sie kein Kindergeld für ihr zweites Kind bekommen, während derjenige, der 15 000 DM monatliches Einkommen hat, für sein zweites Kind rund 70 DM, für sein drittes Kind rund 75 DM Steuerfreibetrag erhält und dazu noch für sein drittes Kind 40 DM Kindergeld empfängt? Wie wollen Sie das den Familien draußen, die jetzt leer ausgehen, plausibel machen?
Sehr verehrte Frau Kollegin! Wo eine Grenze gezogen wird — mögen Sie sie nun bei 500, 600, 800 oder 1000 DM ziehen —, 'da gibt es Grenzleid. Das Grenzleid können Sie bei keiner Grenze aufheben. In der ganzen Diskussion der letzten Jahre hat immer wieder die Forderung im Vordergrund gestanden: Zieht eine Grenze im Kindergeldgesetz! Jetzt haben wir eine Grenze gezogen, und jetzt wird die Grenze wieder umkämpft. Wo eine Grenze ist, ,da ist auch ein Leid. Aber ich glaube, wir können das draußen sehr wohl klarmachen, daß es sich gemäß dem Einkommensteuergesetz um 600 DM handelt. Es kann ja auch etwas mehr sein, wenn man abschreiben kann; das Steuerrecht ist eben ein individuelles Recht. Das alles muß mit einkalkuliert werden. Man kann draußen sehr wohl klarmachen, daß das eine fortschrittliche Tat ist.
Der Antrag Umdruck 949 und der Antrag der Fraktion der FDP Umdruck 961 sind inhaltlich völlig gleich, auch wenn in dem Antrag Umdruck 961 der Vermerk fehlt, daß § 2 gestrichen wird.
Ich stelle also beide Anträge gemeinsam zur Abstimmung. Wer diesen Änderungsanträgen der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — ,Das ist die Mehrheit; die beiden Änderungsanträge sind abgelehnt.
Nun frage ich Sie, Frau Kollegin Döhring, ob die weiteren Ziffern des Änderungsantrags Umdruck 949 davon berührt werden.
— Aber die folgenden Ziffern?
— Ich muß in diesem Hause auf eine rationelle Arbeitsweise bedacht sein.
Der Herr Abgeordnete Spitzmüller legt mir einen Eventualantrag vor, der noch nicht verteilt ist. Er kann jetzt verteilt werden. Herr Abgeordneter Spitzmüller, Sie sind frei, diesen Antrag bier vorzutragen und zu begründen. Wollen Sie dazu das Wort nehmen? — Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir haben befürchtet, daß Sie die Systemgleichheit nicht einführen werden, und haben für diesen Fall einen Antrag gestellt, der dem Antrag ähnlich ist, den der Sozialausschuß des Bundesrates gestellt hatte. Unser Antrag lautet:§ i Abs. 1 erhält folgende Fassung:„ Anspruch auf Kindergeld für das zweite Kind (Zweitkindergeld) haben1. Personen, die Anspruch auf Kindergeld nach dem Kindergeldgesetz, dem Kindergeldanpassungsgesetz oder dem Kindergeldergänzungsgesetz haben,2. Personen, die zwei Kinder haben, wenn ihr Jahreseinkommen in dem Berechnungsjahr 7200 Deutsche Mark nicht überstiegen hat."Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben im Ausschuß den Beteiligten immer wieder aufgezählt, zu welchen Schwierigkeiten die Durchführung dieses Gesetzes, sowie es bis jetzt dem Bundestag vorliegt, führen wird. Durch die Annahme unseres Antrages könnten wenigstens zwei Drittel der erheblichen Verwaltungsschwierigkeiten beseitigt werden. Durch die Annahme unseres Antrages würde also das Maß der Verwaltungsschwierigkeiten auf ein Drittel gesenkt.Aber wir müssen auch anerkennen, daß die Vertreter der CDU/CSU im Ausschuß ausdrücklich erklärt haben, der ganze Aufbau 'dieses Gesetzes er-
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Spitzmüllerscheine wenig schön, dies sei nur aus der Situation zu verstehen, da es sich um ein Übergangsgesetz handle, um ein Übergangsgesetz, das die Weichen stellen solle. Wir geben auch ohne weiteres zu, daß dieser von uns nunmehr gestellte und hoffentlich bald auch zur Verteilung gelangende Antrag nicht gerade eine Ideallösung darstellt. Aber die Schwierigkeiten können wenigstens zum Teil beseitigt werden.Wenn Sie diesen Antrag annehmen, werden wenigstens ein gut Teil der Schwierigkeiten und der gegenteiligen Äußerungen ausgeräumt, die in der letzten Zeit laut geworden sind und die dahin gehen, daß dieses Gesetz eine Art Diskriminierung der Familie darstelle. Sie wissen, daß selbst die Familienverbände ,das über dieses Gesetz gesagt haben.Wir wissen, daß auch bei Annahme unseres Antrages die Gefahr bestehenbleibt, daß auch in Zukunft der eine oder andere Familienvater mit zwei Kindern in die Schwierigkeit kommt, sich im Dezember überlegen zu müssen, ob es nicht besser ist, wenn er einmal von der Arbeit fernbleibt, damit er nicht unter Umständen das Kindergeld für das zweite Kind verliert oder evtl. zurückzahlen muß.Wir sind der Meinung, wir sollten Gesetze machen, ,die in der Praxis nicht auf Gegensätze und auf überwältigenden Widerstand stoßen, sondern wir sollten Gesetze machen, deren Durchführbarkeit noch im Rahmen des Möglichen liegt. Das ist immerhin noch gegeben, wenn Sie unserem Antrag folgen.
Gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Memmel?
Herr Kollege Spitzmüller, wollen Sie tatsächlich dem von Frau Kollegin Döhring zitierten Generaldirektor mit 5000 DM Monatseinkommen und drei und mehr Kindern, der bis jetzt für sein drittes und viertes Kind Kindergeld nach dem Kindergeldgesetz bekommt, auch für das zweite Kind ein Kindergeld von 25 DM aus allgemeinen Steuermitteln gewähren?
Herr Kollege, der Generaldirektor mit 5000 DM Monatsgehalt bekommt Kindergeld nach dem Kindergeldgesetz, wenn er einen Antrag stellt. Er würde bei Annahme unseres Antrags Kindergeld nach dem Kindergeldkassengesetz bekommen, wenn er einen Antrag stellt. Es ist aber sehr fraglich, ob er einen Antrag stellt. Aber, meine Damen und Herren, wenn er einen Antrag stellt, geben Sie nicht zu, daß alle Kinderreichen, ob sie nun viel oder wenig verdienen, durch die Art unseres Steuersystems außerordentlich belastet sind, weil nämlich ,die Familie mit fünf, sechs oder acht Köpfen eben all die indirekten Steuern fünf- bis achtmal bezahlen muß, während sie die kinderlose Familie nur zweimal, für den Ernährer und die Frau, bezahlen muß. Das müssen wir berücksichtigen. Wir haben doch diese Differenzierung beim Kindergeldgesetz auch nicht. Warum wollen Sie sie in das Kindergeldkassengesetz plötzlich hineinbringen?
Wir sollten nicht die tausend oder zweitausend Fälle im Auge behalten, in denen wirklich gut und hoch verdient wird, sondern wir sollten an jene Hunderttauasende von Fällen denken, in denen nicht so viel verdient wird. Einer Regelung, wie sie von uns vorgeschlagen ist — und zwar nicht einmal originär von uns, sondern vom Sozialausschuß des Bundesrates, der sogar über die vorgesehene Beschränkung von 600 DM bis auf 1000 DM hinausgegangen ist —, sollten wir unsere Aufmerksamkeit schenken und sie nicht auf einen ganz kleinen Teil der Familienväter mit mehr Kindern ausrichten, die tatsächlich in guten Einkommensverhältnissen leben. Wir bitten Sie also recht herzlich, unserem Antrag aus den vorgenannten Gründen Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Winkelheide.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus, diesen Antrag der FDP abzulehnen. In Punkt 1 engt er den Kreis ein, und in Punkt 2 weitet er ihn noch mehr aus. Das heißt also, übertragen in unsere Kindergeldgesetzgebung, daß nach Ihrem Antrag zunächst einmal alle Anspruchsberechtigten, die für das dritte und weitere Kind Kindergeld erhalten, für das zweite Kind auch die 25 DM bekommen; dann nehmen Sie aus dem Gesetz den Grundsatz von 7200 DM heraus.
— Ich habe gesagt, in Punkt 1. Wenn Sie nur den Punkt 1 stehen ließen, wäre das eine Einengung, weil der Personenkreis kleiner ist. Durch Hereinnahme des Punktes 2 weiten Sie ihn wiederum aus. Damit haben Sie aber das Verwaltungsproblem nicht ausgeräumt und machen das ganze Gesetz dadurch nur noch komplizierter, Herr Kollege Spitzmüller.
Herr Kollege Winkelheide, sind Sie nicht der Meinung, daß durch den Punkt 1 die Verwaltungsarbeit für diesen Personenkreis von etwa einer Million Kindern gleich Null wird, weil keine Prüfung stattfindet, und sind Sie nicht der Meinung, daß durch den Punkt 2 die Verwaltungsschwierigkeiten, die von Ihnen zugegeben werden, eben nur noch für ein Drittel der Betroffenen aufrechterhalten bleiben?
Wir möchten, Herr Kollege Spitzmüller, ja nicht den Kreis nach Ihrem Punkt 1 einengen, sondern wir möchten gerade ,die Schicht erreichen, die hier nicht die Steuerermäßigung genießt. Das ist der Sinn der Sache. Selbstverständlich ist das eine verwaltungsmäßig einfachere Angelegenheit. Allen Familien heute für das dritte Kind Kindergeld zu zahlen, das sie auch für das zweite Kind bekommen, ist verwaltungsmäßig
Winkelheide
einfacher. Aber dann trifft die Zwischenfrage erst recht zu: Der Generaldirektor, der den Antrag gestellt hat, und alle die, die hohe Verdienste haben, bekommen auch das Kindergeld in Höhe von 25 DM für das zweite Kind. Es ist also keine Vereinfachung, es ist keine Klarheit. Ich bitte, den Antrag abzulehnen.
Eine Sekunde, Herr Abgeordneter Winkelheide. Gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Schellenberg?
Herr Kollege Winkelheide, Sie sprechen soviel von den Generaldirektoren. Wollen wir doch lieber einmal von den Bundestagsabgeordneten sprechen: Erhalten nicht Bundestagsabgeordnete, die einen Antrag stellen würden, trotz Einkommensgrenze auch Kindergeld für das zweite Kind?
Es kommt auf die Einkommensgrenze an, Herr Professor. Diese Frage können Sie selbst am besten beantworten.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der FDP. Es ist ein Eventualantrag zu § 1. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP zu § 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu den §§ 1 und 2 in der Fassung der Vorlage. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 3. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 949 Ziffer 2 vor. — Bitte sehr, Frau Abgeordnete Korspeter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt es, daß sich der Soziapolitische Ausschuß auf Grund unserer Anregung nunmehr dafür entschieden hat, auch für die bislang von der Kindergeldgewährung ausgeschlossenen rentenberechtigten Waisen Kindergeld zu zahlen. Diese Regelung betrifft die kriegshinterbliebenen Waisen sowie die Empfänger von Waisenrenten ,der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung. Mit der Einbeziehung dieser Kinder ist einer alten Forderung der Bundestagsfraktion der Sozialdemokraten, die seit Beginn der Verhandlungen über die Kindergeldgesetzgebung erhoben wurde, endlich Rechnung getragen worden. Wir freuen uns darüber, meine Damen und Herren.Aber zu unserem großen Bedauern hat sich die Mehrheit des Ausschusses nicht bereit finden können, auch die Kinder von Kriegsbeschädigten und die Kinder von Rentenbeziehern aus der Sozialversicherung in die Kindergeldgewährung einzubeziehen. Sie hat unseren Antrag im Sozialpolitischen Ausschuß abgelehnt. Wir wiederholen deshalb diesen Antrag, und ich hoffe, daß Sie dafür Verständnis haben, daß wir und auch die Betroffenen es für unverständlich halten, daß Sie diesen Antrag abgelehnt haben, um so mehr, als es sich hierbei in der Regel um einkommensschwache Familien handelt. Die Ablehnung unseres Antrages wurde im Ausschuß von den Mitgliedern der CDU/CSU mit dem Vorwand begründet, daß die Kinderzulagen und die Kinderzuschüsse nach dem Sozialrecht bereits Kindergeld darstellten und daß man nicht bereit sei, von Ihrer Seite her, meine Herren und Damen der CDU, Doppelleistungen zu gewähren. Der Herr Berichterstatter, Kerr Kollege Ruf, hat das auch in seinem Schriftlichen Bericht klargelegt.Ich möchte hier nochmals versuchen, dieser Argumentation entgegenzutreten, und möchte darauf hinweisen, daß diese Begründung unseres Erachtens nicht zutrifft und daß sich Ihre Entscheidung gegenüber den einkommensschwachen Rentnerhaushalten sehr unsozial auswirkt. Nicht nur wir, sondern auch eine Reihe von sozialpolitischen Sachverständigen und von sozialpolitischen Praktikern haben klarzumachen versucht, daß es sich bei den Kinderzulagen aus dem Sozialrecht nicht um Kindergeld handelt, sondern um Bestandteile von Sozialleistungen. Während das Kindergeld die familienpolitische Funktion hat, das Erwerbseinkommen allgemein zu ergänzen, treten die Sozialleistungen an die Stelle des Erwerbseinkommens. Aus dieser Erkenntnis und aus dieser Überzeugung heraus, daß Kinderzulage und Kinderzuschuß aus dem gesetzlichen Sozialrecht Bestandteile der Sozialleistungen sind, erklärt sich unsere Haltung zu dieser Frage. Wir sind deshalb der Meinung, daß die Sozialleistungen einschließlich der Kinderzulagen und der Kinderzuschüsse eine Lohnersatzfunktion haben, während das Kindergeld eine Ergänzungsfunktion hat, und zwar entweder zum Erwerbseinkommen oder, wie in diesem Falle, zur Rente.
Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auch auf Herrn Albert Müller berufen, den Pressereferenten des Bundesarbeitsministeriums, der in einem Artikel in der Öffentlichkeit dieselbe Auffassung vertreten hat. Allerdings muß ich das mit einer gewissen Einschränkung sagen, meine Herren und Damen: Damals, als Herr Albert Müller in einem Artikel zu dieser Frage Stellung nahm, war er noch beim „Sozialen Fortschritt" engagiert.
— Wahrscheinlich durchaus richtig gesagt, Herr Kollege Geiger.Aber um Ihnen auch die praktische Seite und die Auswirkungen Ihrer Entscheidungen im Ausschuß zu zeigen, möchte ich einmal folgendes praktisches Beispiel aus der Unfallversicherung aufzeigen: Zwei Tischlergesellen, beide verheiratet, beide mit zwei
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9590 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Frau KorspeterKindern, haben einen monatlichen Arbeitsverdienst von 450 DM. Dem einen Tischlergesellen passiert ein schwerer Arbeitsunfall, und er wird voll erwerbsunfähig. Seine als Schadenersatz von der gesetzlichen Unfallversicherung gewährte Rente beträgt 2/3 des bisherigen Arbeitsverdienstes, also 300 DM zuzüglich 10 % Kinderzulage für das zweite Kind, also 30 DM mehr. Kindergeld erhält er nicht. Nach der jetzigen Fassung des Ausschußberichts würde nun der gesunde Tischlergeselle mit seinem Einkommen von 450 DM aber 25 DM als Kindergeld erhalten, und sein voll erwerbsunfähiger Kollege mit dem niedrigen Renteneinkommen geht bei der Kindergeldzahlung leer aus. Das, meine Damen und Herren, ist jedem unverständlich, und ich glaube, daß Ihre Auffassung, Herr Kollege Stingl, wenn Sie auch mit dem Kopf schütteln,
doch sehr formalistisch ist, wenn Sie davon sprechen, daß Sie Doppelleistungen nicht gewähren wollten.Meine Damen und Herren von der CDU, die Träger der sozialen Unfallversicherung — und dieses Beispiel habe ich ja erwähnt — haben unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß eine Anrechnung von Kinderzulagen für Schwerbeschädigte ein krasser Verstoß gegen das der Unfallversicherung zugrunde liegende Schadenersatzprinzip bedeutet. Ich bin der Meinung, daß das eine entsprechende Argumentation auch bezüglich der Anrechnung des Kindergeldes auf Leistungen der Kriegsopferversorgung und der Rentenversicherung darstellt. Ich würde Ihnen allen empfehlen, den Artikel von Herrn Albert Müller, des Pressereferenten des Bundesarbeitsministeriums, zu lesen, den er, zwar schon 1957, im „Sozialen Fortschritt" veröffentlicht hat. Wir stehen fast haargenau hinter seiner damaligen Auffassung.Unsere Anträge in Ziffer 2 und auch in Ziffer 6 a und Ziffer 6 b — ich begründe sie hier gleich zusammen — haben zum Ziel, diese ebenso systemwidrige wie unsoziale Anrechnung zu beseitigen und die Kinder von Sozialleistungsempfängern gleichfalls in die Kindergeldgewährung einzubeziehen.
Unser Vorschlag bedeutet auch gleichzeitig eine Vereinfachung des Sozialrechts; denn dann erübrigt sich der ganze Rattenschwanz von Änderungen anderer Sozialgesetze, der nach der Ausschußfassung vorgesehen ist. Um eine wirklich einigermaßen soziale Gesetzgebung zu verabschieden, bitte ich, unserem Antrag, auch die Kinder der Empfänger von Sozialleistungen in die Kindergeldgesetzgebung einzubeziehen, zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schütz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Korspeter hat die Änderungsanträge der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 949 Ziffer 2 und Ziffern 6 a) und b) begründet. Ich darf mich dazu ganz kurz äußern.Zunächst hat sie mit einem Lob für den Ausschuß begonnen, daß sich der Ausschuß entschlossen habe, zu den Waisenrenten Kinderzuschläge zu zahlen.
— Der Antrag stammt von der CDU/CSU-Fraktion, aber, Frau Kollegin, wir akzeptieren gern, daß dieser Antrag durch die Darlegungen unseres brillanten Vorsitzenden ausgelöst wurde.
— Wir wollen uns in die Lorbeeren teilen, Herr Kollege Schellenberg.
- Dagegen habe ich gar nicht polemisiert, Frau Korspeter.
— Aber keineswegs!Ich möchte zwei Worte dazu sagen, warum wir uns entschlossen haben, diesen Antrag zu stellen. Nach wie vor ist es nicht restlos unbestritten, wieviel Teile von der Rente des Rentenbeziehers und wieviel Teeile Kindergeld in der Waisenrente stekken. Diesem Streit haben wir endlich gemeinsam ein Ende gemacht. Bei der Waisenrente geben wir dem Rentenanteil des Rentners den Vortritt und legen dazu noch das Kindergeld. Nun hat die SPD beantragt: Tut das bei allen Kinderzuschlägen, wo immer sie herkommen, also aus den Rentenversicherungen, der Arbeitslosenversicherung, der Kriegsopferversorgung, dem Lastenausgleich; mit Ausnahme des öffentlichen Dienstes überall.Meine Damen und Herren, meine Fraktion kann sich dazu nicht entschließen. Ich möchte mich gerade auf das Beispiel von Frau Korspeter mit den beiden Schreinergesellen beziehen, die sie für ihre Argumentation angeführt hat. Der Schreinergeselle, der arbeitet und zwei Kinder hat, wird in Zukunft für das zweite Kind nach unserem Gesetz 25 DM erhalten. Der andere Schreinergeselle, der infolge seiner Invalidität zwei Drittel seines Einkommens hat, erhält dazu einen Kinderzuschlag von 30 DM, also ohnedies schon 5 DM mehr als der Schreinergeselle, der arbeitet.
Ich halte es nicht für zweckmäßig, in diesem Hause einen Wettlauf anzustellen und zu sagen: „Gönnt ihr denn dem armen Rentner nicht noch zusätzlich diese 40 DM?!" Der Rentner erhält vom ersten Kind an sowieso schon im Durchschnitt 42 DM Kindergeld. Der Arbeiter erhält für das erste Kind überhaupt nichts und wird jetzt für das zweite Kind 25 DM erhalten. Der Unterhaltshilfeempfänger nach dem Lastenausgleich erhält vom ersten Kind an
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9591
Schütz
47 DM, und der Arbeiter erhält für sein erstes Kind sowieso nichts. Wenn eine Diskrepanz besteht, dann zum Nachteil desjenigen, der die Kindergelder für alle verdienen muß, und nicht all der anderen. Man sollte nicht immer diese beiden Gruppen gegenseitig ausspielen.Ich bitte deshalb, die Anträge unter Ziffern 2 und 6 auf Umdruck 949 abzulehnen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Korspeter?
Bitte sehr, Frau Korspeter!
Herr Kollege Schütz, dürfte ich Sie noch bitten, auch auf mein Argument einzugehen, daß Kinderzulage und Kinderzuschüsse als Bestandteile der Sozialleistungen betrachtet werden müssen und deshalb eine Lohnersatzfunktion haben, während ,das Kindergeld eine Lohnergänzungsfunktion hat.
Genau das bestreiten wir, Frau Kollegin. Die Rente des Herrn A oder des Herrn B hat eine Lohnersatzfunktion.
Wenn dieser Herr A oder dieser Herr B eine von seinem Lohn abgeleitete Rente bezieht, dann erhält er, unabhängig von dem, was er verdient hat, zu dieser Lohnersatzfunktionsrente noch eine Kinderzulage, die mit dem Kindergeld des Lohnempfängers vergleichbar ist. Das ist unsere Auffassung.
Gestatten Sie noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Büttner?
Herr Kollege Schütz, sind Site der Meinung, daß der zu 100 % Erwerbsbeschränkte mit 300 DM Rente und mit 30 DM Kinderzulage zur Unfallrente gegenüber einem Vollerwerbsfähigen mit 330 DM zuviel hat? Sind Sie nicht der Meinung, daß für diesen Unfallverletzten, der sich überhaupt nicht mehr helfen kann, mehr geschehen müßte als vielleicht für denjenigen, der im Vollbesitz seiner Arbeitskraft ist?
Ich bin der Meinung, daß wir dezidieren sollten, wo der Notstand beginnt und wo er aufhört. Das gehört aber nicht in dieses Kapitel hier. Wenn aber der Mann mit den 330 DM nicht leben kann, dann müssen wir eben die Unfallrente erhöhen.
Aber wir können nicht die Rentenerhöhung beim Kindergeld vornehmen.
Gestatten Sie noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Büttner?
Herr Kollege Schütz, sind Sie bereit, sich im nächsten Bundestag dafür einzusetzen, daß die Unfallversicherung neu geregelt und nicht wie in 'diesem Bundestag abgewürgt wird?
Es kommt nicht darauf an, ob ich allein bereit bin. Ich bin bereit, und ich kann sogar sagen: meine Fraktion ist selbstverständlich bereit, das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz sehr bald im 4. Bundestag vorzunehmen.
Herr Abgeordneter Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stellen nach dem, was Herr Kollege Schütz erklärt hat, folgendes fest. Erstens: Sie lehnen die Gewährung von Kindergeld für Rentner mit den gleichen Argumenten ab, mit denen der Herr Bundesfamilienminister noch im Dezember 1960 die Gewährung von Kindergeld für Waisenrentner in der Öffentlichkeit abgelehnt hat. Zweitens: Die Folge einer Ablehnung unseres Antrages ist, daß jemandem, der Kindergeld als Arbeitender bezieht, in dem Augenblick, in dem er Rentner wird, das Kindergeld entzogen wird.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 949 . Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Jetzt kommt § 3 in der Fassung des Ausschusses. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
§§ 4, — 5, — 6, — 7, — 8. — Wer den §§ 4, 5, 6, 7, 8 bis dahin liegen keine Änderungsanträge vor — zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig.
Jetzt kommt der § 9. Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 949 Ziffer 3 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Herr Abgeordneter Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem ersten Kindergeldgesetz hat die sozialdemokratische Bundestagsfraktion schwerwiegende Bedenken gegen das System der Familienausgleichskassen vorgebracht, und zwar deshalb, weil dieses System nicht aus sachlichen Gründen, sondern aus ideologischen Motiven ge-
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Dr. Schellenbergschaffen wurde. Es sollte die Kindergeldgesetzgebung nach berufsständischen Prinzipien aufgebaut werden. Wenn die CDU heute von diesem System insoweit abgeht, als eine Kindergeldkasse als einheitliche Organisation errichtet werden soll, so wäre das an und für sich für die Opposition ein Anlaß, zu triumphieren, weil die CDU/CSU damit von Ihrer früheren Kindergeldkonzeption der berufsständischen Familienausgleichskassen abgehen muß.Aber, meine Damen und Herren, die Konstruktion, die uns heute dargeboten wird, ist einmalig in der Sozialgeschichte. Für die Gewährung von Kindergeld sollen durch dieses Gesetz zwei völlig voneinander getrennte Organisationen geschaffen werden. Für die Gewährung von Kindergeld an Dritt- und Mehrkinder bleiben die Familienausgleichskassen bei den Berufsgenossenschaften zuständig, und für die Gewährung von Kindergeld an Zweitkinder sollen Kindergeldkassen bei den Arbeitsämtern zuständig werden. Das ist nach unserer Auffassung und nach der Auffassung eines jeden, der von einer solchen eigenartigen Konstruktion Kenntnis erhält, ein bisher nicht erreichter Höhepunkt eines verwaltungstechnischen Unfugs.
Meine Damen und Herren von der Regierungspartei, es dürfte auch Ihnen nicht unbekannt geblieben sein, daß Familien mit Drittkindern auch Zweitkinder haben. Die Organisation, die Sie jetzt schaffen wollen, führt dazu, daß die Familienausgleichskassen, die bereits die Unterlagen für die Drittkinder haben, diese Unterlagen für das zweite Kind der gleichen Familie nicht verwenden können; vielmehr muß sich eine andere Organisation erst völlig neue Unterlagen für diese Zweitkinder beschaffen.
Es soll unabhängig von dem bereits vorhandenen Verwaltungsapparat ein neuer, selbständiger Verwaltungsapparat aufgebaut werden, so daß für fast eine Million Familien in Angelegenheiten der Kindergeldgewährung gleichzeitig zwei Verwaltungsapparate zuständig werden sollen. Das ist in der Tat eine geradezu groteske Konstruktion.
Nun erwecken Sie, meine Damen und Herren der CDU/CSU, ,den Eindruck, daß dieses Nebeneinander nur für ein kurzes Übergangsstadium bestimmt sei.
— Ich komme gleich darauf, Herr Kollege Winkelheide. Diesem Zweck dient der seltsame § 9 Abs. 3. Aber, meine Damen und Herren, die Ausrede — anders kann ich es nicht sagen —, daß das Nebeneinander nur für ein kurzes Übergansstadium dauern soll, kann nur der glauben, der von den Dingen wenig versteht, und, Herr Kollege Winkelheide, ich rechne Sie nicht zu diesen Leuten. Wenn dieser Übergang nur kurze Zeit dauern sollte, hätte die Bundesregierung doch sicher eine Fassung vorgelegt, wonach das Übergangsstadium nach Ablauf eines halben oder eines ganzen Jahres beendet unddie Zweigleisigkeit durch eine Organisation ersetzt wird. Die Bundesregierung hat das unterlassen. Sie hat das deshalb unterlassen, weil eine Überleitung der Kindergeldgewährung für Dritt- und Mehrkinder auf die neue Organisation der Kindergeldkassen bei den Arbeitsämtern voraussetzt, daß das System der Aufbringung der Mittel für Dritt- und Mehrkinder geändert wird, geändert werden müßte,
weil die Arbeitsämter überhaupt über keinen Verwaltungsapparat zur Einziehung von Beiträgen und dergleichen verfügen.
— Die Mittel für die Arbeitslosenversicherung ziehen die Arbeitsämter nicht selbst ein, Herr Kollege Stingl, sondern die zieht ein anderer Verwaltungsapparat, die Krankenkasse ein.
Wenn Beiträge und Leistungen für Kindergeld bei einer Stelle in ein ,System gefaßt werden sollen, dann hätten Sie Kindergeldkassen bei den Krankenkassen errichten müssen.
— Aber, meine Damen und Herren, seit dem Ersten Kindergeldgesetz, seit 1954, seit 7 Jahren, ist die Mittelaufbringung für Drittkinder nicht sinnvoll geregelt. Es ist eine Tatsache, daß dieses Problem der Mittelaufbringung — ungeachtet der Aufträge des Bundestages an die Bundesregierung — nicht gelöst ist. Deshalb muß befürchtet werden, daß die neue Konstruktion, das Nebeneinander der zwei Organisationen allein schon wegen der Einziehung von Mitteln für das Drittkindergeld noch viele Jahre bestehen wird. Es besteht die Möglichkeit, daß viele Jahre nebeneinander ein System der Familienausgleichskassen bei den Berufsgenossenschaften und der Kindergeldkassen bei den Arbeitsämtern bestehenbleibt, wenn heute die Weichen falsch gestellt werden.Deshalb ist die einzige Möglichkeit, diesen Widersinn zu vermeiden, die, .die Auszahlung des Kindergeldes für Zwetkinder den Stellen zu übertragen, die schon Kindergeld für Dritt- und Mehrkinder gewähren. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß eine solche Übertragung nach unserer Auffassung sicher nicht der Weisheit letzter Schluß ist, weil wir das System der Familienausgleichskassen aus prinzipiellen Erwägungen immer abgelehnt haben. Es ist aber das kleinere Übel im Vergleich zu dem Unsinn, den Sie 'heute schaffen wollen.
Selbstverständlich müssen bei einer solchen Übertragung an die Stellen, die Kindergeld schon jetzt zahlen, diesen Stellen auch 'die Mittel nach diesem Gesetz zufließen. Eine solche Regelung, die wir
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Dr. Schellenbergdurch unseren Antrag auf Umdruck 949 Ziffer 3 a und b beantragen, würde das System in außerordentlicher Weise vereinfachen. Über zwanzig Paragraphen dieses Gesetzes würden wegfallen, und die gesamte Verwaltung wäre wesentlich vereinfacht. Es könnte dann einer späteren gründlichen Beratung überlassen bleiben, ,die zweckmäßigste Organisationsform für die Gewährung von Kindergeld auszuarbeiten. Das wäre dann ein wesentlicher Schritt, um zu der seit langem fälligen wirklichen Neuordnung der Kindergeldgesetzgebung zu kommen. Was Sie heute wollen, ist keine Neuordnung, sondern eine neue Komplikation.
Das Wort hat der Abgeordnete Weber.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf für die Fraktion der Freien Demokraten erklären, daß wir dem Antrag der SPD auf Umdruck 949 Ziffer 3 zustimmen. Sie haben gleichzeitig noch unseren Entwurf eines Gesetzes zur Auflösung und Abwickelung ,der Familienausgleichskassen vom 20. Januar 1959 vorliegen. Was wir wollen, meine Damen und Herren, ist die Lösung der ganzen Kindergeldgesetzgelbung über das Finanzamt. Nach dem Regierungsentwurf wird es eine Auftragsangelegenheit bei den Arbeitsämtern, hier wird eine Auftragsangelegenheit für die Familienausgleichskassen vorgeschlagen. Wir wollen auch in Zukunft nur gegen eine Institution kämpfen — das ist uns schon schwer genug gefallen — und wollen nicht eine neue Organisation aufbauen und aufblähen, so daß wir es nachher mit zwei Institutionen zu tun haben. Deshalb stimmen wir diesem Antrag zu.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege, ich stimme Ihnen in puncto Finanzämter zu. Aber ist Ihnen bekannt, daß die Länder diese Tätigkeit ablehnen? Und damit entfällt dieser Entwurf. Denn wir haben leider keine Bundesfinanzverwaltung, sondern haben Länderfinanzverwaltungen.
Ich darf Ihnen offen sagen, Herr Kollege Dr. Dresbach: Jede Institution wird sich gegen einen neuen Auftrag wehren. Auch die Arbeitsämter haben sich gewehrt. Ich habe Präsidenten von Landesarbeitsämtern gehört, die sich genauso dagegen gewehrt haben, sogar Mitglieder Ihrer Partei.
Zweitens: Selbst unser Parteifreund Minister Frank hatte vor dem Bundesrat in diesem Sinne gesprochen. Das eine sage ich Ihnen: Die Länder können sich dagegen wehren; entscheidend ist schließlich die Meinung ,des Parlaments,
und genauso, wie wir gestern hier mit qualifizierter Mehrheit Einsprüche des Bundesrats abgewiesen haben, könnten wir hier das Finanzamt beauftragen. Die Finanzämter müssen }a auch die Bundessteuern einziehen. Ich bin kein Steuersachverständiger wie Sie, Herr Kollege Dresbach; aber führen die Finanzämter, die in ihrer Organisation eine Landesangelegenheit sind, nicht auch die Einziehung der Umsatzsteuer ,als Auftragsangelegenhet aus? Warum sollen sie nicht auch diese Aufgabe übernehmen können, wenn das Parlament es beschließt? Es liegt nur an der Einstellung und der Haltung der Mehrheitsfraktion. — Wir stimmen jedenfalls diesem Antrag zu.
Gestatten Sie mir noch eine Zwischenfrage! Ist Ihnen bewußt, daß es sich hier um ein Zustimmungsgesetz handelt und daß die Länder bisher diese Beauftragung der Finanzämter abgelehnt haben? Ist Ihnen bewußt, daß die Sache mit den Arbeitsämtern etwas ganz anderes ist? Nach ,dem Willen .meiner Partei handelt es sich hier doch um eine Arbeitsbeschaffung für arbeitslos werdende Behörden.
Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen, Herr Dr. Dresbach.
Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Weber hat wohl noch nie etwas von der Existenz eines Bundesrates gehört und weiß nicht, daß wir gewisse Gesetze nur dann zustande bringen können, wenn wir die Zustimmung des Bundesrates bekommen.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, den Antrag der SPD-Fraktion, der von der FDP unterstützt wird, abzulehnen. Ich habe im Ausschuß meinen Ohren nicht getraut, als ich hörte, daß ausgerechnet die Fraktionen der SPD und der FDP, die bisher erbittert und hartnäckig gegen die Familienausgleichskassen gekämpft haben, jetzt diese Familienausgleichskassen durch die Zuweisung öffentlicher Mittel zementieren wollen. Das ist für uns unverständlich.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Ruf?
Gern!
Herr Kollege Ruf, glauben Sie nicht ebenfalls, daß, wenn wir politisch wirksam geworden wären — und gerade Sie in Ihrer Partei wirksam geworden wären , es möglich gewesen wäre, auch die Meinung in den Ländern zu ändern?
Auf diese Zwischenfrage komme ich im Laufe meiner Ausführungen zurück.
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Ich habe den Eindruck, daß zu viele Fragen als Glaubensfragen gestellt werden: „Glauben Sie, daß . . .?" und so weiter. Das ist manchmal nützlich, aber sicher gelegentlich ohne Nutzen.
Meine Damen und Herren! Die Fragen, die wir hier miteinander besprechen, sind Fragen der Zweckmäßigkeit und der besseren Organisation und nichts weiter. Wenn wir die öffentlichen Mittel bei diesem Gesetz einer besonderen Institution, einer neuen Institution zuweisen wollen, dann wollen wir das vor allen Dingen, um sichtbar werden zu lassen, wie wir uns eine künftige Regelung der Kindergeldgesetzgebung denken. Das ist unser Hauptmotiv bei dieser Sache. Wir wollen damit sagen, daß die künftige Regelung eine Auflösung der Familienausgleichskassen vorsieht. Das wollen wir hier zum Ausdruck bringen. Herr Kollege Blank hat bei der ersten Lesung dieses Gesetzes schon darauf hingewiesen.
Meine Damen und Herren, daß diese Übergangsregelung niemandem von uns gefällt und niemandem von uns gefallen kann, brauche ich nicht zu betonen.
Herr Abgeordneter Ruf, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Ruf, wieviel Jahre wird nach Ihrer Meinung diese Übergangsregelung etwa dauern?
Das hängt auch von Ihnen und von Ihrer konstruktiven Mitarbeit im Ausschuß ab. Sie wissen ganz genau, Herr Professor Schellenberg, daß die Bundesregierung bereits einen Neuordnungs-Gesetzentwurf ausgearbeitet hat,
und Sie wissen ganz genau, auf welche Schwierigkeiten dieser Entwurf gestoßen ist. Aber selbst wenn er in diesem Hause eingebracht worden wäre, hätte er von uns bei der Kürze der uns noch zur Verfügung stehenden Zeit nicht mehr bearbeitet werden können, nachdem wir so lange und so erfolgreich miteinander an der Krankenversicherungsreform gearbeitet haben.Nun hat Herr Kollege Weber wieder auf den Antrag der FDP Drucksache 799 hingewiesen, in dem seinerzeit, ohne daß etwas über die Finanzierung, darüber, woher die Mittel kommen sollen, gesagt war, die Finanzamtlösung vorgeschlagen war. Meine Damen und Herren, wir wollen doch endlich ein für allemal festhalten, daß eine solche Finanzamtlösung, selbst wenn wir sie gewollt hätten — ein großer Teil von uns hat sie gewollt —, stets am hartnäckigen Widerstand der Länder, und zwar am einmütigen Widerstand aller Länderfinanzminister, gescheitert wäre.Die Bundesregierung hat zu einem früheren Zeitpunkt — es war im Jahre 1957; Drucksache 3490 — schon einmal die Einschaltung der Finanzämter vorgesehen. Damals hat der Bundesrat zu einer Einschaltung der Finanzämter folgendes gesagt — ich darf es mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren —.Gegen die Übertragung der neuen Aufgaben auf die Finanzämter bestehen schwerste Bedenken. Jede weitere Belastung der Finanzämter muß zwangsläufig dazu führen, daß die ihnen in erster Linie obliegenden Arbeiten darunter leiden und daß die wesensmäßigen Arbeiten der Steuerverwaltung, nämlich die Festsetzung der Steuern und deren Einziehung, nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erledigt werden können.Und noch etwas sehr Interessantes, meine Damen und Herren, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte und ,das auch einmal ins Protokoll kommen sollte. Herr Kollege Dr. Dresbach hat einen Brief von dem damaligen Präsidenten der Ständigen Konferenz der Länderfinanzminister Herrn Dr. Frank bekommen. Herr Dr. Frank, ein Kollege der FDP-Fraktion, hat damals als Präsident dieser Finanzministervereinigung zu ,dem Antrage der FDP — Finanzamtlösung — in einem Schreiben Stellung genommen. Auch dieses Schreiben möchte ich — mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten — zitieren. Herr Dr. Frank schrieb damals:Bei Zugrundelegung des Antrages der Fraktion der FDP — Bundestagsdrucksache 799 — ergibt sich, daß bei der geplanten Neukonstruktion der Kindergeldzahlung den Finanzämtern zwei Aufgaben zugeteilt werden sollen...Diese erhebliche Mehrarbeit kann von den Finanzämtern nach Ansicht der Finanzministerkonferenz ohne eine ins Gewicht fallende Personalvermehrung nicht geleistet werden. Die Arbeitsbelastung der Bediensteten in den Finanzverwaltungen der Länder ist außerordentlich groß.Nur unter Schwierigkeiten ist es möglich, die anfallenden Arbeiten auf dem Steuersektor zu bewältigen. Von seiten der Befürworter der Finanzamtlösung wird zur Stützung ihrer Forderung behauptet, daß die Finanzämter am leichtesten in der Lage seien, die Arbeit zu bewältigen, da sie im Zusammenhang mit den steuerlichen Vorgängen in der größten Zahl der Fälle die Unterlagen, die zur Überprüfung notwendig sind, in der Hand hätten. Dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden, da gerade die Tarifänderungen bei der Einkommensteuer— die wir beschlossen haben —dazu geführt haben, daß ein sehr hoher Prozentsatz von ursprünglich Steuerpflichtigen steuerlich nicht mehr erfaßt wird. Die Finanzämter haben daher gerade über diesen Kreis keinerlei Unterlagen in der Hand und sind auf unmittelbare Nachprüfungen angewiesen.
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Ruf
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9596 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
— Sehr richtig; was ich herauslese, das sagt mir, daß auf dem Weg von der Konzeption zur Konfusion der Zug nunmehr auf das Schnellfahrtgeleis geleitet werden soll.
Das ist das, was ich aus dem Gesetz herauslese, Herr Kollege.Wie konfus die ganze Sache schon geworden ist, das zeigen doch auch Ihre Ausführungen, Herr Kollege Ruf. Denn Sie geben mehr oder weniger zu, daß die Finanzamtslösung doch die beste wäre. Denn bruchstückweise kommen Sie doch auf den alten Vorschlag der FDP zu, der seit Jahren unsere Alternative zu Ihren Vorstellungen ist und an dem wir nach wie vor als einzig richtiger Lösungsmöglichkeit festhalten. Soweit wir unterrichtet sind, hat sich auch das Arbeitsministerium schon mit einer solchen Vorstellung befaßt. Warum wollen Sie sie nicht durchgesetzt haben, Herr Kollege Ruf? Weil Sie meinen, die Länder würden nicht mitmachen. Lediglich aus diesem Grunde und nicht aus irgendeiner Konzeption heraus gehen Sie von den Finanzämtern ab und suchen nun irgendeine Behörde, der Sie es anhängen können, und kommen, wie es Ihr Fraktionskollege Dresbach ganz richtig gesagt hat, weil diese ansonsten augenblicklich nichts zu tun haben — auf die Arbeitsämter. Meine Damen und Herren, seien Sie nicht so zimperlich, wenn der Bundesrat zunächst mal anderer Auffassung zu sein scheint wie wir! Sie haben ja auch in anderen Dingen Mut gegenüber dem Bundesrat bewiesen. Ich denke nur an das Fernsehen. Versuchen Sie es dochhier gleichfalls; vielleicht haben Sie mehr Glück als beim Fernsehen.
Ich weiß, was nun von Ihnen gesagt werden wird: Wir kommen noch zu der großen Reform, wir kommen schon noch dazu. Herr Winkelheide hat es gesagt, Herr Ruf hat es gesagt und mehrere andere auch, drinnen im Parlament und draußen in den Wahlversammlungen insbesondere. Wie oft haben Sie uns das schon gesagt, seitdem wir uns, seit dem Jahre 1954, mit diesem Problem hier im Bundestag herumschlagen, wo es immer wieder um diese grundsätzliche Frage geht, wo Sie immer wieder versprochen haben: „Das nächste Mal wollen wir die Sache endlich machen" und wo auch beim nächsten Gesetz weiter nichts als Stückwerk herauskommt, das von der Konzeption noch mehr zur Konfusion führt. Ich erinnere Sie an die Debatte, die wir in diesem Hause am 26. Februar 1959 hatten, als wir in zweiter Lesung zunächst mit wenigen Stimmen Mehrheit durchgekommen waren, weil diejenigen aus Ihrer Fraktion, die draußen in Versammlungen des Mittelstandes sprachen — nicht wahr, Herr Ruf, Sie wissen, was ich meine; es war ein wenig abstrakt, was draußen gesagt wurde, hier, konkret, war es etwas anderes —, sich verpflichtet fühlten, nun einmal zu ihrem Wort zu stehen, das sie damals gegeben haben. Sie erinnern sich an das kümmerliche Schauspiel, das sich dann abgespielt hat, als Sie die dritte Lesung um eine Woche verschieben ließen und dann in namentlicher Abstimmung dafür sorgten — Sie bestätigen es sogar Herr Kollege Ruf —, daß kein einziger Ihrer Fraktionskollegen mehr aus Ihrer geschlossenen Front ausbrechen konnte, und als Sie das ganze Fiasko mit Ihrem damaligen Entschließungsantrag zu bemänteln versuchten, mit dem die Bundesregierung beauftragt wurde, eine neue Lösungsmöglichkeit vorzulegen.Wir haben damals Ihren Entschließungsantrag abgelehnt. Wir haben ihn als das bezeichnet, was er war: als Makulatur, als ein im Karneval gegebenes Heiratsversprechen und dergleichen mehr. Wir haben recht behalten; denn es ist bis heute noch nichts geschehen, Herr Kollege Ruf. Wenn Sie nun bereits zugeben, daß die Aufbringungsseite bei dem Kindergeld für das zweite Kind unmöglich ist, daß Sie also das zweite Kind nicht mehr über diese Aufbringungsseite finanzieren können, dann sollte man ruhig den Auftrag, es mit Steuergeldern zu machen, bei den jetzigen Familienausgleichskassen lassen, wie es dem SPD-Antrag entspricht, und nicht noch eine neue Behörde schaffen.Herr Kollege Ruf, wie lösen Sie die Schwierigkeit, wenn eine Familie ein Kind hat und jetzt Zwillinge auf die Welt kommen? Welcher Zwilling muß zum Arbeitsamt, und welcher muß zur Berufsgenossenschaft?
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9597
Dr, StammbergerVielleicht können Sie würfeln oder es sonstwie entscheiden. Es wird sich schon eine Lösung finden. Mir tun bloß die armen Eltern leid, die das mitmachen müssen, Herr Kollege.
Je größer das Durcheinander wird, Herr Kollege Ruf, um so größere Hindernisse setzen Sie vor eine Reform. Aber dafür garantiere ich Ihnen, Herr Kollege Ruf, im nächsten Bundestag wird sie kommen. Dafür werden wir Sorge tragen.
Dann werden wir den Herrn Bundeskanzler auch helfen, daß er sein Versprechen einlöst, das er vor wenigen Tagen vor dem Deutschen Handwerkstag gegeben hat, wo er zum wiederholten Male gesagt hat, nun müsse aber endlich die Reform des Kindergeldgesetzes kommen. Wir werden Ihnen behilflich sein, für das geradezustehen, was Sie im Wahlkampf wieder einmal versprochen haben.
Meine Damen und Herren, wir haben noch weitere Wortmeldungen. — Manchmal fallen hier Ausdrücke, die mir als erstaunliche Bereicherung der deutschen Sprache erscheinen. „Ein zweites Kind finanzieren" — was das bedeutet, weiß ich nicht. Vielleicht kann es im Laufe weiterer Reden noch näher erläutert werden...
Das Wort hat der Abgeordnete Rohde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Stammberger brauche ich nur noch einige Ergänzungen zu machen.
Diese Stunde muß ja für die CDU/CSU eine bittere Stunde sein.
— Herr Kollege Stingl, denken Sie daran zurück, mit welchem Aufwand Sie im Jahre 1954 das System der Kindergeldzahlung durch die Familienausgleichskassen bei den Berufsgenossenschaften begründet haben! Damals haben Sie uns erklärt, es handle sich dabei um eine gesellschaftspolitische Grundsatzentscheidung. Der Familienminister hat damals mit bösen Worten jeden, der das organisatorische System für schlecht hielt, verdächtigt. Er hat, wie das gestern auch bei dem Reichsjugendwohlfahrtsgesetz und zuvor bei dem Sozialhilfegesetz geschehen ist, mit dem Ideologieverdacht gegenüber denjenigen gearbeitet, die solche Organisationsprinzipien aus wohlerwogenen Gründen nicht für sinnvoll für die Sozialpolitik halten. Die Kindergeldgesetzgebung ist ein Beispiel dafür, wohin es führt, wenn in einem Lande mit ideologischen Vorurteilen Sozialpolitik getrieben wird,
wenn man es von vornherein ausschließt, über bessere und sachgerechtere Regelungen mit dem Partner, mit dem man im Parlament sitzt, zu diskutieren,und wenn man ihm sagt: „Auch von besserem Sachverstand lassen wir uns nicht überzeugen".Nun haben Sie sich zwar im Jahre 1954 nicht vom besseren Sachverstand überzeugen lassen. Aber sie müssen jetzt unter dem Druck der Tatsachen und der Entwicklung des Kindergeldsystems zugeben: so geht es nicht weiter.
In diesem Sinne, Herr Kollege Ruf, ist diese Diskussion heute, gesehen auf dem Hintergrund der großen Worte von 1954, für Sie eine bittere Stunde.
Die Bundesregierung hätte nun in den vier Jahren, in denen sie über die absolute Mehrheit im Parlament verfügt, eine Neuregelung zustande bringen können, zumal sie sich auf zwei wesentliche Voraussetzungen stützen konnte. Erstens ist das Parlament von rechts bis links einig darin, daß die Zweitkinder in die Kindergeldzahlung miteinbezogen werden sollen. Die zweite Voraussetzung ist, daß inzwischen auch die CDU/CSU zugegeben hat, daß eine Neuregelung der gesamten Kindergeldzahlung zustande kommen müsse. Trotz dieser Voraussetzungen hat es der Arbeitsminister in vier Jahren nicht geschafft, dem Parlament eine vernünftige Konzeption für eine umfassende Neuregelung vorzulegen. Sie sagen uns jetzt: Es bleibt nichts anderes übrig, als kurz vor Ende der Legislaturperiode die gespaltene Lösung in Kauf zu nehmen, zwei Verwaltungsapparate mit all den Nachteilen zu schaffen, die sowohl Herr Schellenberg als auch Herr Stammberger dargelegt haben.Ich will Ihnen sagen: auch für eine Übergangsregelung wäre eine sinnvollere Konzeption möglich gewesen.
Aber ich habe die Befürchtung, die CDU/CSU war gar nicht mehr frei in ihren Entscheidungen
— lassen Sie mich weiter reden —, weil nämlich der Herr Bundesarbeitsminister hinter dem Rücken des Parlaments, wie er das ja nicht zum ersten Mal getan hat, schon Verpflichtungen eingegangen war, die die CDU/CSU glaubte unbedingt dadurch honorieren zu müssen, daß sie sich im Sozialpolitischen Ausschuß nicht bereit fand, eine sinnvollere Übergangsregelung zu schaffen. Das scheint mir die wirkliche Erklärung dafür zu sein, daß sich die CDU/CSU nicht der Verpflichtung bewußt war, im Ausschuß, wenn es sein muß und wenn die Regierungsvorlage schlecht ist, zu einer besseren und sachgerechteren Entscheidung zu kommen.Darum müssen wir heute auf der Grundlage eines so mangelhaften Gesetzentwurfs diskutieren, über den genau dasselbe zu sagen ist, was Herr Kollege Dürr gestern abend über die Novelle zum Reichsjugendwohlfahrtsgesetz ausgeführt hat.
— Herr Kollege Ruf, daß wir bei der Beratung desKindergeldgesetzes in dieser Situation stehen, liegt
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9598 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Rohdenicht daran, daß die Gesellschaft, in der wir leben, kompliziert ist, sondern das liegt an der Unfähigkeit der heute amtierenden Regierung, soziale Reformen zu bewältigen.
Ich habe jetzt keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Antrag. Wird das Wort dazu noch weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung, und zwar stimmen wir zunächst über Umdruck 949 Ziffer 3 a ab. Über Ziffer 343 werden wir nicht besonders abstimmen, sondern unmittelbar über die §§ 10 bis 20. Zunächst also Antrag Umdruck 949 Ziffer 3 a. Wer für diesen Änderungsantrag ist, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Wenn die jetzt leeren Plätze des Mittelblocks besetzt wäre, wäre es einfach, festzustellen, wo die Mehrheit ist. Aber wir müssen ja ,die Stimmenzahl der Anwesenden feststellen. Vielleicht stimmen wir noch einmal durch Aufstehen ab. Wer annehmen will, der möge sich erheben. — Gegenprobe! — Nun ist klar, wo die Mehrheit liegt. Der Antrag ist abgelehnt.
Dann stimmen wir iab über die §§ 9 bis 20. Sind Sie einverstanden, daß wir in einem darüber abstimmen?
Wer für diese Bestimmungen ist, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Mit derselben Mehrheit — nur im Spiegelbild — angenommen.
Nunmehr zu § 21. Hierzu liegen Änderungsanträge vor. Sie finden sie auf Umdruck 949 Ziffer 4 und Umdruck 963. Zunächst Umdruck 949 (neu) Ziffer 4. Wer begründet? — Das Wort hat der Abgeordnete Büttner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen auf Umdruck 949 Ziffer 4, § 21 wie folgt zu fassen: „Die Aufwendungen für das Zweitkindergeld trägt der Bund." Diese Formulierung ist einfach und klar und legt die Verpflichtung .des Bundes fest, das Kindergeld für das Zweitkind zu zahlen. Im Regierungsentwurf heißt es:
Die Aufwendungen der Kindergeldkasse trägt bis zu der in § 9 Abs. 3 vorgesehenen Regelung des Kindergeldrechts der Bund.
Diese Fassung ist uns zu unklar. Sie ist uns zu unklar, weil auch der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung auf eine Frage im Ausschuß für Sozialpolitik, wie das 'später geregelt werden soll, die Antwort gegeben hat: Wie das später geregelt wird, läßt die Regierung offen.
Weil wir als Sozialdemokraten nicht wünschen und nicht wollen, daß am Tage X, dem Tage der Neuregelung, es Wieder einmal die Kleinen, die Handwerker sind, die dann auch für das Zweitkindergeld die Mittel aufbringen sollen, bitten wir,
dem § 21 die klare Fassung zu geben: „Die Aufwendungen für das Zweitkindergeld trägt der Bund." — Ich hatte Sie nicht verstanden, Herr Kollege Ruf. Falls Sie irgendwie etwas daran auszusetzen haben, Herr Kollege Ruf, falls Sie sagen wollen, daß das, was ich hier vorgetragen habe, nicht stimmt: wir haben ja erst in jüngster Zeit ein Gesetz verabschiedet, das uns mißtrauisch gestimmt hat. Ich erinnere an die Krankenversicherung, wo wohl Leistungsverbesserungen zustande gekommen sind, die aber durch eine Beitragserhöhung ausschließlich zu Lasten der Versicherten gehen. Wir wollen die Kleinen vor einer neuerlichen Belastung bewahren.
Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begründe den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 963. Der Änderungsantrag der SPD Umdruck 949 Ziffer 4 und unser Änderungsantrag Umdruck 963 scheinen ähnlich zu sein. Der Unterschied zwischen beiden Anträgen ist der, daß die SPD die Aufwendungen für das Zweitkindergeld vom Bund getragen wissen will, während wir die Aufwendungen der Kindergeldkasse vom Bund getragen wissen wollen. Wenn also unsere Fassung angenommen wird und auch die Aufwendungen für das Kindergeld — nicht nur für die Zweitkinder, sondern auch für weitere Kinder — von der Kindergeldkasse mit übernommen werden, dann wären auch diese Aufwendungen, wenn man § 21 nicht ändert, vom Bund zu tragen. Deshalb ist, wie ich glaube, unser Antrag der weitergehende.Wir wollen die Verweisung auf § 9 Abs. 3 dieses Gesetzes gestrichen haben. § 9 Abs. 3 ist ein Programmsatz, der eher in eine Entschließung zum Gesetz als in das Gesetz selber hineingehört. Sie werden mir erwidern, meine Damen und Herren, Programmsätze ähnlicher Art stehen schon in vier weiteren geltenden Gesetzen. Das ist richtig, aber es ist nicht schön. Lieber ein paar Einzelfälle einer Krankheit, als daß sich das so ausbreitet, daß es zu einer Epidemie kommt. Wenn schon in vier Gesetzen Programmsätze enthalten sind, dann braucht man das im fünften nicht unbedingt zu haben. Aber nun ist der § 9 Abs. 3 in zweiter Lesung beschlossen.Was wir hier befürchten, ist folgendes: Dieses Gesetz wird, wenn es in Kraft treten sollte, verwaltungsmäßige Schwierigkeiten in so großem Ausmaß bringen, daß vielleicht die Verfechter des Familienausgleichskassensystems wieder ihr Haupt erheben und sagen werden: Zurück zur Familienausgleichskasse, dort geht es wenigstens einfacher! Diese Rückzugsmöglichkeit wollen wir durch die Streichung der Verweisung auf § 9 Abs. 3 beseitigt wissen, um 'die Weiche klar und eindeutig in die Richtung zu stellen, die die Freien Demokraten und die Sozialdemokraten Ihnen seit 1954 vorschlagen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9599
DürrWir bitten Sie deshalb, unserem Antrag auf Umdruck 963 zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Memmel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Dürr hat recht, wenn er vorträgt, daß die beiden Umdrucke 949 Ziffer 4 und 963 im Ergebnis das gleiche wollen. Sie wollen nämlich für alle Zukunft festlegen, daß das Zweitkindergeld bzw. die Aufwendungen für die zu schaffende Kindergeldkasse vom Bund getragen werden. Gerade diese Festlegung wollen wir aber nicht. Wir wollen es der künftigen Reform vorbehalten. Wenn das Kindergeldgesetz vom 13. November 1954, das Kindergeldanpassungsgesetz vom 7. Januar 1955 und das Kindergeldergänzungsgesetz vom 23. Dezember 1955, wenn diese drei großen Gesetze zusammen mit dem uns jetzt vorliegenden reformiert werden, dann erst wollen wir die endgültige Regelung schaffen. Deswegen ist in unserer Fassung des § 21 die Formulierung „bis zu der in § 9 Abs. 3 vorgesehenen Neuregelung des Kindergeldrechts" ganz bewußt enthalten. Wir wollen nicht, daß jetzt für den kommenden Bundestag schon die Lösung zementiert wird, daß der Bund ein für allemal das Zweitkindergeld trägt. Es könnte ja sein, daß für die Wirtschaft hinsichtlich der Dritt-, Viert- und Fünftkinder eine gewisse Entlastung eintrit. Das liegt durchaus im Bereich des Möglichen. Wir wollen diese Festlegung jedenfalls nicht. Ich bitte deshalb, beide Anträge abzulehnen.
Wollen Sie eine Frage stellen? — Es ist zu spät.
Das Wort hat der Abgeordnete Rohde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die finanziellen Grundlagen der Kindergeldzahlung müssen mit besonderem Bedacht behandelt werden, zumal es unsere gemeinsame Erfahrung ist, daß sich das bisherige Finanzierungssystem für das Kindergeld, nämlich ,die Erhebung der Mittel nach dem Lohnsummenschlüssel, nicht bewährt hat und offensichtlich eine weitere Entwicklung des Familienlastenausgleichs blockiert. Hinsichtlich der Finanzierung des Kindergeldes für Dritt- und Mehrkinder wird sich ja jetzt keine Änderung mehr ergeben, obwohl das Parlament vor zwei Jahren — so auch Herr Schmücker — erklärt hat, es müsse so schnell wie möglich dafür gesorgt werden, ,daß die mittelständischen Betriebe von den Ungerechtigkeiten der Kindergeldfinanzierung befreit würden. Der Herr Bundeskanzler hat das auch vor einigen Tagen vor der Handwerkerschaft noch einmal zum Ausdruck gebracht und beklagt, daß diese Belastungen noch immer bestehen. Offenbar kommen wir jetzt in eine Zeit, in der der Herr Bundeskanzler die Richtlinien der Politik mehr beklagt als bestimmt.
Jetzt stehen wir vor der Frage: Wie soll denn nun für die Zukunft die Weiche hinsichtlich der Finanzierung des Kindergeldes gestellt werden? In dem vorliegenden Gesetzentwurf heißt es: Bis zu der Neuregelung des gesamten Kindergeldgesetzgebungswerkes soll der Bund die Kosten für die Kindergeldzahlung an Zweitkinder tragen. In den Ausschußberatungen haben wir darauf hingewiesen, daß die Formulierung „bis zur Neuregelung" gestrichen werden könne und sollte. Im Sozialpolitischen Ausschuß hat der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion dem auch zunächst zugestimmt. Erst später, nach einer nochmaligen Beratung, hat er diese Zustimmung wieder zurückgezogen. Heute wissen wir, warum. Weil sich, wie Herr Kollege Memmel hier zum Ausdruck brachte, die CDU/CSU für die künftige Finanzierung des Kindergeldes die Hand völlig freihalten will und weil sie auch die Finanzierung des Kindergeldes an Zweitkinder nicht für immer vom Bund tragen lassen möchte. Die CDU/CSU will offenbar auch dafür nur eine Übergangsregelung schaffen und dann unter Umständen wieder zu Finanzierungsmethoden kommen, die denen der Finanzierung für Dritt- und Mehrkinder, wie sie heute bestehen, ähnlich sind. Einer solchen Politik können wir nicht die Zustimmung geben,
erstens, weil sie nicht gut, und zweitens, weil sie nicht redlich ist. Darum bestehen wir darauf, unseren Antrag zur Abstimmung zu bringen.
Meine Damen und Herren, keine Zwiegespräche von Bank zu Bank. Die Tribüne hier ist ein ausgezeichneter Platz, Reden zu halten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen .Memmel zwingen mich, noch einmal zu diesem Problem Stellung zu nehmen.
Er hat sie dann aber beiseite gelegt und nicht durchsetzen können,
weil sich Widerstand eingestellt hat.
— Nein, weil sie auf Widerstand gestoßen ist.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, ich bin eigentlich in der falschen Partei.
Ich muß immer wieder feststellen, daß ich die Ausführungen Ihres Herrn Parteivorsitzenden offensichtlich viel intensiver studiere als Sie selbst. Ich muß mich fragen: wie war es möglich, daß der Herr Arbeitsminister so schnell die von ihm angestrebte Finanzamtlösung auf die Seite gelegt hat? Offensichtlich hatte er, offensichtlich haben auch Sie die programmatischen Schlußsätze des Herrn Bundeskanzlers über das Regierungsprogramm für die Jahre 1957 bis 1961 nicht gelesen, und ich muß Sie damit konfrontieren. Dort hat der Herr Bundeskanzler erklärt:
Meine Damen und meine Herren, Politik verlangt Klarheit in ,der Erkenntnis der Ziele. Politik muß realistisch sein,
d. h. die Möglichkeiten erkennen, . . .
Der Herr Bundesarbeitsminister hat die Klarheit der Erkenntnis des Ziels der Finanzamtlösung gehabt. Er hat die Möglichkeiten erkannt und er hat sie angepackt. Jetzt aber kommt, was der Herr Bundeskanzler weiter gesagt hat:
. . . , sie muß mutig sein, um die auf ihrem Wege sich zeigenden Hindernisse zu überwinden.
An dieser Tugend hat es Ihnen offensichtlich gefehlt. Ich kann Ihnen nur sagen, Sie haben diesen Mut manchmal bewiesen. Sie haben manchmal mutig und mit einer gewissen Eile von Ihrer Mehrheit Gebrauch gemacht. In dieser Frage haben Sie heute noch die Möglichkeit, mutig zu sein, und der Bevölkerung draußen zu sagen, daß Sie in Zukunft in jedem Falle wollen, daß Kindergeld grundsätzlich
aus allgemeinen Steuermitteln aufgebracht werden soll.
Deshalb bitten wir Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu, damit Sie wenigstens in dieser Frage den Worten des Herrn Bundeskanzlers gefolgt sind und nicht nur das Ziel erkannt, sondern sich auch mutig für die Durchsetzung dieses Zieles eingesetzt haben.
Ich habe erst noch andere Wortmeldungen vorliegen. Nicht so eilig!
— Es paßt nachher auch noch. — Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beteiligten Herren Minister legen sich heute, obwohl sie mehrfach angesprochen wurden, eine besondere Zurückhaltung auf. Ich habe deshalb je eine Frage zuerst an den Herrn Bundesfamilienminister und dann an den Herrn Bundesarbeitsminister.
Zuerst die Frage an den Herrn Bundesfamilienminister: Entspricht es den Tatsachen, daß Sie erklärt haben, die Bundesregierung werde sich nur notgedrungen aus Gründen der Realpolitik veranlaßt sehen, Bundesmittel für Zweitkinder bereitzustellen? Soweit die Frage an den Herrn Bundesfamilienminister.
Jetzt die Frage an den Herrn Bundesarbeitsminister: Entspricht es den Tatsachen, Herr Bundesarbeitsminister, daß Sie bereits vor der Entscheidung dieses Hauses über die Konstruktion der Kindergeldkasse bei der Arbeitsverwaltung Vereinbarungen mit dem Präsidenten der Bundesanstalt getroffen haben und daß bereits rund 100 000 DM für diese Verwaltungsaufgaben aufgewandt wurden, bevor dieses Haus das Gesetz über die Kindergeldgewährung für Zweitkinder beschlossen hat?
Das Wort hat der Abgeordnete Memmel.
Herr. Präsident! Meine Damen und Herren! Die Politik ist die Kunst des Möglichen, hat mal jemand gesagt.
Wenn wir dem Rat des Kollegen Spitzmüller gefolgt wären und den Länderministern die Finanzamtlösung aufgezwungen hätten, dann wären wir zwar mutig ans Werk gegangen, wie er vorhin gesagt hat,
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Memmelaber wir hätten auf jeden Fall in dieser Legislaturperiode, vielleicht sogar in diesem Jahr, kein Kindergeld gehabt.
Wir wollten denjenigen Einkommensbeziehern, bei denen wir das Vorhandensein eines zweiten Kindes als eine wirtschaftliche Belastung betrachten, mit Wirkung vom 1. April 1961 ab helfen und ihnen die 25 DM gewähren. D a s war der Sinnn der Sache!
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. — Verzeihung, Herr Minister; das ist der Nachteil, wenn sich die Regierungsbank so weit auf der rechten Seite befindet.
Dafür mache ich es sehr kurz, Herr Präsident.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin gern bereit, dem Herrn Kollegen Schellenberg die gestellte Frage zu beantworten, in aller Kürze. Erstens habe ich mich mit dem Präsidenten der Bundesanstalt natürlich rechtzeitig, als ich merkte, daß alle anderen Lösungsversuche auf unüberwindliche Schwierigkeiten stießen, über die Möglichkeiten, das bei der Bundesanstalt machen zu lassen, unterhalten. Zweitens habe ich ihm zur Vorbereitung der notwendigen Arbeiten einen Betrag von 100 000 DM zugewiesen. Dieser Betrag steht im Haushalt 1961.
Ich habe nur ausgeführt, wozu mich dieses Hohe Haus ermächtigt hat.
Die nächste Antwort auf die schon gestellte Frage gibt der Herr Bundesfamilienminister.
Dr. Wuermeling, Bundeminister für Familien-
und Jugendfragen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß auf die gestellte Frage erklären, daß ich mich des Wortlauts dessen, was gesagt zu haben mir unterstellt wurde, nicht erinnere. Es ist aber zutreffend, daß ich mich als Bundesfamilienminister dahin geäußert habe, es komme mir naturgemäß in erster Linie darauf an, daß das Kindergeld weiter ausgebaut werde, und ich sei wenn ich auf der Ebene der Familienausgleichskassen mit dem Ausbau nicht weiterkäme, Realpolitiker genug, den anderen möglichen Weg zu gehen. Zu dieser Erklärung bekenne ich mich.
Ich darf, meine Damen und Herren, noch eine kurze Zusatzbemerkung dazu machen, warum ich mich nicht sehr beglückt auf diesen neuen Weg begeben habe. Es wird immer wieder ignoriert, daß innerhalb des gesamten EWG-Bereichs und in fast allen europäischen Ländern, auch in Österreich und in der Schweiz, auf der gleichen Grundlage, nämlich unter Belastung der Lohnsumme, viel höhere Kindergeldbeträge aufgebracht werden als bei uns in der Bundesrepublik,
so daß wir bei den späteren Beratungen auch an die EWG-Integration denken müssen. Dabei wird es um die Frage gehen, ob wir uns nun endgültig von der Aufbringung entfernen wollen, die in allen EWG-Staaten üblich ist. Aber das sind eben Fragen, die sehr gründlich erörtert und geprüft werden müssen. Das ist auch ein Grund dafür, daß weder die Bundesregierung noch die Mehrheitsfraktion des Hauses im Augenblick hierüber eine endgültige Entscheidung treffen wollen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schneider ?
Herr Minister, wenn das richtig ist — und es i s t richtig, wenn Sie sagen, daß in anderen EWG-Ländern wesentlich höhere Leistungen an Familiengeld bestehen —,
warum hat man dann nicht unserem Vorschlag und dem Wunsch des Saarlandes Rechnung getragen, die Zwischenregelung an der Saar so lange aufrechtzuerhalten? Warum ist dann die Wahrung des Besitzstandes im Saarland von der Bundesregierung abgelehnt worden?
Dr. Wuermeling, Bundeminister für Familien- und Jugendfragen: Weil sich damals die Finanzierung nicht ermöglichen ließ.
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister hat die an ihn gerichtete Frage sehr allgemein beantwortet. Er hat von „Unterhaltungen" mit dem Präsidenten der Bundesanstalt gesprochen. Ich stelle fest, daß der Herr Bundesarbeitsminister, bevor der Gesetzentwurf dem Parlament zugegangen ist und bevor das Haus durch Verabschiedung des Haushalts Mittel für das Zweitkindergeld bewilligt hat, bevor das Parlament überhaupt eine Meinungsäußerung zur Frage der Organisation abgegeben hat, feste Vereinbarungen mit dem Präsidenten der Bundesanstalt getroffen hat; und das ist eine Mißachtung des Parlaments.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Schellenberg, hier muß ich widersprechen. Ich stelle noch einmal fest: Ich habe mit
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9602 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Bundesarbeitsminister Blankdem Präsidenten der Bundesanstalt Lösungsmöglichkeiten besprochen. Das ist bei der vorbereitenden Arbeit zur Gesetzgebung mein Recht,
und ich bin nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung dazu verpflichtet.
Zweitens: Ob Geld zur Auszahlung des Kindergeldes für das zweite Kind durch dieses Gesetz erst bewilligt wird oder nicht, stand gar nicht zur Debatte, sondern für die Vorbereitungsarbeiten sind in den Etat die Gelder eingesetzt worden, die auszugeben ich berechtigt bin. Wenn ich etwas tue, wozu mich dieses Hohe Haus ermächtigt hat, dann verbitte ich es mir, dies mir als eine Mißachtung des Hauses anzukreiden, dem anzugehören ich selber die Ehre habe.
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß noch etwas konkreter werden.
Seit Dezember 1960 haben Verhandlungen zwischen dem Herrn Bundesarbeitsminister und dem Herrn Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung stattgefunden, dies, obwohl die Selbstverwaltung der Bundesanstalt erhebliche Bedenken gegen die Übertragung der Auszahlung von Kindergeld durch die Arbeitsämter hatte, die gleichen Bedenken, die die Finanzämter und andere Stellen auch geäußert haben.
Meine Damen und Herren, es haben nicht nur Verhandlungen stattgefunden, sondern am 10. Februar 1961, bevor ein Gesetzentwurf dem Bundesrat oder dem Bundestag zugeleitet wurde, bevor ein Ansatz im Haushalt bewilligt war, sind Vereinbarungen über die Auszahlung des Kindergeldes durch die Arbeitsämter getroffen worden. Die Vereinbarungen hatten einen wahltaktischen Hintergrund. Der Präsident der Bundesanstalt schrieb unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Herrn Bundesarbeitsministers vom 22. Dezember 1960 diesem am 10. Februar 1961 u. a.:
Ich weise ferner darauf hin, daß eine termingerechte erste Auszahlung des Kindergeldes für zweite Kinder spätestens bis Anfang September 1961
—man merke sich die Zeitangabe: bis Anfang September 1961 —
von mir nur dann gewährleistet werden kann, wenn zwischen der Verabschiedung des Gesetzes und seinem Inkrafttreten noch ein hinreichender Zeitraum verbleibt. Es sollte
— so schreibt dieser Beamte —
meines Erachtens alles darangesetzt werden, daß das Kindergeldneuordnungsgesetz spätestens Ende Mai vom Bundestsag verabschiedet wird.
Durch derartige Vereinbarungen des Bundesarbeitsministers wurde praktisch das Parlament hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs seiner Arbeit mehr oder weniger unter Druck gesetzt.
Nunmehr hat sich Herr Kollege Spitzmüller wieder zum Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Memmel hat es an sich, daß er mich immer wieder reizt, hier die Tribüne des Hauses zu beleben. Das ist für ihn erfreulich, für mich ist es nicht unangenehm; aber für manche ist es vielleicht auf die Dauer doch nicht so erfreulich.Herr Kollege Memmel hat auch im Namen seiner Fraktion gesagt, es komme Ihnen vor allem darauf an, den einkommensschwachen Familien mit zwei oder mehr Kindern mit Wirkung vom 1. 4. 1961 Kindergeld zu zahlen. Herr Kollege Memmel, das glauben wir Ihnen. Aber wir hätten jetzt gern von Ihnen eine Äußerung und vom Herrn Arbeitsminister eine Erklärung. Können Sie mir versichern, Herr Kollege Memmel, daß es Ihnen nur um dieses Ziel geht und nicht auf ,die Nebenwirkung ankommt, über die Herr Kollege Schellenberg schon gesprochen hat, nämlich ,daß zwischen dem 1. und dem 15. September zwischen 150 und 225 DM an 1,2 Millionen Berechtigte ausgezahlt werden? Und können Sie, Herr Minister, hier erklären, daß die erste Auszahlung des Kindergeldes, die etwa in diesen Zeitraum des September fallen wird, formlos vorgenommen wird, ohne daß ein Anschreiben oder ein Begleitschreiben mit albgegeben wird, damit nicht jene Situation wie im Jahre 1957 entsteht, wo plötzlich der Eindruck erweckt wurde, als sei durch die Leistung einer einzigen Fraktion etwas ,sozialpolitisch grundsätzlich Neues geschaffen worden?
— Ja, wir haben nicht ,dafür gestimmt; aber die SPD hat dafür gestimmt und sie war in jenem Brief des Herrn Bundeskanzlers still und heimlich verschwiegen. Hier hätten wir gern eine Erklärung, ob das so vor sich gehen wird, wie man es normalerweise in einer Demokratie erwarten kann, die nicht danach trachtet, irgendeiner Persönlichkeit oder irgendeiner Partei durch Beschlüsse des Parlaments und durch entsprechende Benachrichtigung der Begünstigten besondere Vorteile zu verschaffen. — Wir bitten um eine Antwort.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9603
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn dieses Gesetz in Kraft getreten ist, werden sich die Behörden, die es auszuführen haben, an den Wortlaut des Gesetzes zu halten haben, und sie werden amtliche Benachrichtigungen zu erteilen haben. Wie wer der deutschen Öffentlichkeit klarmacht, welches politische Verdienst er am Zustandekommen dieses Gesetzes hat, muß ich allen Beteiligten selbst überlassen.
Herr Abgeordneter Memmel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Welche Unterschätzung des Sachverstandes des deutschen Wählers durch Herrn Spitzmüller, wenn er glaubt — das hat er doch jetzt gesagt —, wir machten das deswegen, weil man in den 25 Mark ein Wahlflugblatt sehe. Das wollte er doch damit sagen. Welche Unterschätzung des Sachverstandes des Wählers unid welche Unterschätzung unserer Fraktion! Wenn wir nichts anderes vorzuweisen hätten mit Rücksicht auf den 17. September als die 25 Mark, von denen Sie jetzt sprechen, dann wäre es allerdings traurig um uns bestellt. Aber ich glaube, wir können uns auf die Erfolge der Regierung dieser vier Jahre berufen.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist nicht ganz leicht für mich, zu entscheiden, welchem dieser Anträge der Vorrang gebührt.
— Ich glaube, am weitesten geht der Antrag Umdruck 963. Wahrscheinlich meinen beide Antragsteller genau dasselbe; aber der Formulierung nach geht der Antrag Umdruck 963 weiter.
Ich lasse also zunächst über den Antrag Umdruck 963 abstimmen. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr Antrag Umdruck 949 Ziffer 4. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Mit derselben Mehrheit abgelehnt.
Ich glaube, es wird danach nicht mehr notwendig sein, den Antrag Umdruck 949 Ziffer 5 zu begründen.
- Hat sich erledigt. Dann stimmen wir ab über §§ 21 bis 35, also den Dritten, Vierten und Fünften Abschnitt. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen der FDP und SPD angenommen.
Nunmehr Sechster Abschnitt, § 36. Hierzu liegt ein Änderungsantrag vor; Sie finden ihn auf Umdruck 961 unter Ziffer 2.
— Hat sich erledigt. Wird von anderer Seite nicht aufgenommen.
Dann stimmen wir ab über §§ 36 bis einschließlich 40. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen — FDP und SPD — angenommen.
Zu § 41 liegt ein Änderungsantrag vor.
— Auch erledigt. Wir stimmen ab über §§ 41 und 41 a. Oder ist der Antrag Umdruck 949 Ziffer 6 b auch erledigt?
— Dann stimmen wir ab über §§ 41, 41 a, 42, 42 a, 43, 44, 45, 46 — Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Einhaltungen der FDP und SPD angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Ich rufe zur
dritten Beratung
auf und eröffne die allgemeine Aussprache. Das
Wort hat der Abgeordnete Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die erheblichen Mängel des Gesetzentwurfs — Einkommensgrenze, Ausschluß von Rentnern, Organisation des Nebeneinander von zwei Verwaltungen — werden uns nicht hindern, dem Gesetzentwurf doch zuzustimmen.
Es ist nämlich der Sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gelungen, ihre Auffassungen in zwei Grundfragen durchzusetzen; erstens wird Kindergeld nunmehr für Zweitkinder, wenn auch mit bedauerlichen Einschränkungen, gewährt — was Sie noch vor einem Jahr abgelehnt haben —, und zweitens wird dieses Zweitkindergeld aus öffentlichen Mitteln gezahlt, wozu die Bundesregierung sich, wie der Herr Bundesfamilienminister soeben erklärte, erst nach erheblichen Bedenken entschlossen hat. Der Gesetzentwurf ist also ungeachtet dieser Mängel ein Erfolg unserer politischen Arbeit,
insbesondere auch deshalb, weil unsere Große Anfrage vom 5. Oktober 1960 der letzte Anstoß zur Vorlage des Regierungsentwurfs war.Aber bei der Verabschiedung des Gesetzentwurfs muß ich namens meiner Fraktion auf drei bedenkliche Tatbestände hinweisen.Erstens. Die Finanzierung des Kindergeldes für dritte und weitere Kinder bleibt weiterhin unbefriedigend, auch deshalb, weil die Bundesregierung den
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9604 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Dr. SchellenbergAuftrag des Hauses, Härten und Ungerechtigkeiten bei der Aufbringung der Mittel des Kindergeldes für dritte und weitere Kinder zu beseitigen, nicht erfüllt hat.Zweitens. Die Gewährung von Zweitkindergeld wird ungeachtet dessen, was Herr Kollege Memmel vorhin sagte, in recht peinlicher Weise mit wahltaktischen Überlegungen verbunden. Der Herr Bundesarbeitsminister hat mit dem Präsidenten der Bundesanstalt vereinbart,
daß die erste Auszahlung Anfang September 1961 erfolgen soll. Eine solche Vereinbarung wurde getroffen, bevor überhaupt der Gesetzentwurf den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet war.
Die Vorbereitungen wurden so getroffen, daß ausgerechnet Anfang September mit der ersten Auszahlung auch die Nachzahlung für April bis September in Höhe von 150 DM durch die Post ins Haus gebracht wird.
— Herr Kollege Ruf, das war kein weiser Zwischenruf. — Eine solche Methode wertet die Gewährung von Kindergeld zu einem Wahlgeschenk ab
und beeinträchtigt den moralischen Gehalt, den die Kindergeldgewährung haben sollte.
Drittens. Mit dem vorliegenden Gesetz verabschieden wir das sechste Kindergeldgesetz. Bei der Behandlung des dritten Kindergeldgesetzes — das war am 28. Juni 1956, vor fünf Jahren — hatte die CDU-Fraktion hier im Hause einen Entschließungsantrag eingebracht, daß die drei Kindergeldgesetze neu gefaßt werden sollten. Bisher ist nichts geschehen, um die Kindergeldgesetzgebung zu vereinfachen. Sie wird mit diesem sechsten Gesetz weiter kompliziert.Deshalb erkläre ich zum Schluß: Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird in der nächsten Legislaturperiode einen Gesetzentwurf zur Neuordnung des gesamten Kindergeldgesetzes vorlegen,
der drei Prinzipien verwirklichen wird: 1. Finanzierung der Kindergeldgewährung aus öffentlichen Mitteln, 2. Gewährung von Kindergeld ohne Einkommensgrenze und 3. Harmonisierung zwischen Kindergeldrecht und Steuerrecht,
damit endlich sichergestellt wird, daß die Gewährung von Kindergeld —
— Ich habe gesagt: Harmonisierung zwischen Kindergeldrecht und Steuerrecht. Gerade Sie, Herr Niederalt, sollten wissen, daß dies eine dringende Aufgabe ist, die die Bundestagsmehrheit seit vier Jahren versäumt hat.
Deshalb hat die nächste Legislaturperiode durch eine Neuordnung des gesamten Kindergeldrechts sicherzustellen, daß die Kindergeldgewährung den Aufgaben entspricht, die die Familie in unserer Zeit zu erfüllen hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Bei Beginn der dritten Lesung zum Kindergeldgesetz müssen wir feststellen, .daß die Mehrheit dieses Hauses alle Anträge der FDP und SPD abgelehnt hat.
— Sind Sie so schwach in den Landtagen?
— Dann kommen Sie eben ,aus einem schönen Land, wenn es Ihnen dort so ,gut geht.
Sie wurden abgelehnt, obwohl doch eigentlich alle Anträge auf der Basis von Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers gestanden haben, auf der Basis nämlich, auf der der Herr Bundeskanzler davon gesprochen hat, daß insbesondere den kinderreichen Familien geholfen werden soll. Mit diesem Gesetz aber unterlassen Sie es, insbesondere der kinderreichen Familie mit drei und vier Kindern in jedem Falle zu helfen; Sie haben hier Einschränkungen gemacht, und das müssen wir mit außerordentlichem Bedauern feststellen, weil wir zu den kinderreichen Familien in erster Linie eben die Familien mit drei und mehr Kindern rechnen.Sie schaffen mit diesem Gesetz aber auch eine Zweigleisigkeit in der Aufbringung und in der Auszahlung und — damit noch nicht genug — eine Zweigleisigkeit in 'den Anspruchsvoraussetzungen.Man kann, ,wenn man ,als Beschauer in diesem Raum war, feststellen, daß sehr viele Abgeordnete, Damen und Herren, aus Baden-Württemberg hier gesprochen haben, und es könnte sich damit der in der Öffentlichkeit entstandene Eindruck verstärken, als würde es sich bei diesem Gesetz um einen echten Schwabenstreich handeln.
Ich darf aber zur Rechtfertigung aller Kollegen aus Baden-Württemberg, die hier gesprochen haben, feststellen, daß der Schwabenstreich nicht von diesen Kollegen kommt, sondern er kam als Entwurf aus dem Arbeitsministerium, und er wurde zum Schwabenstreich, weil Sie, meine Damen und Herren von der CDU, so starr an den Vorstellungen des Arbeitsministeriums festgehalten haben.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9605
SpitzmüllerDas einzige, was Sie beseitigt haben, was phänomenal war, ist, daß das eheähnliche Verhältnis aus diesem Gesetz wenigstens noch verschwunden ist. Das war kein Schwabenstreich.Meine Damen und Herren! Die in der Öffentlichkeit viel propagierte und geforderte Vereinfachung und Vereinheitlichung tritt nicht ein. Eine neue Zersplitterung ist festzustellen. Ja, auch das oft abgegebene Versprechen, die Arbeiter des Saarlandes würden ihren sozialen Besitzstand halten, wird selbst durch dieses Gesetz nicht verwirklicht. Aber, wo so viel Schatten ist, muß natürlich auch etwas Licht sein. Denn sonst wäre es grausam, und es gäbe natürlich auch keinen Schatten. So können wir nach all diesen kritischen Betrachtungen feststellen, daß es selbstverständlich ein halber Schritt ist, den Sie hier tun, indem eben der Familienlastenausgleich zu einem Teil ausgedehnt wird. Die Voraussetzungen, unter denen diese Verbesserungen jedoch vorgenommen werden, sind bedenklich, und deshalb wird dieses Gesetz in der Öffentlichkeit nicht nur Freude bereiten, sondern es wird sehr viel Arger all denen bringen, die diesem Gesetz ihre Zustimmung geben.
Meine Damen und Herren, wenn wir dieses Gesetz nicht ablehnen, dann nur aus dem Gesichtspunkt, daß auf einem kleinen Gebiet unsere jahrelange Forderung, Kindergeld aus allgemeinen Steuermitteln zu zahlen, in diesem Teil- und Übergangsgesetz Beachtung findet. Unsere Zustimmung beinhaltet aber nicht Übereinstimmung mit der von Ihnen gewählten Form der Anspruchsberechtigung und der von Ihnen gewählten Organisationsform. Wir können in diesem 3. Deutschen Bundestag abschließend nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß eine Mehrheit des 4. Deutschen Bundestages, wie immer sie auch aussehen mag, endlich einmal den Mut aufbringt, eine Kindergeldneuregelung aus einem Guß nicht nur anzukündigen, sondern auch durchzuführen.
Die FDP wird, wenn auch unter großen Bedenken und Vorbehalten, ihre Zustimmung zu diesem Gesetz geben.
Meine Damen und Herren, es wurde hier von Schwabenstreichen gesprochen. Sie wissen, daß der amtierende Präsident die Ehre hat, diesem deutschen Stamm anzugehören. Es tut ihm manchmal weh, daß man Dinge Schwabenstreiche nennt, die man sonst nur Schildbürgerstreiche nennen sollte.
— Das war nur eine persönliche Bemerkung, aber ich fühle mich in meiner Ehre als Schwabe getroffen, wenn man das, was Herr Spitzmüller meinte, einen Schwabenstreich nennen sollte.
Herr Abgeordneter Horn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat ihre Meinung zu dieser Gesetzesvorlage bei der ersten Lesung durch ihren Sprecher, unseren Kollegen Winkelheide, sehr klar und eindeutig vorgetragen. Bei den Ausschußberatungen haben wir unsere Meinungen gegen die Anträge und die Angriffe beider Oppositionsparteien verteidigt. Wir haben während dieser Debatte zweiter Lesung unseren Standpunkt ebenfalls beibehalten. Ich möchte dem Herrn Kollegen Spitzmüller zu allervorderst sagen, daß wir das deshalb getan haben und tun, weil wir nach eingehendsten Prüfungen und nach ständiger Fühlungnahme mit der Bundesregierung und dem Herrn Bundesarbeitsminister der Überzeugung geworden sind, daß es in dieser Situation und jetzt eine andere Lösung als die von der Bundesregierung vorgeschlagene für uns nicht gibt.Herr Kollege Schellenberg hat den Bundesarbeitsminister stark attackiert, weil er, das Parlament mißachtend, Maßnahmen getroffen habe, die die Verwirklichung einer solchen Regelung, wie die Bundesregierung sie hier im Haus eingebracht hat, in der notwendigen Weise vernünftig vorbereiten.
Herr Kollege Dr. Schellenberg, ich würde Ihnen sehr empfehlen, einmal die Menschen draußen zu befragen, die von dieser Verbesserung der Kindergeldregelung betroffen werden, ob sie so wie Sie ,der Meinung sind, daß der Herr Bundesarbeitsminister schlecht gehandelt hat, indem er in enger Fühlungnahme und Zusammenarbeit mit dem Präsidenten der Bundesanstalt alle Vorbereitungen getroffen hat, um dieses Gesetz und seine Durchführung zu garantieren.
— Ich lasse jetzt keine Zwischenfragen zu.
Meine Damen und Herren, ich glaube, die Menschen draußen ,würden Herrn Schellenberg eine Antwort geben, über die er sich nicht freute. Sie würden sagen: Wir danken dem Herrn Bundesarbeitsminister, daß er diese vorbereitenden Arbeiten getroffen hat.
Und noch etwas: Im Verlaufe der zweiten Lesung haben hier Sprecher gestanden, die sich zwar an ihren eigenen, zum Teil recht überheblichen Formulierungen berauscht haben,
die aber meine politischen Freunde in keiner Weise beeindrucken konnten. Wir sind und bleiben der Meinung, daß wir zur Zeit gut daran tun, diese Vorlage in dritter Lesung, so wie sie uns jetzt vom Ausschuß vorgelegt worden ist, zu verabschieden.Die Herren Kollegen Schellenberg und Spitzmüller haben 'beide von Wahltaktik und von Wahlgeschenken gesprochen. Herr Kollege Schellenberg hat es für angebracht gehalten, in seinen Ausführungen an
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9606 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Horndieser Stelle von Unfug und von Unsinn zu sprechen. In den Beratungen auch der zweiten Lesung hat man an ,dieser Vorlage keinen guten Fetzen gelassen, sie zerpflückt und von Unfug und von Unsinn geredet. Man hat, wie wir das in der letzten Zeit schon mehr als einmal erlebt ;haben, alles in Grund und Boden verurteilt, alles als schlecht, als hundsmiserabel bezeichnet, erklärt dann aber am Ende: Trotzdem stimmen wir zu.
Meine verehrten Damen und Herren, wer etwa könnte anderer Meinung sein, als daß gerade ein solches Verhalten von rein wahltaktischen Überlegungen bestimmt wäre,
weil man es sich einfach nicht leisten kann, draußen vor die Wähler hinzutreten und zu sagen: Wir haben die Verbesserung, die die Bundesregierung in dieser Gesetzesvorlage gebracht hat, abgelehnt, weil wir sie für Unsinn und für Unfug halten.
— Verehrter Herr Kollege Büttner, Sie mögen darüber reden noch und noch; das ist ja Ihre Spezialität, über Verwaltungsvereinfachung und -komplizierung zu reden.
Wir bleiben der Auffassung, daß wir den Menschen draußen, ,den Familien mit zwei Kindern bis zu dieser Einkommensgrenze einen Dienst tun, wenn wir die Vorlage jetzt so verabschieden, daß sie auch mit Beschleunigung verwirklicht werden kann.
Wenn Sie davon sprechen, daß die erste Auszahlung noch vor dem September oder im September geleistet werden soll, ja, meine verehrten Damen und Herren, glauben Sie dann, daß wir die Durchführung und die Ausführung eines Gesetzes in eine Zeit hineinverlegten, wo dies e Bundesregierung für diese Dinge nicht mehr verantwortlich und nicht mehr zuständig ist? Wir möchten, daß diese Bundesregierung, die die Vorlage in Übereinstimmung mit uns eingebracht hat — den Zeitpunkt des Inkrafttretens bestimmt dieses Haus —, die Durchführung unter allen Umständen noch garantiert, weil wir der Meinung sind, daß wir die Menschen draußen nicht länger als unbedingt erforderlich auf den Genuß dieser Gesetzesregelung warten lassen sollten.
Ich darf hier mit Bezug auf den Umdruck 964 vorgreifen, den die Fraktion der FDP zur dritten Beratung eingebracht hat. Über § 9 Abs. 3 ist schon viel gesprochen worden. Auch wir haben dargelegt, aus welchen Gründen wir diesen Absatz 3 für zweckmäßig oder gar für notwendig halten. Wir bleiben dieser Meinung, und ich möchte hier namensmeiner politischen Freunde mit allem Nachdruck sagen, daß wir von der kommenden Bundesregierung mit Bestimmtheit erwarten, daß sie uns die Vorlage, wie sie in § 9 Abs. 3 angesprochen ist, im ersten Jahre der kommenden Legislaturperiode mit Beschleunigung vorlegt. Sie sollte so zeitig vorgelegt werden, daß dieses Hohe Haus unter allen Umständen in der Lage sein wind, die Vorlage so rechtzeitig zu verabschieden, daß sie spätetens mit dem 1. Januar 1963 wirksam werden kann. Dann haben wir dieses eine Jahr des Übergangs, wir haben die neue Konzeption und werden dann im Sinne dieses § 9 Abs. 3 auch die Neuregelung für die weitere Zukunft beschließen und festlegen können.Wir warten insofern auch mit Vergnügen auf die von Herrn Schellenberg angekündigte Gesetzesvorlage für die nächste Legislaturperiode. Wir werden uns dann erneut über diese Fragen und ihre Zusammenhänge zu unterhalten haben.Mit Bezug auf den Umdruck 964 möchte ich hier nur feststellen: wir glauben nicht, meine Herren von der Fraktion der FDP, daß es zweckmäßig und ratsam ist, eine kommende Bundesregierung unter allen Umständen auf den Termin des 1. April 1962 festzulegen. Wir sollten der kommenden Bundesregierung etwas Spielraum lassen. Wenn die Bundesregierung so verfährt, daß wir die demnächstige Gesetzesvorlage so zeitig — ich wiederhole es — verabschieden können, daß sie zum 1. Januar 1963 wirksam werden kann, dann, glaube ich, haben wir der Sache den Dienst erwiesen, den wir ihr in der Folgewirkung dieser Gesetzesvorlage im neuen Parlament notwendigerweise erweisen müssen. Aus diesen Überlegungen werden wir den Antrag Umdruck 964 ablehnen müssen.Ich möchte aber nicht von diesem Platz abtreten, ohne folgendes gesagt zu haben. Ich habe soeben gesagt — und dabei bleibe ich —, daß nach unserer Überzeugung bei der Zustimmung der Oppositionsparteien wahltaktische Überlegungen im Vordergrund stehen. Trotzdem freuen wir uns darüber, daß das Haus jetzt diese Vorlage unter Zustimmung aller Fraktionen verabschiedet.
Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache? — Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Zu den Ausführungen von Herrn Kollegen Horn habe ich noch einige wenige Bemerkungen zu machen. Sie haben sich dagegen verwahrt, daß ich von einem verwaltungstechnischen Unfug gesprochen habe. Meine Damen und Herren, wenn — und dem wurde nicht widersprochen — für eine Million Familien zwei Organisationen mit der Kindergeldzahlung beauftragt werden, dann ist das ein verwaltungstechnischer Unfug.
Weiter: Wenn eine Frau, die bisher berufstätig warund ein Kind hat, einem zweiten Kind das Lebenschenkt und Kindergeld für das zweite Kind bei
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9607
Dr. SchellenbergAufgabe ihrer Tätigkeit erst nach einer Zeit von 1 bis 11/2 Jahren nachträglich erhält, dann ist das ein verwaltungstechnischer Unfug.
Und wenn, wie Herr Kollege Stammberger dargelegt hat, eine Familie mit einem Kind Zwillinge bekommt und für diese Zwillinge zwei verschiedene Organisationen zuständig werden, dann ist ebenfalls das verwaltungstechnischer Unfug.
Herr Kollege Horn, Sie haben dem Bundesarbeitsminister für seine sorgfältigen Vorbereitungen gedankt. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung wußte, daß diesem 3. Bundestag die Aufgabe der Gewährung von Zweitkindergeld gestellt war. Wenn die Bundesregierung erst am 6. April 1961 einen Gesetzentwurf vorlegte, dann hat es die Bundesregierung an einer sinnvollen Vorbereitung fehlen lassen. Sie hat weiter, als sie die Verhandlungen mit der Bundesanstalt über den Termin der Septemberauszahlung führte, unter Mißachtung des normalen gesetzgeberischen Weges gehandelt. Diesen Tatbestand bedauern wir.Wenn wir Sozialdemokraten, die wir seit 1954 für die Gewährung des Zweitkindergeldes eintreten, diesem Gesetz, das einen ersten Schritt zu einer allgemeinen Gewährung von Zweitkindergeld darstellt, zustimmen, dann ergibt sich das aus unserer grundlegenden Konzeption, daß es eine öffentliche Aufgabe ist, Kindergeld zu gewähren.
Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung, da keine Änderungsanträge zur dritten Lesung vorliegen. Aber zunächst hat der Abgeordnete Weber das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung. Es ist doch eine Erklärung zur Abstimmung?
— Das ist ein eng umgrenzter Begriff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nicht die Ehre, für meine Fraktion zu sprechen, sondern ich möchte für meinen Kollegen Dr. Stammberger und für mich zu der Schlußabstimmung zu diesem Gesetz folgende Erklärung abgeben. Trotz grundsätzlicher Bejahung des Kindergeldes auch für das zweite Kind, d. h. eines Familienlastenausgleichs insbesondere im Hinblick auf die Mehrbelastung der Familie mit Kindern durch die indirekten Steuern, sehen wir uns gezwungen, dieses Gesetz mit folgender Begründung abzulehnen.
Erstens ist die Auflösung — auch die eventuell schrittweise Auflösung — der Familienausgleichskassen infolge der unklaren Fassung dieses Gesetzes nicht sichergestellt.
Zweitens steht die neugeschaffene Organisation der Kindergeldkassen bei den Arbeitsämtern und
der Bundesanstalt einer späteren Vereinfachung dauernd im Wege, und zwar auf Grund des bekannten Seibsterhaltungs- und Beharrungstriebes gerade von überflüssigen Behörden. Damit blockiert man z. B. die eindeutige Lösung: Kindergeld aus Bundesmitteln über das Finanzamt. Hierzu steht fest, daß der Verwaltungsaufwand bei den Finanzämtern kaum größer wäre, als dieses Gesetz es zwangsläufig bedingt.
Drittens bedingt die hier wieder neu geschaffene Bedürftigkeitsprüfung eine neue Aufblähung der Verwaltungsbürokratie, die von diesem Parlament kaum verantwortet werden kann, und zwar nicht nur bei den Kindergeldkassen und bei den Arbeitsämtern, sondern vor allen Dingen bei den Finanzämtern und in den Betrieben durch die notwendige Erbingung der Einkommensnachweise und durch die notwendigen Auskünfte.
Statt dem Parlament, wie es der Entschließungsantrag der Regierungspartei, der CDU, vom 26. Februar 1959 vorsah, einen entsprechenden Gesetzentwurf so zeitig vorzulegen, daß .das neue Kindergeldgesetz zum 1. Januar 1960 hätte in Kraft treten können,
hat die Regierung nun folgende Tatbestände geschaffen.
Bei den Arbeitsämtern werden schon heute Schulungs- und Vorbereitungskurse für die von der Regierung geplanten Aufgaben abgehalten, ohne den eigentlichen Auftrag des Gesetzgebers abzuwarten. Diese Vorwegnahme der eigentlichen Entscheidungsbefugnis des Parlaments müssen wir mit Erstaunen feststellen und verurteilen.
Keine weiteren Erklärungen? — Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer das Gesetz im Ganzen annehmen will, der möge sich erheben. — Gegenprobe! — 4 Gegenstimmen. — Enthaltungen? — 2 Enthaltungen. Das Gesetz ist damit angenommen.
Das Wort zum Entschließungsantrag Umdruck 964 hat Herr Abgeordneter Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Zum Entschließungsantrag nur ganz wenige Worte. Über Wert oder Unwert von Entschließungsanträgen des Deutschen Bundestags will ich mich nicht verbreiten. Wir haben schon Entschließungen gefaßt, die tatsächlich nach vorn geführt haben; wir haben auch Entschließungen gefaßt, die Makulatur blieben. Herr Horn hat schon gesagt, daß die CDU diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen könnte.
— Ich habe ausdrücklich gesagt, wir haben schonEntschließungsanträge gefaßt, die das Parlament
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Spitzmüllervorwärtsgebracht haben, weil sich aus den Entschließungsanträgen etwas Gutes entwickelt hat, und wir haben schon Entschließungsanträge gefaßt, die leider Gottes nicht die gebührende Berücksichtigung gefunden haben; der Kollege Stammberger hat leider mit seiner Bemerkung vom Februar 1959 recht behalten.
— Sie wollen keine neue Makulatur für die Karnevalszeit machen.
Ich nehme das gern zur Kenntnis und würde daraus schließen, daß die CDU nie mehr bereit wäre, einen Entschließungsantrag zu stellen.
- Im Gesetz steht das nicht drin.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, Sie wollen hier einer klaren Entscheidung ausweichen. Im Gesetz steht zwar die Vereinheitlichung, aber jedes Gesetz kann durch ein neues Gesetz entscheidend geändert werden.
— Aber jede Entschließung, die einen so klaren Auftrag an die Regierung gibt, muß beachtet werden. Sie vergessen nämlich, daß Sie im Februar 1959 einen Entschließungsantrag vorbereitet und gefaßt haben, der eine Brücke darstellte, daß jene 40 Kollegen, die in der zweiten Abstimmung mit uns gestimmt hatten, die gläubige Überzeugung haben konnten, die Regierung werde auch im Sinne der Vorstellung dieser 40 Kollegen initiativ werden. Sie haben aber in die damalige Entschließung so viele Ausweichmöglichkeiten hineingearbeitet, daß der Herr Arbeitsminister mit Fug und Recht sagen konnte: „Entsprechend dem Ergebnis der Untersuchungen konnte ich den erbetenen Gesetzentwurf nicht vorlegen."
Herr Abgeordneter, Sie sollten nicht über das Wesen von Entschließungen sprechen, sondern den Inhalt Ihrer Entschließung begründen.
Solche Ausweichmöglichkeiten sind in unserem Entschließungsantrag nicht enthalten. Wir fordern die Vereinheitlichung und wir fordern, daß wenigstens im Gesetzentwurf schrittweise festgelegt wird, daß das Kindergeld aus allgemeinen Steuermitteln zu zahlen ist. Wir sind der Meinung, dieser Entschließungsantrag enthält alle Elemente, die eine Basis zu einem Miteinander auf diesem schwierigen Sachgebiet im nächsten Bundestag vorbereiten und abgeben. Darum wollten wir Sie zum Abschluß aller Kindergelddebatten in diesem Bundestag bitten. Schaffen Sie
durch Annahme unseres Entschließungsantrages eine gute, gemeinsame Basis für den 4. Deutschen Bundestag.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Stingl, Sie machten wohl einen Zwischenruf; ich dachte, Sie wollten sprechen.
— Nein? Ich hatte den Eindruck!
— Dann habe ich mich getäuscht. Das Haus wird das bedauern.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Umdruck 964. Wer zustimmen will, möge das Handzeichen geben. — Gegenprobe! —Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.Der Ausschußantrag enthält noch eine Ziffer 2, die übliche Erledigterklärung. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Gegenstimmen ohne Enthaltungen angenommen.Nunmehr ist dieses Gesetz beschlossen und dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.Ich darf Ihnen vielleicht bekanntgeben, was die Fraktionsgeschäftsführer für uns für die nächsten Stunden vorgesehen haben,
zunächst Punkt 15, dann die Punkte 17, 18, 19, 20, 23, 24, 25, 31 und 44. Sie hoffen, daß das in der Mittagszeit erledigt werden kann.Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesleistungsgesetzes ,Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache 2907).
Berichterstatter in dieser Sache ist Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
— Sie verzichten auf die Berichterstattung. Das Haus verzichtet auf die Entgegennahme eines mündlichen Berichts.Wir treten ein in die zweite Beratung. Artikel I. Hier liegt eine Reihe von Änderungsanträgen vor. Wir werden bei Artikel I nummernweise abstimmen. Der erste Änderungsantrag ist der auf Um-
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Vizepräsident Dr. Schmiddruck 950 unter Ziffer 1. Zur Begründung hat dasWort ,der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, es verübelt mir niemand im Hause, wenn ich die Fülle der Argumente gegen die vom Ausschuß mit Mehrheit beschlossene Fassung nicht noch einmal vortrage, sondern mich nur darauf beschränke, zu sagen, daß wir in der vom Ausschuß vorgesehenen Regelung den Versuch sehen, die Notstandsgesetzgebung gewissermaßen durch idle Hintertür einzuführen. Es handelt sich schließlich hier auch um eine Aushöhlung der parlamentarischen Kontrolle. Sie wissen, daß für ,die Feststellung des Notstandes vom Ausschuß lediglich die Bundesregierung bestimmt worden ist. Die Aufhebung einer derartigen Feststellung wird dem Bundesrat und dem Bundestag zugewiesen. Wir wünschen eine alternative Feststellungsmöglichkeit. Wir können jedenfalls nicht ohne eine grundsätzliche Regelung ,den Weg weitergehen, der schon beim Wehrpflichtgesetz beschritten worden ist. Wir können nicht zulassen, ,daß durch einfache Gesetzgebung auf diesem Umwege die Notstandsgesetzgebung eingeführt wird. Wir bitten deshalb um Annahme unseres Antrages.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Werber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die Novelle zum Bundesleistungsgesetz anlangt, so möchte ich Sie bitten, den Antrag der Sozialdemokratie abzulehnen und es bei der Fassung des Ausschußantrages zu belassen. Wir haben uns auf den Standpunkt gestellt, daß der Bundesrat insofern eingeschaltet wird, als bei der Aufhebung der Maßnahmen Bundestag und Bundesrat mitwirken sollen. Ich möchte deshalb darum bitten, daß der Antrag der Sozialdemokratie zu Art. I Abs. 1 abgelehnt wird. Ich darf noch betonen — was für das Protokoll sehr wichtig ist —, daß die Fassung, die der Ausschuß gewählt hat, daß also Bundestag und Bundesrat die Aufhebung verlangen können — es heißt „oder wenn der Bundestag und der Bundesrat es verlangen" —, nur so aufgefaßt werden kann — ich denke, daß das Haus dieselbe Auffassung hat —, daß auch die Voraussetzungen objektiv nicht mehr gegeben sind. Denn es wäre sinnwidrig, wenn Bundestag und Bundesrat etwa die Aufhebung der Feststellung verlangten, wenn die Voraussetzungen noch gegeben sind. Das möchte ich besonders erklären.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Werber unterstellt gewissermaßen den Verfassungsorganen Dinge, die gar nicht zur Debatte stehen. Ich möchte nur noch einmal sagen: es ist außerordentlich bedauerlich, daß ,die Regierungsvorlage
die Frage der parlamentarischen Kontrolle zunächst überhaupt nicht berühren wollte, und Sie, meine Damen und Herren, würden mit der Annahme des Ausschußvorschlages einen weiteren Schritt auf dem Wege der Entmachtung des Parlaments in all diesen Fragen gehen. Deshalb möchten wir nochmals um Annahme unseres Antrages bitten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Werber.
Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Es ist doch notwendig, 'die Sache jetzt noch einmal ganz deutlich zu machen. Von einer Entmachtung des Parlaments kann überhaupt keine Rede sein. Das Parlament ist nur bei der Feststellung nicht eingeschaltet. Aber Sie müssen doch bedenken, daß das ganze Gesetz unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung steht, daß darauf Rücksicht genommen werden muß, daß keine Verzögerungen eintreten, und daß für die Bundesrepublik schließlich auch noch gewisse Verpflichtungen aus dem NATO-Bündnis bestehen. Diese sind so zwingend, daß man in einem solchen Augenblick nicht die ganze Apparatur des ganzen Parlaments einschalten kann. Aber — und damit ist Ihrem Anliegen in der Sache doch gedient — das Parlament, Bundestag und Bundesrat, bleibt eingeschaltet. Bundestag und Bundesrat können die Aufhebung der Feststellung verlangen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind. Man kann doch nicht sagen, das Parlament sei entmachtet. Es geht doch um besondere Verhältnisse, die sich aus der Verteidigungssituation ergeben.
Weitere Wortmeldungen hierzu? — Das ist nicht der Fall. Wir stimmen ab. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 950 Ziffer 1 die Zustimmung erteilen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über Artikel I ab, wo es heißt: „Vor 1. Dem § 1 wird folgender neuer Absatz 2 angefügt:"; dann folgt in Fettdruck, was angefügt werden soll. Wir stimmen insoweit über die Ausschußvorlage ab. Da wir sonst ziffernmäßig abstimmen, muß ich das hier näher umschreiben. Da das, worüber jetzt abgestimmt wird, keine Ziffer hat, habe ich es durch Bezeichnung des Druckgrades zu bestimmen versucht. — Herr Kollege SchmittVockenhausen, Sie haben es als Verleger sicherlich verstanden. Ich sage also noch einmal: Wir stimmen über das Fettgedruckte ab. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Das sind vorerst nur ganz wenige. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einige Enthaltungen, einige Gegenstimmen; angenommen.
Nun kommen wir zu Nr. 1 des Art. I und zu dem Änderungsantrag Umdruck 950 Ziffer 2. Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Art. 5 des Grundgesetzes gewährleistet ausdrücklich die Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk. Wir möchten durch
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Schmitt-Vockenhausenunseren Antrag klarstellen, daß die Berichterstattung durch den Rundfunk nicht völlig unterbunden werden kann. Dabei ist es ohne Unterschied, ob die Berichterstattung als solche untersagt wird oder durch Stillegung der technischen Einrichtungen des Rundfunks tatsächlich unmöglich gemacht wird. Wir sehen die Inanspruchnahme von Einrichtungen und Anlagen der Rundfunkanstalten zur Unterlassung des Gebrauchs grundsätzlich als unzulässig an. Es kann aus militärischen Gründen lediglich eine zeitweilige Stillegung in Frage kommen. Wir möchten hier ausdrücklich die Möglichkeit der Berichterstattung gewährleistet wissen. Das soll unser Antrag klarstellen. Jede Unklarheit muß ernsten Bedenken begegnen. Eine sehr starke Minderheit im Bundesrat hat ebenfalls diese Auffassung geteilt. Wir bitten, unseren Antrag anzunehmen.
Meine Damen und Herren, damit Sie wissen, worum es sich handelt: Es handelt sich um eine Änderung der Bestimmung, die Sie ganz unten auf Seite 8 der Drucksache finden. — Herr Abgeordneter Werber!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihr Anliegen wegen der Berichterstattung des Rundfunks nach Art. 5 des Grundgesetzes ist meines Erachtens durch die Ausschußfassung nicht berührt. Das Recht des Rundfunks zur Berichterstattung ist auf alle Fälle gegeben. Aber der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion will etwas anderes; das wäre vielleicht in ihrer Begründung noch besser herauszuholen gewesen. Die sozialdemokratische Fraktion will die Unterlassung der Rundfunksendungen, oder sagen wir deutlich, sie will die vorübergehende Stillegung nur für den Fall der Verteidigung zulassen, nicht aber, wenn nur eine Gefahr für die demokratische Grundordnung besteht und die öffentliche Ordnung gestört ist. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Dinge ineinandergehen können; man kann sie nicht so voneinander scheiden.
Aus diesem Grunde möchte ich Sie im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik bitten, der sehr wohl überlegten Ausschußfassung, die auch im Verteidigungs- und im Rechtsausschuß eine Mehrheit gefunden hat, zu folgen.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!
Meine Damen und Herren! Ich bin sehr erstaunt, Herr Kollege Werber; das geht weit über das hinaus, was Sie im Ausschuß vorsichtig angedeutet haben. Sie haben jetzt einen Zipfel von der Decke, die Ihre Absichten verschleiert, zurückgezogen. Hier sehen wir also jetzt klar. Um so wichtiger ist es, nun festzustellen, daß die Freiheit der Berichterstattung gesichert werden muß. Ihr Ausschußbeschluß ist also ein erster Eingriff in das Grundrecht des Art. 5, der die Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk sichert.
Weitere Wortmeldungen? — Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 950 Ziffer 2 die Zustimmung erteilen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Nun kommen wir zur Abstimmung über die Ziffer 1 der Ausschußvorlage. Ich glaube, wir können gleichzeitig über Ziffern 2, 3 und 4 mit abstimmen. Besteht Einverständnis? Es liegen jeweils keine Änderungsanträge zu diesen Ziffern vor. Kann ich so verfahren?
— Dann stimmen wir über die Ziffern 1 bis 4 ab. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen und einigen Gegenstimmen angenommen.
Ziffer 5! Hierzu liegt auf Umdruck 950 unter Ziffer 3 ein Änderungsantrag vor. Zur Begründung hat der Abgeordnete Hansing das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Antrag soll erreicht werden, daß das Leistungsrecht wie in allen anderen Fällen der zivilen und militärischen Verteidigung, wo die Länder zuständig sind, gehandhabt wird, d. h. daß die Zuständigkeit bei den Ländern liegt, also den Zivilverwaltungen. Nur so sind, glaube ich, die Aufgaben zu erfüllen, die im Rahmen einer Gesamtplanung durchgeführt werden sollen. Wir glauben, daß die Zivilverwaltungen auch über diesen Rahmen hinaus die Hilfsquellen ausnutzen können, wenn die Dinge irgendwie einmal in einen Engpaß hineingeraten sollten. Sie können dann als zivile Behörden die Dinge überörtlich ausgleichen.Die Bundesregierung ist anderer Meinung. Sie ist der Meinung, daß die Bedarfsdeckung auf dem Materialsektor genauso wie auf dem personellen Sektor Aufgabe der Bundeswehrverwaltung sein soll. Man spricht hier — und begründet es damit — von einem eingespielten Apparat. Man spricht von Fachkräften, die dann diesen eingespielten Apparat benutzen könnten. Wie sich aber diese eingespielten Kräfte dann, wenn es einmal ernst wird, einsetzen werden, kann man am besten aus der Begründung entnehmen, in der es u. a. heißt — ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten verlesen —:Diese Notwendigkeit ist um so mehr gegeben, als der Zeitraum, der für eine Mobilisierung zur Verfügung steht, unter Umständen nicht mehr wie früher Wochen und Monate, sondern Tage und Stunden betragen kann.Wie dann diese Fähigkeit aussehen wird, um in wenigen Stunden alles zu besorgen, wenn es nur unter militärischem Gesichtspunkt gesehen wird, können wir uns vorstellen.Darüber hinaus plant die Bundesregierung, die Leistungsanforderungen und auch die Leistungsbescheide auf Grund ,einer gesamten Bedarfsdeckung herauszugeben. Wenn das der Fall ist, dann können, meine ich, auch die Zivilverwaltungen.
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Hansingdiese Dinge erledigen, und man sollte sie nicht der Bundeswehrverwaltung unterstellen.Und noch eins, meine Herren von der CDU/CSU! Wenn Sie es mit der Zivilverteidigung ernst meinen, dann haben Sie hier eine Möglichkeit, das zu beweisen, indem Sie unserem Antrag zustimmen.
Man konnte von gewissen Personen aus verschiedenen Ministerien bei der Behandlung dieses Gesetzentwurfs hören, daß die Länder in der Zivilverteidigung ja nicht so recht mitkämen, und was wollte man erst erwarten, wenn nun auch noch Leistungsbehörden unter die Zivilverwaltung kämen. Ich glaube, hier versucht man auf eine billige Art die Verantwortung für die Untätigkeit der Bundesregierung in Fragen der Zivilverteidigung den Ländern zuzuschieben. Ich bin der Meinung, daß die Länder überall dort, wo sie durch bundesgesetzliche Regelungen Aufgaben bekommen haben, ihren Verpflichtungen nachgekommen sind und daß es eine schlechte Sache ist, wenn man die Bundeswehr als Bedarfsträger gleichzeitig auch als Anforderungsbehörde herausstellt.Noch ein Wort zu einem Punkt, der vielleicht sogar hier zur Begründung oder zur Gegenargumentation gebraucht werden wird! Wir haben die Auffassung gehört, daß die Geheimhaltung besser in den Händen der Bundeswehrverwaltung gewahrt würde. Ich möchte dazu mit aller Deutlichkeit sagen: wir wissen, daß die Beamten der Zivilverwaltung es mit der Geheimhaltung genauso ernst nehmen wie die Herren der Bundeswehrverwaltung. Ich glaube, mit einem solchen Argument sollte man nicht arbeiten, und man sollte auch nicht durch das Hineinregieren der einen Verwaltung in die andere allein aus einem Mißtrauen die zivile Seite schwächen und demoralisieren. Das ist keine gute Sache. Ich glaube, man sollte hier sagen: Landesverteidigung ist Anstrengung aller Kräfte auf dem zivilen und auch auf dem militärischen Sektor, und man sollte deshalb zur Zivilverwaltung genauso Vertrauen haben wie zur militärischen Verwaltung.Man sollte also diese Leistungsbehörden unter Zivilverwaltung stellen. Unsere Forderung ist, daß die Leistungen nur von den Behörden der zivilen Verwaltung durchgeführt werden, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates dafür bestimmt werden.Ich darf Sie bitten, unseren Antrag anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Werber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hansing, ich möchte Ihnen bestätigen, daß mit Ihrem Änderungsantrag zu § 5 Abs. 1 die Diskussion über dieses Gesetz an einem Kernpunkt angekommen ist. Sie wissen auch, daß wir es uns im Ausschuß, auch durch die Mitarbeit von Ländervertretern, nicht leicht gemacht haben, die Frage zu entscheiden.
Zunächst darf ich feststellen, daß, was meine Freunde anbelangt, überhaupt keine Rede davon sein kann, daß wir den Ländern auf dem Gebiet der Zivilverteidigung Mißtrauen entgegenbrächten. Das hat bei dieser Sache überhaupt keine Rolle gespielt, sondern es hat sich lediglich um folgendes gehandelt. Nach dem Antrag des federführenden Ausschusses sollen die Anforderungsbehörden durch Rechtsverordnung der Bundesregierung bestimmt werden 'können; Sie wollen — und das ist das Wesentliche Ihres Antrages —, daß als Anforderungsbehörden nur zivile Verwaltungsstellen in der mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassenden Rechtsverordnung genannt werden können.
Nun darf ich Sie, Herr Kollege Hansing, einmal folgendes fragen. Sie machen hier sehr große Unterschiede zwischen der Bundeswehrverwaltung und den zivilen Verwaltungen. Nach meiner Meinung, Herr Kollege Hansing, befinden sich in der Bundeswehrverwaltung genau dieselben Sachbearbeiter, genau dieselben Juristen, wie sie nach ihrer Vorbildung in den anderen Verwaltungen sind. Warum bringen Sie den Juristen und den Verwaltungsleuten der Bundeswehr weniger Vertrauen entgegen als den anderen Verwaltungsbeamten? Das läßt sich doch nicht rechtfertigen. Da sind doch nicht nur aktive Offiziere; ,das sind doch dieselben Verwaltungsbeamten. Warum sollen denn diese die Rechtsstaatlichkeit zu sichern nicht auch in der Lage sein?
Ich nehme an, daß Sie bei den Offizieren die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit für selbstverständlich halten.
Selbstverständlich, Herr Präsident!Nun darf ich noch etwas Weiteres ausführen. Es lassen sich auch viele sachliche Gründe anführen, warum die Bundeswehr als Anforderungsbehörde sehr wohl in Frage kommen kann. Überlegen Sie doch einmal folgendes. Die Bundeswehr hat heute auf Grund des Wehrpflichtgesetzes die gesamten Mob.-Vorbereitungen auf dem Gebiet des Personellen. Zu Mob.-Vorbereitungen auf dem Gebiet des Personellen gehören natürlich auch die Mob.-Vorbereitungen auf dem Gebiet des Materiellen. Das läßt sich ja gar nicht voneinander trennen. Warum wollen Sie der Bundeswehr die Mob.-Vorbereitungen auf dem Gebiet des Personellen lassen, auf dem Gebiet des Materiellen aber an die unteren Behörden der Länder gehen? Das scheint mir nicht logisch zu sein.Denken Sie dann auch an die Situation, wie sie ist. In Verhältnissen, die lange zurückliegen, konnten wir mit langen Mobilmachungsdauern rechnen. Heute gibt es so etwas nicht mehr, sondern es bleibt nur eine ganz kurze Frist. Hier können nicht Behörden eingeschaltet werden, die sonst ihrer Aufgabe nach nicht mit diesen Dingen wesentlich und ständig zu tun haben.Schließlich ist gerade die Vorbereitung auf einen solchen Ernst- und Konfliktfall in eine Zeit zu legen in der es ruhig ist. Die Bereitstellungsscheine sind
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Dr. Werberein ganz wesentlicher Teil dieser Vorbereitungen auf materiellem Gebiet.Ferner dürfen Sie nicht vergessen, daß in normalen Zeiten, d. h. in Friedenszeiten, das Einvernehmen mit den unteren Behörden der Länder hergestellt sein muß; nur im Spannungsfall kann es durch das Benehmen ersetzt werden.Ich möchte Sie also bitten, der Ausschußvorlage zuzustimmen und den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das entscheidende Argument ist von dem Kollegen Werber — entschuldigen Sie, Herr Kollege! — verwischt worden. Es geht doch darum, daß eine wirksame Planung nur möglich ist, wenn etwas einheitlich in einer Hand zusammengefaßt ist. Sie schaffen hier verschiedene Behördenzüge. Wir wollen eine einheitliche, klare Regelung durch die innere Verwaltung. Das ist auch der Wunsch des Bundesrates.
Wir bitten nochmals, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Verteidigungsministeriums.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich glaube, diese letzten Ausführungen beruhen auf einem Irrtum. Es ist doch nach Ihrer Ansicht so, daß nicht e d n e Behörde Bereitstellungs- und Anforderungsbehörde ist, sondern eine Unzahl von Behörden der verschiedensten Sparten,
sei es Arbeits-, sei es Landwirtschaftsverwaltung, sei es Kommunalverwaltung, sei es innere Verwaltung. Es liegt also ohnehin nicht in einer Hand, denn es sind ja Maßnahmen, die in der oberen Instanz zwischen Bund und Ländern sowieso abgestimmt werden. Das ist ja alles geklärt. Es handelt sich jetzt also um die Arbeit unten; da sind es ohnehin die verschiedenartigsten Stränge, zum Teil vom Bund, überwiegend von den Ländern, großenteils auch von sonstigen Dienststellen. Da ist nun die Standortverwaltung, die Wehrbereichsverwaltung genauso ein Zweig. Das heißt, die Einheitlichkeit ist ohnehin nicht da. Sie ist nur oben in der Planung und Grundsatzentscheidung vorhanden; unten sind es Einzeldinge. Die Einheitlichkeit kann also nicht gestört werden, weil sie ohnehin nicht vorhanden ist.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!
Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Über das, was der Herr Staatssekretär hier gesagt hat, besteht keine Meinungsverschiedenheit. Aber wenn die allgemeine Zuständigkeit der inneren Verwaltung nunmehr aufgehoben wird und wesentliche Teile ihrer Zuständigkeiten auf die Wehrbereichsverwaltung übergehen, tritt eine Zersplitterung ein. Die Gefahr, die der Kollege Hansing hier dargestellt hat, ist doch die, daß dann die zivile Verteidigung zu kurz kommt. Sie ist in den letzten acht Jahren hier immer zu kurz gekommen. Warum soll das in Zukunft anders sein? Das glaube ich nicht.
Wir kommen nun zur Abstimmung. — Wird das Wort gewünscht?
— Diese Definition des Verbums „glauben" erscheint mir ein bißchen zu formal.
Aber nun wollen wir über den Antrag Umdruck 950 Ziffer 3 abstimmen. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über Nr. 5 ab. Wer der Nr. 5 in der Ausschußfassung zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die Ausschußvorlage ist angenommen.
Nr. 6, dazu Änderungsantrag 950 Ziffer 4.
— Ist erledigt.
Dann können wir über die Nrn. 6, — 6 a, — 7,
—8,-9,— 10,— 11,— 12,— 13,— 14,— 15,16, — 17, — 18, -- 18 a, — 19, —20, —21,-22 und 23 abstimmen; es folgt dann ein Änderungsantrag auf Umdruck 950 Ziffer 5. Wir stimmen also ab bis zu Nr. 23. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Nun zu Nr. 24. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 950 Ziffer 5 vor. Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen zur Begründung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Spät kommt ihr, doch ihr kommt! Inzwischen liegt auf Umdruck 981 ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur dritten Lesung vor.
Ich habe ihn nicht.
— Ach so, er ist zur dritten Lesung vorgesehen.
Ja.
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In der sind wir jetzt noch nicht, Herr Abgeordneter.
Aber materiell beschäftigt sich dieser Antrag mit dem gleichen Anliegen, das ich für die SPD-Fraktion vorzutragen die Ehre habe, Herr Präsident.
Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, daß, wie die SPD, auch die CDU/CSU-Fraktion sich hier wieder auf den Pfad der Tugend begeben hat.
— Nein, den hatten Sie verlassen, Herr Kollege Krammig.
Ich weise diese Behauptung zurück, Herr Redner. Kein Mitglied dieses Hauses hat je den Pfad der Tugend verlassen.
Natürlich nur bei dieser Gesetzgebungsarbeit, Herr Präsident. —Denn — ich muß das hier einmal sagen — es war leichtfertig und verletzend, wie sich manche Mitglieder des Ausschusses und auch Herren der Regierung im Ausschuß über die Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft geäußert haben. Meine Damen und Herren, wenn die Leute, die Sie gerade in diesen Wochen und Monaten um ihre Gelder angehen und die die Wirtschaft repräsentieren, wüßten, wie manche Ihrer Herren über sie geredet haben!
Ich bin sehr froh — —
Herr Abgeordneter, es hat einen guten Sinn, daß die Ausschußberatungen nicht öffentlich sind. Wir sollten sie auch hier nicht öffentlich machen.
Meine Damen und Herren, ich bin sehr froh, daß auch Sie noch einen Weg für die Einschaltung der Wirtschaft gefunden haben. Wenn unser Antrag nicht angenommen werden sollte, so wird sich in der dritten Lesung wenigstens durch die Einfügung in § 3 eine befriedigende und vernünftige Regelung ergeben. Ich wäre aber, da wir diese Sache im Ausschuß so lange und nachhaltig verfochten haben, dankbar, wenn Sie uns die Ehre gäben, unseren Antrag anzunehmen.
Ehre, wem Ehre gebührt. Herr Abgeordneter Werber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war im Augenblick fast versucht, zu glauben, daß wir bereits im Wahlkampf seien. Aber so weit ist es ja noch nicht. Wir haben ja noch ein paar Monate Zeit, bis wir uns dieser Aufgabe entledigen müssen.
Ich bin auch Mitglied dieses Ausschusses, und ich war auch bei den Sitzungen dabei, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen. Ich kann mich nicht erinnern, daß es Mitglieder unserer Fraktion oder andere waren, die, wie Sie in so dramatischer Weise dargestellt haben, sich abfällig über die Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft und ihre Arbeit geäußert hätten. Daran kann ich mich nicht erinnern. Würden Sie das noch etwas näher sagen?
Aber es gibt, Herr Schmitt-Vockenhausen, natürlich auch ganz sachliche Gründe. Es ist richtig, daß für die dritte Lesung ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion vorliegt. In der zweiten Lesung empfehle ich, den Antrag der SPD aus formalen Gründen abzulehnen. Aber ich darf immerhin bei dieser Gelegenheit sagen — und ich mache hier aus meinem Herzen keine Mördergrube —, daß ich persönlich diesem Antrag meiner Fraktion nur sehr schweren Herzens zugestimmt habe. Ich will Ihnen auch sagen, warum.
Dieses ganze Gesetz steht unter dem Gesichtspunkt von Not und Gefahr. Das ist kein einfaches Gesetz. Wenn es einmal angewandt wird, dann sind sehr schlimme Zeiten da, und es ist ganz klar, daß die Planungen, die die zuständigen Behörden vornehmen müssen, natürlich im Interesse der Landesverteidigung einen Geheimcharakter haben müssen. Es ist auch ganz klar, daß jede verantwortungsbewußte Regierung darauf bedacht ist, daß der Kreis derjenigen, die indirekt oder direkt in diese Planungen mit eingezogen werden und davon erfahren, so klein wie möglich gehalten wird. Das ist ein berechtigtes Anliegen, und das ist der Gesichtspunkt, warum es unsere Freunde sehr schwer hatten, hier eine Formulierung vorzulegen. Es wird nun in der dritten Lesung ein Antrag kommen, aber ich lehne es ab, daß unsere Bedenken als eine Mißachtung dieser Selbstverwaltungsorgane gedeutet werden.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen! Ich möchte darauf hinweisen, daß wir Worte, die wir uns aus guten Gründen in den nichtöffentlichen Sitzungen der Ausschüsse leisten können, im Plenum nicht erörtern sollten.
Herr Präsident, das wollte ich gerade sagen. Ich verzichte selbstverständlich darauf, auf diese Sache einzugehen. Ich wollte nur noch einmal sagen, meine Damen und Herren, daß die Argumente des Kollegen Werber meines Erachtens nicht durchschlagen. Die Industrie- und Handelskammern sind öffentlich-rechtliche Körperschaften, und ich finde, ihre Beteiligung kann nur dem Ziele dienen, das der Kollege Werber als erstrebenswert bezeichnet hat. Meine Damen und Herren, es kann nur darauf ankommen, die Sachkenntnis aller betroffenen Kreise zu aktivieren. Das war Ziel unseres Antrags, und das haben Sie nun durch Ihren eigenen Antrag selbst anerkannt.
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9614 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 950 Ziffer 5 zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über die Nr. 24 in der Ausschußfassung ab, gleichzeitig über die Nrn. 25, 26, 27, 28 und 29. Wer bis Nr. 29 zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Gegenstimmen angenommen.
Zu § 30 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 950 Ziffer 7 vor. Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Kettig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Schriftlichen Bericht heißt es in § 39 Satz 1: „Auf Antrag des Bedarfsträgers
Darf ich kurz unterbrechen. Ich habe einen Fehler begangen. Es liegt ein Änderungsantrag Umdruck 950 Ziffer 6 zu Nr. 27 vor. Ich habe das auf meiner Vorlage übersehen. Bitte, bringen Sie mich nicht in Verlegenheit! Wir haben also nur bis 26 abgestimmt. Zu Art. I Nr. 27 liegt ein Änderungsantrag Umdruck 950 Ziffer 6 vor. Begründen Sie auch diesen Antrag? — Bitte, Frau Kollegin!
In § 39 Satz 1 heißt es:
Auf Antrag des Bedarfsträgers hat die Anforderungsbehörde die sofortige Vollziehung des Leistungsbescheides anzuordnen.
Wir stellen auf Umdruck 950 Ziffer 6 den Antrag, hinter dem Wort „Anforderungsbehörde" einzufügen: „im Verteidigungsfall und im Falle der beschleunigten Herstellung der Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik".
Dazu kurz folgende Begründung: Die sofortige Vollziehbarkeit des Leistungsbescheides soll aus rechtsstaatlichen Gründen auf den Verteidigungsfall und den Fall der beschleunigten Herstellung der Verteidigungsbereitschaft beschränkt bleiben. Nach unserer Meinung kann keine Maßnahme so dringlich sein, daß ihre sofortige Vollziehbarkeit kraft Gesetzes angeordnet werden sollte. Die Behörde hat ja ohnehin, ungeachtet der Anfechtungsklage, die Möglichkeit, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die sofortige Vollziehbarkeit zu erreichen.
Wir bitten Sie, diesem unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Werber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, es bei der Ausschußvorlage zu belassen. Es wäre sicher ideal, wenn diese Dinge nur im Verteidigungsfall oder im Spannungsfall zu geschehen brauchten. Aber es sind
gewisse Vorbereitungen notwendig, auch auf dem Gebiet der zivilen Verteidigung. Denken Sie z. B. daran, daß man in der Lage sein muß, Anforderungen zu stellen, um Lazarette einzurichten oder ähnliches.
Herr Abgeordneter, machen Sie doch einige Leute nicht arbeitslos, indem Sie diese Dinge hier sagen!
Ich möchte Sie also bitten, den Änderungsantrag abzulehnen und dem Ausschußbeschluß zuzustimmen.
Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen ab über die Nrn. 27 bis 29. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Zu Nr. 30 liegt der Änderungsantrag Umdruck 950 Ziffer 7 vor. Frau Abgeordnete Kettig!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Umdruck 950 Ziffer 7 beantragt meine Fraktion, in Art. I Nr. 30, d. h. § 46 Abs. 2 hinter den Worten „des § 131" die Worte „Abs. 1 Satz 3 sowie die Absätze 2 bis 4" einzufügen, und zwar aus folgendem Grunde.
Jede Beschränkung der Rechtsmittel ist an sich schon zu bedauern. Im Hinblick auf die Überlastung der Verwaltungsgerichte sind wir bei der Verabschiedung der Verwaltungsgerichtsordnung leider gezwungen gewesen, in verschiedenen Fragen eine solche Beschränkung vorzunehmen. Erfreulicherweise hat sich der Bundestag damals dazu verstanden, diese Beschränkung zeitlich zu befristen. Ziel unseres Antrags ist es, ebenfalls eine solche Befristung auf fünf Jahre herbeizuführen. Wir bitten Sie um Ihre Zustimmung.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Hölzl.Dr. Hölzl, Staatssekretär 'im Bundesministerium des Innern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Antrag der SPD angenommen würde, so würde damit, wie die Frau . Abgeordnete soeben ausgeführt hat, der Ausschluß der Berufung nur für fünf Jahre gelten. Ich darf darauf hinweisen, daß der größte Teil des Bundesleistungsgesetzes überhaupt nur für den Fall der Not, für den Spannungs- oder den Verteidigungsfall, wirksam werden soll. Wir alle hoffen, daß dieser Fall nie eintritt, vor allem daß er nicht während der nächsten fünf Jahre eintritt. Wenn Sie dem Antrag der SPD zustimmten, würden Sie damit ein Gesetz beschließen, das überhaupt nie angewendet würde. Nach fünf Jahren müßte dann erneut über dieses Gesetz beschlossen werden, ohne daß es bis dahin, abgesehen von den Vorschriften über das Manöverrecht, überhaupt angewendet worden wäre.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9615
Dr. HölzlIch bitte Sie also, den Ausschußbeschlüssen in der Fassung, wie sie in der Drucksache vorliegen, zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was der Herr Staatssekretär eben gesagt hat, kann doch gar nicht richtig sein; entschuldigen Sie. Wenn im Verwaltungsrechtsweg die Rechtsmittel fünf Jahre lang beschränkt werden, kann man doch nicht sagen, daß in dieser Zeit das ganze Gesetz nicht in Kraft tritt. Das ist völlig abwegig. Wenn wir nach fünf Jahren zu der Meinung kämen, daß eine weitere Begrenzung der Rechtsmittel notwendig sei, dann müßte man, wie auch bei anderen Fragen, darüber reden! Um nicht mehr oder weniger geht es. Also die Begründung, die Sie gegeben haben, Herr Staatssekretär, ist nicht richtig. Wenn die Mehrheit aus anderen Gründen ablehnen will, ist es ihr gutes Recht; aber mit dieser Begründung geht es jedenfalls nicht.
Keine Wortmeldungen mehr? — Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag 950 Ziffer 7 zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Dann stimmen wir ab über die Nrn. 30, 31, 31 a. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen ? — Das erste war die Mehrheit. Angenommen!
Nun Nr. 32! Dazu ist ein Änderungsantrag unter Ziff. 8 angekündigt. Das Wort hat Frau Abgeordnete Kettig zur Begründung des Antrags.
In § 66 Abs. 2 Satz 1 heißt es:
Manöver oder andere Übungen dürfen in der Regel die Dauer von dreißig Tagen nicht überschreiten.
Mit unserem Änderungsantrag möchten wir die Dauer von Manövern oder anderen Übungen auf drei Wochen begrenzen. Die Ministerien haben ja selbst erklärt, daß die Manöver immer nur kurz seien. Dadurch, daß in den Zusatzvereinbarungen zum NATO-Truppenstatut die sogenannte Niedersachsenklausel weggefallen ist, sollte man diese Frist doch auf jeden Fall berücksichtigen.
Wir beantragen deshalb, in Art. I Nr. 32 in § 66 Abs. 2 Satz 1 die Worte „von dreißig Tagen" durch die Worte „von drei Wochen" zu ersetzen, und bitten um Ihre Zustimmung.
Das Wort hat Abgeordneter Dr. Werber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Änderungsantrag abzulehnen. Die Vertreter des Verteidigungsministeriums haben im Ausschuß und auch bei anderer Gelegenheit darauf hingewiesen, daß die Frist von dreißig Tagen für Manöver schon wegen der Vorbereitung und der Abwicklung notwendig ist und sie nicht auf 21 Tage verkürzt werden kann. Ich möchte doch annehmen, daß man den Sachbearbeitern, die diese Dinge durchführen müssen, das Vertrauen entgegenbringen kann, daß sie nur die notwendige Frist angeben.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Dann lasse ich abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 950 Ziffer 8. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Bitte, die Gegenprobe! — Abgelehnt!
Ich lasse abstimmen über Nr. 32 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen!
Ich rufe die Nrn. 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39 auf. —Keine Änderungsanträge!
Die Änderungsanträge 950 Ziffern 9 und 10 sind erledigt. Dann rufe ich auch die Nrn. 40 und 41 auf. Keine Änderungsanträge! Keine Wortmeldungen mehr! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen!
Ich rufe Nr. 42 und dazu den Umdruck 950 Ziffer 11 auf. Wird der Antrag begründet? — Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier handelt es sich nur um eine Anpassung an die vom Rechtsausschuß beschlossene Fassung des § 1 Abs. 2. Ich bitte um Annahme.
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über den Antrag Umdruck 950 Ziffer 11. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Abgelehnt.Ich lasse abstimmen über Nr. 42 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.Ich rufe auf die Nrn. 43, 44, 45, 45a, 46 und 47. Keine Änderungsanträge, keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.Ich lasse abstimmen über Art. 1 als Ganzes. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.Ich rufe auf Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — Einleitung und Überschrift. Keine Änderungsanträge,
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9616 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Vizepräsident Dr. Jaegerkeine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.Meine Damen und Herren, damit ist die zweite Beratung beendet. Wir treten in diedritte Beratungein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, sagen zu können, daß es uns in den Ausschußberatungen gelungen ist, auch in gemeinsamer Arbeit, zahlreiche wesentliche Verbesserungen des Gesetzentwurfs vorzunehmen. Ich möchte hier vor allem die Tatsache erwähnen, daß in § 3 die Frage der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wieder berücksichtigt worden ist und daß es gelungen ist, hier den Vorschlägen der Bundesregierung nicht zu folgen, sondern eine Formulierung zu finden, die die Zustimmung aller Fraktionen erhalten hat. Besondere Genugtuung empfindet meine Fraktion darüber, daß unsere Vorschläge zur Verbesserung des Manöver-Entschädigungsrechts in dem Gesetz ihren Niederschlag gefunden haben und daß auf diese Weise wertvolle Verbesserungen und Ergänzungen des Entwurfs erreicht werden konnten.
Leider bleiben schwerwiegende Mängel. Sie sind von den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion und mir hier noch einmal bei der Beratung der Einzelanträge dargelegt worden. Wir sehen in der Bestimmung des § 1, wie sie jetzt ist, die Einführung eines Notstandsrechts durch einfaches Gesetz. Wir sind der Meinung, daß die in § 5 und § 5 a getroffene Regelung die Belange der Zivilverteidigung nicht genügend berücksichtigt. Schließlich sind wir der Auffassung, daß die Bestimmungen des § 39 aus rechtsstaatlichen Gründen nicht hätten aufgenommen werden dürfen. Im Frieden sollte die sofortige Vollziehbarkeit unter keinen Umständen durch ein Gesetz eingeführt werden, zumal die Behörde nach der Verwaltungsgerichtsordnung jederzeit die Möglichkeit hat, die sofortige Vollziehbarkeit zu sichern.
Wir freuen uns schließlich, daß die Belange der Wirtschaft in der Abstimmung in dritter Lesung voraussichtlich berücksichtigt werden. Wir werden aber aus den vorhin erwähnten drei grundsätzlichen Bedenken dem Gesetz in dritter Lesung nicht zustimmen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Werber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gestehe Ihnen, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, daß ich bis zum Schluß noch die Hoffnung hatte, Ihre Fraktion werde dem Gesetz zustimmen, und zwar einfach deswegen, weil Sie öfters, auch draußen, zum Ausdruck bringen, daß Ihnen an der Sicherheit und der Verteidigung
der Bundesrepublik ebenfalls sehr gelegen ist. Hier wäre eine Möglichkeit gewesen, das zu zeigen, unabhängig davon, daß Sie einzelne Paragraphen ablehnen oder geändert haben wollten; dafür haben wir Verständnis. Es wäre jedenfalls dem Ganzen sehr nützlich gewesen und hätte dem Ganzen auch den entsprechenden Nachdruck verliehen, wenn Sie hätten zustimmen können. Wir haben die Beratung im Ausschuß von unserer Seit aus bestimmt verantwortungsbewußt und sorgfältig geführt, und ich möchte auch der Bundesregierung danken. Es hat Mut dazu gehört, diesen Gesetzentwurf vorzulegen, weil er klar auf die Notzeit abstellt, wie sie eintreten kann. Es ist in unserer Zeit notwendig, nicht nur von der Möglichkeit einer Not zu sprechen, sondern auch entsprechend zu handeln. Deshalb möchte ich der Bundesregierung und in diesem Fall dem federführenden Bundesministerium des Innern — aber auch ,dem Bundesverteidigungsministerium für die Mitarbeit — danken, daß sie diesen Gesetzentwurf noch in dieser Legislaturperiode eingebracht haben, der nun noch zur Verabschiedung gekommen ist.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache.
Ich komme in dritter Lesung noch einmal zur Einzelberatung des Art. 1. Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 981 vor, der im Hause verteilt ist. Außerdem liegt ein Änderungsantrag vor, den Herr Abgeordneter SchmittVockenhausen im Namen der Fraktion der SPD gestellt hat und der zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU gestellt ist, daß die Worte „mit Zustimmung des Bundesrates" eingefügt werden. Ich darf die Aussprache über die Anträge eröffnen. Soll der Antrag begründet werden? — Bitte, Herr Abgeordneter Kühlthau!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion schlägt in ihrem Antrag vor, nachdem in § 3 Abs. 3 Satz 2 festgelegt worden ist, daß bei dem Verfahren der Erteilung von Leistungsbescheiden die Belange der gewerblichen Wirtschaft berücksichtigt werden sollen, folgenden Satz 3 einzufügen:Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung, wie sachverständige Stellen der gewerblichen Wirtschaft an dem Verfahren der Erteilung von Leistungsbescheiden zu beteiligen sind, wenn wirtschaftliche Unternehmen leistungspflichtig werden.Meine Damen und Herren, ich habe bereits bei den Beratungen des Innenausschusses diesen Vorschlag gemacht. Er ist geboren aus der Erfahrung einer dreißigjährigen hauptberuflichen Tätigkeit in einer großen deutschen Industrie- und Handelskammer und geboren auch aus den Erfahrungen einiger Jahre praktischer Arbeit auf wehrwirtschaftlichem Gebiet, die ich in meiner Kammer vor dem Kriege und bis in den Krieg hinein geleistet habe. Ich glaube, daß es im Interesse der Anforderungsbehörden selbst liegt, daß sie die sachverständigen Stel-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9617
Kühlthaulen der gewerblichen Wirtschaft an diesem Verfahren beteiligen. Im übrigen soll ja durch Rechtsverordnung geregelt werden, wie diese Beteiligung erfolgen soll. Ich darf darauf hinweisen, daß wir unter sachverständigen Stellen der gewerblichen Wirtschaft im wesentlichen die öffentlich-rechtlichen Berufsvertretungen der Wirtschaft, d. h. die Kammern, verstehen. Wenn dieser Wortlaut so gewählt worden ist, dann deshalb, weil das dem Verfahren in § 13 des Wehrpflichtgesetzes entnommen wurde, wo mit dem gleichen Wortlaut ebenfalls die Bundesregierung beauftragt wird, durch Rechtsverordnung die Beteiligung sachverständiger Stellen zu regeln. Uns schwebt nicht vor — das habe ich auch in den Beratungen des Innenausschusses als meine Meinung aus prakticher Arbeit gesagt —, nun in jedes Verfahren der Anforderung von Leistungen eine Kammer einzuschalten, sondern wir wollen dafür Sorge tragen, daß, wenn gegen den Anforderungsbescheid ein Rechtsmittel eingelegt wird und die Behörde prüft, ob sie dem Einspruch selbst abhelfen kann, die Behörde die Kammern zumindest hören soll, wenn sie die Absicht hat, nicht abzuhelfen. Wenn man diesem Wunsch in der Rechtsverordnung entspräche, würde man den Belangen der Wirtschaft weitgehend entgegenkommen. Weiter sollte nach unserem Dafürhalten die Beteiligung nicht gehen; denn dadurch würde auch die Leistungsfähigkeit der Kammern selbst überfordert. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auf Grund dieser Ausführungen dem Vorschlag zustimmten.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stimmen natürlich diesem Antrag gern zu, weil wir in der Sache mit Ihnen übereinstimmen. Wir wären allerdings dankbar, wenn Sie unseren Zusatzantrag „mit Zustimmung des Bundesrates" annähmen. Ich bin überzeugt, daß wir damit einen der Gründe, die gegebenenfalls zur Anrufung des Vermittlungsausschusses führen könnten, ausschalten würden.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich zuerst abstimmen über den Änderungsantrag der SPD zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU. Dieser Änderungsantrag ist noch nicht verteilt. Ich darf wiederholen, daß am Ende des ersten Satzes nach den Worten „Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung" hinzugefügt wird „mit Zustimmung des Bundesrates". Das Zustimmungserfordernis des Bundesrates also ist das Neue im Änderungsantrag der SPD.Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Nunmehr komme ich zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 981. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist so angenommen.Damit darf ich noch einmal über Art. 1 in der Fassung ,der vorigen Lesung, jedoch mit der soeben beschlossenen Änderung abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, der ,gelbe das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.Damit ist die Einzelberatung in der dritten Lesung erledigt, und wir nähern uns der Schlußabstimmung. Ich erinnere mich, daß eine Verabredung besteht, kontroverse Abstimmungen in der Mittagszeit nicht vorzunehmen. Ich frage, ob das eine kontroverse Abstimmung im Sinne dieser Vereinbarung ist. — Die Herren Fraktionsgeschäftsführer sind der Meinung, daß das nicht der Fall ist. Ich schließe mich dieser Meinung gern an. Ich lasse also abstimmen. Wer dem Gesetz im Ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, ich lasse die Abstimmung wiederholen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich noch einmal zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste ist nach übereinstimmender Meinung des !Sitzungsvorstandes die Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.Wir kommen nun noch zur Abstimmung über Ziffer 2 auf Seite 6 der Drucksache, die zu dein Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben für erledigt zu erklären. Eine Aussprache darüber wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung abgeschlossen.Nach den getroffenen Vereinbarungen kommt nunmehr Punkt 17:Zweite und dritte Beratung ,des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Seemannsgesetzes ,Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 2892)
.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Ludwig, für seinen Schriftlichen Bericht. Ergänzungen sind nicht veranlaßt.Damit komme ich in zweiter Beratung zur Einzellesung und rufe Art. 1 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Art. 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen!Ich rufe auf: Art. 2, — 3 — und 4, — Einleitung und Überschrift. — Wer den Gesetzesbestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen!Damit komme ich zurdritten Beratungund eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
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9618 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Vizepräsident Dr. Jaeger— Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. — Einstimmig angenommen! Dann komme ich zu Punkt 18:Zweite Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt , Bading, Margulies, Dr. Schild, Geiger (München) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschwefelung flüssiger und gasförmiger Brennstoffe (Drucksache 1980),Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Geheitswesen (Drucksache 2855)
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Zur Ergänzung des Schriftlichen Berichts erteile ich Herrn Abgeordneten Striebeck als Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich auf den Schriftlichen Bericht verweisen, der kurz den Ablauf der Beratungen über den Entwurf eines Gesetzes über die Entschwefelung flüssiger und gasförmiger Brennstoffe wiedergibt. Aus dieser Beratung wurde der Entschließungsantrag geboren, der heute dem Hause zur Annahme empfohlen wird. Die Wichtigkeit des Problems läßt es nicht zu, die Angelegenheit mit dem kurzen Schriftlichen Benicht abzuschließen. Ich bitte deshalb um Verständnis, wenn ich als Berichterstatter noch einige zusätzliche Ausführungen zur Sache mache und damit die Bedeutung des Entschließungsantrags hervorhebe.Grundlage des zur Debatte stehenden Entschließungsantrags ist der von den Abgeordneten Dr. Schmidt , Bading, Margulies, Dr. Schild, Geiger (München) und Genossen eingebrachte Entwurf eines Gesetzes über die Entschwefelung flüssiger und gasförmiger Brennstoffe. Wir haben es bei diesem Punkt der Tagesordnung also wieder einmal mit der Reinhaltung der Luft zu tun, die in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden kann. Reine Luft ist für alle Lebewesen eine unentbehrliche Lebensgrundlage. Sie reinzuhalten, wird im Zeichen der stürmischen Entwicklung der Technik immer dringlicher und sollte gerade für uns als Gesetzgeber die schönste Aufgabe sein, auch schon deshalb, weil der einzelne Mensch hier nicht mehr die Möglichkeit der Selbsthilfe hat, sondern auf die Vorsorge des Staates und den Schutz durch das Gesetz angewiesen ist.Ich darf darauf hinweisen, daß sich erst vor kurzem der Sozialausschuß des Europarates mit der Verunreinigung der Luft und ihren Folgen beschäftigt hat. In einem interessanten Bericht, der sich auf großangelegte Untersuchungen in allen Industrieländern stützt und der auch uns wertvolles Material vermittelt, wird nachgewiesen, daß die Gesundheit der Menschen immer stärker unter den Auswirkungen der Verunreinigung der Luft leidet. Förderung der Krebsbildung, Zunahme von Todesfällen als Folge von Herzanfällen, stärkeres Auftreten von Bronchitis, Lungenentzündung und sonstige Krankheiten von Luftwegen und eine Zunahme von nervösen Depressionen sind nach Ansicht vieler Fachleute, insbesondere auch jener der Weltgesundheitsorganisation, die erschreckenden Folgen einer immer stärker werdenden Verschmutzung der Luft. Hinzu kommen die großen Verluste, die der Volkswirtschaft durch Schäden am Viehbestand und an Kulturen, durch Reparaturkosten für Schäden an Häusern und sonstigen Bauten, durch erhöhten Aufwand und durch Wertminderung entstehen.Die Hauptquellen für die Verunreinigung der Luft dürften folgende drei Ursachen sein: Erstens Industriefeuerung und hier besonders die mit den schwefelhaltigen Schwerheizölen befeuerten Anlagen, zweitens Feuerungsanlagen in den Wohnungen und drittens Kraftfahrzeuge. Jeder von uns weiß, daß die Verunreinigung der Luft in den Industriezentren und da besonders im Ruhrgebiet und in den großen Städten zu einer öffentlichen Gefahr wird. Das kam auch zum Ausdruck, als der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Dr. Meyers, als Präsident des Bundesrates am 11. November des vergangenen Jahres dieses Problem behandelte. Ich darf mit Genehmigung des Präsidenten einige Sätze wörtlich zitieren. Herr Dr. Meyers sagte:Wenn hier nicht bald gehandelt wird, dann ist zu befürchten, daß in wenigen Jahren in den Großstädten und Industriebetrieben gesundheitswidrige Zustände herrschen, die einem öffentlichen Notstand nahekommen. Schon jetzt— so sagte Dr. Meyers —halte ich es nicht für einen Zufall, sondern für die Auswirkung der gesundheitsschädigenden Zustände, daß wir z. B. im Ruhrgebiet die höchste Mütter- und Säuglingssterblichkeit Europas haben. Die Errungenschaften des technischen Fortschrittes werden in ihr Gegenteil verkehrt, wenn der Mensch nicht imstande ist, mit diesen Erscheinungen fertig zu werden.Herr Ministerpräsident Dr. Meyers ging aber noch weiter. Er sagte, daß es Aufgabe der politischen Führung sei, die Gesundheit der Bevölkerung auch unter den Einwirkungen der modernen Technik zu gewährleisten. Schließlich, so meinte er, werde der Erfolg einer Politik im Bund und in den Ländern in Zukunft nicht zuletzt danach beurteilt werden, wie es gelinge, diese Probleme zu lösen.Meine Damen und Herren, die an dem von mir erwähnten Gesetzentwurf beteiligten Ausschüsse, und zwar der Gesundheitsausschuß — federführend — und der Wirtschaftsausschuß — mitberatend —, sind sich der Dringlichkeit dieses Problems bewußt. Insbesondere weiß man um die schädliche Einwirkung der anfallenden Abfallstoffe, also der verunreinigten Luft, auf Mensch, Tier, Pflanzen und Material, eine Tatsache, über die schon viel gesagt und geschrieben worden ist und die auch von der Industrie bejaht werden muß, die durch die notwendig werdenden Maßnahmen getroffen wird und für die neben anderen Fragen auch die Wirtschaftlichkeit eine Rolle spielt. Aber, meine Damen und Herren, wenn man auch in der Gesetzgebung die Wirtschaftlichkeit nicht ganz außer Betracht lassen kann, so sollten diese Dinge doch in erster Linie vom gesundheitspolitischen Standpunkt aus gesehen werden.
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StriebeckAuf jeden Fall aber wäre es verhängnisvoll, gesundheitliche Notwendigkeiten an dabei entstehenden Kosten scheitern zu lassen. Da, meine Damen und Herren, sollten wir uns ein Beispiel am Ausland nehmen, das in der gleichen Angelegenheit bereits Vorbildliches geleistet hat. Auch wir sollten uns die Reinhaltung der Luft und damit die Erhaltung unserer Gesundheit wirklich etwas kosten lassen.Meine Damen und Herren! Das Problem hat aber auch eine technische Seite. Gerade die Frage, ob die zutreffenden Maßnahmen schon jetzt technisch durchführbar sind, konnte bei den Beratungen nicht unberücksichtigt bleiben. Die Meinung der Fachleute darüber ist allerdings nicht einheitlich. Aber wie es auch sei, meine Damen und Herren, die Bekämpfung der Luftverunreinigung ist, wie es der Sonderausschuß des Senats von Hamburg nach Untersuchung der gleichen Frage niedergeschrieben hat, in erster Linie ein wissenschaftliches, ein technisches Problem. Der Schwerpunkt der Arbeiten wird daher auch künftig auf diesem Gebiet liegen müssen. Die Wissenschaft wird ihre Forschungen über Entstehung, Ausbreitung und Messung der Luftverunreinigung fortzusetzen haben. Die Technik wird in vermehrtem Umfange die Erkenntnis der Forschung für die Entwicklung von Einrichtungen, mit denen die Luftverunreinigung wirksam bekämpft werden kann, auswerten müssen.Wir wissen aber, meine Damen und Herren, daß die Technik sehr oft durch Forderungen und Verlangen in der Gesetzgebung in der gebotenen Eile auf den notwendigen Stand gebracht wird. Auch aus diesem Grunde sollten wir sehr bald zu weiteren gesetzlichen Bestimmungen kommen, die die angesprochenen und verantwortlichen Kreise verpflichten und zwingen, alles nur Mögliche zur Reinhaltung der Luft zu tun.Meine Damen und Herren, in den letzten Tagen der Beratungen wurde mehr und mehr die Frage in den Vordergrund gerückt, ob nicht die vom Bundestag getroffene Regelung des § 16 der Gewerbeordnung die Möglichkeit gibt, das Anliegen der Antragsteller des von mir genannten Entwurfs zu berücksichtigen. Viele Gutachter stehen auf dem Standpunkt, daß die in § 16 der Gewerbeordnung festgelegte Regelung zur Zeit noch ausreicht, um die Allgemeinheit vor gesundheitlichen Schäden durch schwefelige Abgase zu schützen; eine Ansicht, der sich auch die beiden Ausschüsse in der Mehrheit angeschlossen haben. Im übrigen aber war man einheitlich der Meinung, daß weitere gesundheitspolitische Maßnahmen dringend notwendig sind, wenn der großen Gefahr einer ständig zunehmenden Luftverunreinigung begegnet werden soll. Aus diesem Grunde und wegen der an sich bedauerlichen Tatsache, daß der vorliegende Gesetzentwurf, besonders in der jetzigen Form, in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden kann, kam es zu dem Entschließungsantrag, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, bis Ende dieses Jahres einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen und darüber hinaus alle schon jetzt gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen, um einen wirksamen Schutz der Bevölkerung vor schädlichen Verunreinigungen der Atmosphäre zu erreichen. DerBundestag — ich glaube, das darf man wohl sagen— erwartet, daß die Bundesregierung dem einheitlichen Willen aller Abgeordneten und der Bevölkerung schnellstens Rechnung trägt.Ich darf Sie bitten, zu beschließen, den Gesetzentwurf Drucksache 1980 für erledigt zu erklären, im übrigen aber die große Bedeutung der Reinhaltung der Luft und die Dringlichkeit der Gesetzgebung auf diesem Gebiet durch einstimmige Annahme des vorliegenden Entschließungsantrags zu unterstreichen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich komme in der Einzelberatung zu §§ 1 bis 12, Einleitung und Überschrift. - Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Der Ausschuß schlägt vor, die Drucksache für erledigt zu erklären. Erheben die Antragsteller Widerspruch gegen diese Methode der Erledigung?
— Das ist offenbar nicht der Fall. Wer also den Entwurf geschäftsordnungsmäßig für erledigt erklären will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen!
Damit komme ich zum zweiten Teil des Ausschußantrags, zu der Entschließung, die auf Drucksache 2855 festgehalten ist. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig verabschiedet!
Damit komme ich zu Punkt 19 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes ,
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wiedergutmachung (Drucksache 2857)
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Zur Ergänzung des Schriftlichen Berichts erhält ,der Berichterstatter, der Abgeordnete Eichelbaum das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!Wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verfolgt worden ist, dem ist Unrecht geschehen. Wer aus Überzeugung oder um des Glaubens oder des Gewissens willen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft Widerstand geleistet hat, hat sich ein
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9620 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
EichelbaumVerdienst um das Wohl des deutschen Volkes und des Staates erworben.Diese Tatsachen-Anerkennung formuliert die Präambel des Bundesentschädigungsgesetzes für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Unter diesen Worten steht auch das Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes, das der Bundestag vor zehn Jahren beschlossen hat und dessen sechste Novelle in der Drucksache 2857 dem Höhen Hause vorliegt. Im gleichen Geiste wie damals wird die uns obliegende Aufgabe bejaht.Obwohl die Wiedergutmachung für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu fast hundert Prozent erfolgt ist und das Problem im ganzen abgeschlossen erscheint, hat der Ausschuß die Beratung des Regierungsentwurfs vom 17. November 1960 dazu genutzt, alle Fragen neu zu überlegen und einer Lösung zuzuführen, die durch Lücken des Gesetzes oder am Rande noch offenstanden.In den Grundanliegen der Novelle waren sich die Fraktionen voll einig. Wo über Verbesserungsoder Änderungsmöglichkeiten verschiedene Auffassungen unter den Abgeordneten bestanden, wurden in sorgfältiger Beratung gemeinsame Antworten gefunden und zuletzt einstimmige Beschlüsse gefaßt. Ein solcher Beschluß liegt auch vor zu der Frage einer Entschädigung für die geprüften, aber nicht anerkannten Referendare. Hier glauben wir jetzt eine Lösung gefunden zu haben, die eine entgegenkommende und akzeptable Regelung darstellt, eine Lösung, die unseren guten Willen erweist und hoffentlich endgültig Beruhigung schafft. Ich verweise auf § 31 h.Zwei Bemerkungen meines schriftlichen Berichts möchte ich noch besonders hervorheben. Erstens: Der Ausschuß erwartet, daß eine Auslegung des Gesetzes, die dem Ziel der Entschädigung entspricht und möglich ist, jeder anderen Auslegung gegenüber den Vorzug verdient, die die Wiedergutmachung erschwert oder zunichte macht.Zweitens: Der Ausschuß erwartet weiterhin, daß alle staatlichen und kommunalen Stellen die verfolgten Angehörigen des öffentlichen Dienstes über die formelle Wiedergutmachung hinaus in jeder Weise fördern.Der Ausschuß empfiehlt Ihnen die Annahme seiner Beschlüsse.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe in zweiter Beratung den Art. I auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Art. I zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Art. II, — Art. III, — Art. III a, -
Art. IV, — Art. V, — Art. VI, —Art. VII, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen
zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Hamacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Verabschiedung einer sechsten Novelle zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes darf ich für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion die Erklärung abgeben, daß meine Fraktion dieser Novelle auch in dritter Lesung zustimmen wird. Wir anerkennen, daß mit 'der Verabschiedung dieser Novelle ein weiterer Schritt getan wird, wesentliche Unterschiede in der beamtenrechtlichen Gesetzgebung zum Nachteil der Verfolgten wie auch inzwischen durch Praxis und Rechtsprechung erkennbar gewordene Mängel in diesem Gesetz zu beseitigen. Wir stellen gern fest, daß darüber hinaus insbesondere auch von den Verfolgten vorgetragene Verbesserungswünsche in diese sechste Novelle übernommen worden sind, die einem erheblichen Teil der Verfolgten des Nazismus aus dem öffentlichen Dienst zugute kommen.Wenn nicht alle Wünsche der Verfolgten berücksichtigt werden konnten, so geben wir dennoch unserer Hoffnung Ausdruck, daß bei der Anwendung dieses Gesetzes eine weitestgehende Auslegung zugunsten der Verfolgten Platz greifen wird, wie dies dem Sinn der Präambel zum BEG entspricht und zu wiederholten Malen von den Sprechern aller Fraktionen dieses Hohen Hauses bei der Verabschiedung von Gesetzen zur Wiedergutmachung einmütig zum Ausdruck gebracht worden ist. Wir hoffen und wünschen, daß bei der Anwendung des Gesetzes dieser einmütige Wille des Gesetzgebers, also des Parlaments, die notwendige Beachtung findet, um begangenes Unrecht unter Wertung aller Umstände, die für den Verfolgten sprechen, wiedergutzumachen und damit auch dem Verfolgten die Gewißheit zu geben, daß sein Widerstand gegen einen Unrechtsstaat die Anerkennung und Würdigung dieses Hohen Hauses findet.Die zügige Arbeit des Wiedergutmachungsausschusses hat es ermöglicht, diese Novelle hoffentlich als abschließende Novelle — noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Dafür sei ihm gedankt. Diesen Dank möchten wir ausgedehnt wissen auf alle Ministerial- und Verwaltungsstellen, die durch ihre sachliche Mitarbeit und Formulierungshilfe nicht unwesentlich zur Verabschiedung dieses Gesetzes beigetragen haben.Praxis und Rechtsprechung haben indessen in der Vergangenheit Mängel auch in der übrigen Wiedergutmachungsgesetzgebung erkennbar werden lassen. Das Bundesentschädigungsgesetz, das Bundesrückerstattungsgesetz, das Gesetz zur Wiedergut-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9624
Hamachermachung in der Sozialversicherung und andere bedürfen gleichfalls dringendst der Novellierung. Andere Gesetze, so die Wiedergutmachung an den Opfern der Sterilisation und ein Eingliederungsgesetz, warten immer noch auf ihre Verabschiedung. Wir haben den Wunsch, daß ein vierter Bundestag diese offenen Anliegen recht bald durch eine abschließende Gesetzgebung erledigen wird.Ich wiederhole, die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird dieser Vorlage zustimmen.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe ,die allgemeine Aussprache und komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes ,Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung (Drucksache 2860)
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Ich danke der Berichterstatterin, der Frau Abgeordneten Dr. Probst, für ihren Schriftlichen Bericht.Ich rufe auf Art. I, — I a, — II, — II a, — III, — Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich komme zurdritten Beratungund eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort begehrt? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Die Punkte 21 und 22 werden zurückgestellt. Ich rufe Punkt 23 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gaststättengesetzes ,Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 2889, zu 2889)
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Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Leonhard, für seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, — 2, —3, — Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer ,den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 24 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Schiffsbankgesetzes ,Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 2891, zu 2891)
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Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Ruland, für seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Lesung auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung. Das Wort wird nicht begehrt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um .das Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Wir kommen zu Punkt 25 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau ,Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 2879, zu 2879)
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Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Fritz , für seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, — 2, — 3, — 4, — Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das
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Vizepräsident Dr. JaegerHandzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Damit kommen wir zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Die weiteren Punkte der Tagesordnung werden zurückgestellt. Es kommt jetzt Tagesordnungspunkt 44.
— Nach den mir gegebenen Unterlagen wird Punkt 31 zurückgestellt. Haben Sie mir selbst übergeben!
— Wenn es das Hohe Haus wünscht, kann ich auchPunkt 31 aufrufen. — Es erfolgt kein Widerspruch.Dann rufe ich auf Punkt 31 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen vom 14. Dezember 1960 über die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksache 2670),Mündlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 2861).
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Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Birrenbach.
Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Herr Abgeordneter, Sie befinden sich nicht im Ausschuß.
Der Entwurf eines Gesetzes zum Übereinkommen vom 14. Dezember 1960 über die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung liegt heute dem Bundestag zur Beratung in zweiter und dritter Lesung vor. Das Gesetz hat zum Gegenstand die Zustimmung des Bundestages zu den in Art. 1 des Gesetzes genannten Abkommen, die von der Bundesregierung am 14. Dezember 1960 unterzeichnet worden sind. Es handelt sich dabei erstens um das Übereinkommen über die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung , zweitens um das Protokoll zur Revision des Abkommens über die sogenannte OEEC, welches durch das erstgenannte Abkommen ersetzt werden soll und drittens um ,die Vereinbarung betreffend die Anwendung des Art. 15 des OECD-Vertrages betreffend Übernahme von Empfehlungen und Beschlüssen der OEEC auf die OECD.Die drei vorgenannten Abkommen bedürfen nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes der Zustimmung des Bundestages in Form eines Bundesgesetzes, da sie Gegenstände der Bundesgesetzgebung betreffen.Die Zustimmung des Bundesrates ist nach Art. 105 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Regelung des auf Art. 19 des OECD-Vertrags beruhenden Zusatzprotokolls Nr. 2 erforderlich. Diese ist mit Datum vorn 14. April 1961 erteilt worden.Der Außenhandelsausschuß als federführender Ausschuß und der Auswärtige Ausschuß, für die ich als Berichterstatter meinen Bericht dem Hohen Hause vorlege, haben die Verabschiedung dieses Gesetzes einstimmig beschlossen.Zu den Abkommen möchte ich folgendes ausführen.Das erste Übereinkommen, das von den 18 OEEC-Ländern, den Vereinigten Staaten und Kanada unterzeichnet worden ist, soll die OEEC-Konvention ersetzen, die am 16. April 1948 abgeschlossen worden war und welche die wirtschaftliche Entwicklung in Westeuropa nach Verkündung des Marshall-Planes entscheidend bestimmt hat. Die Bundesrepublik war nach dem Petersberger Abkommen unmittelbarer Partner des Übereinkommens, während vorher die Zonen durch die Besatzungsbehörden vertreten waren.Wenn ein Abkommen ein anderes ersetzen soll, muß man das neue mit dem früheren vergleichen. Man kann die Ergebnisse der OEEC auf der Aktivseite wie folgt zusammenfassen: 1. weitgehende Beseitigung der bilateralen mengenmäßigen Beschränkungen des europäischen Handels durch Kontingente und ähnliche restriktive Maßnahmen, 2. Entwicklung eines multilateralen Handelssystems unter den Partnerstaaten, 3. Lockerung der Beschränkungen im Dienstleistungs- und Kapitalverkehr, 4. Regelung der Zahlungsbeziehungen zwischen den Währungsgebieten der Mitgliedstaaten im Rahmen eines multilateralen Verrechnungs- und Kreditsystems durch Gründung der Europäischen Zahlungsunion, 5. die Wiederherstellung der Währungskonvertibilität im Wege der Ersetzung der Europäischen Zahlungsunion durch das Europäische Währungsabkommen, 6. die Aufhebung zahlreicher mengenmäßiger, diskriminatorischer Beschränkungen im Warenverkehr mit den Vereinigten Staaten und anderen überseeischen Ländern.Auf der Passivseite wäre zu vermerken: 1. daß es nicht gelungen ist, zu einer echten Koordination der Wirtschaftspolitiken der Partnerstaaten, insbesondere auf dem Zollgebiet, zu kommen, 2. daß der Versuch der OEEC, den europäischen Handelskonflikt zu lösen, fehlgeschlagen ist und 3. daß die OEEC nicht zu einer politischen Integration in Europa geführt hat. Zusammenfassend kann aber gesagt werden, daß die OEEC die wirtschaftliche Gesundung Westeuropas und seine Eingliederung in die Weltwirtschaft eingeleitet hat. Diese Leistun-
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Dr. Birrenbachgen als solche sind fürwahr von mistorischer Bedeutung.In der Konferenz der Staats- und Regierungschefs Frankreichs, der USA, der Bundesrepublik und Großbritanniens in Paris im Dezember 1960 kamen diese auf Anregung der Vereinigten Staaten — ich zitiere: „in Anerkennung des großen wirtschaftlichen Fortschritts, den Westeuropa erzielt hat" — zu der Auffassung — ich zitiere weiter —, „daß praktisch der gesamte industrialisierte Teil der freien Welt nunmehr in der Lage ist, seine Energien in erhöhtem Maße neuen und wichtigen Gemeinschaftsaufgaben zu widmen." Die auf diese Konferenz folgenden Verhandlungen führten zum Entwurf einer Konvention über die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die ein Jahr später einer Regierungskonferenz in Paris vorgelegt und am 14. 12. 1960 unterzeichnet worden ist. Die OEEC bleibt bis zum Zeitpunkt der Ratifikation dieses Abkommens bestehen und setzt ihre bisherige Tätigkeit fort, die in der Zwischenzeit bereits auf die erweiterte Zielrichtung ausgerichtet ist.Wenn wir uns nun den Vertrag ansehen, dann müssen wir sagen, daß die wesentliche Bedeutung dieser Konvention darin liegt, daß nach Abschluß des wirtschaftlichen Wiederaufbaues Westeuropas die europäischen Partnerstaaten gemeinsam mit USA und Kanada als Vollmitgliedern — diese waren vorher der OEEC nur assoziiert — und mit Blickrichtung nicht nur auf die europäische, sondern auch auf die gesamte weltwirtschaftliche Entwicklung folgende in Art. 1 des Vertrags niedergelegte Ziele anstreben sollen, und zwar: 1. auf dem Gebiet der allgemeinen Wirtschaftspolitik: eine optimale Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigung sowie Erreichung eines höheren Lebensstandards ohne Gefährdung der finanziellen Stabilität, 2. auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe: Förderung der Entwicklungsländer innerhalb und außerhalb der OECD durch Ermöglichung eines gesunden wirtschaftlichen Wachstums und 3. auf dem Gebiete der Handelspolitik: eine Ausweitung des Welthandels auf multilateraler und nicht-diskriminatorischer Grundlage in Übereinstimmung mit den bestehenden internationalen Verpflichtungen, d. h. auf Grund des GATT und des Internationalen Währungsfonds.Zur Verfolgung dieser Ziele sind im Vertrag vorgesehen: der zweckmäßige Einsatz der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technischen Mittel der Mitgliedstaaten, die Förderung des Wachstums ihrer Volkswirtschaften auf der Grundlage der inneren und äußeren finanziellen Stabilität ohne Gefährdung anderer Staaten, Abbau der Behinderung des zwischenstaatlichen Waren-, Dienstleistungs- und Zahlungsverkehrs unter Beibehaltung und Erweiterung der bisherigen Liberalisierung des Kapitalverkehrs und endlich Kapital- und technische Hilfe für die Entwicklungsländer.Für die Erreichung dieser gemeinsamen Ziele werden eine fortlaufende Information der Organisation, die Konsultierung über die vereinbarten Vorhaben und die Koordinierung der Anstrengungen der Mitgliederstaaten vereinbart. Auf diesen drei Stufen soll auf die Dauer eine gemeinsame Politik der Mitgliederstaaten auf den Sektoren der Wirtschaftspolitik, der Entwicklungshilfe und der Handelspolitik erreicht werden. Zu diesem Zweck kann die Organisation bindende Beschlüsse fassen, Empfehlungen an ihre Mitglieder richten und Vereinbarungen mit Mitgliedern, Nichtmitgliedern und internationalen Organisationen abschließen.Grundsätzlich erfolgen alle Beschlüsse und Empfehlungen auf Grund gegenseitigen Einverständnisses aller Mitglieder. Nur ein einstimmiger Beschluß kann die Organisation von dieser Grundregel entbinden. Die staatliche Souveränität bleibt also uneingeschränkt. Insofern ist die Form der Zusammenarbeit die gleiche wie in der OEEC und unterscheidet sich damit fundamental von dem in den europäischen Gemeinschaften verwirklichten Prinzip der Supranationalität.Der Artikel 6 Ziffer 2 enthält jedoch eine bedeutsame Regelung, wonach bei Stimmenthaltung eines Mitgliedes oder einiger Mitglieder diese der Verbindlichkeit der Beschlüsse oder Empfehlungen für die anderen Partnerstaaten nicht im Wege steht. Auf Grund dieser Bestimmungen kann in besonderen Einzelfällen eine Regelung getroffen werden, die für ein oder mehrere Länder nicht annehmbar ist, den übrigen Partnern aber wichtig erscheint.Darüber hinaus ist auf Grund dieser Bestimmung allgemein die Wahrung der spezifisch europäischen Anliegen im gesamteuropäischen Rahmen der OECD möglich geblieben. Das ist ausdrücklich von den USA und Kanada zugesagt worden. Insoweit besteht eine Zweistufigkeit der Organisation, die also in einem atlantischen und in einem europäischen Rahmen handlungsfähig ist.Vergleicht man die OEEC mit der OECD, so ergibt sich, daß die materiellen Bestimmungen des OECD-Vertrages zwar wesentlich vager formuliert sind als die entsprechenden Vorschriften des OEEC-Vertrages. Sie sind aber andererseits so flexibel gehalten, daß die OECD ein wirksames Instrument einer koordinierten atlantischen und europäischen Wirtschafts-, Entwicklungs- und Handelspolitik werden kann, wenn — das ist die entscheidende Bedingung — die Teilnehmerstaaten den Willen zur gemeinschaftlichen Durchführung der im Vertrag gesetzten Ziele aufbringen.Nach Auffassung insbesondere der Regierung der Vereinigten Staaten soll die Hauptaufgabe der OECD in der Koordinierung der Entwicklungshilfe liegen, wobei aber — das ist außerordentlich wichtig zu betonen — mehr und mehr erkennbar wird, daß bei aller Anerkennung der zentralen Bedeutung dieser Aufgabe den beiden anderen im Vertrage festgelegten Aufgabengebieten ein ebenso essentieller Charakter zukommt.Zwei Umstände mögen den Willen der Teilnehmerstaaten, insbesondere der Vereinigten Staaten, beweisen, die OECD zu einem wirklich effektiven Instrument zu machen. Der erste, auf den ich hinweisen möchte, ist der, daß die Minister-Konferenz vom 13. und 14. Dezember 1960 die Empfehlungen
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Dr. Birrenbachdes Vorbereitenden Ausschusses in bezug auf den organisatorischen Aufbau der OECD, den Umfang ihrer Aufgaben im allgemeinen und die Übernahme bestimmter Aufgaben der OEEC auf die OECD im besonderen gebilligt hat. Dieser Ausschuß schlug für die allgemeine Wirtschafts- und Konjunkturpolitik die Bildung eines Wirtschaftsausschusses für die periodische Überprüfung der Wirtschaftslage und die gegenseitige Abstimmung der Konjunkturpolitik der Mitgliederstaaten vor.Für die Unterstützung der Entwicklungsländer soll die auf Beschluß der Pariser Konferenz vom 14. Januar 1960 gebildete Development Assistance Group, die sogenannte DAG, in die OECD als Sonderausschuß eingebaut werden. Der Sonderstatus dieses Ausschusses ergibt sich aus seiner Beschränkung auf Kapitalgeber-Länder und der Zugehörigkeit von Japan. Für die Frage der technischen Hilfe wird ein Ausschuß für technische Hilfe errichtet.Für die Handelspolitik, über deren Aufgabenkreis im Verlaufe der Vertragsverhandlungen ein für alle Teilnehmerstaaten annehmbarer Kompromiß gefunden worden war, soll ein Handelsausschuß errichtet werden, der die Aufgabe des Handelsausschusses der 21 übernehmen soll, der auf der Pariser Konferenz vom 14. Januar 1960 gebildet worden war, um Gespräche aber das Problem der Sechs und Sieben einzuleiten. Im übrigen sind die Aufgaben, die diesem Ausschuß zugedacht sind, so weit gefaßt, daß praktisch alle Fragen der Handelspolitik, welche die Mitgliedsländer und deren überseeische Gebiete angehen, hier zur Diskussion gestellt werden können. Die Sicherstellung der Multilateralität des Handelsverkehrs und die Wahrung eines angemessenen Gesamtgleichgewichts der internationalen Zahlungsbilanz sind ihm als besondere Aufgaben zugeordnet.Für die Agrarpolitik ist ein Agrarausschuß, für das Gebiet des Zahlungsverkehrs ein Zahlungsausschuß und für Energie und Industrie ein gleichnamiger Ausschuß vorgesehen. An weiteren Ausschüssen erwähne ich nur den Ausschuß für unsichtbare Transaktionen, für Versicherungen, für Wissenschaftler und Techniker, für angewandte Forschung, für Fremdenverkehr, für Seeverkehr, für Arbeitskräfte, für Steuerfragen sowie eine Sachverständigengruppe für wettbewerbsbeherrschende Geschäftspraktiken.Meine Damen und Herren, die Zahl der Ausschüsse, die Bedeutung der erfaßten Gebiete und die den Ausschüssen zugedachten Aufgaben zeigen, wie außerordentlich weit der Rahmen gespannt sein soll, der die Mitgliederstaaten diesseits und jenseits des Atlantischen Ozeans im Rahmen der OECD beschäftigen soll.Der zweite Punkt, auf den ich zum Beweis der Ernsthaftigkeit des Willens der atlantischen Mitglieder der OECD, insbesondere der Vereinigten Staaten, zu einer effektiven Zusammenarbeit in diesem Rahmen hinweisen möchte, ist der, daß gerade auf Initiative der Vereinigten Staaten auf der Tagung des Wirtschaftsausschusses am 18. und 19. April dieses Jahres zwei Untergruppen gebildet worden sind.Die erste Untergruppe soll sich mit der Stimulierung des wirtschaftlichen Wachstums der Volkswirtschaften der Mitgliederstaaten, also einem wahrhaft umfassenden wirtschaftlichen Problem, und die zweite mit der Prüfung der Einwirkungsfähigkeit der bestehenden monetären und finanzpolitischen Instrumente auf die internationale Zahlungsbilanzsituation befassen. Das zeigt, daß die Vereinigten Staaten gewillt sind, auch die Beratung über den gesamten Komplex der Währungs- und Finanzpolitik in die künftige Tätigkeit der OECD einzubeziehen.Bei Behandlung der künftigen Funktionen der OECD ist ein Hinweis auf die im Zusammenhang mit Art. 6 Ziff. 2 erwähnte Zweistufigkeit der Organisation erforderlich. Soweit es sich um spezifisch europäische Belange handelt, kann, wie schon eingangs gesagt, bei Stimmenthaltung der Vereinigten Staaten und Kanadas die OECD von morgen als europäische Organisation tätig werden. Ich erwähne als Modellfall hierfür das Direktorium des Europäischen Währungsabkommens, das in der gleichen Zusammensetzung und mit den gleichen Aufgaben auch im Rahmen .der OECD bestehenbleibt. Die Vereinigten Staaten und Kanada sind bisher diesem Abkommen nicht beigetreten. Ihr späterer Beitritt könnte ein weiterer Ansatzpunkt für eine Währungspolitik im atlantischen Rahmen werden.Bestimmte Aufgaben der OEEC werden nach Teil Zwei des Berichts des Vorbereitenden Ausschusses auf die OECD übergeführt. Das gilt auf dem Gebiet der Handelspolitik für die Anwendung der Liberalisierungskodizes auf den Gebieten des Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs zwischen den europäischen Ländern. Die USA und Kanada haben sich diesen noch nicht angeschlossen. Die Liberalisierungskodizes für den Warenverkehr, wie sie in der OEEC bestanden, sind jedoch zum Bedauern einer Reihe von Mitgliederstaaten, auch der Bundesrepublik, auf die neue Organisation nicht übernommen worden. Die Kernenergie-Agentur der OEEC bleibt erhalten, ohne daß sich dieser bisher die USA und Kanada angeschlossen hätten. Die Zusammenarbeit zwischen der OEEC und der Europäischen Verkehrsministerkonferenz wird ebenfalls wie in der Vergangenheit fortgeführt. Die europäische Produktivitätszentrale wird zwar aufgelöst, ihre Aufgaben werden aber anderen Ausschüssen übertragen.Was nun die Organisation der OECD anlangt, so ist diese im wesentlichen die gleiche wie die der OEEC. Das Zentralorgan ist der Rat. Den Vorsitz des Rates führt ein Vorsitzender, der alljährlich bestellt wird. Die Höchstdauer der Amtszeit beträgt zwei Jahre. Der Rat kann einen Exekutivausschuß und alle ihm notwendig erscheinenden Organe einsetzen. Für die Amtszeit von fünf Jahren wird ein Generaldirektor bestimmt, der in der Person des Dänen Professor Kristensen heute schon seine Tätigkeit begonnen hat. Soweit die Organisation.Was nun die Außenbeziehungen der Organisation anlangt, so sieht der Vertrag insbesondere die Möglichkeit der Assoziation von Mitgliedern oder anderen Organisationen vor.
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Dr. BirrenbachIn Art. 13 in Verbindung mit dem Zusatzprotokoll Nr. i ist den Europäischen Gemeinschaften das Recht eingeräumt, sich nach den institutionellen Regelungen der europäischen Verträge in der OECD vertreten zu lassen. Ist also für ein Sachgebiet ein europäisches Organ zuständig, so kann dieses an Stelle der Mitgliedstaaten im OECD-Rat auftreten. Unabhängig davon ist den europäischen Organen die Teilnahme an den Arbeiten der OECD generell gestattet. Der Rat kann ferner beschließen, andere Regierungen zum Beitritt einzuladen, wozu Einstimmigkeit erforderlich ist, es sei denn, daß auf Grund eines ebenso einstimmigen Beschlusses Stimmenthaltung gestattet ist.Jedes der Mitgliederländer kann das Abkommen unter Einhaltung einer zwölfmonatigen Frist kündigen. Hier liegt eine offenbare Schwäche des Vertrages. Der Sitz der Organisation schließlich ist Paris.Der Generalsekretär hat nach diesem Vertrage die Verpflichtung, dem Rat alljährlich ein Budget vorzulegen. Die vom Rat genehmigten Ausgaben der Organisation sollen nach einem von diesem zu beschließenden Schlüssel auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt werden.Eine parlamentarische Vertretung ist im Vertrage über die OECD nicht vorgesehen. Diese Frage hat sowohl den Rat der Vier Weisen als auch den Vorbereitenden Ausschuß besonders beschäftigt. Dieser hat vorgeschlagen, das Problem nach Unterzeichnung der Konvention neu aufzunehmen.Die Grundlage der bisherigen Erörterungen bildet die Empfehlung Nr. 245 der Beratenden Versammlung des Europarates, die die Bildung einer Ad-hocVersammlung vorsieht, die sich aus Parlamentariern der 15 Länder des Europarates, der Schweiz, der USA, Kanadas, Spaniens und Portugals zusammensetzt und einmal jährlich eine OECD-Tagung veranstaltet. Vor dieser würden der Präsident des Ministerrates und der Generalsekretär der Organisation einen Bericht über die Tätigkeit der Organisation mit anschließender Debatte vorzulegen haben. Für diesen Vorschlag haben sich der Außenhandelsausschuß ebenso wie der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten ausgesprochen. Die zu dieser Frage entworfene Resolution liegt dem Hohen Hause auf Drucksache 2861 Ziffer 3 vor.Abgesehen von dem OECD-Vertrag ist das Protokoll zur Revision des Abkommens über die europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit vom 16. April 1948 Gegenstand des Zustimmungsgesetzes. Dieses Abkommen beinhaltet die Ersetzung der ursprünglichen OEEC-Konvention durch die OECD.Die dritte Vereinbarung, die Gegenstand des .von der Bundesregierung vorgelegten Bundesgesetzes, Art. 1, ist, ist die Vereinbarung betreffend die Anwendung des Art. 15 des Übereinkommens über die OECD. Nach Art. 15 wird die Umgestaltung der OEEC mit Inkrafttreten der OECD wirksam. Für die Rechtspersönlichkeit ist im Vertrage Kontinuität vorgesehen. Die Beschlüsse, Empfehlungen und Resolutionen der OEEC sind jedoch nach Inkrafttretender OECD nur wirksam, wenn der Rat sie genehmigt.In dem „Memorandum of Understanding on the application of Article 15" ist aber ein Verfahren vorgesehen, die Mitgliedstaaten schon vor der Unterzeichnung der Konvention darauf festzulegen, welche Beschlüsse der OEEC in die OECD übernommen werden sollen.
— Welche der wichtigsten Akte der OEEC von der OECD übernommen werden, habe ich bereits bei Darlegung der Aufrechterhaltung bestimmter Zuständigkeiten der OEEC im europäischen Rahmen erläutert.Zusammenfassend möchte ich folgendes sagen:
— Ich darf Ihnen darauf folgendes sagen: Über dieses Vertragswerk hat der amerikanische Senat mehrere Tage verhandelt, weil es sich um ein Abkommen von ganz zentraler Bedeutung handelt. Ich glaube, das sollten Sie im Auge behalten.
Wenn man das Abkommen als Ganzes mit seinen Zusatzprotokollen und Anlagen betrachtet, so wird klar, daß wir es hier mit einem der politisch wie wirtschaftlich bedeutsamsten Vertragswerke der Nachkriegszeit zu tun haben.
Nach Abschluß des NATO-Vertrages ist es das zweite Assoziationsabkommen, das die Vereinigten Staaten von Nordamerika und Kanada mit den Ländern des westeuropäischen Kontinents, und zwar hier auf wirtschaftlichem Gebiet, zusammenschließt.Wenn es gelingt, die Koordination der Wirtschaftspolitiken — im weitesten Sinne des Wortes — Nordamerikas und Westeuropas im Laufe der Zeit zu einer Realität zu machen, wenn eine geplante, abgestimmte und konzentrierte Entwicklungshilfe im Weltmaßstab zustande kommt und wenn schließlich der Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr unter den Mitgliedstaaten unter Überwindung des europäischen Handelskonfliks in einem weltoffenen Sinne entwickelt wird, dann können auch die politischen Rückwirkungen dieses wirtschaftlichen Einigungsprozesses nicht ausbleiben.Die politische Kohäsion, das Wirtschaftswachstum und die wirtschaftliche und soziale Stabilität des Raumes, der durch die OECD gebildet wird, müssen im Zeichen einer immer umfassenderen Interdependenz eine bedeutsame Förderung erfahren.
— Es liegt ja kein Bericht vor!Fünfzehn der Mitgliedstaaten sind schon durch ihren Zusammenschluß in der Nordatlantischen Verteidigungsorganisation enge militärische wie politi-
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Dr. Birrenbachsche Bindungen eingegangen. Diese werden durch den wirtschaftlichen Zusammenschluß dieser Staaten in der OECD weiter gefestigt und verstärkt, unbeschadet der Tatsache, daß der OECD auch andere, nicht der NATO zugehörige und neutrale Mitglieder angeschlossen sind.So gewinnt der Gedanke einer atlantischen oder nordatlantischen Gemeinschaft, der immer wieder von der jetzigen Regierung der Vereinigten Staaten und politischen Persönlichkeiten beider Parteien vertreten wird, konkretere Gestalt. Diese Gemeinschaft würde also auf zwei Säulen ruhen, auf der NATO einerseits und der OECD andererseits, und würde volle und periphere Mitglieder umfassen. So gesehen erscheint die Schaffung einer parlamentarischen Vertretung — und sei es nur zunächst eines Konsultativorgans — von großer politischer Bedeutung.Wenn ich mich zum Schluß auf die nahezu gleichlautenden Appelle berufe, welche der amerikanische Vizepräsident Lynden Johnson am 6. April dieses Jahres vor dem Hauptquartier der NATO in Paris und der große Europäer Jean Monnet am 11. Juni dieses Jahres vor dem Dartmouth College in den USA an die Vereinigten Staaten und Europa gerichtet haben, „auf eine wahre Atlantische Gemeinschaft hinzuarbeiten, in welcher gemeinsame Institutionen in wachsendem Maße entwickelt werden, um gemeinsame Probleme zu lösen", so bitte ich im Namen des Außenhandelsausschusses und des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten das Hohe Haus, dein Antrage auf Annahme des OECD-Gesetzes — Drucksachen 2670, 2861 Ziffern 1 und 2 — stattzugeben und dem Entschließungsantrag Drucksache 2861 Ziffer 3 — zuzustimmen, in dem die Bundesregierung ersucht wird, sich für die Bildung ,eines politischen Konsultationsorgans bei der OECD im Rahmen des Ministerrats der OECD einzusetzen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen umfangreichen Bericht. Es ist ihm sicherlich gelungen, das Haus von der Wichtigkeit des Gesetzentwurfs zu überzeugen. Dieses Vorhaben wäre ihm aber noch besser gelungen, wenn ,er seinen offenbar ausgearbeiteten Bericht als Schriftlichen Bericht eingereicht hätte.
Meine Damen und Herren, ich komme zur zweiten Beratung. Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift! — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist so beschlossen.Ich komme zurdritten Beratung.Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Das ist einstimmig angenommen.Damit komme ich zu Ziffer 2 des Ausschußantrages, in der bestimmte Berichtigungen der deutschen Übersetzung vorgenommen werden. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist so beschlossen.Ich komme nun zu Ziffer 3. Das ist ein Entschließungsantrag auf Drucksache 2861. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen!Meine Damen und Herren, ich komme nun zu Punkt 44 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Bundesversorgungsgesetzes im Saarland ,a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (Drucksache 2853)
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Die übrigen Punkte werden vereinbarungsgemäß zurückgestellt. Ich danke Herrn Abgeordneten Höhmann, dem Berichterstatter des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen, für seinen Schriftlichen Bericht. Ist eine Ergänzung von einem der beiden Ausschüsse her zu erwarten? — Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich in zweiter Beratung auf die Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich komme zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Damit kommen wir zu Punkt 45:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. März 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über Leistungen zugunsten griechischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfol-
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Vizepräsident Dr. Jaegergungsmaßnahmen betroffen worden sind ,a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 2473)Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Conringb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 2449)
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Ich danke dem Berichterstatter des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Herrn Abgeordneten Dr. Dollinger, für seinen Schriftlichen Bericht. Ist eine Ergänzung seitens eines der beiden Berichterstatter notwendig? — Das ist nicht der Fall.Dann komme ich zur Einzelberatung der Artikel 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer ,den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.— Es ist so beschlossen.Ich komme zurdritten Beratung.Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. Ich sehe keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!Nunmehr kommen wir zu Punkt 46 der Tagesordnung:Beratung der Sammelübersicht 37 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache 2870).Das Wort wird nicht begehrt. Wer ,dem Antrag desAusschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich umdas Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.— Keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!Ich rufe Punkt 47 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Schmücker, Brand, Kurlbaum, Lange , Dr. Atzenroth und Genossen betr. Bericht über Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 2886).Wird das Wort hierzu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird ein Antrag auf Ausschußüberweisung gestellt? — Auch nicht. Sie wünschen also Sachentscheidung. Wer dem Antrag auf Drucksache 2886 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Der Antrag ist einstimmig angenommen.Ich komme zu Punkt 48:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft über den Antrag der Abgeordneten Fürst von Bismarck, Ruhnke, Dr. Dehler, Memmel und Genossen betr. Förderung der Atomforschung (Drucksachen 2737, 2867).Ich danke der Berichterstatterin, Frau Abgeordneten Geisendörfer, für ihren Schriftlichen Bericht. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimme. Enthaltungen?— Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!Ich rufe Punkt 49 auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen über den Antrag der Abgeordneten Maucher, Bauknecht und Genossen betr. Ausbau der Bundesstraße 30 (Drucksachen 1481, 2846).Ich danke dem Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Iven , für seinen Schriftlichen Bericht. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!Ich komme zu Punkt 50 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen über den Bericht der Prüfungskommission für die Deutsche Bundesbahn über die Deutsche Bundesbahn (DB) vom 30. Januar 1960 und die Stellungnahme der Bundesregierung dazu (Drucksachen 1602, zu 1602, 2844).Ich danke dem Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneten Dr. Höck , für seinen Schriftlichen Bericht.Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen?— Keine Enthaltungen. Einstimmig verabschiedet!Ich rufe Punkt 51 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Martin, Gontrum und Genossen zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1960 (Drucksache 2882, Umdruck 601).Ich danke dem Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneten Cramer, für seinen Schriftlichen Bericht.Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag
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9628 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Vizepräsident Dr. Jaegerdes Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen?— Auch keine Enthaltungen. — Einstimmig angenommen!Ich rufe auf Punkt 52 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen über den Antrag der Abgeordneten Schoettle, Dr. Schäfer, Erler, Dr. Mommer und Genossen betr. Ausbau der Autobahn Stuttgart — westlicher Bodensee (Drucksachen 1537, 2894).Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Eisenmann, für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.— Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 53 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen über den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. h. c. Weber (Essen), Frau Dr. Hubert, Schütz (München) und Genossen betr. Reiseerleichterungen für Kriegsversehrte (Drucksachen 1352, 2883).Ich danke dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Haage, für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Es stehen zwei Anträge zur Absummung. Ich lasse zuerst über den Antrag unter Ziffer 1 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Sodann Abstimmung über den Antrag unter Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.— Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 54 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Wirtschaftsausschusses über den von der Bundesregierung zur Kenntnisnahme vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu einer Ersten Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des EWG-Vertrages (Drucksachen 2431, 2890).Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Kurlbaum.
— Entschuldigen Sie, das war hier nicht vermerkt. Ich danke Ihnen sehr, daß Sie einen Schriftlichen Bericht eingereicht haben. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich kann über den Antrag des Ausschusses im ganzen abstimmenlassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich umein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.— Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 55 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Rechtsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Hoogen, Jahn (Marburg), Dr. Bucher und Genossen betr. Gesetz über die Sammlung des Bundesrechts vom 10. Juli 1958 (BGBl. I S. 437) (Drucksachen 2838, 2904).Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Hauser, für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.— Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Dann kommt Punkt 56 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben für das Rechnungsjahr 1958 (Drucksachen 1922, 2795).Das Wort als Berichterstatterin hat die Frau Abgeordnete Rösch. — Sie ist offenbar nicht im Saal. 1 Verzichtet das Haus auf die Entgegennahme des mündlichen Berichts? — Das ist der Fall. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen zahlreiche Stimmen links und wenige Stimmen rechts angenommen.Meine Damen und Herren, ich komme zu Punkt 57 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1959 — Einzelplan 20 — (Drucksachen 2714, 2916).Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Leicht. — Ich nehme an, daß das Haus, da der Berichterstatter nicht im Saal ist, auf den mündlichen Bericht verzichtet. — Das ist der Fall. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, ,den bitte ich um das Handzeichen. — Diesmal sind es alle. Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimme; doch, eine Gegenstimme des Abgeordneten Wittrock, sonst keine Gegenstimme. Enthaltungen? —Keine Enthaltung. Gegen eine Stimme ohne Enthaltungen angenommen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9629
Vizepräsident Dr. JaegerIch rufe auf Punkt 58 ,der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers ,der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnungen für die Rechnungsjahre 1957 und 1958 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes (Drucksachen 2751, 2917).Ich erteile ,das Wort dem Abgeordneten Jürgensen als Berichterstatter. — Er ist nicht im Saal. Ich erteile das Wort der Abgeordneten Frau Rösch als Berichterstatterin.
— Frau Abgeordnete Rösch bittet das Haus, auf einen mündlichen Bericht zu verzichten. Das tut das Haus. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen die Stimmen der SPD. Enthaltungen? — Gegen ,die Stimmen der SPD ohne Enthaltungen — —Es war nicht klar, welches die Mehrheit ist. Ich wiederhole: Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Fraktion der SPD. Stimmenthaltungen? — Gegen die Stimmen der SPD ohne Enthaltungen angenommen.Ich rufe auf Punkt 59 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Seither, Corterier, Erler, Frau Herklotz, Rimmelspacher und Genossen betr. Bundesmittel für die durch die Blauschimmelkrankheit geschädigten Tabakbaubetriebe (Drucksachen 2471, 2875).Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Brese als Berichterstatter. — Herr Abgeordneter Brese schlägt vor, daß das Haus auf einen mündlichen Bericht verzichtet. — Das Haus entspricht dem Wunsch. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 60 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des bundeseigenen Jade-Wasserwerkes Wilhelmshaven an die Stadt Wilhelmshaven (Drucksachen 2848, 2918).Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Windelen, für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 61 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Dr. Kempfler, Hörauf und Genossen betr. Unwetterkatastrophen in den Landkreisen Eggenfelden und Vilsbiburg und über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Unwetter- und Hochwasserschäden (Drucksachen 2783, 2792, 2919).Ich danke dem Abgeordneten Brese als Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um ,die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 62 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts ,des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Dritten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 (Zollkontingente für Waren aus Nicht-EWG-Ländern) (Drucksachen 2876, 2912).Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Preiß, für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 63 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Zwölften Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 (Zollkontingent für Zeitungsdruckpapier aus Nicht-EWG-Ländern) (Drucksachen 2877, 2913).Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Finkh, für seinen Schriftlichen Bericht. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 64 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Dreizehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 (Zollkontingent für Bearbeitungsabfälle aus Aluminium aus Nicht-EWG-Ländern (Drucksachen 2878, 2914).Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Bading, für seinen Schriftlichen Bericht. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich
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9630 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Vizepräsident Dr. Jaegerum das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? —Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 65 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung zur Kenntnisnahme vorgelegten Vorschlag der Kommission für eine Entscheidung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Erhebung einer Abgabe auf bestimmte Waren, die aus der Bearbeitung von Agrarprodukten entstehen, bei der Einfuhr in einen Mitgliedstaat (Drucksachen 2873, 2920, zu 2920) .Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Bading, für seinen Schriftlichen Bericht. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 66 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung zur Kenntnisnahme vorgelegten Nachtrag zum Beschluß der im Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten über die beschleunigte Verwirklichung des Vertrages unter Berücksichtigung der Wirtschaftskonjunktur (Drucksachen 2874, 2921).Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Brand, für seinen Schriftlichen Bericht. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ,das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich komme zu Punkt 67 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Immunitätsangelegenheiten — betr. Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den Journalisten Siegfried Sommer gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 27. April 1961 (Drucksache 2872).Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Zimmer. — Verzichtet das Haus auf einen Bericht? — Das ist der Fall.
— Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß der Ausschuß den Wunsch gehabt hat, einen Bericht zu geben. Ich kann natürlich diesen Punkt der Tagesordnung zurückstellen. — Dann wird Punkt 67 derTagesordnung bis zum Eintreffen des Berichterstatters zurückgestellt.Ich rufe Punkt 68 der Tagesordnung auf:Beratung des Zweiten Schriftlichen Berichts des Rechtsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Dr. Krone, Arndgen, Dr. h. c. Pferdmenges, Struve und Genossen betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (Drucksachen 1813, 2905).Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Wittrock, für seinen Schriftlichen Bericht und erteile das Wort der Frau Abgeordneten Dr. Schwarzhaupt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe es übernommen, eine Erklärung abzugeben im Namen von Herrn Dr. Krone, und zwar in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion und zugleich als erster Unterzeichner des Antrags auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Vorwürfe gegen unseren Kollegen Oberländer. Auf Grund der beiden Berichte, die Herr Abgeordneter Wittrock über die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft erstattet hat, und auf Grund der Anträge des Rechtsausschusses in dieser Sache nehme ich namens der Antragsteller den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses über die Vorwürfe gegen den Abgeordneten Oberländer, er sei an Mordtaten in Lemberg und an Unmenschlichkeiten im Kaukasus beteiligt gewesen, zurück.Der Bericht über den Lemberg-Komplex stellt auf Grund dier sehr eingehenden Untersuchungen der Staatsanwaltschaft fest, daß die Vorwürfe gegen den Kollegen Oberländer ungerechtfertigt sind. Die Untersuchungen über seine Tätigkeit bei der Aufstellung der Einheit Bergmann bestätigen ebenfalls die Haltlosigkeit der Vorwürfe. Sie stellen darüber hinaus fest, daß sich der damalige Oberleutnant Dr. Oberländer ganz im Gegenteil immer wieder gegen eine menschenunwürdige Behandlung von Kriegsgefangenen und für eine Besserung der Verhältnisse durch Anregungen und Hinweise an vorgesetzte Dienststellen und durch zahlreiche Denkschriften sowie durch Eingaben an den damaligen Generalobersten von Kleist eingesetzt hat. Er ging in Einzelfällen gegen die für Ausschreitungen verantwortlichen Soldaten vor, und er rettete durch sein Vorgehen einen gefährdeten Volksstamm im Kaukasus.Dies alles wird auf Grund der eingehenden Untersuchungen der Staatsanwaltschaft in dem Bericht des Abgeordneten Wittrock nach Beratung im Rechtsausschuß für alle überzeugend dargelegt. Wir freuen uns, damit feststellen zu können, daß nicht nur die von kommunistischer Seite entfesselte Kampagne gegen Professor Oberländer zusammengebrochen ist, sondern daß sie Gelegenheit gegeben hat, festzustellen, mit welchem Einsatz Professor Oberländer sich als Offizier der Deutschen Wehrmacht bemüht hat — zum Teil vergeblich, zum Teil aber auch erfolgreich —, den furchtbaren Unmensch-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9631
Frau Dr. Schwarzhauptlichkeiten in Rußland zu begegnen. Wir wissen, wie schwer Professor Oberländer jahrelang unter diesen Vorwürfen gelitten hat und wie schwer mit ihm auch seine Familie seelisch belastet war. Wir freuen uns, seine volle Rehabilitierung gegenüber diesen schweren Vorwürfen feststellen zu können. Wir können damit auch unseren Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zurücknehmen, da der Anlaß für diesen Antrag bis zum letzten Rest erledigt ist.
Wird weiter das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Einige Enthaltungen! Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.Ich rufe auf Punkt 69 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Anträge der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft (Drucksache 2911, Umdrucke 770, 772, 775, 776) .Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Tobaben, für seinen Schriftlichen Bericht.I Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen! — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 70 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts desRechtsausschusses über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Verfassungsbeschwerde des Peter Kuska vom 16. Mai 1960 wegen Verletzung des Artikels 3 Abs. 1 des Grundgesetzes durch die in § 52 des Gesetzes zu Artikel 131 GG in der Fassung vom 1. September 1953 (Bundesgesetzbl. I S. 1288) enthaltene Regelung (Drucksache 2928).Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Benda, für seinen Schriftlichen Bericht.Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen! Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Der Antrag ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 71 der Tagesordnung:Beratung der Übersicht 20 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 2929).Das Wort wird nicht gewünscht. Wer der Übersicht zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen! Enthaltungen! — Auch keine Enthaltungen. Die Ubersicht ist einstimmig angenommen.Zu Punkt 72 der Tagesordnung ist, glaube ich, die Drucksache 2937 im Augenblick noch nicht verteilt. Ich würde vorschlagen, die Beratung des Punktes 72 zurückzustellen. — Punkt 72 wird zurückgestellt.Es sind heute noch einige Zusatzpunkte auf die Tagesordnung gesetzt worden. Die Drucksachen dazu sind verteilt. Es handelt sich erstens um den Zusatzpunkt:Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung von Teilflächen der ehem. Sedankaserne in Ulm an die Firma Telefunken GmbH (Drucksachen 2932, 2939).Berichterstatter ist der Abgeordnete Windelen. Ich erteile ihm das Wort. — Ich würde vorschlagen, die Sache zurückzustellen, bis der Abgeordnete Windelen im Saale ist.Dann habe ich noch etwas bekanntzugeben. Zu Punkt 44 der Tagesordnung hat der Abgeordnete Wilhelm für die Fraktion der SPD nachträglich eine Erklärung zur Schlußabstimmung bei mir abgegeben. Ich nehme Ihr Einverständnis an, daß diese Erklärung zu Protokoll genommen wird. — Es erfolgt kein Widerspruch; dann ist so beschlossen*).Damit können wir dort fortfahren, wo wir vorhin aufgehört haben.
— Sie möchten Punkt 26 vor Punkt 21 behandelt haben? — Gut! Dann rufe ich Punkt 26 der Tagesordnung auf:a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbahngesetzes ,
;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksachen 2831, zu 2831)
;
c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes ,*) Siehe Anlage 5.
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9632 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Vizepräsident Dr. JaegerSchriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksachen 2832, zu 2832)
;
d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr ,Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksachen 2833, zu 2833)
.
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Müller-Hermann, für seinen Schriftlichen Bericht.Ich komme zur Einzelberatung und rufe auf Art. 1,— 2, — Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht?
— Herr Abgeordneter Müller-Hermann, Sie haben einen Schriftlichen Bericht gegeben; dafür habe ich Ihnen bereits gedankt.
— Sie wollen eine Ergänzung geben. Das hätten Sie eigentlich schon vorher sagen sollen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verkehrsvorlagen sind im Verkehrsausschuß, im Wirtschaftsausschuß und im Haushaltsausschuß eingehend beraten worden; das Ergebnis ist in einer zusammenfassenden Darstellung im Bericht niedergelegt worden. Ich möchte aber doch vor diesem Hohen Hause noch einmal kurz auf drei Grundüberlegungen zu sprechen kommen, die uns bei der Verabschiedung der Gesetze beeinflußt haben.
Erstens müssen wir dem Strukturwandel Rechnung tragen, der sich im Bereich des Verkehrswesens vollzogen hat, nachdem die Eisenbahn ihre Monopolstellung verloren hat und nicht nur durch die Binnenschiffahrt und den Güterkraftverkehr, sondern auch durch völlig neue Transportmittel wie die Pipelines, in verstärktem Umfange auch durch den Luftverkehr Konkurrenz erhalten hat. Die Verkehrsträger müssen eine ihrer Leistungsfähigkeit und ihrer Eigenart entsprechende Stellung in der Gesamtwirtschaft haben. Wir haben es für notwendig gehalten, eine grundsätzliche Gleichstellung der Verkehrsträger unter Berücksichtigung ihrer rechtlichen und strukturellen Verschiedenheiten vorzunehmen. Wir halten es für nötig, daß die Wettbewerbsvoraussetzungen zwischen den Verkehrsträgern angeglichen werden und daß die Verkehrsträger, soweit irgend möglich, auch rechtlich gleichgestellt werden, daß daher auch allen dreien, die in Konkurrenz zueinander stehen, ein eigenes Tarifantragsrecht eingeräumt wird.
Zweitens. Wir brauchen eine volkswirtschaftlich sinnvollere Aufgabenteilung zwischen den Verkehrsträgern, um damit zu einer Einsparung unnötiger und vermeidbarer Produktionskosten zu kommen. Das scheint uns nur auf dem Wege über einen verstärkten Wettbewerb möglich zu sein, bei dem die Preise nicht behördlich festgesetzt sind, sondern in Eigenverantwortung der Verkehrsträger unter Berücksichtigung der Kosten und der Marktlage zustande kommen.
Der dritte Gesichtspunkt ist die Entwicklung, die sich im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vollzieht. Wir müssen damit rechnen, meine Damen und Herren, daß sich zwischen den deutschen binnenländischen Verkehrsträgern und den Verkehrsträgern der übrigen europäischen Staaten ein verstärkter Wettbewerb vollziehen wird, der naturgemäß insbesondere den Kraftverkehr und die Binnenschiffahrt betrifft. Wir müssen feststellen, daß sich die deutschen Verkehrsträger im Vergleich zu ihrer internationalen Konkurrenz in einer verhältnismäßig ungünstigen Kostensituation befinden, ein Faktum, dessen nachteilige Auswirkungen sich bereits in der Rheinschiffahrt und in dem ständigen Rückgang des Transportanteils des deutschen Kraftverkehrsgewerbes im grenzüberschreitenden Verkehr zeigen.
Ein weiterer Gesichtspunkt, der durch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zu einem neuen Durchdenken der verkehrspolitischen Konzeption zwingt, ist, daß wir auch in einen verstärkten Wettbewerb der Volkswirtschaften miteinander treten werden. Zwar sinkt der relative Transportkostenanteil im Bereiche der Wirtschaft ständig ab. Wir kommen aber nicht daran vorbei, daß nach wie vor ein starker Einfluß der Transportkosten, vor allem bei den geringwertigen Massengütern, auf den Preis besteht. Ich brauche hier bloß Kohle und Koks, Baustoffe, landwirtschaftliche Produkte, Düngemittel und — ein spezielles Problem, das gerade wieder sehr akut wird — Kartoffeln zu nennen. In vielen Bereichen sind die Transportkosten in der Bundesrepublik im Vergleich zu denjenigen in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wesentlich zu hoch.
Es ist daher notwendig, daß wir eine Anpassung an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und ihre mutmaßliche verkehrspolitische Entwicklung rechtzeitig einleiten. Wir müssen in diesem Zusammenhang naturgemäß darauf drängen, daß auch im europäischen Rahmen eine Harmonisierung der Wettbewerbsvoraussetzungen im Bereich des Verkehrs angestrebt wird. Über diese Punkte besteht und bestand im Verkehrsausschuß des Bundestages weitgehende Übereinstimmung.
Über die Konsequenzen, die sich aus diesen Grundüberlegungen ergeben, war sich der Ausschuß nicht in allen Punkten einig. So ist die Frage umstritten geblieben, auf welchen Wegen und mit welchem Tempo die Umstellung in der Verkehrswirtschaft vorgenommen werden soll. Die Mehrheit des Ausschusses war der Auffassung, daß wir bewußt in Richtung auf einen verstärkten Wettbewerb im Bereich des Verkehrs vorgehen müssen, und zwar
Müller-Hermann
über die Regierungsvorlagen hinaus. Es wurde von der Mehrheit ides Ausschusses jedoch gewünscht, daß diese Umstellung zwar zielstrebig, aber außerordentlich behutsam und vorsichtig vorgenommen wird, damit überstürzte Entscheidungen vermieden und zunächst Ersahrungen gesammelt werden, bevor man den Wettbewerbskurs verstärkt.
Das Ergebnis ist, daß wir in Zukunft im Bereich des Verkehrs einen geordneten Wettbewerb mit einer staatlichen Wettbewerbsaufsicht beibehalten und grundsätzlich an dem Tarifgenehmigungszwang und an ,dem Recht des Bundesverkehrsministers festhalten wollen, aus Gründen des allgemeinen Wohls, also aus übergeordneten Gesichtspunkten des allgemeinen Interesses, und zur Verhinderung eines unbilligen Wettbewerbs unter den Verkehrsträgern von sich aus in die Tarifgebarung einzugreifen. Dagegen soll in der Zukunft das Recht des Bundesverkehrsministers auf eine Abstimmung der Verkehrstarife zwischen den Verkehrsträgern grundsätzlich wegfallen. Wir wünschen einmütig im Ausschuß eine Beschleunigung des Tarifgenehmigungsverfahrens. Alle drei Verkehrsträger sollen ein Tarifantragsrecht erhalten. Die Verladerschaft soll in beratenden Gremien auf die Tarifgestaltung Einfluß nehmen.
Besonders umstritten war im Ausschuß die Frage einer zukünftigen Gleichrangigkeit von Fest- und Margentarifen, d. h. von Mindest- und Höchsttarifen, innerhalb deren sich der Tarif nach der Marktlage bilden soll. Die Mehrheit des Ausschusses hat diese Gleichrangigkeit von Fest- und Margentarifen bejaht. Damit soll der Verladerschaft eine Einflußnahme auf den Preis und dem Preis selbst eine Anpassung an die Marktlage ermöglicht werden. Es bestand allerdings Einmütigkeit im Ausschuß, daß, da wir auf diesem Gebiet völliges Neuland beschreiten, von den Margentarifen vorerst nur sehr vorsichtig Gebrauch gemacht werden soll. Vor allem hat es der Ausschuß für notwendig gehalten, im Interesse der Landwirtschaft, des Mittelstands und der verkehrsmäßig ungünstig gelegenen Gebiete eine Sonderbestimmung in das Gesetz einzubauen, die Eingriffe zuläßt, soweit unbillige Benachteiligungen dieser Sparten der Wirtschaft oder bestimmte Gebiete eintreten könnten.
Gleichfalls aus dem Gesichtspunkt, den wirtschaftlich schwachen und verkehrsmäßig ungünstig gelegenen Gebieten eine weitere Hilfe zu geben, und im Interesse einer gesunden Raumordnung hat der Ausschuß in den Vorlagen eine Lockerung in bestimmten Grenzen für den Nahzonenverkehr auf der Straße vorgeschlagen.
Ein besonderes Kapitel in den Vorlagen betrifft das Verhältnis zwischen Bund und Deutscher Bundesbahn. Der Ausschuß vertritt die Auffassung, daß die Bundesbahn in Zukunft den Betrieb in erster Linie nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu führen hat und im Rahmen dieser kaufmännischen Geschäftsgebarung ihren Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit nachkommen soll. Die Bundesbahn soll darauf hinstreben, daß ihre Ausgaben durch die Einnahmen gedeckt werden. Sie soll auch die nötigen Rückstellungen für ihre allgemeinen
Verpflichtungen, insbesondere auch für die Versorgungsbezüge, erwirtschaften. Die Bundesbahn soll außerdem in die Lage versetzt werden, in einem bestimmten Umfang auch Rücklagen für Nettoinvestitionen bzw. zur Tilgung von Fremdmitteln zu bilden.
Auf der anderen Seite, meine Damen und Herren, soll die Bundesbahn auch in Zukunft in der Hand der Bundesregierung und des Bundesverkehrsministers ein Instrument für eine gemeinwirtschaftliche Verkehrsbedienung bleiben. Das heißt, der Bundesbahn kann durch ,den Bundesminister für Verkehr eine Auflage tariflicher Art oder auch eine Auflage zur Aufrechterhaltung von Strecken, die unter reinen Kostengesichtspunkten für die Bundesbahn nicht rentabel sind, gemacht werden. Jedoch soll der Bundesbahn bei solchen Auflagen, wenn in diesem Einzelfall ,die Ausgaben durch die Einnahmen nicht gedeckt werden, ein Ausgleichsanspruch gegenüber dem Bund entstehen, wenn und soweit die Bundesbahn am Ende ihres Haushaltsjahres nicht einen Überschuß erwirtschaftet hat.
Wir haben uns im Verkehrsausschuß auch mit der Frage beschäftigt, inwieweit den nichtbundeseigenen Eisenbahnen ein gleicher Ausgleichsanspruch gegenüber dem Bund eingeräumt werden soll, soweit es sich um einen Wechselverkehr handelt, d. h. um einen Verkehr, für den auch nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz der Bund die Tarifhoheit besitzt. In Abweichung von der Auffassung des Haushaltsausschusses hat sich der Verkehrsausschuß mit Mehrheit dafür ausgesprochen, daß auch den nichtbundeseigenen Eisenbahnen ebenso wie der Deutschen Bundesbahn in den Fällen einer Auflagenerteilung im Wechselverkehr, soweit ihnen die gleichen Nachteile wie der Bundesbahn erwachsen, ein Ausgleichsanspruch gegenüber dem Bund erwächst.
Damit möchte ich meine Ausführungen als Berichterstatter abschließen und das Hohe Haus bitten, den Vorlagen in der Fassung des Verkehrsausschusses zuzustimmen.
Ich darf vorweg bemerken, daß dies eine Ergänzung sämtlicher Schriftlicher Berichte, die Sie eingereicht haben, ist, so daß eine weitere Ergänzung nicht mehr notwendig erscheint. Ich danke Ihnen.Meine Damen und Herren! In der zweiten Beratung sollen die einzelnen Punkte getrennt bleiben, in der dritten sollen sie verbunden werden.Ich rufe also nunmehr bei dem aufgerufenen Punkt a) das Gesetz auf Drucksache 2830 in zweiter Beratung auf. Artikel 1, 2, Einleitung und Überschrift! Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich komme nunmehr zu b) : Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des
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9634 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Vizepräsident Dr. JaegerGüterkraftverkehrsgesetzes, Drucksache 2382. Der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen befindet sich auf der Drucksache 2831 und zu 2831. Wir kommen in zweiter Beratung zu Art. 1. Ich muß nummernweise abstimmen lassen und rufe zunächst die Nrn. 1 und 1 a auf. Das Wort wird nicht begehrt. Wer diesen Nummern zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.— Es ist so beschlossen.Ich rufe Nr. 2 auf. Umdruck 983 wird zurückgezogen? Ich frage die Fraktion der CDU/CSU, ob dieser Änderungsantrag zurückgezogen ist.
— Gut, dann ist es einfacher. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer Nr. 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich komme zu den Nrn. 2 a, 2 b, 3, 4 und 5. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich komme zu Nr. 6 und zum Umdruck 953. Zur Begründung erteile ich das Wort dem Abgeordneten Baur .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im ersten Güterkraftverkehrsgesetz, das seinerzeit am 14. September 1950 beschlossen worden ist, war im § 21 vorgesehen, daß bei den Tarifkommissionen auch die Gewerkschaften in der Form mitwirken sollten, daß sie angehört werden sollten. In dem Gesetz vom 17. Oktober 1952 sah der § 24 Abs. 1 ebenfalls die Mitwirkung der zuständigen Gewerkschaften für das Verkehrswesen vor.
Bei der diesmaligen Beratung des Gesetzes hat man davon Abstand genommen und will auf die Mitwirkung der Arbeit der Gewerkschaften verzichten. Ich darf darauf hinweisen, daß sich bei den beiden bis jetzt gültigen Gesetzen die Mitarbeit und das Verfahren der Anhörung von Gewerkschaftsvertretern bis jetzt ganz ausgezeichnet bewährt haben, insbesondere bei der seinerzeitigen Tarifreform vom 1. Februar 1958, wo eine Reihe von Unebenheiten durch Vorschläge der Gewerkschaften an das Bundesverkehrsministerium sowie der zuständigen anderen Vertretungen behoben worden sind.
Unser Antrag lautet:
In Artikel I Nr. 6 wird in § 21 a dem Absatz 3 folgender Satz angefügt: „Bei der Zusammensetzung des beratenden Ausschusses sind die Gewerkschaften angemessen zu berücksichtigen."
Ich darf sagen, daß beispielsweise das Verkehrsministerium die Herren der verschiedenen Gewerbevertretungen und auch die Gewerkschaften von sich aus in diese Ausschüsse zu berufen hat. Die betreffenden Vertreter sind ehrenamtlich tätig. Es besteht
also keine Sorge, daß sie dabei irgendwelche anderen materiellen Interessen vertreten werden als die der im gesamten Verkehrsgewerbe vertretenen Arbeiter, Angestellten und Beamten.
Ich darf Sie bitten, dem Antrag zuzustimmen, weil es nicht tunlich ist, daß man den größten Teil
— und es sind immerhin viele Zigtausende von Arbeitern und Angestellten im Verkehrsgewerbe tätig
— bei so wichtigen Fragen, wie es die Tariffragen sind, nicht anhört. Ich glaube, es ist längst der Zeitpunkt gekommen, da man einsehen sollte, daß die Arbeitskraft der Menschen, die in den verschiedensten Berufen, Industriezweigen und Gewerben tätig sind, einer der wichtigsten Teile der Wirtschaft ist. Deshalb sollte man nicht immer noch versuchen, ihre Vertretung, die Gewerkschaften, auszuschalten. Es ist tunlich, daß man sich einmal zu dem Grundsatz bekennt, daß die Wirtschaft nicht nur aus Kapital und nicht nur aus Unternehmern besteht, sondern daß Kapital ùnd Unternehmer nichts unternehmen können, wenn ihnen nicht eine unübersehbare Schar von Arbeitskräften zur Verfügung steht.
Wir vertreten daher die Meinung, wir sollten alle wie bei den bisherigen Gesetzen dem Antrag zustimmen, damit auch hier die Gewerkschaftsvertreter bei den Beratungen, wie die Tarife aussehen sollen, nach welcher Richtung sie geändert werden sollen, und bei den tariflichen Abmachungen angehört werden und mitwirken können. Wenn Sie unter diesem Gesichtspunkt dem Antrag der SPD zustimmen, werden Sie bestimmt keinen schlechten, sondern einen klugen Beschluß fassen, der nicht zuletzt auch der Erleichterung der Arbeit des Bundesverkehrsministeriums in diesen schwierigen Fragen dienen kann und dienen wird. Ich bitte Sie also im Namen der sozialdemokratischen Fraktion, dem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vom Kollegen Baur begründete Antrag der SPD-Fraktion scheint mir in das Gesamtkonzept, das wir jetzt im Verkehrsausschuß erarbeitet haben, einfach nicht hineinzupassen. Das ist keine Desavouierung der Gewerkschaften. Denn wir sind doch davon ausgegangen, daß sich in Zukunft im Bereich der Verkehrspolitik der Preis nach Kosten und Marktlage bilden, daß der Tarif von den Verkehrsträgern beantragt werden soll, d. h. von der Bundesbahn, auf der anderen Seite von Kraftverkehr und Binnenschiffahrt aus eigenen Tarifkommissionen, und daß die Verladerschaft als Kontrahent der Verkehrsträger das Recht bekommen soll, in mitberatenden Ausschüssen, bevor die Genehmigungsbehörde, sprich: der Bundesverkehrsminister, die Tarife genehmigt, zu den Tarifanträgen Stellung zu nehmen.Die Kontrahenten der Verkehrsträger sind die Verlader. Das heißt, wie wir es im Gesetz selbst formuliert haben: ,,Die beratenden Ausschüsse set-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9635
Müller-Hermannzen sich aus Vertretern der Verlader zusammen. Die Mitglieder dieser Ausschüsse und ihre Stellvertreter werden von der Industrie und dem Handel, von der Spedition, dem Handwerk und der Landwirtschaft vorgeschlagen."Die Gewerkschaften gehören meines Erachtens in diese Gremien unter keinen Umständen hinein. Soweit es sich um hoheitsrechtliche Belange oder um Belange des allgemeinen Wohls handelt, hat nicht der beratende Ausschuß bei den Tarifkommissionen ein Entscheidungs- oder ein Mitspracherecht, sondern dafür ist der Bundesminister für Verkehr zuständig. Er ist zuständig dafür, daß bei der Tarifbildung die Belange des allgemeinen Wohls berücksichtigt werden. Wenn der Bundesverkehrsminister für die Entscheidungen, die in dieser Richtung getroffen werden, ein Beratungsgremium bildete, würde ich sagen, hätten die Gewerkschaften dort ihren Platz.
Herr Abgeordneter Müller-Hermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Faller?
Herr Kollege Müller-Hermann, sind Sie nicht auch der Meinung, daß außer den Großverladern eine Menge von Tausenden von Einzelverladern vorhanden sind, die aus der Verbraucherschaft kommen und die auch durch die Gewerkschaften vertreten werden könnten, so daß sie dann auch Verladervertreter wären?
Das Argument ist wohl nicht ganz zutreffend, verehrter Herr Kollege. Ich glaube, daß die im Gesetz selbst festgelegten Wirtschaftszweige, die die Gesamtwirtschaft umfassen, eine genügende Repräsentation der Verladerschaft darstellen. Wir sind aus diesem Grunde nicht in der Lage, dem Antrag der SPD-Fraktion zuzustimmen.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Baur .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Müller-Hermann dürfte eher die Dinge in falscher Sicht sehen. In den bisherigen Gesetzen ist das Anhören der Gewerkschaftsvertreter festgelegt, und ich möchte nun den Herrn Bundesverkehrsminister fragen, ob er je bei den Beratungen dieser Dinge mit den Vertretern der Gewerkschaften und ihrem Anhören schlechte Erfahrungen gemacht hat. Mir ist bekannt, daß die Beratungen in gegenseitiger Aussprache im Bundesverkehrsministerium gern gesehen und deren Vorschläge auch akzeptiert wurden. Diese Ausschüsse, Herr Kollege Müller-Hermann, treffen ja keine Entscheidungen, sondern sind die Berater des Bundesverkehrsministeriums. Das Bundesverkehrsministerium entscheidet, welche Anträge es akzeptiert, wie weit es gehen will, was es unbedingt unerläßlich findet. Darum sollte man auf dais Anhören nicht verzichten. Meine Damen und Herren,
ich möchte Sie noch einmal bitten, die große Anzahl der Menschen, deren Arbeitskraft ein Teil dieser Verkehrswirtschaft ist, insofern zu würdigen, als Sie unseren Antrag annehmen und ihnen bei der Beratung von so wichtigen Fragen das Anhörungsrecht zugestehen.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter MüllerHermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich sehr kurz fassen. Herr Kollege Baur, ich muß noch einmal darauf hinweisen: die Kontrahenten der Verkehrsträger sind nicht die Gewerkschaften, sondern die Verlader. Das gleiche Geschäft, das sich hier gesetzlich geregelt abspielt, vollzieht sich doch Jim Bereich der Wirtschaft am laufenden Band zwischen den verschiedenen Partnern eines Geschäfts. Ich glaube nicht, daß eis dort üblich ist, jedesmal den Gewerkschaftsbund hinzuzuziehen. Was Sie vorschlagen, steht einfach in Widerspruch zu der verkehrspolitischen Konzeption, die wir im Gesetz verankert haben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Baur hat mich soeben etwas gefragt, und ich möchte dazu in Übereinstimmung mit Herrn Kollegen Müller-Hermann folgendes sagen. Die Konzeption ist jetzt eine andere. Wir haben früher diese Beratungen selbstverständlich mit allen Beteiligten, auch mit den Gewerkschaften, gepflogen, als die Anträge eben nicht von den einzelnen Gruppen gestellt werden konnten — der Güterkraftverkehr konnte ja keine Anträge stellen —, sondern die Tarifentscheidungen gewissermaßen von hoher Hand erfolgten.Herr Kollege Müller-Hermann hat aber mit Recht darauf hingewiesen, daß es sich bei diesem Antrag um die Zusammensetzung der Antragsgremien handelt, einmal das Gremium der Frachtführer, die nach der neuen Regelung die Anträge stellen, zum andern das beratende Organ der verladenden Wirtschaft. Kommt nun die Angelegenheit an den Bundesminister für Verkehr, so muß er bei allen Angelegenheiten, die seiner Entscheidung unterliegen, das allgemeine Wohl berücksichtigen. Er wird selbstverständlich, wenn derartige grundsätzliche Entscheidungen auf ihn zukommen, sich auch mit den Vertretern der Gewerkschaften beraten. Ich glaube, das brauchen wir nicht im Gesetz zu verankern. Nach meiner Auffassung gehören bei der Art dieser Neuregelung die Vertreter der Gewerkschaften nicht in die Ausschüsse, zumal auch der hauptsächliche Antragspartner, nämlich die Bundesbahn, die Anträge nicht nach Beratung in einem Ausschuß stellt, in dem die Eisenbahnergewerkschaft vertreten ist. Aber, wie gesagt, bei allen entscheidenden Fragen werden wir
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9636 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmvom Bundesverkehrsministerium nach wie vor zur Erarbeitung unserer eigenen Meinung über das Problem des allgemeinen Wohls uns mit den Gewerkschaften beraten.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 953 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nun über Nr. 6 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe auf Nrn. 6 a, 7, 7 a, 7 b, 7 c, 7 d, 7 e, 7 f, 7 g, 8, 9 und 10. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Nr. 11 zugleich mit dem Antrag Umdruck 953 Ziffer 2. Ist dazu noch etwas zu sagen? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter Ziffer 2 des Umdrucks 953 beantragt meine Fraktion, in § 84 Abs. 3 die Nr. 1 a zu streichen. Es ist aus diesem kurzen Antrag nicht ersichtlich, worum es in der Sache geht. Gestatten Sie mir deshalb, einige kurze Bemerkungen dazu zu machen. § 84 Abs. 3 Nr. 1 a sieht entgegen dem bisherigen Recht vor, daß im Güternahverkehr neben den herkömmlichen Verkehrsarten, nämlich dem allgemeinen Güternahverkehr und dem Möbelnahverkehr, eine weitere Sparte eingerichtet werden soll: der Speditionsnahverkehr. Der Begriff des Speditionsnahverkehrs hat in der bisherigen Verkehrswirtschaft nicht bestanden. Als Speditionsnahverkehr können nur solche Unternehmen angesprochen werden, die ein Speditionsgeschäft und daneben Nahverkehr betreiben.
Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß es aus verkehrswirtschaftlichen Erwägungen nicht gut ist, dieser relativ kleinen Unternehmensgruppe des sogenannten Speditionsnahverkehrs ein eigenes Tarifgestaltungsrecht einzuräumen. Wir sind der Auffassung, daß auch die Unternehmer, die als Nahverkehrsunternehmer gleichzeitig Spedition betreiben, im Rahmen des allgemeinen Güternahverkehrs untergebracht werden sollten. Was wird passieren, wenn wir, wie hier im Ausschuß beschlossen, dieser Unternehmensgruppe eine besondere Tarifgestaltung gewähren? Diese Leute, die also das Prä für sich haben, im Auftrage der Verfrachter die Frachtaufträge generell weiterzugeben, werden bei eigenem Tarifgestaltungsrecht die hoch zu tarifierenden Güter an sich ziehen und den großen Kreis der übrigen Nahverkehrsunternehmer mit dem schlechten Risiko belasten.
Wir sind der Auffassung, meine verehrten Damen und Herren, daß die Einführung der Nr. 1 a im Ausschuß nicht genügend diskutiert und gewürdigt worden ist, und ich beantrage, diese Nr. 1 a mit Rücksicht auf die vorhin vorgetragene Begründung zu streichen.
Wird das Wort gewünscht? — Der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vom Güterkraftverkehrsgesetz geregelte Kraftwagengüternahverkehr gliedert sich ganz deutlich in drei Gruppen, in die reinen Fuhrbetriebe, in die Speditionsbetriebe und in das Möbeltransportgewerbe. Dazu kommt als kleine Sondergruppe in bestimmten, meist ländlichen Gegenden als Nachfolger der alten Botenfuhrwerke der motorisierte Güterlinienverkehr. Er ist zahlenmäßig unbedeutend und so stark lokal bedingt, daß er hier außer Betracht bleiben kann.
Die Leistungen der Fuhr- und Speditionsbetriebe dagegen unterscheiden sich deutlich. Ihre Tarife sind daher nach den unterschiedlichen Leistungen aufgebaut.
Der allgemeine Güternahverkehr stellt nach Anforderung ein Fahrzeug bestimmter Größe für einen Transport. Dementsprechend ist sein „Güternahverkehrstarif" nach Fahrzeuggrößen gegliedert, deren Beförderungspreise nach Stunden und Kilometern, bei größeren Mengen auch nach „Leistungssätzen" berechnet werden.
Der Speditionsnahverkehr dagegen berechnet die Beförderungskosten der von ihm übernommenen „Einzelsendungen" verschiedener Versender nach dem Gewicht und nach der Beförderungsstrecke ohne Rücksicht darauf, welches Fahrzeug zum Transport benutzt wurde und wieviel Sendungen zusammen geladen sind. Dementsprechend ist das Spediteurgut praktisch von der Anwendung der Sätze des Güternahverkehrstarifs ausgenommen. Auch der Nahverkehrstarif, der dem Güternahverkehrstarif von 1951 bis .1958 vorausging, nahm die Beförderung von sogenanntem Kaufmannsgut generell aus. Im Gegensatz zum Güternahverkehrstarif, der das Ladegeschäft dem Absender oder Empfänger überläßt oder hierfür besondere Zuschläge berechnet, sind im Spediteurnahverkehr neben der Transportleistung auch das Ein- und Ausladen, die kaufmännische Abfertigung und Ausfertigung von Papieren und sonstige Nebenleistungen eingeschlossen und abzugelten. Dies macht es, insbesondere bei Transporten in Verbindung mit Fernbeförderung auf Schiene, Straße und in der Luft erforderlich, den Tarif für den Spediteurnahverkehr auf Eisenbahngütertarif, RKT usw. abzustimmen.
Für diese beiden grundverschiedenen Arten von Güternahverkehrsleistungen, die auch von völlig verschiedenen Betrieben erbracht werden, sind zwei verschiedene Tarifsysteme unvermeidlich, wenn wir auf sie unsere neue grundsätzliche Lösung für die Verkehrsprobleme anwenden wollen. Wenn es gelegentlich Überschneidungen gibt, so werden sie sich unschwer durch fallweise Abstimmung zwischen den beiden Tarifkommissionen lösen lassen. Der im
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm Güternahverkehrstarif vorgesehene Behelf einer anteiligen Frachtberechnung bei der Beförderung von Transporten für verschiedene Auftraggeber auf dem gleichen Fahrzeug hat sich als sehr schwer praktikabel erwiesen.
Unter diesen Umständen möchte ich doch bitten, die Ausschußfassung anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Ergänzung zu dem, was Herr Bundesverkehrsminister Seebohm eben gesagt hat, möchte ich nur hinzufügen, daß, wenn wir eine besondere Kommission für den Speditionsnahverkehr entsprechend der Ausschußfassung zulassen, es selbstverständlich ist, daß der Speditionsnahverkehr nicht in der Kommission für den allgemeinen Güternahverkehr vertreten sein kann.
Bitte, Herr Abgeordneter Haage.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal den Begriff „Speditionsnahverkehr" definiert wissen; denn diesen Begriff gibt es bis jetzt noch nicht. Herr MüllerHermann, Sie dürften wohl falsch unterrichtet sein, wenn Sie glauben, in der Gruppe Nahverkehr sei nicht die Spedition vertreten; denn innerhalb der Gruppe Nahverkehr ist in den Landesorganisationen — wenigstens zum größten Teil — die Spedition nun wirklich verankert. Da wird es sich selbstverständlich ergeben, daß die Spedition in der Tarifkommission des Nahverkehrs vertreten ist. Also das ist keine Streitfrage. Mir geht es vielmehr darum, daß wir insgesamt zu einer Vereinheitlichung kommen; durch die Auseinanderentwicklung innerhalb verschiedener Tarifkommissionen erreichen wir gerade das Gegenteil. Ich sehe, daß Kollege Vehar, der damals bei der zweiten Lesung im Ausschuß den Antrag gestellt hat, nicht im Raume ist, so daß ich der Meinung bin, daß auch Sie keinen besonderen Wert darauf legen. Außerdem möchte ich feststellen, Herr Bundesverkehrsminister, daß mir die Formulierung und Definierung, die Sie abgegeben haben, sehr bekannt vorkommen; sie dürften wohl von einer Organisation des Speditionsgewerbes stammen. Ich betone das nicht deshalb, weil diese Gruppe interessiert ist. Es mag das Recht einer jeden Gruppe sein, möglichst stark in einer Tarifkommission vertreten zu sein. Aber Sie müßten mir erstens einmal den Begriff „Speditionsnahverkehr" definieren, und zweitens sehe ich wirklich keine Veranlassung, hier noch eine eigene Tarifgruppe zu bilden.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 953 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, ich werde die Abstimmung wiederholen lassen. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Ich komme zu Ziffer 11 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; angenommen.Ich rufe auf die Nrn. 11 a, 12, — 13, — 14, —14 a, — 15, — 16, — 17. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich lasse abstimmen über Art. 1 im ganzen. Wer zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen.— Ich bitte um die Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.Ich rufe auf die Art. 2, — 3, — 4, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.— Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Damit komme ich zu Punkt 26 c) :Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes ,Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksachen 2832, zu 2832)
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Ich rufe in zweiter Beratung auf die Art. 1, — 2, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich rufe auf Buchstabe d) :Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr ,Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksachen 2833, zu 2833)
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Ich darf in zweiter Beratung aufrufen die Art. 1,— 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
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9638 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Vizepräsident Dr. JaegerMeine Damen und Herren, ich komme nunmehr zurdritten Beratungder vier vorliegenden Gesetzentwürfe, die miteinander verbunden wird. In der allgemeinen Aussprache erteile ich das Wort dem Herrn Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die dem Hohen Hause nunmehr zur Verabschiedung vorliegenden Gesetzentwürfe der Bundesregierung, die der Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen in eingehenden und sehr konzentrierten Beratungen ergänzt und in einigen Punkten geändert hat, sind Teile des verkehrspolitischen Sofortprogramms, dessen wesentlichen Inhalt ich mir erlauben durfte, Ihnen am 8. Februar 1961 ausführlich darzulegen. Mit diesem Gesetzgebungswerk schließen das Hohe Haus und die Bundesregierung eine verkehrspolitisch bedeutsame und arbeitsreiche Legislaturperiode ab. Es sind Entscheidungen gefällt worden, die in die Zukunft wirken. Der Ausbau der Verkehrsanlagen und die Neuordnung im binnenländischen Verkehrsbereich fördern den weiteren Aufstieg der deutschen Wirtschaft und dienen dem Wohle des ganzen Volkes. Heute kann die Bundesregierung mit Genugtuung feststellen, daß sie die in der Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 enthaltenen verkehrspolitischen Richtlinien befolgt und die ihr auf diesem Gebiet gestellten Aufgaben weitgehend gelöst hat.Angesichts der Fülle der in diesen letzten Plenarsitzungen vom Hohen Hause zu erledigenden Aufgaben möchte ich darauf verzichten, Ihnen einen Überblick über die verkehrspolitischen Arbeiten und Pläne der Bundesregierung in den vergangenen vier Jahren zu geben. Gestatten Sie mir aber doch heute noch einige wenige abschließende Hinweise:Die wirtschaftliche Lage der Deutschen Bundesbahn, die dem Hohen Hause und der Bundesregierung in den letzten Jahren wiederholt ernste Sorgen bereitete, hat sich seit 1959 erfreulicherweise im wesentlichen dank der Initiative des Hohen Hauses, der Verkehrspolitik der Bundesregierung und selbstverständlich dank der Leistungen der Bundesbahnleitung und aller fleißigen Bediensteten der Deutschen Bundesbahn, insbesondere auf dem Gebiet der Rationalisierung, unverkennbar gebessert. Am sinnfälligsten zeigt sich das in der Tatsache, daß das Defizit der Deutschen Bundesbahn von Jahr zu Jahr vermindert werden konnte. Im Jahre 1957 erreichte der Verlust der Bundesbahn die Summe von 678 Millionen DM; 1958 betrug der Verlust noch 577 Millionen DM, 1959 verminderte er sich auf 356 Millionen DM. Die entscheidende Besserung trat dann 1960 ein. Die im Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn niedergelegten Erwartungen wurden erheblich übertroffen. In Auswirkung der 1958 vorgenommenen Tarifanhebungen und der seit 1959 steigenden Transportleistungen, dank der erfolgreich durchgeführten Rationalisierungsmaßnahmen und nichtzuletzt dank der Förderung durch den Bund konnte der Jahresverlust 1960 bei Einnahmen in Höhe von 7,8 Milliarden DM trotz der Kostensteigerungen von rund 250 Millionen DM, vor allem bedingt durch Lohn- und Gehaltserhöhungen. auf 13,5 Millionen DM vermindert, also praktisch ausgeglichen werden. Im Jahre 1961 wird die Deutsche Bundesbahn nach dem vorliegenden Wirtschaftsplan aller Voraussicht nach zum erstenmal seit zehn Jahren eine voll ausgeglichene Rechnung aufweisen können.Dieser Erfolg ist das bemerkenswerte Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen des Deutschen Bundestages, der Bundesregierung und unserer ihrer Aufgabe in Treue verbundenen Eisenbahner, deren Fleiß und Hingabe an ihren schönen, verantwortungsvollen Beruf auch an dieser Stelle besonders dankbar anerkannt werden soll. Der unter Vermeidung sozialer Härten in diesen Jahren durchgeführte Personalabbau von 33 500 Mitarbeitern hat wesentlich zur Verbesserung der finanziellen Lage beigetragen.Erfreulich sind vor allem die Auswirkungen der Auffassung, daß die nach dem Sofortprogramm der Bundesregierung vorgesehenen finanziellen Leistungen des Bundes an die Deutsche Bundesbahn, soweit sie zur Deckung der Aufwendungen der Erfolsrechnung bestimmt sind, nicht mehr unter dem zu Fehlschlüssen verleitenden Sammelbegriff „Verlustabdeckung" zusammengefaßt, sondern dort eingeordnet und gekennzeichnet werden, wohin sie nach ihrer Veranlassung und Zweckbestimmung gehören. Dabei handelt es sich um folgende durch das Sofortprogramm der Bundesregierung erstmalig in dieser Form vorgesehene und vom Bundestag genehmigte Sonderleistungen: 150 Millionen DM Anpassungshilfe für die Rationalisierung im Personenzugverkehr, im wesentlichen mit Bezug auf den sogenannten Berufsverkehr; 175 Millionen DM Beitrag zu den aus der Vergangenheit überkommenen erhöhten Versorgungslasten; 10 Millionen Beitrag zu den Kosten für die Unterhaltung und den Betrieb höhengleicher Kreuzungen der Bundesbahn mit Bundesstraßen.Einschließlich der bereits seit 1957 auf den Bundeshaushalt übernommenen sogenannten betriebsfremden Personallasten in Höhe von jährlich jetzt 302 Millionen DM und der Zinsen für die Ausgleichsforderungen der Deutschen Bundesbank im Betrage von jährlich 34 Millionen DM wurden damit aus dem Bundeshaushalt 671 Millionen DM für die sogenannte Normalisierung der Konten der Deutschen Bundesbahn eingesetzt, also für die Abdeckung bestimmter, nicht unternehmensbedingter Aufwendungen, die die Deutsche Bundesbahn zu leisten hat. Damit ist in der Bundesrepublik zugleich ein bedeutender, vor allem im Ausland anerkannter Fortschritt im Sinne der Resolution des Ministerrats der Europäischen Verkehrsministerkonferenz von 1957 erzielt worden, nach der die Normalisierung der Konten der Eisenbahn international als vordringlich anzusehen ist. Dieser Beschluß fußt auf dem eingehenden Bericht der Union Internationale des Chemins de Fer über die finanzielle Lage der Eisenbahnen in Europa von Januar 1956.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9639
Bundesminister Dr.-Ing. SeebohmMit Befriedigung möchte ich ferner feststellen, daß der Vorstand der Deutschen Bundesbahn Maßnahmen eingeleitet hat, um die von der Bundesregierung beschlossene und von der Prüfungskommission für die Deutsche Bundesbahn empfohlene Neuordnung ihres Rechnungswesens durchzuführen. Die neuen Rechnungsgrundsätze werden für wesentliche Teile ,des Anlagevermögens erstmalig in den Geschäftsjahren 1962 und 1963 angewendet werden können.Ferner hat sich der Vorstand der Deutschen Bundesbahn erfolgreich darum bemüht, den Empfehlungen der Prüfungskommission zu entsprechen, bestehende Verlustquellen zu beseitigen und den großen Betrieb beschleunigt weiter zu rationalisieren und zu modernisieren. Der Vorstand hat mir in diesen Tagen einen ersten Erfolgsbericht über die von ihm in eigener Zuständigkeit auf Grund des Prüfungsberichts, den das Hohe Haus veranlaßt hatte, durchgeführten Maßnahmen vorgelegt.Den von der Prüfungskommission vorgeschlagenen und von der Bundesregierung begrüßten ersten Vierjahresinvestitionsplan von insgesamt 10,2 Milliarden DM hat die Deutsche Bundesbahn in ihrer Kapitalrechnung 1961 und bei ihrer Vorplanung für 1962 mit entsprechenden Jahresbeträgen berücksichtigen können. Dabei mußten allerdings die Investitionen im einzelnen durch veränderte Schwerpunktbildung, z. B. durch stärkere Verlegung auf den Fahrzeugsektor, der Verkehrsentwicklung angepaßt werden. Die Bundesregierung wird diesen Investitionsplan, dessen Finanzierung leider noch nicht abschließend geklärt werden konnte, weiterhin nach Kräften fördern. Mit dem Erlaß der Verbindlichkeiten der Deutschen Bundesbahn gegenüber dem Bund in Höhe von 2,4 Milliarden DM, der durch das Sofortprogramm der Bundesregierung ausgesprochen wurde, sind bereits erste Schritte zur dringend erforderlichen Verbesserung der Kapitalstruktur der Deutschen Bundesbahn getan worden, aber, wie gesagt, erst erste Schritte, denen weitere werden folgen müssen.Die Bemühungen des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung haben sich in den vergangenen vier Jahren nicht nur auf die Deutsche Bundesbahn, sondern besonders auf den Straßenbau und den Straßenverkehr konzentriert. Der erste Vierjahresplan für den Straßenbau, der auf Grund des Ausbauplangesetzes von 1957 entwickelt worden ist, wird zügig verwirklicht und 1962 abgeschlossen. Leider wird das geplante Bauvolumen von 8,2 Milliarden DM deshalb nicht erreicht, weil an Mitteln nur rund 7 Milliarden DM, also 1,2 Milliarden DM weniger, zur Verfügung gestellt werden konnten. Dadurch ist ein erheblicher Überhang geplanter Baumaßnahmen entstanden, der im zweiten Vierjahresplan mit verkraftet werden muß. Dieser zweite Vierjahresplan für die Jahre 1963 bis 1967 ist mit einer Gesamtbausumme von 12 1/2 Milliarden DM geplant und wird in seinen Einzelheiten zur Zeit im Bundesverkehrsministerium ausgearbeitet. Ein dritter Vierjahresplan wird folgen, um die Aufgaben, die das Gesetz von 1957 uns gestellt hat, bis 1970 erfüllen zu können. Ich brauche hier keinenEinzelbericht zu geben, möchte aber darauf hinweisen, daß die Bundesrepublik im Straßenbau Europas heute bezüglich Mittelaufwendungen und der Bauleistungen mit Abstand an erster Stelle steht.Von entscheidender Bedeutung für die Verwirklichung .der Straßenbaupläne ist das vom Hohen Hause verabschiedete Straßenbaufinanzierungsgesetz vom 28. März 1960, das, abgesehen von einigen im Gesetz genau festgelegten Beträgen, das Aufkommen der Mineralölsteuer für Straßenbauzwecke bindet. Als einen großen Fortschritt möchte ich auch die vom Hohen Hause am 19. April 1961 verabschiedete Novelle zum Bundesfernstraßengesetz ansehen, die im Rahmen der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten eine stärkere Förderung des Straßenbaus in den Gemeindebezirken gewährleistet, soweit hier ein Sachzusammenhang mit den Bundesfernstraßen besteht. Auf dem Wege, zu einem einheitlichen Straßenbaunetz zu gelangen, wird außer den beiden genannten Gesetzgebungswerken auch das sogenannte Enquete-Gesetz beitragen, dessen Verabschiedung heute hier ansteht.Der Straßenverkehr selbst hat inden letzten Jahren weiter beträchtlich zugenommen. So stiegen die Beförderungsleistungen im gewerblichen Güterfernverkehr zwischen 1957 und 1960 von 14,6 Milliarden auf 18,2 Milliarden Tariftonnenkilometer. Die Frachteinnahmen haben sich von 1954 bis 1960 nahezu verdoppelt und 1960 erstmalig die 2 MilliardenGrenze überschritten. Auch im gewerblichen Güternahverkehr hat sich die wirtschaftliche Lage der Unternehmer wesentlich gebessert. Die zeitweise sehr starke Fluktuation in diesem Gewerbe hat erfreulicherweise abgenommen, und es kann von einer guten Stabilisierung auch bei diesem Gewerbezweig gesprochen werden.Besondere Sorge bereitet der Bundesregierung jedoch nach wie vor die trotz aller Bemühungen immer noch viel zu hohe und ständig steigende Unfallgefahr im Straßenverkehr. Aus diesem Grunde bedauert sie, daß es dem Hohen Hause zeitlich nicht mehr möglich gewesen ist, den zum Schutze von Leben und Gesundheit wichtigen Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs und den Entwurf des Eisenbahnkreuzungsgesetzes zu verabschieden.Das für die Erhaltung und Verbesserung der Bundeswasserstraßen unerläßliche Vierjahresprogramm für den Wasserbau wird ebenfalls planmäßig durchgeführt. Leider ist auch hier die Mitteldarbietung gegenüber unseren Wünschen nicht unerheblich zurückgeblieben, nicht zuletzt durch ihre Bindung an dien außerordentlichen Haushalt. Trotz der begrenzten finanziellen Mittel konnten aber die Fahrwasser zu den deutschen Seehäfen wesentlich verbessert werden. Im Binnenbereich ist das vorhandene Wasserstraßennetz vor allem den neuzeitlichen Anforderungen des Schiffsverkehrs entsprechend ausgebaut worden. Die deutsche Binnenschiffahrt hat durch eigene Initiative und dank kräftiger Förderung durch die Bundesregierung heute wieder einen Stand erreicht, der eis ihr ermöglicht, allen Anforderungen im innerdeutschen wie im grenzüberschreitenden Verkehr gerecht zu werden. Mit einer weit-
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9640 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmgehend motorisierten Flotte erbringt sie heute weit höhere Leistungen als vor dem Kriege. Die Schubschiffahrt in verschiedenen Variationen ist erprobt und wird sich aller Voraussicht nach weiter entwickeln.Bei der Förderung der Binnenschiffahrt, die zu einem großen Teil mittelständischen Charakter trägt, ist die Fürsorge für die Partikuliere immer ein Hauptanliegen der Bundesregierung Beweisen. Nach dem Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr wacht der Bundesminister für Verkehr darüber, daß die Partikuliere durch Mitbeschäftigungsverträge von den Reedern angemessen am Verkehrsaufkommen beteiligt werden. Ist eine angemessene Beschäftigung nicht mehr gewährleistet und droht ein Notstand, so greift der Bundesverkehrsminister mit lenkenden Maßnahmen ein, wie es im Rheinstromgebiet im Zusammenhang mit der Rezession im Jahre 1958 mit Erfolg geschehen ist.Wenn die Bundesregierung nun trotz dieser Entwicklung in der Binnenschiffahrt eine Novelle zu dem Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr vom 23. Oktober 1953 vorgelegt hat, so vor allem deswegen, weil einheitliche Grundsätze für die Ordnung des binnenländischen Verkehrs überall angewendet werden müssen. Dies gilt ganz besonders hinsichtlich der Regelung für die Tarifbildung im Güterkraftverkehr und in der Binnenschiffahrt. Darüber hinaus aber ist sich die Bundesregierung darüber klar, daß sich anzeichnende strukturelle Veränderungen bei der Binnenschifffahrt .sorgfältig beachtet werden müssen, um eine weitere gesunde Entwicklung dieses Verkehrszweiges zu gewährleisten.Diese wenigen Hinweise auf die sehr erfreuliche günstige wirtschaftliche Entwicklung der drei großen binnenländischen Verkehrszweige mögen genügen, um in Ergänzung zu dem ausgezeichneten Bericht des verehrten Kollegen Müller-Hermann auf einige wesentliche Ergebnisse der gemeinsamen verkehrspolitischen Bemühungen des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung aufmerksam zu machen.Daß wir auch auf dem Gebiete der Seeschiffahrt und der deutschen Luftfahrt in der 3. Legislaturperiode wesentliche Erfolge erzielen konnten, sei hier nur erwähnt. Hierüber habe ich das Hohe Haus im Rahmen meines Berichts anläßlich der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 1961 ausführlich unterrichtet. Beide Verkehrsträger unterliegen allerdings noch weit mehr als die Binnenverkehrsträger Beeinflussungen durch strukturelle Entwicklungen, die sorgfältig beobachtet werden und aus denen rechtzeitig die Konsequenzen gezogen werden müssen. Bei der Luftfahrt ist die Umstellung auf Düsenflugzeuge im Gang und ist auch finanziell gesichert. Zur Verbesserung der Lage unserer Hochsee- und Küstenschiffahrt haben wir Pläne ausgearbeitet, die noch im Monat Juli das Kabinett beschäftigen werden. So sind wir bis zum Ende dieser Legislaturperiode angespannt tätig gewesen.Die Verabschiedung dieser fünf neuen Verkehrsgesetze, die heute ansteht, ist ein erster Schritt ineine neue Zeit des Verkehrs, die durch die kommende gemeinsame europäische Verkehrspolitik nicht nur der sechs, sondern aller 17 westeuropäischen Länder gekennzeichnet sein wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesverkehrsminister hat uns heute wieder einen Rechenschaftsbericht über die Verkehrspolitik der Bundesregierung gegeben. Herr Bundesverkehrsminister, Sie haben auch diesmal wieder weit ausgeholt; Sie sind von der Bundesbahn auf den Straßenbau, von dort aus zum Straßenverkehr, dann zu den Bundeswasserstraßen, dann zu der Binnenschiffahrt und schließlich zu der Seeschiffahrt und der Luftfahrt gekommen. Wir haben einen ähnlichen Rechenschaftsbericht von Ihnen neben Ihren schriftlichen Berichten schon anläßlich der Verabschiedung des Einzelplanes 12 entgegennehmen dürfen und haben auch bei der Verabschiedung anderer wesentlicher Gesetze Gelegenheit gehabt, von Ihnen sehr umfangreiche Berichte zu bekommen, die sich im Inhalt sehr weitgehend überdeckten.Meine Damen und Herren! Ich möchte nun zu den vier Novellen sprechen, die heute hier zur Verabschiedung stehen. Zunächst sei die Feststellung erlaubt, daß diese vier Novellen von der CDU als die Neuordnung einer verkehrspolitischen Gesamtkonzeption der Bundesregierung bezeichnet worden sind. „Neuordnung der verkehrspolitischen Gesamtkonzeption der Bundesregierung" ist ein sehr umfassender Begriff und eine sehr vielseitige Zielsetzung, die eine Reihe von Hoffnungen und Befürchtungen geweckt hat. Was ist nun eigentlich von der mit sehr viel Publizität angekündigten Neuordnung übrig geblieben?Lassen Sie mich zunächst ein Wort zur Publizität sagen. Es ist, glaube ich, auch in diesem Hohen Hause eine Novität, daß der Schriftliche Bericht des Herrn Berichterstatters den Mitgliedern des Verkehrsausschusses durch die „Briefe zur Verkehrspolitik" eher bekannt geworden ist als durch die Drucksache des Bundestages: immerhin eine interessante Tatsache, die ich hier festhalten möchte.Was ist von der angekündigten Neuordnung eigentlich übrig geblieben? Nach den Novellen in der vorliegenden Fassung verschwindend wenig. Denn es steht fest — und ich darf hier aus dem Schriftlichen Bericht bzw. aus den „Briefen zur Verkehrspolitik" mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —, daß „die ,gemeinwirtschaftliche Verkehrsbedienung in dem vom Staat für erforderlich gehaltenen Umfang unangetastet bleiben" soll. Es ist weiter festgestellt, daß „ein geordneter Wettbewerb" in der Regel „die beste Gewähr für eine volkswirtschaftlich sinnvolle Verkehrsbedienung" darstellt. Es ist drittens festgestellt, daß der Bundesverkehrsminister im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister „Frachtsätze und alle anderen zur Bestimmung des Beförderungsentgelts
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Dr. Bleißnotwendigen Angaben des Tarifs von sich aus festsetzen" kann, „soweit das allgemeine Wohl dies erfordert". Die Bunderegierung hat also in der Tariffestsetzung einen weiten Ermessensspielraum erhalten; sie kann im Rahmen dieses Ermessensspielraums Tarife festsetzen.Meine Damen und Herren! Neben der in den Grundsätzen bestätigten Beibehaltung der gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung, der Wettbewerbsordnung, der Festsetzung von Beförderungsentgelten im Rahmen des Ermessensspielraums des allgemeinen Wohls enthalten die Novellen eine Reihe von verkehrspolitischen Grundsätzen, so z. B. die Schaffung angenäherter Wettbewerbsbedingungen, die Verhinderung eines unbilligen Wettbewerbs, ,die Verstärkung des Eigenkapitals der Bundesbahn, die Ermöglichung einer Eigenwirtschaftlichkeit der Bundesbahn und so weiter.Das sind Grundsätze, die, wenn auch in einer etwas anderen Formulierung, schon in den geltenden Gesetzen enthalten waren, die aber in den drei Legislaturperioden, die wir jetzt hinter uns haben, von der Bundesregierung einfach nicht realisiert worden sind.Die Entscheidung über eine durchgreifende Verkehrsreform hat diese Bundesregierung in dieser Legislaturperiode nicht gefällt; sie bleibt der vier t e n Legislaturperiode vorbehalten. Der vierte Bundestag wird also autonom zu entscheiden haben, welche Verkehrspolitik er betreiben will.Übriggeblieben von der mit viel Publizität angekündigten Verkehrsreform ist die Beschleunigung und Vereinfachung im Tarifantragsverfahren, das Tarifantragsrecht der Verkehrsträger, der Erstattungsanspruch der Bundesbahn an den Bund bei Erteilung von Auflagen oder bei der Ablehnung von Tarifanträgen.Das sind Bestandteile, die schon in den Vorlagen der Bundesregierung enthalten waren. Über die Notwendigkeit diser Korrekturen des geltenden Rechts herrschte von Anbeginn an in diesem Hohen Hause Übereinstimmung. Die SPD hat schon in der ersten Lesung der Novellen erklärt, daß sie diese längst überfälligen Änderungen für dringend notwendig hält und daß sie ihnen zustimmen wird. Insoweit hätten ,die Novellen schon im Herbst des vergangenen Jahres verabschiedet werden können.Die Margentarife sind von der CDU als Kernstück eines, wie es im Schriftlichen Bereicht heißt, „in sich geschlossenen Abänderungsprogramms" bezeichnet worden. Nach diesem in sich geschlossenen Abänderungsprogramm soll das marktgerechte Entgelt zur Wirksamkeit kommen. Die Margentarife sollen also marktgerechte Entgelte sein. Sie sind — wie es heißt — ,ein „erster Schritt auf dem Wege zur Einführung der sozialen Marktwirtschaft auf dem Verkehrssektor".Nun lassen Sie mich eines sagen. Der Gedanke der Margentarife ist nicht neu. Er ist nicht von der CDU erfunden. Die Margentarife werden seit langer Zeit in der Verkehrswirtschaft, im Güternahverkehr praktiziert. Nach dem geltenen Recht hatte die Bundesregierung jederzeit ,die Möglichkeit, im Güterfernverkehr und in der Binnenschiffahrt Margentarife einzuführen. Sie hatte auch jederzeit die Möglichkeit, § 6 der Eisenbahnverkehrsordnung durch eine Rechtsverordnung in der Weise zu ändern und die Festtarife durch Mindest- und Höchstentgelte zu ergänzen. Von diesem Recht hat die Bundesregierung nie Gebrauch gemacht. Wenn die CSU-Fraktion das ernsthaft gewollt hätte, dann hätte es nur eines Beschlusses dieser Fraktion bedurft. Nun, dazu bedurfte es nicht der Verkehrsnovellen.Aber ich habe den Eindruck, daß es für diese Novellen noch eine etwas andere Lesart gibt. Deswegen frage ich: Ist es etwa richtig, daß der Bundeswirtschaftsminister in Kenntnis der Sachlage einen starken Druck auf das Verkehrsministerium ausgeübt hat, um es zu veranlassen, von dem Recht der Margentarife Gebrauch zu machen, und daß die in den Novellen gefundene Formulierung den Druck des Bundeswirtschaftsministeriums unwirksam machen soll, mit anderen Worten, daß die Verabschiedung der Novelle mit den Margentarifen deswegen so dringlich sei, weil die Margentarife durch die Novellen auf Eis gelegt werden können? Denn für die Einführung von Margentarifen ist nun nicht mehr der Bundesverkehrsminister zuständig. Die Einführung kann nur noch von den Verkehrsträgern veranlaßt werden. Es ist also völlig zweifelhaft, o b die Margentarife überhaupt kommen, wann sie kommen. Aber selbst wenn sie eingeführt werden sollten, wünscht die CDU eine behutsame und vorsichtige Anwendung, da auf dem Neuland Erfahrungen gesammelt werden sollen.Ich darf hier noch einmal feststellen. Margentarife sind kein Neuland. Man kann darüber streiten, ob nicht das gesamte Tarifklassensystem des DEGT und des RKT schon Margencharakter hat. Nach meiner Meinung sind das Margentarife. Auf alle Fälle aber sind die Erfahrungen auf dem Gebiet des Güternahverkehrs bekannt. Aus den gesammelten Erfahrungen ergibt sich, daß erstens die Preisentwicklung bei Margentarifen von dem Funktionieren ,der Wettbewerbsordnung abhängig ist und zweitens bei einem ausreichenden Frachtraum, besonders aber bei Überkapazitäten, die Tarife an die untere Margengrenze gedrückt werden.Es gehört nicht sehr viel Phantasie dazu, eine ähnliche Entwicklung im Güterfernverkehr, im Schienenverkehr und in der Binnenschiffahrt vorauszusagen, wenn die Kontigentierung im Fernverkehr unter den gegebenen Verhältnissen gelockert wird. Daß die CDU sie lockern will, ergibt sich anscheinend aus der vorgelegten Entschließung, über die man nachher noch einiges sagen muß.Wir Sozialdemokraten sind mit jeder Tarifsenkung einverstanden. Aber wir wehren uns gegen eine Tarifpolitik, die .den Großverladern Vorteile auf Kosten der Klein- und Mittelbetriebe und der verkehrsfernen Gebiete verschafft. Die von der CDU beschlossene, im Gesetz verankerte Formulierung „unbillige Benachteiligungen landwirtschaftlicher und mittelständischer Wirtschaftskreise sowie wirtschaftlich schwacher oder verkehrsungünstig gelegener Gebiete zu verhindern" scheint uns kein
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Dr. Bleißausreichender Schutz zu sein. Wir wollen nicht nur unbillige Härten, sondern wir wollen jede Benachteiligung dieser betroffenen Kreise verhindern. Wir beklagen es, daß die CDU diesen weitergehenden Schutz der Mittel- und Kleinbetriebe und der verkehrsfernen Gebiete ablehnt. Denn wie werden die Margentarife in der Praxis wirksam werden? Es scheint mir utopisch zu sein, daß über Margen etwa an den Schaltern der Bundesbahn verhandelt wird. Das ist völlig ausgeschlossen. Die täglich in die Millionen gehenden Beförderungen — also die eigentliche Grundlast des Verkehrs — müssen einfach weiterhin zu festen Preisen erfolgen. Die Beweglichkeit in der Preisgestaltung fängt erst bei den größeren Frachtgutmengen und in der Personenbeförderung, möglicherweise bei den geschlossenen Beförderungen an, und hier wird bei einem ernsthaften Wettbewerb der großen Wettbewerber Schiene, Straße und Binnenschiffahrt der Grundsatz der Kostendeckung nicht immer einzuhalten sein. Wir wollen verhindern, daß durch solche möglichen Kostenunterdeckungen ein Ausgleich durch margenmäßige Zuschläge auf die Grundlast des Verkehrs gesucht wird.Meine Damen und Herren! Wir werden den vier Novellen zustimmen, obwohl sie keine wesentlichen Änderungen in der verkehrspolitischen Konzeption der Bundesregierung bringen. Ein verkümmerter Margentarif bringt noch keinen Wandel in der bisherigen Konzeption der verzerrten Wettbewerbsbedingungen. Die vier Novellen, die heute zur Verabschiedung anstehen, dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Verkehrsprobleme im dritten Bundestag nicht gelöst worden sind.Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben zu Beginn der dritten Legislaturperiode ein Gutachten angefordert. Der Herr Bundesverkehrsminister hat dieses Gutachten heute auch ausdrücklich noch einmal erwähnt. Das Gutachten liegt seit 11/2 Jahren vor. Die Brand-Kommission hat eine Reihe von Vorschlägen gemacht, denen man nicht in allen Teilen zustimmen kann. Aber sie hat einige Kardinalforderungen aufgestellt, die wir für absolut richtig halten. Das ist z. B. die Forderung nach einer Aufstockung des Eigenkapitals zwecks Gesundung der Kapitalstruktur und Modernisierung des Unternehmens, die Übernahme der Sozialleistungen auf den Bund, um kostennah tarifieren zu können, die Schaffung angenäherter Wettbewerbsbedingungen.Meine Damen und Herren, diese Kardinalforderungen haben Sie als verkehrspolitische Richtlinien in den Novellen postuliert, anstatt sie im Haushalt zu realisieren. Im Abbau betriebsfremder und betriebsungewöhnlicher Kosten hat die Bundesregierung eine bewußte Verzögerungstaktik getrieben. Es war das Prinzip des Bundesfinanzministers, die Bundesbahn nur bis an die Grenze ihrer Wirtschaftlichkeit aus der Klammer der sozialen Belastung herauszulassen. Diese Verkehrsfinanzpolitik ist nach unserer Auffassung falsch. Durch die Anlastung wirtschaftlich unzumutbarer Kosten war und ist die Verkehrsrate zu hoch.Das Schwergewicht einer Konzeptionsänderung liegt nach unserer Auffassung nicht so sehr in derVerankerung verkehrspolitischer Grundsätze in den Novellen. Solche Grundsätze hat es bisher immer schon gegeben, u. a. auch in § 4 des Bundesbahngesetzes. Die Bundesregierung hat sich aber um diese Postulate, um diese und ähnliche Grundsätze bisher nicht allzuviel gekümmert.Solange die Kostenunterdeckungen der Sozialtarife und die anteilige Altersversorgung in der zahlenmäßigen Dokumentation des Brand-Gutachtens nicht vollkommen vom Bund übernommen werden, werden die Wettbewerbsverzerrungen bestehen bleiben.Wir Sozialdemokraten legen auf die Herbeiführung angenäherter Wettbewerbsbedingungen den größten Wert. Wir verstehen darunter eine ausreichende Kapitalausstattung der Bundesbahn und die Entlastung der Bundesbahn von betriebsungewöhnlichen, wirtschaftlich unzumutbaren Kosten Wir verstehen unter angenäherten Wettbewerbsbedingungen die Steuergleichheit aller Verkehrsträger, wir verstehen darunter die Belastung der Verkehrsträger mit dem Wegekostenanteil. Wir Sozialdemokraten wünschen eine Tarifreform unter Vereinfachung des Güterklassensystems, durch Ausbau der Mengen- und Entfernungsstaffel.Meine Damen und Herren, eine Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen schafft die Voraussetzungen für die drastische Senkung einiger Massenguttarife. Ich halte insbesondere die Senkung des Kohlentarifs für dringend notwendig, um dem Bergbau eine fühlbare Entlastung in seinem Wettbewerbsverhältnis zum 01 zu verschaffen. Ich bin der Meinung, daß nur eine Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen die Voraussetzungen für einen verstärkten Leistungswettbewerb schafft. Ich bin ,der Meinung, daß diese Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen in eigenem Land notwendig ist, wenn man zu einer Angleichung der Wettbewerbsbedingungen im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft kommen will.Wir sind im Gegensatz zum Brand-Gutachten gegen eine Heraufsetzung der Sozialtarife. Wir wünschen einen Ausbau der Sozialstruktur auch auf dem Gebiet der Verkehrswirtschaft. Wir wollen den Familien das Reisen mit ,den Eisenbahnen erleichtern. Deswegen werden wir Sozialdemokraten uns dafür einsetzen, daß künftig die Fahrgeldfreiheit auf das 6. Lebensjahr ausgedehnt wird; bisher war nur das Kind bis zum 4. Lebensjahr fahrgeldfrei. Wir werden uns dafür einsetzen, daß der halbe Fahrpreis für alle Kinder bis zum 14. Lebensjahr gezahlt wird, also für eine Heraufsetzung des Lebensalters für den halben Fahrpreis von 10 auf 14 Jahre.
Die von uns vorgetragenen Vorschläge bedürfen keiner langen Prüfungen und keiner langjährigen Untersuchungen.
— Den blauen Himmel für die Bundesbahn wollenwir durch eine Realisierung der Forderungen in dem
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Dr. BleißGutachten schaffen, das Sie selbst angefordert haben, das Sie aber nicht realisieren.
Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, daß es dazu nicht langer Prüfungen bedarf, sondern daß wir die Forderung nach der Entzerrung der Wettbewerbsbedingungen schon im nächsten Haushaltsjahr realisieren können. Entscheidend ist nur das Wollen, und dazu sind wir bereit.
Meine Damen und Herren, bevor wir in der Diskussion fortfahren, darf ich folgendes feststellen. Frau Abgeordnete Rösch hat als Berichterstatterin zu Punkt 56 der Tagesordnung nachträglich einen Bericht vorgelegt. Ich nehme an, wir dürfen ihn ins Protokoll nehmen. — Sie sind einverstanden. *)
Nach dieser Debatte zu Punkt 26 der Tagesordnung — ich sage es, damit die Damen und Herren sich darauf einstellen können — kommen zuerst die weiteren Verkehrsgesetze Punkte 27 bis 30. Darauf folgt das Wehrsoldgesetz, Punkt 21, und damit, weil damit in Zusammenhang stehend, der vorhin zurückgestellte Bericht des Wehrbeauftragten, Punkt 72. Es schließt sich eine vorhin zurückgestellte Strafverfolgungssache, Punkt 67, an, darauf das Steuerberatungsgesetz, Punkt 22, und dann kann man weitersehen.
Das Wort in der Debatte hat nunmehr der Abgeordnete Eisenmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Herr Kollege Dr. Bleiß ist vorhin durch einen amüsanten Zwischenruf des Kollegen Müller-Hermann unterbrochen worden, der vom „blauen Himmel" für die Bundesbahn sprach. Beide Kollegen meinten sicher, daß das Signal für die Bundesbahn auf Grün gestellt werden solle im Sinne von mehr eigenwirtschaftlichen Überlegungen, im Sinne angenäherter Kosten und Tarife und darüber hinaus im Sinne der Deckung der Kosten durch das, was sich durch Eigenwirtschaft nach kaufmännischen Gesichtspunkten dort vollziehen kann. Wenn wir uns hier mit den vier Verkehrsgesetzen zu beschäftigen haben, die nach den Worten des Herrn Bundesverkehrsministers von der Bundesregierung als Sofortprogramm angesehen werden, dann möchte ich fast sagen: ja, Sofortprogramm, Neuorientierung der deutschen Verkehrspolitik, Weichenstellung für eine neu zu orientierende deutsche Verkehrspolitik! Sieht man den Inhalt sorgfältig durch, so muß man erstens feststellen, daß das Programm, Herr Minister, das die Regierung durch Sie hat vorlegen lassen, Gott sei Dank und zum Glück doch in wesentlichen Punkten vom Verkehrsausschuß einer konstruktiveren Lösung zugeführt worden ist, als sie die Regierung vorgelegt hatte. Zweitens können wir trotz aller') Siehe Anlage 6.sorgfältigen konstruktiven Bemühungen im Verkehrsausschuß nach wie vor die gleichen Sorgen haben, wenn man nicht unterstellt, daß der 4. Deutsche Bundestag diese zur Verabschiedung anstehenden Gesetze nur als einen Schritt zur Neuorientierung der deutschen Verkehrspolitik im Sinne einer stärkeren Anwendung von marktwirtschaftlichen Überlegungen bewertet. Überhaupt könnte man vielleicht polemisch davon sprechen: Wir sind von der Weichenstellung im Augenblick in eine sogenannte weiche Stellung geraten, aus der der 4. Bundestag unsere Verkehrspolitik wird herausführen müssen. Es scheint doch ein sehr langer Weg zu sein, bis man die Verkehrspolitik unter Beachtung der dynamischen, der ökonomischen, der technischen und strukturellen Veränderungen und Gesetze aus der bisherigen Gebremstheit, in der sie in den letzten Jahren „gefahren" ist, herausbringt und zu einer Umorientierung des Denkens in verkehrswirtschaftlichen Fragen gelangen kann. Ich will also sagen: es dauert doch sehr lange, wie wir festgestellt haben, bis sich die wirtschaftlichen Erkenntnisse und die verkehrspolitischen Notwendigkeiten gegenüber angewohnten Reglementierungen und dirigistischen Maßnahmen durchzusetzen vermögen. Darüber kann kein Zweifel bestehen, wenn man die sogenannten Verkehrsordnungen betrachtet.Ich habe manchmal den Eindruck, der Begriff Verkehrsordnung sei bei uns in den letzten Jahren oft verwechselt worden. Man hat geglaubt, man könne mit gemeinwirtschaftlichen Aufgaben irgendwelche staatsdirigistischen Aufgaben unter dem Namen „Verkehrsordnung" verdecken. In den anderen europäischen Ländern hat man so viel Reglementierungen, so viel antiquierte Vorstellungen in der Verkehrspolitik eigentlich nicht, wie wir sie bisher in Deutschland gehabt haben. Ist es so schwer, diese Vorstellungen über Bord zu werfen?!Wenn man heute diese Gesetze durchgeht, kann man eines feststellen. In der Fraktion der CDU/CSU — ich glaube wenigstens, daß die CSU mitunterschrieben hat; ich will mich im Augenblick nicht genau festlegen — bestehen gewisse Auffassungsunterschiede, wie ich weiß, auf die ich jedoch nicht eingehen will. Man kann feststellen, daß in diesen Problemen der Verkehrsausschuß eines nicht erreicht hat: Die Fragen der Konzessionierungen, der Kontingentierungen sind im Gesetz nicht angepackt worden, und die CDU hat einen Entschließungsantrag eingebracht, durch den die Bundesregierung gebeten wird zu prüfen, wie diese Fragen im Sinne von mehr marktwirtschaftlichen Überlegungen behutsam, aber stetig und zielstrebig einer konstruktiveren Lösung zugeführt werden können. Die prohibitiven Maßnahmen, die nicht marktkonformen Maßnahmen sind gegenüber dem Werkverkehr nicht aufgehoben. Ich denke an die Beförderungsteuer, ich denke an die Entfernungszonen„ an die Verwiegungsauflagen, an die Gewichts- und Entfernungskontrollen und alle diese Dinge, die wir im Verkehrsausschuß infolge Zeitmangels leider nicht behandeln konnten. Wenn ich das bedenke, dann glaube ich, daß ich in etwa richtig liege, wenn ich nun folgendes sage. Ich habe vor kurzem in
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9644 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Eisenmanneiner großen Zeitung eine Überschrift gelesen, in der man von einer „kleinen Reform mit großen Fehlern" sprach. Ich glaube, daß diese Überschrift einer großen Zeitung in etwa den Gehalt der vorliegenden Verkehrsgesetze und ihre Reformbedürftigkeit getroffen hat.Meine Freunde von der FDP-Fraktion und ich persönlich sind auch betrübt darüber, daß man nicht einmal die Ergebnisse des Beyer-Ausschusses und auch nicht das Brand-Memorandum zugrunde gelegt und daraus die notwendigen Folgerungen gezogen hat für die Durchführung der lebensnotwendigen Neuorientierung der deutschen Verkehrspolitik hinsichtlich der Schaffung — das hat Herr Kollege Bleiß auch schon angeführt — gleicher Wettbewerbsvoraussetzungen, eines angenäherten Kostengefüges. Auf der anderen Seite haben wir auch nicht genügend geprüft, welche notwendigen weiteren Voraussetzungen wir schaffen müssen, um die Leistungsfähigkeit unserer nationalen Verkehrsträger — Eisenbahn, Binnenschiffahrt und Straßen-Güterverkehr — entsprechend zu verbessern. Wir sind der Auffassung — und daher auch der Antrag Umdruck 952, den die FDP-Fraktion eingebracht hat —, daß wir nach Art und Ausmaß prüfen müssen, inwieweit auch nach Verabschiedung dieses Gesetzes noch Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Verkehrsträgern Straße, Schiene und Binnenschiffahrt vorhanden sind. Wir wünschen, daß bis zum 31. Dezember 1962 ein entsprechender Entwurf vorliegt, aus dem man klar erkennt, wie diese Wettbewerbsverzerrungen aussehen und welche Möglichkeiten man sieht, um sie, jedenfalls auf dem nationalen Gebiet, auszugleichen.Ich möchte überhaupt eines sagen: Wenn man hiervon ausgeht — ich glaube, das dürfen wir, jedenfalls soweit es den Verkehrsausschuß und seine Mitglieder und damit sicher nachher auch das Hohe Haus insgesamt betrifft —, kann man sagen, daß wir den Weg frei machen sollten für mehr marktwirtschaftliche Überlegungen in der Verkehrspolitik überhaupt. Wir von der FDP vertreten den Standpunkt, daß wir in etwa richtig beraten sind, wenn wir der Zielsetzung in der Verkehrspolitik als Motto voranstellen: so viel Freiheit wie möglich und nur so viel Bindung wie nötig! Wir müssen also das, was auch der Herr Berichterstatter MüllerHermann schon ausgeführt hat, bei der weiteren Gestaltung der mehr marktorientierten Verkehrspolitik zu verwirklichen versuchen.Wenn man davon ausgeht, daß speziell die Bundesbahn bisher zu gemeinwirtschaftlichen Aufgaben verpflichtet war, daß sie sozialpolitische und betriebsfremde Belastungen verkraften sollte, auf der anderen Seite aber in einer sinnvollen, kostengerechten Tarifgestaltung gehemmt war, dann, glaube ich, braucht man sich eigentlich nicht zu wundern, daß die Bundesbahn in den. letzten Jahren trotz des Fleißes, der Arbeitsintensität und trotz der Umsicht der Bediensteten dauernd Defizite aufzuweisen hatte. Ich bin der Auffassung, daß der Begriff der Gemeinwirtschaftlichkeit bei der Bundesbahn eigentlich jahrelang für sehr egoistische Zwecke les Staates als des Eigentümers des Unternehmensmißbraucht worden ist. Ich bin der Auffassung, daß wir schlecht beraten sind, wenn wir weiterhin diese Verkehrsträger so reglementieren. Ich bin mit dem Herrn Vorredner der Meinung, daß mehr Freiheit in die Marktwirtschaft hineingebracht werden müßte und daß man überlegen müßte, ob die ganze Zoneneinteilung in Güternah- und Bezirksverkehrs-, in Güterfernverkehrs-, Werknah- und Werkfernverkehrszonen sowie all diese Steuer- und Sondersteuer-Auflagen eigentlich noch Platz haben in unserer marktwirtschaftlichen Überlegung. Man kann, ohne polemisch zu werden, sagen: in der deutschen Verkehrspolitik ist die Marktwirtschaft zur Zeit auf den Kopf gestellt. Ich könnte mir vorstellen, daß wir alle Ursache haben, darüber nachzudenken, daß die freie und soziale Marktwirtschaft durchaus zum Nutzen aller Beteiligten, sowohl des Staates wie des Konsumenten gefördert wird. Und wenn wir sinnvoll, bei angenäherten Wettbewerbsvoraussetzungen aller Verkehrsträger die Dinge sehen, werden wir eines Tages auch zum Nutzen der Verkehrsträger handeln, wenn wir weniger reglementierend, sondern mehr marktregulierend durch den Preis die Verkehrspolitik hinsichtlich der Tarifgestaltung auspendeln lassen.Allerdings muß in diesem Zusammenhang, glaube ich, auch noch ein Wort gesagt werden. Der Herr Bundesverkehrsminister hat davon gesprochen, daß ,die Bundesregierung ihr Programm, das sie in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers im Oktober hier vorgetragen hat, weitgehend erfüllt habe. Ich glaube, Herr Verkehrsminister, daß das doch nicht ganz den Tatsachen entspricht, und zwar aus folgender Überlegung. Man hat unseres Erachtens den seit Jahren in Gang befindlichen strukturellen Wandlungen in ,der ganzen Wirtschaft und innerhalb der Verkehrspolitik viel zu wenig Rechnung getragen. Man hat unseres Erachtens auch den auf uns zukommenden verkehrspolitischen Vorstellungen aus dem EWG-Raum zu wenig Rechnung getragen. Ich glaube ferner, ,daß man zuwenig Voraussetzungen geschaffen hat für eine Koordinierung der Maßnahmen und für eine Harmonisierung innerhalb der Verkehrsträger selbst. Ich will sagen, daß eine Chancengleichheit, um in der Verkehrspolitik zu einem optimalen volkswirtschaftlichen Ergebnis kommen zu können, zur Zeit nicht vorhanden ist.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Haage?
Herr Kollege Eisenmann, sind Sie der Meinung, daß die Kontingentierung und die Konzessionierung für den Güterfernverkehr sowie die Betriebserlaubnis und die Werkfernverkehrsteuer fallen sollten?
Herr Kollege Haage, ich bin, um es Ihnen ganz klar zu sagen, persönlich der Auffassung, daß sich die freie und soziale Marktwirtschaft, wie sie vor Jahren einmal in Deutschland eingeführt worden ist — daß sie bei verschiedenen Kräftegruppen sehr umstritten war, ist heute all-
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Eisenmanngemeine Erkenntnis —, im Kampf des Wettbewerbs durch das Preisregulativ absolut bewährt hat.Zur Frage der Kontingentierung und der Konzessionierung möchte ich Ihnen sagen, daß man sehr sorgfältig aber zielbewußt, behutsam aber zielstrebig nach Annäherung der Wettbewerbsvoraussetzungen sowohl im nationalen wie im internationalen Bereich, insbesondere im EWG-Bereich, die Frage der Kontingente und der Konzessionierung überprüfen müßte.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Haage?
Herr Kollege Eisenmann, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Kontingentierung und die Konzessionierung zum Schutze mittelständischer Betriebe und zur Förderung der Verkehrssicherheit eingeführt worden sind?
Herr Kollege Haage, ich glaube, über die Verkehrssicherheit haben wir absolut die gleiche Auffassung. Es gibt echte Statistiken und Zahlennachweise darüber, woher die Verkehrsunfälle in Deutschland rühren. Sie, Herr Kollege Haage, kennen sie genauso gut wie ich. Ich brauche darüber nicht zu sprechen. Es gehört auch nicht unmittelbar zu diesem Thema. Ich bin aber gern bereit, mich mit Ihnen darüber zu unterhalten, vielleicht in einer öffentlichen Versammlung, demnächst in einem Forumgespräch in München. Das wäre eine interessante Sache für mich, die Frage der Verkehrssicherheit unter ,dem Gesichtspunkt anzusprechen, wie Sie es getan haben, daß die Lastzüge nach Ihrer Auffassung insonderheit zur Verkehrsunsicherheit beigetragen haben; so mußte ich Ihre Frage ja verstehen.
Zum zweiten, zu der Wahrung mittelständischer Interessen: Jawohl. Wer in diesem Hause will das nicht? Wir beide bestimmt. Darüber hinaus ist aber einmal zu überprüfen, ob wir gut beraten sind, wenn alle diese Betriebe, falls sie weitere Kontingente infolge eines größeren Frachtanfalls bekommen möchten, auf den Schwarzen oder Grauen Markt ausweichen müssen, um dort für viel Geld die Konzession kaufen zu müssen. Das ist kein Regulativ im Sinne einer freien und sozialen Marktwirtschaft. Ich glaube, daß es dann so kommen könnte, daß die kleinen Betriebe keine Konzessionen mehr kaufen können, sondern daß eine Kumulierung bei den Marktkräften entsteht, wo wir es vielleicht nicht wünschen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Haage?
Herr Kollege Eisenmann, Ihnen dürfte doch genauso wie mir bekannt sein, daß das Kontingent eine gewisse Einschränkung darstellt, so daß man weder auf dem Grauen noch auf dem Schwarzen Markt Konzessionen erwerben kann!
Herr Kollege Haage, ich bin nicht beruflich in der Verkehrswirtschaft tätig, wie Sie es sind; das wissen Sie. Aber es ist mir sehr wohl bekannt, daß der Graue Markt zur Erlangung von Kontingenten und Konzessionen in Deutschland ein Tatbestand ist. Ich bin bereit, es Ihnen zu beweisen. Ich kann Ihnen sogar Briefe nachweisen von sehr hochgestellten politischen Persönlichkeiten, die Antragsteller auf diesen Markt verwiesen haben. Ich möchte hier nicht deutlicher werden, zumal es nicht hierher gehört. Ich kann Ihnen aber nachher eine klare Antwort darauf geben.
— Sie sind sehr neugierig. Wir sprechen uns nachher noch aus, Herr Kollege. Wir wollen zum Thema zurückkehren. Vielleicht ist Herr Kollege Haage nachher imstande, unmittelbar auf diese Dinge einzugehen, so daß sich vielleicht ein Wechselgespräch ergibt.Ich habe über die Chancengleichheit und Leistungsfähigkeit gesprochen und darüber, daß man in Übereinstimmung von uns allen — was auch Herr Kollege Dr. Bleiß gesagt hat — behutsam in der deutschen Verkehrspolitik der Zukunft mehr marktwirtschaftlichen Überlegungen Raum geben müsse. Ich habe gesagt, Herr Kollege Haage, daß man auch die Frage der Kontingente und Konzessionen sehr sorgfältig prüfen müsse.Nun aber zu den Verkehrslagen. Herr Verkehrsminister Dr. Seebohm hat ausgeführt, daß in der Verkehrspolitik sehr Erstaunliches und vieles erreicht worden sei. Wenn man allerdings hier über die Verkehrsgesetze spricht, Herr Bundesverkehrsminister, darf man nicht nur über die Tarifgestaltung sprechen, die mehr markt- und kostengerecht sein soll — ich erinnere an die Margentarife usw.sondern man muß von den Verkehrsanlagen usw. auf der anderen Seite sprechen. Ich glaube, man kann ohne weiteres sagen, daß die Bundesbahn hinsichtlich der Ausschöpfung ihrer Leistungsfähigkeit durch weitere Technisierung, Rationalisierung, Verdieselung und Elektrifizierung ihrer Hauptstrecken noch vieles nachzuholen hat und daß die Binnenschiffahrt bestimmt noch nicht ein so leistungsfähiges Binnenwasserstraßensystem vorfindet, wie es notwendig wäre. Wir sind uns in diesem Hohen Hause voll bewußt, daß das Straßennetz auch nicht annähernd entsprechend den Notwendigkeiten der Volkswirtschaft ausgebaut ist. Daß Sorgen über Sorgen in künftigen Jahren noch auf uns zukommen, die es sowohl in den Ballungszentren wie in den peripheren Räumen zu beheben gilt, darüber kann es gar keinen Zweifel geben. Ich möchte fast sagen, die Bundesregierung und die Mitverantwortlichen für die Verabschiedung bestimmter Gesetze in den letzten Jahren haben sich in diesen Dingen bestimmt nicht mit Ruhm beklekkert; hinsichtlich der Schaffung eines leistungsfähigen Gesamtstraßennetzes gibt es darüber in diesem Hohen Hause keinen Zweifel.Wenn der Herr Verkehrsminister, wie Herr Kollege Dr. Stecker gesagt hat, leider nur 7,2 Mil-
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9646 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Eisenmannliarden DM für den zweiten Vierjahresplan zur Verfügung habe, dann ist das sehr bedauerlich. Ich glaube, es gibt hier niemand, der ihm nicht mehr Geld geben möchte. Das Geld dazu wäre durchaus vorhanden, wenn man mehr Zweckbindung der Verkehrsabgaben für Straßenbau vornähme. Hierzu liegt nachher ein Antrag der SPD-Fraktion vor, den ich für absolut berechtigt halte und dem ich zustimmen würde unter dem Gesichtspunkt, daß dieser Sockelbetrag konsequenterweise in drei Etappen abgebaut und damit eine Zweckbindung aller Verkehrsabgaben auf der anderen Seite durchgeführt wird. Sie wissen es doch, meine Freunde von der Mitte dieses Hauses, daß im Jahre 1960 insgesamt rund 1200 Millionen DM Verkehrsabgaben — Beförderungssteuer, Mineralölsteuer und Mineralölzoll — zweckentfremdet worden sind. Das Geld ist also da. Und wir wollen dem Herrn Verkehrsminister helfen. Aber dazu ist nötig, daß die verkehrspolitischen Vorstellungen endlich Vorhand gegenüber den finanz- und steuerpolitischen Vorstellungen gewinnen.Zur Tarifgestaltung habe ich schon vorhin ausgeführt, daß wir die Chancengleichheit im Wettbewerb haben möchten und auf der anderen Seite auskömmliche und kostengerechte Tarife wünschen. Es ist die Frage zu stellen, ob die vorliegenden Gesetze diese auskömmlichen, kostengerechten Tarife überhaupt ermöglichen. Das sind einige Sorgen, die ohne Zweifel in das Gebiet gehören, von dem soeben Herr Kollege Haage gesprochen hat.Eines muß man festhalten: es gilt, den zentralen Grundsatz unserer Wirtschaftsordnung Zug um Zug, behutsam, aber stetig auf die Verkehrswirtschaft anzuwenden; denn der Staat ist gut beraten, wenn er sich auch in der Verkehrspolitik im wesentlichen mehr auf die Mißbrauchsaufsicht beschränkt, anstatt zu glauben, in alle Dinge von vornherein reglementierend eingreifen zu müssen. Wir sind also da durchaus der Auffassung: Mehr Marktregulierung durch den Preis bei angenäherten Wettbewerbsvoraussetzungen zwischen den Verkehrsträgern, um dann zu einer sinnvollen Verkehrsteilung und zu einer optimalen Verkehrsbedienung kommen zu können.Ein Wort zur Bundesbahn. Wir bedauern, daß es infolge der kurzen zur Verhandlung dieser Gesetze vorhandenen Zeit nicht möglich war, sich vom Grunde her auch mit der Rechtsform der Bundesbahn so zu beschäftigen, wie es vermutlich der 4. Deutsche Bundestag eines Tages wird tun müssen. Es ist durchaus die Frage zu stellen, ob nicht die Bundesbahn eines Tages in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts bei Beibehaltung der Pensionsverpflichtungen dieser Körperschaft des öffentlichen Rechts gegenüber ihren Bediensteten überführt werden sollte, um ihr dann mehr Eigenwirtschaftlichkeit, mehr eigene kaufmännische Überlegungen zuzubilligen und den kaufmännischen Gesichtspunkten mehr Raum zu geben. Das Problem ist, ob das vor uns liegende Gesetz der Eigenwirtschaftlichkeit und den kaufmännischen Gesichtspunkten so viel freien Spielraum läßt, um das zu erreichen, was in diesem Gesetz angeführt worden ist.Wir sind auch der Auffassung, daß der Bundesbahn die betriebsfremden Lasten, die sozialpolitischen Belastungen abgenommen werden müssen, wenn man sich das Ziel bester Verkehrsbedienung und gleichmäßiger Behandlung aller Eisenbahnen — damit also auch der nichtbundeseigenen Eisenbahnen — setzt. Die nichtbundeseigenen Eisenbahnen müssen hinsichtlich der Belastung und der Übernahme von betriebsfremden Kosten die gleiche Behandlung wie die Bundesbahn erfahren. Wenn der Staat die Bundesbahn in der Weise entlastet, so muß er ,das auch bei den nichtbundeseigenen Eisenbahnen tun.Wir sind auch der Auffassung, ,daß man sich dringend in Kürze darüber wird unterhalten müssen, wie man zu einer Kapitalaufstockung bei der Bundesbahn kommen kann. Sie wissen, daß die Bundesbahn mit 6 Milliarden DM verschuldet ist. Sie wissen von den vielen hundert Millionen D-Mark Kapitaldienst, die diese Verschuldung ausmacht. Das ist ein Problem, das neben dem der auskömmlichen Tarife betrachtet werden sollte. Man muß sehen, wie man zu einer besseren Ausgewogenheit des Anlagevermögens und des Fremdkapitals kommen kann. Herr Kollege Müller-Hermann sprach von der Ausgleichspflicht und darüber, daß die Erträge die Aufwendungen decken müßten. Wir sind der Auffassung, daß die gleiche Ausgleichspflicht hinsichtlich der betriebsfremden Lasten und all der Sonderkosten, die der Bundesbahn von Staats wegen zudiktiert werden, besteht, weil die Bundesbahn, wie es im Gesetz heißt, immerhin noch gemeinwirtschaftliche Aufgaben im Rahmen staatspolitischer Aufgabenstellungen erfüllen soll.Grundsätzlich eines: wir wünschen, daß bei dem Wechselverkehr, wo die nicht bundeseigenen Eisenbahnen mit der Bundesbahn im Wechselbetrieb verkehren, die nichtbundeseigenen Eisenbahnen der Bundesbahn gleichgestellt werden.Zum Abschluß noch eine Bemerkung zum Güterkraftverkehrsgesetz. Wir sind dankbar dafür, daß § 6 a neu aufgenommen worden ist, der besagt, daß die peripheren Gebiete, die Zonenrandgebiete, wirtschaftlich schwache und verkehrsmäßige ungünstig gelegene Gebiete fiktive Standorte bekommen können. Man folgt dabei im wesentlichen dem Antrag der FDP-Fraktion auf Drucksache 2412. Wir sind auch froh darüber, daß der Werknahverkehr mit dem gewerblichen Verkehr gleichgestellt worden ist. Wir glauben allerdings, daß es wirklich notwendig war, aus Gründen der Raumordnung, der Strukturförderung und der allgemeinen Förderung der Wirtschaft durch guten Straßenbau hier einen Anfang zu machen.Wir haben noch den Antrag auf Umdruck 989 vorgelegt, der wohl inzwischen verteilt worden ist. Wir beantragen, in § 49 Abs. 1 die Nr. 3 und den Abs. 2 zu streichen. Diese Bestimmungen waren im bisherigen Güterkraftverkehrsgesetz auch nicht enthalten. Wir sind der Meinung, es ist nicht zumutbar, daß die Handelsvertreter, Handelskommissionäre und Handelsmakler nur Fahrzeuge bis zu 2 t frei haben. Sie wissen, daß es viele Handelsvertreter ganz bestimmter Sparten gibt, die mit diesen Fahr-
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Eisenmannzeugen praktisch nichts transportieren können. Wir wünschen also die ersatzlose Streichung der betreffenden Bestimmungen in § 49.Darüber hinaus noch eine Bemerkung zum Binnenschiffahrtsgesetz. Auch hier wünschen wir, daß ein fairer Konkurrenzkampf bei marktgerechten und kostengerechten Entgelten eingeleitet werden soll. Mein Kollege Ramms wird hierzu wohl noch einige Bemerkungen machen.Zum Schluß möchte ich sagen: wir haben die Hoffnung, daß diese Gesetze, obwohl sie durchaus nicht in allem unseren Vorstellungen entsprechen, ein erster Schritt zu einer Neuorientierung in der deutschen Verkehrspolitik sind. Herr Kollege Haage, meine Freunde und ich sind tatsächlich der Auffassung, daß wir mit diesen Verkehrsgesetzen ein gutes Stück von der bisherigen verkehrten Verkehrspolitik fortkommen und daß die Verkehrsgesetze, wenn sie Zug um Zug und behutsam durch den 4. Deutschen Bundestag weiterentwickelt werden, sich zum Nutzen der Konsumenten, der verladenden Wirtschaft und auch zum Nutzen der Verkehrsträger auswirken können. Deshalb stimmen wir den Verkehrsgesetzen zu.
Meine Damen und Herren, nach der Fraktion der SPD hat noch die der CDU/CSU eine Erklärung zur Verabschiedung des Gesetzes zur Einführung des Bundesversorgungsgesetzes im Saarland hier abgegeben. Ich schlage vor, auch diese Erklärung in das Protokoll aufzunehmen. — Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die hier zur Verabschiedung anstehenden Verkehrsgesetze sind ein Kompromiß mit allen Vorteilen und Nachteilen, die nun einmal zu einem Kompromiß gehören. Auch ich, der ich mich jetzt vier Jahre lang, wenn nicht etwas länger, selbst mit darum bemüht habe, in den Fragen der Verkehrspolitik einen Ausgleich und eine Konzeption zu ,finden, muß manchmal etwas resignierend feststellen: Es scheint mir leichter zu sein, einen Sack Flöhe auf Vordermann zu bringen, als die vielen unterschiedlichen Interessen im Bereich der Verkehrspolitik aufeinander abzustimmen und zu einem Ausgleich zu bringen.
— Ich meine jetzt überhaupt keine politischen Gremien, sondern ich meine die vielen unterschiedlichen volkswirtschaftlichen Interessen, die nun einmal im Raum der Verkehrspolitik aufeinanderstoßen, die alle ihre sachliche Berechtigung haben, aber sich doch nach einem übergeordneten Prinzip und unter den Gesichtspunkten des Allgemeinwohls zusammenfinden müssen. Und das ist nicht einfach. Ich glaube aber doch, daß diese kleine Verkehrs-
reform — von der ich durchaus zugeben will, daß auch sie manche Schwächen enthält — einen ersten Schritt zur Heranführung der Verkehrswirtschaft an die soziale Marktwirtschaft darstellt, einen ersten Schritt, dem eine gewisse Automatik für die Zukunft innewohnt.
Herr Kollege Dr. Bleiß hat die Frage gestellt, was denn nun eigentlich von der ganzen angekündigten Verkehrsreform noch übriggeblieben sei. Sie haben die Margentarife erwähnt, Herr Kollege Dr. Bleiß, und dann hinzugefügt, eigentlich müßte man beinahe annehmen, was jetzt herausgekommen sei, solle nur dem Zweck dienen, die Anwendung der Margentarife in der Zukunft zu verhindern. Sehr geehrter Herr Dr. Bleiß, ich bin nicht dieser Auffassung, sondern ich glaube, daß die jetzige Formulierung im Gesetz und das an die Adresse der Bundesregierung gerichtete Ersuchen, die Eisenbahnverkehrsordnung entsprechend abzuändern, die Möglichkeit bieten, von Margentarifen wesentlichen Gebrauch zu machen. Aber ein wirkliches Kernstück der Verkehrsreform ist die Tatsache, daß der Bundesminister für Verkehr in Zukunft kein Koordinierungsrecht mehr besitzt.
Damit sind wir auch schon an dem entscheidenden Punkt angelangt, in dem sich die Auffassungen der Christlichen Demokraten und der Sozialdemokraten immer noch fundamental unterscheiden. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, erklären landauf und landab, daß Sie sich für die soziale Marktwirtschaft einsetzen wollen. Ihr Godesberger Programm hat das ausdrücklich bekundet. Aber ich habe nicht den Eindruck, daß Sie im Bereich der Verkehrswirtschaft auch nur im geringsten bereit sind, dem Gedanken der sozialen Marktwirtschaft wirklich Raum zu geben. Was Ihnen vorschwebt, meine Damen und Herren, ist eine Fortsetzung des dirigistischen Prinzips, das uns in die Kalamitäten hineingeführt hat, mit denen wir heute fertig werden müssen.
Ich meine die Benachteiligungen, die in der Bundesrepublik gegenüber einer vergleichbaren Situation in den übrigen Ländern bestehen. Ihre Vorstellungen — lassen Sie mich das noch sagen, dann gebe ich Ihnen sofort die Möglichkeit, eine Frage an mich zu stellen, sehr verehrter Herr Dr. Bleiß — gehen doch davon aus, daß man auf Grund einer rechnerischen Angleichung der Startbedingungen und genauer Kostenuntersuchungen in Zukunft dazu übergehen kann, eine volkswirtschaftlich vernünftigere Aufgabenteilung über die Bestimmung der Tarife durch behördliche Anordnung zu erreichen, und im übrigen wollen Sie letzten Endes nur, daß möglichst viele Belastungen, vor allem bei der Bundesbahn, noch weiter auf den Bundeshaushalt übernommen werden. Unsere Auffassung — und da liegt der Unterschied — geht darauf hinaus, daß wir uns darum bemühen müssen, im Bereich des Verkehrs zu einer ganz entscheidenden Einsparung von Kosten zu kommen und auf dem Wege über eine Rationalisierung und eine volkswirtschaftlich sinnvollere Aufgabenteilung zu einem Druck auf das überhöhte Preisniveau.
Eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Bleiß!
Herr Kollege Müller-Hermann, wer hat zwölf Jahre lang Verkehrsdirigismus getrieben? War das die Bundesregierung, unterstützt von der CDU und CSU, oder war es die SPD? Wer hat die ganzen verkehrsdirigistischen Gesetze im Bundestag eingebracht? Wenn ich mich recht erinnere, waren das Gesetze der CDU. Wenn Sie also von Verkehrsdirigismus reden, dann reden Sie bitte vom Verkehrsdirigismus der CDU und schieben Sie das nicht uns zu!
Sehr verehrter Kollege Dr. Bleiß, ich glaube richtig unterrichtet zu sein, daß die meisten, wenn nicht sämtliche entscheidenden Verkehrsgesetze in diesem Hohen Hause in den vergangenen Jahren einstimmig verabschiedet worden sind. Sie haben also zweifellos recht, daß wir allesamt aus Vorstellungen, die reformbedürftig sind, die Verkehrspolitik auf einen Weg gebracht haben, der jetzt eben eine Reform notwendig macht. Sie wissen, daß die Bundesregierung selbst der erste Schrittmacher für eine Überführung der Verkehrswirtschaft in einen verstärkten Wettbewerb gewesen ist, eben auf Grund neuer volkswirtschaftlicher Einsichten, die wir uns nicht zuletzt dadurch leichter erworben haben, daß wir die Prüfungskommission für die Deutsche Bundesbahn eingesetzt haben.
Es fragt sich jetzt, welche Konsequenzen wir aus diesen neuen Einsichten tatsächlich zu ziehen bereit sind. Da glaube ich allerdings, verehrter Herr Kollege Dr. Bleiß, daß Sie allzusehr in vergangenen Vorstellungen beharren, während wir fest entschlossen sind, mit neuen Ideen uns einer Situation anzupassen. Wenn wir diese Anpassung nicht aus eigener Kraft vornehmen, wird sie uns durch eine Entwicklung innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zu Bedingungen aufgezwungen werden, die uns weniger angenehm sind als die, die gegeben sind, wenn wir es heute freiwillig tun.
Eine weitere Frage des Abgeordneten Dr. Bleiß!
Herr Kollege Müller-Hermann, ist Ihnen nicht bekannt, daß wir auf dem Verkehrskongreß in Stuttgart ein Verkehrsprogramm vorgelegt haben, ausgerichtet auf den verstärkten Leistungswettbewerb, und ist es nicht unfair, weiterhin die SPD zu verdächtigen, daß sie einen Verkehrsdirigismus betreibe? Ich würde Ihnen empfehlen, das Programm zu lesen.
Sehr geehrter Herr Dr. Bleiß, es war mir ein Vergnügen, das Programm sehr sorgfältig zu studieren, das auf Ihrer Stuttgarter Verkehrstagung entwickelt worden ist. Gerade dieses Programm und speziell Ihre Ausführungen bringen mich zu der Überzeugung, daß sich Ihre Auffassungen von einem Wettbewerb fundamental von unseren Auffassungen unterscheiden. Sie gehen davon aus, daß noch mehr Kosten auf den Bundeshaushalt übernommen werden müssen, daß genaue Kostenuntersuchungen vorgenommen werden; auf Grund dieser Kostenuntersuchungen soll dann der Staat, d. h. eine Behörde, festsetzen, wie die Tarife aussehen. Damit wollen Sie eine volkswirtschaftlich vernünftige Aufgabenteilung erreichen. Wir sind der Auffassung, besser als jede behördliche Anordnung entwickelt der Markt über den Preiseine vernünftige volkswirtschaftliche Aufgabenteilung. Und nur dadurch, daß wir dem Wettbewerb tatsächlich Raum geben, kommen wir zu der Einsparung von Kosten in der Verkehrsbedienung, die tatsächlich zu verminderten Tarifen, zu einer Senkung des Tarifniveaus führen kann.
Noch einmal eine Zwischenfrage!
Herr Kollege Müller-Hermann, sind Sie nicht der Meinung, daß man die Bundesbahn von betriebsgewöhnlichen Ausgaben entlasten muß? Sind Sie nicht der Auffassung, daß das Brand-Gutachten recht hatte in der Feststellung, daß z. B die anteiligen Kosten der Altersversorgung auf den Bund übernommen werden müssen, um die Wettbewerbsverhältnisse zu entzerren?
Sehr geehrter Herr Dr. Bleiß, Sie wissen, daß wir gerade in den letzten Jahren entscheidende Maßnahmen in diesem Hohen Hause ergriffen haben, um die Bundesbahn von Belastungen zu befreien, die nicht zumutbar sind, wenn man von ihr eine kaufmännische Geschäftsgebarung erwartet. Wir werden diese Politik auch fortsetzen.Wir sind damit schon bei dem Kapitel, das uns auch in Zukunft weiter beschäftigen wird, nämlich der Frage, was noch geschehen muß, um die Wettbewerbsvoraussetzungen zwischen den Verkehrsträgern anzugleichen. Ich würde es aber für falsch halten, wenn man dabei nur die Belastungen der Bundesbahn sieht und nicht auch gegenüberstellt, welche Vorteile vor allem steuerlicher Art auf der anderen Seite der Bundesbahn eingeräumt worden sind, die den mittelständischen konkurrierenden Verkehrträgern nicht ,eingeräumt werden. Wir werden daher, glaube ich, übereinstimmend davon ausgehen können, sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, daß die verkehrspolitische Diskussion mit der Verabschiedung dieser Gesetze nicht abgeschlossen ist, sondern daß gerade die Entzerrung der Wettbewerbsbedingungen, wie wir sie auch in unserem Entschließungsantrag fordern, konsequent und mit einer Terminierung durchgeführt werden muß, um eben auf der Basis angeglichener Startbedingungen einen Wettbewerb auf die Dauer möglich zu machen.
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Sie werden Verständnis für die Freude haben, die ich darüber empfinde, daß Sie so in liberalem Wettbewerb stehen. Bitte, Herr Kollege Bleiß!
Herr Kollege Müller-Hermann, ist Ihnen entgangen, daß ich wiederholt darauf hingewiesen habe, daß die SPD für eine Steuergleichheit für alle Verkehrsträger eintritt?
Sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, das hat ja niemand bestritten, und das wünschen wir ja alle. Aber Sie wissen, daß diese Untersuchungen noch im Gange sind, und Ihre Argumentation in den vergangenen Wochen ging doch immer wieder darauf hinaus, wir könnten den ersten Schritt im Wettbewerb nicht machen, bis nicht ins Detail hinein die Angleichung der Startbedingungen vorgenommen sei,
während wir der Auffassung sind, wir müssen beides zugleich tun, wir müssen den Schritt in den Wettbewerb tun und dabei mit einer zeitlichen Terminierung uns bemühen, tatsächlich eine Angleichung der Startbedingungen zwischen den Verkehrsträgern vorzunehmen. Dabei darf ich gleich hinzufügen: wir müssen dabei auch über unsere nationalen Grenzen hinaussehen und uns bemühen, zu einer Harmonisierung der Startbedingungen innerhalb des europäischen Bereichs zu kommen.Ein weiterer Punkt, der uns im nächsten Bundestag wird beschäftigen müssen, ist die von uns in dem Entschließungsantrag angeschnittene Frage der verschiedenen Arten der Beförderungsteuer. Wir wollen uns hier heute auf keine konkreten Vorschläge festlegen; wir wollen lediglich, daß auch die Frage der zukünftigen Behandlung des Werkverkehrs im Rahmen eines verstärkten Wettbewerbs sorgfältig geprüft und behandelt wird.Das gleiche gilt für die Frage einer eventuellen Kontingentsaufstockung oder -anpassung an die verstärkten Verkehrsbedürfnisse und an das notwendige Wachstum der Betriebe. Auch hier wünschen wir eine Prüfung der Situation unter Berücksichtigung der mutmaßlichen verkehrspolitischen Gesamtentwicklung.Ein vierter Punkt, den wir in der Entschließung aufgeführt haben, ist die Frage der Kapitalaufstokkung bei der Deutschen Bundesbahn. Wir wünschen, daß ein gesundes Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital hergestellt wird, um einen unwirtschaftlichen Zinsendienst bei der Bundesbahn zu vermeiden, der sich zweifellos in überhöhten Kosten und Preisen auswirken muß.Damit möchte ich zugleich noch ein kurzes Wort an die Adresse der Deutschen Bundesbahn richten. Ich glaube, wir alle schulden der Deutschen Bundesbahn und den Eisenbahnern Dank dafür, daß es ihnen gelungen ist, durch eine innerbetriebliche Rationalisierung und durch energische, zielbewußteMaßnahmen zu einer wesentlich gesteigerten Produktivität zu kommen.
Aber ich glaube, es wäre falsch, wenn sich nun die Deutsche Bundesbahn auf ihren Lorbeeren ausruhte und meinte, es jetzt dabei bewenden lassen zu können, daß sie in Lobeshymnen auf sich selbst ausbricht. Die Modernisierung und Rationalisierung bei der Deutschen Bundesbahn muß fortgesetzt werden. Die Bundesbahn steht jetzt vor einer Bewährungsprobe im Wettbewerb. Wir haben ihr mit den vorliegenden Verkehrsgesetzen die nötige Bewegungsfreiheit und Bewegungsmöglichkeit in der Tarifbildung eingeräumt, und wir erwarten, daß gerade die Bundesbahn von ihrer Kostenüberlegenheit im Massengutverkehr zum Wohl der Allgemeinheit Gebrauch machen wird. Wir warnen aber auch sehr nachdrücklich davor, daß die Bundesbahn — wie wir es auch durch das Gesetz verhindert sehen wollen — etwa von ihrer immer noch sehr starken Stellung auf dem Verkehrsmarkt einen mißbräuchlichen Gebrauch macht.Wir wünschen, daß auch die Interessen der mittelständischen Unternehmen beim Kraftverkehr und bei der Binnenschiffahrt gewahrt werden. Wir wissen die Leistungen gerade der mittelständischen Unternehmen im Güterkraftverkehr und in der Binnenschiffahrt in der Gesamtwirtschaft und für die Gesamtwirtschaft durchaus zu würdigen. Ich möchte hier ausdrücklich erklären: die mittelständischen Verkehrsträger können von der ruhigen Gewißheit ausgehen, daß wir ihre gerechte und faire Behandlung auf dem Status der Gleichrangigkeit und der Gleichbehandlung sicherstellen werden und daß wir sie vor Markt- und Machtmißbräuchen geschützt wissen wollen. Dabei wird unsere besondere Sorge in Zukunft der Frage gelten, wie etwaigen Schwierigkeiten in der Partikulierschiffahrt Rechnung getragen werden kann, wo immer diese in Zukunft etwa auftreten sollten.Wir wissen aus der verkehrspolitischen Debatte, den Worten des verehrten Dr. Bleiß und meines Kollegen Eisenmann, daß uns auf der einen Seite der Vorwurf gemacht wird, die Verkehrsgesetze seien zu eng, auf der anderen Seite der Vorwurf, die Verkehrsgesetze seien zu weit in ihrer Fassung. Ich glaube, daß wir ein gesundes Mittelmaß gefunden haben und daß diese gesetzliche Basis es uns ermöglicht, nunmehr die nötigen Erfahrungen zu sammeln, um den Gedanken der Marktwirtschaft im Verkehr dann weiterentwickeln zu können.Ich glaube allerdings, daß die Verkehrswirtschaft auf die Dauer gesehen keine Sonderstellung in der sozialen Marktwirtschaft wird einnehmen können und daß eine kosten- und marktgerechte Preisbildung am besten eine optimale Entfaltung aller produktiven Kräfte im Verkehrswesen sichert und die Vergeudung von produktiven Kräften verhindert.Ich lege besonderen Wert darauf, meine Damen und Herren, hier auch im Namen meiner politischen Freunde darauf hinzuweisen, daß wir bei unseren Entscheidungen immer die Entwicklung auf der europäischen Ebene im Auge behalten haben und
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Müller-Hermannauch in Zukunft behalten werden. Ich sage das hier ausdrücklich; denn ich sehe die Gefahr, daß, wenn wir uns nicht rechtzeitig und vorausschauend an die mutmaßliche verkehrspolitische Entwicklung auf der europäischen Ebene anpassen, wir in einen sehr unerwünschten und für die Betroffenen sehr unangenehmen Zeitdruck kommen können.Entscheidend für die jetzt zur Verabschiedung anstehenden Verkehrsgesetze ist vielleicht nicht einmal so sehr ihr Wortlaut. Entscheidend scheint mir vielmehr der Geist zu sein — ich hoffe, auch ein neuer Geist —, in dem sie durchgeführt und in dem sie weiterentwickelt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Drachsler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bisherige Aussprache hat das erfreuliche Ergebnis gebracht, daß alle Fraktionen, wenn auch mit einigen Bedenken, diesen Gesetzen zustimmen; und das ist immerhin erfreulich. Wir selber wissen aber auch, daß mit der Verabschiedung dieser vier Gesetze, genannt „die kleine Verkehrsreform" nicht alle Wünsche der Verkehrsträger erfüllt werden konnten. Trotzdem sind wir der Überzeugung, daß durch diese Gesetze die Weichen für eine Verkehrsordnung gestellt werden, wie sie heute von der technischen und verkehrspolitischen Situation gefordert wird.Herr Kollege Müller-Hermann hat das Wesentliche über den Zweck und die Ziele dieser Gesetze schon gesagt; ich kann mir Weiteres ersparen. Ich fühle mich aber verpflichtet, einige Ausführungen in bezug auf jene Kollegen und im Interesse jener Kollegen zu machen, die mit mir während der Beratungen im Ausschuß, von den Verkehrsexperten außerhalb des Hauses und auch in einigen Artikeln von Verkehrsorganen — ,das ist bei den EintopfInformationen an solche Nachrichtenorgane nicht verwunderlich — wegen ihrer Vorsicht und ihrer Bedenken „Rebellen gegen ,die Reform" genannt wurden. Meine Damen und Herren, ich glaube, diese Bezeichnung trifft nicht zu. Nicht rückständiges Denken und auch nicht kleinliche Bedenken haben uns geleitet, wenn wir ,dem Wunsch Ausdruck gaben, daß bei diesem Schritt, bei dieser Überführung der Verkehrswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft behutsam und Schritt für Schritt vorgegangen werden möge. Es war ein Anliegen mittelständischer, landwirtschaftlicher, wirtschaftlich schwacher Kreise und der verkehrsungünstig gelegenen Gebiete, und die Vertreter aller verkehrsungünstig gelegenen Gebiete sind mißtrauische Partner in allen Verkehrsfragen und namentlich in den Fragen ,der Tarifbildung. Wir wollen abwarten, wie sich die Gesetze bewähren, und sind gern bereit, bei weiteren Beratungen einer größeren Verkehrsreform das Wort zu sprechen.Unsere Argumente bei der Beratung dieses Gesetzes haben überzeugt, und nur dadurch haben wir die Zustimmung der Mehrheit des Ausschusses zu einer angemessenen Berücksichtigung dieser Wirtschaftskreise und dieser Verkehrgebiete erhalten. In den entscheidenden Paragraphen dieser Verkehrsgesetze haben unsere Bedenken und Sorgen in entsprechenden Formulierungen ihren Niederschlag gefunden. Nach diesen Fassungen soll die neue Verkehrspolitik im Sinne des allgemeinen Wohls und unter Berücksichtigung wirtschaftlich schwacher und verkehrsungünstig gelegener Gebiete betrieben werden. Es war ,für uns selbstverständlich, daß wir im Interesse dieser Kreise und Gebiete, die auch bei anderen Gesetzgebungswerken Berücksichtigung gefunden haben, gerade bei der Regelung des neuen Tarifrechts für eine behutsame und stufenweise Überführung in die soziale Marktwirtschaft eintreten. Bei der Festsetzung der Margentarife sind wir dafür eingetreten, daß unbillige Benachteiligungen mittelständischer, landwirtschaftlicher und wirtschaftlich schwacher Kreise sowie verkehrsungünstig gelegener Gebiete zu verhindern sind.Herr Kollege Bleiß hat geglaubt, das reiche nicht aus. Ich gebe zu, daß das Praktizieren dieser Auflagen vielleicht schwierig ist. Aber bei einigem guten Willen — wie gesagt, auch bei anderen Gesetzgebungswerken ist das schon durchgeführt worden — dürfte das möglich sein.Wir haben uns dabei nicht um die Veröffentlichungen in diesen Zeitungen gekümmert. Was wurde da seit dem Tage, an dem die kleine Verkehrsreform ihren Anfang nahm — das war bereits im Februar 1958, als dieses Haus den Auftrag zur Einsetzung der Untersuchungskommission, der i Brand-Kommission erteilte —, nicht alles geschrieben! Jetzt, da wir soweit sind, wird diese kleine Reform zum Teil begrüßt, zum Teil verdammt, je nach den Interessen. Schon allein deswegen lag nichts näher, als einen praktikablen Kompromiß zwischen den beiden Vorlagen zu erarbeiten, und das, glaube ich, ist uns gelungen. Die Reformer mußten etwas zurückstecken und die Regierungsvorlage wurde etwas freiheitlicher gestaltet. Das war der Kompromiß.Es war nicht anders zu erwarten, als daß gerade die Landwirtschaft und die mittelständischen Betriebe vor einer Lockerung der gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung der Deutschen Bundesbahn — mit Recht — Angst und Sorge hatten, weil sie befürchteten, daß ihre Interessen von einer auf Wettbewerb bedachten Deutschen Bundesbahn nicht entsprechend gewahrt werden könnten. Diese Bedenken wurden in vielen Aussprachen zerstreut. Meines Erachtens ist gerade die Gesundung der Deutschen Bundesbahn, die wir primär anstreben und die zum Teil auch schon erreicht wurde, eine Voraussetzung für eine landwirtschafts- und mittelstandsfreundliche Verkehrsbedienung. Eine gesunde Bundesbahn kann die berechtigten Wünsche der wirtschaftlich schwachen und verkehrsungünstigen gelegenen Gebiete weit eher erfüllen als eine unwirtschaftliche und defizitäre.Aus all diesen Gründen und unter Berücksichtigung der Ausganslage hat der Ausschuß der Deutschen Bundesbahn eine Lockerung ihrer gemeinwirtschaftlichen Betriebsführung eingeräumt und ihr
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Drachslermehr marktwirtschaftliche Möglichkeiten geboten. Erinnern wir uns doch an den Ausgangspunkt! Das Parlament gab im Februar 1958 gelegentlich der Notwendigkeit der Erhöhung der Sozialtarife den Auftrag,, eine Kommission möge untersuchen, ob und wie die Wirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn wieder herzustellen ist. Die sogenannte Brand-Kommission legte im Juni vergangenen Jahres einen Bericht vor. Die Bundesregierung zog kurz darauf noch vor den Ferien des vergangenen Jahres die Konsequenzen und schuf in einem Sofortprogramm die Voraussetzungen für eine erfreuliche Entwicklung noch im Jahre 1960. Nun hört man und kann man lesen, daß das Defizit der Bundesbahn im Jahre 1960 nur mehr 13 Millionen DM beträgt — bedenken Sie die Ausgangslage; eine Milliarde! — und daß sie im Jahre 1961 mit Null oder gar positiv abschließen wird. Rein rechnerisch mag das stimmen. Aber die Hintergründe sind andere, so daß die Frage erlaubt war, wieso das so schnell kam. Haben allein der Auftrag des Parlaments und die Untersuchung in der Bundesbahn genügt, diese erfreuliche Entwicklung zu ermöglichen? Ich glaube, mehrere Faktoren haben hier mitgewirkt.Als ersten möchte ich die Soforthilfe der Bundesregierung durch die Übernahme fremder Lasten und sonstiger finanzieller Hilfen anführen, als zweiten die Eigenleistung der Arbeiter, Angestellten und des Vorstandes der Bundesbahn und als dritten vielleicht die Gunst der Zeit und die Verkehrszunahme, die allgemeine konjunkturelle Entwicklung. Hier sollte gerade, wenn wir von der Eigenleistung der Bundesbahn sprechen — mein Kollege, Herr Müller-Hermann, hat es schon getan , der Dank dem letzten Arbeiter 'bis hinauf zum Ersten Präsidenten ausgesprochen werden, daß sie von sich aus und mit eigener Kraft alles getan haben, um diese Besserung zu erzielen.
Diese Entwicklung ist erfreulich gerade im Interesse aller Eisenbahner. Diese Menschen haben in der Aufbauzeit der Bundesrepublik an ihrem Arbeitsplatz genau so fleißig und tüchtig gearbeitet wie ihre Kollegen an anderen Arbeitsplätzen. Es mußte doch auf die Dauer demoralisierend sein, wenn sie dauernd hörten und lasen, daß ihr Betrieb ein Defizitbetrieb ist. Die Arbeiter traf und trifft die Schuld nicht. Die Gründe für diese bisherige 'defizitäre Lage liegen in dem Dualismus, in den Widersprüchen der Gesetzgebung und in den ungleichen Startbedingungen, unter den die Bundesbahn bisher arbeiten mußte.Die Verkehrsreform 'hat die Bundesbahn von diesen bisherigen Widersprüchen weitgehend befreit. Nachdem der Ausschuß in § 4 des Bundesbahngesetzes der Bundesbahn einen permanenten Modernisierungsauftrag und Erneuerungsauftrag erteilt und ihr in § 28 das Recht zugesprochen hat, wie ein Wirtschaftsunternehmen den Betrieb nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen, haben wir, nachdem wir A gesagt hatten, konsequenterweise auch B sagen müssen und ihr eine zwar bescheidene, aber doch spürbare Rücklagenbildung mit § 28 a Abs. 2 genehmigt. Eine mißbräuchliche Ausweitung dieser Rücken]agenbildung ist nicht zu befürchten, zumal ja die Bundesminister für Verkehr und Finanzen den Haushaltsplan der Bundesbahn genehmigen und 'dadurch das Ausmaß der Rücklagen bestimmen.Die Kollegen im Haushaltsausschuß haben pflichtbewußt ihre warnende Stimme erhoben. Sie haben sich aber erfreulicherweise von den Argumenten des Fachausschusses wenigstens soweit überzeugen lassen, daß es zunächst nur bei der Warnung blieb. Wir sind dafür dankbar, daß die Kollegen im Haushaltsausschuß dem Urteil des Fachausschusses hier recht gegeben haben.Diese Reform ist daher ein Start für eine neue und hoffentlich glückliche Zeit der Deutschen Bundesbahn. Es gab ja auch keine andere Möglichkeit, dieses Unternehmen zu sanieren, es sei denn ein dirigistischer Eingriff mit dem Ziel, ihr ihre alte Monopolstellung wiederzugeben. Das war unmöglich. Es blieb nur der zweite Weg, nämlich die Bundesbahn in die Lage zu versetzen, ihr in einer marktwirtschaftlichen Orientierung die Voraussetzungen zu geben, im Verkehrswettbewerb zu bestehen.Die Deutsche Bundesbahn muß nun von sich aus — das hat Herr Kollege Müller-Hermann schon betont manches dazutun. Sie erhält mit dieser Reform ein neues Äußeres. Möge sie dafür sorgen, daß auch das Innere in Ordnung gebracht wird! Möge sie in ihre Amtsstuben mit der Reform auch etwas freiwirtschaftlichen Geist und die frische Luft der Marktwirtschaft einziehen lassen! Möge die Bundesbahn ihre Gesundung auch dazu benutzen, den Berufsverkehr, den Arbeiterverkehr, den Vorortverkehr zu modernisieren! Das ist ein großes Anliegen seit eh und je. Und möge sie vor allem aufgeschlossener gegenüber den Massenverkehrsprojekten unserer Großstädte sein. Wir möchten an sie appellieren, diese Gesetze nicht zu mißbrauchen, sondern sie weise zu gebrauchen, um das zu erreichen, was der Gesetzgeber mit diesen Verkehrsgesetzen erzielen will: eine gesunde Bundesbahn, eine zufriedenstellende Verkehrsordnung zum Wohle der Verkehrsträger und Verkehrsnutzer. Wir wollten mit diesen Gesetzen einen wohlüberlegten kleinen Anfang machen. Ein Weiteres kann folgen, wenn sich das Jetzige bewährt hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Ramms.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich dem Appell des Herrn Kollegen Müller-Hermann anschließen, daß die Bundesbahn mit diesen Gesetzen weise umgeht und nicht da, wo sie keine Konkurrenz hat, in das Lied verfällt: Heil dir im Siegerkranz, nimm, was du kriegen kannst! Ich sage das im Hinblick auch auf die Binnenschiffahrt. Der billigste Verkehrsträger, Herr Kollege Müller-Hermann, ist und bleibt für Massengutverkehr auf langen Strecken die Binnenschiffahrt. Die Binnenschiffahrt ist leider zu 80 %
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Rammsnur ein gebrochener Verkehr, d. h. kein Haus-HausVerkehr. 80% unserer Binnenhäfen aber sind Eisenbahnhäfen, so daß die Bundesbahn in der Regulierung der Vorfracht und der Abgangsfracht immerhin eine Möglichkeit hätte, die billige Schiffsfracht, die auf dem Markt angeboten ist, praktisch zunichte zu machen, um so einen unserer großen Verkehrsträger auszuschalten. Ich glaube, wir sollten unsere Sorge darauf richten, daß die Bundesbahn dem Bundesverkehrsminister auch bei den Zu- und Abgangsfrachten vernünftige Tarife vorschlägt.In allen Reden, die heute hier gehalten worden sind, und auch in dem Schriftlichen Bericht kommt immer wieder zum Ausdruck, daß die Wettbewerbsverzerrungen bald beseitigt werden sollen. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft. Als Termin für die beiden Anträge, die zur Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen vorgelegt worden sind, und für neue Vorschläge ist aber erst der 31. Dezember 1962 genannt, daß heißt anderthalb Jahre können vergehen, in denen man bereits mit diesem Gesetz arbeiten kann, ohne daß die Startbedingungen gleich sind.Wenn der Bundesbahn eine Auflage gemacht wird, wird das Defizit ohne weiteres vom Bund, sprich: vom deutschen Steuerzahler, übernommen. In §§ 29 Abs. 2 und 30 des Binnenschiffahrtsgesetzes ist vorgesehen, daß der Bundesverkehrsminister im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft Frachten auch gegen die Vorschläge der Frachtenausschüsse festsetzen kann, wenn es dem allgemeinen Wohl dient. Meine Damen und Herren, hier habe ich eine Frage: Wer kommt in diesem Augenblick für den Ausfall auf? Die Binnenschiffahrt beansprucht für diesen Ausfall keinen Ersatz. Aber wir müßten im 4. Bundestag doch sehen, daß diese Bestimmung aus dem Binnenschiffahrtsgesetz herausgenommen wird, damit nicht der eine Verkehrsträger gegenüber dem Verkehrsträger benachteiligt wird, dessen Inhaber der Staat ist.Um die Ausdrücke „kostengerechte" und „marktgerechte" Tarife haben sich im Ausschuß genügend Diskussionen abgespielt. Ich möchte sie hier nicht wiederholen. Ich glaube, ich habe zu Recht die Behauptung aufgestellt, daß in dem Augenblick eine Wettbewerbsverzerrung auftritt, wo man bei der Bundesbahn auf marktgerechte Tarife geht und der Bund Ersatzleistungen gibt, während auf der anderen Seite die Verkehrsträger marktgerechte Tarife geben sollen, ohne daß eine Ersatzleistung gewährt wird, wenn in den Tarifen eine Kostenunterdeckung liegt. Wenn hier der Ausdruck „kostengerecht" stünde, so daß jeder der Verkehrsträger seine Tarife nach seinen Kosten errechnen müßte, wäre wohl manches Wort, das jetzt im Ausschuß gesprochen worden ist, unterblieben, und es hätte manches Mißverständnis im Ausschuß nicht gegeben.Bedenken ,Sie vor allem, meine Damen und Herren — und auch hier richtet sich meine Bitte an den Herrn Bundesminister für Verkehr —, daß die Binnenschiffahrt der Verkehrsträger ist, der am meisten mit der ausländischen Konkurrenz zu rechnen hat. Im grenzüberschreitenden Verkehr hat die deutsche Binnenschiffahrt im letzten Monat einen Anteil an Güteraufkommen von nur 21 % gehabt, obgleich wir an der Rheinflotte einen Anteil von rund 27 % haben. Auch im innerdeutschen Verkehr sind bereits fast 40 % unserer Güter durch ausländische Schiffe befördert worden. Meine Damen und Herren, das haben Sie bei der Bundesbahn überhaupt nicht. Sie hat keinen Konkurrenten; sie kann also ihre Tarife so gestalten, wie sie es selber haben will, während sich die Binnenschiffahrt und der Güterkraftverkehr immerhin noch nach dem Ausland und den ausländischen Verkehrsträgern richten müssen.Hinzu kommt eins, Herr Kollege Müller-Hermann: In Holland z. B. sind nur rund 60 % der Schiffahrt organisiert und halten sich an die Frachten, die abgemacht werden. 40 % der Schiffahrttreibenden in Holland sind nicht organisierte Schiffer, die abwarten können, was für Frachten angeboten werden, und die dann nur mit einem geringen Prozentsatz unter diese Frachten zu gehen brauchen, um uns und auch die organisierten Verkehrsträger in Holland auszuschalten. Das sind Sorgen, die uns auch für die Zukunft bewegen.
— Im Straßenverkehr ist es ähnlich. Mit diesem Hinweis will ich aufhören; ich möchte die Debatte nicht zu weit ausdehnen.Gehört es nicht auch zur Angleichung der Wettbewerbsbedingungen, ,daß sich der Bundesminister der Finanzen bereit erklärt, sich im kommenden Jahr bereits des Vorschlages des Verkehrsausschusses anzunehmen, wonach die Kosten für die Wasserstraßen wieder im ordentlichen Etat ausgewiesen werden sollten, während sie bisher, seit zwei Jahren, im außerordentlichen Etat angesetzt sind? Es wäre interessant, wenn der Bundesminister für Verkehr uns die Zahlen der zugewiesenen Mittel für den Ausbau der Wasserstraßen für das Jahr 1960 bekanntgäbe. Ich weiß, daß von den gekürzten Haushaltmitteln des Jahres 1960 nur 62 % ,der von uns vorgesehenen Mittel für den Ausbau der Wasserstraßen angewiesen und ausgegeben worden sind. Angesichts dieser Kürzung ist es eine berechtigte Forderung, daß die Ansätze im kommenden Haushalt wieder im ordentlichen Haushalt erscheinen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich nur noch einmal zu Wort gemeldet, um etwas richtigzustellen. Herr Kollege Müller-Hermann, Sie haben heute wieder das Wort „Dirigismus" verwendet. Dieses Wort hat einen, ich will nicht sagen, „diffamierenden" Unterton, weil der Ausdruck gestern gerügt worden ist; also sagen wir: eine böse Absicht. Ich weise ,es ausdrücklich zurück, uns Dirigismus zu unterstellen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9653
Dr. BleißWettbewerbsordnung ist kein Dirigismus. Sie selbst haben die Wettbewerbsordnung als beste Gewähr für eine sinnvolle Verkehrspolitik dargestellt. Wertig später allerdings meinten Sie, die Wettbewerbsordnung abbauen zu sollen. Was ist nun eigentlich richtig?Ich möchte deutlich noch einmal herausstellen, damit es auch Ihnen, Herr Kollege Müller-Hermann, klar wird: Wir wollen einen verstärkten Leistungswettbewerb. Wir wollen einen Abbau der Wettbewerbsverzerrungen, und zwar nicht scheibchenweise, sondern so schnell wie möglich. Wir wollen die Steuergleichheit für alle Verkehrsträger. Wir wollen gleiche Wettbewerbsverhältnisse, wir wollen einen Abbau der Ordnungsmaßnahmen erwägen, allerdings in enger Zusammenarbeit mit den Verkehrsträgern.Man sollte uns nicht den Vorwurf machen, daß wir prüfen wollten, während man selber einen Entschließungsantrag vorlegt, wie Sie das tun, in dem ständig vom Prüfen mit langen Terminen die Rede ist. Wir werden Ihnen nachher vorschlagen, diese Termine der Berichterstattung wesentlich zu verkürzen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ramms.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf noch zwei Minuten um Ihre Aufmerksamkeit bitten, und zwar handelt es sich um das Problem der Partikuliere. Herr MüllerHermann, Sie haben es angesprochen, und auch Herr Dr. Bleiß, Herr Eisenmann und der Minister für Verkehr haben dieses Problem bereits gewürdigt. Ich darf Ihnen sagen: wir waren uns im Ausschuß darin einig, daß wir die Festlegung einer Beteiligung nicht mit in ein Gesetz hineinehmen dürften.
Die Partikuliere haben noch rund 41 % des Gesamtfrachtraums der deutschen Binnenschiffahrt; sie sind heute im Durchschnitt mit 26 bis 27 % beteiligt. Die Sorge des Bundesverkehrsministers muß der Partikulier-Schiffahrt gelten. Sie sind in manchen Verfrachtungen sehr gut beschäftigt, sie sind auf manchen Gebieten sehr schlecht beschäftigt, und das sind meistensteils die lukrativen Gebiete. Nehmen Sie ,die Kohlefracht auf dem Kanal und auch auf dem Rhein. Vielfach haben hier die Partikuliere bereits wieder längere Liegezeiten. Im Baustoffsektor vom Mittelrhein aus nach Oberrheinstationen oder auch nach Niederrheinstationen ist die PartikulierSchiffahrt insgesamt nur mit 4 % beteiligt. Ich glaube, Herr Bundesverkehrsminister, Sie sollten sich doch einmal die Zahlen ansehen, um auch hier eine bessere Relation für die Partikulier-Schiffahrt herbeizuführen, ohne daß ein akuter Notstand vorliegen muß.
Ich glaube nämlich, daß es dringend nötig ist, der Partikulier-Schiffahrt zu helfen. Bei 40 % des Gesamtfrachtraums der deutschen Binnenschiffahrt sind rund 80 % der Schiffahrtsbetriebe Unternehmen mit nur einem Schiff. 90% der Betriebe sind Unternehmen mit einem bis drei Schiffen, und nur 10 % der
Betriebe sind Reedereien. Diese 90 % der Betriebe haben genauso gut wie die 10 % Reedereien dafür gesorgt, daß die Versorgung der deutschen Industrie, die Versorgung der deutschen Wirtschaft und nicht zuletzt der Bevölkerung über all die Jahre hinweg aufrechterhalten werden konnte.
Hier in der Binnenschiffahrt liegt ein Mittelstandsproblem vor, dessen sich der Bundesminister für Verkehr 'besonders annehmen sollte.
Das Wort hat der Abgeordnete Faller.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einen einzigen Satz möchte ich sagen. Ich möchte mich- dagegen wenden, daß Herr Kollege Müller-Hermann, Herr Kollege Drachsler und Herr Kollege Ramms allein die Bundesbahn ermahnt haben, mit diesem Gesetz weise umzugehen, und daß sie dadurch wieder einmal den Eindruck erweckt haben, als sei die Bundesbahn der böse Mann, den man von vornherein warnen müsse. Ich möchte, daß alle Verkehrsträger mit diesem Gesetz weise umgehen.
Wir kommen nunmehr, wenn ich recht unterrichtet bin, zur Abstimmung, und zwar zunächst Punkt 26 a und 26 b. Die zweite Beratung hat schon stattgefunden?
Es liegt zu Drucksache 2831 ein Änderungsantrag auf Umdruck 989 vor, und zwar soll in Art. 1 Nr. 7 f einiges geändert werden. — Das Wort hat der Abgeordnete Eisenmann.Eisenmann ;: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Mit unserem Antrag wünschen wir, daß der Begriff Werkverkehr auch Anwendung findet bei den Handelsvertretern, Kommissionären und Handelsmaklern.. Man kann nicht sagen, daß diese Gruppe, die ich gerade genannt habe, bis zu 2 t Werkverkehr durchführt und ab 2 t keinen Werkverkehr mehr durchführt. Das ist meines Erachtens eine Zerschlagung der Begriffsdefinition. Wir sind der Auffassung, daß man schlecht beraten ist, wenn man bei diesen Gruppen — die bisher der Begriffsdefinition nach, Nahverkehr, Güternahverkehr oder Werkverkehr, nirgendwo zugeordnet sind — sagt: Bis zwei Tonnen ist es Werkverkehr. Was ist es darüber hinaus? Das würde ich gern von den Herren hören, die mir vielleicht eine Aufklärung darüber geben können. Wir würden also sagen, daß Nr. 3 gestrichen werden muß.Überlegen Sie einmal den Fall, daß jemand Handelsmakler oder Kommissionär ist! Er muß Sauerstoffflaschen, Wasserstoffflaschen oder ähnliche Dinge transportieren. Bei sechs Flaschen kann er das gerade noch als Werkverkehr transportieren,
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9654 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Eisenmannab sieben Flaschen muß bereits das Ganze veranlagt werden. Das sind mehr als groteske Fälle. Es bleibt nichts mehr für den Werkverkehr. Was wäre die Folge? Die Leute müßten zwangsläufig die Fachkundeprüfung durchführen und würden sogar zu einer vermehrten Konkurrenz für den Güternahververkehr beitragen. Darum sind wir der Meinung, man .sollte unserem Antrag zustimmen und die Nr. 3 streichen. Es ist dann Werkverkehr ohne Begrenzung der Tonnage.
Herr Abgeordneter Haage!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wundere mich einigermaßen, daß diese Anträge nochmals kommen, nachdem wir sie bereits im Ausschuß gegen eine Stimme abgelehnt haben.
Herr Abgeordneter Vehar!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion bitte ich Sie, diesen Antrag der FDP abzulehnen. Die hier im Gesetz eingeführten Erleichterungen für Handelsvertreter sind auf meinen Antrag bei den Beratungen im Verkehrsausschuß eingeführt worden. Ursprünglich waren es nur die Handelsvertreter, die um diese Erleichterung gebeten haben, wobei noch die Rede davon war, daß es nur um Handelsvertreter ging mit eigenem Auslieferungslager und mit einer Begrenzung auf kleine Fahrzeuge. Dann wurden die Erleichterungen auf die Handelsmakler und Kommissionäre ausgedehnt, und die Bedingung, daß ein eigenes Auslieferungslager vorhanden ist, wurde gestrichen. Ich würde es für eine Zumutung an die Damen und Herren des Hauses halten, wenn ich jetzt noch einmal in eine Sachdebatte einträte, um diese unsere Haltung zu begründen. Ich möchte nur den einen Satz sagen: der Antrag der FDP würde eine erhebliche Benachteiligung des gesamten gewerblichen Verkehrs und eine erhebliche Benachteiligung auch der Deutschen Bundesbahn mit sich bringen. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, den Antrag der FDP abzulehnen.
Wir stimmen über diesen Änderungsantrag ab. Wer dem Änderungsantrag — Umdruck 989 — zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr haben wir die beiden Vorlagen gewissermaßen durch. Wir können jetzt im ganzen abstimmen. Wer Punkt 26 a — das ist der Ausschußbericht Drucksache 2830 — im ganzen annehmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir stimmen jetzt ab über die Ziffer 2 des Ausschußantrages. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir stimmen nun ab über die Anträge in der Drucksache 2831, also über Punkt 26 b der Tagesordnung. Wer diese Vorlage im ganzen annehmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. — Ich vergaß, Sie zu bitten, sich von den Plätzen zu erheben. Es tut mir leid.
Wer den Ziffern 2 und 3 der Drucksache 2831 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Jetzt kommen die Entschließungsanträge. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Bleiß!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Entschließungsanträge liegen uns vor. Ich bitte, daß über den Umdruck 984 getrennt abgestimmt wird, zunächst einmal über dein einleitenden Satz, und dann getrennt über die vier Ziffern. Ich habe zunächst zu Umdruck 984 Stellung zu nehmen. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, „in Fortsetzung ihres verkehrspolitischen Programms dafür Sorge zu tragen :..".Herr Kollege Müller-Hermann, Sie hatten doch gerade gemeint, daß endlich eine Wende eintreten müsse. Deshalb können wir einer „Fortsetzung" des verkehrspolitischen Programms nicht zustimmen.
Weiter frage ich, warum Sie in Ziffer 1 den Termin auf den 31. Dezember 1962 festsetzen. Wir haben im Bundestag ein Kostenvergleichsgesetz beschlossen. Das Jahr 1959 ist also das Erhebungsjahr für den Kostenvergleich. Seitdem sind 18 Monate vergangen. Normalerweise hätte dem Bundestag schon der Bericht vorgelegt werden müssen. Ich bin der Meinung, es wäre zu großzügig, der Bundesregierung noch anderthalb Jahre Zeit zu geben, um die Verzerrung. der Wettbewerbsbedingungen und das Verhältnis der inländischen Verkehrsträger zueinander nach Art und Ausmaß zu ermitteln. Das war der Auftrag, der der Bundesregierung durch das damalige Selbstkostenvergleichsgesetz erteilt worden ist. Hier sollten wir nicht mehr so viel und so lange prüfen. Ich stelle den Antrag, den Termin auf den 30. Juni 1962 abzuändern, und ich würde darum bitten, Herr Präsident, dies auch im Umdruck 952 zu tun.
Sie meinen das als förmliche Änderungsanträge?
Als förmliche Änderungsanträge. Darüber bitte ich abstimmen zu lassen. Im übrigen bestätigt mir gerade der Umdruck 984, daß insbesondere die CDU sehr viel zu prüfen wünscht. Wir sind der Meinung, daß es darauf ankommt, so schnell wie möglich durch entsprechende Ansätze im Bundeshaushalt 1962 ,die Wettbewerbsbedingungen zu bereinigen.
Habe ich Sie recht verstanden, Herr Abgeordneter Bleiß: Sie wollen getrennte Abstimmung, auch über die Präambel, also von „Die Bundesregierung" bis „zu tragen".
Das ist die erste Abstimmung. Dann die einzelnen Ziffern getrennt; vorher wird noch das Datum zur Änderung gestellt. — Das Wort hat Herr MüllerHermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich versuche, der Logik von Herrn Dr. Bleiß zu folgen. Aber ich verstehe nicht ganz, warum er die Worte „in Fortsetzung ihres verkehrspolitischen Programms" gestrichen haben will; denn wir sind uns doch wohl einig, daß die Vorlagen der Bundesregierung ein verkehrspolitisches Programm darstellen. Unsere Wünsche gehen dahin, daß in Fortsetzung dieses Programms in den nächsten Monaten und Jahren bestimmte Fragen einer Prüfung unterzogen werden.
Vielleicht liegt ein Mißverständnis vor. Man kann „Fortsetzung" doppelt verstehen: so weitermachen wie bisher und darüber hinausgehen. Beides kann es bedeuten. Offenbar meinen Sie: in Fortsetzung, in Entwicklung, in Entfaltung, in progressivem Fortschreiten, während Herr Bleiß offenbar glaubt, es so verstehen zu sollen, als sollte es fortgesetzt weiter so betrieben werden wie bisher. Das scheint mir die Kontroverse zu sein. Sie verstehen einfach unter „Fortsetzung" jeder etwas anderes.
Herr Präsident, ich bin gern bereit — ich glaube, das auch im Namen meiner Fraktion sagen zu können —, wenn es gewünscht wird, an Stelle des Wortes „Fortsetzung" zu sagen „Fortentwicklung". Wenn dadurch ein Mißverständnis ausgeräumt werden kann, stimmen wir dem gern zu.
Ich glaube, das wäre gut.
Gut, dann soll es also so heißen: „in Fortentwicklung ihres verkehrspolitischen Programms dafür Sorge zu tragen, ...".
Was den Stichtag anbetrifft, Herr Dr. Bleiß, so sollten wir es wohl zweckmäßigerweise bei dem Termin 31. Dezember 1962 belassen. Unser Wunsch geht nicht nur dahin, daß bis zu diesem Termin die Verzerrungen der Wettbewerbsbedingungen ermittelt werden, sondern daß dem Bundestag auch Vorschläge für eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen vorgelegt werden.
Sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, natürlich, vielleicht ist es möglich. Deshalb haben wir auch nicht gesagt „am 31. Dezember 1962", sondern „bis zum
31. Dezember 1962". Sie wissen selbst, wir alle wissen es aus unseren praktischen Erfahrungen in den letzten beiden Legislaturperioden, daß es immer einer gewissen Anlaufzeit bedarf, bis Gesetzesvorlagen von so weittragender Bedeutung vorgelegt werden können. Ich würde daher dringend empfehlen, daß wir es bei der in dem Antrag auf Umdruck 984 vorgesehenen Terminierung belassen.
Sie haben Ihren Antrag also selbst geändert. Ich brauche nicht darüber abstimmen zu lassen. Es soll jetzt „in Fortentwicklung ihres verkehrspolitischen Programms" heißen.Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag, der zu dem Antrag auf Umdruck 984 unter Ziffer 1 gestellt worden ist — dasselbe gilt für Umdruck 952 —, das Datum 31. Dezember 1962 durch das Datum 30. Juni 1962 zu ersetzen. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Jetzt können wir über den Antrag auf Umdruck 984 en bloc abstimmen. Wer diesen Entschließungsantrag annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! -- Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Dann entfällt wohl Ihr Antrag, Herr Abgeordneter Eisenmann?
— Sie ziehen ihn zurück, oder Sie betrachten ihn als erledigt. Das ist eine tröstlichere Formel, aber es ist dasselbe. Damit ist Punkt 26 b der Tagesordnung erledigt.Wir kommen nun zu Punkt 26 c. Anträge liegen nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer das Gesetz als Ganzes annehmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Nunmehr die Abstimmung zu dem Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2 auf Drucksache 2832. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Nun Punkt 26 d. Auch hier ist kein Änderungsantrag angekündigt. Wir können gleich über das Gesetz im ganzen abstimmen. Wer das Gesetz im ganzen annehmen will, der erhebe sich. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Wir kommen jetzt vereinbarungsgemäß zu Punkt 27 der Tagesordnung:
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9656 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Vizepräsident Dr. Schmida) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Untersuchung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache 2880);
.
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes ;Mündlicher Bericht des Finanzausschusses
(Drucksache 2903);
.
c) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959 (Drucksache 2884, Umdruck 316).Zunächst kommen wir zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Untersuchung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden, Drucksache 2880. Berichterstatter ist ,der Herr Abgeordnete Faller. Legen Sie Wert darauf, Ihren Bericht mündlich zu erstatten? — Drängt das Haus darauf, den Bericht mündlich erstattet zu bekommen?
— Das ist nicht der Fall. Es ist in zwölf Jahren noch nie geschehen, daß einmal ja gesagt worden wäre.Ich rufe auf in zweiter Lesung §§ 1, — 2, — 3,— 4, — 5, — 6, — Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Zweite Beratung von Drucksache 2903. Keine Änderungsanträge. Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Dresbach. Auch er verzichtet offensichtlich auf Berichterstattung. Das Wort zur zweiten Beratung hat der Abgeordnete Cramer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bedauerlicherweise hat der Finanzausschuß den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes abgelehnt. Begründet worden ist diese Ablehnung allerdings in etwas eigenartiger Weise. Zunächst ist ein mündlicher Bericht erstattet worden. Dann hat der Berichterstatter, Herr Dr. Dresbach, einen schriftlichen Bericht gegeben, in dem er mitteilt, eigentlich habe er die Absicht gehabt, hier eine Philippika gegen die Zweckbindung von Steuern zu halten. „Dazu aber hatte ich als Berichterstatter keinen Auftrag", schreibt er dann selber. Sicherlich hatte er auchkeinen Auftrag seines Ausschusses. Ich kann mir überhaupt nicht ,denken, daß diese Form der Berichterstattung jetzt im Bundestag üblich werden soll. Aber das ist wiederum eine Sache, über ,die mir kein Urteil zusteht; das muß der Ausschuß unter sich ausmachen.Aber Herr Dr. Dresbach schreibt in seinem schriftlichen Bericht, der Finanzausschuß habe den Gesetzentwurf der SPD deshalb abgelehnt, weil man zur Zeit dem Bundeshaushalt eine Einnahmeminderung von 200 Millionen DM nicht zumuten könne; zum anderen sprächen konjunkturpolitische Erwägungen dagegen, jetzt zusätzliche Mittel in den Straßenbau zu leiten. Soweit, meine Damen und Herren, die Meinung des Berichterstatters, und ich unterstelle, daß das ,die sachliche Wiedergabe der Meinung des Auschusses ist.Aber was sagen nun andere, nicht minder sachverständige Finanzpolitiker zu dieser Frage, Finanzpolitiker, die sich straßenbaufreudiger zeigen als der Finanzausschuß? Herr Professor Hettlage, der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, hat kürzlich auf dem Deutschen Straßentag hier in Bonn— „Die Welt" berichtete darüber am 14. April — gesagt, der Juliusturm, der in den vergangenen Jahren vorhanden war, wäre besser für die nationalwirtschaftlichen Zukunftsaufgaben des Straßenbaus verwendet worden. Ferner hat Herr Professor Hettlage nach dem Bericht erklärt, in der Frage der Zweckbindung des Mineralölsteueraufkommens sei der Bundesfinanzminister über seinen Schatten gesprungen; auch die verbleibende Zweckentfremdung— die nach Angaben von Professor Hettlage etwa 250 Millionen DM beträgt — könne bei günstiger Gelegenheit noch beseitigt werden. Das war wiederum die Wiedergabe einer Äußerung von Herrn Professor Hettlage auf dieser Tagung der Deutschen Straßenliga. Weiter hat Herr Professor Hettlage gesagt, Bund, Länder und Gemeinden müßten freiwillig zusammenarbeiten, um die beim Straßenverkehr bestehenden „Venenentzündungen mit der Gefahr der Embolien" zu beseitigen.Nichts anderes, meine Damen und Herren, als das, was Herr Professor Hettlage dort erklärt hat, wollen wir mit unserem Gesetzentwurf erreichen, nämlich daß in Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden mit den zusätzlichen Mitteln, die wir hier aufbringen wollen, die finanziellen Voraussetzungen für die Beseitigung von Engpässen im Straßenverkehr, hauptsächlich im Durchgangsverkehr in den Großstädten, eventuell auch für die Einrichtung der zweiten Ebene, geschaffen werden.Der Bericht des Finanzausschusses spricht auch von konjunkturpolitischen Erwägungen. Solche Bedenken wären berechtigt, meine ich, wenn im Straßenbau eine Überhitzung , festzustellen wäre. Das aber ist nach Urteil von Fachleuten nicht der Fall. Vielmehr wurde auch auf der gesamten Bonner Tagung von Fachleuten erklärt, daß etwa 30 % der Straßenbaukapazität in diesem Jahr ungenutzt geblieben seien. Ich glaube, der Finanzausschuß war nicht gerade fachmännisch beraten, als er zu diesem Urteil über die Gesetzesvorlage der SPD kam.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9657
CramerDer Vorsitzende der Fachabteilung Straßenbau im Hauptvorstand der deutschen Bauindustrie, Herr Kirchhoff, hat erklärt, daß bei den zuliefernden Baustoff- und Maschinenindustrien keinerlei Engpaß bestehe. Daß wir in der Bundesrepublik nicht mehr Straßenbau halben, liegt also nicht an der nicht vorhandenen Kapazität, sondern an anderen Gründen, und diese hat uns ja Herr Minister Seebohm vorhin hier auseinandergesetzt. Ich glaube, ich habe ungefähr wörtlich ,das mitbekommen, was er hier an diesem Platz erklärt hat: es sei nämlich ein Überhang an geplanten Baumaßnahmen vorhanden, an Baumaßnahmen, die nicht ausgeführt werden könnten, weil kein Geld dagewesen sei. Wenn ich richtig verstanden habe, macht Herr Dr. Seebohm dafür die Tatsache verantwortlich, daß die Straßenbaumittel zum Teil aus dem außerordentlichen Etat kommen sollten und wahrscheinlich nicht kommen werden.Wenn wir also diese Bedenken beiseite schieben können, wenn also die Kapazität vorhanden ist, dann bleiben nur noch die Bedenken der Anhänger der klassischen Finanzlehre und -politik, wonach es keine Zweckbindung geben darf. Nach dem, was ich Ihnen vorhin als die Meinung des Herrn Staatssekretärs Professor Hettlage über die Zweckbindung vorgetragen habe — und der Herr Minister hat dem in der Folgezeit nicht widersprochen —, brauchen wir wohl auch nicht päpstlicher als der Papst zu sein. Die Zweckbindung ist für den Straßenbau eingeführt, und man sollte nicht mehr darüber zu streiten brauchen.
— Ja, bitte sehr.
Herr Kollege, Sie haben an meinem Bericht geziemend Anstoß genommen. Ich nehme Ihnen das nicht übel. Warum soll's beim sterbenden Bundestag nicht mal etwas anders als gemeinhin sein? Aber nun das Verhältnis zum Herrn Staatssekretär! Mein Verhältnis zum Herrn Staatssekretär ist nicht aufgebaut auf dem Worte: „Führer, befiehl, wir folgen dir!"
Das habe ich auch gar nicht behauptet, Herr Dr. Dresbach. Ich bin aber der Meinung, daß Sie bei Ihrer Beurteilung der Sachlage nicht von Fachleuten beraten worden sind, sondern daß Ihre Beurteilung der Sachkenntnis entbehrt,
und deshalb bin ich hier heraufgekommen, — —
Herr Kollege, in der klassischen Finanzpolitik habe ich einen Lehrmeister gehabt, der Adolph Wagner hieß. Ich weiß nicht, ob Ihre Sach- und historische Kenntnis so weit geht, daß Sie sich dieses Namens noch entsinnen. Im übrigen stelle ich anheim, die Menschenkenntnis dieses Hauses so hoch oder so niedrig zu schätzen, wie Sie wollen. Für mich bleibt dann doch
immer noch der Satz Bismarcks übrig: Wo ich sitze, ist immer oben.
Herr Dr. Dresbach, ich will nicht mit Ihnen streiten -- —
Meine Damen und Herren, ich hatte auch gemerkt, daß das keine Frage mehr war. Aber ich war der Meinung, daß in Anbetracht des Gesagten ,der Abgeordnete Dresbach ein Recht darauf hatte, in diesem Augenblick eine persönliche Erklärung abzugeben.
Ich meine, über die Frage der Zweckbindung hat das Hohe Haus damals entschieden, als wir über das Straßenbaufinanzierungsgesetz sprachen, und es ist deshalb sinnlos, heute noch darüber zu streiten, ob das richtig oder falsch war. Es ist beschlossen worden, und deshalb muß es für die Straßenbaufinanzierung richtig sein. Wir sind uns damals nur nicht einig geworden über den Sockelbetrag, über jene 600 Millionen DM, die der Finanzminister für allgemeine Haushaltszwecke zurückbehalten wollte. Wir wissen heute, daß mindestens 250 Millionen DM von diesen 600 Millionen DM aus dem Kraftverkehr kommen. Wir wollen auch nicht den Sockel ganz abbauen, wir wollen ihn nur auf 400 Millionen DM beschränken. Das ist, glaube ich, keine unzumutbare Forderung. Denn sie entspricht dem allgemeinen Verlangen, daß alle Beträge, die vom Kraftverkehr aufgebracht werden, für den Straßenbau eingesetzt werden. Die Haushaltslage des Bundes läßt eine solche Maßnahme durchaus zu. Wir sollten, meine ich, nicht wieder warten, bis wir von anderer Seite gezwungen werden, den Inhalt unserer Juliustürme anderen Zwecken zuzuführen.
Meine Damen und Herren, Sie werden der freudigen Zustimmung aller Straßenbenutzer gewiß sein, wenn Sie Ihre Bedenken zurückstellen und dem Entwurf der SPD trotz der Ablehnung durch den Finanzausschuß Ihre Zustimmung geben. Ich beantrage die Annahme der Drucksache 2657, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes, der in Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 die Änderung vorschlägt, die Worte „sechshundert Millionen Deutsche Mark" durch die Worte „vierhundert Millionen Deutsche Mark" zu ersetzen.
Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nur zu einer Bemerkung des Herrn Kollegen Cramer Stellung nehmen. Ich habe vorhin ausgeführt, daß wir das Bauvolumen im ersten Vierjahresplan nicht erreichen, da uns die Mittel deswegen nicht zur Verfügung stehen — das habe ich nicht gesagt, aber das ist ja bekannt —, weil das Straßenbaufinanzierungsgesetz zu spät verabschiedet worden ist, später, als wir es bei Beginn des
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9658 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Bundesminister Dr.-Ing. SeebohmAnlaufs des ersten Vierjahresplanes erwartet hatten, und daß infolgedessen ein Überhang besteht, den wir im zweiten Vierjahresplan aufholen. Da in der Zwischenzeit ziemlich feststeht, daß wir steigende Erträge aus dem Mineralölsteuergesetz haben, wächst eben das Bauvolumen auf der Bundesseite von 8 Milliarden DM, die wir im ersten Vierjahresplan veranschlagt hatten, auf 12 Milliarden DM im zweiten Vierjahresplan ohne Berücksichtigung der Sockelfrage, allerdings bei einer Einplanung eines Rückgriffs auf den Kapitalmarkt in einer Größenordnung von etwa einer Milliarde in diesen vier Jahren. Wie das dann im einzelnen zu regeln ist, wird sich ja nach dem Jahre 1963 ergeben. Es ist jedenfalls nicht notwendig, um die Ziele der beiden Vierjahrespläne, die sich nun durch eine zeitliche Verschiebung ergeben, Ende 1966, Anfang 1967 zu erreichen, jetzt an den Sockelbetrag heranzugehen.Wir haben ja seinerzeit die Zweckbindung wegen der 600 Millionen DM beschränkt, die sich, wie gesagt, so verteilen, daß ein Teil davon aus Aufkommen stammt, die nichts mit dem Straßenverkehr zu tun haben, während ein anderer Teil tatsächlich noch aus dem Straßenverkehr stammt. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat seinerzeit in Aussicht gestellt, daß er zu gegebener Zeit bereit wäre, auch diese Beträge für den Straßenbau frei zu machen; aber das muß er natürlich zuerst einmal nach seinen entsprechenden Inanspruchnahmen abstellen, und solange er das nicht kann, kann man ihn, glaube ich, auch schwerlich dazu zwingen. Denn sonst müßte ja für diese Verschiebung ein Ausgleich in den Einnahmen geschaffen werden. Das ist aber bei diesem Antrag nicht der Fall, und deshalb glaube ich, daß dieser ganze Antrag gar nicht angenommen werden könnte, weil ja ein Ausgleich für diese Einnahmen im allgemeinen Haushalt geschaffen werden müßte, bevor wir sie übertragen könnten.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Bleiß!
Ich möchte hier noch einmal Gelegenheit nehmen, die Ansicht des Verkehrsausschusses darzulegen.
Vielleicht darf ich einige Zahlen vorausschicken. Soweit mir bekannt ist, beträgt heute der Preis eines Liters Benzin ab Werk 6 bis 8 Pf. Die fiskalische Belastung beträgt mehr als 30 Pf je Liter, also das Vier- bis Fünffache der Herstellungskosten. Daraus ergibt sich, daß die Mineralölsteuer eine spezifische Verkehrsabgabe ist. Wir haben uns im Verkehrsausschuß überlegt, daß die 6,5 Millionen Kraftfahrer, die heute noch vielfach über schlechte Straßen fahren müssen, kein Verständnis dafür haben, daß diese spezifische Abgabe des Verkehrs in einem so erheblichen Millionenbetrag weiter zweckentfremdet wird. Wir haben uns im Verkehrsausschuß weiter überlegt, daß der Abbau einer Zweckentfremdung gerade in einer Zeit möglich sein sollte, in der umfangreiche Steuersenkungen erwogen werden. Nach unserer Auffassung besteht also kein Anlaß zu
einer fortgesetzten Zweckentfremdung der Mineralsteuer. Der Abbau dieser Zweckentfremdung, das heißt des Sockelbetrages, soll mit Wirkung ab 1. Januar 1962 erfolgen. Das ist kein unbilliges Verlangen, sondern eine Forderung, die wir im Interesse der sechseinhalb Millionen Kraftfahrer erheben.
Ich würde es sehr begrüßen, wenn die verkehrspolitischen Gesichtspunkte und auch die Gesichtspunkte der Verkehrssicherheit, die doch mit dem Straßenbau eng verbunden ist, auch im Plenum des Bundestages eine angemessene Würdigung fänden.
Deswegen bitte ich Sie herzlich, mit dem Abbau der Zweckentfremdung einverstanden zu sein.
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.
Meine Damen und meine Herren! Ich will mich nicht allzu tief in diese Schlacht hineinwagen, sie ist ja eine Schlacht der Experten; aber das, was hier über die Finanzierung des Straßenbaus vorgetragen wird, bedarf doch eines Beitrages auch des Finanzministers.Als ich Finanzminister wurde und damals von mir aus zum ersten Male den Vorschlag der Zweckbindung machte — die ja für einen Finanzminister eine betriebsfremde Angelegenheit ist, denn es gibt ja allgemein keine Topfwirtschaft; ich habe damals bewußt diese Ausnahme gemacht, um dem Straßenbau eine große Hilfe zu leisten —, war man begeistert, und man war auch begeistert, als ich sagte: Wir brauchen einen Sockel von 600 Millionen DM.
— Wer ist „wir"?
— Die Mitglieder des Finanz- und des Haushaltsausschusses, das ist richtig, waren über die Zweckbindung nicht begeistert. Ich habe bereits gesagt: Es war ein betriebsfremder Vorschlag, der dem Straßenbau helfen sollte.Nun muß ich hier, meine ich, doch einmal die Zahlen über die dann eingetretene Entwicklung nennen. Im Jahre 1959, also vor der Zweckbindung, betrug der Aufwand für den Straßenbau rund 1,2 Milliarden DM. Im Jahre 1961 wird er 2,132 Milliarden DM betragen, und im Jahre 1962 wird er dank der Steigerung des Verbrauchs sogar 2 Milliarden 462 Millionen DM — ich wiederhole: 2 Milliarden 462 Millionen DM aus der Zweckbindung heraus — erreichen. Das bedeutet gegenüber dem Zustand vor der Zweckbindung eine Verdoppelung in wenigen Jahren.Nun kann man vielleicht an das Sprichwort denken „Je mehr er hat, je mehr er will." Ich habe fast das Gefühl, daß nach diesem Satz die zusätzlichen Wünsche hier auf den Tisch gelegt werden. Ich glaube, meine sehr verehrten Antragsteller, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist sehr erschwert,
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9659
Bundesfinanzminister Etzelwenn, nachdem der Finanzminister schon diesen außergewöhnlichen, betriebsfremden Weg gegangen ist und dabei zur Bedingung gemacht hat, daß für seine Haushaltszwecke 600 Millionen DM bleiben, bei der ersten Gelegenheit schon nach kurzer Zeit die Wünsche kommen, diesen Sockel auf 400 Millionen DM herunterzusetzen. Ich darf Ihnen sagen, wie die Reaktion im Haushaltsausschuß war, als dieser Antrag kam; ich glaube, der Haushaltsausschuß wird nicht böse sein, daß ich das hier sage. Dort sagte jemand: Ich werde sofort beantragen, diesen Sockel auf 800 Millionen DM heraufzusetzen. Ich glaube, wenn man einen solchen Vorschlag macht, der großzügig war und der geholfen hat, dann gehört es einfach zur Fairneß, daß man dabei auch eine gewisse Zeit bleibt. Sie, sehr verehrter Herr Vorredner, haben ausgeführt, daß die Zweckbindung, die idas Hohe Haus angenommen habe, eine indiskutierbare Angelegenheit sei. Dann sollte auch der Sockel von 600 Millionen DM für die erste Zeit — so war es gemeint — indiskutierbar sein.Herr Bleiß, Sie haben soeben gesagt: Man fährt über schlechte Straßen. So kann man das, glaube ich, von den Bundesstraßen nicht behaupten. Die Bundesstraßen sind in einem außergewöhnlichen Maß fortschrittlich.
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Wir haben gerade mit Hilfe der Mittel, die durch die Zweckbindung bereitgestellt werden konnten, etwas Außergewöhnliches geleistet, und das sollte man hier nicht verkleinern.
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Das Wort hat der Abgeordnete Eisenmann. — Verzeihung, Herr Abgeordneter Müller-Hermann; ich dachte nur, die Worte des Ministers hätten Ihnen vielleicht die Notwendigkeit genommen, selbst zu sprechen. Aber ich freue mich, wenn Sie sprechen. Ich erteile Ihnen das Wort.
Ich danke, Herr Präsident. — Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben nun gut anderthalb Tage hier einen Kampf um die Verabschiedung von Gesetzen geführt, und die Damen und Herren der Opposition sind uns, der Regierungspartei, gegenüber in ihrer Argumentation nicht sehr zimperlich gewesen. Lassen Sie auch mich daher jetzt einmal an Ihre Adresse ein sehr offenes Wort sagen.
Der Antrag, den Sie hier gestellt haben, zum jetzigen Zeitpunkt einen weiteren Abbau des Sockels vorzunehmen, ist ein reiner Propagandaantrag für die nächsten Bundestagswahlen.
Ich glaube, wir können mit ruhigem Gewissen sagen, daß von seiten des Bundes zur Zeit das Äußerste geschieht, um den Straßenbau der wachsenden Motorisierung anzupassen.
Ich muß mich mit aller Entschiedenheit gegen den immer wieder vorgetragenen Vorwurf wenden, in den ersten Jahren des Wiederaufbaus sei für den Straßenbau nicht genug getan worden. Meine Damen und Herren, ich möchte die Krokodilstränen unserer Kritiker sehen, wenn wir in den ersten Jahren des Wiederaufbaues Straßen gebaut hätten statt Wohnungen, statt die Vertriebenen einzugliedern und die Grundstoffindustrien wieder in Gang zu bringen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Faller?
Bitte sehr.
Herr Kollege Müller-Hermann, wollen Sie damit, daß Sie gesagt haben, es sei ein Propagandaantrag, auch ihren eigenen Freunden, die im Verkehrsausschuß zugestimmt haben, unterstellen, daß sie aus Propaganda zugestimmt haben?
Ich habe hier davon gesprochen, aus welchen Motiven dieser Antrag zum gegenwärtigen Zeitpunkt eingebracht worden ist. Ich bin über die Motive sehr genau unterrichtet, sehr verehrter Herr Kollege Faller.
Ist Ihnen auch bekannt, Herr Kollege Müller-Hermann, daß wir den Antrag erst eingebracht haben, als das Bundesfernstraßengesetz verabschiedet war, um die Mittel, die dort zusätzlich vom Bund verlangt werden, aus diesem Sockel zu erhalten?
Ja, nun kommen wir gleich einmal auf das Sachliche zu sprechen. Wir haben das Straßenbaufinanzierungsgesetz 1960 verabschiedet und damit eine Grundlage für die Finanzierung des Straßenbaus auf weite Sicht geschaffen. Wenn wir in ein oder anderthalb Jahren darangehen, das zweite Vier-Jahres-Programm finanziell zu untermauern, können wir uns mit Fug und Recht über die Frage unterhalten, ob und inwieweit ein ,Abbau des Sockels notwendig ist.
Nach den bisherigen sehr vorsichtigen Schätzungen über das Mineralölsteueraufkommen kann man davon ausgehen, daß für das zweite Vier-Jahres-Programm für die Jahre 1963 bis 1966 nach Abzug des jetzigen Sockels mindestens 12 Milliarden DM für den Bundesstraßenbau zur Verfügung stehen werden. Das ist ein Betrag, der sich sehen lassen kann. Wir haben vor einigen Wochen die Novelle zum Bundesfernstraßengesetz verabschiedet. Darin hat der Bund weitere Mittel für Straßenbauzwecke in den Gemeinden bis zu 50 000 Einwohnern und auch als gezielte Zuschüsse für Städte über 50 000 Einwohnern zugesagt.Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir \\sind uns völlig darüber im klaren, daß über das bisher Geschehene hinaus noch große Schwierigkeiten bei den innerstädtischen Verkehrsproblemen zu be-
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9660 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Müller-Hermannwältigen sind. Wir kommen ja gleich im Zusammenhang mit der Enquete darauf zu sprechen. Aber ich glaube, daß wird das Ergebnis der Untersuchung über die innerstädtischen Verkehrsverhältnisse abwarten müssen, ehe wir an zusätzliche Bewilligungen für den Straßenbau in den Städten herangehen. Alles andere wäre die Verabschiedung eines Gesetzes, ohne daß wir die nötigen Grundlagen für eine sinnvolle und vernünftige Entscheidung zur Verfügung haben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eisenmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der sehr verehrte Herr Finanzminister hat gerade im Blick auf die Freunde von der SPD — ich glaube, er hat Herrn Kollegen Dr. Bleiß gemeint —
— ich komme darauf zurück, aber außerhalb des Plenums, Herr Kollege Dr. Dresbach — gesagt: Je mehr er hat, je mehr er will. Ich glaube, wenn ich oder ein Herr aus dem Verkehrspolitischen Ausschuß oder von der antragstellenden Fraktion den Herrn Finanzminister mit Blick auf die ganze deutsche Steuergesetzgebung und all die Dinge ansehen würden, könnten wir mit mehr Berechtigung sagen: Je mehr er hat, je mehr er will. In dieser Diktion wäre also der Blick auf den Finanzminister richtiger als der auf den Antragsteller. Aber vielleicht will der Antragsteller dazu noch etwas sagen.
Der zweite Punkt, Herr Kollege Müller-Hermann: Es ist doch letzten Endes so — seien wir einmal anz ehrlich
Das sind wir doch immer!
Selbstverständlich, Herr Präsident. Es war ein Zwiegespräch, Herr Kollege Müller-Hermann nimmt es mir nicht übel; er denkt über die Notwendigkeit vermehrter Straßenbaumittel genauso wie alle anderen Mitglieder des Verkehrsausschusses. Darüber kann es gar keinen Zweifel geben. Der Herr Verkehrsminister sagte heute, daß er nur 7,2 Milliarden zur Finanzierung des Straßenbaus gehabt hätte. Herr Kollege Brück, es fehlen ihm also rund 800 Millionen. Darüber hinaus ist festgestellt, daß das Geld für den Straßenbau von den Straßenbenutzern aufgebracht wurde und da ist.
Herr Kollege Dresbach, ich weiß, daß Sie, wenn wir in eine kritische Betrachtung der Zusammenhänge der Finanzen eintreten, allein vom Kriterium her gesehen die Oberhand gewinnen. Es ist aber noch folgendes zu sagen, und das sollten, Herr Kollege Dresbach, der Finanzminister und seine Herren auch einmal berücksichtigen. Die teuersten Straßen sind die Straßen, die zur Zeit nicht gebaut werden. Darüber kann es gar keinen Zweifel geben. Wenn wir davon ausgehen, daß die gesamte übrige
Volkswirtschaft, wir alle in unseren Betrieben als Verkehrsnutzer diese Mehrbelastung nicht gebauter Straßen in Form allgemeiner volkswirtschaftlicher Verluste tragen müssen, dann muß man wirklich überlegen, ob es nicht richtiger wäre, dem Begehren des Antragstellers stattzugeben, von den 397 Millionen, die im Jahre 1960 vom Straßenverkehr als Sockelbetrag aufgebracht wurden, ab 1.1.1962 wenigstens 200 Millionen zweckgebunden für den Straßenbau zu verwenden. Deshalb bin ich der Meinung, wir wären gut beraten, wenn wir, wie es die Mehrheit des Verkehrsausschusses getan hat — denn nur mit wenigen Stimmen ist dem Antrag widersprochen worden —, dem Antrag zustimmen würden. Meine Freunde und ich hoffen, daß die Kollegen Ihrer Fraktion, die dort zugestimmt haben — sie waren ja Sachkenner der Materie im Ausschuß —, ihre Freunde bewegen konnten, nun auch wie sie im Ausschuß dem sachlich richtigen Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die nicht „sachverständigen Kollegen" des Finanzausschusses
— nicht für alle, sondern nur für die meiner Fraktion, für die nicht „sachverständigen Kollegen" der SPD und FDP kann ich hier nicht sprechen — möchte ich sagen: Wir sind bei unseren Überlegungen zusätzlich über das, was Herr Dr. Dresbach in seinem Bericht erwähnt hat, hinaus auch davon ausgegangen, daß auch die anderen Ausschüsse dieses Hohen Hauses Gelegenheit haben sollen, noch etwas zu Lasten des Bundeshaushalts zu beschließen.
Ich wundere mich, daß man so oft das Wort „Sachverständige" strapaziert. Ich habe den Eindruck, es gibt drei Sorten von Menschen in den Ausschüssen: die, die sachgerechte Entscheidungen treffen; die, die sachverständig sind, und dann die Experten.
Man sollte vielleicht doch Unterschiede treffen, wenn man von Mitgliedern der Ausschüsse spricht. Ein Parlament besteht nicht nur aus lauter Experten; das wäre sein Tod.
— Aber die tut man in die Küche und in den Garten.
Herr Abgeordneter Dr. Bleiß!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege MüllerHermann, ich muß .den Vorwurf, daß wir Propagandaanträge stellen, zurückweisen. Der Herr Bundesfinanzminister hat vorhin den Wunsch geäußert, eine gewisse Fairneß zu zeigen. Ich würde Sie bit-
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Dr. Bleißten, sich dieser Fairneß auch uns gegenüber zu befleißigen. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß die SPD-Fraktion 1956 einen Gesetzesantrag zur Zweckbindung der Verkehrsteuern eingebracht hat, daß Sie den Gesetzentwurf abgelehnt haben. Der Gedanke ,der Zweckbindung wurde später von dem Herrn Bundesfinanzminister aufgenommen. Ich möchte zur Klarstellung auch darauf hinweisen, daß die Zweckbindung im Straßenbaufinanzierungsgesetz mit den Stimmen der SPD, FDP und eines Teils der CDU/CSU gegen die Mehrheit der CDU im Bundestag angenommen worden ist. Sie können nicht von Propagandaanträgen sprechen. Wir wünschen, daß der Sockelabbau in die Haushaltsplanung 1962 einbezogen wird. Wir sind dazu ermutigt worden durch die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs auf dem Deutschen Straßentag in Bonn.Herr Bundesfinanzminister, das Straßenbaufinanzierungsgesetz haben wir vor etwa anderthalb Jahren verabschiedet, wenn ich recht im Bilde bin. Man darf doch nach anderthalb Jahren erneut fordern, die Zweckentfremdung abzubauen, Herr Bundesfinanzminister. Das ist nicht unfair, sondern unser gutes Recht, das wir immer wieder geltend machen. Wir haben ein erweitertes Bundesfernstraßengesetz verabschiedet. Diese 200 Millionen DM sollen nun nicht den Bundesstraßen zugewendet werden, sondern sie sollen den Gemeinden und den Gemeindeverbänden helfen mit ihrer Straßenkalamität fertig werden. Ich wollte das nur noch einmal ,in aller Deutlichkeit sagen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Dann kommen wir zur Einzelabstimmung. Ich rufe auf Art. 1 des Antrags der Fraktion der SPD Drucksache 2657 in der zweiten Beratung. Wir stimmen also über jeden einzelnen Artikel ab. Falls alle Artikel einschließlich der Einleitung und der Überschrift abgelehnt werden sollten, ist der Entwurf vom Tisch des Hauses. Falls das nicht der Fall sein sollte, falls auch nur die Überchrift übrig bleiben sollte, müssen wir in die dritte Beratung eintreten.
Wer Art. 1 zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Art. 2! Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Art. 3, Einleitung und Überschrift! Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; abgelehnt. Damit ist der Antrag Drucksache 2657 erledigt. Eine dritte Beratung findet nicht statt.
Ich rufe nunmehr Punkt 27 c der Tagesordnung auf. Hierzu hat der Ausschuß den Antrag gestellt, den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 316 der Bundesregierung als Material zu überweisen. Wird hierzu ,das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, gebe ,das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Ich rufe nunmehr zur
dritten Beratung
des unter Punkt 27 a aufgeführten Gesetzentwurfs auf. Anträge liegen nicht vor. Wer zustimmen will, möge sich erheben.
— Ich habe nichts davon gesehen. Aber wir wollen hier eine kleine Misericordie gelten lassen. Ich habe Ihre Wortmeldung wirklich nicht gesehen.
Meine Damen und Herren, es ist höchste Zeit, daß der Saal umgebaut wird. Vom Präsidentenplatz aus ist nicht zu übersehen, ob sich jemand meldet. Wenn ich da hinunterschaue, sehe ich nichts von dem, was sich rechts vom Gang befindet, und umgekehrt. — Herr Abgeordneter )r. Bleiß zur Abstimmung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 2880 darf ich folgende Erklärung namens und im Auftrag der Fraktion der SPD abgeben. Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu, weil der mit dem Gesetz angestrebte Zweck einer Untersuchung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden nützlich ist. Aber wir wollen bei der dritten Beratung und bei der Verabschiedung den ausdrücklichen I Vorbehalt anmelden, daß diese Untersuchung kein Vorwand dafür sein darf, ,die für die Gemeinden und Gemeindeverbände so dringende Hilfe im Straßenbau weiter zu verzögern. Das gilt auch für den Ausbau des zweiten Weges.
Der erste Zwischenbericht ist bis zum 31. März 1963 zu ,erstatten. Das sind noch 21 Monate. Inzwischen werden sich die Verkehrsverhältnisse besonders im Stadtkern ,der Großstädte durch die wachsende Motorisierung weiter komplizieren. Wir halten es deshalb für dringend erforderlich, daß unabhängig von den Ergebnissen der Enquete diesen Städten bei der Durchführung von Maßnahmen zur Entlastung des Stadtkerns jede nur mögliche Hilfe gewährt wird. Unter dieser Voraussetzung und mit diesem Vorbehalt stimmen wir dem Gesetzentwurf Drucksache 2880 zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Vehar.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Namen der CDU/CSU begrüße ich es, daß das vorliegende Gesetz zur Untersuchung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden heute zur Verabschiedung kommt und, wenn Sie sich dem Votum der Ausschüsse anschließen werden, wahrscheinlich die Zustimmung aller Fraktionen finden wird. Ich möchte aber an die Bundesregierung die Bitte richten, alle ihr mit diesem Gesetz gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine gute Grundlage zu erarbeiten, von der
Vehar
eben bereits Herr Kollege Müller-Hermann gesprochen hat, eine Grundlage nämlich, die für die in der Zukunft notwendigen wichtigen Entscheidungen auf dem Gesamtgebiet des Straßenbaues erforderlich ist, wozu ich auch das Problem der Verlagerung des Massenverkehrs in den Großstädten in die sogenannte zweite Ebene zählte.
Das Verkehrsproblem in unseren Städten und Gemeinden ist aber nicht nur eine Frage der Verkehrsplanung und der Finanzierung, sondern es ist in erheblichem Maße auch eine Frage der Städteplanung und der Raumordnung. Aus diesem Grunde soll die Untersuchung vor allem auch unter dem Gesichtspunkt einer gesunden Raumordnung und eines modernen neuzeitlichen Städtebaues durchgeführt werden. Ich darf Sie an das bekannte Beispiel des' Bürohochhauses erinnern, das im Stadtkern errichtet wird und das nicht nur ein Parkproblem großen Ausmaßes aufwirft, sondern auch in der Zeit der Verkehrsdichte die An- und Abfahrtsstraßen in den Städten erheblich belastet.
Schließlich, meine Damen und Herren, ist das Verkehrsproblem nicht nur ein Problem des Straßenbaus und nicht nur ein technisches Problem, sondern — und darauf möchte ich besonders hinweisen — ein menschliches Problem allerersten Ranges. Verkehrsplanung und Straßenbau sind e i n Mittel, um Unglück und Leid von unseren Straßen, wenn nicht zu verbannen, so doch auf ein Mindestmaß herabzusetzen, wobei wir insbesondere auch an den Schutz der Fußgänger und Radfahrer denken. Die Betonung, meine Damen und Herren, liegt auf dem Wörtchen „ein" Mittel. Alle unsere Bemühungen auf diesem Gebiet werden erfolglos sein, wenn es uns nicht gelingt, zu einer anderen. Verkehrsgesinnung, zu einer anderen Gesinnung im Straßenverkehr zu kommen.
Ich glaube, daß die Verabschiedung eines solchen Gesetzes ein guter Anlaß ist, von dieser Stelle wiederum einen Apell an alle Verkehrsteilnehmer zu richten, Anstand und Rücksicht im Straßenverkehr walten zu lassen. Ich möchte nicht in den Chor der Pessimisten einstimmen, sondern möchte als einer, der Erfahrung auf diesem Gebiet hat, sagen, daß die Zahl der Menschen, vor allem auch der jungen Menschen, immer größer wird, für die nicht rasendes Fahren, sondern anständiges Benehmen und Rücksichtnahme auf den anderen das Kriterium eines guten Fahrers darstellen. Wir hoffen zuversichtlich, daß ihr gutes Beispiel Schule machen wird.
In ,diesem Sinne, meine verehrten Damen und Herren, glauben wir, daß dieses Gesetz und die in absehbarer Zeit darauf aufbauenden Maßnahmen, gemeinsam mit einer ständig zunehmenden Verkehrsmoral, mithelfen werden, die Verkehrssicherheit auf unseren Straßen zu heben.
Wir haben nun keine Wortmeldungen mehr. Wir müssen abstimmen. — Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, der möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich freue mich festzustellen zu können, daß das Ergebnis dieser langen Schlacht allgemeine Einmütigkeit gewesen ist, die offenbar nur durch die Diskussion herbeigeführt wurde.
Sie sehen, wie sehr es sich lohnt, über die Sache zu diskutieren. Hätten wir gleich abgestimmt, ehe wir gesprochen haben, wären wir bestimmt nicht so einmütig gewesen.Wir kommen zu Ziffer 2 des Antrags. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Ich rufe auf Punkt 28 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Verschmutzung der See durch Öl, 1954 ,Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache 2881)
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Berichterstatter ist Abgeordneter Schulze-Pellengahr. Sie verzichten auf Ihren Bericht?
— Das Haus verzichtet auf Entgegennahme desselben.Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf § 1, § 2, § 3, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Ich schließe die zweite Beratung und rufe auf zurdritten Beratung.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, der erhebe sich. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Ich rufe auf Punkt 29 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung der Verordnung Nr. 11 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ,Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache 2893)
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Berichterstatter ist Abgeordneter Siebel. Ich erteile ihm das Wort.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9663
Vizepräsident Dr. Schmid— Sie verzichten. Auch das Haus verzichtet auf die Entgegennahme.Art. 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Eine Gegenstimme. Schluß der zweiten Beratung.Ich eröffne diedritte Beratungund eröffne die allgemeine Aussprache. Herr Abgeordneter Eisenmann!
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Namens der FDP-Fraktion möchte ich die Erklärung abgeben, daß wir in diesem Zeitpunkt dem Gesetz nicht zustimmen können, da Gesetze ähnlichen Ausmaßes mit ähnlichem Inhalt in den anderen EWG-Ländern nicht vorliegen und das vorliegende Gesetz über den Inhalt der EWG-Verordnung Nr. 11 hinausgeht. Diesem Gesetz können wir unsere Zustimmung nicht geben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir brauchen keine Einzelberatung, denn es sind keine Anträge gestellt worden. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, erhebe sich. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 30 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des von den Abgeordneten Eisenmann, Ramms und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen
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Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Knorr. Herr Abgeordneter Dr. Knorr, verzichten Sie auf die Erstattung Ihres Berichts?
Der Bericht liegt schriftlich vor, Sie haben ihn alle gelesen. Dann können wir auf die Entgegennahme eines mündlichen Berichts verzichten.
Der Ausschußantrag lautet, den Gesetzentwurf auf Grund der von der Bundesregierung beabsichtigten Maßnahmen für erledigt zu erklären.
Wir müssen in der zweiten Beratung die einzelnen Artikel aufrufen: Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Wollen Sie nicht? — Meine Damen und Herren, ich bin offenbar ein schlechter Präsident... Ich bitte um Entschuldigung...
— Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Inhalt dessen, was von der FDP mit diesem Gesetzentwurf gefordert wird, ist gestern im Bundesgesetzblatt als Verordnung veröffentlicht worden, also ist das Anliegen praktisch hinfällig geworden, so daß jetzt der Gesetzentwurf abgelehnt werden muß.
Meine Damen und Herren, ich bin doch kein so schlechter Präsident, wie es aussah. Der Antrag des Ausschusses ist nämlich geschäftsordnungswidrig. Der Ausschuß kann nicht den Antrag stellen, einen Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. Solange der Gesetzentwurf nicht zurückgezogen ist, muß über ihn abgestimmt werden.
— Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Ramms.
Nachdem die Verordnung des Bundes veröffentlicht worden ist, ziehen wir unseren Gesetzentwurf zurück.
Ich kann nur sagen: warum nicht gleich.
Aber auf eines möchte ich noch hinweisen, es ist mir ernst damit: Man sollte sich in den Ausschüssen gelegentlich auch auf die Geschäftsordnung besinnen. Ein Gesetzentwurf kann nur auf dreierlei Weise vom Tisch des Hauses kommen: entweder wird er zurückgezogen oder er wird angenommen oder in zweiter Lesung abgelehnt. Man kann nicht als Ausschuß beantragen, den Entwurf für erledigt zu erklären.Auf Grund einer Vereinbarung der Fraktionen soll jetzt die Drucksache 2947 behandelt werden. Ich nehme an, sie liegt Ihnen allen vor. Sie betrifft einen Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Berichterstatter ist Abg. Bauer aus Wasserburg. Es handelt sich um Punkt 11 unserer Tagesordnung:Zweite Beratung des von den Abgeordneten Ritzel, Marx, Schmitt-Vockenhausen, Frau Beyer , Reitz, Leber und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Tierschutzgesetzes (Drucksachen 1539, zu 1539),Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache 2869),
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Ist der Abgeordnete Ritzel im Hause?
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9664 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Vizepräsident Dr. SchmidKönnen wir den Punkt dann überhaupt verabschieden?
Ausgezeichnet! — Dann rufe ich in zweiter Beratung auf die Art. 1 —, 2 —, 3 —, Einleitung und Überschrift. Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, der gelbe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme! — Schluß der zweiten Beratung.
Wir kommen zurdritten Beratung.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Anträge liegen nicht vor. Wir stimmen über das Gesetz im ganzen ab. Wer zustimmen will, der möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Im Zickzack unserer Geschäftsbehandlung kommen wir nunmehr zu Punkt 21:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung (Drucksache 2900);
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Ich schlage vor, daß wir gleichzeitig damit — das betrifft nämlich die Materie mit — den Mündlichen Bericht des Ausschusses für Verteidigung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Haushaltsgesetzes 1961 behandeln. Beide Dinge gehören offensichtlich zusammen. Ich weiß nicht, ob man sie zusammen begründen, zusammen diskutieren kann; ich nehme es aber an. Zunächst bitte ich den Berichterstatter, Herrn Abg. Herold. Verzichten Sie?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nur eine Richtigstellung vorzunehmen. In der Regierungsvorlage Drucksache 2359 ist unter Ziffer 4 in § 6 b — Entlassungsgeld — ein Druckfehler enthalten. In der dritten Zeile muß es statt „seines" richtig heißen „eines". Dasselbe trifft zu für den Schriftlichen Bericht Drucksache 2900 Seite 4 Ziffer 4.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung ein. Hier wird wohl ziffernweise abgestimmt werden müssen. Im übrigen liegt, um es gleich zu sagen, ein Änderungsantrag zu Nr. 6 vor.
Ich rufe auf Art. 1 Nrn. 1 —, 2 —, 3 —, 4 —, 5. Wer hier zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Nun Nr. 6. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 954 vor. Herr Abgeordneter Herold!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat Ihnen zu Nr. 6 auf Umdruck 954 einen Änderungsantrag vorgelegt. Die Wehrsoldtabelle in der Anlage zu § 2 Abs. 1 soll in der Weise geändert werden, daß die Wehrsoldtagessätze erhöht werden.
Ich darf den Antrag wie folgt begründen. In Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen hatte die sozialdemokratische Fraktion im Rahmen des Einzelplans 14 einen Entschließungsantrag Umdruck 793 vorgelegt, der dem Verteidigungsausschuß überwiesen wurde. Darin hieß es:
Der Bundestag .wolle beschließen,
die Bundesregierung zu ersuchen, dem Bundestag eine Novelle zum Wehrsoldgesetz vorzulegen zur Anpassung des Wehrsoldes an die
gestiegenen Lebenshaltungskosten... .
In Satz 2 forderten wir eine 25 %ige Erhöhung dieser Sätze. Wir wollten sogar die Bundesregierung ermächtigen, diese Wehrsolderhöhung im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung vorzunehmen. Auch die CDU/CSU hat in ihrem Entschließungsantrag auf Umdruck 834 grundsätzlich eine angemessene Wehrsolderhöhung vorgeschlagen.
Ich glaube, es ist dringend notwendig, daß wir diese Sätze angleichen. Wir waren deshalb erstaunt, als wir die Vorlage der Regierung mit fast unveränderten Sätzen sahen. Wir haben ,das Wehrsoldgesetz am 30. März 1957, also vor fast viereinhalb Jahren verabschiedet. Es ist wohl unbestritten, daß sich in der Zwischenzeit einiges geändert hat. Über die Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten haben wir ja selbst in mehreren Sitzungen in anderem Zusammenhang hier diskutiert. Wir haben die Renten entsprechend angepaßt. Wir haben auch in der privaten Wirtschaft und im öffentlichen Dienst eine entsprechende Erhöhung der Gehälter und Löhne zu verzeichnen. Ich möchte dabei ganz klar sagen, daß die Höhe des Wehrsoldes nicht irgendwie an der Besoldung des öffentlichen Dienstes gemessen oder ihr gar angepaßt werden sollte.
Es ist aber doch wohl unbestritten, daß dem Wehrpflichtigen in der Zwischenzeit einige Mehrausgaben entstanden sind. Ich darf nur daran erinnern, daß sich in der Zwischenzeit die Kantinenpreise zum Teil ,sehr erhöht haben. Die Frage des Putzgeldes stand zur Diskussion. Aber die Absicht, den Wehrpflichtigen so etwas zu entlasten, konnten wir nicht realisieren. Als letzten Punkt darf ich anführen, daß auch die Fahrpreiserhöhungen bei der Bundesbahn zu Kostenerhöhungen bei den Wehrpflichtigen geführt haben. Der Herr Bundesverkehrsminister hat vorhin mit großer Freude berichten können, daß sich das Defizit der Bundesbahn erheblich verringert hat. „Des einen Freud ist eben des anderen Leid." Nicht nur die Schüler, nicht nur die Pendler, sondern auch unsere Wehrpflichtigen haben entsprechend tiefer in die Taschen greifen müssen. Aus all diesen Gründen bitten wir Sie
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Borin, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9665
Herold
recht herzlich, unserem Änderungsantrag zuzustimmen und die Staffel um 25 % zu erhöhen.
Herr Abgeordneter Kliesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht verhehlen, daß mein erster Eindruck bei Kenntnisnahme dieses sozialdemokratischen Änderungsantrages war: der 17. September naht mit Riesenschritten!
Ich möchte darüber hinaus sagen, daß ich mein Befremden gegenüber diesem Antrag zum Ausdruck bringen muß. Sie werden das sicherlich verstehen, wenn ich es Ihnen begründe. Wir haben im Zusammenhang mit der Beratung der Wehrsoldnovelle im Ausschuß auch über diese Frage einer neuen Wehrsoldtabelle gesprochen. Als dann eine derartige Tabelle vorgelegt wurde, die eine fünfzehnprozentige Erhöhung vorsah, ergab sich weiter keine Diskussion; vielmehr wurde diese fünfzehnprozentige Erhöhung, ohne daß irgend jemand für eine höhere Aufbesserung eingetreten wäre, einstimmig verabschiedet.
— Ich spreche hier vom Verteidigungsausschuß als ,dem federführenden Ausschuß. Ich habe mich nachher auch noch mit etwas anderem zu befassen. Als späterhin der Entschließungsantrag der SPD aus den Haushaltsberatungen zur Debatte stand, wurde ebenso ohne jede Diskussion einstimmig beschlossen, ,diesen Antrag durch die voraufgegangene Beschlußfassung zum Wehrsoldgesetz für erledigt zu erklären.
Niemand hat im Verteidigungsausschuß einer fünfundzwanzigprozentigen Erhöhung das Wort geredet, und noch niemand hat behauptet, daß seit 1957 die Erhöhung der Kosten 25 °/o betragen hätte. Selbstverständlich wissen wir alle, daß alles etwas teurer geworden ist; das wird niemand verhehlen. Aber ich glaube nicht, daß zwischen den Beratungen im Verteidigungsausschuß in der vorigen Woche und heute eine derartige Erhöhung eingetreten ist, daß wir unseren Beschluß aus der vorigen Woche erneut überprüfen müßten. Da sich ja auch andere Ausschüsse mit dieser Vorlage befaßt haben — ein Zwischenruf mahnte mich daran —, möchte ich meinen, daß die sozialdemokratische Fraktion unter diesen Umständen jedenfalls diejenigen ihrer eigenen Mitglieder jetzt vor einen ernsten Gewissesnkonflikt stellt, die im Haushaltsausschuß gegen den Beschluß des Verteidigungsausschusses auf
fünfzehnprozentige Erhöhung für eine nur zehnprozentige Erhöhung gestimmt haben!
Ich bin also der Meinung, daß man schon tiefer bohren muß, wenn man die Gründe sucht, die uns hier jetzt diesen überraschenden Antrag bringen. Sie werden es uns nicht verargen, meine Damen und Herren von der SPD, wenn jedenfalls ich persönlich zu der Vermutung komme, daß es hier um einen noch unbefriedigten sozialdemokratischen
Nachholbedarf an Sympathiewerbung bei der Bundeswehr handelt.
Ich bin aber der Auffassung, daß wir uns hier nicht in einer Art Versteigerung befinden, wo derjenige gesucht wird, der noch mehr bietet. Ich meine, man sollte es mit den 15 % genug sein lassen. Weiterhin, meine Damen und Herren, bin ich überzeugt, daß auch die 20 Pf täglich, die Sie dem Landser mehr geben wollen, doch nicht die wehrpolitische Vergangenheit vergessen machen,
daß sie vor allen Dingen nicht über das eine Faktum hinwegtäuschen, daß Sie denselben Leuten, denen Sie jetzt 20 Pfennig täglich mehr geben wollen, bisher noch durch Ablehnung sämtlicher Bundesverteidigungshaushalte die Ausrüstung mit modernen Waffen versagen wollten!
Herr Abgeordneter Herold!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollten das vermeiden, Herr Kollege Kliesing. Gerade Ihr letzter Satz hat wieder bewiesen, daß Sie es eben ganz einfach nicht lassen können. Ach, Herr Dr. Jaeger, nicht so aufgeregt, Sie brauchen nicht aufs Pult zu schlagen, ich bleibe deswegen doch hier stehen. Mein Kollege Berkhan hat schon ein paarmal im Ausschuß und auch hier gesagt, was auch ich Ihnen jetzt wieder sagen muß: Sie sollten diese hinkenden Vergleiche lassen. Wenn wir die politische Linie de's Herrn Ministers und die Wehrpolitik schlechthin ablehnen, wie sie der Herr Bundesverteidigungsminister hier vertritt,
— darf ich ausreden? —, dann lehnen wir nicht die Landesverteidigung ab. Der Kollege Berkhan hat Ihnen das Beispiel vom Schuletat in Hamburg gesagt; Sie lehnen in Hamburg immer 'den Schuletat ab, aber niemand kommt auf die dumme Idee, des-
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Heroldwegen der CDU nachzusagen, sie wäre gegen die Schulen! Also lassen Sie diese Dinge!
Herr Abgeordneter Herold, hier möchte jemand eine Frage an Sie stellen.
Eine Zwischenfrage, Herr Kollege. Ist Ihnen bekannt, daß die CDU niemals Schulen abschaffen wollte und niemals sich gegen Schulen ausgesprochen hat im Gegensatz zu Ihnen, die Sie sich immer gegen ein Militär ausgesprochen haben? Sehen Sie darin keinen Unterschied?
Herr Kollege Gewandt, ich weiß nicht, wo Sie in den letzten Jahren waren. Die SPD hat die Landesverteidigung im Grundsatz immer bejaht.
— Es tut mir leid, daß Sie darüber lachen.
Ich möchte hier kurz folgendes sagen: Wir haben die Wehrsoldtabelle vorliegen. Zwei Mark pro Tag war bisher der Satz für einen Grenadier, und jetzt verlangen wir eine Erhöhung auf 2,50 DM. Sind das Beträge, worüber man eine solche Diskussion in dieser Schärfe führen sollte? Ich glaube nicht. Sind 2,50 DM Wehrsold für einen Tag etwas so Außergewöhnliches, daß man mit solchen Dingen kommen, kann, wie Sie es tun? Wenn Sie für 2,50 DM am Tag leben müßten, — ich möchte Sie mal hören!
Meine Damen und Herren, wir waren bisher so freundlich miteinander. Wir sollten es auch jetzt noch sein. Erinnern wir uns noch an das schöne Lied, das zu meiner Soldatenzeit gesungen wurde: „O König, lieber König, dreiundzwanzig sind zuwenig!"
Herr Merten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rede, die der Kollege Dr. Kliesing vorhin gehalten hat, war weit unter seinem Niveau.
— Sie war weit unter seinem Niveau. Wenn ich gleich beim letzten — —
Darf ich Sie unterbrechen. Ich glaube, wenn wir anfangen, uns mit ästhetischen Urteilen anzusprechen, kommen wir nicht weit.
— Dann sagt man manchmal, es falle dem andern nichts ein. Da haben Sie vollkommen recht. Aber ich meine, wenn wir mit solchen Invektiven beginnen, wissen wir vielleicht, wo wir anfangen, aber nicht, wohin wir kommen. Ich möchte vorschlagen, mit personellen Bewertungen gar nicht erst zu beginnen.
Ich will es dann andersherum ausdrücken: es würde mir sehr leid tun, wenn ich nach vierjähriger Zusammenarbeit mit dem Herrn Kollegen Kliesing im Verteidigungsausschuß noch in der vorletzten Sitzung des Bundestages meine Meinung über sein Niveau revidieren müßte.
Sehen Sie, Herr Dr. Kliesing, warum in einem Parlament seit Jahrzehnten ein Haushalt abgelehnt oder angenommen wird, wissen Sie ja ganz genau, und Sie wissen ganz genau, daß niemand einen Haushalt ablehnt — beispielsweise des Innenministeriums in einem Lande, was z. B. die CDU in Hessen mit schöner Regelmäßigkeit tut —, weil die CDU meint, die Polizei sei überflüssig und müsse abgeschafft werden. Sie wissen auch ganz genau, daß die Sozialdemokratische Partei, solange sie existiert, niemals grundsätzlich gegen die Landesverteidigung gewesen ist.
— Meine Herren von der Mehrheit, wenn Sie sich über die politische Einstellung der Opposition nicht orientieren, ist das Ihre Sache. Aber wenn Sie sich orientiert hätten. dann wüßten Sie, daß die SPD grundsätzlich niemals, solange sie existiert, gegen die Landesverteidigung gewesen ist.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage, die Kollege Majonica stellen möchte?
Bitte!
Entschuldigen Sie, Kollege Merten, sind Ihnen die Urteile von Julius Leber über die Militärpolitik der Sozialdemokratischen Partei der Weimarer Zeit bekannt?
Lieber Kollege Majonica, mir sind die Urteile Ihres früheren Kollegen Nellen, als er noch Mitglied der CDU war, über die Militärpolitik der Regierung bekannt.
— Nein, das ist keine Beleidigung für einen Leber. Es ist nur merkwürdig, Herr Majonica, daß Sie Äußerungen einzelner Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei als die Parteimeinung auffassen, daß Sie aber in dem Augenblick, wo wir einzelne Äußerungen der Mitglieder der CDU als Parteimei-
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Merten
nung auffassen, hier aufheulen und das nicht wahrhaben wollen, was in der Sozialdemokratischen Partei die Parteilinie ist.
Die Parteilinie wird auf den Parteitagen beschlossen und nicht von einzelnen Mitgliedern der Partei aus Eigenem heraus verkündet. Je eher Sie sich daran gewöhnen, das zur Kenntnis zu nehmen, um so besser ist es für unsere Zusammenarbeit.
Da Sie ja im allgemeinen für neuere Geschichte ein außerordentlich kurzes Gedächtnis haben, ein Gedächtnis, das oft nur vierundzwanzig Stunden reicht und dann schon wieder vergessen hat, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die Sozialdemokratische Partei gegen einige Wehrgesetze zu Beginn der Aufstellung der Bundeswehr deshalb politische Bedenken — nicht grundsätzliche Bedenken, sondern politische Bedenken — hatte, weil sie der Meinung war, daß man zunächst die Frage der Wiedervereinigung unter den vier Mächten klarstellen müsse, ehe durch den Eintritt der Bundesrepublik in die NATO und die Aufstellung der Bundeswehr Tatsachen geschaffen würden, von denen wir der Meinung waren, daß sie die Wiedervereinigung außerordentlich erschweren würden. Meine Damen und Herren, es macht uns keine Freude, heute feststellen zu müssen, daß wir recht gehabt haben.
Aber zurück zum Thema! Ich wollte Ihnen nur andeuten, daß wir selbstverständlich bereit sind, wenn Sie es wünschen sollten, wegen der 20 Pf Wehrsold hier eine wehrpolitische Debatte mit Ihnen zu führen. Wir hatten das nicht vor, sondern wir wollten Ihnen etwas anderes klarzumachen versuchen. Meine Damen und Herren, im Ausschuß für Inneres hat die Sozialdemokratische Partei beantragt, den Wehrsold um 25 % zu erhöhen. Wie Sie wissen — oder auch nicht wissen —, sind wir in diesem Ausschuß überstimmt worden. Wir sahen auch im Verteidigungsausschuß keinerlei Chance, mit unserem Antrag durchzukommen. Wir haben deswegen damals — außerdem standen wir auch unter Zeitdruck — die Dinge mit 15 % passieren lassen. Man kann hier ja auch einmal ein Bekenntnis ablegen: Die Fraktion hat uns deswegen einen Rüffel erteilt. Nicht nur Herr Dr. Kliesing war also böse, sondern auch unsere eigene Fraktion meinte, daß immerhin noch der Fraktionsbeschluß vom Winter des vorigen Jahres mit 25 % bestehe und daß deswegen dieser Antrag gestellt werden müsse. Das haben wir jetzt getan. Wir hätten es auch getan, wenn die Dinge im Verteidigungsausschuß anders gelaufen wären; dasselbe gilt auch für die Mitglieder der Fraktion im Haushaltsausschuß. Wir holen also nichts nach und haben auch unsere Richtung nicht geändert, sondern die Fraktion steht auf dem Standpunkt, daß der Beschluß vom Winter des vergangenen Jahres, den Wehrsold um 25 % zu erhöhen, richtig war und daß
es dabei bleiben muß. Deswegen wird dieser Antrag hier gestellt.
Herr Dr. Kliesing, wir werfen ja der CDU nicht vor, daß sie beispielsweise das Gesetz über das Kindergeld für das zweite Kind jetzt deshalb verabschiede, weil sie mit einem Auge auf den 17. September schiele.
— Ach so, Sie tun es doch? Gut, dann habe ich mich geirrt. — Wir haben es Ihnen auch nicht bei den Beamtengehältern vorgeworfen.
— Nein, wir haben ja dem Antrag selber zugestimmt. — Deswegen ist es auch unfair, diesen Antrag, der jetzt erst zum Zuge kommt, ohne unsere Schuld — wir haben ihn vor einem Dreivierteljahr gestellt —, in Zusammenhang mit der Wahl zu bringen. Außerdem sind die Stimmen der paar Wehrpflichtigen weiß Gott bei der nächsten Bundestagswahl nicht ausschlaggebend; es gibt Bevölkerungsgruppen — nämlich diejenigen, die Sie sich für Ihre Subventionspolitik ausgesucht haben —, die da viel mehr zu Buche schlagen.
Wir bringen die Dinge auch nicht in Zusammenhang mit irgendwelchen Gehältern des öffentlichen Dienstes, sondern wir beantragen es, weil wir wissen, daß, als der Wehrsold hier beschlossen wurde, es zunächst ein Versuch war — man hatte ja keinerlei Erfahrungen —, um zu sehen, ob mit diesem Betrag hinzukommen ist oder nicht. Inzwischen wissen wir aus den Reihen der Bundeswehr selber, daß das in den meisten Fällen nicht möglich ist, es sei denn, man hat Möglichkeiten, Zuschüsse zum Wehrsold zu erhalten. Die Ausgaben haben sich eben doch als höher herausgestellt, als wir es hier im Hause glaubten, als wir das Wehrsoldgesetz verabschiedeten. Ich meine, unter diesen Umständen ist es nicht mehr als recht und billig, nachdem nunmehr eine vierjährige Erfahrung vorliegt, die Dinge in Ordnung zu bringen und den Wehrsold auf eine Höhe zu bringen, die den tatsächlichen Notwendigkeiten entspricht. Das und nichts anderes ist der Sinn unseres Antrages, und wir sind der Meinung, daß man das jetzt in einer Weise tun sollte, ,daß wir nicht schon nach einem Jahr oder zwei Jahren wieder über den Wehrsold sprechen müssen. Das wäre nämlich der Fall, wenn wir uns jetzt mit einer Erhöhung begnügten, die wiederum nicht voll und ganz den Notwendigkeiten entspricht. Um also auf längere Sicht hinaus keine Änderung dieses Gesetzes mehr vornehmen zu müssen, sollte man, meinen wir, jetzt Nägel mit Köpfen machen und den Wehrsold auf eine Höhe bringen, die wirklich dem entspricht, was gebraucht wird.
Wir bitten Sie daher noch einmal, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Mommer.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist uns bisher gelungen, in unserem Fahrplan zu bleiben. Es war nicht leicht, das zu erreichen. Jetzt scheint mir, daß wir in Gefahr sind, aus dem Fahrplan herauszukommen. Wenn wir jetzt eine Wehrdebatte veranstalten, werden wir mit unserem Programm nicht fertig, und dann werden wir nächste Woche wieder zusammenkommen müssen. Wenn man das will, gut; dann kann man der Debatte freien Lauf lassen. Ich glaube aber, niemand von uns will das. Deswegen mache ich den Vorschlag, daß wir Disziplin halten, daß wir diese Debatte jetzt — nachdem sie angefangen hat — zu Ende führen, aber dann möglichst mit kleinen Debattereden von zwei bis drei Minuten; dann können wir heute abend in dem Bewußtsein nach Hause gehen, daß wir morgen fertig werden und daß wir hier bis zum Schluß Disziplin gewahrt haben.
Ich bitte, auch darauf zu achten, daß der Präsident die Möglichkeit hat, einem Redner, der nicht zur Sache spricht, das Wort zu entziehen. Was die Sache ist, zu der gesprochen werden darf, ergibt sich aus der Vorlage, die vor mir liegt und die jeder vor sich liegen hat. Ich werde von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.
Herr Abgeordneter Jaeger!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Kollegen Mommer dankbar, daß er wenigstens nicht den Antrag auf Schluß der Debatte gestellt hat; denn es wäre ja wohl allzu ungerecht gewesen, wenn nach drei SPD-Rednern nur einer von unserer Seite gesprochen hätte. Außerdem glaube ich, daß es heute Debatten gegeben hat, die wesentlich länger, langatmiger und auch langweiliger waren als das, was wir im Augenblick hier erleben.
Herr Kollege Merten hat uns vorgeworfen, in unseren Reihen sei .ein kurzes Gedächtnis üblich oder doch wenigstens häufig anzutreffen. Nun, mein Gedächtnis bezüglich der Sitzungen des Verteidigungsausschusses ist ausgesprochen frisch; und so erinnere ich mich denn genauestens, daß wir uns im Verteidigungsausschuß nur über die Frage unterhalten haben, ob wir der Sparsamkeit des Haushaltsausschusses oder des Innenausschusses folgen und bei 10 % Erhöhung bleiben sollten oder ob wir unseren Antrag mit 15 % dem Plenum vorlegen sollten. Von 25 % wurde überhaupt nicht gesprochen. Wenn nun Herr Kollege Herold, der nicht nur Mitglied des Verteidigungsausschusses ist, sondern sogar Berichterstatter in dieser Frage, der also in jedem Augenblick seine Meinung äußern und einen Antrag stellen konnte, im Ausschuß keinen Ton bezüglich 25 % gesagt hat, aber jetzt im Plenum, nachdem wir einstimmig — auch mit seiner Stimme —15 % beschlossen haben, mit einem Antrag auf 25 % kommt, dann muß ich als Vorsitzender des Ausschusses ein solches Verhalten als illoyal bezeichnen.
— Ich habe jetzt nicht die Absicht, mich auf Zwischenfragen einzulassen, denn ich will ja kurz sein, Herr Dr. Mommer, wie Sie gesagt haben.Ich darf weiter feststellen, daß die Rede des Herrn Herold im äußersten Sinne unsachlich war. Er hat nämlich hier die Frage aufgeworfen: „Wie soll denn ein Mann von 2,50 Mark am Tag leben?" Meine Damen und Herren, der Soldat lebt nicht von seinem Wehrsold! Er hat freie Verpflegung, freie Unterkunft und freie Bekleidung von Bundes wegen. Es handelt sich hier also um einen Zusatz, der notwendig ist, der auch erhöht werden mußte. Man kann heute nicht mehr mit den 22 Pf Wehrsold auskommen, von denen 'der Herr Präsident soeben gesprochen hat. Das ist völlig klar. Aber zu behaupten, der Soldat brauche das zum Leben, und er lebe gar davon, das ist einfach unrichtig!Und dann muß ich immer wieder sagen: die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat bis zum heutigen Tag nicht nur gegen die Gesamtsumme im Haushalt gestimmt, sondern gegen jede einzelne Position. Unsere Soldaten hätten keine Patrone und keinen Hosenknopf, wenn es nach der Meinung des Herrn Herold und seiner Freunde gegangen wäre.
Wenn Sie, meine Damen und Herren, sagen, man könne ja aus politischen Gründen einen Haushalt ablehnen, nur weil einem der Minister nicht passe, dann darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie beim Arbeitsministerium für den Haushalt gestimmt und bloß ,den Antrag gestellt .haben, dem Minister das Gehalt zu streichen.
Beim Verteidigungshaushalt haben Sie den ganzen Haushalt abgelehnt. Daraus ist doch wohl zu schließen, daß Sie grundsätzlich für ,das Arbeitsministerium sind, aber nicht ebenso grundsätzlich für die Bundeswehr.
Schließlich, meine Damen und Herren, haben Sie gesagt, in Hamburg lehne die CDU den Schulhaushalt ab. Das wird sie tun, weil sie die Schulpolitik für schlecht hält. Aber Sie, meine Damen und Herren, haben doch in dein letzten zwölf Monaten einen Gesinnungswandel durchgemacht. Sie sind doch auf den Boden einer gemeinsamen — d. h. unserer —Außenpolitik getreten, wie Sie immer sagen.
Wer hat nun eigentlich recht behalten? Sie stimmen dagegen, obgleich Sie unsere Außen- und Wehrpolitik heute für gut halten müssen, wenigstens draußen in den Versammlungen.
Nun noch ein letzter Gedanke, ganz sachlich und haushaltsrechtlich, Herr Dr. Schäfer, weil Sie doch
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Dr. Jaegerein Haushaltsspezialist sind. Wie wollen Sie es eigentlich mit Ihrem Gewissen als Abgeordnete, die über den Haushalt und über das Geld unseres Volkes verfügen, vereinbaren, daß Sie einerseits den Wehrsold erhöhen, aber andererseits gegen die Position im Haushalt gestimmt haben, aus der der Wehrsold allein gezahlt werden kann?
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Merten, aber mit der Bitte an alle Mitglieder des Hauses, daran zu denken, daß wir mit den Vorlagen fertig werden müssen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme der Bitte des Präsidenten nach. Ich muß mich nur dagegen wenden, daß das Verhalten meines Kollegen Herold hier als illoyal bezeichnet worden ist; ich möchte nicht, daß das hier im Raum stehenbleibt. Wenn der Herr Dr. Jaeger den Antrag gelesen hätte, wüßte er, daß er nicht von Herrn Herold unterschrieben ist, sondern von Herrn Ollenhauer und Fraktion.
— Herr Herold hat hier im Auftrage der Fraktion gesprochen. Das hat mit seinem persönlichen Verhalten im Verteidigungsausschuß gar nichts zu tun. Herr Dr. Jaeger ist lange genug Vorsitzender des Ausschusses und Vizepräsident, um zu wissen, daß das Verhalten einzelner Fraktionsmitglieder im Ausschuß die Fraktion niemals bindet, sondern daß die Fraktion hinterher immer von dem, was in den Ausschüssen von ihren Mitgliedern gesagt worden ist, abrücken kann, was in diesem Fall geschehen ist.
Noch einmal: illoyal war das Verhalten des Kollegen Herold nicht. Er hat sich vielmehr vollkommen im Rahmen dessen gehalten, was seines Amtes war. Das hat gar nichts damit zu tun, daß er zufällig auch Berichterstatter über das Wehrsoldgesetz gewesen ist.
Keine weiteren Wortmeldungen; wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 954 zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Nr. 6, Art. 2, die Einleitung und die Überschrift. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Die zweite Beratung ist abgeschlossen. Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen, keine Anträge.
Wir kommen zur Abstimmung über das Gesetz im ganzen. Wer zustimmen will, möge sich erheben. - Gegenprobe! — Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir haben noch den Entschließungsantrag auf Drucksache 2942 zu erledigen. Herr Abgeordneter Döring, Sie sind Berichterstatter. Ich bitte Sie, Ihren Bericht zu erstatten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Mündlichen Bericht Drucksache 2942 liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU zur dritten Lesung des Haushaltsgesetzes — Einzelplan 14 — zugrunde. Es handelt sich dabei um die Entschließungsanträge auf den Umdrucken 793 und 834. Der Verteidigungsausschuß hat folgenden Antrag gestellt: Der Bundestag wolle beschließen, die Bundesregierung zu ersuchen, eine Verbesserung des Fahrkostenersatzes bei Familienheimfahrten von Wehrsoldempfängern vorzunehmen. In Ziffer 1 wird vorgeschlagen, bei einem Grundwehrdienst von 12 Monaten verheirateten Wehrsoldempfängern für sechs Besuchsfahrten — früher waren es nur vier — und ledigen Wehrsoldempfängern für drei Besuchsfahrten gegenüber zwei früher die Fahrkosten zu erstatten. Bei Wehrsoldempfängern, die einen Grundwehrdienst von sechs Monaten ableisten, sollen die Fahrkosten für eine Besuchsfahrt gewährt werden.
In Ziffer 2 beantragt der Ausschuß, daß überprüft werden möge, ob und in welcher Weise gegebenenfalls Besuchsfahrten für Wehrsoldempfänger verbilligt werden könnten.
Ziffer 3 dieses Antrags beantragt eine Änderung der Heilfürsorgebestimmungen dahingehend, daß Familienangehörigen von Soldaten, die in Lazaretten außerhalb ihres Wohnorts liegen, Reisekostenbeihilfen gewährt werden. Der Ausschuß war der Meinung, daß in solchen Fällen, wo infolge Lazarettmangels eine Verlegung eines Soldaten in ein Lazarett außerhalb seines Wohnorts durchgeführt werden muß, Erleichterungen für die Angehörigen geschaffen werden sollten. Das erschien auf Grund bisher gemachter Erfahrungen notwendig. Gedacht wurde sowohl an einen Fahrkostenersatz als auch an eine vertretbare Erstattung von Übernachtungs-
und Tagegeldern.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? —Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Drucksache 2942 zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Dieser Punkt ist damit erledigt.Wir kommen nunmehr nach der Vereinbarung der Fraktionen zum Bericht des Wehrbeauftragten. Das ist Punkt 72 der Tagesordnung:
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9670 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Vizepräsident Dr. SchmidBeratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verteidigung über den Jahresbericht 1959 des Wehrbeauftragten des Bundestages und über den Jahresbericht 1960 des Wehrbeauftragten des Bundestages (Drucksachen 1796, 2666).Berichterstatter sind die Herren Abgeordneten Paul und Probst . Sollen die beiden Berichterstatter den Bericht mündlich vortragen?
— Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verteidigungsausschuß hat anläßlich der Beratung des Jahresberichts des Wehrbeauftragten die Arbeit des Wehrbeauftragten gewürdigt und ihm für seine Tätigkeit den Dank ausgesprochen.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Der Antrag des Ausschusses — ich verlese ihn — lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Jahresberichte 1959 und 1960 des Wehrbeauftragten des Bundestages werden zur Kenntnis genommen.
Ich nehme nicht an, daß dies in jedem Jahr die Form der Erledigung der Berichte des Wehrbeauftragten sein wird und es so bleiben sollte. Wahrscheinlich hätten wir, wenn wir nicht am Ende der Periode ständen, der Tätigkeit des Wehrbeauftragten in unseren Beratungen mehr Zeit gewidmet, als wir es jetzt wohl können.
Ich glaube dies feststellen zu müssen; denn das Amt des Wehrbeauftragten ist ein hohes Amt und ein wichtiges Amt. — Dieser Punkt ist erledigt.
Nunmehr kommt Punkt 67:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Immunitätsangelegenheiten — betr. Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den Journalisten Siegfried Sommer gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 27. April 1961 (Drucksache 2872).
Wenn ich die Punkte so durcheinander aufrufe, so nicht nach Willkür, sondern nach dem Maße, das uns durch die Herren Geschäftsführer der Fraktionen zugemessen worden ist. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Zimmer. Ich bitte ihn, den Bericht zu erstatten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Antrag des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung betreffend Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den Journalisten Siegfried
Sommer in München hat den Ausschuß in seiner Sitzung von 16. Juni 1961 beschäftigt. Ihm liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Am 14. April dieses Jahres erschien in der Münchener Abendzeitung, die in einer ivw-1961-Auflage von 104 700 ,erscheint, unter dem Titel „Blasius der Spaziergänger" ein Artikel des Journalisten Siegfried Sommer alias Blasius. In diesem Artikel hat der Schreiber im Hinblick auf die kommenden Bundestagswahlen den Bundestag in unqualifizierbarer Weise in den Augen seiner Leser herabgesetzt.
Ausweislich der Akten hat noch am gleichen Tage der Präsident des Bayerischen Landtages fernmündlich die Angelegenheit mit der Strafverfolgungsbehörde in München erörtert. Diese hat am gleichen Tage gegen den Schreiber und die nach dem Impressum presserechtlich verantwortlichen Redakteure ein Ermittlungsverfahren gemäß §§ 185 und 194 des Strafgesetzbuches eingeleitet. Sie hat sodann die vorgesetzte Behörde gebeten, beim Bundestag anzufragen, ob Strafantrag gemäß § 194 gestellt werde, ungeachtet der Tatsache, daß die Strafverfolgung in diesem Falle von Amts wegen zu erfolgen hat.
Der Präsident des Deutschen Bundestages, dem die Vorgänge zugeleitet worden waren, hat den Ausschuß für Immunität und Geschäftsordnung aufgefordert, einen Beschluß darüber herbeizuführen, ob die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt werden solle. Nach den Erfahrungen, die in der Weimarer Republik gemacht worden sind, hat der Deutsche Bundestag allen Anlaß, Schmähungen und Herabsetzungen, gleich von welcher Seite sie kommen, rechtzeitig und entschieden entgegenzutreten. Angesichts der großen Verbreitung des inkriminierten Artikels und des erwähnten Umstandes des notwendigen Schutzes des Bundestages vor Verunglimpfungen hätte es deshalb nahegelegen, die erbetene Ermächtigung zu erteilen.
Dafür, daß der Ausschuß dem Hause trotzdem vorschlägt, eine Ermächtigung nicht zu erteilen, waren folgende Erwägungen maßgebend.
Erstens. Siegfried Sommer hat bereits am 15. April, also einen Tag nach Erscheinen des Artikels mit der Schmähung, an den Präsidenten des Bayerischen Landtags in einem längeren Schreiben, dessen Inhalt man mit „äußerst wehleidig" qualifizieren könnte, unter Bezugnahme auf eine frühere Straftat seinem tiefsten Bedauern über den Artikel vom 14. April Ausdruck gegeben.
Zweitens. Sommer hat dann am 19. April auf der Titelseite der Münchener Abendzeitung sich vor seinen Lesern für ,den Artikel entschuldigt und eine Ehrenerklärung abgegeben.
Angesichts dieser Tatsachen schien es dem Ausschuß angezeigt, seinerseits von einer Strafverfolgung abzusehen und die Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht zu erteilen.
Namens des Ausschusses bitte ich um Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag.
Da es sich nicht um eine Immunitätssache handelt, könnte an sich
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9671
Vizepräsident Dr. Schmiddas Wort in der Sache ergriffen werden. Es handelt sich um die Strafverfolgung gegenüber einem Nichtabgeordneten. Aber ich schlage vor, es nicht zu tun; denn es gibt gewisse Dinge, die man nicht anrührt.Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen angenommen.Wir kommen jetzt zu Punkt 22:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Drucksache 128),Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 2859, zu 2859) (Erste Beratung 8. Sitzung).Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Lange. Ich bitte ihn, seinen Bericht zu erstatten, soweit ein mündlicher Bericht erforderlich sein sollte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will meinen Bericht, der schriftlich vorliegt, nicht ergänzen, muß aber leider auf ein paar Druckfehler aufmerksam machen, die wir in der Drucksache 2859 berichtigen müssen, die sich in der Eile des Schnellschusses — so nennen wir das in der Druckerei — eingeschlichen haben.
In § 53 auf Seite 9 muß die Überschrift geändert werden; sie lautet: Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Bundesgerichtshof.
Auf Seite 14 ist in Abs. 2 von § 87 ,die Zahl 81 durch die Zahl 83 zu ersetzen.
Auf Seite 16 ist in Abs. 3 von § 98 ,die Zahl 94 durch die Zahl 95 zu ersetzen.
Auf Seite 17 — das ist nur eine Kleinigkeit — muß die in § 108 in Anführung gesetzte Bezeichnung „landwirtschaftliche Buchstelle" mit einem großen „L" beginnen.
Auf Seite 20 in § 119 muß der als Absatz 6 gekennzeichnete Absatz als Absatz 3 bezeichnet werden.
Das sind ,die notwendigen Ergänzungen, die ich zu dem Bericht zu geben habe.
Im übrigen bitte ich, entsprechend der Ausschußvorlage das Gesetz zu verabschieden. Damit werden wie bei der Wirtschaftsprüferordnung auch beim Steuerberatungsgesetz in der Bundesrepublik einheitliche Rechtsgrundlagen für die Beseitigung von Beschränkungen im freien Dienstleistungsverkehr und im Niederlassungsrecht innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geschaffen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich kann wohl, da keine Änderungsanträge vorliegen, §§ 1 bis 122 aufrufen, ebenso Einleitung und Überschrift. Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, der gebe das Handzeichen. —
Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einige Gegenstimmen. Darf ich nochmals abstimmen lassen: Gegenstimmen? — Drei. Enthaltungen? — Zwei. Ich schließe die zweite Beratung. Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird eine Erklärung zur Abstimmung abgegeben? — Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich diejenigen, die dem Gesetz ihre Zustimmung geben wollen, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Vier Gegenstimmen. Enthaltungen? — Zwei. Das Gesetz ist angenommen.
Wir müssen noch nach Ziffer 2 des Antrags die zu dem Gesetzentwurf eingegangen Petitionen für erledigt erklären. Ich nehme an, das Haus ist ohne Widerspruch einverstanden.
Nunmehr folgt Punkt 32 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesevakuiertengesetzes ,
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für
Inneres (Drucksache 2887)
.
Ich bitte Sie, Herr Abgeordneter Nieberg, Ihren Bericht zu erstatten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte mich darauf beschränkt, auf den Schriftlichen Bericht hinzuweisen, muß aber ergänzend zu diesem Schriftlichen Bericht bemerken, daß der Ihnen vorliegende interfraktionelle Antrag Umdruck 974, ohne in der Sache etwas ändern zu wollen, eingebracht wurde, weil das Bundesvertriebenenministerium auf einen besseren Wortlaut in Art. 1 Nr. 1 Buchstabe b besonderen Wert legte. Die Gründe, die zur Einbringung dieser Gesetzesänderung geführt haben, sind im Ausschuß behandelt worden und im Schriftlichen Bericht dargelegt. Mit Rücksicht auf unsere Geschäftslage kann ich darauf verzichten, im einzelnen auf die Gründe einzugehen. Ich darf bemerken, daß den berechtigten Wünschen der Evakuierten Rechnung getragen wird, wenn wir diesem Änderungsantrag zustimmen. Ich würde .es begrüßen, wenn das Hohe Haus den Anträgen des Ausschusses entspräche.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Dann rufe ich Art. 1 auf, — dazu den Änderungsantrag Umdruck 974. Es ist ein interfraktioneller Antrag; das Wort wird wahrscheinlich nicht gewünscht. — Wer diesem Antrag zustimmen will — ich wiederhole: Umdruck 974 —, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
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9672 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Vizepräsident Dr. SchmidArt. 1 in der nunmehr geänderten Fassung! Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Ich rufe auf Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Schluß der zweiten Beratung!Ich rufe zurdritten Beratungauf und eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Der Abgeordnete Dewald hat das Wort in der allgemeinen Aussprache.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist bereits zur Tradition geworden, daß sich der Bundestag am Schluß der jeweiligen Legislaturperiode der Evakuierten erinnert. So war es im ersten Bundestag, der das Bundesevakuiertengesetz in den letzten Tagen seiner Wahlperiode beschloß, so war es auch im zweiten Bundestag mit dem Ersten Änderungsgesetz, und heute stehen wir vor derselben Situation. Kurz vor Beendigung der Legislaturperiode wird das Zweite Änderungsgesetz zum Bundesevakuiertengesetz verabschiedet.
Wie der Berichterstatter bereits sagte, hat der Ausschuß für Inneres dieses Änderungsgesetz zum Bundesevakuiertengesetz einstimmig verabschiedet. Ich möchte ebenso wie der Berichterstatter die Bitte an Sie richten, dieses löbliche Beispiel nachzuahmen und hier im gleichen Sinn zu entscheiden.
Zweck des Zweiten Änderungsgesetzes — darüber möchte ich nur einige Worte sagen — ist, endlich eine brauchbare Grundlage über das Größenverhältnis des Evakuiertenproblems zu schaffen, damit unser Nachfolger, der vierte Bundestag, darangehen kann, durch entsprechende Maßnahmen dafür zu sorgen, daß er, wenn er an dem Punkt angelangt ist, an dem wir heute stehen, sagen kann: Es gibt kein Evakuiertenproblem mehr. Wenigstens ist das unser aller Hoffnung.
Für jene Evakuierten, die auf das Recht der Rückführung in ihren früheren Wohnort verzichten, weil sie die Rückkehr finanziell nicht verkraften können, Wohnungsschwierigkeiten haben oder sich an die Verhältnisse in ihrem Zufluchtsort gewöhnt haben, sieht das Zweite Änderungsgesetz die Betreuung am Zufluchtsort vor, wie sie den Evakuierten gewährt wird, die an ihren Ausgangsort zurückgekehrt sind. Sie erhalten also für den Verzicht auf die Rückführung ein kleines Ersatzrecht, bei dem der Fiskus sicher nicht schlechter fährt, als wenn diese Evakuierten auf ihrer Rückführung bestanden hätten.
Ich möchte meiner Genugtuung darüber Ausdruck geben, daß dieses Hohe Haus in Erkenntnis dieser Verhältnisse diesem Gesetz einstimmig zustimmt, um auf diese Art und Weise die Lösung des Evakuiertenproblems wieder einen Schritt vorwärtszubringen. Es ist Zeit dazu.
Wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über das Gesetz im ganzen. Wer der Vorlage zustimmen will, der möge sich von seinem Platz erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wer der Ziffer 2 des Ausschußantrages zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Meine Damen und Herren, nun kommt eine schwierige Aufgabe: Punkt 33:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Kühlthau, Frau Dr. Schwarzhaupt, Frau Pitz-Savelsberg, Berger, Brück, Hübner und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbeamtengesetzes ,
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache 2851)
.
Berichterstatter sind die Abgeordneten Matzner und Hübner. Sie haben sich die Arbeit geteilt. Herr Abgeordneter Matzner berichtet über die Art. I bis III und V bis VIII, der Abgeordnete Hübner berichtet über Art. IV. Das Wort zur Berichterstattung hat zunächst der Abgeordnete Matzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich mit dem Schriftlichen Bericht begnügen können, aber ich möchte noch etwas im Auftrage des Ausschusses nachtragen. Wir haben im Schriftlichen Bericht in der Begründung zu Art. I § 1 Nr. 2 a über die künftigen Zuwendungen bei Jubiläen etwas zu sagen. In der Begründung wird von 25 und 40 Dienstjahren gesprochen. Inzwischen ist uns aufgegangen, daß daraus vielleicht geschlossen werden könnte, daß bei einem 50jährigem Jubiläum eine solche Jubiläumszuwendung nicht gegeben würde. Ich möchte deshalb in diesem Sinne die Meinung des Ausschusses nachtragen, damit hier kein Irrtum entsteht.
Ich danke dem Berichterstatter. Will auch Herr Abgeordneter Hübner seinen Bericht noch mündlich ergänzen? — Das ist nicht der Fall. Dann treten wir in die zweite Beratung. Ich rufe auf Art. I, und zwar die Ziffern 1 bis 13 b; so weit liegen keine Änderungsanträge vor. Wer diesen Bestimmungen seine Zustimmung erteilen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist so angenommen.
Zu Ziffer 13 c liegt ein Änderungsantrag vor mit den Unterschriften Brück, Horn, Stingl, Kühlthau. — Bitte, Herr Abgeordneter Brück.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen den Änderungsantrag auf Umdruck 987 in der zweiten Lesung zurücknehmen. Ich möchte aber jetzt schon
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Brückbekanntgeben, daß wir diesen Antrag dann in der dritten Lesung stellen wollen. Wir nehmen ihn jetzt deshalb zurück, damit in der Verabschiedung des Gesetzes keine Schwierigkeiten eintreten.
Dann kommen wir zur Abstimmung über die Ziffern 13 c bis 13 h. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Zu Ziffer 13 i liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 986 vor. Wer begründet? — Frau Abgeordnete Vietje.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der im Umdruck 986 vorliegende Änderungsantrag ist aus einem besonderen Anliegen heraus gestellt worden. Er ist als eine Ergänzung zu der Novelle zum Bundesbeamtengesetz gedacht und umfaßt einen verhältnismäßig kleinen Personenkreis, der aber nicht übersehen werden kann, wenn man an eine Novelle des Bundesbeamtengesetzes herangeht. Es geht um die aktiven Beamtinnen, die, wenn sie verheiratet sind, aus dem Staatsdienst ausscheiden und deren Ehemann stirbt. Das ist der Personenkreis, der gemeint ist. — Dieser Antrag ist in seinem Gesamtbezug sehr maßvoll gehalten und enthält keine unberechtigten Forderungen; ich spreche jetzt nicht im Sinne des Beamtenrechts, sondern von dem Personenkreis her gesehen.Die verheiratete Beamtin, die aus dem Dienst scheidet, hat nach geltendem Recht ein Anrecht auf eine Abfindung. Sie kann auf die Abfindung verzichten und sie in eine Rente umwandeln lassen, die bei Dienstunfähigkeit oder bei Erreichung der Altersgrenze wirksam wird. Zu dieser Abfindung muß ich sagen, daß schon diese eine Sonderleistung ist, die nicht von vornherein mit den Grundsätzen des Berufsbeamtentums gegeben ist, wenn man dieses Recht formal auf Mann und Frau anwenden will. Die Abfindung ist von uns nur deshalb befürwortet und bejaht worden, weil hinter der verheirateten Beamtin die Familie steht. Um der Familie willen geht diese Frau aus ihrem Dienst und gibt damit die Anwartschaft auf erhebliche Sicherungen ihres Daseins auf. Sie gibt eine Versorgung für die ganze Zukunft auf, ausgenommen die Versorgung durch den Ehemann. Sie gibt das Anrecht ihrer Kinder, falls sie schon Kinder hat, solange sie im Beamtendienst steht, auf Waisengeld bei ihrem Tode auf. Sie gibt das Anrecht auf, das ihre Erben oder die ihr nahestehenden Verwandten auf das Sterbegeld haben. Sie gibt das Anrecht auf Beihilfen auf. Sie gibt jedwede staatliche Unterstützung, Hilfe und sonstigen Versorgungsanrechte auf.An sich ist das richtig so, und man kann diesem Grundsatz durchaus zustimmen, wenn es nicht gerade in der heutigen Zeit uns ein Anliegen sein müßte, der berufstätigen Frau, die verheiratet ist, einen starken Anreiz zu geben, um der Kinder, der Familie willen aus dem Dienst auszuscheiden. Diese hohe Aufgabe, die sie in der Familie erfüllt, würde mit dem Verzicht auf erhebliche Sicherungen ein großes Opfer fordern, das nur durch die Abfindung etwas ausgeglichen ist. Daher ist gerade in Beamtinnenkreisen der Wunsch entstanden, der früheren Beamtin beim Tode ihres Ehemannes eine größere Existenzsicherung zu geben, und zwar durch den Rechtsanspruch auf Neubegründung ihres Beamtenstatus. Falls rdie Frau nach dem Tode ihres Ehemannes keine Versorgungsbezüge erhielte, könnte sie unter Umständen völlig mittellos und ohne den geringsten Rechtsanspruch dastehen, da sie alles aufgegeben hat. Die Frau möchte dann unter Umständen gern in ihren Beruf zurückgehen. In der Praxis entstehen aber Schwierigkeiten, weil sie keinen Rechtsanspruch hat. Es kann sein, daß sie wieder im öffentlichen Dienst eingestellt wird; es kann aber auch sein, daß sie nicht genommen wird; es kann sein, daß sie als Angestellte im öffentlichen Dienst beschäftigt wird oder auch nicht. Es ist also völlig offen, ob und wie sie beschäftigt wird,Falls die Frau nicht wieder beschäftigt wird, hat sie nichts, auch kein Wiederaufleben ihrer Beamtenrechte. Diese Frau ist um ihrer Familie willen in eine Unsicherheit hineingegangen. Darum gebe man ihr einen Rechtsanspruch auf Wiedereinstellung als Beamtin. Mir ist völlig klar, daß der Antrag, vom Beamtenrecht her gesehen, nicht zu begründen ist. Er ist es aber mit Rücksicht auf den Personenkreis und auf die Familie der Beamtin, in die sie doch — von unserer Sicht her als wünschenswert betrachtet — zurückgehen möge. Deshalb sollte diese frühere Beamtin ein Anrecht auf Wiedereinstellung bekommen. Das ist die eine Seite des Antrages.Um für den Staat keine unzumutbare Auflage zu schaffen, ist eine Alternative für den Fall erforderlich, daß die Beamtin zehn Jahre im Dienst war und erhebliche dienstliche Widerstände, etwa fehlende Planstellen oder die Zurücksetzung anderer Beamter, deren Beförderung ansteht, gegen eine Einstellung sprechen. Man könnte sagen, es bestehe grundsätzlich für niemand ein Anspruch auf Einstellung, darum brauche die ausgeschiedene Beamtin nicht eingestellt zu werden. Für den Fall eines Widerstandes der Bbescehörde oder falls etwa die Unmöglichkeit einer Widerbeschäftigung in der Person der Frau selbst liegt — nehmen wir z. B. an, daß sie etwa für ihr Amt nicht mehr geeignet ist —, ist beantragt, daß sie einen Unterhaltsbeitrag in der Höhe der Versorgungsansprüche erhalten soll, die sie zwar aufgegeben hat, die sie sich aber durch ihre Dienstleistung erworben hätte, falls sie bei ihrem Ausscheiden Versorgungsbezüge bekommen hätte. Falls sie durch ,den Tod ihres Mannes Versorgungsbezüge erhält, so sollen diese angerechnet werden. Auch wenn sie irgendwelche anderen Bezüge von der öffentlichen Hand erhält, sollen diese angerechnet werden, gleichfalls die bei der Entlassung gezahlte Abfindung. Der Unterhaltsbeitrag wird also unerhört gering sein.Nach den Feststellungen, die ich gemacht habe — der Antrag bezieht sich nur auf Bundesbeamtinnen , ist der in Betracht kommende Personenkreis ganz klein. Aber der Antrag dient dem Schutz der Frau und auch familienpolitischen Tendenzen. Wir wünschen doch, daß berufstätige Mütter in die Familie zurückgehen. Hier ist der tiefste Grund für unseren Antrag zu suchen.
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9674 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Frau VietjeDie hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums werden mit diesem Antrag nicht verletzt. Ich verweise noch einmal auf meine Worte zu Beginn, daß bereits die Abfindung eine Sonderleistung sei und, ganz streng genommen, auch nicht mit den herkömmlichen Grundsätzen des Berufsbeamtentums übereinstimme. Ich verweise weiterhin auf die Bestimmung in § 152 des Bundesbeamtengesetzes, daß einer entlassenen Beamtin grundsätzlich Unfallfürsorge seitens des Staates gewährt werden kann. Auch da hat der Staat seine Fürsorgepflicht also zumindest in einer Kann-Bestimmung zum Ausdruck gebracht.Ich verweise auf alle diese Dinge, um zu kennzeichnen, daß man zwar sagen könnte, beamtenrechtlich ginge das nicht. Auch die jetzige Praxis ist für meinen Antrag positiv zu werten. So wird zum Beispiel die geschiedene Beamtin wieder als Beamtin eingestellt, einmal aus Personalmangel, zum anderen um der Frau zu helfen, ohne daß sie einen Rechtsanspruch hätte.Diese Frage ist von allen Seiten her zu beleuchten, um das menschliche Anliegen, das hier zugrunde liegt, zu sehen. Z. B. gibt man durch die Novelle der Beamtenwitwe, die zwar einen Rechtsanspruch auf Versorgungsbezüge hat, eine erhöhte bessere Rechtsstellung als bisher. Wenn man also diesen Frauen mit Rücksicht auf die menschliche Seite — und natürlich begründet vom Beamtenrechtlichen her — nun noch mehr gibt, als sie bereits haben, und zugleich den Personenkreis erweitert, dann müßte man doch auch dieses
Anliegen zumindest erkennen, das hinter dem Antrag steht: daß man einer Beamtin, die ihr Recht zwar aufgegeben, die aber in zehnjähriger Dienstzeit ihre Kraft im staatlichen Dienst eingesetzt hat, dafür von seiten des Staates einen Ausgleich gibt.Diese Dinge habe ich eigens mit angeführt, um die ganze rechtliche Seite — zumindest im großen und ganzen — und die menschliche Seite aufzuzeigen. Im übrigen hat auch der Staat ein Interesse daran, die frühere Beamtin wieder einzustellen, da der Personalmangel vielleicht noch lange nicht behoben sein wird.Ich möchte auch glauben, daß dieser Antrag gleichfalls die immer stärker werdende Tendenz verhindert, halbe Beamtinnenstellen zu schaffen. Diese Lösung ist beamtenrechtlich nicht gut, ja, sie ist gefährlich. Auch um dieser Tendenz entgegenzuwirken, ist dieser Antrag gestellt worden. Uns geht es hier um den Schutz der Frau, den Schutz der Familie, um die Erhaltung der Kraft der Frau und Mutter für die Kinder. Aus den hier angedeuteten Gründen bitte ich, diesem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kühlthau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Sie bitten, den Antrag
abzulehnen. Ich muß doch einmal die rechtliche Lage darlegen. Es handelt sich um eine Beamtin, die wegen Verheiratung auf eigenen Antrag aus ihrem Beamtenverhältnis ausscheidet. Entgegen der früheren Rechtslage braucht heute eine Beamtin, wenn sie heiratet, nicht auszuscheiden. Ob sie nach der Verheiratung ausscheidet, liegt in ihrer eigenen Entscheidung. Wenn sie das tut, bekommt sie entweder — und zwar nur auf ihren Antrag — nach geltendem Beamtenrecht eine Abfindung in Höhe des Soundsovielfachen des Monatsgehalts — die Höhe richtet sich nach dem Alter, nach der Zahl der Dienstjahre —, oder aber sie erhält, wenn sie die Abfindung nicht nimmt, Nachversicherung durch den öffentlichen Dienstherrn. Sie wird nämlich dann behandelt, als wenn sie nie Beamtin gewesen wäre, sondern Angestellte im öffentlichen Dienst, und der Dienstherr hat sie nach der Höhe ihres Gehalts für die ganze Zeit der Beschäftigung nachzuversichern, und zwar nicht nur mit dem Arbeitgeberanteil zur Angestellten- und zur Rentenversicherung, sondern auch mit dem Arbeitnehmeranteil. Also auch den Arbeitnehmeranteil hat der Dienstherr für die Beschäftigte, die natürlich nicht versicherungspflichtig war, zu entrichten.
— Es ist ja eine andere Frage, ob sie mit 60 Jahren Anspruch hat, Frau Dr. Bleyler, oder ob sie vorher dienstunfähig wird. Sie könnte auch vorzeitig sterben. Dann kriegen ihre Kinder sogar Waisenrente aus ihrer ehemaligen Versorgung, neben der Versorgung, die sie ja nun von ihrem Mann, den sie inzwischen geheiratet hat, bekommt. Entweder ist er Beamter; dann bekommt sie Witwenpension nach den beamtenrechtlichen Bestimmungen; oder er ist nicht Beamter, dann bekommt sie eine Witwenrente nach den allgemeinen rentengesetzlichen Bestimmungen.
Das ist der rechtliche Sachverhalt, und daran ist doch nicht vorbeizugehen. Die Nachversicherung wird also in vollem Umfang einschließlich der sonst von Arbeitnehmer zu tragenden Anteile vom Dienstherrn für die ganze Zeit ihrer Beschäftigung entrichtet.
Wenn ich Ihnen persönlich einen guten Rat geben darf: wenn mich jedenfalls eine Beamtin fragt und sie den Antrag auf Entlassung stellt, werde ich ihr dringend davon abraten, den Antrag auf Abfindung zu stellen. Sie soll unbedingt in die Nachversicherung gehen. — Bitte!
Glauben Sie denn, daß es gerechtfertigt ist, wenn Sie einer Beamtin, die ein selbsterworbenes Recht hat, ausscheidet wegen Verheiratung, beim Tode des Mannes einen geringeren Rechtsanspruch geben als einer Witwe, die kein eigenerworbenes Recht hat, sondern als Witwe eines Beamten eine Beamtenpension hat und die, nachdem sie wieder geheiratet hat, beim Tode des zweiten Ehegatten wieder auf die Beamtenpension zurückgreifen kann?
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9675
Frau Dr. Bleyler, ,es ist doch nicht zu bestreiten, daß sie aus eigenem Entschluß aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden ist. Ich hätte für die Argumentation von Frau Dr. Bleyler volles Verständnis, wenn die Beamtin wie früher zwingend mit der Verheiratung ausscheiden müßte. Dann wäre die Situation völlig anders. Wie viele verheiratete Beamtinnen gibt es, die im Dienst geblieben sind! Ich bitte doch, einmal den Schlußstrich darunter zu ziehen. Es fragt sich: Nachdem sie die Nachversicherung erhält, die sie unbedingt wählen sollte — raten Sie nur jeder ausscheidenden Beamtin dazu —, wie soll es dann in der Zukunft nun im Verhältnis zu diesem Antrag werden? Sie kehrt nach Ihrem Vorschlag praktisch in ihr früheres Beamtenverhältnis zurück, und die Nachversicherung ist ihr in vollem Umfang zugute gekommen, denn diese ist in dem Augenblick vorzunehmen, in dem die Beamtin aus dem Beamtenverhältnis ausscheidet, und sie kann ihr nicht wieder weggenommen werden.
— Nein, das wird nicht angerechnet; das steht hier zumindest nicht, sondern wenn sie wiederkehrt, dann hat sie ihre mit den alleinigen Leistungen des Dienstherrn aufgebaute Rentenversicherung, die ihr nicht wieder weggenommen werden kann, und aus ihrem neuen beamtenrechtlichen Verhältnis fängt nunmehr eine mögliche Eigenversorgung neu zu wachsen an.
Das ist der Tatbestand, meine Damen und Herren. Ich muß wirklich sagen, man kann nach meinem Dafürhalten diesem Antrag nicht zustimmen. Ich bitte, ihn wegen der grundsätzlichen Bedeutung abzulehnen.
Frau Abgeordnete Vietje hat das Wort.
Meine Damen und Herren, nur ganz kurz zu der letzten Ausführung, damit man Klarheit darüber bekommt. Die Lösung, die eben Herr Kühlthau vorschlug, statt Abfindung eine Rente zu wählen, ist natürlich möglich. Ich habe das eingangs im einzelnen kurz erwähnt. Damit ist aber dem Anliegen, das diesem Antrag zugrunde liegt, nicht entsprochen. Es geht um die Not der früheren Beamtin und ihrer Kinder, falls der Ehemann ohne Versorgungsansprüche für die Witwe stirbt. Und dann kommt die zweite Frage: Diese Rente tritt ja erst im Falle der Dienstunfähigkeit oder bei Erreichen der Altersgrenze ein und nicht dann, wenn sie mit ihrer Familie oder ihren Kindern in Not ist. Dieses Anliegen soll hiermit erfaßt werden, obwohl es von beamtenrechtlichen Grundsätzen her nicht ganz zu begründen ist, wie manches nicht in den beamtenrechtlichen Regelungen der letzten Jahre. So habe ich geglaubt, daß man, nachdem man das vielfach getan hat, auch in diesem Falle über beamtenrechtliche Bedenken ein wenig hinwegsehen könnte, um hier ein menschliches und ein familienpolitisches Anliegen zu erfüllen. Darum geht es uns. Wir möchten nicht, daß
die Frau zugleich Mutter, Hausfrau und Beamtin ist, und wir meinen, daß die Frau, die im Beamtendienst ist, leichter geneigt sein wird, um ihrer Familie willen aus dem Dienst auszuscheiden, wenn sie das Bewußtsein hat, daß sie nicht vielleicht in zwei, drei Jahren vor dem Nichts steht. Das ist der Gedanke, der diesem Antrag zugrunde liegt, und darum noch einmal meine Bitte, dem Antrag zuzustimmen.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Vietje, Frau Dr. h. c. Weber , Frau Dr. Bleyler, Frau Dr. Kuchtner und Genossen auf Umdruck 986. Wer diesem Antrag zustimmt, gebe bitte ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe dann auf Art. I § 1 Ziffern 13 j, — 13 k,
—14,-15,-18,-19a,-21,—§ 2, — Art. II, — Art. III. — Wer zustimmt, gebe bitte ein Zeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme!
Ich rufe auf Art. IV, dazu den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 957 . Das Wort hat ,der Abgeordnete Matzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann meine Begründung sehr kurz machen; denn die Frage, um die es sich hier handelt, ist allgemein bekannt. Sie wird auch all denen, die nicht im Ausschuß für Inneres angehören, noch in Erinnerung sein. Wir haben im Dezember 1960 bei Beratung ,des Zweiten Besoldungsänderungsgesetzes den Antrag gestellt, einen § 21 a in das Bundesbesoldungsgesetz einzufügen, durch den die Weihnachtszuwendung im Gesetz verankert werden sollte, von der man lange Zeit gesagt hat, sie widerspreche beamtenrechtlichen Grundsätzen. Im Dezember vorigen Jahres hat sich sogar schon die Bundesregierung zu der Anschauung bekannt, daß man die Frage beim Besoldungsänderungsgesetz, das für den nächsten Bundestag in Vorbereitung sein soll, prüfen und berücksichtigen wolle. Wir bitten Sie heute anläßlich der Verabschiedung dieser Novelle Drucksache 1630, schon jetzt den § 21 a einzufügen, der besagt, daß auch die Beamten, denen laufende Bezüge für den Monat Dezember eines Jahres in voller Höhe zustehen, eine Weihnachtszuwendung erhalten.
Warum bitten wir Sie heute darum, wo Sie ohnehin ,die Absicht haben, das in Zukunft zu tun? Weil wir die Möglichkeit schaffen möchten, daß die Beamten, die jahrelang im Gegensatz zu den anderen Beschäftigten keine Weihnachtszuwendung erhalten haben, schon im Jahre 1961 im Rahmen der Haushaltsmittel eine solche Weihnachtszuwendung erhalten. Ich möchte Sie deshalb sehr bitten, Ihren Standpunkt vom Dezember vorigen Jahres zu revidieren und unserem Antrag diesmal zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kühlthau.
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9676 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann dem Antrag Ihrer Fraktion, lieber Herr Kollege Matzner, nicht zustimmen. Wenn Sie sagen, wir möchten unsere Auffassung vom November vorigen Jahres revidieren, so glaube ich, daß man das heute um so weniger kann. Ich habe im November, als bei der Beratung der damaligen Besoldungserhöhung der gleiche Antrag vorlag, hier zum Ausdruck gebracht, daß an sich die Einführung einer Weihnachtsvergütung für Beamte nicht den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums entspreche, daß wir uns aber einer gesunden Fortentwicklung der sogenannten althergebrachten Grundsätze des Art. 33 des Grundgesetzes nicht widersetzen und deswegen zu einer Diskussion über diese Frage zur Verfügung stehen würden. Der Bundesinnenminister hatte schon vorher mitgeteilt, daß die Frage bei der bevorstehenden Novellierung des Bundesbesoldungsgesetzes geregelt werden sollte.
Inzwischen sind die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern in die Wege geleitet und werden gegen Spätherbst dieses Jahres zum Abschluß kommen. Bei dieser Gelegenheit wird diese Frage erörtert werden.
Ich darf dazu auch auf den Beschluß des Bayerischen Landtages aus der vorigen Woche verweisen. Der Landtag war im Prinzip bereit, eine Weihnachtsvergütung für die Beamten einzuführen, hat dann aber, eben wegen der eingeleiteten Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die Novellierung des Besoldungsrechts, zum Ausdruck gebracht, daß auch das Land Bayern eine solche Regelung nicht ohne Kenntnis und nicht ohne Abstimmung mit dem Bund und den übrigen Ländern vornehmen könne. Es liegt auf der Linie, zu versuchen, diese Frage bei den im Augenblick stattfindenden Verhandlungen zwischen Bundesregierung und Bundesrat zu klären. Um das nun auszudrücken und ausdrücklich zu unterstreichen — weil es oft und oft und immer wieder nicht verstanden oder nicht gehört wird —, haben wir zur dritten Lesung den Entschließungsantrag Umdruck 990 vorgelegt, die Bundesregierung zu ersuchen, bei der Vorbereitung der Besoldungsnovelle — die bis zum Spätherbst vorgelegt werden wird — die Frage der Einführung einer Weihnachtsvergütung für die Beamten zuvor zu prüfen und dort zu einer Klärung zu bringen.
Ich bitte, meine Damen und Herren, aus diesem Grunde, dem vorliegenden Antrag nicht zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Kollege Kühlthau, die CDU/CSU-Fraktion will auch heute wieder nichts tun, aber sie will so tun, als ob sie etwas tun wolle. Sie haben daher heute einen Entschließungsantrag eingebracht. Ich kann Ihnen nur sagen: der Entschließungsantrag ist völlig überflüssig. In der Drucksache 2244 hat die Bundesregierung bereits ausdrücklich erklärt, daß sie die Frage einer Gewährung von Weihnachtszuwendungen an den
genannten Personenkreis im Zusammenhang mit den Vorarbeiten für eine Novelle zum Bundesbesoldungsgesetz erneut prüfen will; gezeichnet: Dr. Schröder. Wenn Sie hier heute auf Umdruck 990 einen Entschließungsantrag einbringen, so wollen Sie sich nur um die klare Entscheidung erneut herumdrücken. Wir wollen aber heute Klarheit schaffen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 957 Ziffer 1. Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun ab über Art. IV und Art. V in der Ausschußfassung. Wer zustimmt, gebe ein Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 957 Ziffer 2 auf. — Herr Abgeordneter Matzner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube im voraus zu wissen, daß Sie diesem Antrag freundlicher gegenüberstehen. Es handelt sich — um es kurz zu machen — um die Tilgung der Disziplinarstrafen auch bei Beamten — nachdem sie bei Soldaten nach einer gewissen Zeit, nach drei Jahren, gelöscht werden können —, wenn sich der Beamte in dieser Zeit weder disziplinar- noch strafrechtlich etwas zuschulden kommen ließ. Ich bitte Sie, diese Gleichheit zwischen Beamten und Soldaten herzustellen und dem Antrag zuzustimmen.
Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Anliegen, das in dem Antrag der SPD enthalten ist, ist ohne Zweifel gerecht. Es wird wohl im vierten Bundestag eine grundlegende Novellierung der Bundesdisziplinarordnung erfolgen. Die ganze Frage hätte an sich bei Gelegenheit dieser Novellierung behandelt werden können. Man kann über die Zeit — drei Jahre oder fünf Jahre — reden. Aber nachdem Sie von der SPD diese Frage als Antrag vorgezogen haben, wird die CDU/CSU dem Antrag zustimmen.
Ich stelle den Änderungsantrag unter Ziffer 2 des Umdrucks 957 zur Abstimmung. Wer zustimmen will, der gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung angenommen.Ich rufe dann noch auf Art. 6, — Art. 7, — Art. 8, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9677
Vizepräsident Dr. DehlerWir kommen zurdritten Beratung.Allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht.In der Einzelberatung steht zur Behandlung der Änderungsantrag der Abgeordneten Brück, Horn, Stingl, Kühlthau und Genossen auf Umdruck 994 Ziffern 1 und 2. Wird der Antrag begründet? — Herr Abgeordneter Brück zur Begründung!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf dem Umdruck 994 haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt. Verzeihen Sie mir bitte, wenn ich etwas ausführlich darauf eingehe. In der Drucksache 2851 ist auf Seite 11 eine Entschließung enthalten, die der Bundestag jetzt annehmen soll und die verschiedene Punkte umfaßt. Der letzte Buchstabe der Nr. 3, Buchstabe c, sagt, die Frage der unterschiedlichen versorgungsrechtlichen Behandlung von Dienstunfall- und Dienstbeschädigung solle im Zusammenhang mit anderen Fragen geprüft werden.
Als dieser Entschließungsantrag formuliert wurde, war natürlich schon die Beschlußfassung in der Drucksache 2851 auf Seite 15 in der Ziffer 13 c Buchstabe b erfolgt. Ich möchte auf die Zusammenhänge im einzelnen nicht eingehen, weil ich das dann doch ausführlich anhand von Beispielen darstellen müßte.
Es dreht sich um den sogenannten Unfallausgleich. Wir haben im Ausschuß den Beschluß gefaßt, daß die Anrechnung beim Unfallausgleich gestrichen werden soll. Nun sind von der Sozialpolitik her Bedenken gekommen, und zwar deswegen, weil eine Neuregelung der gesetzlichen Unfallversicherung vorgenommen wird und diese Dinge im Zusammenhang gesehen werden müssen. Zumindest die Antragsteller sind nun der Meinung, daß man, wenn schon ein Entschließungsantrag vorgelegt und wahrscheinlich auch angenommen wird, dann nicht schon im voraus wieder Dinge präjudizieren solle, die einem nachher vielleicht Schwierigkeiten bereiten könnten. Man sollte nach Ansicht der Antragsteller den Beschluß des Ausschusses vorläufig rückgängig machen und diese Fragen alle miteinander im Zusammenhang genauestens überprüfen. Ich bitte Sie deshalb, dem Antrag Umdruck 994 Ihre Zustimmung zu geben.
Selbstverständlich müssen die Ziffern 1 und 2 im Zusammenhang gesehen werden, da das eine Folge des anderen ist. Wird der Antrag Ziffer 1 abgelehnt, erübrigt sich eine Abstimmung über Antrag Ziffer 2. Wird umgekehrt Antrag Ziffer 1 angenommen, Herr Präsident, dann ist auch automatisch Antrag Ziffer 2 angenommen. Das schiene mir sinnvoll zu sein.
Wir können also einheitlich über den Antrag abstimmen. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Brück, Horn, Stingl, Kühlthau und Genossen auf Umdruck 994 . Wer zustimmt,
gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über den Entwurf mit den soeben beschlossenen Änderungen. Wer dem Gesetzentwurf zustimmt, erhebe sich. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist bei einer Enthaltung, sonst einstimmig angenommen.
Zu verabschieden sind dann noch die weiteren Anträge des Ausschusses, Ziffern 2, 3 und 4. Kann darüber einheitlich abgestimmt werden? — Herr Kühn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der vorhin amtierende Präsident uns hinsichtlich der Erledigung von Gesetzentwürfen eine Belehrung erteilt hat, glaube ich mich doch genötigt zu sehen, den Antrag auf Drucksache 727 der FDP hiermit offiziell namens der Fraktion zurückzuziehen.
Können wir dann über die Ziffern 2, 3 und 4, die Anträge des Ausschusses, abstimmen? Wer diesen Anträgen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Wir haben noch über die Entschließungsanträge abzustimmen, zunächst Umdruck 958 und Umdruck 959. Herr Abgeordneter Wilhelm zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 958 möchte ich wie folgt begründen.Es ist bekannt, daß seit der Einführung der 45-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst inzwischen viele Gemeinden, Kreise, Länder und öffentlichrechtliche Körperschaften eine Regelung getroffen haben, nach der diese Arbeitszeit von 45 Stunden auf 5 Tage in der Woche verteilt wird. Es ist daher recht seltsam, daß der Bund bisher nicht bereit war, sich diesem Zuge der Zeit ohne triftige und überzeugende Gründe anzupassen. Als wesentlicher Grund wurde vorgebracht, daß die Dienststellen des Bundes an Samstagen wegen des Publikumsverkehrs besetzt sein müßten.
Ich bin der Meinung, daß diese Begründung nicht zu überzeugen vermag. Ich darf darauf hinweisen, daß der Publikumsverkehr unter allen Behörden bei den Gemeindeverwaltungen am stärksten ist, da die Bürger am engsten mit ihrer Gemeindeverwaltung verbunden sind und in ,den meisten Fällen örtliche Angelegenheiten zu erledigen haben. Darunter befinden sich Angelegenheiten des Standesamts, des Einwohnermeldeamts, des Bauamts, der Fürsorgeverwaltung, der Ortspolizeibehörde. Ich könnte die Beispiele endlos fortsetzen. Trotz dieser Tatsache, daß der Publikumsverkehr bei den Gemeindeverwaltungen aus diesen Gründen am stärksten und intensivsten ist, haben sehr viele kommunale Verwaltungen in der Zwischenzeit die 5-Tage-Woche einge-
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9678 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Wilhelmführt. Da sich die Einführung dieser 5-Tage-Woche bei den Gemeindeverwaltungen weitestgehend ohne Störungen eingespielt hat, bin ich der Meinung, daß es letztlich eine Frage der Organisation, eine Frage der Gewöhnung und der Erziehung auf allen Seiten ist.Ich möchte nur noch eine kurze Bemerkung machen, die ein anderes Land betrifft. Im Jahre 1936 wurde in Frankreich innerhalb von 2 Monaten die 40-Stunden-Woche, beschränkt auf 5 Tage, eingeführt. Damals kamen viele Proteste und viele Bedenken. Nachdem sie aber innerhalb der 2 Monate eingeführt war, hatte sie sich zu aller Zufriedenheit eingependelt. Das ist zwar ein Beispiel aus einem Vorgang im Ausland, es ist aber in dem Zusammenhang immerhin interessant und deutet bis zu einem gewissen Grade an, was mit gutem Willen möglich ist.Ich könnte eine Fülle von Gesichtspunkten anführen, aus denen sich ergibt, daß sich die 5-TageWoche für die Bundesbahnbediensteten günstig auswirken würde. Ich darf an die notwendige Entspannung erinnern, an die Sammlung neuer körperlicher und geistiger Kräfte, an das Problem der berufstätigen Frau im öffentlichen Dienst, an die auswärts Wohnenden — —
— Ich habe ja eben ausgeführt, daß der Publikumsverkehr bei den Gemeindeverwaltungen um ein Vielfaches größer ist als bei den Bundesdienststellen und daß bei den Gemeinden die 5-Tage-Woche bereits eingeführt ist. Sie können nicht bestreiten, daß dem so ist.Ich meine, diese Gründe genügen, um zu zeigen, daß die Einführung der 5-Tage-Woche möglich und im Interesse der Bundesbediensteten notwendig ist. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist der Auffassung, daß diese Tatsachen eine baldige Änderung der Haltung der Bundesregierung gebieten. Das ist letztlich nur eine Frage des guten Willens und der Einsicht. Ich darf Sie aus den vorgetragenen Gründen bitten
— Herr Kollege, Sie haben die Möglichkeit, von diesem Pult aus Ihre Meinung zu sagen; ich kann Ihre Zwischenbemerkungen leider nicht verstehen —, dem Entschließungsantrag Umdruck 958 Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Innenministerium.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wilhelm hat hier ein Idealbild der 5-Tage-Woche gezeichnet. Ganz so, Herr Abgeordneter Wilhelm, ist es nun wirklich nicht. Es ist durchaus zweifelhaft, ob die 5-TageWoche das Idealbild einer Arbeitswoche ist. Bei
Unterhaltungen mit den Betriebsangehörigen kann man es immer wieder feststellen. Sie müssen bedenken, die 5-Tage-Woche führt zwangsläufig dazu, daß an jedem Tag neun Stunden gearbeitet werden muß. Denken Sie an die Ladenschlußzeit, denken Sie an den Arbeitsbeginn usw.
Ich möchte aber nicht den Eindruck erwecken, als wenn die Bundesregierung sich dieser Frage nicht angenommen hätte. Die Bundesregierung hat diese Frage geprüft. Bisher hat sie den Zeitpunkt, nach dem Sie in Ihrer Entschließung fragen, noch nicht für gekommen erachtet.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der SPD auf Umdruck 958. Wer zustimmt, gehe Zeichen! — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 959. Das Wort hat der Abgeordnete Matzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Entschließungsantrag hat folgende Vorgeschichte. Wir haben im Jahre 1957 und auch später bei der Beratung der Novelle Drucksache 1630 im Ausschuß immer wieder beantragt, daß alle Ruhestandsbeamten in derselben Weise übergeführt würden wie diejenigen, die nach dem 1. April 1957 in den Ruhestand getreten sind. Wir wollten also auch ihnen die Änderungen des Besoldungsdienstalters zugute kommen lassen. Das ist im Jahre 1957 nicht geschehen. Weil wir vor dem Ende der Legislaturperiode standen und die ganze Besoldungsreform nicht gefährden wollten — es war zu erwarten, daß ,der Bundesrat Einspruch erhob —, haben wir darauf verzichtet. Aber wenn ich damals so klug gewesen wäre, wie ich heute bin, hätte ich niemals zugestimmt, auch auf die Gefahr hin, daß der Bundesrat Einspruch eingelegt hätte. Denn Sie wissen ganz genau, daß uns damals immer und immer wieder gesagt wurde: Diese pauschale Überleitung genügt für den Regelfall; ja, wir geben sogar noch bei manchen Gruppen 10 v. H. darauf, und damit sind sie vielleicht sogar besser dran. — Ich habe es geglaubt, ich sage es Ihnen ganz offen; denn ich bin ja nicht in der Lage, diese komplizierten Dinge nachzuprüfen. Und was stellt sich jetzt heraus? Anläßlich der Verabschiedung dieser Novelle 1630 haben wir uns zu einem halben Schritt entschlossen. Wir haben nun eine spitze Überleitung ohne die Berücksichtigung der Veränderung hinsichtlich der Hebung von Beamtengruppen eingeführt. Und was rechnet uns das Finanzministerium aus? Diese spitze Überleitung kostet annähernd 100 Millionen DM jährlich. Was bedeutet das? Daß wir in den Jahren 1957 bis 1961 diese Beamtengruppen um jährlich 100 Millionen geschädigt haben. Das muß man klar heraus sagen, denn sie hätten vier Jahre den Genuß dieser höheren Bezüge gehabt.
Dazu ist noch zu sagen, daß es sich hierbei in der überwiegenden Mehrzahl um Beamte des einfachen Dienstes handelt. Was den Bund betrifft, sind Ver-
Matzner
änderungen in den Besoldungsstufen und Besoldungsgruppen in der Mehrzahl bei Bahn und Post, und zwar bei Schaffnern und Oberschaffnern, vorgekommen. Das sind die Beamtengruppen mit dem niedrigsten Einkommen. Deren Ruheständler hat man um diese Beträge geschädigt.
Ich möchte es deshalb heute dankbar begrüßen, daß wir das nachholen. Ich bin nicht gewohnt, Vergangenem nachzutrauern, obwohl es hier wirklich bedauerlich ist, daß wir damals diesen Beschluß nicht gefaßt haben. Aber ich glaube, es ist der Augenblick gekommen, noch einen Schritt weiterzugehen, nämlich auch die sogenannten strukturellen Verbesserungen heute zu berücksichtigen. Deshalb haben wir uns zu dem Weg einer Entschließung durchgerungen. Wir sind nämlich überzeugt, daß, wenn wir den § 48 in dieser Stunde hätten ändern müssen, es ein sehr schwieriges Unternehmen geworden wäre. Vielleicht wäre auch manches in dem Gesetzestext passiert, was wir nicht wollen. Deswegen hoffen wir, Ihre Zustimmung zu finden, wenn wir in einer Entschließung beantragen, die Bundesregierung zu ersuchen, bei der zukünftigen Novelle zum Besoldungsgesetz diese Frage noch einmal gründlich zu prüfen. Ich glaube, daß es möglich ist, das zu tun.
Um Ihnen diesen Entschluß der Zustimmung leichter zu machen, möchte ich folgendes sagen. Das hauptsächliche Argument, das immer wieder gegen ein solches Unternehmen angeführt wird, ist: Das widerspricht beamtenrechtlichen Grundsätzen; denn der Beamte kann nur die Ruhebezüge nach der Dienststellung bekommen, in der er zuletzt war. Ich möchte sagen, daß wir in außergewöhnlichen Zeiten gelebt haben und daß gerade in jenen Jahren, für die wir die Rückwirkung durchsetzen wollen, außergewöhnliche Zustände geherrscht haben. Ich will auf die ähnlichen Fälle in Ländern und Gemeinden, die heute schon die unbedingte Freiheit haben, dasselbe für ihre Beamtengruppen zu tun, nicht eingehen. Aber wenn wir dies im Bund berücksichtigen, so müssen wir wieder an die kleinen Beamten der Post und Bahn denken. Haben denn diese seit 1957 eine veränderte Aufgabe? Wir haben hier bei denen nur etwas nachgeholt, was wir nicht früher tun konnten. Der Beamte vom Jahre 1946/47 und auch im Krieg und vorher bis 1936 zurück hatte die gleiche Aufgabe, ja vielleicht unter erschwerteren Umständen als heute. Deswegen zieht das nicht. Das kann im allgemeinen bei späteren Änderungen ziehen, wenn man darangeht, die Beamtengruppen umzustufen, weil sie eine andere Aufgabe bekommen haben. Hier langt das aber nicht als Ablehnung. Deswegen möchte ich Sie bitten, die Bundesregierung wenigstens mit uns zu ersuchen, diese Frage erneut zu prüfen. Sie vergeben sich damit nichts. Wir haben dann immer noch die freie Entscheidung bei dieser Novelle, und ich hoffe, daß bis dahin eine bessere Einsicht eingetreten ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Kühlthau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Matzner, wenn das, was Sie gesagt haben, in Ihrem Antrag stünde, könnte man darüber reden. Sie haben nämlich gesagt, daß die Bundesregierung aufgefordert werden sollte, dieses Problem zu prüfen. In Ihrem Antrag steht aber: Die Bundesregierung wird ersucht, bei der erwarteten Vorlage der Novelle zum Bundesbesoldungsgesetz eine Überleitung usw. vorzusehen.
— Augenblick mal! Der Wortlaut, Herr Kollege Matzner, zwingt doch die Bundesregierung, sobald die Novelle kommt, einen neuen § 48 vorzulegen, der diesen Voraussetzungen entspricht. Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich nicht in der Lage, den Antrag zu unterstützen.Weil aber das Problem der sogenannten strukturellen Überleitung der Versorgungsempfänger Ihnen allen dann und wann, wahrscheinlich häufiger, als Ihnen angenehm gewesen ist, begegnet ist, scheint es mir doch notwendig zu sein, einmal die Gründe darzulegen, die uns veranlaßt haben, diese sogenannten strukturellen Verbesserungen für den Bundesdienst nicht vorzunehmen.Ich darf zunächst darauf hinweisen, daß gegen § 48 des Bundesbesoldungsgesetzes Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe anhängig gemacht worden sind. Die eine stützte sich auf den Einwand, der Gleichheitsgrundsatz sei verletzt. Der Pensionär, der seit dem 1. April 1957 in den Ruhestand getreten sei, erhalte eine andere Pension als der, der bis zum 31. März 1957 in den Ruhestand getreten sei. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes hat das Bundesverfassungsgericht nicht festgestellt. Die andere Verfassungsbeschwerde ist darauf gestützt worden, daß angeblich die althergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums verletzt seien. Auch das hat das Bundesverfassungsgericht verneint.In einem anderen Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht ganz im Gegensatz dazu festgestellt — es handelt sich um das Urteil zum Beförderungsschnitt —, daß althergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums die Errechnung der Pension aus dem letzten verdienten aktiven Gehalt sei. Der Beförderungsschnitt in § 110 des Bundesbeamtengesetzes ist ausdrücklich für verfassungswidrig erklärt worden, weil eine Bestimmung, die vorsehe, daß die Berechnung der Pension nicht aus dem letzten aktiven Gehalt erfolge, gegen die althergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums verstoße.Das ist keine Frage der Verfassungsmäßigkeit, das ist die Frage, ob § 86 des Bundesbeamtengesetzes ausgefüllt ist. § 86 ,des Bundesbeamtengesetzes sagt, daß, wenn die Besoldung der Beamten allgemein oder für einzelne Laufbahngruppen verändert wird, die Versorgungsempfänger daran entsprechend zu beteiligen sind. Allgemeine Verbesserungen sind also den Versorgungsempfängern auch einzuräumen. Das haben wir getan, soweit es sich um den Ortszuschlag gehandelt hat; das haben wir9680,Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Kühlthaugetan beim beamtenrechtlichen Kindergeld, und das ist vor allem gemacht worden durch Ihren Beschluß in bezug auf die Verbesserung beim Besoldungsdienstalter. Herr Kollege Matzner hat auf die sogenannte spitze Überleitung hingewiesen. Diese allgemeinen Verbesserungen des Besoldungsrechts von 1957 sind damit restlos den Versorgungsempfängern zugute gekommen.
— Nach 3 Jahren, sehr richtig! Ich gebe Ihnen voll und ganz recht, Herr Matzner. Vielleicht hätte man es sich überlegt, wenn man damals schon die finanzellen Konsequenzen der Überleitung gesehen hätte. Ich darf für mich in Anspruch nehmen — ich glaube, der Letzte der Mohikaner gewesen zu sein —, schon damals das bis zum letzten Augenblick verteidigt zu haben, was Sie jetzt beschlossen haben. Ich habe mich dem damals gefaßten Beschluß— ich mache daraus keinen Vorwurf; dais ging so im Drange der Ereignisse vor sich — nicht angeschlossen, wie Ihnen bekannt ist. Es dreht sich darum, ob auch die sogenannten besonderen Verbesserungen den Pensionären zugute kommen sollen. Das heißt: Da bestimmte einzelne Beamtengruppen in der Besoldungsordnung 1957 in eine höhere Besoldungsgruppe übergeführt worden sind, geht es hier um die Frage, ob nun auch die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes, vor dem 1. April 1957 pensionierten Versorgungsempfänger in die höhere Besoldungsgruppe übergeführt werden sollen. Das, meine Damen und Herren, ist das Problem.Wir haben die Verbesserung für den Bundesdienst abgelehnt. Das spielt im Bundesdienst, wie Herr Kollege Matzner zutreffend sagte, nur eine Rolle beim Schaffnerpersonal von Bahn und Post und bei einigen besonderen Dienstgraden bei der Bundeswehr. Wenn dann von Herrn Matzner der Hinweis auf dein kleinen Beamten kam, so darf ich doch einmal darauf hinweisen, daß wir vorhin zunächst einmal die Mindestversorgung grundlegend angehoben haben. Gerade diese durchgreifend angehobene Mindestversorgung kommt den Beamten des einfachen Dienstes zugute, und deshalb war sie mir ein dringliches persönliches Anliegen. Wir haben außerdem vorhin einen in den Beratungen des Innenausschusses sehr umkämpften Beschluß gefaßt, Herr Kollege Matzner, über die Höherziehung des Ortszuschlages für die Versorgungsempfänger, die Ausrichtung ihres Ortszuschlages nach dem tatsächlichen Wohnsitz, Alle Pensionäre in der Ortsklasse S wie auch in Ortsklasse B beziehen zur Zeit den Ortszuschlag der Ortsklasse A. Nunmehr werden sie alle ab 1. Oktober in die Ortsklasse S übergeführt.Das sind zwei wesentliche Verbesserungen, meine Damen und Herren. Das, was hier zur Debatte steht, sind wirklich — dieser Einwand wird wahrscheinlich jetzt von dem Kollegen Matzner kommennur sehr kleine Beträge, von den Angehörigen des Schaffnerpersonals von Bahn und Post einmal abgesehen. Wir haben aber aus folgender Überlegung geglaubt, das im Innenausschuß ablehnen zu sollen, und wir bleiben bei dieser Auffassung auch hier andieser Stelle: Im Bundesdienst sind im besonderen Maße besoldungsmäßige Verbesserungen für einzelne Beamtengruppen nicht dadurch erfolgt, daß die Beamten in höhere Besoldungsgruppen übergeführt worden sind, sondern auf dem Wege einer durchgreifenden Verbesserung des Stellenkegels. Wir haben bestimmte Besoldungsgruppen neu eingerichtet, beispielsweise den Hauptsekretär im mittleren Dienst. Wir haben Haushaltszulagen für bestimmte Beamte eingeführt. Gerade in den letzten Tagen — und das gehört noch dazu — fiel mir ein Blatt aus dem Informationsdienst des Deutschen Beamtenkartells in die Hand. Darin wird — und das ist sehr bezeichnend — einmal zusammengestellt, wie sich bei der Bundesbahn die Zahl der Stellen den einzelnen Besoldungsgruppen an der einen Stelle vermindert und an der anderen Stelle erhöht hat. Da falle ich direkt über eine Zahl: 61 Bahnwärterstellen der Besoldungsgruppe A 1 sind in 61 Oberbahnwärterstellen der Besoldungsgruppe A 2 umgewandelt worden. Meine Damen und Herren, die Pensionäre werden daran nicht beteiligt; denn die Bahnwärter, die im Ruhestand wind, bleiben Bahnwärter der Besoldungsgruppe A 1. Sie können ja nach ihrer Zurruhesetzung nicht Oberbahnwärter werden. Hier gibt eis eine ganze Zusammenstellung bis hin zum höheren Dienst, die das sehr nachdrücklich unterstreicht. Aus all diesen Gründen sind wir der Meinung, daß wir die strukturellen Verbesserungen nicht durchführen können.Ich darf noch einige abschließende Worte sagen. Dieses Problem ist noch von einer ganz anderen Seite her sehr bedeutsam. Es handelt sich in besonderem Maße um Landesbedienstete, die von dieser Regelung berührt werden, um Richter und Staatsanwälte, um alle Lehrpersonen und die Polizei. Das sind Landesbedienstete. Dem Bundestag ist auch vorgehalten worden, er habe in dieser Frage den Schwarzen Peter den Ländern zugeschoben. Das trifft nicht zu. Von Anfang an hat schon der damalige Beamtenrechtsausschuß bei den Beratungen im Einvernehmen mit der Bundesregierung erklärt — das ist auch jetzt in dem Bericht des Berichterstatters ausdrücklich festgestellt worden —, daß die maßgebliche Vorschrift des Beamtenrechtsrahmengesetzes, § 50 Abs. 2, die Länder nicht hindert, wenn Sie wollen, eine günstigere Regelung zu treffen. Darüber bestanden auch jetzt im Innenausschuß keine Meinungsverschiedenheiten.Wir können also das Problem der Überleitung der Lehrer, der Richter und Staatsanwälte und der Polizeibeamten — und das ist das eigentliche Problem — hier durch den Bundesgesetzgeber überhaupt nicht ordnen. Eine Regelung in § 48 würde nur die Bundesbediensteten berühren und nicht die Landesbediensteten. Ebensowenig könnten wir, wie gesagt, unsererseits die Länder zwingen, eine bestimmte Regelung so oder so zu treffen.Im übrigen bin ich davon überzeugt, daß dieses Thema im Rahmen der Besoldungsnovellierung im Herbst dieses Jahres wieder völlig neu auf uns zukommen wird. Das wird nie aus der Welt sein, solange diese Unterschiede bestehen. Ich bestreite nicht, daß es in gewissem Umfang verständlich ist,Kühlthauwenn sich die Betroffenen damit nicht abfinden wollen. Denn bei Lehrpersonen z. B. gibt es Differenzen von 120 bis 170 DM pro Monat, je nachdem, ob die Pensionierung vor ,dem 1. April 1957 oder nach diesem Tag erfolgte.
— Ja, die denselben Dienst gemacht haben.Aus allen diesen Gründen bitte ich Sie, dem Entschließungsantrag der SPD nicht zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Matzner.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur ein paar kurze Worte noch einmal zu diesem Entschließungsantrag selbst. Wir möchten nochmals bitten — zumindest einige von Ihnen — diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. Was Herr Kühlthau gesagt hat, krankt an einer bestimmten Stelle. Er hat allgemein gesprochen, und ich habe allgemein diesen Grundsatz nicht verleugnet. Ich habe ausdrücklich gesagt, daß man in Zukunft im Verlauf von ruhigen Zeiten Beamtengruppen nur dann heben wird, wenn sie eine andere Aufgabe bekommen.
Aber das ist hier nicht der Fall gewesen. Hier handelt es sich — verzeihen Sie mir das Wort — um eine Wiedergutmachung für die Leute, die man lange auf so etwas hat warten lassen. Herr Kühlthau hat es mir gütigerweise vorweggenommen, daß es sich hier gerade wieder um unsere tüchtigen Beamten des einfachen Dienstes handelt, wobei diese Erhöhung meistens nur 10,— DM beim Endgrundgehalt, abgesehen von den jetzigen prozentualen Erhöhungen, beträgt. Das bedeutet doch nur, wenn es auch für den Bund eine gewisse Auslage ist, eine bestimmte Anerkennung für die Leute, die ihr Leben lang ihren Dienst geleistet haben. Wir bleiben bei diesem Entschließungsantrag und bitten Sie, ihm zuzustimmen.
Ich habe aber noch etwas anderes zu sagen. Herr Kollege Kühlthau hat eine ganze Reihe von Verbesserungen beantragt. Ich möchte nun keine Lorbeeren für uns ernten, sondern feststellen, daß die Verbesserungen in der heutigen Höhe ein gemeinsamer und einheitlicher Beschluß aller Fraktionen waren, damit da nicht ein falscher Eindruck aufkommt. Ich will jetzt nicht von § 160 a sprechen. Ich könnte dazu sprechen, tue es aber nicht. Wir sind allen, die uns im Ausschuß geholfen haben, daß der § 160 a nicht in überstürzter Weise durchgeführt wird, dankbar.
Wenn Sie schon wissen, daß wir dieses Problem im Jahre 1962 lösen müssen, dann beauftragen wir doch die Bundesregierung — deswegen habe ich den Ausdruck „prüfen" gebraucht —, die Sache nochmals zu prüfen. Wir erwarten aber von der Bundesregierung, daß sie endlich diese Haltung aufgibt und auch für die Ruheständler, die in außergewöhnlichen Zeiten denselben Dienst getan haben, diese Überleitung vornimmt. Wir verstehen nämlich unter der
Ausführung dieses Paragraphen, Herr Kühlthau, daß das Wort „entsprechend" vollinhaltlich angeführt wird. Das entspricht dem, was wir uns unter der Regelung der Ruhegehälter vorstellen; denn es handelt sich nicht — ich wiederhole das — um eine Hebung von Beamtengruppen, weil sie einen anderen Dienst taten, sondern weil diese Hebung jahrelang nicht durchgeführt werden konnte.
Wir stimmen ab über den Entschließungsantrag der SPD Umdruck 959. Wer zustimmt, der gebe bitte das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Heute morgen wurde der Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse des unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen, Drucksachen 2046, 2852, verabschiedet. Der Ausschußvorsitzende macht darauf aufmerksam, 'daß bei der Verabschiedung von Art. 1 Nr. 13 des Änderungsgesetzes übersehen wurde, in § 36 Abs. 1 des 131er-Gesetzes den in Art. 1 Nr. 10 a des Änderungsgesetzes neu geschaffenen § 31 zu berücksichtigen und nach § 29 die Zahl 31 einzufügen. Nach Mitteilung des Ausschußvorsitzenden handelt es sich um eine zwingende redaktionelle Berichtigung. Ich nehme an, daß das Haus mit der Berichtigung einverstanden ist. — Ich stelle das fest.
Ich komme nochmals zurück auf die dritte Beratung des Gesetzes zur Änderung des Bundesbeamtengesetzes. Dazu liegt noch der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 990 vor. Ich ging davon aus, daß er erledigt gewesen sei, Herr Abgeordneter Kühlthau.
— Der Antrag besteht also zu Recht. Dann rufe ich ihn auf und stelle ihn zur Abstimmung. Wer diesem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 990 zustimmen will, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe dann auf Punkt 35 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Krone, Lenz und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (Drucksache 2779)
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache 2908)
.
Der Bericht der Frau Abgeordneten Renger liegt vor. Ich danke der Berichterstatterin.
Wir können in die zweite Lesung eintreten. Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Bestimmungen zu-
Vizepräsident Dr. Dehler
stimmen will, .gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur
dritten Lesung.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst die verehrten Kolleginnen und Kollegen des Hauses auf den Bericht in Drucksache 2908 aufmerksam machen, wonach der Antrag in der Schlußabstimmung im Ausschuß mit knapper Mehrheit bei zahlreichen Enthaltungen angenommen worden ist.
Meine Damen und Herren, das sagt Ihnen sehr deutlich, daß hier ein Antrag schnell verabschiedet werden soll, dem man nach meiner Meinung nicht ohne weitere Prüfung zustimmen kann. Der Antrag ist erst am 31. Mai dieses Jahres an den Ausschuß für Inneres überwiesen worden. Er hat bei den Antragstellern viele Monate gelegen. Er ist aber so spät eingereicht worden, daß eine wirklich ordnungsgemäße Prüfung gar nicht mehr möglich war.
Sämtliche Bundesländer haben 1950 oder 1951 einheitlich die Verwaltungsvorschriften dahin gehend geändert, daß sie sich gegen das Begehren der Antragsteller wenden. Ich sage wohl nicht zuviel, wenn ich meine, daß der Deutsche Bundestag in einer solchen Sache nur dann entscheiden sollte, wenn die Bundesländer die Möglichkeit gehabt haben, ihre Rechtsauffassung zu dieser Vorlage, die sie als Länder dann durchzuführen haben, vorzutragen.
Das war nicht möglich.
Die Vorschriften sind zwölf Jahre von den Ländern so gehandhabt worden. Sie werden jetzt auch noch einige Monate so laufen können, bis eine Überprüfung möglich ist. Der Deutsche Bundestag muß viele, leider sehr viele dringliche nicht zuletzt sozialpolitische Gesetzesvorlagen am Ende der Legislaturperiode liegenlassen und kann sie nicht mehr verabschieden. Ich möchte meinen, wir sollten nicht dazu beitragen, daß es im Lande heißt, ein solches Gesetz sei aber noch in letzter Stunde verabschiedet worden. Meine Fraktion wird der Vorlage unter diesen Umständen nicht zustimmen.
Herr Abgeordneter Kühlthau hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf für die Antragsteller bitten, dem Ausschußbeschluß zuzustimmen. Wir glauben, daß ein berechtigtes Anliegen vorliegt. Wenn jemand durch die Gesetzgebung seines Heimatstaates gehindert ist, seinen alten Namen zu tragen, und er inzwischen wieder in Deutschland eingebürgert ist, sollte er das Recht haben, den Antrag zu stellen, ihm seinen alten Namen mit der Adelsbezeichnung wieder zu verleihen. Der Inhalt
des Gesetzes besagt lediglich, daß festgestellt wird, daß dieser Grund ein wichtiger Grund im Sinne des Gesetzes ist, daß aber die Verwaltungsbehörden über solche Anträge nach eigenem Ermessen zu entscheiden haben.
Herr Abgeordneter Kühlthau, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke?
Bitte!
Herr Abgeordneter Kühlthau, sind Sie nicht der Meinung, daß dann auch die Frage der in der Bundesrepublik lebenden Österreicher auftaucht, bei denen dieselben Verhältnisse vorliegen?
Herr Kollege Rutschke, dieser Wortlaut schließt die Osterreicher aus. Der Antrag ist bewußt von den Antragstellern so abgefaßt worden. Es kommt also nur der hier angesprochene Personenkreis in Frage. Ich darf noch einmal unterstreichen, daß die vorgeschlagene Gesetzesänderung lediglich den Zweck hat, in dem Namensgesetz festzulegen, daß ein damit begründeter Antrag ein Antrag mit einem wichtigen Grunde ist, der die Vorlage des Antrages überhaupt rechtfertigt. Dann hat die zuständige Verwaltungsbehörde im Rahmen ihres allgemeinen Ermessens zu entscheiden, ob dem Antrag zugestimmt werden kann oder nicht. Ich darf Sie namens der Antragsteller und auch in Übereinstimmung mit dem zwar knappen, aber doch zustande gekommenen Mehrheitsbeschluß des Ausschusses für Inneres bitten, dieser Vorlage zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So einfach, Herr Kollege Kühlthau, wie Sie die Dinge dargestellt haben, sind sie nun einmal nicht. Es liegen eine Reihe rechtskräftiger Entscheidungen von Gerichten vor. Diese Frage müßte mit den Bundesländern, die eine einheitliche Rechtsauffassung vertreten haben, geklärt werden. Wenn der Rechtsausschuß mitberaten hätte, wäre die Sache nicht abschließend entschieden worden, weil gerade diese Fragen in dem Gesetz hätten ihre Berücksichtigung finden müssen.
Ich finde, wir sind es uns schuldig, daß wir dieses Gesetz ablehnen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz zustimmen will, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Es besteht Unklarheit; wir müssen auszählen. —Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Mit Ja haben 153, mit Nein 134 Mitglieder des Hauses gestimmt; enthalten haben sich 8 Mitglieder des Hauses. Damit ist das Gesetz angenommen.
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Vizepräsident Dr. DehlerIch rufe auf Punkt 36 der Tagesordnung:Zweite Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jaeger, Merten, Lenze , Matzner und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (Drucksache 1990),Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache 2888)
.
Hierzu liegt der Schriftliche Bericht des Herrn Abgeordneten Matzner vor. Ich danke Herrn Abgeordneten Matzner ,für seinen Bericht. Wird eine Ergänzung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
— Meine Damen und Herren, darf ich bitten, die Plätze einzunehmen und Ruhe zu halten.Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Antrag des Ausschusses lautet auf Ablehnung des Gesetzentwurfs. Ich rufe auf Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer dem Entwurf des Gesetzes zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. — Gegenprobe! —
— Darf ich bitten, doch dem Geschäftsgang zu folgen. Ich habe den Punkt 36 aufgerufen: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes.
— Ich glaube, das Haus sollte leiser sein, das wäre erforderlich. — Ich wiederhole die Abstimmung. Wer dem Gesetz zuzustimmen wünscht, den bitte ich, ein Zeichen zu geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —Ich wiederhole noch einmal die Abstimmung. Ich bitte diejenigen Mitglieder des Hauses, die dem Gesetz zustimmen, sich zu erheben. — Gegenprobe!— Enthaltungen? — Das Gesetz ist in der zweiten Beratung mit Mehrheit abgelehnt. Damit entfällt eine weitere Beratung.Ich rufe auf Punkt 37 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung von Verbrauchsteuergesetzen und des Umsatzsteuergesetzes an das Zollgesetz (Drucksache 2763),Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 2850)
.
Es liegt der Schriftliche Bericht des Herrn Abgeordneten Krammig vor. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Ergänzung wird nicht gewünscht.Wird das Wort in der Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen dann zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2 entfällt, — Art. 3, — Art. 4, - Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe ein Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz zustimmt, erhebe sich. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme des Gesetzes fest.Ich rufe auf Punkt 38 der Tagesordnung:a) Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kaffeesteuergesetzes und des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Kaffesteuer ,Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 2862)
;
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Teesteuergesetzes und des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Teesteuer
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 2863),
.
Zu a) und b) liegen Schriftliche Berichte des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt vor. Ich danke dem Herrn Abgeordneten für die Berichte. Das Wort zur Ergänzung wird von dem Herrn Berichterstatter nicht gewünscht.Das Wort in der Aussprache hat Frau Abgeordnete Beyer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde die Punkte 38 a und b zusammen behandeln, und ich bitte, die Umdrucke 968 und 969 hinzuzunehmen, die die von uns gestellten Änderungsanträge enthalten.Ich habe hier schon wiederholt zu diesem Thema gesprochen. Ich muß offen zugeben: es ist nicht leicht, neue Argumente — zumindest wesentliche — anzuführen; aber — Sie lachen zu früh! — ich glaube, je mehr Zeit verstreicht, um so mehr gewinnen unsere alten Argumente an Bedeutung.
Es gibt eine ganze Anzahl Gruppen in der Bundesrepublik, die das inzwischen eingesehen haben. Meine Damen und Herren der Regierungspartei, Sie machen es sich sehr leicht, wenn Sie mit einer Handbewegung darüber hinweggehen wollen.Ich bin mir aber auch bewußt, wie schwierig es ist, Sie nun noch überzeugen zu wollen, wenn die Regierung nicht will. Ich finde aber, es gibt gerade in der letzten Zeit einige Lichtpunkte. Ich brauche mir nur den Bericht des Kollegen Dr. Schmidt an-Frau Beyer
zusehen, dann finde ich — das möchte ich hier ganz besonders herausstellen —, daß er seiner sachlichen, objektiven und unabhängigen Arbeit gerade am Ende der Legislaturperiode noch einmal alle Ehre macht. Der Leser dieses Berichts fragt sich nur staunend, wie ein solcher Bericht zu einer Ablehnung führen kann; denn praktisch findet man in diesem Bericht nur Argumente für die Aufhebung der Kaffeesteuer.Ich möchte auch meinen, daß es nicht ganz umsonst sein wird, hier noch ,einige Ausführungen zu machen. Denn es hat ja auch im Ausschuß einige Kollegen gegeben, die sich auf Grund der langen, sachlichen Auseinandersetzung der Stimme enthalten haben. Ich finde, die Parlamentarier aus dem EWG-Parlament und auch diejenigen, die sich hier für die Entwicklungshilfe einsetzen, wären angehalten, zumindest dem Beispiel dieser beiden Kollegen der Regierungspartei zu folgen.Es gibt weiter einen — ich glaube, ganz wichtigen — Punkt. Das ist die Tatsache, daß bisher rein fiskalische Überlegungen für die Ablehnung der Senkung bzw. Streichung der Kaffeesteuer geltend gemacht worden sind. Dieses Argument hat heute keine Wirkung mehr. Herr Staatssekretär Hettlage hat in den zurückliegenden Monaten selber von Steuersenkungen gesprochen, die in absehbarer Zeit vorgenommen werden müssen, und im Bulletin der Bundesregierung vom 20. Juni findet man den Satz — ich gebe nur einen Auszug —:Das Ausgabevolumen im 1. Rechnungsvierteljahr 1961 lag daher verhältnismäßig niedrig. Da sich aber gleichzeitig der konjunkturell bedingte Anstieg der Steuereinnahmen erwartungsgemäß fortsetzte, haben sich zunächst wachsende Kassenbestände ergeben.Nun, man sagt: „zunächst". Aber, meine Damen und Herren, das Finanzministerium wird immer vorsichtig in der Beurteilung sein. Wenn es um Ausgaben geht, werden Maximalberechnungen angestellt, umgekehrt Minimalberechnungen. Es wird nirgendwo mehr verstanden, wenn heute noch auf die Kassenlage hingewiesen und aus Etatgründen der Antrag abgelehnt wird.Wir machen Ihnen aber heute einen Vermittlungsvorschlag, den wir bereits im Ausschuß gebracht haben; Sie finden ihn auf den Umdrucken 968 und 969. Hier wird der Beginn der Senkung vom 1. April 1961 auf den 1. Januar 1963 hinausgeschoben. Damit haben sowohl der Haushaltsausschuß als auch die Regierung die Möglichkeit, sich auf den Ausfall einzustellen.In dem Bericht des Kollegen Dr. Schmidt wird dann u. a. auf die Frage des Verbrauchs eingegangen. Er selbst sagt, daß das Ansteigen des Verbrauchs unbestritten ist. Ich möchte die Damen und Herren der Regierungsparteien daran erinnern, daß die Ablehnung in der Vergangenheit u. a. auch deshalb erfolgte, weil Verbrauchssteigerungen in Frage gestellt wurden. Ich habe hier einmal eine sehr lange Auseinandersetzung mit dem Kollegen Krammig darüber gehabt. Die damaligen Angaben des Kollegen Krammig sind heute eindeutig widerlegt.Sehen wir uns nur ,die Jahre 1959 und 1960 an! Hier haben wir eine Verbrauchssteigerung von 30 %; das sind im Durchschnitt 15 % im Jahr. Auch die ersten vier Monate des Jahres 1961 bringen schon wieder eine Steigerung von 13,1 %. Dabei liegt der Hauptverbrauch in den Wintermonaten, vor allem um Weihnachten. Im Durchschnitt von 1954 bis heute ist eine jährliche Steigerung von 12 % festzustellen.Nun sagt der Kollege Schmidt — und darin gebe ich ihm völlig recht —, daß zusätzliche Steigerungen bei einer gleichzeitigen Preissenkung von keiner Stelle genau berechnet werden können. Sicher ist aber, daß der Verbrauch bei weiteren gleichzeitigen Preissenkungen wesentlich höher ansteigen wird.Im übrigen möchte ich daran erinnern, daß z. B. Espresso-Stuben zur Zeit wie Pilze aus der Erde wachsen. Es gibt auch bei uns einen Wandel der Verbrauchsgewohnheiten; dieser wird sich auch weiterhin fortsetzen. Man kann es sich daher nicht so leicht machen, wie es der Kollege Krammig bei der letzten Debatte in diesem Hause getan hat, indem er erklärte, man könne in Deutschland nicht auch noch eimerweise Kaffee trinken.
— Ob Sie raufgehen oder nicht, Herr Kollege Krammig, ich möchte zumindest noch einmal hier sagen, daß das eine zu billige Argumentation war.Der Kollege Schmidt spricht von dem jetzigen Verbrauch von 3,11 kg pro Kopf und Jahr. Wir wissen, daß wir mit an unterster Stelle stehen. Es gibt Länder, die ähnliche Verbrauchsgewohnheiten haben wie wir und die einen Verbrauch von 6 und 8 kg pro Kopf und Jahr aufweisen. Die Frage ist, inwieweit nicht auch wir durch die steuerliche Befreiung und die damit in Zusammenhang stehende Preissenkung zu einer wesentlichen Steigerung des Verbrauchs beitragen können.
— Bei Kaffee kommt das kaum in Frage. Es gibt eine ganze Menge Menschen, für die gerade Kaffee nicht ein Genußmittel, sondern ein Arzneimittel ist. Wir sollten das also nicht dramatisieren.Wir sollten auch den sozialpolitischen Aspekt nicht ganz außer Betracht lassen. Wir haben bei billigem und teurem Kaffee die gleiche Besteuerung. So kommt es, daß z. B. die billigen Kaffeesorten mit über 50 % und die teuren Kaffeesorten nur mit etwa 25 bis 30 % belastet sind. Das besagt doch mit anderen Worten, daß diejenigen, die ein niedriges Einkommen haben und in erster Linie die billigen Kaffeesorten trinken, eine weitaus höhere steuerliche Belastung zu tragen haben, was wir als unsozial bezeichnen müssen.Wichtig sollten wir auch die Dinge nehmen, die uns bei den internationalen Gremien immer wieder entgegengehalten werden. Hier werden die Schwierigkeiten nicht geringer, sondern immer größer. Das trifft sowohl für die EWG als auch für die GATT-Kommission zu. Betroffen sind davon nicht nur dieDeutscher Bundestag --- 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9685Frau Beyer
Parlamentarier, sondern auch die Vertreter der Regierung und die ,der Wirtschaft.Wir haben ein Fernschreiben des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages, des Herrn Alwin Muenchmeyer, erhalten, das allen Fraktionen zugegangen ist. Der Inhalt des Fernschreibens ist inzwischen auch allen Abgeordneten zugestellt worden. In diesem Fernschreiben wird darauf hingewiesen, daß der Deutsche Industrie- und Handelstag eine weitere Hinausschiebung der Entscheidung nicht mehr für angebracht hält. Man weist darauf hin, daß es in absehbarer Zeit zu einer neuen Konferenz im EWG-Raum kommt und daß man praktisch auch hier kein Verständnis für eine ablehnende Haltung, wenn sie hier bei der heutigen Entscheidung herauskommen sollte, haben wird.Nun sagte Herr Professor Hettlage im Ausschuß, man solle es bis zu einer Finanzreform hinausschieben. Nun, ich glaube, Herr Staatssekretär, auch dafür wird niemand bei der heutigen Finanzlage Verständnis haben. Die Länder im Bundesgebiet haben volles Verständnis für die Frage der Entwicklungshilfe, und wenn dieses Problem im Zusammenhang mit der Finanzreform, die ja einmal kommen muß, diskutiert werden wird, wird man hier auch dann noch das entsprechende Verständnis finden.Weiter glaube ich hier anführen zu müssen, daß das Devisenaufkommen in den 28 Kaffee und Tee produzierenden Ländern bis zu 80 % aus dem Export von Kaffee und Tee stammt. Ich glaube, hier ist das Kernproblem dieser ganzen Frage zu sehen; denn wenn wir nicht dafür sorgen, daß diesen Ländern der Absatz ihrer Produkte gesichert wird, dann sind sie auch nur beschränkt in der Lage, z. B. Kredite zu übernehmen. Jedenfalls erschweren wir ihnen ihre Entwicklung.In diesem Zusammenhang ist genauso wesentlich, daß ja diese Länder wiederum ihre Importe aus den industrialisierten Ländern beziehen. Unser eigener Export geht schon heute zu einem großen Teil in die latein-amerikanischen Länder. Sie haben in den letzten sechs Jahren etwa für 16 Milliarden aus der Bundesrepublik an Ware bezogen. Mehr als drei Viertel dieser latein-amerikanischen Länder sind Länder, die Kaffee und Tee anbauen. Hier muß die Frage aufgeworfen werden: was wäre, wenn nun diese aus der Haltung des deutschen Parlaments entsprechende Konsequenzen zögen?Eis wird nun oft eingeworfen: Ja, aber die finanzielle Lage mancher Plantagenbesitzer! Hierzu möchte ich sagen: sicher gibt es auch Plantagenbesitzer, die in einer guten finanziellen Situation leben. Aber hierbei sollte man die Millionen Menschen sehen, die auf diesen Plantagen arbeiten.
— Aber Herr Kollege, sie haben dadurch Arbeit und Verdienst. Wir sollten nicht so engstirnig sein; denn wenn wir so diskutieren wollten, müßte die Frage bei jeder finanziellen Hilfe, die wir den Entwicklungsländern geben, erneut aufgeworfen werden. So kann nicht diskutiert werden. Ich glaube, diepsychologische Wirkung, die in den Entwicklungsländern entsteht, wenn wir uns weiter ablehnend verhalten, ist viel wesentlicher.Auch die Höhe des Anbaus in bezug auf die vorhandenen Kaffee-Überhänge kann von uns nicht angezogen werden. Ob man hier zu Veränderungen mit Reduzierung der Anbauflächen kommt, hängt doch von der weiteren Entwicklung dieser Länder ab. Wir sollten uns der eigenen Schwierigkeiten erinnern, wenn es bei uns Agrarstrukturveränderungen im Bundesgebiet gibt. Wir wissen zu gut, wie schwer es ist, ein solches Problem zu lösen. Um wieviel schwieriger wird es erst in solchen Ländern, wo es gar keine anderen Ausweichmöglichkeiten gibt.Entscheidend sollte aber auch sein, daß die Harmonisierung im EWG-Raum weiter fortschreitet und daß die Endbelastung bei Kaffee einmal bei 1 DM oder 1,20 DM stehenbleiben wird. Wir können die Harmonisierung nicht verhindern und wollen es auch nicht, wir werden sie auf Grund der Verträge vollziehen. Infolgedessen ist es an der Zeit, nunmehr wenigstens den ersten Schritt zu tun. Herr Staatssekretär Hettlage hat im Ausschuß auch anerkannt, daß der Antrag wiederkommen wird. Die Vertreter des Wirtschaftsministeriums haben in diesem Zusammenhang erklärt, daß die Schwierigkeiten, die sie bei Verhandlungen im EWG-Raum und in internationalen Kommissionen haben, immer größer werden. Wenn man daher überhaupt die Steuer senken wolle, solle man sie jetzt senken und es nicht weiter hinausschieben.Diese ganze Kaffeedebatte hat uns schon viel Ärger in der Öffentlichkeit eingebracht, nicht nur in der deutschen Öffentlichkeit, sondern auch in der Weltöffentlichkeit. Wir sollten jetzt endlich einmal etwas tun und nicht nur in großen Veranstaltungen und vor allen Dingen bei Delegationen im Ausland große Versprechungen machen.Die Vertreter der FDP und der SPD haben der Vorlage bereits im Ausschuß zugestimmt, und zwei Kollegen der CDU haben sich der Stimme enthalten. Die Entscheidung liegt nun ausschließlich bei den Vertretern der Regierungspartei. Ich finde, es spricht nichts mehr gegen den Antrag, sondern alles nur dafür. Sie haben es jetzt in der Hand, das zu tun, was in der Öffentlichkeit am besten ankommt: eine Entscheidung zugunsten der Entwicklungsländer zu fällen, damit glaubwürdig zu bleiben und dem guten Willen endlich die Tat folgen zu lassen, darüber hinaus dem Verbraucher ein Geschenk zu machen, was längst überfällig ist, damit der Käufer in Deutschland nicht mehr für den Kaffee zu zahlen hat als die rundum in den Nachbarstaaten.Dabei sollten wir auch nicht verkennen, daß in dem Steueränderungsgesetz 1961 wieder Wahlgeschenke verteilt wurden — das muß ich an Sie richten, meine verehrten Damen und Herren der Regierungspartei —, die nicht in erster Linie den unteren Einkommensgruppen zugute kommen. Auch die Freibeträge für das Kindergeld haben in erster Linie Wirkung nach oben.
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9686 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Frau Beyer
Natürlich, die Freibeträge haben eine um so größere Wirkung, je höher das Einkommen der Steuerpflichtigen ist. Hier könnten wir einmal eine Maßnahme treffen, die vor allen Dingen auch denen zugute käme, die nur Verbrauchsteuern zahlen, denn sie zählen zu den untersten Einkommensteuergruppen.Preissenkungen bei Kaffee sind bisher immer wirksam geworden. Das beweisen die Preissenkungen in Höhe von 22 °/o, die seit 1959 auf dem Weltmarkt eingetreten sind. Es ist unbestritten, daß diese Senkungen sich immer im Preis niedergeschlagen haben.Meine Damen und Herren, auf der anderen Seite müssen Sie sich fragen: Wollen Sie in den kommenden Monaten immer den Vorwurf entgegennehmen, daß Sie trotz all dieser unbestreitbaren Argumente den Antrag nur deshalb ablehnten, weil er von der Oppositionspartei kam? Vor dieser Frage stehen Sie. Sie handeln, wenn Sie ablehnen, doch wider besseres Wissen; Sie tun es nur, weil es ein Antrag der Opposition ist. Diesen Vorwurf werden Sie nicht nur in Deutschland, sondern auch aus dem Ausland hören; denn das ist auch dem letzten Menschen klar geworden.Wir wollen Ihnen die Entscheidung leichter machen. Wir schlagen vor, getrennt abzustimmen, und zwar zunächst über den ersten Absatz. Ich bitte den Herrn Präsidenten, zu verfahren, ,daß wir sowohl bei dem Antrag Umdruck 968 wie bei dem Antrag Umdruck 969 über die erste Steuersenkung, gültig ab 1. Januar 1962, getrennt abstimmen und dann erst über den Gesamtantrag.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Kollegin, ich bin untröstlich, Ihren charmanten Ausführungen nicht folgen zu können. Wenn ich auch meinem Staatssekretär gönne, daß er wieder auf Sie zukommt, so muß ich mich leider dazwischenstellen.
— Ja, mein Gott, ich muß doch mit drei Jahren rechnen.
— Es steigen die Steuern, und es steigen die Ausgaben. Die Einzelbetrachtung der Dinge muß der Finanzminister ablehnen. Töpfchen für Töpfchen, das haben wir bei den Verkehrsgesetzen gemacht.Wenn ich mir vorstelle, was im Jahre 1962 an Wünschen besteht — ich darf vielleicht einmal die Katze aus dem Sack lassen; 71/2 Milliarden stehen an neuen Wünschen im Augenblick an —, dann weiß ich nicht, wie ich die Deckungsmittel dafür so ohne weiteres schaffen soll. Der Bericht im Bulletin, auf den Sie Bezug genommen haben, betraf das erste Vierteljahr und hat die weitere Lage nicht berücksichtigen können. Ich habe dem Haushaltsausschuß vor ein paar Tagen Bericht über die Haushaltslage gegeben und habe dort vorgetragen, daß die Steuermehreinnahmen, aufbauend auf einer Zunahme des Sozialprodukts von 9 % bereits mit dem Abschluß des Haushaltsgesetzes am 17. April dieses Jahres verfrühstückt waren. Also 9 %Zunahme des Sozialprodukts gleich rund 13 %Zunahme der Steuern sind durch die Entscheidungen dieses Hohen Hauses verdisponiert. Frage: Wird der Bundesfinanzminister über diesen Betrag hinaus vielleicht noch Mehreinnahmen haben? Auch das will ich offen beantworten: May be! Wir haben sehr genaue Vorstellungen darüber. Wir haben inzwischen Ende Juni. Wir kennen die Kasseneingänge. Wenn es so bleibt, werden wir vielleicht eine Zunahme
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Bundesfinanzminister Etzeldes Bruttosozialprodukts um 10 %zugrunde legen können. Was dadurch mehr hereinkommt, sind 600 bis 700 Millionen DM.Nun, die Entscheidungen dieses Hohen Hauses in diesen Tagen bewegten Ausgaben von über 1 Milliarde DM. Daß also über die wachsenden Mehreinnahmen bereits disponiert ist, davon können wir ausgehen. Ich habe das dem Haushaltsausschuß im einzelnen dargelegt. Also die These: „Ihr habt ja Geld, ihr schwimmt ja im Geld, ihr könnt auf 833 Millionen bequem verzichten!", stimmt nicht. Wir sind vielmehr auf diese Einnahmen angewiesen. Wenn es die Aufgabe, der Ehrgeiz eines jeden Finanzministers, auch des zukünftigen, sein soll, in der Situation des Booms keine Steuererhöhungen dem Hohen Hause vorschlagen zu müssen, dann kann ich nicht mit den Einnahmen und sicher auch nicht mit den Ausgaben beliebig großzügig verfahren.Ich muß noch einmal herausstellen: ich kämpfe hier um 833 Millionen DM Einnahme per Saldo, und die einfach wegzunehmen — auch gestaffelt in 3 Jahren — ist jedenfalls durch die Haushaltsentwicklung nicht gerechtfertigt. Und wenn Sie, gnädige Frau, sagen: „Ja, du hast im nächsten Jahr und in den Jahren darauf doch immer neue Mehreinnahmen!", so gebe ich Ihnen Brief und Siegel — es ist kein Geheimnis für dieses Haus —, daß ich auf einer großen Zahl von Sektoren steigende neue Ausgaben habe. Ich nenne den großen Sozialsektor, ich nenne den Sektor Entwicklungshilfe, und ich nenne auch I die Verteidigung unserer Freiheit, die ja auch noch zusätzliche Ausgaben erfordert. So einfach kann man sich das nicht machen, daß man sagt: Die 833 Millionen spielen ja keine Rolle. Sie sind ein wesentlicher Posten meiner Haushaltsrechnung.Nun müssen wir einen Augenblick untersuchen: was steckt denn in der von Ihnen gewünschten Senkung der Kaffee- und Teesteuer? Ich behandle die Teesteuer einmal am Rande. Sie ist gegenüber der Kaffeesteuer ein kleiner Fisch. Die Verhältnisse sind ähnlich, ich will sie nicht besonders behandeln. Sie haben es ja auch nicht getan. Die augenblickliche Steuerbelastung je Tasse Kaffee beträgt insgesamt 2,5 Pf.
- Das ist nicht widerlegt. Das ist einfach nicht richtig! Die Steuerersparnis, wie Sie sie vorschlagen, beträgt bei der Senkung um ein Drittel pro Tasse 0,8 Pf, im nächsten Jahr 1,6 Pf und dann 2,5 Pf. Die These, die wir auf Grund des Wirkens einer geschäftstüchtigen Lobby in den Zeitungen gelesen haben: Jede dritte Tasse trinkt der Finanzminister — möchte es so sein! —, stimmt also ganz einfach nicht. Zweieinhalb Pfennige! Glauben Sie, Frau Beyer, daß durch eine Verbilligung um 2,5 Pf — denn mehr kann ja auch bei völliger Streichung dieser Einnahme gar nicht erreicht werden — wirklich ein Trend zur Konsumerhöhung ausgelöst wird? Ich glaube es überhaupt nicht. Bei dem heutigen Kaffeepreis von etwa 60 bis 80 Pf pro Tasse je nach Qualität des Kaffees — selbst in den Stehcafés 30 Pf —würden diese 2,5 Pf keine entscheidende Rolle spielen.Das Ifo-Institut, das Untersuchungen über diese Frage angestellt hat, die gar nicht ich beantragt habe, sondern mein Kollege, Wirtschaftsminister Erhard, hat allerdings trotzdem eine progressive Steigerung des Verbrauchs um 8 % angenommen. Dabei muß am Rande bemerkt werden, daß der heutige Verbrauch schon über dem Verbrauch der Vorkriegsjahre liegt und daß natürlich ein steigender Verbrauch durch die Verbesserung des Lebensstandards des deutschen Volkes überhaupt ausgelöst worden ist. Wenn ich das alles wegkompensiere, bleiben etwa 8 %. Ich will einmal noch großzügiger sein und 10 % unterstellen. Dann bewirkt das — Herr Kollege Schmidt hat das in seinem Bericht im einzelnen errechnet, aber auf Grund von Unterlagen, die wir ihm gegeben haben — einen Mehrverbrauch, der einem Wert von 70 Millionen DM entspricht. Meine Damen und Herren, stellen Sie diese beiden Zahlen einander gegenüber: Wir streichen 833 Millionen DM, um damit einen Kaffeemehrverbrauch anzuregen, der 70 Millionen DM ausmacht!Diese 70 Millionen verteilen sich wie aus einer Gießkanne über alle Kaffee produzierenden Länder, über die ganze Erde. Daran sind die afrikanischen Länder, auf die ich gleich noch einmal wegen der Straßburger Debatte zu sprechen komme, mit 15 % beteiligt. Nun denn: 15 % von 70 Millionen sind 10,5 Millionen DM. Glauben Sie, daß Sie mit einem solchen Sümmchen in der Entwicklungshilfe Afrikas oder der anderen Länder wirklich etwas Entscheidendes auslösen können? Das ist einfach nicht wahr. Das ist einfach unrichtig. Hier wird doch aus ganz anderen Interessen irgend etwas hochgespielt, eine Meinung, die nicht mit den realen Tatsachen übereinstimmt. Das bitte ich doch hier mit aller Deutlichkeit sagen zu dürfen. Ich appelliere an Sie noch einmal ganz klar: mit diesen 833 Millionen Verzicht lösen Sie bei den Entwicklungsländern entscheidend große Einkäufe nicht aus.Nun müssen Sie sich auch einmal überlegen — Frau Beyer hat darauf hingewiesen —, wo denn diese 70 Millionen landen. Sie landen doch zunächst bei denen, die den Kaffee haben und ihn produzieren, nicht bei den Millionen Armen, von denen Sie da gesprochen haben, die dort arbeiten. Sie landen bei den Leuten, die über 1 Million Sack Kaffee liegen haben, weil sie sie nicht verkaufen können. Sie landen dann auch zum Teil, zu einem großen Teil sicherlich, bei den Plantagenbesitzern, auf die schon hingewiesen worden ist. Schon bei der vorigen Diskussion hier vor einigen Monaten wurde ein Zwischenruf gemacht, daß ein Teil dieser Kaffeebesitzer gar nicht daran denkt, seine Gewinne in den Entwicklungsländern zu lassen, sondern sie sogar irgendwo sicher angelegt. Aber das ist sicherlich ein kleiner Teil; ich will das nur am Rande vermerkt haben.Diese kleinen Beträge also sind keine entscheidende Entwicklungshilfe. Als kürzlich ein Kollege dieses Hohen Hauses sagte, er glaube, daß wir durch die Streichung der Kaffeesteuer und die dadurch ermöglichten zusätzlichen Einkäufe in den be-
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Bundesfinanzminister Etzeltreffenden Ländern die ganze Entwicklungshilfe bezahlen könnten, hat dieser Kollege sich selbst disqualifiziert. Er bewies, daß er von den Dingen nichts versteht.
So etwas darf man ganz einfach nicht sagen.Ich behaupte also: wenn wir auf 833 Millionen DM verzichten, lösen wir im Verhältnis zu den großen Leistungen an Entwicklungshilfe, die wir ja auch sonst erbringen — in zwei Jahren 5 Milliarden DM —, überhaupt nichts aus.Ich will die Probleme, die sonst noch entstehen, gar nicht im einzelnen behandeln: Ist es richtig, eine Entwicklungshilfe in die Richtung zu steuern, daß die Monokultur in diesen Ländern, die doch geradezu gefährlich für den Ausgleich der wirtschaftlichen Situation ist, noch weiter gefördert wird? Es ist doch einfach nicht richtig, das zu tun. Ist es richtig, daß man bevorzugte Kreise, die ja das für eine Entwicklungshilfe Wichtigste nicht lösen wollen — die Verbesserung der Sozialstruktur des betreffenden Landes, darauf kommt es doch entscheidend an —, noch weiter stützt? Ich glaube, dort kann wirklich nicht der Ansatzpunkt liegen.In der Frage der Entwicklungshilfe hat die Bundesregierung und hat das Hohe Haus insgesamt große und bedeutsame Schritte getan. Ich stehe zu diesen Schritten. Ich glaube aber, wenn wir diese Dinge als Entwicklungshilfe bezeichnen, gehen wir einfach an den Problemen vorbei. Wir können die 833 Millionen an dieser Stelle nicht ansetzen. Wir können sie anderswo, mindestens aus ebenso sozialen Gründen, auch aus europäischen und globalen Gründen, viel nützlicher ansetzen.Und nun komme ich zu dem Politisch-Psychologischen. Auf diesen sehr hohen Stein hat sich ja meine verehrte Vorrednerin gestellt, indem sie sagte, daß es einfach ein Weltproblem sei, hier zu helfen. Ich kann nicht anerkennen, daß es immer eine gute Politik ist, wenn man seine politischen Entscheidungen auf Emotionen stützt. Ich bin der Meinung, daß das gar nicht gut und gar nicht richtig ist. Sachliche Lösungen zu suchen, das ist das Entscheidende. Aber sind wir denn, und bin ich mit meiner Haltung europafeindlich? Ich glaube, in diesem Hohen Hause wird es kaum jemanden geben, der meine Europafreundlichkeit anzweifelt. Ich glaube, daß ich durch eine ganze Menge Taten und durch Einsatz in meinem Leben meine Haltung für Europa bekräftigt habe. Es ist aber falsch, zu sagen, daß durch diese Finanzsteuer — es ist ja doch eine Finanzsteuer, die erhoben wird — die Harmonisierung in Europa gefährdet werde. Wo denn? Welches von den sechs Ländern produziert denn unmittelbar Kaffee? Doch keines.
— Ich weiß schon. Sie haben natürlich an die französischen und belgischen Kolonien gedacht.
- Frankreich z. B. erhebt auch Kaffeesteuer.
— Das kann ich im Augenblick nicht sagen. Sie erheben aber eine Kaffeesteuer wie wir. Das hat jedoch mit der Harmonisierung nichts zu tun. Wir haben leider — und das wird auch lange so sein — in allen Ländern ganz verschiedene Steuern. Die Franzosen erheben Steuern auf Dinge, auf die wir keine erheben. Dafür erheben wir Steuern auf Dinge, welche die Franzosen nicht besteuern. Aber zu sagen, mit der Harmonisierung müsse an dieser Stelle angefangen werden, ist falsch; es muß vielmehr eine allgemeine Harmonisierung durchgeführt werden. Ich glaube, in diesem Raum ist im Augenblick keiner, der in dieser Richtung schon mehr getan hätte als ich, der ich die Konferenz der sechs Finanzminister einberufen habe, um diese Dinge zu diskutieren und vorzubereiten. Natürlich müssen wir harmonisieren. Aber eine Ecke herauszupicken und zu glauben, damit könnte eine Harmonisierung durchgeführt werden, ist einfach nicht richtig.Ich glaube aber auch, daß für die assoziierten afrikanischen Gebiete keine Störung eintritt, weil— ich kann nur wiederholen, was ich eben sagte — die Wegnahme der 833 Millionen zu keinem nützlichen Ergebnis führt. Ich will dennoch aus meiner europäischen Haltung heraus den Beratungen im Europa-Parlament, die zusammen mit den Parlamentariern aus 16 afrikanischen Staaten stattgefunden haben, meinen Respekt erweisen. Sie haben ja das Ergebnis gehabt, die Mitgliedstaaten des Gemeinsamen Marktes aufzufordern, die Zölle und Steuern auf die Produkte der Entwicklungsländer abzubauen. Ich will der Bundesregierung vorschlagen und mich dafür einsetzen, daß dieses Anliegen — es ist sicher ein Politikum, allerdings außerhalb der Realitäten; dabei bleibe ich — bei einer späteren Reform der Verbrauchsteuern, wie auch der Kollege Schmidt in seinem Bericht schon ausgeführt hat, ernsthaft in Betracht gezogen wird.
— Im Augenblick spreche ich nur von einer Steuer, Herr Kollege. Aber Sie müssen dafür einen Ausgleich schaffen. Wir sind dabei, das Verbrauchsteuersystem einer Revision zu unterziehen, und bei dieser Regelung soll diese ganze Frage ernsthaft geprüft werden.Ich bitte also das Hohe Haus, die Anträge der SPD und der FDP abzulehen, und zwar aus haushalts- und finanzpolitischen Gründen, aus wirtschaftlichen Gründen — da nämlich diese 70 Millionen gar nichts helfen —, aber auch deswegen, weil dadurch im Grunde genommen ein Entwicklungsproblem nicht ernsthaft gelöst werden kann, — neben den großen übrigen Leistungen, die wir ohnehin vollbringen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Imle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe eben das böse Gesicht vom Herrn Kollegen Dresbach gesehen und möchte daher in seinen Ideen sagen: In der Kürze liegt die Würze. Die Vorträge, die wir eben von unserer Kollegin Beyer und vom Herrn Bundesfinanzminister gehört haben, konnten wir auch in den früheren Protokollen nachlesen; da ist das schon eingehend ausgeführt worden. Ich darf aber folgendes sagen. Wir Freien Demokraten haben schon seit langem, nicht nur in diesem Bundestag, sondern schon vorher, die Auffassung vertreten, daß die Kaffee- und Teesteuer eines Tages verschwinden muß. Daher begrüßen wir den Antrag der SPD und werden ihm auch zustimmen. Ich darf aber noch einmal folgendes feststellen.
Die Berechnungen, die eben vorgetragen wurden, scheinen mir doch nicht ganz durchzuschlagen. Man sagt, eine solche Beseitigung der Kaffeesteuer bringe lediglich pro Tasse eine Einsparung von 2,3 oder 2,5 Pfennig. Es geht doch nicht darum, diese Berechnung auf den Verzehr in der Gastwirtschaft, im Café abzustellen. Es geht vielmehr um den gesamten Massenverbrauch in den Haushalten. Selbst wenn die Berechnung etwa für Gastwirtschaften richtig sein sollte, so zahlt sich die Senkung doch in den Millionen Haushalten aus.
— Natürlich tut sie es. Sie stellen eine Hypothese auf, die Sie nicht beweisen können. Auch was Sie über ,die Erhebung des IFO-Institutes sagten, ist nicht so ganz stichhaltig.
Wir sind der Meinung, daß man einmal damit anfangen muß, die Verbrauchsteuern abzubauen. Ich kann es mir allerdings aus den vorhin vorgetragenen Gründen ersparen, hier noch etwas zu sagen, weil die Fronten insoweit geklärt sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Zusammenhang mit dem Antrag der SPD ist eine Eingabe des Deutschen Industrie- und Handelstages zitiert worden. Das veranlaßt mich, hier noch einiges festzustellen. Es wäre wohl völlig abwegig, wenn wir eines der ernstesten Probleme der Entwicklungsländer, nämlich das der Stabilisierung der Rohstoffpreise, am Kaffeepreis aufhängen würden. Die Stabilisierung der Rohstoffpreise ist nicht nur eine Frage des Kaffee- oder Teepreises, sondern der Preise für alle Rohprodukte dieser Länder. Es ist nach meiner Auffassung eine irrige Meinung zu glauben, daß wir allein in Deutschland in der Lage wären, dieses Problem zu lösen. Dieses Problem ist nur in größeren Gemeinschaften lösbar.
Der Bundesfinanzminister hat erklärt, er wolle diese Frage im europäischen Rahmen ansprechen. Ich halte es für zweifelhaft, daß wir dazu im europäischen Rahmen in der Lage sein werden. Es käme wohl nur die Development Assistance Group oder eine noch größere Einheit in Frage, um dieses Problem zu lösen.
Die finanziellen Größenordnungen sind im übrigen bekannt: 70 Millionen DM für 15 Länder! Vergleichen Sie das einmal mit den 5 Milliarden DM Entwicklungshilfe, die wir in den nächsten beiden Jahren bezahlen. Dann sehen Sie doch, daß dieser Betrag kein ernsthafter Beitrag für die Entwicklungshilfe ist. Ich glaube auch nicht, Frau Kollegin Beyer, daß man hier die Frage stellen darf: wie kommt es draußen an? Die erste Frage ist: Was ist sachlich richtig? Wenn man das sachlich Richtige tut, dann wird es nachher auch draußen ankommen. Ich glaube, ,daß es richtig ist, im Augenblick den Antrag abzulehnen. Auf der einen Seite würden durch die Annahme Illusionen bei den Verbrauchern erweckt, obwohl ihnen die Sache so gut wie gar nichts einbringt. Auf der anderen Seite würde die Annahme des Antrages Illusionen bei den Entwicklungsländern erwecken, die hiervon, wie ,die Zahlen zeigen, auch keinerlei Profit hätten.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Beyer.
Ich möchte nur noch ganz wenige Bemerkungen machen. Ich glaube, wir sollten nicht vergessen, daß wir im Jahre 1958 in diesem Parlament einen Fehler gemacht haben. Damals haben wir bei der ersten Zollsenkung im Rahmen der EWG die Verbrauchsteuer mit dem Hinweis angehoben, daß eine Zollsenkung fiskalisch nicht tragbar sei. Wegen dieses Fehlers werden wir noch heute im Ausland angegriffen. Hier liegt der ursprüngliche Fehler, und wir müssen ihn in irgendeiner Form wieder beseitigen. Ich finde, wir könnten den Fehler wieder gutmachen, wenn wir die Kaffeesteuer heute wenigstens um ein Drittel senkten. Damit würden wir im Ausland eine entsprechende Anerkennung erfahren.Nun etwas zu dem Verbrauch. Herr Minister, Sie machen eine Rechnung auf, daß insgesamt ca. 850 Millionen DM bei Annahme des gesamten Antrages in etwa drei Jahren wegfallen. Sie haben etwa 250 Millionen DM für die erste Etappe errechnet. Wir müssen ,dabei aber berücksichtigen, daß in diesem Jahr ein weiterer Mehrverbrauch erfolgen wird.
— Nein, er ist nicht enthalten! Herr Minister, Sie haben insgesamt einen Ausfall von 850 Millionen DM errechnet. Eine Senkung der Kaffeesteuer um ein Drittel bedeutet, daß es nicht zu einer Steigerung des Verbrauchs um 12 oder 13 % kommen wird, sondern mindestens zu einer Steigerung von 20 % oder noch mehr. Diese Steigerung würde bedeuten, daß nicht 250 Millionen DM, sondern vielleicht nur 100 bis 120 Millionen DM Ausfall in einem Jahr zu tragen wären.
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9690 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Frau Beyer
— Herr Minister Stücklen, kommen Sie doch nicht mit solch billigem Argument! Genauso wird ein Teil Ihrer Kollegen kommen und sagen: Ich brauche Kaffee, weil mein Herz es verlangt. — Es ist zu billig, sich mit solchen Einwänden auseinanderzusetzen. Es sollten dann schon wirklich triftige Gründe vorgebracht werden.Wenn wir also mit einem Ausfall von 120 Millionen DM rechnen — und ich glaube, das ist schon recht hoch gegriffen —, dann kommen wir in dieselbe Diskussion, wie wir sie 1958 hier geführt haben. Ich finde, Sie müßten es verantworten können, diese 120 Millionen DM im kommenden Haushalt zu verkraften. Wir wollen uns ja gern im nächsten Jahr erneut und weiter darüber unterhalten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn Deutschland eventuell in Zukunft ein Prozent des Sozialprodukts für Entwicklungshilfe zu geben hat, dann muß es möglich sein, eine solche Förderung durch eine Senkung der Verbrauchsteuer zur Verfügung zu stellen. Wir sollten nicht verkennen, daß es eine ungeheure psychologische Wirkung haben ,wird, wenn dieses Parlament nicht auseinandergeht, ohne wenigstens den Fehler von 1958 korrigiert zu haben. Ich würde mich freuen, wenn ein Teil der Kollegen sich den beiden im Finanzausschuß anschlösse und sich wenigstens eine große Anzahl der Stimme enthielte.
Wir kommen dann zur Abstimmung über die Drucksache 2437. Herr Abgeordneter Seuffert hat das Wort zur Abstimmung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zur Abstimmung darum bitten, die Ziffer 1 der Neufassung des § 2 des Kaffeesteuergesetzes, Umdruck 968, gesondert zur Abstimmung zu bringen und beim Teesteuergesetz entsprechend zu verfahren, um im Interesse der guten Sachen denjenigen Kollegen, die vielleicht bereit sind, jetzt über eine Senkung um ein Drittel im Jahre 1962 zu befinden, das Weitere aber weiteren Beschlüssen überlassen wollen und dadurch die Zahlen des Herrn Bundesfinanzministers zu reduzieren, eine Chance zu geben, diese Meinung zu vertreten.
Herr Abgeordneter Seuffert, die Ermäßigung ist aber in Ziffer 2 des Antrags Umdruck 968 enthalten.
Ich bitte darum, zunächst nur abzustimmen über die Ermäßigung, die ab Januar 1962 in Ziffer 1 der Neufassung des § 2 vorgesehen ist. Die Ziffer 2 enthält dann die weitere Ermäßigung ab 1963.
Wir stimmen also entsprechend dem Antrag der Antragsteller ab, Umdruck 968 Ziffer 2 Nr. 1: „Die Steuer beträgt 1. ab 1. Januar 1962 ... ", mit dieser dort beantragten Ermäßigung. Wer dem Antrag insoweit zuzustimmen wünscht, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.Ich habe wohl Ihr Einverständnis, daß ich über sämtliche übrigen Änderungsanträge auf Umdruck 968 abstimmen lassen darf. Wer den übrigen Änderungsanträgen auf Umdruck 968 zuzustimmen wünscht, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt.Ist es notwendig, noch über den ursprünglichen Antrag der SPD abstimmen zu lassen?
Er ist damit in zweiter Lesung abgelehnt; eine weitere Beratung findet nicht statt. Beide Entwürfe — Drucksachen 1441, 2437 — sind damit gegenstandslos.
— Nein, ich meine, der Kaffeesteuer-Antrag ist damit in zweiter Beratung abgelehnt.Ich rufe dann die Drucksache 2863 auf, Art. 1 und die entsprechenden Änderungsanträge. Auch hier verfahren wir so, daß wir zunächst über Ziffer 2 des Umdrucks 969 — die Art. 1 betrifft — abstimmen. Es heißt dort unter Abs. 1: „Die Steuer beträgt für die ... Erzeugnisse1. ab 1. Januar 1962 2,75 Deutsche Mark für 1 Kilogramm Eigengewicht, ..."Wer dem Antrag insoweit zuzustimmen wünscht, gebe Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.Ich stelle dann sämtliche übrigen Anträge des Umdrucks 969 zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt. Damit gelten die Anträge Drucksachen 1442 und 2438 als in zweiter Lesung abgelehnt.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 39 auf:
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 2906).
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Ich danke den Berichterstattern, den Herren Abgeordneten Dr. Aigner und Dr. Eckhardt. Wird eine Ergänzung gewünscht? — Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961 9691
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Erlauben Sie mir, die Beratung des Elften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes zum Anlaß zu nehmen, um noch einmal einige grundsätzliche Gedanken zur Umsatzsteuer auszusprechen.
Ich möchte zunächst nachdrücklich darauf hinweisen, daß mit der Verabschiedung dieses Gesetzes keineswegs die Absicht verfolgt wird, eine große Umsatzsteuerreform vorwegzunehmen. Nur weil die Dinge für eine letzte Entscheidung über Inhalt und Umfang einer großen Reform noch nicht reif sind, soll mit dieser Vorlage etwas Vorläufiges getan werden, bis das Parlament der nächsten Legislaturperiode sich entscheiden kann, was endgültig geschehen soll.
Sie kennen meine Auffassung zur Umsatzsteuerreform. Ich habe sie in diesem Hause mehrfach zum Ausdruck gebracht und will sie nicht wiederholen. Es gibt Gedankengänge, die eine Reform der Umsatzsteuer durch Einführung eines neuen Systems durchführen wollen, und Erwägungen, die durch Maßnahmen im Rahmen des geltenden Systems die Umsatzsteuer verbessern wollen. Bereits in meiner Haushaltsrede vom 10. Dezember 1959 habe ich auf diese beiden möglichen Wege hingewiesen. Beide Möglichkeiten müssen ausdiskutiert werden, nicht zuletzt auch mit der betroffenen Wirtschaft. Diese Diskussion ist noch nicht zu Ende geführt. Sie läuft zur Zeit noch und soll nach meinem Willen ernergisch vorwärtsgetrieben werden. Bereits am 10. Dezember 1959 habe ich auch darauf hingewiesen, daß aus den verschiedensten Gründen, besonders auch im Hinblick auf die Konjunkturlage, eine schnelle Umstellung auf ein neues System nicht möglich ist und jedenfalls in dieser Legislaturperiode nicht mehr in Betracht kommt. Es ist daher nichts Überraschendes, was mit dieser Vorlage heute geschieht.
Um den Gang der Reformarbeiten zu fördern, habe ich in meinem Hause, nachdem ich die Denkschrift über die Umsatzsteuerreform vorgelegt hatte, unter Mitwirkung von Wissenschaftlern und Praktikern ein neues Umsatzsteuersystem, und zwar das einer Mehrwertsteuer mit Vorsteuerabzug, in Gesetzesform bringen lassen und das Ergebnis der Studie der Öffentlichkeit übergeben, um allen Interessenten die Auswirkungen einer solchen Steuerreform möglichst anschaulich vor Augen zu führen.
Die durch diese Studie in der Öffentlichkeit veranlaßte Diskussion hat schon jetzt wertvolle Fingerzeige für die weitere Verhandlung dieser Problematik gebracht. Auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium arbeitet zur Zeit an einem Gutachten über die Vor- und Nachteile einer Mehrwertbesteuerung. Er wird die Arbeit noch im Monat Juli zu Ende führen.
Im internationalen Raum hat im Rahmen der EWG die Kommission mit den Arbeiten zur Harmonisierung der indirekten Steuern, insbesondere der Umsatzsteuer, begonnen. Die zu diesem Zweck gebildete Arbeitsgruppe wird voraussichtlich schon bis zum Jahresende ausführliche Gutachten darüber vorlegen, ob als gemeinsames System eine Einphasensteuer auf der Großhandelsstufe, auf der Produktionsstufe oder eine Mehrwertsteuer am ehesten empfohlen werden könne.
Berücksichtigt man diesen Stand der Vorarbeiten und berücksichtigt man ferner, daß auch die Frage, ob überhaupt eine Systemänderung einer ebenfalls möglichen Verbesserung der Umsatzbesteuerung im Rahmen des geltenden Systems vorzuziehen sei, noch nicht abschließend beantwortet ist, so konnte das Ihnen jetzt vorliegende Umsatzsteueränderungsgesetz nur solche Maßnahmen enthalten, die den Weg zu einer Reform der Umsatzsteuer offenhalten. Ich darf es mir daher ersparen, auf den Einzelheiten dieses Gesetzentwurfs einzugehen. Lediglich auf einen Gesichtspunkt möchte ich aufmerksam machen, der in diesem Entwurf weitgehend verwirklicht worden ist, nämlich den Gesichtspunkt der Förderung des Mittelstandes, der auch in dem schon verabschiedeten Steueränderungsgesetz 1961 im Vordergrund stand.
Die wichtigste Maßnahme dieses Gesetzentwurfs ist dementsprechend die erhebliche Erhöhung des allgemeinen Freibetrages für kleine und mittlere Unternehmer sowie die Einführung eines besonderen Freibetrages für alle freien Berufe und für die Handelsvertreter und Makler. Die Bundesregierung glaubt, daß durch die Erhöhung des Freibetrages für kleine und mittlere Unternehmen die steuerliche Situation der durch die Konzentration in vielen Fällen benachteiligten mittelständischen Unternehmen im Verhältnis zu den größeren Unternehmen in gewissem Umfange verbessert werden könnte. Mit der Gewährung eines besonderen Freibetrages für die freien Berufe dürfte den Wünschen dieser Berufsgruppe auch im Umsatzsteuerrecht im Rahmen des Möglichen Rechnung getragen sein.
In diesem Zusammenhang muß aber auch die Einschränkung der Organschaft sowie die völlige Befreiung der Lebensmittellieferungen auf der Großhandelsstufe gesehen werden, — Maßnahmen, durch die gleichzeitig die Konzentrationswirkungen des geltenden Systems abgeschwächt werden.
Nur noch ein Wort zu den finanziellen Auswirkungen des Gesetzes! In der Fassung der Regierungsvorlage brachte das Gesetz eine Mindereinnahme von etwa 85 Millionen DM. In der Ihnen jetzt vorliegenden Fassung belastet das Gesetz den laufenden Haushalt mit rund 400 Millionen DM und die künftigen Haushaltsjahre mit etwa 350 Millionen DM. Ich glaube, daß mit diesen Mindereinnahmen die Grenze dessen erreicht worden ist, was haushaltsmäßig noch verantwortet werden kann, und möchte dringend bitten, im Rahmen dieses Gesetzes weiter keine Maßnahmen zu beschließen, die zu einer weiteren Belastung des Haushalts führen.
Wir kommen dann zur Abstimmung über Art. 1 Ziffer 1. Dazu liegt der Änderungsantrag der Abgeordneten Schmücker, Burgemeister, Gewandt und Genossen auf Umdruck 985 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
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Meine Damen und Herren, ich möchte zu diesem Antrag eine kurze Erklärung abgeben.
Die Regierung hat 75 % Mindestkapital Beteiligung vorgeschlagen. Wir wissen, daß 75 % sowenig wie 95 % die beste Lösung sein muß. Die völlige Streichung, die — wie der Antrag zeigt — viele Abgeordnete wünschen, ist kurzfristig nicht durchzuführen. Ich bekenne mich grundsätzlich zur Wettbewerbsneutralität, soweit es die Steuer angeht. Ich wäre dankbar, wenn der Antrag jetzt zurückgestellt würde, und verspreche, daß er im Rahmen der neuen Arbeiten als wertvolles Material berücksichtigt wird.
Der Antrag wird zurückgezogen?
— Er bleibt aufrechterhalten.
— Der Antrag Umdruck 985 wird als Material an die Regierung gegeben.
Ich kann dann aufrufen Art. 1 Nrn. 1 bis 6. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, ein Zeichen zu geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich darf einstimmige Annahme feststellen.
Ich sehe soeben, daß nachträglich noch ein Änderungsantrag eingegangen ist, der die Nr. 3 betrifft. Ich muß also ,die Abstimmung insoweit korrigieren, daß Nr. 3 noch nicht verabschiedet ist.
Wird der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Siemer und Genossen zu Artikel 1 Nr. 3 § 4 Ziff. 4 begründet? — Herr Abgeordneter Dr. Siemer hat das Wort.
Nach diesem Antrag soll nur Anlage 2 Buchstabe h um ein Wort ergänzt, und zwar zwischen den Worten „Reinigen, Zerkleinern, Pressen" und „oder Mischen" das Wort „Trocknen" eingefügt werden.
Ich bitte, diesen Antrag anzunehmen.
Das betrifft die Anlage. Die Abstimmung über Nr. 3 ist in Ordnung. Aber der Antrag zu der Anlage muß noch verabschiedet werden. Ich lasse über den Änderungsantrag auf Umdruck 991 abstimmen. Wer zustimmt, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe dann die Nr. 7 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Umdruck 978 Ziffer 1, vor.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Imle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst bitten, in dem Umdruck eine Berichtigung vorzunehmen. Die Worte „Satz 1" sind zu streichen.
Darf ich unterbrechen, Herr Kollege Dr. Imle. Mir wird soeben erst der Umdruck 993 vorgelegt, der die Nr. 5 betrifft, ein Antrag der Abgeordneten Günther, Dr. Imle und Genossen. Wir müssen ihn vor dem Antrag der FDP Umdruck 978 behandeln. Ich bitte um Entschuldigung; der Umdruck 993 wird mir erst in diesem Augenblick zu Gesicht gebracht. Insoweit gilt die Abstimmung als nicht erfolgt.
Ich rufe den Änderungsantrag der Abgeordneten Günther, Dr. Imle und Genossen auf Umdruck 993 auf. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Günther.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag ist ,an sich keine fiskalische Angelegenheit; er bezweckt nur, daß die Schulungseinrichtungen und Schulungsmaßnahmen — seien es Schulen oder Kurse —, die die Fachverbände des Handwerks oder des Einzelhandels usw. durchführen, genauso behandelt werden. Diese Fachschulen werden zum großen Teil auch von behördlicher Seite, sei es vom Land oder vom Bund, unterstützt. Es ist nicht einzusehen, daß sie dann noch bei den Schulgeldern oder den Unkosten, die aufgebracht werden, auch noch zur Umsatzsteuer herangezogen werden.
Ich darf bitten, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich bedaure, meinem Kollegen Günther hier widersprechen zu müssen. Ich bedaure auch, daß der Antrag so spät kommt; er hätte sonst anders diskutiert werden können.
Der Finanzausschuß hat sich schon bei der Erweiterung der Steuerfreiheit für Schulen ausdrücklich darauf beschränkt, nur solche Lehrgänge zur Berufsausbildung und Berufsfortbildung zu begünstigen, deren Träger wohltätig oder gemeinnützig sind. Geht man entsprechend dem Antrag von dieser Voraussetzung ab, so ergeben sich eine Fülle von ungerechtfertigten Benachteiligungen privater Träger ähnlicher Ausbildungslehrgänge, von privaten Handelsschulen, Maschinenschreibbüros und ähnlichen. Den Steuerausfall kann ich im Augenblick nicht übersehen. Ich bitte daher, den Antrag abzulehnen. Herr Günther, ich verspreche gern, daß wir später noch einmal darüber diskutieren. Aber jetzt sollten wir ihn nicht annehmen.
Bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß dem Herrn Bundesfinanzminister widersprechen. Er stellt hier die Einrichtungen der verschiedensten Berufsverbände auf eine Stufe mit Unternehmungen, die dem Erwerb dienen. Dem Herrn Bundesfinanzminister
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Schneider
muß doch bekannt sein, daß es eine Fülle von berufsbildenden Einrichtungen von Berufsverbänden gibt, die keinen Erwerbszweck verfolgen, sondern uneigennützig, ohne jedes Gewinnstreben und nachgewiesenermaßen auch ohne jeden Gewinn betrieben werden. Es ist also ein Unterschied zu machen zwischen einer Schule auf privater Basis mit dem Ziel des Erwerbs und der Einrichtung irgendeines Berufsverbandes, der nachgewiesenermaßen nicht nur keinen Gewinn erzielt, sondern aus den allgemeinen Beiträgen sogar noch erhebliche Zuschüsse zur Unterhaltung dieser Einrichtung hergibt. Ich bitte Sie also aus diesen Gerechtigkeitsgründen dringend, dem Antrag zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Seuffert hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen uns für den Antrag aus. Die Zwecke der Berufsverbände sind aus guten Gründen in mehreren Gesetzen den gemeinnützigen Zwecken gleichberechtigt gegenübergestellt. Ich darf nur noch darauf hinweisen, daß, wenn ein Berufsverband auf die Idee kommen sollte, unter Ausnutzung einer solchen Bestimmung etwa zu Erwerbszwecken oder zur Erzielung von Überschüssen eine solche Einrichtung zu betreiben, er nach den bereits verabschiedeten Bestimmungen des Steueränderungsgesetzes darauf Steuer zu zahlen hätte.
Bitte, Herr Abgeordneter Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Fassung des Ausschußbeschlusses lautet die Ziffer 14, um die es hier geht und zu der der Änderungsantrag gestellt ist:
die Leistungen von staatlich genehmigten und beaufsichtigten privaten Schulen sowie von sonstigen Schulen und Einrichtungen, die Lehrgänge zur Berufsausbildung und Berufsfortbildung veranstalten, wenn die Schulen und Einrichtungen wohltätigen oder gemeinnützigen Zwecken dienen oder nach Art einer Stiftung verwaltet werden oder als Ersatz für öffentliche Schulen dienen und durch ihre Arbeit das öffentliche Schulwesen ergänzen und fördern, sofern die Entgelte die für den jeweiligen Zweck erforderlichen Selbstkosten nicht übersteigen;
Das heißt mit anderen Worten: Wenn ein Berufsverband ,die Gemeinnützigkeit nicht zuerkannt erhält und solche Veranstaltungen betreibt, steht er in Konkurrenz mit jedem privaten Unternehmer. Jeder private Unternehmer muß Umsatzsteuer zahlen. Aus diesem Grunde ist es nicht angebracht, hier eine Ausnahme zuzulassen. Ich bitte deshalb, den Antrag auf Umdruck 993 abzulehnen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Günther.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ein Beispiel anführen. Sie haben auf den Gleisen der Bundesbahn schon einmal den Schweißzug „Schweißen im Handwerk" gesehen. Wenn diese Institution zur Umsatzsteuer herangezogen wird, dann muß sie die Beiträge erhöhen, weil sie nämlich nicht gemeinnützig ist. Alle diese Berufsverbände müßten dann dazu übergehen, wie es auch 'einige getan haben — z. B. die Fachschule für Phototechnik in Köln —, eigens einen Eingetragenen Verein zu gründen; denn dann sind die Schulen absolut gemeinnützig. Alle Berufsverbände, die Schulungsmaßnahmen durchführen, müßten einen Eingetragenen Verein bilden, um der Steuer zu entgehen, während Schulungsmaßnahmen der gleichen Art, ob sie nun von den Innungen oder durch die Handelskammern durchgeführt werden, von der Umsatzsteuer eo ipso befreit sind. Diesen Fachverbänden, vor allem den kleineren Verbänden, sowohl auf der Landesebene wie auf der Bundesebene, die für die Einrichtung ihrer Werkstätten und für den Betrieb ihrer Einrichtungen staatliche Unterstützung erhalten, müßte wegen dieser Aufgabe die Gemeinnützigkeit zuerkannt werden; für diese Aufgabe müßten sie von der Umsatzsteuer befreit sein. Darum darf ich nochmals bitten, diesem Antrag zuzustimmen.
Wir stimmen ab über den Änderungsantrag der Abgeordneten Günther, Dr. Imle und Genossen, Umdruck 993. Wer zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen nun über die Nr. 5 mit dieser Änderung, die eben angenommen worden ist, ab. Wer zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit einigen Enthaltungen angenommen.
Die Nr. 6 des Art. I ist verabschiedet.
Wir kommen zur Nr. 7 und zum Änderungsantrag Umdruck 978 Ziffer 1. Herr Dr. Imle hat das Wort zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, im Umdruck 978 die Bezeichnung „Satz 1" zu streichen.Wir Freien Demokraten haben bereits in früheren Zeiten die Auffassung vertreten, daß die Umsätze aus der Tätigkeit der Handelsvertreter und der Handelsmakler nicht mit Umsatzsteuer belastet werden sollten, weil nämlich die Umsatzsteuer bei den Handelsvertretern nicht, wie es sonst üblich ist, weitergegeben werden kann. Wir haben diese Dinge sehr ausführlich im Finanzausschuß erörtert. Wir konnten uns aber mit unserer Auffassung nicht durchsetzen, und es kam die Regelung, wie sie vorhin vom Herrn Bundesfinanzminister vorgetragen wurde, daß den Belangen der Handelsvertreter mit
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Dr. Imleeinem Freibetrag von 20 000 DM, wie er dann im Entwurf verankert worden ist, genügend Rechnung getragen sei. Wir sind gleichwohl der Meinung, daß dies nicht die richtige Lösung ist, sondern daß es tatsächlich notwendig ist, die Handelsvertreter und Handelsmakler vollkommen von der Umsatzsteuer freizustellen, um zu einer wirklich gerechten Lösung zu kommen. Wir sind auch der Meinung, daß der Ausfall, der auf 90 Millionen geschätzt wird, im Rahmen des Gesamtvolumens durchaus tragbar ist, und bitten daher um Zustimmung zu dem Antrag.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Eckhardt!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben alle Sympathien für diesen Antrag. Er ist im Finanzausschuß und auch hier im Plenum schon viele Male diskutiert worden. Schon im 2. Bundestag haben wir darüber gesprochen. Er muß zusammen mit dem Antrag auf Freistellung der freien Berufe überhaupt behandelt und diskutiert werden.
Wenn wir auch grundsätzlich mit diesem Antrag sympathisieren — es ist bekannt, daß ich selbst für ähnliche Gedankengänge wiederholt eingetreten bin —, so sind wir doch der Auffassung, daß hier eine Grenze gesetzt werden muß. Der Antrag würde zusammen mit ,der Freistellung der freien Berufe überhaupt, der wir in der Sache zuneigen, einen weiteren Ausfall von 105 Millionen DM verursachen. 1 Wir glauben, daß mit dem Freibetrag von 20000 DM, der für freie Berufe, für Handelsvertreter und Makler eingeführt worden ist, vorläufig den Wünschen Genüge getan ist, die hier billigerweise gestellt werden können. Daß wir trotzdem das Ziel einer Freistellung der freien Berufe und der Handelsvertreter und Makler im Auge behalten und es bei passender Gelegenheit, unter günstigen finanziellen Aspekten, verwirklichen wollen, steht auf einem anderen Blatt.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, den Antrag abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir stimmen dann ab über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 978 Ziffer 1. Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Wir stimmen dann ab über die Nrn. 7 bis 14. Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe dann die übereinstimmenden Änderungsanträge Umdruck 956 Ziffer 1 und Umdruck 978 Ziffer 2 auf, eine neue Nr. 14 a einzufügen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Harm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die drückende Zeitnot und die Atmosphäre, in der sich diese Schlußsitzungen des Bundestages vollziehen, dazu die Thematik ,der Tagesordnung, die zum Beispiel dieProbleme 'der Eierabstempelung und des Schlachtgeflügels, des Weinkonsums und der Herstellung von Adelsnamen als besondere Punkte auf die Tagesordnung gebracht hat, während die freien Berufe nur in einer Randerscheinung des § 7 a erscheinen, macht es unmöglich, das hohe Lied der freien Berufe zu singen. Ihre Bedeutung für Staat und Gesellschaft, ihre Funktionen und ihr Anspruch auf Förderung werden in diesem Gesetz ignoriert.Sie werden mir widersprechen, aber ich darf Ihnen mit einem Sachverständigen kommen, den auch Sie sehr schätzen und häufig zitieren. Eben jener Sachverständige, Professor Schmölders, führt hierzu in seiner „Finanzwissenschaft" etwa aus, jeder Um- und Ausbau der Umsatzsteuer müsse ausschließlich von sachlichen, d. h. sozialen und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten, nicht aber von doktrinären oder interessenpolitischen Erwägungen bestimmt sein. In anderem Zusammenbange sei die dafür notwendige Willensentscheidung der gesetzgebenden Körperschaften einmal als „Reifeprüfung der Demokratie" bezeichnet worden, sagt Schmölders. Es hieße in der Tat am Wesen der Demokratie verzweifeln, wollte man die Gesetzgebung für unfähig erklären, eine klare Entscheidung darüber zu treffen, so sagt Schmölders, ob etwa der Umsatz — das Beispiel ist nicht von mir — von Lippenstiften und Nerzmänteln steuerlich ebenso zu bewerten sei wie die Tätigkeit des Arztes, des Künstlers, des Anwalts oder anderer, nur weil das System, die fiskalische Uneinsichtigkeit oder — das füge jetzt ich hinzu — die organisatorische Schwäche einer Berufsgruppe dies bedinge.Ich bitte, wohl zu beachten, daß das nicht mein geistiges Eigentum ist, sondern daß ich mich aus guten Gründen einer Kapazität bediene.Nun, meine Damen und Herren, Künstler, Ärzte, Architekten, Rechtsanwälte und andere bleiben nach diesem Umsatzsteuergesetz weiterhin Unternehmer — siehe § 7 a —, und das Gemeinsame, was für die Leistungen der freien Berufe und etwa der Verkäufer von Lippenstiften gilt, ist also dieses, daß bis zu einem gewissen Umsatz ein, wenn auch geringfügig differenzierter, Freibetrag gewährt wird.Anzumerken ist hierbei, daß es laut Gesetz eine Unmenge sonstiger Umsätze gibt, die völlig von der Umsatzsteuer ausgenommen sind. Um das einmal drastisch auszudrücken, will ich nur erwähnen, daß vom Schrott über das Schmieröl bis zum Kaffee-Ersatz unzählige Dinge völlig steuerfrei sind. So sind die freien Berufe nach wie vor die Stiefkinder der Regierung geblieben.Ich sage das mit vollem Bedacht und widerspreche damit ausdrücklich Herrn Kollegen Eckhardts Formulierung im Bericht der Drucksache 2906, wo gesagt wird:Der Ausschuß ... steht diesem Gedanken— der Herausnahme der freien Berufe aus der Umsatzsteuer —durchaus sympathisch gegenüber, glaubt aber, es angesichts der Situation des Bundeshaushalts bei der Erhöhung des Freibetrags bewenden laszu sollen, ...
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Dr. HarmDie SPD ebenso wie ,die FDP stehen, wie die gleichlautenden Anträge ergeben, auf einem anderen Standpunkt — im Grundsätzlichen wie auch in der Beurteilung des Bundeshaushalts —, so daß es tatsächlich die Regierung und eben die CDU ist, die den freien Berufen die Gerechtigkeit und die Einlösung des ihnen gegebenen Versprechens versagt. Denn noch auf dem Bundeskongreß der freien Berufe in Berlin am 10. Oktober 1959 ließ die CDU durch ihren Sprecher erklären — und die Ironie will es, daß es der Herr Verfasser des Berichts selbst ist —: „Pesönliche Leistung kann kein Gegenstand der Umsatzsteuer sein".Wer erinnert sich dabei nicht jenes Ausspruchs von Frau Dr. Lüders auf eben diesem Kongreß in Berlin: „Man muß endlich aufhören mit den Beileidsbezeugungen für die freien Berufe und sich Gedanken darüber machen, wie man ihnen wirklich helfen kann."Das ist der Grund, meine Damen und Herren, weshalb die SPD erneut mit ihrem Antrag die Beseitigung der Umsatzsteuer für die freien Berufe fordert. Diese Forderung ist methodisch und sachlich berechtigt und schon in dem Gutachten des Reichsfinanzhofs vom 7. Februar 1919 eingehend begründet; es wurde schon in der ersten Lesung erwähnt, und ich möchte mich deswegen nur darauf beziehen.Wenn sich die SPD dabei in ihrem Antrag auf die freien Berufe beschränkt, so haben wir Ihnen zu erkennen gegeben, daß wir einer gewissen Erweiterung nach der Richtung der Makler, Handelsvertreter usw. durchaus sympathisch gegenüberstehen.Die Regierung vermochte der berechtigten Forderung der freien Berufe kein anderes Argument entgegenzusetzen als eben fiskalische Gesichtspunkte, und dies trotz Ansteigens des Bundeshaushalts, trotz laufend erhöhter Einnahmen und trotz der Freigebigkeit der Regierung gegenüber weiten Gruppen von Interessenten. Längst schon ist das Wort vom „Wandeln am Rande des Defizits" zu einem geflügelten Wort geworden. Denn die Regelung wandelte, wie das Finanzgebaren, diverse Fehldispositionen und die ungesetzlichen Ausgaben ergeben, mehrfach am Rande eines ganz anderen Defizits, und ich muß bedauern, daß meiner Kollegin Beyer in dieser Weise die Argumente, wenn auch nur scheinbar, verdorben worden sind. Denn man muß den Bundeshaushalt aus einer Gesamtschau sehen und nicht aus der Zufälligkeit, wie man die Dinge eben verteilt. In dieser Beziehung allerdings gleicht die Finanzgebarung einem Testator, der sich überlegt, wen er in seinem Testament bedenken will und an wen und in welcher Höhe er seine Vermächtnisse verteilen will. Dabei wird dann allerdings das Vermögen — hier die Steuern — proportional dem schon vorhandenen Vermögen der Empfänger verteilt.Ich denke dabei an drei große Kapitel, die uns in diesen 4 Jahren zu schaffen gemacht haben: an das Kapitel der Berichtigungsaktien, an den gespaltenen Körperschaftssteuersatz und an den Abbau der Progression für die hohen Einkommen.Meine Damen und Herren, ich will auch nicht verschweigen, daß es besser gewesen wäre, die Regierung hätte statt der Liebe zum Fernsehen eine Liebe für die freien Berufe entwickelt und hätte jene 60-70 Millionen DM, die dabei vergeudet wurden, einem besseren Zwecke zugeführt, den wir hier vertreten.Macht macht blind, und absolute Macht macht absolut blind. Aber der Leertitel, den sich die Regierung vom Parlament hier abgefordert hat, dieser Leertitel wird noch einmal zu einem Lehrtitel für die Regierung werden, und die freien Berufe werden sich gelegentlich daran erinnern.Wer wundert sich angesichts einer solchen Behandlung der freien Berufe, daß die geistigen Berufe im Staate immer mehr abseits stehen, daß sie kein Vertrauen zu der Gesetzgebung haben, obwohl der Herr Präsident dieses Hauses selber den freien Berufen in echter Sorge schrieb:„Kein Volk kann auf das innere Mitgehen und die Mitarbeit der geistigen Schicht verzichten."
Ich muß meine Angabe berichtigen, daß auch schon der Antrag Umdruck 955 aufgerufen sei. Es decken sich nur der Änderungsantrag der Fraktion der SPD — Umdruck 956 Ziffer 1 — und der Antrag der FDP — Umdruck 978 Ziffer 2. Ich darf um Ihr Einverständnis bitten.
Zur Begründung des Antrags der FDP Herr Abgeordneter Dr. Imle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will es auch kurz machen. Die Probleme sind genügend erörtert worden, aber ich möchte eines noch einmal betonen: Wir freuen uns zunächst darüber, daß Herr Dr. Eckhardt soeben erklärt hat, daß Sie diesem ganzen Anliegen positiv gegenüberstehen, nur halten Sie es zur Zeit für untunlich, die Sache zu regeln. Wir sind der Meinung, es wäre gut, wenn Sie es auch bald für tunlich hielten.Ich möchte hier noch eines sagen. Im Ausschuß — nicht im Finanzausschuß, sondern im mitberatenden Ausschuß — ist gesagt worden, man habe festgestellt, daß das Durchschnittseinkommen der Ärzte bei 45 000 DM liege, und das sei so hoch, daß man keine Umsatzsteuer davon abzuziehen brauche. Ich habe dem widersprochen und bin der Meinung, um es einmal ganz klar herauszustellen, es muß berücksichtigt werden, daß von diesen 45 000 DM die gesamten Unkosten abgehen.
Deswegen ist eben das Einkommen hier erheblich niedriger. Es sollte endlich dahin kommen, daß die Umsatzsteuer bei den Ärzten — man muß allerdings sagen, daß sie nur für die Behandlungen erhoben wird, die außerhalb der Kassenbehandlung liegen — in Fortfall kommt. Man sollte gerade aus diesem Grunde dem Antrag zustimmen. Besonders dringlich aber wird die Sache — und das ist auch bekannt — bei den freischaffenden Journalisten, die ständig
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Dr. Imleunterwegs sind und die keineswegs in der Lage sind, die Umsatzsteuer irgendwie weiterzugeben, und die die Umsatzsteuer aus ihrem eigenen Einkommen bestreiten müssen. Es ist nach unserer Meinung endlich an der Zeit, hier einen Schnitt zu machen und die freien Berufe von der Umsatzsteuer gänzlich zu befreien.
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im Finanzausschuß auch diesen Antrag eingehend erörtert und sind zur Ablehnung gekommen. Sie haben vorhin aus dem Munde des Finanzministers gehört, daß diese Vorlage die künftige Umsatzsteuerreform weder nach dem einen noch nach dem anderen System hin verbauen soll. Hier wird nun ein Antrag gestellt, eine Gruppe von bisher Steuerpflichtigen völlig aus der Steuer herauszunehmen. Selbstverständlich wäre es die beste Umsatzsteuerreform, wenn wir die Steuer ganz abschaffen würden, d. h. wenn wir alle Steuerpflichtigen aus der Umsatzsteuer herausnehmen würden. Niemand von Ihnen weiß bis zur Stunde, wie das neue Umsatzsteuersystem einmal aussehen wird. Aber so viel wissen wir, daß es sehr schwer sein wird, wenn wir einmal eine Gruppe von Steuerpflichtigen herausgenommen haben, diese in das neue Umsatzsteuersystem wieder hineinzunehmen. Damit wir das nicht tun müssen, bitte ich Sie, diesen Antrag abzulehnen. Wir haben eine echte Verbesserung herbeigeführt, d. 'h. wir haben versucht, Härten abzubauen. Der Finanzausschuß hat die bisherige Freigrenze von 18 000 DM auf 20 000 DM erhöht und die Freigrenze in einen Freibetrag umgewandelt und allen Freiberuflichen gegeben, deren Umsätze bis zu 120 000 DM betragen. So steht es in Ziffer 20 unserer Vorlage.
Herr Abgeordneter Seuffert möchte gern eine Zwischenfrage an Sie stellen.
Herr Kollege Neuburger, wollen Sie mir nicht zugeben, daß die Regelung mit den Freibeträgen, die Sie soeben als Ersatzlösung erwähnt haben, außerordentlich unbefriedigend für diejenigen freien Berufe ist, die infolge dieser Freibetragsregelung gesetzlich verpflichtet sind, Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen, die sie nicht bezahlen?
Darauf komme ich noch.
Wir haben also die bisherige Freigrenze, die nur eine geringe Entlastung dargestellt hat, denn sie betraf nur Umsätze bis zu 18 000 DM, heraufgesetzt, und damit haben wir einen Schritt vorwärts gemacht. Nunmehr werden alle freiberuflichen Tätigen mit Umsätzen bis zu 120 000 DM berücksichtigt. Wenn Sie die Unkostengrenze betrachten, die bei den freien Berufen ungefähr bei 50 oder gar 60 % liegt, dann sehen Sie, wie hoch wir da gegriffen
haben. Bei Umsätzen bis zu 120 000 DM sind 20 000 DM umsatzsteuerfrei. Wenn Sie weiter berücksichtigen, daß bei den Ärzten nur die Einnahmen aus der Privatpraxis der Umsatzsteuer unterliegen, während die gesamten Kasseneinnahmen aus anderen Gründen umsatzsteuerfrei sind, dann sehen Sie die Bedeutung dieses Schrittes. Eben hat der Kollege Seuffert mit Recht darauf hingewiesen, daß die Anwälte kraft Gesetzes dazu verpflichtet sind, die von ihnen zu zahlende Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen. Praktisch sind sie also verpflichtet, Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen, während sie von den ersten 20 000 DM die Umsatzsteuer nicht bezahlen. Wir haben auch die Frage gesehen unter dem Gesichtspunkt der Härte. Ich betone nochmals: Diese Vorlage soll gewisse Härten mildern oder ganz abbauen, aber sie kann nicht den Zweck haben, bisher Steuerpflichtige ganz aus der Steuer herauszunehmen.
Aus diesem Grunde bitte ich, den Antrag abzulehnen.
Der Abgeordnete Dr. Eckhardt, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß den Worten meines verehrten Kollegen Neuburger noch einige Worte hinzufügen. Wir haben die Probleme der freien Berufe im 1., 2. und 3. Bundestag wiederholt besprochen. Wir haben sie auch im Rahmen des Einkommensteuerrechts anläßlich der Diskussion über die Sonderausgaben behandelt. Dabei sind wir immer wieder auf ,ein Problem gestoßen, das der Gerechtigkeit halber hier doch einmal hervorgehoben und unterstrichen werden sollte. Das ist die Tatsache, daß die freien Berufe steuerlich durchaus zu vergleichen sind mit der Gruppe der kleinen Handwerker, die ebenfalls kein Betriebsvermögen haben. Diese Abgrenzungsschwierigkeiten haben uns wiederholt davon abgehalten, Vergünstigungen zu beschließen, die wir im Interesse der freien Berufe und verwandter Gruppen im Auge hatten.
Das ist ein besonders schwieriges Problem, das zu beachten ist. Ich glaube, daß im Augenblick mit dem Freibetrag von 20 000 DM trotz aller Bedenken ein guter Schritt vorwärts getan ist. Herr Dr. Imle hat selbst vorhin hervorgehoben, daß ich die Motive und Gründe, die hinter diesen Anträgen stehen, billige. Ich habe auch in Berlin — Herr Kollege Harm weiß das — im gleichen Sinne gesprochen. Aber alles geht nicht auf einmal; diese Dinge müssen sorgfältig geprüft und überlegt werden, und die 105 Millionen Mehrausfall, die es kosten würde, sind kein Pappenstiel, sondern sie müssen im Rahmen des Ganzen beachtet werden, insbesondere, wenn man die übrigen Anträge hinzuzählt, die ja sowohl bei dem Antrag der FDP wie bei dem Antrag der SPD über eine halbe Milliarde DM hinausgehen. Deshalb bitte ich — auch im Sinne der Worte meines Kollegen Neuburger —, den Antrag abzulehnen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht die Zeit, hier grundsätzliche Ausführungen über Umsatzsteuerfragen zu machen. Aber ,den Gründen, die jetzt hier vorgetragen worden sind und die doch, meine Herren Kollegen, nichts anderes als Umschreibungen für das eine sind „der Herr Finanzminister erlaubt es nicht",
muß ich einige Worte entgegenstellen.
Lieber Herr Kollege Neuburger, die Sache mit dem Freibetrag macht das, was wir beide beklagen, doch noch schlimmer, nämlich die Sache mit der Steuer, die in Rechnung gestellt, aber nicht gezahlt wird.
Was die Abgrenzungen von den Handwerkern anlangt, so sehen wir die Schwierigkeiten durchaus, Herr Kollege Dr. Eckhardt. Wir sind aber der Auffassung, daß man an dem klarsten Punkt anfangen muß, die Umsatzsteuer auf geistige Leistungen dieser Art abzubauen. Der klarste Punkt sind die freien Berufe. Das ist — das gebe ich Ihnen zu — nicht das Ende ,der Dinge. Dann müssen auch die Handwerker und die Handelsvertreter, von denen wir vorhin gesprochen haben, drankommen. Was ich aber voraussehe, Herr Kollege Dr. Eckhardt, ist, daß Sie jetzt unseren Antrag wegen der freien Berufe mit Rücksicht auf die kleinen Handwerker ablehnen wollen und nachher unsere Anträge, zugunsten der Handwerker und der kleinen Vertreter mit 120 000 DM Umsatz den Steuersatz zu ermäßigen, auch ablehnen werden. Das sehe ich leider voraus.
Wir stimmen dann ab über die gleichlautenden Anträge — der SPD auf Umdruck 956 unter Ziff. 1 und der FDP auf Umdruck 978 unter Ziff. 2. Wer zustimmen will, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Dann ist noch der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 955 zu behandeln. — Bitte schön, Herr Kollege Corterier.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz den Änderungsantrag meiner Fraktion auf Umdruck 955 begründen; ganz kurz einmal aus zeitlichen Gründen und zum anderen deswegen, weil ich die Hoffnung hege, daß Sie diesen unseren Antrag doch annehmen werden. Es handelt sich darum, daß wir in den § 4 des Umsatzsteuergesetzes folgende neue Ziffer 28 eingefügt haben möchten:
die Umsätze von Sportveranstaltungen, soweit die Beteiligten den Sport nicht berufsmäßig ausüben.
Wir wollen also mit unserem Antrag erreichen, daß die Sportvereine umsatzsteuerfrei werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich brauche keine großen Ausführungen über die Bedeutung und über den Wert des Sports im allgemeinen und bei uns im besonderen zu machen. Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, daß uns leider die tägliche Turnstunde in der Schule immer noch fehlt. Ich brauche Ihnen auch nicht lange zu sagen, daß die Haltungsschäden und ähnliche gesundheitliche Schäden leider gerade bei unseren Jugendlichen ein bedenkliches Ausmaß angenommen haben. Aus diesem Grunde haben die Sportvereine eine ganz besondere Bedeutung erhalten. Sie alle sind, obwohl diese und jene Mittel, sei es von der öffentlichen Hand, sei es vom Toto oder Lotto, zur Verfügung gestellt werden, nicht in der angenehmen Lage, über viele Mittel zu verfügen. Im Gegenteil! Meistens verfügen sie nur über das Notwendigste. Ohne die ehrenamtliche Tätigkeit von Hunderttausenden von Helfern das ganze Jahr über wäre der Sportbetrieb überhaupt nicht aufrechtzuerhalten.
Meine Fraktion ist daher der Meinung, daß es nicht mehr als recht und billig wäre, hier zu helfen. Deswegen unser Antrag, die Sportvereine und Sportveranstaltungen, soweit sie nicht berufsmäßig betrieben werden, von der Umsatzsteuer zu befreien. Ich darf Sie um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag bitten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir begrüßen grundsätzlich den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, weil er einer Notwendigkeit Rechnung trägt. Wir begrüßen ihn aber auch deshalb, weil er für die Mehrheitsfraktion dieses Hauses eine einmalige Gelegenheit bietet, vor der deutschen Öffentlichkeit zu beweisen, wie ernst es ihr mit dem Kölner Manifest ist. In diesem Kölner Manifest wird unter Punkt 3 die Stärkung der Familie und die Förderung familiennaher Spielplätze aufgeführt. In diesem Kölner Manifest ist auch von dem Bau von Sportplätzen und Turnhallen ausdrücklich die Rede.
— Sie haben dafür ausdrücklich „Goldener Plan" geschrieben!Nun gebe ich zu, daß die Befreiung der Sportvereine von der Umsatzsteuer nicht unbedingt das beinhaltet, was im Goldenen Plan steht. Aber meine sehr verehrten Damen und Herren von der Christlich-Demokratischen Union: Warum so großartige Versprechungen für den zweiten Weg und nicht auch die Möglichkeit, den ersten Weg, der noch keineswegs voll ausgebaut ist, ebenfalls zu fördern?!
Wir sind der Meinung, dieser Antrag der SPD gibt Ihnen Gelegenheit, der deutschen Öffentlichkeit, insbesondere der deutschen Jugend zu beweisen, was sie von Ihrem Kölner Manifest zu halten hat.
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SpitzmüllerIch glaube, Sie wären sehr gut beraten, wenn Sie bereits vor den Wahlen erfüllten, was Sie im Kölner Manifest für die Zeit nach den Wahlen versprochen haben.
Herr Abgeordneter Dr. Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir ungewöhnlich leid, daß ich immer wieder in die Lage komme, Ihnen die Ablehnung so sympathischer Anträge vorzuschlagen. Ich mache darauf aufmerksam, daß dieser Antrag sogar anders formuliert werden müßte. Zumindest sollte man verlangen, daß eine gewisse Gleichheit der Formulierung zwischen den körperschaftsteuerlichen und den umsatzsteuerlichen Vorschriften darüber hergestellt wird. So etwas wird ja normalerweise über die Ertragsteuer erledigt und gehört nicht in das Gebiet der Umsatzsteuer. Bei der Körperschaftsteuer haben wir die Steuerfreiheit von Sportvereinen unter der Voraussetzung, daß sie gemeinnützig sind. Die sportlichen Veranstaltungen solcher Vereine führen jedoch grundsätzlich zu einer Körperschaftsteuerpflicht. Diese ist nur ausgeschlossen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Damit Sie sehen, wieviel Mühe man sich bei der Körperschaftsteuer, also bei der Ertragsbesteuerung der Vereine, gegeben hat, darf ich Ihnen einmal kurz vorlesen, wovon die Steuerbegünstigung im Körperschaftsteuerrecht abhängt. Der Geschäftsbetrieb, d. h. die sportliche Veranstaltung, ist steuerlich unschädlich und bleibt körperschaftsteuerfrei, wenn der jährliche Überschuß höchstens 10 % der Einnahmen oder höchstens 1000 DM bei diesen Veranstaltungen beträgt. Der Überschuß darf aber nur zur Finanzierung des Erwerbs, der Errichtung und des Ausbaus von Turnhallen, Sportanlagen und Sportgeräten verwendet werden. Bei dieser Berechnung dürfen die Unkosten für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern mit mehrjähriger Nutzungsdauer wie Plätze, Hallen, Zuschauertribünen nur mit dem der Gesamtnutzungsdauer entsprechenden Jahresbetrag abgesetzt werden. Anschaffungskosten für Sportgeräte können stets als Unkosten berücksichtigt werden. — Ich habe das einmal vorgelesen, weil ich der Meinung bin, daß man, wenn man einen solchen Antrag stellt, zwischen dem Umsatzsteuerrecht und dem Körperschaftsteuerrecht mindestens eine Angleichung, eine Gleichheit der Formulierung und der Begriffe herstellen sollte. Ich sehe auch nicht ein — —
Herr Abgeordneter Eckhardt, Herr Seuffert möchte eine Zwischenfrage stellen.
Herr Kollege Eckhardt, würde Ihre Fraktion einem Antrag zustimmen, wenn wir ihn in der Form stellten, daß die Umsätze bei Sportveranstaltungen, die körperschaftsteuerbegünstigt sind, auch umsatzsteuerfrei sind?
Ich bin der Ansicht, daß wir über eine solche Frage in den Arbeitskreisen der Fraktionen und im Ausschuß diskutieren sollten, denn es gibt noch andere Gründe. — Ich bitte, mir bis zu Ende zuzuhören. Ich bin der Ansicht, daß man zunächst einmal diese Gebiete der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer zusammen berücksichtigen sollte, wenn man einen solchen Antrag stellen will. Aber dann darf ich noch darauf hinweisen, daß Sie ganz sicherlich bei Annahme einer solchen Begünstigungsvorschrift eine ganze Reihe von berechtigten Berufungen bekommen würden, z. B. für Konzerte, für Kunstausstellungen und für viele andere Veranstaltungen, die bei der Körperschaftsteuer begünstigt sind, bei der Umsatzsteuer aber nicht, weil die Umsatzsteuer grundsätzlich keine allgemeine Befreiung wegen Gemeinnützigkeit usw. kennt. Was Sie da einfügen wollen, sind alles Dinge, die im Rahmen einer Reform gründlich besprochen werden müssen. Sicherlich wäre im Finanzausschuß in den letzten Monaten auch Gelegenheit gewesen, das zu tun. Da es nicht geschehen ist, würde ich empfehlen, das dem 4. Bundestag zu überlassen. Die allgemeine Förderung des Sports ist keineswegs eine Sache des Umsatzsteuerrechts; das ist ausschließlich eine Sache der Ausgabenseite des Haushalts. Man sollte die Umsatzsteuer doch auch nicht allzusehr mit diesen Dingen strapazieren. Es wäre erfreulich, wenn sich in § 4 etwas weniger Befreiungen zusammenfänden, als wir jetzt ohnehin schon haben. Ich bitte Sie deshalb, diesen Antrag abzulehnen.
Wir können über den Antrag abstimmen. Wer dem Antrag der SPD auf Umdruck 955 zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir stimmen ab über Ziffer 15 des aufgerufenen Art. 1. Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltung? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe dann Umdruck 956 auf, Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Ziffer 2, eine neue Nr. 15 a einzufügen. — Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herern! Eingangs dieser Debatte zur Umsatzsteuer haben wir von dem Herrn Bundesfinanzminister gehört, daß das, was die Regierung in ihrem Entwurf vorgelegt hat, das zur Zeit Mögliche sei. Unter anderem hatte die Bundesregierung vorgeschlagen, den bisherigen Freibetrag von 8000 DM auf 10 000 DM zu erhöhen. Die Ausschüsse sind ein wenig weitergegangen und haben den bisherigen Betrag von 8000 DM auf 12 000 DM aufgestockt. Schön, das ist wiederum — da wir ja gehört haben, daß die Reform noch nicht fertig ist und alles andere noch überlegt werden muß — ein kleines Pflästerchen. Wir haben nun in gleicher Richtung einen Antrag vorgelegt auf Umdruck 956 Ziffer 2. Er geht etwas darüber hinaus, aber wir halten ihn gerade im Hinblick auf die kommende Reform für richtiger, und das gerade auch mit Ihren
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ReglingArgumenten, Herr Kollege Neuburger. Denn wir schaffen nach unserem Antrag keinen weiteren Kreis völlig von der Steuer Befreiter, obwohl sie alle dennoch in den Genuß einer Erleichterung kommen. Das ist im wesentlichen der Unterschied zu der bisherigen Fassung. Wir schlagen deshalb nochmals vor, für Umsätze bis zur Höhe von 120 000 DM die Steuer um 1 % zu senken, unter Beibehaltung der derzeitigen Freibeträge; dazu die üblichen Auslaufbestimmungen bis 135 000 DM.Was bedeutet dieser Antrag? Er ergibt für mindestens 70 % aller Umsatzsteuerpflichtigen eine Ersparnis von 25 % der bisherigen Umsatzsteuer. Ich darf dabei nicht unerwähnt lassen, daß diese 70 % Steuerpflichtigen insgesamt nur einen Anteil von etwas mehr als 7 % an dem gesamten Umsatzsteueraufkommen erbringen. Also es ist nichts Umstürzendes und nichts, was die ganze Reform ins Wanken bringen könnte. Alle bisherigen Überlegungen, die angestellt sind, werden davon kaum berührt. Wenn man von 7 % ein Viertel kürzt — davon aber noch den Ausfall in Abzug bringt, der ohnehin durch den jetzt vorliegenden Ausschußvorschlag entsteht —, so sollte das Mehr, das unser Antrag ausmacht, irgendwie zu verkraften sein.Wir haben uns bei der Ausschußberatung sagen lassen, daß unser Antrag einen Ausfall von etwa 420 Millionen ausmachen würde. Das sind rund 100 Millionen DM mehr als der jetzt vorliegende Ausschußantrag. Das bedeutet also einen Einnahmeausfall von monatlich nicht einmal ganz 10 Millionen DM. Sie teilen doch sicher mit uns die Meinung, daß dieser monatliche Ausfall von nicht einmal 10 Millionen DM bei dem ständig steigenden Umsatzsteueraufkommen überhaupt nicht erkennbar wird.
Ich habe vorhin gesagt, etwa 100 Millionen beträgt der Ausfall im Jahr verglichen mit dem Ausschußantrag, und gehe jetzt sogar, wenn Sie es genau rechnen wollen, auf 120 Millionen. Der Einfachheit halber sagte ich und wiederhole: knapp 10 Millionen monatlich sind bei der steigenden Tendenz des Umsatzsteueraufkommens doch wirklich nicht erkennbar. Das wollen Sie uns doch nicht abstreiten.Vor allen Dingen trifft das zu, was Herr Kollege Neuburger vorhin bei unserem Antrag für die freiberuflich Tätigen besonders herausstellte. Er lehnte den Antrag ab, um nicht weitere Gruppen ganz aus der Steuerpflicht herauszunehmen. Hier kommen wir Ihnen entgegen und sagen: Wir schaffen keinen größeren Kreis von Steuerbefreiten, die Anzahl der Steuerpflichtigen wird nicht verkleinert. Aber dennoch kommt dieser Kreis — der genauso groß ist wie der, den Sie mit dem Ausschußantrag ansprechen — zu einer Steuererleichterung.Das ist unser Vorschlag; sie müßten ihm eigentlich Ihre Zustimmung geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker .
Dr. Becker (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag der SPD abzulehnen. Der Gesamtausfall beträgt, wie auch Kollege Regling schon sagte, 420 Millionen. Dagegen ist aufzurechnen, was unsere Anträge zu § 7 a betrifft: das sind z. B. bei § 7 a Abs. 1 235 Millionen. Immerhin bleiben insgesamt mindestens 120 Millionen übrig. Sie haben soeben vom Finanzminister gehört, wie hoch die Mindereinnahmen durch den gesamten Gesetzesvorschlag schon sind. Ich möchte deshalb bitten, mit Rücksicht auf den Ausfall dieser erheblichen Summen den Antrag abzulehnen.
Wir können dann über den Antrag 956 Ziffer 2 abstimmen. Wer zustimmen will, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe dann die Nrn. 16 und 17 auf. Wer zustimmt, gebe bitte das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe dann Ziffer 3 des Antrags Umdruck 978 der Fraktion der FDP auf, wonach eine Nr. 17 a eingefügt werden soll.
Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Dr. Imle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich bisher immer auf einige wenige Sätze beschränkt, bin aber der Meinung, daß man über den jetzt vorliegenden Antrag doch etwas mehr sagen sollte, da er von wirklicher Bedeutung ist.Ich könnte Ihnen eigentlich die schon oft vorgetragenen Gründe wiederholen, daß es sich bei diesem Antrag und seinem Ziel wirklich um eine Herbeiführung der Wettbewerbsneutralität im Umsatzsteuerrecht handelt. Das alles haben wir schon so oft gesagt, daß es uns eigentlich schon über ist. Aber selbst bei unseren Beratungen im Ausschuß wurde doch auch vom Finanzministerium erklärt, daß es sich bei diesem Antrag um einen wirklich systemgerechten handele, während die anderen, bei denen es sich nur um gezielte Maßnahmen handelt, systemwidrig sind. Wir sollten uns hier dazu durchringen, diesem Antrag stattzugeben. Wenn der Herr Bundesfinanzminister bei der Eröffnung dieser Aussprache über die Umsatzsteuernovelle vorhin erklärt hat, daß die große Reform kommen müsse und man sich hier wahrscheinlich mit dem Mehrwertsteuersystem mit Vorsteuerabzug — ein furchtbares Wort — befassen werde, so glaube ich, daß eine Änderung des Systems sicherlich Jahre dauern wird, mindestens vier Jahre; bis es dann wirklich läuft, wird es noch einige Jahre mehr dauern. So lange sollte man, meine ich, nicht warten, um die Wettbewerbsneutralität für den Großhandel eindeutig herbeizuführen.Ich darf hier daran erinnern, daß bereits damals im Hartmann-Ausschuß, der ja ein Institut von Ihnen war, Einstimmigkeit darüber bestand, daß eine Senkung der Großhandelsumsatzsteuer wie ihre
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Dr. Imleendgültige Beseitigung systemgerecht wäre und daß sie kommen müsse. Wir sind der Meinung, daß man das nun nicht immer weiter hinausschieben sollte. Ich bin sehr befriedigt davon, daß mir der Herr Bundesfinanzminister selbst letzthin auf meine Frage erklärt hat, daß die Senkung der Großhandelsumsatzsteuer schon jetzt vorgenommen werden solle, bevor man zu einer Änderung des Systems komme. Ich habe das sehr begrüßt, bin allerdings der Meinung, daß man das jetzt tun sollte.Wenn es jetzt allein mit der Begründung abgelehnt werden sollte, dem stünden haushaltstechnische Gründe entgegen, dann muß ich allerdings sagen, daß diese Begründung meines Erachtens nicht durchschlägt. Wenn die Umsatzsteuer im Jahre 1960 14 Milliarden DM erbracht hat und man für 1961 mit einem Aufkommen von über 16 Milliarden DM rechnet, dann können wir uns ausrechnen, daß wir in absehbarer Zeit, in anderthalb bis spätestens zwei .Jahren, bei der 20-Milliarden-Grenze angelangt sein werden. Und selbst wenn wir jetzt diese Senkung vornehmen, wird in dem künftigen zunehmenden Umsatzsteueraufkommen auch dieser Betrag von 150 Millionen DM wieder enthalten sein. Wir meinen, daß man diesen Betrag von 150 Millionen DM, um einen Ansatz für die Wettbewerbsneutralität des Großhandels zu schaffen, übrig haben sollte.Im übrigen darf ich zu dem Betrag von 150 Millionen DM noch folgendes sagen. Bei den ersten Erörterungen vor einem halben Jahr wurde uns erklärt, daß es sich nur um 130 Millionen DM handeln würde und daß, wenn man noch den Lebensmittelgroßhandel befreite — was ja jetzt schon kommt und womit wir sehr einverstanden sind —, weitere 20 Millionen DM heraus wären, so daß es nur noch ganze 110 Millionen DM wären. Wenn jetzt bereits mit 150 Millionen DM argumentiert wird, dann läßt sich das meines Erachtens nur daraus erklären, daß man die Steigerung aus dem Aufkommen der Umsatzsteuer bereits wieder in Betracht gezogen hat, Das sollte man aber nicht tun, sondern man sollte das jetzt tatsächlich dem Großhandel zugute kommen lassen. Im übrigen ist ja nach den letzten Veröffentlichungen auch im Bund bis Ende Mai bereits eine Steuermehreinnahme gegenüber der gleichen Zeit des Vorjahres von 18 % festzustellen. Auch deshalb glauben wir, daß dieser Betrag durchaus zu verkraften ist.Nehmen Sie mir nun bitte eine Bemerkung nicht übel. Sie werden mir sicher zugeben, daß ich, sooft ich hier oben gestanden habe, nie gern polemisiert habe, sondern immer bei der Sache geblieben bin. Aber als wir letzthin das Steueränderungsgesetz 1961 berieten, dabei natürlich auch einige Anträge der FDP, die dann abgelehnt wurden, erklärte mir am nächsten Tage einer Ihrer Parteifreunde: „Herr Dr. Imle, Sie sind ja noch nicht sehr lange im Bundestag, aber Sie haben sich ganz gut eingearbeitet, und auch Ihre Anträge, die Sie gebracht haben, hatten wirklich Hand und Fuß" - und nun kam's, dann sagte er mir, und das war an sich für mich sehr bedauerlich —, „aber Sie haben eben keine Mehrheit."Deswegen meine ich, man sollte solche begründeten Anträge, die sie selbst im Grunde annehmen, nicht ablehnen, weil sie von der FDP kommen.
Gehen Sie doch einmal über das hinaus. Ich weiß doch, daß in Ihrem Kreise zahlreiche Vertreter einer Umsatzsteueränderung in diesem Sinne sind. Machen Sie aus Ihrem Herzen — —
— Nein, das will ich nicht sagen; ich möchte sagen: vergraben Sie sich da nicht; geben Sie sich einmal einen Ruck und sagen Sie: „Das ist ein vernünftiger Antrag, dem stimmen wir zu, obwohl er von der FDP kommt."
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eckhardt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will Herrn Dr. Imle von vornherein zugeben, daß der Antrag, den er stellt, durchaus dem System des geltenden Umsatzsteuerrechts entspricht. Er hat mit Recht auch darauf hingewiesen, daß die Verhandlungen des Hartmann-Ausschusses zu ähnlichen Ergebnissen geführt haben. Ich darf vielleicht noch zusätzlich sagen, daß auch Staatssekretär Hartmann, der Vorsitzende des Hartmann-Ausschusses und langjährige Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums, in einer Veröffentlichung vor kurzer Zeit noch einmal unterstrichen hat, die Befreiung des Großhandels entspreche dem System des geltenden Rechts.
Ob diese Befreiung des Großhandels allerdings einem System der Mehrwertsteuer entsprechen würde, ist eine andere Frage. Dahinter ist ein großes Fragezeichen zu setzen. Man würde bei einer Mehrwertsteuer wohl zu anderen Ergebnissen kommen müssen als zu einer Befreiung des Großhandels.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Meinen Sie, daß man diesen Wegfall der Großhandelsumsatzsteuer deswegen nicht vornehmen sollte, um nicht eventuell das Mehrwertsteuersystem zu verhindern?
Keineswegs! Es war eine theoretische Bemerkung.
Aber mit viel praktischen Gedanken dahinter!
Bitte, vermuten Sie nicht so weitgehende Überlegungen bei solchen Feststellungen. Ich will nur sagen, was ich sachlich für richtig halte.Der Antrag, den Großhandelssatz von 1 v. H. um ein Viertel zu ermäßigen, stammt ja, lieber Herr
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Dr. EckhardtDr. Imle, gar nicht von Ihnen und der FDP, sondern der ist im Hartmann-Ausschuß geboren worden und dort behandelt worden, und man war ursprünglich auch der Meinung, man solle das tun. Sie wissen selbst aus den Verhandlungen des Finanzausschusses, daß die Frage der Senkung von 1 auf 0,75 v. H. sehr eingehend diskutiert worden ist und daß dabei auch die Vertreter des Großhandels in meiner eigenen Fraktion schweren Herzens zunächst auf diese Vergünstigung verzichtet haben, und zwar im wesentlichen aus folgenden Gründen: weil nämlich die Reform, die wir jetzt durchführen, wirklich nichts anderes als eine kleine Reform ist und weil sie grundsätzliche Maßnahmen nicht treffen soll, weil diese grundsätzlichen Maßnahmen den Arbeiten vorbehalten werden sollen, die der 4. Bundestag zu leisten haben wird. Wir können nicht in letzter Minute das geltende System des Umsatzsteuerrechts so gestalten, wie Sie und vielleicht auch wir es uns wünschten. Dazu reichen die haushaltsmäßigen Möglichkeiten denn doch nicht aus. Und die Summe von 150 Millionen DM, die zu den übrigen hinzutreten, ist eben auch zu beachten, weil sie nun einmal kumulativ zu betrachten ist und nicht nur als Betrag von 150 Millionen DM für sich.Deshalb bitte ich Sie, die Frage ,der Befreiung des Großhandels und weiterer Großhandelsvergünstigungen um so mehr den Beratungen des kommenden Bundestages zu überlassen, als ja in diesem Gesetz der Nahrungsmittelgroßhandel eine vollständige Befreiung erfahren hat und außerdem z. B. der Metallgroßhandel nun insgesamt von der Umsatzsteuer befreit ist. Wir haben also doch erhebliche Schritte auf diesem Wege getan und bitten Sie deshalb, sich unseren Gedankengängen anzuschließen.Ich bitte um Ablehnung des Antrages.
Wir können dann über den Antrag Umdruck 978 Ziffer 3 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt!
Ich rufe die Nrn. 18 und 19 auf. — Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen!
Ich rufe dann Nr. 20 auf, dazu den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 978 unter Ziffer 4.
Herr Dr. Imle hat das Wort zur Begründung dieses Antrags.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der erste Antrag, der sich mit der Regierungsvorlage befaßte, sah eine Erhöhung von 8000 auf 10 000 DM vor. Diese 2000 DM im Jahr sind bei 4 % 80 DM Umsatzsteuerersparnis. Das ist für uns der Anlaß, dies als ein Almosen für den Mittelstand anzusehen; das ist es letztlich. Diese 80 DM sind nicht einmal 7 DM im Monat. Sie gehen doch sicher mit mir einig, daß das bei unseren heutigen Verhältnissen einfach nichts zu bedeuten hat.
Die jetzige Ausschußvorlage enthält als Kompromiß den Betrag von 12 000 DM. Wir sind der Meinung — ich möchte das hier nicht zu weit ausführen; Sie kennen das alles —, daß dieser Betrag nicht ausreichen wird; man sollte den ursprünglichen Betrag von 8000 DM auf 16 000 DM erhöhen, also verdoppeln. Mit der sich daraus ergebenden Umsatzsteuerersparnis von zusätzlich 320 DM hätten wir dann eine wirkliche Unterstützung der mittelständischen Unternehmen. Sie könnte auch dazu benutzt werden, aus eigener Leistung Altersversorgungsmaßnahmen usw. vorzunehmen. Das wäre wirklich eine gute Unterstützung des Mittelstandes.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Imle, es handelt sich hier nicht um ein Almosen. Dieses Almosen, wie Sie es nennen, kostet nach Ihrem Vorschlag immerhin 270 Millionen DM. Das ist eine sehr große Summe, und wir können es nicht verantworten, sie noch zu erhöhen. Irgendwo ist auch bei den Freibeträgen eine Grenze. Wir können nicht aus wahltaktischen Gründen Vorschläge machen, die finanziell einfach nicht zu verantworten sind.
Wir stimmen ab über den Antrag Umdruck 978 Ziffer 4. Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe Nr. 20 in der Fassung der Vorlage auf. Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen!
Ich rufe Nr. 21 auf, dazu den Änderungantrag der Abgeordneten Burgemeister, Unertl, Dr. Dollinger, Hörauf, Mauk und Genossen, Umdruck 976.
Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Burgemeister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Sie leider zu so später Stunde noch mit Kälbern und Schafen beschäftigen. Der Mittelstandsausschuß hat zu § 7 b beschlossen, daß die Lieferung von Kälbern und Schafen nicht nur dann begünstigt werden soll, wenn sie im ganzen verkauft werden, sondern auch dann, wenn sie in Hälften verkauft werden.Der Finanzausschuß ist dieser Empfehlung leider nicht gefolgt. Ich bitte aber doch, es bei dem Beschluß des Mittelstandsausschusses zu belassen, da die Schäfchen und Kälber handelsüblich heute mehr in Hälften als im ganzen verkauft werden. Wir halten diese Ergänzung für notwendig und bitten daher, ihr zuzustimmen.
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9702 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Wir können über den Antrag abstimmen. Wer dem Antrag auf Umdruck 976 zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe Nr. 21 mit dieser Änderung auf. Wer zustimmen möchte, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Nr. 21 ist angenommen.
Nrn. 22 bis 31, Art. 2 bis 7, Einleitung und Überschrift! Wer zustimmen möchte, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache! Herr Abgeordneter Dr. Dollinger!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Elfte Novelle zur Umsatzsteuer, die wir heute verabschieden, bringt, wie schon der Herr Bundesfinanzminister ausführte, eine Reihe wichtiger Änderungen des Umsatzsteuerrechts, vor allem im Interesse des gewerblichen Mittelstands, der freien Berufe, der Handelsvertreter und der Handelsmakler. Bei der Verabschiedung der Zehnten Umsatzsteuernovelle am 10. Dezember 1959 sagte ich hier an dieser Stelle, daß wir einen ersten Schritt getan hätten. Nun, ich glaube, wir können sagen, daß der zweite Schritt, den ich seinerzeit ankündigte, mit der heutigen Novelle auch tatsächlich getan worden ist. Und darüber sind wir erfreut.
Wir haben die Linie der Freistellung für Lebensmittel im Großhandel praktisch fortgesetzt und vervollständigt. Wir haben die Milch aus ganz bestimmten Gründen nun in allen Stufen von der Umsatzsteuer befreit. Wir haben Steuerbefreiungen für Volkshochschulen und Wirtschaftsakademien gegeben. Wir haben den Steuersatz für Bücher auf 1,5 % ermäßigt. Wir haben Steuerbefreiungen für Getreide, Mehl, Grieß, Teigwaren und Schälmühlenerzeugnisse gegeben. Wir haben den Freibetrag, den wir im Jahre 1956 zum ersten Male einführten, von 8000 DM bis zu Umsätzen von 80 000 DM auf 12 000 DM bei Umsätzen bis zu 120 000 DM erhöht, und wir haben schließlich auch für die freien Berufe die Freibeträge eingeführt.
Diese Maßnahmen kommen den Steuerpflichtigen rückwirkend ab 1. Januar 1961 zugute.
Ich möchte nicht verschweigen, daß eine Reihe beachtenswerter Punkte aus der parlamentarischen Beratung bei dem Entscheid nicht positiv berücksichtigt werden konnten. Ich meine aber, daß es dem Gesetzgeber gut ansteht, wenn er sich am Ende einer Legislaturperiode eine gewisse Selbstbeschränkung auferlegt. Alles in allem können wir aber feststellen, daß wir auf dem Gebiete der Umsatzsteuer wieder einen guten Schritt vorwärts gekommen sind. Dabei sind wir uns darüber im klaren, daß sich der nächste Bundestag unausweichlich und sehr bald
wieder mit der Umsatzsteuer beschäftigen und die Frage entscheiden muß, ob eine große Umsatzsteuerreform im Rahmen des gegenwärtigen Systems durch Ausgleichsmaßnahmen oder eine große Reform durch Systemwechsel erfolgen soll. Hier im Hause, im Bundesfinanzministerium, aber auch in der Wirtschaft ist genügend Material zu diesem Thema erarbeitet worden. Welcher Weg eingeschlagen werden wird, dürfte auch davon abhängen, durch welches System die praktische Handhabung für die Wirtschaft und die Verwaltung, die verwaltungsmäßige Kontrolle und vor allem die Harmonisierung der Umsatzbesteuerung innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft am besten gelöst werden kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist das letzte Steuergesetz, das wir im 3. Deutschen Bundestag verabschieden. Ich glaube, in Ihrer aller Namen zu sprechen, wenn ich dem Herrn Bundesfinanzminister, der erfreulicherweise wieder unter uns weilen kann, seinem Herrn Staatssekretär und den Herren seines Hauses den herzlichen Dank für die allezeit angenehme und gute Zusammenarbeit ausspreche.
Es obliegt mir aber in diesem Augenblick auch die Pflicht, dem Ausschußvorsitzenden, Herrn Kollegen Neuburger, recht herzlich zu danken.
Herr Kollege Neuburger, es sind leider nicht nur Worte des Dankes, sondern auch des Abschieds, die ich heute an Sie richten muß. Sie gehören seit 1949 diesem Hohen Hause an, und Sie haben in all den Jahren im Finanzausschuß zunächst als Sprecher der CDU/CSU-Fraktion gearbeitet. Sie haben seit 1957 dem Ausschuß in vorbildlicher Weise vorgestanden und ihn geführt. Ich glaube, wir können sagen, daß die Steuergesetzgebung seit 1949 von Ihnen wesentlich mitgestaltet und beeinflußt worden ist. Dafür darf ich Ihnen heute recht herzlich danken. Ich wünsche Ihnen weiterhin gute Jahre, und ich hoffe, daß der Kontakt mit Bonn, auch wenn Sie nicht mehr Abgeordneter sind, trotzdem aufrechterhalten bleibt.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich der Geschäftslage des Hauses und dem Zeitpunkt entsprechend kurz fassen. Das Gesetz bringt in der Tat eine Reihe von Verbesserungen. Ich darf in aller Bescheidenheit daran erinnern, daß Verbesserungen wie die für Volkshochschulen und für die Berufsfortbildung, der ermäßigte Steuersatz für Bücher und auch die Freistellung des Milcheinzelhandels auf Bemühungen der Sozialdemokratie zurückzuführen sind, die nicht erst aus der Beratung dieses Gesetzes datieren. Es sind auch weitere Verbesserungen angebracht worden, nicht unerhebliche, zum Teil nicht ganz systemgemäße. Es sind sehr wichtige Anträge bedauerlicherweise abgelehnt worden.
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SeuffertWas die allgemeine Charakterisierung des Gesetzes anlangt, so hat es der Herr Kollege Dollinger soeben als einen wesentlichen weiteren Schritt im Umsatzsteuerrecht gelobt. Ich möchte mich eher dem Kollegen Dr. Eckhardt anschließen, der vorhin mit mehr Recht, glaube ich, als Hauptmerkmal dieses Gesetzes hervorgehoben hat, daß man entschlossen war, keine grundsätzlichen Änderungen durchzuführen; es ist richtig, daß in dieser Sache gar nichts geschehen ist, sondern daß mehr oder weniger nach dem Gießkannensystem der Verstreuung von Wohltaten einige Verbesserungen ausgestreut worden sind. Es ist also im ganzen eigentlich kein sehr gutes Gesetz, jedenfalls nicht gut genug.Aber wie schon bei so vielen Gesetzen müssen wir sagen: Es war nicht mehr zu erreichen. Wir stimmen mit einigen badauernden Bemerkungen zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Imle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir Freien Demokraten begrüßen es, daß trotz unserer Bedenken, die wir sonst vorgetragen haben, mit diesem 11. Umsatzsteueränderungsgesetz Fortschritte erzielt worden sind, wenn es auch nicht so gestaltet werden konnte, wie wir es uns im Grunde vorgesellt hatten. Darüber hinaus müssen wir mit Bedauern feststellen, daß gerade die Anträge, die nun wirklich Entlastungen für die mittelständischen Unternehmen gebracht hätten, wieder einmal unter den Tisch gefallen sind. Ich muß das hier leider noch einmal sagen, obwohl es allmählich peinlich werden kann, so oft vom Mittelstand zu reden, weil es einem nicht mehr abgenommen wird. Aber ich glaube, daß ich das herausstellen muß. In den Zuschriften, die ja auch Sie bekommen, wird die Frage gestellt: Haben wir überhaupt noch eine Zukunft? Und es wird gesagt: Wir sollten doch allein schon aus gesellschaftspolitischen Erwägungen diese Zukunft nicht verbauen.
Ich darf mich bei Herrn Kollegen Dr. Dollinger bedanken, daß wir diesmal eine andere Erklärung zur dritten Lesung bekommen haben als beim Steueränderungsgesetz. Ihnen, Herr Kollege Neuburger, möchte ich auch im Namen meiner Fraktion den herzlichen Dank aussprechen für die so schöne, wunderbare Zusammenarbeit, die wir unter Ihrem Vorsitz im Ausschuß gefunden haben. Ich persönlich habe leider nicht sehr lange diese Möglichkeit gehabt. Aber für die Sachlichkeit, mit der der Ausschuß geleitet wurde, darf ich Ihnen wirklich — vielleicht steht es mir als Jüngerem nicht so zu — die Anerkennung aussprechen.
Wir begrüßen es, daß das Gesetz trotz allem noch in dieser Form verabschiedet wird.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Lesung zustimmt, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme angenommen.Ich rufe dann auf von den Anträgen der Ausschüsse die Ziffern 2, 3, 4 und 5. Kann darüber abgestimmt werden? — Wer zustimmt, gebe Zeichen.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Anträge sind angenommen.Zu behandeln ist dann der Entschließungsantrag der Abgeordneten Höcherl, Dr. Eckhardt, Wacher, Dr. Dollinger und Genossen auf Umdruck 988. Er wird nicht begründet. — Ich stelle ihn zur Abstimmung. Wer zustimmt, gebe Zeichen, — Gegenprobe!— Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 40:Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksache 2835),a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 2931)b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Drucksache 2910)
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Ergänzungen der Berichte werden nicht gewünscht; das Wort wird ebenfalls nicht begehrt. Wir können in die Abstimmung eintreten. Ich rufe auf §§ 1 bis 4, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme. Ich schließe die zweite Beratung. Wir treten in diedritte Beratungein. — Keine Wortmeldungen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz zustimmt, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Wir haben dann noch folgende Zusatzpunkte des Tagesordnung:Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung von Teilflächen der ehem. Sedankaserne in Ulm an die Firma Telefunken GmbH .Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Ich rufe ferner auf:Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der ehem. Kraftfahr-Kaserne in Stuttgart-Bad Cannstatt an das Land Baden-Württemberg .Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
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9704 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1961
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses betr. Veräußerung des bundeseigenen Grundstücks der ehem. Pionierkaserne in Ulm an die Stadt Ulm .
Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einmütige Annahme fest.
Zu einer persönlichen Erklärung gebe ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Bleiß.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach § 36 der Geschäftsordnung gebe ich folgende Erklärung ab: Der Herr amtierende Präsident hat bei der Behandlung der Drucksache
2871 gerügt, daß ein vom Ausschuß gestellter Antrag, einen Gesetzentwurf für erledigt zu erklären, nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages unzulässig sei. Ich bin der Meinung, daß das vom Verkehrsausschuß geübte Verfahren nicht im Widerspruch zur Geschäftsordnung steht. Ich werde, sobald mir die Dokumentation zur Verfügung steht, meine Stellungnahme schriftlich begründen.
Das Haus nimmt von der Erklärung Kenntnis.
Wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich schließe die Sitzung und berufe die nächste Sitzung auf morgen, Freitag, den 30. Juni, vormittags 9 Uhr.