Protokoll:
3013

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 3

  • date_rangeSitzungsnummer: 13

  • date_rangeDatum: 26. Februar 1958

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:15 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 13. Sitzung Bonn, den 26. Februar 1958 Inhalt: Glückwünsche zum 60. Geburtstag des Abg Kraft 565 A Zur Tagesordnung: Rasner (CDU/CSU) 565 B Conrad (SPD) 565 C Frau Kalinke (DP) 565 D Große Anfrage (CDU/CSU, DP) betr. Räumung von Lagern und Notunterkünften durch Schaffung von Wohnungen (Drucksache 72) in Verbindung damit: Antrag der SPD betr. Sondermaßnahmen für den Wohnungsbau zugunsten der Zuwanderer und Aussiedler (Drucksache 231) Kuntscher (CDU/CSU) 566 D Lücke, Bundesminister . 568 D, 601 C, 604 B Dr. Brecht (SPD) 576 B, 614 C Frau Dr. Brökelschen (CDU/CSU) . . . 583 D Dr. Dr. Oberländer, Bundes- minister 586 B, 601 A, 614 B Dr. Will (FDP) 588 C Dr. Czaja (CDU/CSU) 590 C Hemsath, Landesminister (Nordrhein-Westfalen) 598 B Dr. Kaßmann, Landesminister (Nordrhein-Westfalen) 601 D Hauffe (SPD) 604 D Dr. Preusker (DP) 606 A Rasner (CDU/CSU) zur GO . . 608 D, 610 B Erler (SPD) zur GO 609 B Vizepräsident Dr. Schmid zur GO 609 B, D, 610 B, C Dr. Mommer (SPD) zur GO 609 C Ritzel (SPD) zur GO 610 A Eichelbaum (CDU/CSU) 610 D Jaksch (SPD) 612 A Dr. Hesberg (CDU/CSU) 615 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet (SPD) (Drucksache 156) — Erste Beratung — 617 B Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Protokoll zur Verlängerung der Geltungsdauer der Konventionen der Vereinten Nationen über die Todeserklärung Verschollener vom 6. April 1950 (Drucksache 168) — Erste Beratung — 617 C II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen mit der Südafrikanischen Union zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Einkünften aus dem Betrieb der Seeschifffahrt und der Luftfahrt (Drucksache 170) — Erste Beratung — 617 C Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Vorratslagerhaltung an Lebensmitteln und Rohstoffen (FDP) (Drucksache 139) — Erste Beratung — 617 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes (FDP) (Drucksache 165) — Erste Beratung — 617 D Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (CDU/CSU, DP) (Drucksache 203) — Erste Beratung — 618 A Nächste Sitzung 618 C Anlagen 619 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 565 13. Sitzung Bonn, den 26. Februar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 619 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz - 28.2. Frau Albrecht 3.3. Arndgen 28.2. Dr. Baade 28.2. Dr. Barzel 28.2. Dr. Becker (Hersfeld) 15.3. Benda 28.2. Berendsen 28. 2. Bettgenhäuser 26.2. Birkelbach* 28.2. Dr. Birrenbach* 28.2. Burgemeister 26.2. Dr. Deist* 28.2. Frau Döhring (Stuttgart) 26. 2. Dr. Dollinger* 28.2. Dr. Eckhardt 28.2. Eilers (Oldenburg) 28.2. Eschmann 27. 2. Even (Köln) 28. 2. Faller 7.3. Felder 31.3. Dr. Frede 26.2. Frehsee 26.2. Dr. Friedensburg 26.2. Frau Friese-Korn 28.2. Funk 28.2. Dr. Furler* 28.2. Gottesleben 28.2. Haage 26.2. Heiland 26.2. Frau Herklotz 26.2. Dr. Höck 10.3. Höcker 26. 2. Frau Dr. Hubert 28.2. Jacobs 12.3. Dr. Jordan 28.2. Jürgensen 31.3. Kalbitzer 27. 2. Kiesinger 28. 2. Dr. Knorr 26.2. Könen (Düsseldorf) 28.2. Dr. Kopf* 28.2. Dr. Kreyssig* 28.2. Kühlthau 28.2. Kühn (Bonn) 28. 2. Kunze 28.2. Leber 28.2. Lenz (Brühl)* 28.2. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31.3. Mattick 26.2. Mellies 8.3. Mensing 28.2. Dr. Menzel 27. 2. Dr. von Merkatz' 28. 2. Metzger* 28.2. Dr. Meyers (Aachen) 8.3. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Neuburger 28. 2. Frau Niggemeyer 28.2. Dr. Oesterle* 26.2. Oetzel 26.2. 011enhauer* 28.2. Frau Dr. Pannhoff 26. 2. Paul 28. 2. Pelster* 28. 2. Dr. Philipp* 28.2. Scheel* 28.2. Dr. Schild 26.2. Schüttler 26.2. Siebel 1.3. Dr. Siemer 28.2. Solke 28. 2. Stauch 28.2. Frau Strobel 28.2. Unertl 26. 2. Wacher 28.2. Wagner 28.2. Wehner* 28. 2. Weimer 28. 2. Frau Welter (Aachen) 26.2. Dr. Willecke 26. 2. Wienand 26. 2. Wittrock 26. 2. Frau Wolff (Berlin) 27. 2. b) Urlaubsanträge Bazille 18.3. Hellenbrock 24.3. Dr. Rüdel (Kiel) 8.3. Stenger 15.3. Anlage 2 Umdruck 14 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP (Drucksache 72) betr. Räumung von Lagern und Notunterkünften durch Wohnungsbau. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. im Einvernehmen mit den Ländern a) den raschen Abfluß und sofortigen Einsatz aller bereitgestellten und im Rechnungsjahr 1958 bereitzustellenden Bundesmittel für SBZ- und Aussiedlerprogramme zu sichern, bl auf Grund der gemäß § 32 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes zu erbringenden Unterlagen für einen Gesamtbericht und einer bundeseinheitlichen Gestaltung der Lagerstatistik sowie wirksamer Kontrollen den Nachweis zu liefern, daß eine den verbauten Sondenmitteln für die Teilnahme an der Tagung der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. 620 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 entsprechende Zahl von Zuwanderern und Aussiedlern zumutbar untergebracht wurde, c) die Verwendung von Ersparnissen aus pauschalierter Kriegsfolgenhilfe zum Wohnungsbau für Kriegsfolgehilfeempfänger zu erreichen, 2. darauf hinzuweisen, daß a) Provisorien unter allen Umständen vermieden werden und möglichst viele Eigentumsmaßnahmen durch Auswertung von Tauschmöglichkeiten für langjährige Wohnungsuchende zur Durchführung gelangen, b) die finanziellen und organisatorischen Maßnahmen zur Baulandbeschaffung, Erschließung und Raumordnung, wie sie die bestehenden Gesetze, Verordnungen und Abkommen vorsehen, im weitesten Umfang praktiziert werden, 3. dem Bundestag über die gemäß Nummern 1 und 2 ergriffenen Maßnahmen bis zum 30. September 1958 zu berichten. Bonn, den 25. Februar 1958 Dr. Krone und Fraktion Frau Kalinke und Fraktion Anlage 3 Schriftliche Begründung der Abgeordneten Frau Korspeter zu dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet (Drucksache 156) Das Gesetz über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet, das 1950 verabschiedet wurde, hat bereits seit seinem Inkrafttreten Anlaß zu kritischen Betrachtungen von vielen Seiten gegeben. Ich sehe mich deshalb gezwungen, auch auf diese kritischen Betrachtungen des Notaufnahmegesetzes einzugehen, damit die Begründung unseres Gesetzentwurfes in voller Klarheit erkennbar wird. Der Gesetzgeber verfolgte mit diesem Gesetz in erster Linie den Zweck, die Betreuung echter politischer Flüchtlinge sicherzustellen, d. h. im wesentlichen deren Verteilung und Unterbringung in den Ländern zu ermöglichen. Darüber hinaus wollte man die Belastung der Bundesrepublik und Berlins durch die Zuwanderung aus dem sowjetisch besetzten Gebiet auf das politisch gebotene Maß einschränken, wollte eine Sogwirkung in die Bundesrepublik abschwächen und damit der Entvölkerung der Zone entgegentreten. Diese letzten Absichten sollten dadurch verwirklicht werden, daß die Zuwanderung in die Bundesrepublik und nach Berlin möglichst weitgehend erschwert und nur den Personen ermöglicht werden sollte, denen die Aufnahme im Bundesgebiet und in Berlin aus politischen und sozialen Gründen nicht versagt werden konnte. Da die in der Zone lebenden Deutschen aber Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind und als solche das Grundrecht der Freizügigkeit nach Art. 11 auch beim Zuzug in das Bundesgebiet besitzen, wurde dieses Grundrecht durch das Notaufnahmegesetz eingeschränkt. Im § 1 des Gesetzes heißt es, daß die Deutschen aus der Zone, wenn sie sich ohne Genehmigung im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, für den ständigen Aufenthalt einer besonderen Erlaubnis bedürfen. Nach dem Notaufnahmegesetz muß diese Erlaubnis erteilt werden, wenn entweder die im Gesetz vorgesehenen Rechts- oder Ermessensgründe vorliegen oder der Zuwanderer eine ausreichende Lebensgrundlage im Sinne von Art. 11 des Grundgesetzes nachweisen kann. Da nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Zuwanderer nach dem Gesetz einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hat, kann den übrigen Zuwanderern diese Erlaubnis versagt werden. Die Zahl der Abgelehnten hing in den vergangenen Jahren immer davon ab, nach welchen Grundsätzen die Notaufnahmedienststellen — nach Weisung des Vertriebenenministeriums — von ihrem Ermessen Gebrauch machten. Diese Tatsache hat das ganze Verfahren sehr problematisch werden lassen und viel Rechtsunsicherheit geschaffen. Es war keine Seltenheit, daß in der Praxis zwei Flüchtlinge mit denselben Fluchtgründen je nach dem Zeitpunkt der Zuwanderung entweder aufgenommen oder abgelehnt wurden. Selbstverständlich wurden diejenigen, denen die Aufenthaltserlaubnis versagt wurde, nicht in die Zone zurückgeschickt. Sie blieben und bleiben auch heute noch als sogenannte Abgelehnte im Bundesgebiet, bleiben aber von der Möglichkeit der Unterbringung in den Durchgangslagern ausgeschlossen und werden auch nicht auf die Länder verteilt. Die allgemeine Rechtsstellung der Abgelehnten war auch in den ersten Jahren sehr viel schlechter als die der aufgenommenen Zuwanderer. Das hat sich im Laufe der Zeit geändert. Inzwischen ist durch verschiedene Gesetzgebungswerke die in den ersten Jahren bestehende Unterschiedlichkeit in der Rechtsstellung nach und nach beseitigt worden. Soweit Leistungen nach besonderen Betreuungsgesetzen, z. B. nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes oder nach dem Lastenausgleichsgesetz, gewährt werden, ist dafür nicht die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach dem Notaufnahmegesetz Voraussetzung; vielmehr ist hier der Besitz des C-Ausweises für Sowjetzonenflüchtlinge nach dem Bundesvertriebenengesetz maßgebend, über dessen Erteilung ausschließlich die Flüchtlingsbehörden der Länder entscheiden. In den ersten Jahren nach Verabschiedung des Notaufnahmegesetzes wurde bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis sehr zurückhaltend verfahren. Das änderte sich im Laufe der Jahre 1952 und 1953. Die Sperrung der Zonengrenzen führte dazu, daß sich der Flüchtlingsstrom fast ausschließlich auf Berlin konzentrierte. Um Berlin soweit wie möglich zu entlasten, mußte im Einvernehmen zwischen Bund und Ländern weitgehend von der „Ermessensaufnahme" Gebrauch gemacht werden, um die Voraussetzung für eine Verteilung der Zuwanderer auf die Länder zu schaffen. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 621 Frau Korspeter Nachdem nach dem 17. Juni 1953 die Zonengrenzen wieder geöffnet wurden, handhabte man das Verfahren zunächst wieder strenger. Auch damals blieben die Abgelehnten, die nicht in die Verteilung aufgenommen wurden und deren Zahl sich auf Grund eines strengeren Maßstabes, bei der Aufnahme aus Ermessensgründen wieder erhöhte, in Berlin, bis sich Berlin wegen seiner besonderen Lage um eine Entlastung bemühte. Die daraufhin einsetzenden Entlastungsaktionen wurden in der Weise durchgeführt, daß Zuwanderer, denen die Aufenthaltserlaubnis bisher versagt worden war, nunmehr nachträglich ohne Vorliegen neuer Gründe diese Erlaubnis im Ermessenswege erhielten. Die Entwicklung seit dem Sommer 1952 hat dazu geführt und hat es auch sehr deutlich werden lassen, daß das Notaufnahmegesetz zu einem reinen Zuzugs- und Verteilungsgesetz geworden ist. Hinzu kam, daß die Erteilung oder Versagung der Aufenthaltserlaubnis für die betroffenen Zuwanderer keinerlei Rechtsfolgen nach sich zog, so daß viele Zuwanderer aus der Zone die Durchgangslager gar nicht mehr berührten und versuchten, mit eigener Initiative eine Existenz zu gründen. Schon diese Tatsache beweist sehr deutlich, daß das Gesetz seinen ursprünglichen Zweck nicht erreichen konnte und seinen Sinn nicht erfüllt hat. Die Praxis des Notaufnahmeverfahrens wurde weiterhin durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wesentlich berührt und beeinflußt. Bereits in einem Urteil von 1954 wurde entschieden, daß unabhängig von den eigentlichen Gründen nach dem Notaufnahmegesetz die Aufenthaltserlaubnis wegen des Vorhandenseins einer ausreichenden Lebensgrundlage bereits dann zu erteilen sei, wenn der Zuwanderer arbeitsfähig sei und die Möglichkeit besitze, sich eine eigene Existenz zu schaffen. In einer Reihe weiterer Urteile wurde diese Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts noch vertieft. Nach den letzten Urteilen genügt schon die Arbeitskraft, um die Lebensgrundlage oder die Erwartung zu begründen, daß der Antragsteller nicht dauernd hilfsbedürftig bleiben werde. Man mag zu dieser Rechtsprechung stehen, wie man will; aber diese letzten Urteile haben sich zur ständigen Rechtsprechung entwickelt. Diese steht jetzt in Widerspruch zu der früher geübten Praxis des Notaufnahmeverfahrens, in der man eine ausreichende Lebensgrundlage nur dann anerkannte, wenn vom Zuwanderer bereits eine Arbeitsstelle oder eine Wohnung nachgewiesen werden konnten. Die notwendige Anpassung der bisher geübten Praxis an die Rechtsprechung mußte zwangsläufig eine Auflockerung und eine Ausweitung der Aufnahmequote nach sich ziehen. Das hat in der Praxis dazu geführt, daß die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nunmehr der Regelfall ist. Im November 1957 hatten wir beispielsweise in allen drei Durchgangslagern eine Gesamtzahl von nur 65 Personen, denen die Aufenthaltserlaubnis nicht gegeben wurde. Diese Situation zwingt zu einer grundlegenden Reform; denn sie hat das Notaufnahmegesetz und die früher geübte Praxis des Verfahrens letzten Endes ad absurdum geführt. Die Tatsache, daß die Aufnahmequote jetzt so hoch ist, beweist, daß das Gesetz in der heutigen Form überholt ist. Sie beweist auch, daß wir den ganzen schwerfälligen und teuren Verwaltungsapparat der Aufnahme- und Beschwerdeausschüsse — durch den wir doch niemals eine exakte Kontrolle sämtlicher Zuwanderer erreichen können — nicht mehr nötig haben und nach neuen Wegen suchen müssen. Sicher gibt es unterschiedliche Auffassungen über die Bremswirkungen des Notaufnahmegesetzes. Wir sind aber der Meinung, daß das Argument, das Notaufnahmegesetz übe eine gewisse Bremswirkung aus und trete einer Sogwirkung entgegen, nach den Erfahrungen nicht aufrechterhalten werden kann. Die Entwicklung hat deutlich gemacht — und durch eine frühere graphische Darstellung des Bundesvertriebenenministeriums ist es klar nachgewiesen —, daß das Vorhandensein des Notaufnahmegesetzes den Umfang der Zuwanderung aus der Zone praktisch nicht zu beeinflussen vermochte. Die Zuwanderung richtete sich einmal nach den jeweiligen politischen Verhältnissen in der Zone und zum anderen nach der wirtschaftlichen Situation im Bundesgebiet. Diese Überlegungen haben uns dazu veranlaßt, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Notaufnahmeverfahrens vorzulegen. Sicher ist denen, die sich mit dieser Frage beschäftigen, bekannt, daß schon seit längerer Zeit in den verschiedensten Gremien Diskussionen darüber stattgefunden haben, in welcher Weise eine Änderung herbeigeführt werden kann. Wir bedauern, daß die Bundesregierung in dieser Frage noch nicht initiativ geworden ist; denn selten hat sich ein solcher Abstand zwischen Recht und Wirklichkeit gezeigt wie hier. Der Zuwanderer, der von der Rechtlosigkeit drüben zu uns in den Rechtsstaat kommt, gerät in diese Spannung und muß sie im besten Fall als Rechtsunsicherheit empfinden. Eine Änderung des Gesetzes kann unseres Erachtens politisch nur in der Richtung gesucht werden, daß wir 1. die Freizügigkeit wiederherstellen, die durch das Notaufnahmegesetz eingeschränkt wurde, 2. die Rechtsunsicherheit beseitigen, die durch die Handhabung des Verfahrens entstanden ist, 3. die Erfassung möglichst aller Zuwanderer durch eine Meldepflicht vorsehen und 4. die notwendige Betreuung der Zuwanderer sichern, die einer solchen Hilfe bedürfen. Diesen Gesichtspunkten trägt unser Gesetzentwurf Rechnung. Er geht davon aus, daß entsprechend den Bestimmungen des Grundgesetzes das Recht der Freizügigkeit auch für Deutsche aus der Zone keiner Einschränkung unterliegen soll. Er sieht aber auch — und dadurch wird eine weit bessere Erfassung aller Zuwanderer aus der Zone gewährleistet als bisher — die Statuierung einer besonderen Meldepflicht für alle vor. Denn die allgemeinen meldebehördlichen Bestimmungen können hier in Anbetracht der besonderen Verhältnisse nicht als ausreichend angesehen werden. 622 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 Frau Korspeter Entsprechend den bisherigen Regelungen sieht der Entwurf ebenfalls ein besonderes Verteilungsverfahren vor. Die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens ist schon im Hinblick auf die Situation Berlins und auch im Interesse der Zuwanderer völlig unbestritten. Dieses Verteilungsverfahren soll jedoch nicht alle Zuwanderer, die der Meldepflicht unterliegen, einbeziehen, sondern nur die, die zur Begründung ihres ersten Wohnsitzes der öffentlichen Hilfe bedürfen, die also aus eigener Kraft zunächst nicht in der Lage sind, sich eine Unterkunft zu schaffen. Die Einbeziehung in dieses Verteilungsverfahren soll für den Zuwanderer freiwillig sein. Da es sich bei der Leistung öffentlicher Hilfe um eine besondere Vergünstigung handelt, können von ihr entsprechend den Grundsätzen des Häftlingshilfegesetzes Zuwanderer ausgeschlossen werden, die in der Zone dem dort herrschenden politischen System Vorschub geleistet oder die dort durch ihr Verhalten gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit oder der Menschlichkeit verstoßen haben. Zuwanderer, die in das Verteilungsverfahren einbezogen worden sind, müssen von den Ländern zunächst vorläufig und von den Gemeinden später endgültig untergebracht werden. Für diese Zuwanderer sind wie bisher von der Bundesregierung besondere Wohnungsbaumittel im Rahmen der Bestimmungen des § 18 Abs. 3 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes bereitzustellen. Hier möchte ich besonders darauf hinweisen, daß der § 18 Abs. 3 Buchstabe a des Zweiten Wohnungsbaugesetzes einer Änderung bedarf, um allen Zuwanderern diese Mittel zukommen zu lassen. Das ist im wesentlichen der Inhalt des Gesetzentwurfes. Zum Schluß möchte ich nochmals darauf hinweisen, daß infolge des Fehlens einer Meldepflicht bisher eine verhältnismäßig große Gruppe von Zuwanderern im Aufnahme- und Verteilungsverfahren nicht erfaßt wurde. Leider wurden bisher mit der Unterbringung dieses nicht erfaßten Personenkreises ausschließlich die Gemeinden belastet, ohne daß diese die Zuschüsse des Bundes erhielten. Insofern bedeutet diese von uns vorgeschlagene Regelung eine Verbesserung der Situation der Gemeinden. Wir wissen, daß gerade die Unterbringung der Flüchtlinge für die Gemeinden ein außerordentlich schwerwiegendes Problem ist. Durch den jetzt von uns vorgelegten Gesetzentwurf werden keinerlei neue Zuzugsmöglichkeiten geschaffen. Der Zuwanderer erhält auch keinerlei neue Rechtsansprüche und auch keine neuen wirtschaftlichen Ansprüche. Mit diesem Gesetz soll der Versuch unternommen werden, das Gesetz mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen. Die Eingliederung der Zuwanderer wird auch weiterhin schwierig bleiben. Die Menschen in der Zone wissen, daß der Aufbau einer neuen Existenz in der Bundesrepublik auch in Zukunft mit großen und langwierigen Schwierigkeiten verbunden ist und daß sie es sich sehr wohl überlegen müssen, diesen Schritt in eine ungewisse Zukunft zu tun, um nicht mit falschen Vorstellungen herüberzukommen. Beide Teile, sowohl die einheimische Bevölkerung wie die Zuwanderer, werden wie bisher Opfer bringen müssen. Wir hoffen aber doch, daß uns der von uns vorgeschlagene Gesetzentwurf in dieser sehr schwierigen Frage weiterbringt und daß wir in gemeinsamer Arbeit eine Regelung finden werden, die der Entwicklung der Verhältnisse Rechnung trägt. Anlage 4 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Margulies zu dem von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Vorratslagerhaltung (Vorratslagergesetz) (Drucksache 139) Das Problem, das mit vorgenanntem Gesetzentwurf von uns angeschnitten wird, hat uns in der Vergangenheit schon oft mehr oder weniger stark beunruhigt. Es läßt sich leider nicht verleugnen, daß die Vorräte an Lebensmitteln und Rohstoffen, auf deren Zufuhr die Bundesrepublik angewiesen ist, in keiner Weise der Notwendigkeit entsprechen, da sie teilweise nicht einmal einen Umfang haben, der es ermöglichen würde, kurzfristige Unterbrechungen der Zufuhr zu überbrücken, wie sie jederzeit durch Streiks, Naturkatastrophen oder politische Krisen eintreten können. Die Folge einer etwa eintretenden Unterbrechung wären voraussichtlich Störungen der Versorgung oder der laufenden Produktion mit der Folge, daß der Vorrat bei eintretendem Mangel bewirtschaftet werden muß. Wir brauchen ja nur an die Suez-Krise zurückzudenken, an all die Schwierigkeiten, die sich damals aus der nicht ausreichenden Vorratshaltung ergeben haben, und daran, wie dicht wir damals vor einer Wiedereinführung einer Treibstoffbewirtschaftung gestanden haben. Man könnte demnach die ausreichende Vorratshaltung als Garantie und unerläßliche Ergänzung unserer Marktwirtschaft bezeichnen. Es stellt sich nun die Frage, aus welchen Gründen die beteiligte Wirtschaft diese angemessene Vorratshaltung nicht selbst betreibt. Leider sind die einschlägigen Wirtschaftskreise wegen der herrschenden Kapitalarmut und des verhältnismäßig hohen deutschen Zinsfußes dazu nicht in der Lage. Die technisch und organisatorisch hoch entwickelte Leistung des Importwesens läßt außerdem dem einzelnen Unternehmer die Notwendigkeit angemessener Vorräte, die sehr viel Kapital binden und erhebliche Kosten verursachen, als nicht so dringend erscheinen. Er kann sich darauf verlassen und er verläßt sich darauf, daß in normalen Zeiten die Zufuhren so disponiert werden können, daß keine Schwierigkeiten auftreten, wobei freilich das Risiko einer etwaigen Unterbrechung der Zufuhr aus Gründen, die man als höhere Gewalt zu bezeichnen pflegt, außer Betracht bleibt. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 623 Margulies Es scheint notwendig festzustellen, daß mit vorliegendem Gesetzentwurf ein eng begrenzter Zweck angestrebt wird. Weder soll mit dem Gesetz in die laufende normale Lagerhaltung eingegriffen werden, noch ist daran gedacht, mit dem vorliegenden Vorschlag etwa strategische Reserven oder verbrauchsnahe Vorräte für Katastrophenfälle zu schaffen. Wohl aber könnte man letztere auf den nach unseren Vorschlägen entstehenden Vorräten aufbauen. Wenn im Vorangegangenen von Normallägern gesprochen wurde, so sollte man darunter diejenigen Vorräte verstehen, die aus wirtschaftlichen Gründen von den Unternehmen als unerläßlich betrachtet werden und für die aus diesem Grunde die Kosten von den betreffenden Wirtschaftskreisen selbst getragen werden. In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, daß der 2. Deutsche Bundestag beschlossen hatte, diese Art der Vorratsbildung dadurch zu fördern, daß den Einlagerern eine Teilwertabschreibung von 20 % auf eine bestimmte Warengruppe zugestanden wurde. Es ist allerdings bedauerlich, daß die zugehörige Durchführungsbestimmung bis jetzt nicht erlassen werden konnte, weil über die Höhe dieses Bewertungsabschlags neuerdings ein Streit entstanden ist, bei dem das ursprünglich angestrebte Ziel völlig in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Die Vorratsbildung im Rahmen der Normallagerhaltung sollte durch die Teilwertabschreibung erleichtert werden. Darüber hinaus erscheint es uns aber aus den eingangs vorgetragenen Gründen dringend erforderlich, die Bildung angemessener Vorräte an Waren, auf deren Zufuhr die Bundesrepublik angewiesen ist, so zu steigern, daß kurzfristige Unterbrechungen der Zufuhr überbrückt werden können. Dies ist das Hauptmotiv unseres Vorschlags, von dem wir freilich erwarten, daß er daneben noch andere günstige Ergebnisse erbringt. So wäre eine angemessene Vorratshaltung auch aus volkswirtschaftlichen Gründen wünschenswert. Vorräte wirken sich als Polster gegenüber den teilweise sehr heftigen Preisschwankungen des Weltmarktes aus, und es bestünde bei Verwirklichung unseres Vorschlages die Möglichkeit, den Einkauf jeweils zu den erfahrungsgemäß günstigen Zeiten und damit zu billigen Preisen zu tätigen. Mir liegt eine Berechnung vor, nach der in den letzten vier Jahren allein bei der Kupfereinfuhr dadurch, daß wir immer nur von der Hand in den Mund leben, 885 Millionen Deutsche Mark mehr bezahlt worden sind, als es der Fall gewesen wäre, wenn wir uns den jeweils günstigsten Augenblick zum Einkauf hätten aussuchen können. Ich gebe diese Zahl mit allem Vorbehalt wieder, schon deshalb, weil sich der extrem günstigste Augenblick in der Praxis nicht immer erreichen läßt, aber es erscheint mir doch bemerkenswert, in welcher Größenordnung sich die Einkaufsvorteile bewegen können, wenn es uns mit Hilfe dieses Gesetzes gelingt, unsere Wirtschaft in die Lage zu versetzen, sich den Zeitpunkt des Einkaufs auszusuchen. Auch unsere handelspolitische Situation könnte durch den Aufbau angemessener Vorräte zeitweise eine Erleichterung erfahren. Es ist natürlich nicht daran zu denken, etwa Einkäufe im Gegenwert von 5 Milliarden Deutsche Mark auf einmal zu tätigen. Das würde ein Boom auf dem Weltmarkt hervorrufen und wäre wohl auch transportmäßig kaum zu bewältigen. Verteilt man jedoch die Einkäufe über einen längeren Zeitraum, so würden wir für diese Zeit eine Erhöhung unserer Einfuhren vornehmen und damit die von unseren Handelspartnern heftig kritisierte Überschußposition wenigstens teilweise abbauen. Das von der Bundesbank ausgewiesene Guthaben an Gold, Dollar und anderen Devisen im Gegenwert von etwa 24 Milliarden Deutsche Mark weckt naturgemäß die Begehrlichkeit im In- und Ausland, und die ernsten Sorgen, die aus der stetig anwachsenden Überschußposition herrührten, standen im Bundestag schon mehrfach zur Debatte. Da wohl niemand daran denkt, etwa den Export zu drosseln, schon um nicht die nach dem Kriege mühsam und unter besonders günstigen Umständen wiedergewonnenen Märkte zu gefährden, und da eine Berichtigung der Währungskurse derzeit unerreichbar erscheint, müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir unseren Handelspartnern entgegenkommen können. Dazu wäre der Aufbau von Lagervorräten einer der möglichen Wege. Der Gesetzentwurf geht von dem Gedanken aus, daß die Bundesbank einen Teil ihrer Guthaben in Warenvorräte umschichtet, die sie mit Hilfe der einschlägigen Wirtschaft in der Bundesrepublik lagert. Es ist dies eine Konstruktion, die sich an das Vorbild der Schweiz anlehnt, wo die Lagerhaltung aus den gleichen Gründen, wie sie vorher erörtert wurden, schon seit dreißig Jahren betrieben wird und wo die Vorratshaltung einen Umfang von etwa 1 Milliarde Schweizer Franken bei ca. 4 Millionen Einwohnern der Schweiz erreicht. Natürlich konnte die Methode der Schweizer Vorratshaltung nicht einfach übernommen werden, weil die dortige Praxis auf den kleineren Gebietsumfang und die sich daraus ergebende leichtere Überschaubarkeit der Wirtschaft zugeschnitten ist. Aber der Grundgedanke hat sich jedoch in der langjährigen Praxis als so richtig erwiesen, daß er in Anpassung an unsere eigenen Verhältnisse übernommen werden konnte. Zur Durchführung der vorgenannten Gedanken schlägt der Gesetzentwurf vor, daß die Bundesbank Devisenkredite zur Verfügung stellt, die ihr zu den gleichen Sätzen zu verzinsen sind, die sie heute für ihre Guthaben erhält. Nach unserer Auffassung bestehen keine ernsthaften Hindernisse gegen den Gedanken, daß die Bundesbank solche Kredite ver- gibt, zumal die Umschichtung in Warenvorräte als währungsneutral bezeichnet werden kann und bei einer Auflösung der Warenvorräte der DM-Gegenwert an die Bundesbank zurückfließen würde. Natürlich wäre auch der Weg denkbar, daß ein besonderes Bankinstitut etwa nach dem Vorschlag des Präsidenten der Düsseldorfer Industrie- und Handelskammer zwischengeschaltet wird, falls sich die Bundesbank nach ihrer Satzung zur direkten Vergabe nicht in der Lage sehen sollte. Auch dieser Weg ist durch den Gesetzestext noch gedeckt. Eine 624 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 Margulies dritte Möglichkeit wäre der ebenfalls bereits erörterte Weg der normalen Lombardierung der Lagervorräte mit Refinanzierungszusage der Bundesbank, der ebenfalls als währungsneutral angesehen werden kann, solange die Lagervorräte bestehen. Weniger kompliziert erscheint uns aber der direkte Weg, wie wir ihn im Gesetzestext vorschlagen. Um die Bundesbank vor etwa eintretenden Verlusten zu sichern, erfolgt die Beleihung nur zu 90 °/o des Warenwertes auf Lager, und der Gesamtkredit der Bundesbank soll nach unserer Auffassung vom Bund verbürgt werden. Nur aus diesem Grund, um es vorwegzunehmen, schlagen wir auch vor, die Gewährung solcher Kredite an den Nachweis zu binden, daß der Einlageren mit der Behandlung der Ware vertraut sein muß. Es ist damit keine wesentliche Beschränkung des Teilnehmerkreises beabsichtigt, sondern eher die Anwendung des alten Sprichwortes: „Schuster, bleib bei deinem Leisten!" Eine gewisse Auswahl der Beteiligten ergibt sich allerdings aus der Voraussetzung, daß der betreffende Unternehmer 10 % des Warenwertes selbst aufzubringen hat. Ähnlich dem Schweizer Vorbild ist beabsichtigt, dem Einlagerer einen Teil des Risikos aus Preisschwankungen durch eine Ausgleichskasse abzunehmen. Die ersten 5% des Risikos hat er allerdings selbst zu tragen, und darauf kann auch nicht verzichtet werden, weil uns nur auf diesem Wege erreichbar scheint, daß das Interesse des Einlagerers an preisgünstigem Einkauf in vollem Umfange gewahrt bleibt. Andererseits kann durch die Begrenzung des Risikos auf steuerliche Vorteile, wie sie die Schweiz außerdem gewährt, verzichtet werden, denn die ersten 5 °/o des Risikos liegen im Rahmen der normalen Abschreibungsmöglichkeiten nach geltendem Steuerrecht. Unerläßlich war allerdings eine Regelung der Kosten der Lagerhaltung. Diese Kosten würden den Einlagerer gegenüber dem Streckengeschäft wettbewerbsunfähig machen. Insbesondere bei Rohstoffen und Stapelgütern erreichen die Kosten der Lagerhaltung Prozentsätze des Warenwertes, die unmöglich dem Einlagerer aufgebürdet werden können, wenn man den gewollten Zweck erreichen will. Der oft erörterte Gedanke, die Lagerkosten aus steuerlichen Abschreibungen möglichst zu dekken, erscheint uns nicht zu Ende gedacht. Abschreibungen auf den Warenwert müssen zunächst einmal verdient werden, und das ist wohl in einem Ausmaß, wie es zur Deckung der Lagerkosten erforderlich wäre, kaum möglich, mindestens nicht in kurzer Zeit. Außerdem stellen solche Abschreibungsmöglichkeiten ja nur eine Stundung der Steuer dar. Die Steuerschuld lebt in dem Moment wieder auf, in dem die Ware teurer veräußert wird, als sie zu Buche steht. Unter diesen Umständen hielten wir es für richtiger, die Lagerkosten in vollem Umfange von der vorgesehenen Ausgleichskasse übernehmen zu lassen. Die Verwaltungskosten, die bei dem vorgeschlagenen Selbstverwaltungsorgan und der Ausgleichskasse entstehen, sollen allerdings von den Beteiligten durch Umlage erhoben werden, damit der Apparat möglichst klein bleibt. Um die nicht unerheblichen Mittel aufzubringen, die zur Deckung der Lagerkosten, der Kosten zur Gesunderhaltung der Ware und zur Begrenzung des eigenen Risikos des Einlagerers notwendig sind, war zunächst der Gedanke aufgetaucht, die früher einmal erwogene Exportumlage heranzuziehen. Dagegen entstanden jedoch erhebliche Bedenken, weil eine solche Belastung des Exportes die Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt beeinträchtigen könnte, und nicht zuletzt aus dem Gedanken heraus, ein in sich geschlossenes Gesetz vorlegen zu können, schlagen wir vor, eine Importumlage zu diesem Zweck auf alle in die Bundesrepublik eingeführten Waren zu erheben. Wie hoch diese Umlage sein muß, um die aufgezählten Kosten zu decken, kann sich erst aus der Praxis ergeben. Eine Begrenzung nach oben auf 1 % glaubten wir aber vertreten zu können, weil nicht anzunehmen ist, daß der benötigte Aufwand mehr beträgt als 1% unseres Importvolumens. Im Gegenteil dürfte damit zu rechnen sein, daß man zunächst mit einem sehr viel geringeren Satz auskommt. Da die gesamte Vorratshaltung der Allgemeinheit dient, erschien es uns tragbar, daß die Kosten dafür auch von der Allgemeinheit getragen werden, und sie wären unserer Auffassung nach als eine Art Risikoprämie zu betrachten gegenüber Störungen der Versorgung und der laufenden Produktion, wobei unterstellt werden kann, daß sich in der volkswirtschaftlichen Rechnung aus der Möglichkeit günstigeren Einkaufs überhaupt keine Belastung der Konsumenten ergibt. Für die Gründung des Selbstverwaltungsorgans mußte eine Übergangslösung gefunden werden, um zu vermeiden, daß sich einige wenige Unternehmen zu dem vorgesehenen Selbstverwaltungsorgan zusammenschließen und damit so eine Art Kartell gründen. Es wird deshalb vorgeschlagen, die Gründung in die Hände des Bundeswirtschaftsministeriums zu legen und diesem zu überlassen, die Interessenten zur Bildung des Selbstverwaltungsorgans aufzufordern und bei genügender Beteiligung die Gründung vorzunehmen. Dem Bundeswirtschaftsministerium ist auch die Aufgabe zugedacht, die Satzung im Einvernehmen mit den Beteiligten zu erarbeiten, die Aufsicht auszuüben und zu bestimmen, wer das Finanzgebaren der Ausgleichskasse überprüft, also etwa die Deutsche Revisions- und Treuhandgesellschaft oder auch der Bundesrechnungshof. Damit scheint uns die Gewähr dafür gegeben zu sein, daß sich beim Aufbau der ganzen Sache keine Unzuträglichkeiten einschleichen. Wir waren der Ansicht, daß eine darüber hinausgehende Beteiligung des Bundesernährungsministeriums nicht erforderlich sei, weil es sich für den Bereich der Waren, die in den Geschäftsbereich des Bundesernährungsministeriums fallen, nur um eine formale Änderung der Vorratslagerhaltung handelt. Sowohl bei Getreide als auch bei den anderen in § 7 betroffenen Warenarten bleibt das Einfuhrsystem über die Einfuhr-und Vorratsstellen unberührt, so daß Lagervorräte in diesem Bereich nur unter den gleichen Voraussetzungen aufgebaut werden können, wie sie jetzt bestehen. Die vorgeschlagene Änderung besteht nur darin, daß die Einlagerung selbst, und zwar nur, soweit es sich um eingeführte Waren handelt, nicht mehr von der Einfuhr- und Vorratsstelle son- Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 625 Margulies dern von den einschlägigen Wirtschaftskreisen getätigt wird. Das hat noch den Vorzug, daß danach zum Aufbau solcher Vorräte nicht besondere Ausschreibungen zu erfolgen brauchen, sondern der Vorgang sich im Rahmen der sowieso bestehenden Betätigung der Einfuhr- und Vorratsstellen vollzieht. Ich glaube, mich zunächst auf diese Begründung des Entwurfs beschränken zu sollen, obwohl es nahe läge, sich mit den bereits erhobenen Bedenken und Einwendungen auseinanderzusetzen. Die Frage, die mit unserem Initiativgesetzentwurf an die Regierung gestellt ist, besteht darin: Hält sie die Bildung angemessener Vorräte heute noch für so wichtig, wie das in der Vergangenheit mehrfach erklärt wurde? Falls ja, dann gibt unser Gesetzentwurf der Regierung eine Möglichkeit an die Hand, dieses Ziel zu erreichen. Ich würde es sehr bedauern, wenn man etwa darauf verfiele, diesen Vorschlag, der in mehrjähriger Arbeit einer Studiengruppe entstanden und nach allen Seiten wohl durchdacht ist, einfach zu kritisieren, ohne seinerseits andere oder gar bessere Vorschläge machen zu können. Der Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf ist selbstverständlich ein liberaler Entwurf. Er vermeidet jeden unnötigen Eingriff in den Ablauf des Wirtschaftsgeschehens. Er beschränkt sich auf Kann-Vorschriften, von denen dann Gebrauch gemacht wird, wenn das Ziel, nämlich angemessene Lagervorräte zur Vermeidung von Störungen der Versorgung oder der laufenden Produktion oder kurzfristige Unterbrechungen der Zufuhr zu schaffen, von allen Beteiligten als notwendig erachtet wird. Anlage 5 Schriftliche Erklärung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Vorratslagerhaltung an Lebensmitteln und Rohstoffen (Vorratslagergesetz) (Bundestagsdrucksache Nr. 139 vom 16. 1. 1958) Die Bundesregierung hat den Fragen der Bevorratung mit Lebensmitteln und Rohstoffen schon immer ein besonderes Augenmerk gewidmet. Soweit ausländische Erzeugnisse in Frage kommen, kann durch eine Verstärkung der Vorratshaltung eine Verminderung des Zahlungsbilanzüberschusses erreicht werden. Außerdem wirkt sich eine erhöhte Lagerhaltung — neben der Vorsorge für etwaige Krisenzeiten — auch auf die Funktionsfähigkeit des deutschen Import- und Transithandels sowie der deutschen Rohstoffmärkte günstig aus. Deshalb hat sich die Bundesregierung bei der Behandlung des am 26. Juli 1957 beschlossenen Steueränderungsgesetzes nachdrücklich dafür eingesetzt, daß die unter der Bezeichnung „Bremer Erlaß" bekannte Regelung zur Verbesserung der Bevorratung mit Importrohstoffen gesetzlich verankert und, wesentlich verbessert wurde. Die danach vorgesehenen Bewertungsabschläge werden, wie anzunehmen ist, in nächster Zeit ihren Niederschlag in erhöhten Rohstoffvorräten finden. Auf dem Ernährungssektor hat die Bundesregierung schon seit längerer Zeit eine staatliche Vorratshaltung — insbesondere auch in Importlebensmitteln — als ein wirksames Instrument zur Erhaltung eines ausgeglichenen Marktes vor allem in Krisenzeiten angesehen. Sie hat deswegen eine Bundesreserve nach Maßgabe der im Bundeshaushalt bereitgestellten Mittel nach und nach aufgebaut. Die Fraktion der FDP will mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine weitere Förderung der Vorratshaltung erreichen. Dabei werden aber Maßnahmen in Vorschlag gebracht, die weder mit der bestehenden Wirtschaftsordnung noch mit verschiedenen internationalen Abmachungen in Einklang zu bringen sind; auch aus sonstigen Gründen wären sie praktisch nicht durchführbar. So würde die Errichtung eines Selbstverwaltungsorgans mit der Befugnis zum Abschluß von Lagerverträgen, die vor allem den Umfang und die Dauer der Lagerhaltung bestimmen, eine unerwünschte Lenkung der Vorratshaltung bedeuten. Die Erhebung einer Importabgabe wäre weder mit dem GATT noch mit dem Montanunions-Vertrag noch mit dem EWG-Vertrag vereinbar. Die Deckung sämtlicher Kosten aus einer Ausgleichskasse und das Verbürgen der Devisenkredite durch den Bund würde die Lagerhalter von fast sämtlichen Risiken freistellen. Dabei ist keineswegs sichergestellt, daß der kostspielige Einsatz umfangreicher Mittel zu einer Ausweitung der schon bestehenden Vorratslager führen würde. Unter diesen Umständen würde die Finanzierung einer Lagerbevorratung aus der Devisenreserve der Bundesbank bedenkliche währungs- und konjunkturpolitische Auswirkungen zur Folge haben. Für die Verhältnisse auf dem Ernährungssektor muß als besonders bedenklich angesehen werden, daß den Einfuhr- und Vorratsstellen nach dem Entwurf eine Vorratshaltung in Importlebensmitteln nicht mehr gestattet sein soll. Dadurch würde die Möglichkeit entfallen, bei etwaigen Krisen, die zu einer Verminderung der Einfuhren führen, die Versorgung wie bisher durch Abgaben aus der Bundesreserve sicherzustellen. Die Bundesregierung hält daher den Entwurf nicht für eine geeignete Grundlage, um eine Erhöhung der Lebensmittel- und Rohstoffbevorratung zu erreichen. Dr. Ludwig Erhard Anlage 6 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Fritz namens der CDU/CSU-Fraktion zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Vorratslagerhaltung an Lebensmitteln und Rohstoffen (Vorratslagergesetz) (Drucksache 139) Die Fraktion der CDU/CSU war verwundert, daß gerade von seiten der liberalen FDP ein derartiger 626 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 Dr. Fritz Gesetzentwurf, wie das Vorratslagergesetz, dem Hohen Hause vorgelegt wird. Dies gilt um so mehr, als in der Plenarsitzung vom 22. Januar 1958 Herr Dr. Atzenroth gegen die Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft Stellung nahm und sich den vorausgegangenen ablehnenden Ausführungen von Herrn Dr. Deist anschloß. Herr Dr. Atzenroth sprach damals, dem Sinne nach, von einer marktwirtschaftlichen Haltung, die ihn zur Ablehnung des genannten Gesetzes führe, welche die FDP konsequent immer eingenommen habe. Die Freie Demokratische Partei hat aber nicht nur das Vorratslagergesetz eingebracht, sondern inzwischen auch den Entwurf eines landwirtschaftlichen Investitionsgesetzes — Drucksache 193 —, in welchem ebenfalls Maßnahmen auf dem Kreditsektor vorgesehen werden, die alles andere als marktkonform zu bezeichnen sind. Es ist nur auf den § 5, den § 7, den § 8 und den § 9 dieser Gesetzesvorlage hinzuweisen. Wenn man von einem Gesetz sagen kann, es verstößt gegen die Prinzipien unserer Marktwirtschaft, dann ist es wohl dieses Vorratslagergesetz. An dieser Stelle sei das währungspolitische Bedenken nicht weiter erläutert. Doch sollen einige andere Punkte angesprochen werden. So kann eine Methode zur Sicherung einer nachweisbar zusätzlichen Lagerhaltung, solange Importe von der privaten Wirtschaft durchgeführt werden, wohl kaum gefunden werden. Dann müßte man konsequenterweise schon zu einer staatlichen Lagerhaltung übergehen. Die selbstschuldnerische Bürgschaft verleitet dazu, daß der Unternehmer das ihm eigene und nicht abnehmbare Wagnis (eine Funktion, auf die er sonst mit Recht stolz sein kann) auf den Staat abwälzt. Das Selbstverwaltungsorgan, das aufgebaut werden soll aus einem Kreis, wie es in § 1 heißt, „der Gewähr dafür bietet, daß er mit der Behandlung der Ware vertraut ist", führt zu einem sogenannten geschlossenen Markt der Importeure. Ein Befähigungsnachweis muß demnach folgerichtig eingeführt werden. Es ergibt sich also ein Importeurkartell und damit eine monopolartige Stellung des bevorzugten Importhandels. Wir hätten damit neben den bekannten schriftlich fixierten Berufsordnungswünschen, die, wie der Herr Bundeswirtschaftsminister einmal sagte, zu Dutzenden bei ihm in der Schublade liegen, noth einen neuen Berufsordnungswunsch zu erfüllen. Das kann nicht Sinn unserer Wirtschaftspolitik sein. Das ist aber auch sicherlich unvereinbar mit den uns bisher bekannten wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der FDP. Die Einführung einer Importabgabe steht überhaupt nicht zur Diskussion, da sie gegen Bestimmungen des GATT, der EWG und der Montan- union verstoßen würde. Eine Importabgabe wäre einer Zollerhöhung gleichzusetzen. Von der Rechtslage abgesehen, hätte diese Abgabe sicherlich auch Preiserhöhungen für Importgüter zur Folge. Wir stimmen mit der FDP allerdings in einem überein, nämlich in der Tatsache, daß die Lagerhaltung von Importwaren recht problematisch ist und daß der Importhandel, so bedeutsam er für unsere Volkswirtschaft ist, berechtigte Wünsche vorzubringen hat. Infolge seiner angespannten Finanzsituation auf Grund einer ungünstigen Kapitalstruktur ist er vielfach geschwächt. In der Lagerhaltung stützt sich die Wirtschaft der Bundesrepublik teilweise auf Lagerhalter der Transitländer Niederlande und England. Hierin ist ein Problem zu sehen vor allem für die Bewältigung unserer wirtschaftlichen Aufgaben bei sogenannten außerökonomischen Störungen. Wir wissen, daß die Frage der Lagerhaltung — unter anderen Gesichtspunkten als bei uns — auch in anderen Staaten behandelt wird. Die Schweiz kennt private, halbstaatliche und staatliche Einrichtungen dieser Art. Auch in den USA gibt es staatliche Läger. Allerdings werden beide Institutionen volkswirtschaftlich kritisch beurteilt. Sie sind und bleiben im marktwirtschaftlichen Ablauf Störenfriede, die sich da und dort, wie das Beispiel Schweiz zeigt, sogar in Zeiten, in welchen sich Krisen abzeichnen, bemerkbar machen. Schließlich haben auch wir in der Bundesrepublik gewisse Erfahrungen mit staatlichen Lenkungsmaßnahmen auf dem Gebiete der Lagerhaltung, die, sosehr wir auch ihre Notwendigkeit anerkennen müssen, uns nicht voll befriedigen. Man sollte danach trachten, die Lagerhaltung für Importgüter mit möglichst marktkonformen Mitteln zu fördern. Es sei daran erinnert, daß der 2. Bundestag gegen Ende seiner Legislaturperiode entsprechende Maßnahmen steuerrechtlicher Art verabschiedet hat. Grundlage hierfür war der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom April 1957, der die im Interesse der Allgemeinheit notwendige Erhöhung der Lagerhaltung zur Erleichterung ihrer Finanzierung und zur Verminderung der mit der Lagerhaltung verbundenen Risiken steuerlichen Begünstigungen vorsah. Dies war mehr oder weniger die rechtliche Verankerung des Bremer Erlasses von 1954. Wir möchten der Bundesregierung empfehlen, entgegen der Stellungnahme der Länder zum Steuerprogramm des Bundes, die Bewertungsabschläge auf Waren ausländischer Herkunft zur Steigerung der Vorratshaltung so zu gestalten, daß die Importeure in die Lage versetzt werden, ihre volkswirtschaftliche Funktion zu erfüllen. Trotz unserer grundsätzlichen Ablehnung des vorliegenden Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vorratslagerhaltung an Lebensmitteln und Rohstoffen stimmen wir zu, daß dieser Gesetzentwurf zur weiteren Behandlung den vorgeschlagenen Ausschüssen überwiesen wird. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 627 Anlage 7 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Atzenroth zu dem von der Fraktion der FDP eingereichten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungssteuergesetzes (Drucksache 165) Das gleiche Anliegen, das wir heute vortragen, hat schon den zweiten Deutschen Bundestag vor etwa einem Jahr beschäftigt. Im Jahre 1955 hat das Hohe Haus ein Gesetz beschlossen, durch das die Steuer im Werkfernverkehr auf das Dreifache heraufgesetzt wurde mit dem Hinzufügen, daß sich der Satz am 1. April 1957 automatisch nochmals von 3 auf 4 Pfennig und am 1. April 1958 von 4 auf 5 Pfennig pro tkm erhöhen soll. Den Bundesverkehrsminister hatten damals in erster Linie nichtfinanzielle Gründe geleitet. Er wollte vielmehr durch die drastische Steuererhöhung den Umfang des Werkfernverkehrs drosseln und eine große Zahl von Kraftwagen dadurch von der Straße bringen. Wie zu erwarten war, hat er dieses Ziel nicht erreicht. Er wird es auch nicht erreichen. Die Wirkung der Steuererhöhungen waren nur eine Verteuerung des Werkfernverkehrs und damit eine Preiserhöhung für eine ganze Reihe von wichtigen Produkten, insbesondere von Verbrauchsgütern. Meine Fraktion hat in klarer Erkenntnis dieser Wirkung im vergangenen Jahr beantragt, daß die vorgesehene automatische Erhöhung von 3 auf 4 Pfennig nicht vorgenommen werden soll. Leider ist unser Antrag damals nicht angenommen worden, und zwar im wesentlichen auf Grund des Widerstands des Verkehrsministers. Wir behaupten auch heute noch, daß unser damaliger Antrag berechtigt war, und wir konnten feststellen, daß eine ganze Reihe von Kollegen, insbesondere aus der CDU, inzwischen unserer Meinung beipflichten. Der Herr Bundesverkehrsminister hat sich vor einem Jahr darauf berufen, daß die Tariferhöhung von rund 1 Pfennig auf 3 Pfennig den beabsichtigten Erfolg zwar nicht ganz, aber doch schon zu einem beträchtlichen Teil erbracht habe und daß die weiteren Erhöhungen notwendig seien, um das von ihm erstrebte Ziel endgültig zu erreichen. Er konnte seine Behauptung damals nicht mit Zahlen beweisen. Aus diesem Grunde hat ihm der 2. Deutsche Bundestag im vergangenen Februar einstimmig die Auflage gemacht, das erforderliche Zahlenmaterial bis zum 31. Dezember 1957 dem Bundestag vorzulegen. Dieser Verpflichtung ist der Herr i Minister nicht nachgekommen. Es ist eine höchst bedauerliche Tatsache und für die deutsche Demokratie abträglich, wenn die Regierung oder einer ihrer Minister sich einfach über einen Beschluß des Parlaments hinwegsetzt und wenn der Bundestag eine solche Verletzung seiner Rechte ohne Widerspruch hinnimmt. Wir jedenfalls erheben hierdurch allerschärfsten Protest gegen ein solches Verhalten. Wir können uns also auch bei unserem heutigen Antrag nicht auf amtliche Zahlen berufen. Das ist aber nicht von entscheidender Bedeutung. Denn jedermann, der in der Wirtschaft tätig ist, weiß, daß die technische Errungenschaft, die der Werkfernverkehr darstellt, nicht durch diskriminierende Steuermaßnahmen beseitigt oder verkleinert werden kann. In bestimmten Wirtschaftszweigen ist es heute einfach zwingend notwendig, die Produkte in werkeigenen, meist für den Sonderzweck eingerichteten Fahrzeugen zu transportieren. Hier liegt keine wirkliche Konkurrenz gegenüber der Bundesbahn oder dem Güterfernverkehr vor. Hier handelt es sich vielmehr um eine aus der Sache heraus notwendige dritte Beförderungsart. Die Werkfernverkehrs-Steuer bildet bei bestimmten Produkten einen der vielen Preisbestandteile, deren Erhöhung sich schließlich im Verkaufspreis niederschlagen muß. In einzelnen Bereichen ist das aus Konkurrenzgründen vielleicht zur Zeit nicht durchsetzbar, auf breiter Ebene aber bedeutet eine Erhöhung der Gebühren im Werkfernverkehr automatisch eine Preiserhöhung für das Endprodukt beim Verbraucher. Deswegen sollte insbesondere der Herr Bundeswirtschaftsminister, der in der Öffentlichkeit von der privaten Wirtschaft immer die Erhaltung der Preisstabilität fordert, unseren Antrag ganz intensiv unterstützen. Im Interesse einer Wirtschaftspolitik, die sich die Erhaltung der Kaufkraft der D-Mark zum Ziel gesetzt hat, hätte es gelegen, wenn wir den Antrag gestellt hätten, den Steuersatz wieder auf 1 Pfennig pro tkm zu senken. Wir haben uns auf die Forderung beschränkt, in diesem Jahre keine Erhöhung vorzunehmen. Diesem Anliegen sollte das Hohe Haus einmütig zustimmen. Ich habe zum Schluß noch die Bitte, daß die Vorlage, die dem Finanzausschuß überwiesen ist, so rechtzeitig behandelt wird, daß die betroffenen Wirtschaftskreise vor dem 1. April Klarheit und Sicherheit darüber erhalten, mit welcher Belastung sie künftig zu rechnen haben.
Gesamtes Protokol
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301300000
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich dem Herrn Abgeordneten Kraft zum 60. Geburtstag die Glückwünsche des Hauses aussprechen.

(Beifall.)

Ferner habe ich bekanntzugeben: Die für den 12. März vorgesehene Fragestunde ist auf die Woche vom 17. März verlegt. Sperrfrist für eingehende Fragen ist jetzt Freitag, der 14. März, 12 Uhr.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 10. Februar 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften — Drucksache 51 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 198 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 14. Februar 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Vernachlässigung des Straßenbaus — Drucksache 157 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 210 verteilt.
Der Herr Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes hat unter dem 10. Februar 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Verkauf von Bundesbeteiligungen — Drucksache 155 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 211 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 14. Februar 1958 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kiesinger, Dr. Mommer und Genossen betreffend Konventionen des Europarates — Drucksache 162 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 215 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dein
14. Februar 1958 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Mommer, Kiesinger und Genossen betreffend Ratifizierung der Konventionen des Europarates — Drucksache 163 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 216 verteilt.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 18. Februar 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Zahlungen aus Bundesmitteln an den wegen Urkundenfälschung und Betrugs zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilten früheren Gestapo-Mann und SS-Sturmbannführer Heinz Stephan — Drucksache 167 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 217 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem
15. Februar 1958 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Ernennung des Bundestagsabgeordneten Dr. Vogel zum Vortragenden Legationsrat im Auswärtigen Amt — Drucksache 158 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 224 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 13. Februar 1958 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 196. Sitzung am 28. Februar 1957 über den Nachwuchsmangel in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 225 verteilt.
Zur Tagesordnung hat Herr Abgeordneter •Rasner das Wort.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0301300100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der Saar sind uns Nachrichten darüber zugegangen, daß es im Interesse des Saar-
landes selbst läge, wenn das Haus heute von der Behandlung des Punktes 3 der Tagesordnung absähe. Wir beantragen daher, den Punkt 3 — Drucksache 58 — von der Tagesordnung abzusetzen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301300200
Das Wort zur Tagesordnung hat Herr Abgeordneter Conrad.

Kurt Conrad (SPD):
Rede ID: ID0301300300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin entgegengesetzter Ansicht. Die SPD-Bundestagsfraktion hat auf die Stellung einer Großen Anfrage zum Saarproblem deshalb verzichtet, weil der Antrag der DP vorliegt. Das dauernde Hinauszögern der Beratung dieses Antrags scheint mir nicht tunlich zu sein. Es wäre richtig, nicht über die Dinge der Saar hier zu reden, wenn der Saarvertrag so abrollte, wie es vorgesehen ist; das ist aber nicht der Fall. Ein Drittel der Übergangszeit ist vorübergegangen, ohne daß die im Vertrag vorgesehenen Wirkungen zu erkennen sind, ja, man muß die gegenteiligen Wirkungen feststellen. Meine Fraktion ist deshalb der Ansicht, daß Punkt 3 auf der Tagesordnung bleiben soll.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301300400
Frau Abgeordnete Kalinke zur Geschäftsordnung!

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0301300500
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Im Namen der Fraktion der Deutschen Partei bitte ich, die Beratung unseres Antrags nicht von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Wir sind nicht der Auffassung, die hier gegenüber unseren Freunden von der CDU und den Kollegen von der Freien Demokratischen Partei scheinbar aus Kreisen der Saarregierung geäußert worden ist, daß diese Beratung die in Gang gekommenen oder beabsichtigten Verhandlungen über irgendwelche Fragen der Anpassung stören könnte. Vielmehr glauben wir, daß eine Aussprache dazu beitragen könnte, die von deutscher wie von französischer Seite gewünschte Verständigung zu fördern und die Übergangszeit rasch zu beenden. Auch das uns allen von der Saarregierung zugegangene Material muß jeden Unvoreingenommenen davon überzeugen, daß die Beendigung der Übergangszeit ein Wunsch der Saarregierung ist. Wir meinen auch, daß die Beratung unseres Antrags keineswegs das Verhältnis zu den französischen Freunden trüben, sondern vielmehr dazu beitragen wird, die Beratungen über die Übergangszeit im Sinne der Vertragstreue zu fördern. Wir sind auch der Auffas-



Frau Kalinke
sung, daß unser Antrag auf der völkerrechtlichen und moralischen Grundlage der Vereinbarungen im Saarvertrag selbst beruht, in dessen Artikel 3 es heißt, daß „die im Artikel 1 vorgesehene Übergangszeit spätestens am 31. Dezember 1959 endet und das genaue Datum der Beendigung dieses Zeitraums von den Regierungen der beiden Vertragsstaaten im gegenseitigen Einvernehmen festgelegt und bekanntgegeben werden soll". Aus dieser Fassung ergibt sich für meine politischen Freunde ganz eindeutig, daß die beiden Regierungen das genaue Datum der Beendigung der Übergangszeit erst im gegenseitigen Einvernehmen — das heißt durch Verhandlungen — festlegen und bekanntgeben wollten und sollen. Wenn also unser Antrag die Bundesregierung zu Verhandlungen mit Paris über das Enddatum auffordert, so ist das nicht etwa etwas Vertragsfremdes, sondern im Gegenteil etwas, was der Vertrag selber wörtlich fordert. Wann die Übergangszeit enden soll, das festzusetzen steht dann eben den Regierungen frei. Wir befürchten nicht, daß die beabsichtigten Verhandlungen,

(Glocke des Präsidenten)

wenn sie schon vorbereitet sein sollten, oder inzwischen in Gang gekommene Besprechungen über Teilfragen durch eine Beratung unseres Antrags beeinträchtigt werden könnten. Wir sind vielmehr der Meinung, daß eine solche Beratung diesen Verhandlungen nur dienlich sein kann.
Unser Antrag dient weiter zwei unaufschiebbaren Anliegen. Das eine ist außenpolitischer Art,

(Glocke des Präsidenten)

nämlich durch diese Verhandlungen die rasche Beendigung der Übergangszeit zu erreichen.

(Erneutes Glockenzeichen des Präsidenten.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301300600
Einen Augenblick!

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0301300700
Das sind Bemerkungen zur Tagesordnung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301300800
Einen Augenblick, Frau Abgeordnete! Sie gehen doch etwas zu weit auf die Sache selbst ein. Ich bitte, zur Tagesordnung zu sprechen und zu erklären, ob Sie für oder gegen die Behandlung des Antrags in der heutigen Sitzung sind.

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0301300900
Wir sind deshalb sowohl aus den außenpolitischen Gründen wie aus den außerordentlich bedeutsamen politischen und menschlichen Gründen der Meinung, daß alles geschehen muß, um der Beunruhigung und der Verbitterung der saarländischen Bevölkerung, die sich aus der Verlängerung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Gefolge der Entliberalisierungsmaßnahmen der französischen Regierung und der Frankenabwertung an der Saar ergeben haben, ein Ende zu setzen, und wir sind weiter der Meinung, daß durch die Beratung unseres Antrages hier der Beginn konkreter Verhandlungen mit dem Ziel der
Verkürzung der Übergangszeit beschleunigt und im Sinne einer guten Verständigung auch mit unseren französischen Freunden zu einem schnellen und guten Ende geführt werden muß.
Wir bitten Sie deshalb, weil wir diesen Teil des Anliegens für unaufschiebbar halten, dem Antrag der CDU auf Absetzung von der Tagesordnung nicht zuzustimmen, sondern die Beratung noch heute vorzunehmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301301000
Ich habe so verstanden, daß der Sprecher der SPD — Sie haben doch wohl für Ihre Fraktion gesprochen, Herr Abgeordneter Conrad — sich dafür ausgesprochen hat, die Vorlage auf der Tagesordnung zu belassen.

(Abg. Conrad: Ja!)

— Sie stimmen also mit Frau Kalinke überein.

(Heiterkeit.)

Ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag des Abgeordneten Rasner, den Punkt 3 heute abzusetzen, folgen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste ist die Mehrheit; der Punkt 3 ist abgesetzt. — Keine weiteren Bemerkungen. Die Tagesordnung ist damit festgestellt.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
a) Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Räumung von Lagern und Notunterkünften durch Wohnungsbau (Drucksache 72),
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Sondermaßnahmen für den Wohnungsbau zugunsten der Zuwanderer und Aussiedler (Drucksache 231).
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben uns im Ältestenrat darauf geeinigt, so zu verfahren, daß zunächst die Begründung zu Punkt 1 a gegeben wird. Dann sollen folgen die Anwort zu 1 a, die Begründung zu 1 b, die Antwort zu 1 b und dann die gemeinsame Debatte.
Zur Begründung des Punktes 1 a Herr Abgeordneter Kuntscher!

Ernst Kuntscher (CDU):
Rede ID: ID0301301100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im vergangenen Jahr haben wir täglich mehr als tausend Personen als Flüchtlinge aus der sowjetisch besetzten Zone und als Aussiedler aus den Gebieten Ostdeutschlands, die unter polnischer Verwaltung stehen, bei uns in der Bundesrepublik aufgenommen. Seit Jahren fließt dieser Flüchtlingsstrom. Es ist nicht abzusehen, wann er endet. Ja, wir haben in den letzten Tagen sogar erfahren, daß das Polnische Rote Kreuz das Deutsche Rote Kreuz verständigt hat, nunmehr werde täglich ein Aussiedlertransport in der Bundesrepublik ankommen. Mit jedem Transport kommen etwa 500 Personen, und auch wenn diese Transporte an Sonn- und Feiertagen nicht durchgeführt werden, wie es in der Mitteilung heißt, so ergibt sich doch immerhin ein Zustrom von etwa 14 000 Personen im Monat, und im Jahr werden es 150 000



Kuntscher
sein. Das ist eine drückende Last des dreigeteilten Deutschlands. Groß sind die Sorgen, die uns darob entstehen, und fast geht es über die menschliche Kraft, diese Sorgen zu meistern. Es handelt sich um ein politisches, aber weit mehr noch um ein menschliches Problem. Deshalb sind Lösungen auf weite Sicht notwendig. Wer jemals durch Gewalt, durch untragbare gesellschaftliche Verhältnisse, durch unerträglichen und nervenzermürbenden Gewissenszwang der Freiheit des Wortes und der Persönlichkeit beraubt war und gezwungen war, seine Heimat, die ihm liebgewordene Umgebung unter Zurücklassung aller seiner Habe zu verlassen, der wird mir beipflichten, daß diejenigen, die vom Schicksal in dieser Art ereilt wurden, die erste und größte Sorge haben, im Aufnahmeland, in ihrer neuen Heimat wenigstens ein schützendes Dach über dem Kopf zu haben und in halbwegs menschliche Wohnverhältnisse zu kommen. Das ist aber in den Lagern nicht möglich, welche Bezeichnung die Lager auch immer tragen mögen. Die Lager laufen über, sie sind überfüllt. Diese beängstigende Lage bestimmte uns, die Große Anfrage Drucksache 72 zu stellen.
In diesem Zusammenhang möchten wir aber gleich betonen, daß die in der Großen Anfrage angesprochenen Einzelgebiete nicht nur Angelegenheiten der Bundesregierung sind, sondern in hohem Maße auch die Länderregierungen betreffen, da die Durchführung des Wohnungsbaus gesetzlich und verfassungsmäßig bei den Ländern liegt.
Nun zu den einzelnen Punkten der Ihnen vorliegenden Großen Anfrage.
In Punkt 1 unserer Großen Anfrage erachten wir die zahlenmäßige Feststellung der Zuwanderer und Aussiedler für wichtig, vor allem Angaben darüber, wie viele dieser Personen sich in Lagern und in Notunterkünften befinden. Die zahlenmäßige Feststellung ermöglicht einen Überblick, ob die Ansätze bei der Aufstellung der Haushalte etwa überschätzt oder unterschätzt wurden, da erst die folgende Frage nach der Bereitstellung von Mitteln zur wohnungsmäßigen Unterbringung einen richtigen Abschluß gibt. Es wird dann auch leichter, die Ursachen der gegenwärtigen Überbelegung der Aufnahmelager, der Durchgangslager, der Gastlager, der Lager in den Ländern und Regierungsbezirken, der Kreislager und Gemeindelager und der Massennotunterkünfte zu ergründen.
Die Lageraufenthalte werden immer länger. Der Durchschnittsaufenthalt in den großen Gastlagern — Wentorf, Langensee, Wandsbek, Sandhorst, Ulm usw. — beträgt 20 bis 24 Monate. Dann geht der Weg in die Lager des Aufnahmelandes — wieder mit weit mehr als Jahresfrist —, bis eine endgültige Wohnungseinweisung erfolgt. Welche seelische, moralische und menschliche Not diese Zahlen beinhalten, wird jeder bestätigen, der des öfteren diese Lager besucht und sich um die Stimmung der Insassen kümmert.
Diese Tatbestände führen zur Frage 2, der Frage nach der Mittelbereitstellung in den Jahren 1956
und 1957 und der Anzahl der für den Personenkreis der Zuwanderer und Aussiedler zu erstellenden Wohnungen. Seit dem Jahre 1953 stellt der Bund Förderungsmittel zur Verfügung. Zunächst waren es 1500 DM pro Kopf. Der Betrag wurde mit den steigenden Baukosten auf 2000 DM erhöht und in der zweiten Hälfte des Jahres 1957 auf 50 010 der Baukosten pro erstellter Wohnung erweitert.
Bisher wurden neun Sonderprogramme durchgeführt bzw. befinden sich in der Durchführung. Fünf Programme sind in etwa erfüllt, d. h. die in diesen fünf Programmen vorgesehenen 83 340 Wohnungen sind bis auf etwa 1% bezugsfertig oder im Bau befindlich. Nach Abwicklung dieser Programme trat 1956 und 1957 eine besorgniserregende Stockung im Wohnungsbau für den in Frage kommenden Personenkreis ein. Erst in den letzten Monaten des Jahres 1957 hat die Erfüllung des sechsten Programms merklich aufgeholt. Wenn am 1. August 1957 von den 31250 vorgesehenen Wohnungen dieses sechsten Programms 4335 noch nicht einmal bewilligt waren, so fiel in den letzten Monaten des Jahres 1957 bis zum 31. Dezember 1957 die Zahl der nicht bewilligten Wohnungen auf 1964.
Die Bereitstellung der Mittel für das nächste Programm durch den Bund erfolgte am 5. März 1956 mit einer Aufstockung am 17. Oktober 1956. Im siebenten, achten und neunten Programm sind 51 228 zu bauende Wohnungen vorgesehen. Mit Stand vom 31. Dezember 1957 waren von diesen 51 228 zu bauenden Wohnungen 29 035 noch nicht einmal bewilligt.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

das ist mehr als die Hälfte, und das, obwohl der Bund die Mittel für dieses Programm bereits am 4. Oktober 1956 und 27. Februar 1957 mit anteiliger Aufstockung bereitgestellt hat.
Was hier besonders auffällt, ist der gewaltige Unterschied bei den noch ausstehenden Bewilligungen in den einzelnen Ländern. Er bewegt sich zwischen 20 und 100 %. noch nicht bewilligter Wohnungen aus diesen drei letzten Programmen. Und noch auffälliger ist, daß nach den einwandfreien, auf den laufenden Ländermeldungen beruhenden Erhebungen nicht die finanziell starken Länder in ihren Anstrengungen an der Spitze liegen, sondern gerade die finanziell schwachen. Ich nenne hier Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bayern.
Uns interessiert nunmehr, zu wissen, womit diese Tatsachen zu erklären sind. Unter Ziffer 3 fragen wir, ob auch gewährleistet ist, daß für den je Wohnung vom Bund bereitgestellten Förderungsanteil die entsprechende Anzahl von Personen aus dem Kreise der förderungsberechtigten SBZ-Zuwanderer und Aussiedler auf Dauer außerhalb von Zwischen-und Massenunterkünften wohnungsmäßig untergebracht wird, vor allem ob auch Kontrollen durchgeführt werden und welches Ergebnis sie zeitigten. In diese Frage möchten wir auch die Umsetzung von altansässigen Wohnungsuchenden in Neubauwohnungen, die in den genannten Sonderprogrammen erstellt wurden, einbeziehen, wenn in die frei wer-



Kuntscher
denden Altwohnungen zum Ausgleich Zuwanderer oder Aussiedler, namentlich wegen der Mietpreisdifferenz, eingewiesen werden.
Zu Ziffer 4: Die Schwierigkeiten der Gesamtfinanzierung und termingerechten Programmdurchtührung bei den Ländern und den Gemeinden sind uns bekannt. Deshalb die Anregung, alle Möglichkeiten zu prüfen, ob nicht Bund und Länder einen fortlaufenden Finanzierungs- und Terminplan vereinbaren können. Eine solche Maßnahme könnte zu einer Beruhigung der Lagerinsassen beitragen, weil diese dann in etwa eine zeitgebundene Aussicht hätten, wann sie von ihrem Lagerleben erlöst werden und in eine menschenwürdige Wohnung kommen. Darauf zielt auch die Frage nach der Beibehaltung ihrer Dringlichkeitsstufe ab, zumal sie doch verschiedene Lager passieren müssen. Uns interessiert diese Frage besonders wegen der geplanten Zwischenlösungen. Wichtig ist auch eine Auskunft, an welche Zeitdauer bei solchen Zwischenlösungen überhaupt gedacht ist. Wir befürchten, daß aus diesen Zwischenlösungen, d. h. aus der Belegung einer neu erstellten Normalwohnung nicht mit einem Haushalt, sondern mit zwei, eventuell drei Haushalten nur zu leicht wie bei vielen anderen Provisorien ein Dauerzustand wird. Während wir den angestrebten Zwischenlösungen mit großer Skepsis gegenüberstehen, lehnen wir neue Notlösungen durch neuerlichen Barackenbau ab. Sie beinhalten die Gefahr der Ghettobildung und sind vielfach auf die Dauer gesehen Fehlinvestierungen.
) Unter Ziffer 5 fragen wir, ob auch die Möglichkeiten des Zweiten Wohnungsbaugesetzes genutzt werden, um für Wohnungen der SBZ-Flüchtlinge und Aussiedler mit geringem Einkommen die Miete oder Belastung tragbar zu machen. Ein zweites Anliegen ist hier, daß Mittel und Wege gefunden werden, um mit den für diesen Personenkreis bestimmten Sondermitteln auch Eigentumsmaßnahmen verstärkt zu fördern. Wir wollen die Eigentumsbildung in breiter Front und wollen auf diesem Wege durch sinnvollen Tausch auch den Altvertriebenen bei der Erstellung von Eigentum helfen.
Im engsten Zusammenhang damit steht die Frage 6. Die Voraussetzung für eine verstärkte Eigentumsbildung ist die Bereitstellung von Baugelände zu erschwinglichen Preisen. Solches Baugelände ist in den Ballungszentren nicht immer vorhanden. Wir fragen deshalb die Bundesregierung, welche organisatorischen und finanziellen Maßnahmen sie zusammen mit den Ländern erwägt, um die Ballungsräume aufzulockern. Wir denken dabei an Wohngebiete, vor allem an Familienheimsiedlungen in verkehrsmäßig noch erreichbaren Randgebieten der Ballungszentren, weiter an die Förderung neuer Industrieansiedlungen im Zusammenhang mit der Seßhaftmachung der Flüchtlinge und Aussiedler, um die massierten Ballungsgebiete zu dekonzentrieren.
Die Frage 7 schließlich soll darüber Aufschluß geben, ob etwaige Ersparnisse aus der pauschalierten Kriegsfolgenhilfe, die nicht zuletzt auch durch die beschleunigte Lagerräumung zu erzielen sind, zur Aufstockung der verfügbaren Wohnungsbaumittel verwendet werden können. Wir verkennen nicht, daß die Länder im Rahmen der Kriegsfolgenhilfe noch umfangreiche Aufgaben zu erfüllen haben. Es ist aber bekannt, daß bei der Pauschalierung die Baukosten auf der Basis der verhältnismäßig hohen Aufwendungen in der Zeit vom 1. Juli 1953 bis 30. Juni 1954 errechnet wurden,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

also in einer Zeit, als der Zustrom von SBZ-Flüchtlingen nach den traurigen Ereignissen des 17. Juni erstmals Rekordzahlen erreichte. Die damals notwendigen großen Aufwendungen für die Neuerrichtung von Lagern, deren Kosten bei der Pauschalierung mit zugrunde gelegt wurden, werden heute für diesen Zweck nicht mehr gemacht. Es müßte also möglich sein, die von den Ländern dadurch gemachten Ersparnisse zur beschleunigten Lagerräumung und damit für den Wohnungsbau einzusetzen.
Wir kennen die Schwierigkeiten, die einer erstrebenswerten raschen Lösung in den Ländern und Gemeinden entgegenstehen: ,die Baulandfrage, die Erschließungskosten für das Baugelände, verschiedentlich die angespannten Baukapazitäten, das Fehlen von mutigen Bauträgern, Sorgen um die Restfinanzierung, die Zahl der Dringlichkeitsfälle aus altem Bestand und vieles andere mehr. Leider ist auch eine bedauerliche Zurückhaltung gegenüber dem zu fördernden Personenkreis festzustellen,
Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Sehr
richtig!)
weil die Meinung besteht, es handle sich um eine besondere Ausnahme und um eine Last. Dem ist aber nicht so. Auch dieser Personenkreis mehrt durch seine Arbeitskraft unser Sozialprodukt und hilft mit, den Lebensstandard zu sichern. Je schneller wir diesen Menschen eine menschenwürdige Wohnung geben, um so intensiver wird auch ihr Einsatz in der Wirtschaft sein.
Als letztes daher mein dringender Appell an alle zuständigen Behörden in Bund, Ländern und Gemeinden, an die Kirchen und deren Siedlungswerke, an die verschiedensten Bauträger und an die breite Öffentlichkeit, mit mehr gutem Willen zur Lösung dieses uns auferlegten menschlichen und nationalen Problems beizutragen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301301200
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesminister für das Wohnungswesen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0301301300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der vorliegenden Anfrage der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der Deutschen Partei wird ein überaus schweres Problem angesprochen. Es handelt sich hier nicht nur um ein wohnungspolitisches Anliegen, sondern um ein Problem, das unsere gesamte politische Entwicklung betrifft. Es handelt sich in der Tat um ein gesamtdeutsches Problem mit all seinen Tiefenwirkungen auf die



Bundesminister Lücke
Menschen hüben und drüben, insonderheit um ein Anliegen der betroffenen Familien.
Drei Dinge machen die Lösung der uns hier gestellten Aufgabe besonders schwer:
1. die noch vorhandene Wohnungsnot und der noch nicht beendete Aufbau der zerstörten Lebenszentren in der Bundesrepublik — ich erinnere nur an die noch immer nicht abgeschlossene Rückführung der Evakuierten, ganz zu schweigen von der besonderen Situation Berlins —,
2. die noch keineswegs vollendete Eingliederung der sogenannten Altvertriebenen und der Flüchtlinge aus dem sowjetischen Besatzungsgebiet, die unmittelbar nach Kriegsende und seitdem unaufhörlich nach Westdeutschland einströmten,
3. das Fehlen eines modernen Bau- und Bodenrechts, das für die wohnungsmäßige Eingliederung die geeignete gesetzliche Grundlage bietet.
Schließlich geht es bei der Aufgabe der wohnungsmäßigen Versorgung der Flüchtlinge und unserer aus den Ostgebieten ausgesiedelten Landsleute um ein in jeder Hinsicht schwieriges menschliches Problem. Es geht darum, die Menschen, die oft jahrelang in Lagern leben müssen, so schnell wie möglich in eine geeignete Wohnung zu bringen. Dabei können nur Lösungen in Frage kommen, die unseren Auffassungen von einem sozialen Rechtsstaat entsprechen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Ich meine, daß hier alle angebotenen provisorischen
Lösungen wie der Bau von Baracken und Schlichtwohnungen dieser Forderung nicht gerecht werden.

(Beifall in der Mitte.)

Zu den einzelnen Fragen der Großen Anfrage darf ich wie folgt Stellung nehmen.
Zu Frage 1: Personenzahl und Mittelbereitstellungen.
1. Die Zahl der seit dem 1. Februar 1953 bis zum 31. Dezember 1957 in die Länder eingewiesenen Zuwanderer aus dem sowjetischen Besatzungsgebiet beträgt 1 007 846; davon sind 223 905 alleinstehende Jugendliche bis zum 24. Lebensjahr. In der Gesamtzahl sind auch die sogenannten EB-Fälle - Entlastungsaktion Berlin - und die in eigener Landeszuständigkeit Eingewiesenen mitenthalten. Außerdem gehören dazu auch diejenigen seit 1. Oktober 1957 nach Art. 11 Abs. 2 des Grundgesetzes Aufgenommenen, für welche eine Unterbringung nicht gegeben ist. Nach Art. 11 Abs. 2 des Grundgesetzes ist die Freizügigkeit für alle Deutschen unter anderem von dem Vorhandensein einer ausreichenden Lebensgrundlage abhängig gemacht. Dazu gehört nach neuerer Rechtsprechung jedoch nicht notwendigerweise auch eine ausreichende Unterbringung.
Die Zahl der seit dem 1. Februar 1953 bis 31. Dezember 1957 in die Länder eingewiesenen Aussiedler und aus dem freien Ausland aufgenommenen Vertriebenen beträgt 192 379.
Zusammen handelt es sich also um 1 200 225 Personen. Von ihnen sind auf der Grundlage des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes, und zwar
gemäß § 18 Abs. 3, bei der Bereitstellung von Wohnungsbaumitteln des Bundes rund 950 000 Personen zu berücksichtigen. Am 31. März 1957 betrug diese Zahl 741 000.
2. Für die vom 1. Februar 1953 bis zum 31. März 1957 eingewiesenen zu berücksichtigenden 741 000 Zuwanderer und Aussiedler wurden insgesamt zusätzlich rund 1453 Millionen DM Bundeshaushaltsmittel bereitgestellt, außerdem etwa 120 Millionen DM Aufbaudarlehen aus Härtefondsmitteln für die SBZ-Flüchtlinge mit C-Ausweis. Das sind zusammen 1573 Millionen DM.
3. Am 31. Dezember 1957 befanden sich rund 147 500 Zuwanderer und Aussiedler in 91 Lagern bei den Ländern und in 1123 Lagern bei den Regierungsbezirken und Gemeinden, ferner 4962 Personen in anderen Lagern. Zusammen sind dies 152 462 Lagerinsassen. Die Zahl der an diesem Stichtag kurzfristig noch in den Notaufnahmelagern Berlin, Gießen und Uelzen mit Nebenlagern sowie in den Grenzlagern Friedland, Piding und Schalding befindlichen Personen belief sich auf 19 533 Personen. Endgültig untergebracht waren am 31. Dezember 1957 rund 545 000 Personen, von denen etwa der Hälfte neugebaute Programmwohnungen und der anderen Hälfte Tauschwohnungen des Wohnungsbestandes zugeteilt wurden.
Da von den insgesamt 1 200 225 den Ländern zugewiesenen Personen rund 250 000 Personen nicht mit Wohnungsbaumitteln berücksichtigt zu werden brauchen, verbleiben rund 405 000 Personen, die noch endgültig untergebracht werden müssen. Von diesen befinden sich, wie vorher gesagt, 152 462 in Lagern. Der Rest von rund 252 500 Menschen ist vorläufig untergebracht. In dieser Zahl sind rund 50 000 aus den Lagern beurlaubte Personen enthalten. Im übrigen ist der Anteil, der von ihnen jeweils auf sogenannte Massen- und Notunterkünfte, auf Heime aller Art und Untermiete bei Verwandten oder Dritten entfällt, größenmäßig leider nicht genau festzustellen.
Zu Frage 2: Wohnungsbau und Lageraufenthalt.
1. In den Jahren 1956 und 1957 wurden zur Unterbringung der bis zum 31. März 1957 eingewiesenen Personen den Ländern folgende Bundeshaushaltsmittel zugeteilt:
Am 5. Januar 1956 68,6 Millionen DM
Am 5. März 1956 187,5 Millionen DM
Am 5. März 1956 45,0 Millionen DM

(Aufstockung)

Am 4. Oktober 1956 121,255 Millionen DM
Am 17. Oktober 1956 48,4 Millionen DM

(Aufstockung)

Am 27. Februar 1957 248,199 Millionen DM
Am 27. Februar 1957 40,418 Millionen DM

(Aufstockung)

Am 19. Dezember 1957 114,1 Millionen DM
Am 19. Dezember 1957 100,7 Millionen DM

(Aufstockung)

zusammen: 974,172 Millionen DM
davon Aufstockung: 234,518 Millionen DM



Bundesminister Lücke
2. Mit diesen Mitteln waren insgesamt 105 461 Wohnungen zu fördern. Davon waren am 31. Dezember 1957 24 970 bezugsfertig

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

sowie 32 527 im Bau. 47 964 Wohnungen waren demnach noch nicht im Bau.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

3. Die Länge des Lageraufenthaltes hat folgende Gründe:
a) Die Bundesförderungsmittel wurden im allgemeinen jeweils vor Beginn des Rechnungsjahres bereitgestellt, das dem Rechnungsjahr folgte, in dem die Zuwanderer und Aussiedler eingewiesen wurden. Daraus ergibt sich ein durchschnittlicher Lageraufenthalt von sechs Monaten. Für die zu Beginn des Rechnungsjahres Gekommenen erhöht sich diese Aufenthaltszeit entsprechend.
b) Bei rechtzeitiger Bereitstellung der Mittel, d. h. im Dezember des dem Rechnungsjahr voraufgehenden Baujahres, ergibt sich durch den natürlich bedingten Zeitablauf des Wohnungsbaues einschließlich seiner Vorbereitungen die Notwendigkeit eines weiteren Lageraufenthaltes von etwa einem Jahr.
c) Endlich ergeben sich starke Verzögerungen durch die Steigerung der Bau-, Kapital- und Grundstückskosten sowie die zeitweiligen Schwierigkeiten in der Hypothekenbereitstellung, die zeitraubende Verhandlungen über die Aufstockung der Mittel zwischen Bund und Ländern notwendig machen.
d) Der tatsächliche Lageraufenthalt schwankt naturgemäß um die durchschnittliche Aufenthaltsdauer, da die Zuteilung normaler Wohnungen nicht nur von dem Zeitpunkt der Einweisung, sondern auch von der sozialpolitischen und wirtschaftlichen Dringlichkeit der Einzelfälle sowie von persönlichen Gründen abhängt.
e) Die Zahl der Flüchtlinge, die sich drei und mehr Jahre im Lager befinden, betrug am 31. Dezember 1957 7 826.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Hiervor befinden sich allein in Baden-Württemberg 7 255 Personen, die übrigen 571 Personen in allen anderen Ländern. Bezogen auf die Zahl der Lagerinsassen in Baden-Württemberg ist der Anteil der seit drei Jahren sich dort Befindenden 17,2 %, der Anteil in allen übrigen Ländern beträgt 0,4 %. Der Grund, weshalb gerade in Baden-Württemberg ein solch hoher Anteil von langjährigen Lageraufenthalten vorkommt, liegt darin, daß das Land die endgültige Unterbringung nach Gesichtspunkten der wirtschaftlichen Eingliederung, insbesondere des Dauerarbeitsplatzes unmittelbar aus den Lagern heraus, systematisch betreibt.
4. Übersichten über die durchschnittliche Dauer des Lageraufenthaltes werden in fast allen Ländern, in denen Lager unterhalten werden, geführt. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in den Lagern ist in den Ländern verschieden. Sie wird von einigen Ländern mit 1 bis i 1/2 Jahren, von anderen Ländern mit 2 Jahren angegeben. Diejenigen Zuwanderer
und Aussiedler, die ohne Aufenthalt in Lagern bzw. Notunterkünften vorläufig bei Familienangehörigen oder in anderweitigen Wohnungen untergebracht werden, müssen ebenfalls 1 bis 11/2 Jahre bzw. bis zu 2 Jahren auf ihre endgültige Versorgung mit Wohnungen warten.
Zu Frage 3 der Großen Anfrage: Unterbringungsverpflichtung und Kontrolle.
1. In sämtlichen Auflagen, die sowohl nach dem Ersten wie nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz den Ländern bei Verteilung der Mittel für den Wohnungsbau zugunsten von Aussiedlern und Zuwanderern jeweils gemacht wurden, ist vorgeschrieben, daß mit dem Bundesbeitrag, der pro Kopf zuletzt 2000 DM betrug, sich aber neuerdings auf etwa 2940 DM beläuft, jeweils vier Personen je Wohnung auf Dauer außerhalb von Zwischen- und Massenunterkünften wohnungsmäßig zumutbar untergebracht werden. Sie müssen also nicht in allen Fällen selber in neu erstellten Wohnungen unterkommen. Die Länder ihrerseits erlassen hierzu entsprechende Anordnungen.
2. Die Länder haben dem Bund die Durchführung dieser Auflagen zu melden und müssen dementsprechend sich selbst über die Durchführung in den Gemeinden unterrichten. Die Kontrollen werden in den Ländern zum Teil von den für das Flüchtlingswesen, zum Teil von den für das Wohnungswesen zuständigen obersten Landesbehörden, zum Teil in Zusammenarbeit zwischen diesen beiden obersten Landesbehörden durchgeführt. Bei der Unterbringung in Tauschwohnungen müssen zudem die unteren Wohnungsbehörden, zum Teil nach Anhörung des Unterzubringenden, die Zumutbarkeit der Tauschwohnung ausdrücklich bestätigen. Die Länder versichern ausnahmslos, daß die Zahl der für die Zuwanderer und Aussiedler jeweils erstellten Wohnungen der Zahl der endgültig mit Wohnraum versorgten Zuwanderer und Aussiedler entspricht.
Zu Frage 4 der Großen Anfrage: Finanzierungsund Terminplan und Übergangsregelungen.
1. Bund und Länder sind seit langem bemüht, eine feste Finanzierungsgrundlage für die kontinuierliche und ausreichende Wohnungsbautätigkeit zugunsten der Aussiedler und Zuwanderer zu finden und damit eine zeitgerechte und fortlaufende Herausführung dieser Personen aus Lagern und Notunterkünften sicherzustellen. Ausgangspunkt für eine solche Vereinbarung mit den Ländern war die rechtliche Verpflichtung des Bundes, gemäß dem 1. Überleitungsgesetz vom 21. August 1951 den Ländern 85 % der Kosten für die vorübergehende lagermäßige Unterbringung der Zuwanderer und Aussiedler zu ersetzen.
Der Bund hat sich freiwillig, erstmals durch eine Vereinbarung vom 24. Februar 1953, auf Wunsch der Ministerpräsidenten der Bundesländer darüber hinaus wesentlich an der Finanzierung des echten Wohnungsbaues für die dauernde Unterbringung von Flüchtlingen und Aussiedlern beteiligt. Zunächst wurde ein Bundesanteil von 1500 DM je Kopf, das sind — bei Zugrundelegung von vier Personen je Wohnung — 6000 DM pro Wohnung vorgesehen.



Bundesminister Lücke
Über die Beibehaltung dieser zunächst nur für die Notlage des Jahres 1953 gedachten Regelung fanden langwierige Verhandlungen zwischen Bund und Ländern statt, die mit der Vereinbarung in der Besprechung der Herren Ministerpräsidenten der Länder mit dem Herrn Bundeskanzler vom 7. Juli 1955 ihren vorläufigen Abschluß fanden. Hier wurde eine Dauerregelung auf der Basis des seit 1953 gewährten Förderungssatzes je Wohnung von 6000 DM vorgesehen. Bald darauf forderten die Länder wegen der gestiegenen Gesamtherstellungskosten die Erhöhung des Bundesbeitrages.
Zur Räumung von Kasernen, die Flüchtlingen als Lager dienten, wurden den Ländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen bereits am 5. März 1956 weitere 1000 DM je Kopf für den Ersatzwohnungsbau zusätzlich gewährt. Insgesamt erhielten beide Länder hierfür 45 Millionen DM.
Ende 1956 steigerte die Bundesregierung ganz allgemein, und zwar mit teilweise rückwirkender Kraft, den Bundesförderungssatz je Kopf von 1500 DM auf 2000 DM, d. h. von 6000 DM auf 8000 DM je Wohnung. Die Grundlage für einen mehrjährigen Finanzierungs- und Terminplan konnte auch damit nicht geschaffen werden. Im Jahre 1957 beliefen sich nach einer Umfrage bei den Ländern die Gesamtkosten einer 60 qm großen Wohnung im SBZ-Flüchtlingswohnungsbau je nach Gegend auf 19 000 bis 23 500 DM. Dazu trat in diesem Programm, ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, das nötige Eigenkapital aufzubringen, die Notwendigkeit der durchgängigen Begrenzung der Miete auf die Sätze für Einkommensschwache. Dadurch konnte auch die erststellige Finanzierung mit Kapitalmarktmitteln in der Regel nur etwa bis zur Hälfte des im Normalfalle möglichen beleihungsfähigen Raumes für die I. Hypothek ausgenutzt werden.
Mit dem Bundeskanzlerangebot vom 6. August 1957, das von den Ministerpräsidenten der Länder am 3. Dezember 1957 angenommen wurde, wurde daher der Versuch gemacht, den 'dauernd sich ändernden Voraussetzungen für den Wohnungsbau allgemein zu entsprechen, indem der Bundesförderungssatz dem entscheidenden Störungsfaktor, nämlich der steten Änderung der Gesamtherstellungskosten, angepaßt wurde. Diese Regelung wurde zunächst für die Haushaltsansätze des Rechnungsjahres 1957 getroffen, um vor allem den in diesem Jahr aufgetretenen Stau zu lösen. Der Bundesanteil wurde dabei auf die Hälfte der in den einzelnen Ländern sich nach der Bundesbewilligungsstatistik 1957 ergebenden durchschnittlichen Gesamtkosten einer Wohnung im sozialen Wohnungsbau bemessen, wodurch auch die Unterschiede bei den in den einzelnen Ländern verschieden liegenden Herstellungskosten Berücksichtigung fanden. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen der Bewilligungsstatistik ergibt sich für den Bund ein durchschnittlicher Förderungsbeitrag von etwa 11760 DM je Wohnung. Der Bund hat also zur Erfüllung des auf vier Personen festgelegten Belegungssolls seinen Förderungsbeitrag je Wohnung fast auf das Doppelte der ursprünglichen Summe von 1953 gesteigert.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Inwieweit diese sogenannte Kanzlerlösung die Grundlage für einen mehrjährigen Finanzierungs-
und Terminplan bilden kann, bedarf noch der in der Verwaltungspraxis zu sammelnden Erfahrungen. Jedenfalls ist vorgesehen, daß ihre Geltung für die Mittelbereitstellung des Bundes im Rechnungsjahr 1958 fortgesetzt wird. Die Länder haben sich auch nach der Kanzlerregelung verpflichtet, die gemäß §§ 42 ff des Zweiten Wohnungsbaugesetzes noch fehlenden nachstelligen Finanzierungsbeiträge zur Errichtung der Wohnungen aus den ihnen zur Verfügung stehenden Wohnungsbaumitteln hinzuzugeben.
2. Die SBZ-Flüchtlinge und Aussiedler behalten sämtlich ihre Dringlichkeitsstufe als Wohnungsuchende, solange sie nicht endgültig in für sie zumutbaren Wohnungen untergebracht sind. Die Wohnraumbewirtschaftung obliegt den Ländern. Die Bundesregierung steht mit den Ländern in ständiger Fühlung dahin, daß dort, wo Dringlichkeitsstufen gelten, diese für Zuwanderer und Aussiedler mit dem Zeitpunkt der Einweisung unter Berücksichtigung der besonderen Belastung durch Massenunterbringung festgelegt werden und auch während des Aufenthaltes in Zwischenunterkünften der ursprüngliche Stichtag erhalten bleibt.
Infolge der Unterbringungsnotlage in den Hauptaufnahmeländern wird als Notmaßnahme von einzelnen Ländern die vorübergehende doppelte Belegung der mit Hilfe von Bundesmitteln erstellten Wohnungen gewünscht. Maßnahmen dieser Art wurden, soweit Wohnungsbauförderungsmittel des Bundes in Frage stehen, bislang von den Ländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg eingeleitet. Dabei sieht das Land Nordrhein-Westfalen einen durchschnittlichen Aufenthalt von etwa einem Jahr für die einzelne Familie vor, nach dessen Ablauf ihr eine endgültige Wohnung zugewiesen werden soll, während das Land Baden-Württemberg noch keine endgültige Entscheidung über den Zeitraum der Unterbringung getroffen hat, den Aufenthalt in der Doppelbelegung vielmehr von der Eignung der Einzelfälle unter Berücksichtigung des Willens der Aufgenommenen abhängig machen will. Die Gesamtmaßnahme der Doppelbelegung, die aber, wie gesagt, nicht etwa über die gesamte Zeitdauer für dieselben Familien gedacht ist, wird von beiden Ländern für den Zeitraum von etwa fünf Jahren vorgesehen, nach deren Ablauf in jedem Falle die Wohnungen nur einfach belegt bleiben sollen.
Dieses Verfahren erscheint aber für eine allgemeine Regelung nicht geeignet. Die Bundesmittel zugunsten des Wohnungsbaues für Zuwanderer und Aussiedler werden zu deren endgültig zumutbarer Unterbringung gegeben. Eine Doppelbelegung neuerstellter Wohnungen ist als eine solche endgültige wohnungsmäßig zumutbare Unterbringung nicht anzusehen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Da infolge Doppelbelegung neuerstellter Wohnungen Mittel zur Unterbringung der zweiten Familie



Bundesminister Lücke
nicht sofort verbaut werden müssen, müssen sie baldmöglichst zur Aufhebung der Doppelbelegung durch Bau von Normalwohnungen in erreichbarer Nähe der Zwischenunterkunft bzw. des Arbeitsplatzes der Betroffenen eingesetzt werden, zumal diese in der Regel schon vor ihrer Einweisung in die Zwischenunterkunft wiederholte und langwährende Lageraufenthalte hinter sich haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Bundesregierung wird die diesbezügliche Sicherstellung der nicht sofort verbauten Mittel anstreben und zur Bedingung der Zulässigkeit solcher Ausweichmaßnahmen machen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Die Bundesregierung wünscht in Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes die Verwendung der Bundesmittel nur für Wohnungen mit vorgeschriebener Mindestausstattung und wird keinesfalls die Verwendung von Bundesmitteln für Schlichtwohnungen gestatten.

(Beifall in der Mitte.)

Wo eine zeitweilige Doppelbelegung unvermeidbar ist, wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß sich durch Einbau der nötigen technischen Einrichtungen, sanitären Anlagen usw. das Leben der in solchen Wohnungen vorübergehend untergebrachten Familien möglichst reibungslos abspielen kann.
Zu Frage 5 der Großen Anfrage: Tragbarmachung der Mieten oder Lasten und Eigentumsbildung.
1. § 46 des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes schreibt bindend vor, daß die Mieten oder Belastungen für Personen mit geringen Einkommen, zu denen die Flüchtlinge und Aussiedler in der Regel gehören, tragbar zu machen sind. Der Begriff der Tragbarkeit der Miete oder Belastung wird in § 73 Abs. 2 näher umschrieben. Diese Verpflichtungen gelten für jede Art von Neubauwohnungen im öffentlich geförderten Wohnungsbau, also auch für öffentlich geförderte Neubauwohnungen für SBZ-Flüchtlinge und Aussiedler. Eine anderweitige Handhabung würde dem verfassungsmäßigen Grundsatz der Gleichbehandlung widersprechen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Für die Tragbarkeit der Mieten und Belastungen haben die für das Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen obersten Landesbehörden durch eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen zu sorgen, die im Wohnungsbau- und Familienheimgesetz verankert wurden, durch a) Gewährung von erhöhten, der nachstelligen Finanzierung dienenden öffentlichen Baudarlehen, b) Gewährung von Darlehen oder Zuschüssen zur Deckung der laufenden Aufwendungen, von Zinszuschüssen oder Annuitätsdarlehen gemäß § 42 Abs. 6, c) Gewährung von Miet- oder Lastenbeihilfen gemäß § 73. Von letzterer Möglichkeit, die bei Verabschiedung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes auf Verlangen des Bundesrates den Ländern vorbehalten blieb, haben die Länder in ihrer überwiegenden Mehrzahl bisher
keinen Gebrauch gemacht, obwohl diese Hilfen für die Flüchtlinge und Aussiedler gedacht sind und in besonderer Weise geeignet wären, die Belastungen tragbar zu machen.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Welche Maßnahmen die Landesbehörden im einzelnen treffen, obliegt ihrer Entscheidung. Die durch das Abkommen mit dem Herrn Bundeskanzler und durch die verpflichtende Ergänzung der Bundesmittel seitens der Länder erheblich gestiegene Objektfinanzierung sollte im Normalfall die Tragbarkeit der Belastungen ermöglichen. Wo dies nicht der Fall ist, müssen die anderen genannten Maßnahmen hinzugefügt werden. Das Land Niedersachsen hat einen Erlaß vom 3. September 1957 über die Gewährung von Miet- und Lastenbeihilfen herausgegeben. Hamburg verweist auf sein Zweites Gesetz über die Gewährung von befristeten Zinszuschüssen vom 6. Juni 1957. Alle diese Vorschriften gelten auch für die Sonderwohnungsbauprogramme zugunsten der Zuwanderer aus der SBZ und der Aussiedler.
Zur Frage der Eigentumsbildung ist ebenfalls auf die einschlägigen Bestimmungen des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes, vor allem auf die §§ 1 und 30 Abs. 2 hinzuweisen, die zwingend den allgemeinen gesetzlichen Vorrang der Förderung des Familienheimbaues unter besonderer Berücksichtigung der Wohnraumversorgung von Wohnungsuchenden mit geringem Einkommen auch für die sogenannten Sonderprogramme vorschreiben. Die Bestimmungen des § 1 sind in dem letzten Verteilungsrundschreiben über die Bereitstellung von Wohnungsbaumitteln vom 19. Dezember 1957 für Zuwanderer und Aussiedler ausdrücklich hervorgehoben worden. Von den Ländern wurden entsprechende Ausführungsvorschriften entweder allgemein oder für die Sonderprogramme speziell erlassen. So — neben Hessen — auch Nordrhein-Westfalen für Sonderprogramme: Werden den Bewilligungsbehörden Wohnungsbaumittel mit der Weisung zugeteilt, sie ganz oder teilweise zugunsten bestimmter Personenkreise oder für bestimmte Zwecke zu verwenden, so ist nach § 30 Abs. 2 des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes und den entsprechenden Wohnungsbauförderungsbestimmungen die im Zweiten Wohnungsbaugesetz festgelegte Rangfolge einzuhalten.
Die Eigentumsbildung im Rahmen des Wohnungsbaus für Zuwanderer und Aussiedler sollte sich an folgenden Grundsätzen orientieren. Sie muß sich unter Vermeidung jeglicher Provisorien der allgemeinen Wohnungsbaupolitik einfügen und die Bedarfsstruktur auf lange Sicht berücksichtigen.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Sie hat sich der Gemeindeplanung einzufügen und jede Ghettobildung zu vermeiden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Daraus folgt, daß es entscheidend darauf ankommt,
den zukünftigen Bedarf nach Eigentum an der Wohnung bereits in den gegenwärtigen Bauformen weitgehend vorweg zu erfüllen, auch wenn die so ent-



Bundesminister Lücke
stehenden Wohnungen den ersten Benutzern nicht als Eigentum zu übergeben sind.
Die Umsetzung in echtes Eigentum geschieht dann für die unmittelbare Gegenwart entweder — nach Lage der Dinge in den selteneren Fällen — durch Übergabe zu Eigentum an Aussiedler und Zuwanderer unmittelbar oder auf dem Wege des Wohnungstausches durch Übereignung an Bewerber, die ihrerseits Mietwohnungen für Flüchtlinge und Aussiedler freimachen, oder auch über die Förderung solcher bereits ansässiger Bauherren, die zugleich mit ihrem Familienheim eine Einlieger- oder zweite Mietwohnung für eine Aussiedler- oder Flüchtlingsfamilie bauen. In anderen Fällen wird die Wohnung zunächst als Mietwohnung genutzt. Sie ist jedoch jederzeit in eine Eigentumswohnung bei auftretendem Bedarf umzuwandeln nach den bekannten Formen, die das Zweite Wohnungsbaugesetz dafür anbietet, also entweder an den ersten Nutzer, den Zuwanderer und Aussiedler oder je nachdem an seinen Nachfolger.
Ich brauche nicht zu betonen, daß auch der Wiederaufbau durch die günstigen Finanzierungsbedingungen im Wohnungsbau für Zuwanderer und Aussiedler zu fördern ist, soweit der Bauherr Zuwanderern und Aussiedlern die neu erbauten Wohnungen zu vermieten bereit ist.
Einer unmittelbaren Versorgung der Aussiedler und Zuwanderer mit Eigentum an der Wohnung sind naturgemäß enge Grenzen gesetzt, da diese Personengruppen die dazu notwendigen Voraussetzungen — von ihrem eigenen Willen abgesehen — erst nach und nach erfüllen in dem Maße, wie sie sich in die übrigen Lebensbeziehungen im Bundesgebiet eingliedern. Es werden jedoch alle Anstrengungen zu unternehmen sein, um die Eigentumsbildung für Aussiedler und Flüchtlinge unmittelbar zu fördern, allein schon deshalb, weil es beim ersehnten Tag X nicht nur ihnen selbst, sondern auch dem gesamten deutschen Volk dienen wird, wenn sie nicht mit leeren Händen an den Wiederaufbau der alten Heimat gehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Eine besondere Schwierigkeit ist hierbei in dem regelmäßigen Fehlen jeden Eigenkapitals zu erblikken. Immerhin stellen die zum Ersatz bzw. zur Ergänzung der Eigenleistung gewährten Aufbaudarlehen aus dem Lastenausgleichsfonds hier eine besonders willkommene Hilfe dar. Zwar können nur die aus echten politischen Gründen aus dem sowjetischen Besatzungsgebiet geflüchteten C-Ausweisinhaber Aufbaudarlehen aus dem Härtefonds erhalten, jedoch sind die Aussiedler durchweg aufbaudarlehnsberechtigt. Im Wege vorweggewährter Globaldarlehen, wozu die Ausgleichsbehörden angesichts des besonderen Notstandes bei Aussiedlern bereit sind, bietet sich namentlich für die unternehmerische Wohnungswirtschaft die ihren Spitzenvertretern in eingehenden Besprechungen ans Herz gelegte Möglichkeit des Vorratseigenheimbaues für diesen Personenkreis.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dazu verweise ich auf die oft noch nicht genügend
beachtete Tatsache, daß auch die Wohnungsunternehmen, die zugunsten von Minderbemittelten — und dazu gehören bekanntlich die Flüchtlinge und Aussiedler in der Regel — oder Gleichgestellten, also namentlich für Kinderreiche, Kaufeigenheime oder Trägerkleinsiedlungen bauen bzw. betreuen, nach den Vorschriften des Zweiten Wohnungsbaugesetzes in der ersten Rangstufe mit öffentlichen Mitteln zu fördern sind. Es liegt also durchaus in der Hand dieser Unternehmen, an der Bewilligung der beträchtlichen, gerade für den hier in Frage kommenden Personenkreis bereitstehenden öffentlichen Mittel, und zwar bevorzugt, teilzunehmen.
Ich freue mich, Ihnen auf Grund der Ergebnisse der vorhin erwähnten Besprechungen mitteilen zu können, daß sowohl die gemeinnützige Wohnungswirtschaft, einschließlich der Heimstätten, als auch die freien Wohnungsunternehmen sich dieser dem Eigentum dienenden Wohnform in großangelegten Bauvorhaben in dem vorerwähnten allgemeinen Rahmen besonders widmen wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Bundesregierung wird diese der Zielsetzung des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes entsprechenden Vorhaben durch Vorfinanzierungsmaßnahmen zum Zwecke des Erwerbs des notwendigen Baugeländes sowie der fehlenden Eigenleistung zu fördern suchen. Sie hofft dabei auf ein ebenso großzügiges Entgegenkommen der Länderregierungen. Verhandlungen mit den Ländern darüber, insbesondere über eine hierzu unerläßliche Änderung des nach den Landesförderungsbestimmungen jeweils geltenden Auszahlungsmodus für die öffentlichen Mittel und die Gewährung von Zinszuschüssen aus diesen, stehen bevor.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich habe schon betont, daß es schließlich nicht erforderlich ist — auf diesen Punkt möchte ich besonders hinweisen —, daß nur Flüchtlinge und Aussiedler in den Neubauten unterzubringen sind, die mit den für sie bestimmten Mitteln errichtet werden. Vielmehr ist in allen Verteilungserlassen ausdrücklich zugelassen, daß die damit geschaffenen Wohnungen auch anderen Wohnungsbewerbern — der Volksmund nennt sie „Normalverbraucher" —, selbstverständlich auch den sogenannten Altvertriebenen, zugeteilt werden dürfen, wenn die dadurch frei werdenden Wohnungen Flüchtlingen und Aussiedlern zur Verfügung gestellt werden oder sie sonstwie wohnungsmäßig auf die Dauer zumutbar untergebracht werden. Eine amtliche Verlautbarung des zweitgrößten Aufnahmelandes, Baden-Württemberg, weist aus, daß dort 46 °/o der bisher endgültig untergebrachten Flüchtlinge und Aussiedler in Altwohnungen unterkamen. Es bietet sich hier insbesondere für Wohnungsunternehmen mit erheblichem Mietwohnungsbestand, sofern ihre Mieter und Genossen nach einem Familienheim streben, eine ganz besondere Chance für die Anwendung des zugelassenen Tauschverfahrens. Auch aus Gründen der Vermeidung von Fehlinvestitionen auf lange Sicht und unter Berücksichtigung eines Ausgleichs von Angebot und Nachfrage am Wohnungsmarkt in einigen Jahren empfiehlt es sich, neben qualitativ guten Mietwohnungen besonders Familienheime im



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öffentlich geförderten Wohnungsbau zu erstellen. Einzelne Länder melden auch schon diesbezügliche Erfolge.
Zu Frage 6: Raumordnerische Maßnahmen und Beschaffung von Baugelände.
1. Durch Kabinettsbeschluß vom 25. November 1955 hat die Bundesregierung auf dem Gebiete der Raumordnung eine Reihe von administrativen Maßnahmen eingeleitet. Dazu gehören die Schaffung eines Interministeriellen Ausschusses zur Koordinierung der raumrelevanten Maßnahmen der Bundesressorts, die Bildung eines Sachverständigen-Ausschusses zur Entwicklung eines raumpolitischen Leitbildes für das Bundesgebiet und der Abschluß eines Verwaltungsabkommens zwischen Bund und Ländern über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Raumordnung. Die auf Grund der vorstehenden Maßnahmen gebildeten Gremien nehmen sich auch der Fragen der Auflockerung der Ballungszentren und der Förderung von Entwicklungsgebieten als eines der Kernprobleme der Raumordnung an.
Um den Ausgleich struktureller Unterschiede nachhaltig zu fördern, verfolgen die raumpolitischen Maßnahmen auf dem Gebiet der Standortplanung im Wohnungsbau das Ziel, durch eine breitere regionale Streuung der Wohnungen eine Auflockerung der Siedlungsstruktur herbeizuführen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Durch eine zweckvolle Koppelung des Einsatzes der Wohnungsbaumittel mit der Arbeitsplatzbeschaffung, besonders in den förderungswürdigen Entwicklungsgebieten, die für eine Industrieansiedlung bevorzugt in Frage kommen, kann das allgemeine Standortgefüge im Bundesgebiet wesentlich verbessert werden.
In den von den Ländern zu beachtenden, in jedem Jahr seitens der Bundesregierung ergehenden, auch für die Sonderbauprogramme gültigen Richtlinien für den Einsatz der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau wird daher bestimmt, daß die entwicklungsfähigen kleineren und mittleren Gemeinden bei der Vergabe von Wohnungsbaumitteln angemessen gefördert werden. Darüber hinaus soll auch der Wohnungsbau im Zonenrandgebiet und in den anerkannten Notstandsgebieten — insbesondere für Facharbeiter besonders berücksichtigt werden. Außerdem ist die Bundesregierung bemüht, im Interesse einer Auflockerung der Ballungsgebiete die Schaffung neuer Orte bzw. von Trabanten-und Satellitenstädten im Umland der Großstädte durch Bereitstellung von Sondermitteln für den Wohnungsbau — die sogenannte Sennestadt ist ein Beispiel — zu fördern. Um die Konzentration der Bevölkerung in den Zentren der Ballungsräume nicht noch zu verstärken, befürwortet die Bundesregierung des weiteren für die in diesen Gebieten Beschäftigten den Wohnungsbau am Rande bzw. im Umland der Ballungszentren. Die Überwindung einer größeren Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sollte infolge der in Durchführung begriffenen Elektrifizierung der Bundesbahn und der allgemeinen Entwicklung des Verkehrswesens durchaus tragbar sein. Allerdings spielen auch die
Kosten dieses Pendlerverkehrs eine Rolle. Die Standortwahl für Wohnungen im Umkreis der Ballungszentren trägt sowohl Belangen der Raumordnung als auch des Luftschutzes Rechnung. Die Länder sind daher im Zusammenhang mit der Aufstellung des Wohnungsbauprogramms 1958 gebeten worden, in Gebieten mit noch hohem Wohnungsbedarf die Wohngemeinden mit starkem Berufsverkehr — Arbeiterwohnsitzgemeinden — bei der Zuweisung von Wohnungsbaumitteln besonders zu berücksichtigen.
2. Die raumpolitischen Maßnahmen auf dem Gebiet des Wohnungsbaues erstrecken sich generell auf den gesamten sozialen und frei finanzierten steuerbegünstigten Wohnungsbau, schließen also die Sonderprogramme mit ein. Eine unmittelbare Einflußnahme des Bundes auf die Aufschlüsselung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau in den einzelnen Ländern, die Standorte der Wohnungen und die Bereitstellung von Baugelände zu erschwinglichen Preisen ist an sich nicht gegeben, da die Durchführung des Wohnungsbaues Aufgabe der Länder ist. Nach dem Wohnungsbau- und Familienheimgesetz sind jedoch Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts verpflichtet, geeignete Grundstücke aus ihrem Besitz als Bauland für den Wohnungsbau zu angemessenen Preisen zur Verfügung zu stellen. Die Gemeinden haben darüber hinaus die Aufgabe, die für den Wohnungsbau geeigneten Grundstücke zu beschaffen, baureif zu machen und den Bauwilligen als Bauland zu überlassen.
Die Industrieansiedlung und die Auflockerung von Ballungsräumen sowie die Schaffung von Wohnsiedlungen in verkehrsmäßig erreichbaren Randgebieten der Ballungsräume für die dort in Arbeit Stehenden wird die Bundesregierung durch eine Reihe organisatorischer und finanzieller Maßnahmen, fußend auf dem Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern über die Raumordnung, fördern und unterstützen. Der Bund gestattet schon jetzt die Verwendung von 5% der öffentlichen Wohnungsbaumittel für Baulanderschließungsdarlehen. Wie ich bereits am 18. Januar 1958 auf einer Vorstandssitzung des Deutschen Volksheimstättenwerks zum Ausdruck brachte, wird die verstärkte Hergabe von Baulanderschließungsdarlehen gemäß § 90 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes erwogen, namentlich um die Gemeinden, die diese Mittel aus eigener Kraft nicht aufbringen können, in die Lage zu versetzen, Bauland für Familienheime auszuweisen und aufzuschließen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Dort, wo auf dem erschlossenen oder zu erschließenden Baugrund überwiegend Familienheime erstellt werden, soll die Gewährung von Bundesbürgschaften gemäß dem Zweiten Wohnungsbaugesetz, wie schon angedeutet, die Vorfinanzierung des Eigenkapitals ermöglichen. Ferner sei auf die Vorschriften von § 21 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes über die Gewährung von Vor- und Zwischenfinanzierungsdarlehen für den Bau von Familienheimen im sozialen Wohnungsbau verwiesen. Diese Vor- und Zwischenfinanzierungsdarlehen haben sich



Bundesminister Lücke
bewährt. Mein Haus wird um die Aufstockung der bisher verwendbaren Mittel durch Einsatz von Mitteln des Geld- und Kapitalmarktes und Bundesbürgschaften weiterhin bemüht sein.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Dem Bauträger von Familienheimen können öffentliche Mittel als Darlehen zur Vorfinanzierung des gesamten Bauvorhabens gemäß § 42 Abs. 5 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ebenfalls gewährt werden. Auf die Möglichkeit des Einsatzes der nach § 7 c des Einkommensteuergesetzes steuerbegünstigten Darlehen sei ebenfalls verwiesen.
Die Bundesregierung .wird auch weiterhin ihre Aufmerksamkeit der Notwendigkeit widmen, daß Wohnungen auch außerhalb der Gemeindegrenzen in den Großwirtschaftsräumen, in Stadtlandschaften, wie es der Oberbürgermeister von Stuttgart nannte, errichtet werden. Diese Aufgaben sind nur durch entsprechende Lenkung der Mittel, vor allem aber eine wirksame, die Standorte andeutende Landesplanung zu meistern. Auch die Verteilung der Wohnungsbaumittel durch die Länder sollte in den Ballungsräumen unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte nicht unter enger Begrenzung auf Gemeindegrenzen — hier sind die geographischen Gemeindegrenzen gemeint — erfolgen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Die Bundesregierung hat die Absicht, alle diese
Fragen noch eingehend mit den Ländern zu erörtern.
Zu Frage 7: Verwendung von Ersparnissen aus der pauschalierten Kriegsfolgenhilfe.
Diese letzte Frage der Großen Anfrage geht offenbar von der Tatsache aus, daß der Bund bereits in den Rechnungsjahren 1952 und 1954 den Ländern aus dem Haushalt der Kriegsfolgenhilfe Mittel in Höhe von rund 50 Millionen DM zum Zwecke der Lagerräumung zur Verfügung gestellt hat. Es handelte sich bei diesen Mitteln zum Teil um Einsparungen gegenüber den ursprünglichen Haushaltsansätzen für Lageraufwendungen. Für den Bund bestand diese Möglichkeit, Mittel der Kriegsfolgenhilfe für die Förderung des Wohnungsbaues zur Verfügung zu stellen, nur bis zum Ablauf des Rechnungsjahres 1954.
Im Zuge der Neufassung des Vierten Überleitungsgesetzes ist mit Wirkung vom 1. April 1955 eine Pauschalierung der Aufwendungen der Kriegsfolgenhilfe erfolgt. Der einem Land nach den Bestimmungen des Ersten Überleitungsgesetzes in der Fassung vom 28. April 1955 und der Zweiten Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz vom 3. Juli 1956 zu überweisende Pauschbetrag soll die Aufwendungen pauschal abgelten, die aus verschiedenen Titeln der Kapitel 03 und 04 des Einzelplans 40 des Bundeshaushalts, Soziale Kriegsfolgeleistungen, bisher im Wege der Einzelverrechnung erstattet worden sind. § 21 a Abs. 5 des Gesetzes bestimmt, daß die Länder die Pauschbeträge den Landes- und Bezirksfürsorgeverbänden und den gegebenenfalls sonst noch beteiligten Aufgabenträgern zur Deckung der von ihnen zu gewährenden Leistungen der Kriegsfolgenhilfe überweisen. Diese
Bestimmung stellt eine allgemeine Zweckwidmung der Pauschbeträge dahingehend dar, daß die Länder gehalten sind, die Beträge in vollem Umfange der Verwendung im Rahmen der Kriegsfolgenhilfe zuzuführen, daß es ihnen aber unbenommen bleiben muß, Ausgleiche, die sich als notwendig herausstellen, unter den Kostenträgern vorzunehmen.
Das Überleitungsgesetz sieht in § 4 Abs. 2 Nr. 2 ein Weisungsrecht der obersten Bundesbehörden vor. Dieses bezieht sich jedoch nur auf bestimmte Aufwendungen der Kriegsfolgenhilfe, die über den 1. April 1955 hinaus von den Ländern weiter für Rechnung des Bundes geleistet und mit dem Bund einzeln abgerechnet werden. Soweit es sich um die pauschalierte Kriegsfolgenhilfe handelt, haben die Länder einen Rechtsanspruch in der durch Gesetz und Rechtsverordnung festgesetzten Höhe. Die Länder müssen mit diesen Mitteln wirtschaften, d. h. sie müssen nach eigenem pflichtmäßigem Ermessen Sorge dafür tragen, daß gegebenenfalls Ausgabeminderungen und damit Ersparnisse auf dem einen Sachgebiet zum Ausgleich von erhöhten Anforderungen auf einem anderen Sachgebiet der Kriegsfolgenhilfe eingesetzt werden. Das ist z. B. hinsichtlich .der zur Zeit gesteigerten Leistungen für den Personenkreis der Spätaussiedler der Fall. Die Länder müssen auch in der Lage sein, bei einer un- gleichmäßigen örtlichen oder bezirklichen Entwicklung der Aufgaben einen Ausgleich zwischen den Bezirksfürsorgeverbänden bzw. den sonstigen Kostenträgern vorzunehmen.
Auch wenn davon ausgegangen wird, daß in einzelnen Ländern auf einzelnen Leistungsgebieten der pauschalierten Kriegsfolgenhilfe Ersparnisse gemacht werden, so ist es der Bundesregierung dennoch verwehrt, den Verwendungszweck dieser Mittel im einzelnen zu bestimmen, solange die Länder sie jedenfalls in Übereinstimmung mit der allgemeinen Zweckwidmung der Pauschbeträge zur Deckung der zu gewährenden Leistungen der Kriegsfolgenhilfe verwenden. Eine Verletzung dieser Verpflichtung würde sich allerdings als eine Rechtsverletzung darstellen

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

und würde ein Einschreiten der Bundesregierung im Wege der Bundesaufsicht rechtfertigen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Eine solche Notwendigkeit hat sich in der Vergangenheit nicht ergeben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, Ihnen mit der Beantwortung der Fragen dargetan zu haben, daß die Bundesregierung das in ihren Kräften Stehende getan hat, um des uns alle angehenden Problems, das der unselige Krieg uns bis zur gegenwärtigen Stunde hinterlassen hat, Herr zu werden. Dabei rinnt der Flüchtlingsstrom unaufhörlich weiter. Noch ist das Ende nicht abzusehen. Sie können aber gewiß sein, daß die Bundesregierung alle zur Milderung dieser Not, möglichen Maßnahmen treffen wird. Im Entwurf des neuen Bundeshaushaltsplanes werden, wiederum bemessen nach der Kanzlervereinbarung, für die im



Bundesminister Lücke
vergangenen Rechnungsjahr Eingewiesenen sowie für die im kommenden Haushaltsjahr erwarteten Zuwanderer und Aussiedler Wohnungsbaumittel, zum Teil im Wege der Bindungsermächtigung, bereitgestellt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich hoffe deshalb, daß das Hohe Haus die von der Bundesregierung vorgesehene Zuteilung des Bundesbeitrags zur sofortigen Verplanung an die Länder entsprechend dem Bedarf zu Beginn der Bausaison, also — wie bisher schon — v o r Verabschiedung des Haushalts, billigen wird. Im Hinblick auf die verfassungsmäßig gegebene Situation vermag ich aber nicht ohne den Hinweis zu schließen, daß die tatsächlichen Möglichkeiten schneller und wirksamer Hilfeleistung bei dem mit diesen Mitteln durchzuführenden Wohnungsbau bei den Ländern größer sind als beim Bund. Hier gilt das Wort: Wer schnell hilft, hilft doppelt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301301400
Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und DP gehört.
Wir kommen zu Punkt 1 b der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Sondermaßnahmen für den Wohnungsbau zugunsten der Zuwanderer und Aussiedler (Drucksache 231).
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Brecht.

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0301301500
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich den Antrag meiner Fraktion begründe, darf ich zur Großen Anfrage, zu ihrer Begründung und zu der Darstellung des Herrn Bundeswohnungsbauministers einiges bemerken.

(Zuruf des Abg. Dr. Czaja.)

— Haben Sie keine Bange! Ich werde nicht in die Methode verfallen, nun mit Statistiken zu arbeiten und mich mit den Paragraphen im einzelnen zu beschäftigen, sondern mir scheint, es kommt in dieser Diskussion darauf an, daß die Kardinalpunkte der Anfrage, die von der CDU gestellt ist, herausgestellt und die politischen Fragen, die sich daran anschließen, behandelt werden. Alle Einzelheiten, die hier schon vorgetragen worden sind, sind durchaus wert, in den Ausschußberatungen behandelt zu werden.

(Abg. Dr. Czaja: Wir wollen die Sache doch in der Öffentlichkeit behandeln!)

— Meinetwegen, Herr Dr. Czaja, auch in der Öffentlichkeit! Wir von der SPD haben es wahrhaftig nicht zu fürchten, daß die Fragen des Wohnungsbaus für Sowjetzonenflüchtlinge in der Öffentlichkeit behandelt werden.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich glaube aber nicht, daß es richtig ist, die Debatte um den Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge
auf den sozialen Wohnungsbau im allgemeinen zu verlagern, wie das heute morgen auch im Deutschland-Union-Dienst schon angekündigt worden ist und wie es der Herr Bundeswohnungsbauminister mit der Darlegung aller einzelnen Punkte des sozialen Wohnungsbaus auch tatsächlich getan hat.

(Abg. Kuntscher: Er ist auf die Fragen eingegangen!)

— Er hat Dinge gebracht, Herr Kuntscher, die weit darüber hinausgegangen sind. Aber darüber läßt sich ja diskutieren. Ich vertrete nun einmal den Standpunkt, daß man sich hier auf die Probleme des Wohnungsbaus für SBZ-Flüchtlinge beschränken soll. Ich bin der Meinung, dieser Wohnungsbau ist so dringlich und so wichtig und hat ein so gewaltiges soziales Gewicht, daß wir allen Anlaß haben, uns zunächst mit diesem Problemkreis zu beschäftigen.

(Zustimmung bei der SPD.)

Ich glaube, man soll dabei auch gar nicht gleich zur Schuldfrage übergehen. Ich habe es sehr dankbar aufgenommen, daß Herr Dr. Czaja im DeutschlandUnion-Dienst heute ganz eindeutig gesagt hat, die Große Anfrage wolle nicht anklagen, sondern in einer Aussprache nach ordnenden Wegen zur Lösung suchen.

(Abg. Dr. Czaja: Haben Sie etwas anderes befürchtet?)

Das ist auch unsere Auffassung. Früher sind allerdings Zeitungsartikel erschienen, die eine ganz andere Richtung, die Richtung auf künftige Landtagswahlen durchaus deutlich gemacht haben.

(Zustimmung bei der SPD. — Abg. Dr. Czaja: Spricht er die an?)

Wir sollten ehrlich sein und über dieses wichtige Thema in aller Offenheit miteinander diskutieren. Wir wissen — —

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ich kann Sie beim besten Willen nicht verstehen, wenn Sie alle durcheinander reden. Ich bin gern bereit, jedem einzelnen zu antworten. Das kann ich aber nicht, wenn Sie durcheinanderreden.
Das Ergebnis des Wohnungsbaus für Sowjetzonenflüchtlinge ist wirklich sehr ernst. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat in einer Rede in Köln vor den Siedlungsreferenten des Katholischen Siedlungsdienstes — ich glaube, Ende Januar — gesagt, es sei eine unerfreuliche Phase der Wohnungspolitik. Das ist sehr milde ausgedrückt. Seine Darlegungen von heute zeigen, daß es nicht nur eine unerfreuliche Phase ist, sondern daß wir praktisch — nun, sagen wir es offen — vor einem Fiasko des Wohnungsbaus für Sowjetzonenflüchtlinge stehen.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Wir sollten gemeinsam versuchen, aus dieser Situation herauszukommen. Es ist doch so, daß die Lager überquellen, daß die Gemeinden versuchen müssen, neue Lager einzurichten, daß sie Tanzböden gewinnen müssen, um die Flüchtlinge unter-



Dr. Brecht
zubringen. Auch Sie werden gehört haben, daß das Wort vom deutschen Baustil als dem „Barack" wieder umgeht, jenes Wort, das aus dem Jahre 1937 stammt und damals schon geflüstert worden ist. Daß der Herr Bundeswohnungsbauminister sich mit vollem Recht und mit unserer vollen Zustimmung gegen die Schlichtwohnungen, gegen die Doppelbelegungen — praktisch sind es nicht nur Doppelbelegungen, sondern Dreifachbelegungen — ausgesprochen hat, zeigt doch, in welcher Situation wir stehen. Man muß deshalb gemeinsam nach Wegen suchen, die aus dieser Situation herausführen.
Wie ernst die Situation ist, hat kein anderer als der Herr Vertriebenenminister Professor Oberländer vor ein paar Tagen klar zu erkennen gegeben, indem er auf einer Tagung der evangelischen Siedlungsreferenten in Kassel gesagt hat, seiner Meinung nach könnten die Lager in vierzehn Tagen geräumt werden, wenn man den Mut hätte, die Wohnraumbewirtschaftung schärfer zu handhaben.

(Zurufe von der SPD: Wer lacht da?! — Da lacht keiner!)

Wir sind nicht der Auffassung, daß das die Lösung des Problems ist, und ich glaube, auch Herr Minister Oberländer wollte das nicht sagen. Aber es ist doch charakteristisch für die gegenwärtige Situation, daß hier davon gesprochen wird, man müsse die Wohnraumbewirtschaftung schärfer handhaben, man müsse vielleicht den unterbelegten Wohnraum auch in den Wohnungen, die in letzter Zeit steuerbegünstigt gebaut worden sind, in Anspruch nehmen, um die Sowjetzonenflüchtlinge aus ihren Lagern herauszubekommen. Das kennzeichnet die Schwierigkeiten und den Ernst der Situation. In genau demselben Augenblick legt uns der Zentralverband der Deutschen Haus- und Grundbesitzer seine große Denkschrift vor, in der er sagt, man müsse nun zu einer Auflockerung der Wohnraumbewirtschaftung übergehen. Der Hinweis auf diese Lösungsform erscheint wenige Monate, nachdem der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung verkündet hat, es gehöre zu den Zielen dieser Legislaturperiode, die Überführung der Wohnungswirtschaft in die Marktwirtschaft zu vollziehen. Das ist doch genau das Gegenteil von dem, was nun gesagt wird: daß es nämlich notwendig sei, die Wohnraumbewirtschaftung schärfer anzupacken.
Meine Damen und Herren, wenn den Verhältnissen, so wie sie jetzt liegen, entsprochen und versucht werden soll, gemeinsame Wege zu einer Lösung zu finden, können auch nicht nur die Verhältnisse der Jahre 1956 und 1957 zugrunde gelegt werden. Die Gründe dieser schwierigen Situation liegen eigentlich wesentlich tiefer.

(Abg. Rehs: Sehr gut!)

Sie liegen zunächst darin, daß bis zum Jahre 1953 Sondermaßnahmen für die Sowjetzonenflüchtlinge und für die Aussiedler überhaupt nicht getroffen worden sind. Man hat es damals den Ländern ganz allein überlassen, mit Hilfe der allgemeinen Wohnungsbauförderung, ganz zweifellos aber ohne Sondermaßnahmen dieses auf sie zukommenden,
immer schwieriger und drängender werdenden Problems Herr zu werden. Für die Zuwanderer bis 1953 und für die Aussiedler bis 1955 ist nichts Besonderes geschehen. Erst von da an haben Maßnahmen des Bundes eingesetzt. Zunächst hat der Bund — das ist auch hier erklärt worden — nur zugestanden, daß er für die lagermäßige Unterkunft zuständig ist. Er hat diesen Betrag mit 1500 DM je Person angesetzt, d. h. mit 6000 DM je Wohnung. Das geschah in einer Zeit, als die durchschnittlichen Beträge der öffentlichen Förderungsdarlehen im sozialen Wohnungsbau schon wesentlich über diesen Betrag hinausgingen. Im Juli 1953 hat der Durchschnittsbetrag der öffentlichen Förderungsdarlehen im sozialen Wohnungsbau bereits 7000 DM betragen, obwohl wir alle wissen, daß im allgemeinen sozialen Wohnungsbau ganz andere Chancen und Möglichkeiten der Restfinanzierung vorliegen als im Wohnungsbau für die Sowjetzonenflüchtlinge. Weiter hat der Herr Minister zugegeben — auch das muß man berücksichtigen daß erst vom 7. Juli 1955 an eine Dauermaßnahme durch die Zugeständnisse der Bundesregierung eingeführt worden ist. Bis 1955 hing alles von einem Jahr zum anderen in der Luft, ohne daß eine Grundlage für ein wirklich langfristiges Wohnungsbauprogramm und eine langfristige Siedlungsplanung gegeben war. Erst am 20. Juli 1956 sind die Beträge von 6000 DM auf 8000 DM je Wohnung erhöht worden, zu einer Zeit, als das Zweite Wohnungsbaugesetz verabschiedet war und alle Welt wußte, daß die Förderungsdarlehen im allgemeinen Wohnungsbau weit über einen solchen Satz hinausgingen, wie die Entwicklung auch gezeigt hat.
Die Erhöhung auf 50 % der Herstellungskosten ist den Ländern praktisch erst in dem Erlaß vom 19. Dezember 1957 zugestanden worden. Bis dahin waren es Vorbesprechungen., Erwartungen. Aber man konnte noch nicht zum Ziel kommen, ohne daß eine Erlaßgrundlage da war. Sie wissen doch, wie es in der Bürokratie ist.

(Abg. Dr. Czaja: Wann war das Angebot?)

— Das Angebot stammt vom August, wenige Wochen vor der Bundestagswahl.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Dann ging es hin und her, und realisiert wurde das Vorhaben erst am 19. Dezember.

(Abg. Kuntscher: Das war im August eine echte Zusage des Kanzlers!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301301600
Herr Abgeordneter Kuntscher, man kann Ihren Zwischenruf nicht verstehen. Bedienen Sie sich doch des Mikrophons, wenn ich bitten darf. So kann Sie kein Mensch verstehen.
Bitte, fahren Sie fort.

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0301301700
Vom Dezember ab kam die Erhöhung auf 50% der durchschnittlichen Herstellungskosten. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat uns gesagt, nach dem Maßstab der Herstellungskosten des Jahres 1957; im Erlaß vom 19. Dezember



Dr. Brecht
— einen weiteren kenne ich noch nicht, ein solcher ist auch noch nicht veröffentlicht worden — geht es aber immer noch nach den durchschnittlichen Kosten des Jahres 1956. Wie hoch sind denn diese Durchschnittsbeträge? Sie sind in Hessen 8830 DM je Wohnungseinheit, in Baden-Württemberg 10 330 DM und in Nordrhein-Westfalen 10 035 DM, während der Durchschnittsbetrag der Förderungsdarlehen je Wohnungseinheit im allgemeinen sozialen Wohnungsbau schon im November vergangenen Jahres bei 11 200 DM lag. Es sollte mich freuen, wenn es richtig ist, daß die Bundesregierung inzwischen durch einen weiteren Erlaß — den ich noch nicht kenne — auf den Durchschnittsbetrag von 1957 erhöht hat und nunmehr auf 11 700 DM gekommen ist, wie es der Herr Bundeswohnungsbauminister angekündigt hat.
Ich weiß — und Herr Dr. Czaja hat das ein paarmal mit seinen Gesten zum Ausdruck bringen wollen —, daß diese Verteilungsmittel vom Bund in der Erwartung gegeben werden, daß die Länder sich entsprechend mit Zusatzbeträgen beteiligen. Sie sagen nun ständig, all diese Probleme könnten und müßten dadurch gelöst werden, daß die Länder ihrerseits zu diesen Bundesförderungsmitteln etwas hinzugäben. Sie verweisen in diesem Zusammenhang auf § 42 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Auf diesen entscheidenden Punkt werde ich nachher bei der Begründung unseres Antrages im Zusammenhang mit der Durchfinanzierung noch einmal zurückkommen.
Zweifellos sind wir uns aber alle darüber einig, daß in den Förderungsmaßnahmen, die der Bund den Ländern zuteil werden ließ, auch nicht die ganzen Siedlungsfolgekosten berücksichtigt sind, die den Gemeinden usw. entstehen. Wir wissen alle, daß die Siedlungsfolgekosten je Wohnung heute durchschnittlich bei 3500 DM liegen, wenn eben nicht im Wiederaufbau gearbeitet wird.
Ferner sind nicht berücksichtigt die Mittel der Länder für die Wohnungsversorgung für die alleinstehenden Jugendlichen, die ja zu irgendeinem Zeitpunkt auch von den Ländern wohnungsmäßig versorgt werden müssen, sowie für all die Aussiedler, Vertriebenen oder Flüchtlinge aus der Zeit, bevor diese Aktion in Gang gekommen ist.
Man muß über dieses Kapitel, was die Finanzierung aus Bundesmitteln angeht, schon das Wort setzen: Zuwenig! Tragischer ist, daß man auch noch hinzusetzen muß: Zu spät! Die Mittel waren nicht nur zuwenig, sondern sie kamen auch zu spät.

(Abg. Dr. Hellwig: Das hören wir jedesmal von der Opposition!)

— Darf ich es noch einmal hören?

(Abg. Dr. Hellwig: Das ist die übliche Formulierung der Opposition, Herr Dr. Brecht!)

— In diesem Fall vertrete ich diese Auffassung und belege sie Ihnen auch.

(Abg. Dr. Hellwig: Bitte!)

Ich habe Ihnen gesagt, daß die Mittel der Höhe
nach nicht reichen können. Darauf werde ich nach-
her bei der Begründung des Antrages zurückkommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber was ist mit dem „zu spät"?)

— Was die Behauptung „zu spät" angeht, will ich Ihnen jetzt den Beweis erbringen.
Die ersten drei Aktionen waren zeitlich und sachlich durchaus noch in Ordnung. Sie sind auch gut gelaufen. Die Schwierigkeiten begannen dann erst bei der vierten und fünften Aktion. Für diese Aktionen ist die Behauptung „zu spät" deswegen begründet, weil nun die Vertriebenen, die Aussiedler erst registriert werden mußten und dann erst nach längerer Zeit — im nächsten Haushaltsjahr - Mittel eingesetzt wurden, um für die in der zurückliegenden Zeit Gekommenen Wohnungen erstellen zu können. Sie alle wissen ganz genau, daß wir hier nicht nur eine einjährige Produktionsperiode haben, sondern daß die Produktionsperiode im Wohnungsbau, wenn man die ganzen Schwierigkeiten bei der behördlichen Verplanung in Rechnung stellt, glatt bei 11/2 Jahren liegt.

(Abg. Dr. Hellwig: Aber das ist ja nicht die Bundesregierung!)

— Entschuldigen Sie, aber alle Beteiligten, die in dieser Sache mit Maßnahmen, Richtlinien und Bestimmungen arbeiten, verlängern irgendwie die Produktionsperiode.
Aber hören Sie doch einmal zu! Im Haushaltsjahr 1955 sind Mittel für die Zuwanderer von 1954 eingesetzt worden. Wann sind dann die Erlasse herausgekommen? 27. Mai 1955, gut, am Anfang,

(Zuruf von der CDU/CSU: Und sie sind noch nicht verbaut!)

endgültig erst am 5. Januar 1956. Erst am 5. März
1956 sind die endgültigen Bewilligungen an die Län-
der für die Zuwanderer von 1954 herausgegangen.

(Abg. Dr. Czaja: Und was ist mit den Mitteln geschehen? Sind sie verbaut?)

— Nein, ich habe ja dazu Darlegungen gemacht. Sie werden auch wissen, warum nicht: einfach weil damit allein nicht ausreichend zu finanzieren war. Bei der siebenten, achten und neunten Aktion handelte es sich um die Mittel für die Zuwanderer von 1956 und für die Aussiedler zum Teil von 1955. Bewilligt wurden die Mittel am 4. Oktober 1956, also am Ende des Jahres, dann am 17. Oktober 1956, am 27. Februar 1957 und endgültig sogar erst am 19. Dezember 1957. Sie sind also zu spät bereitgestellt worden, so daß immer eine viel zu lange Spanne zwischen dem Einströmen der Vertriebenen und der Wohnungsversorgung eintreten mußte.
Sie sind aber auch im einzelnen teilweise zu spät bewilligt worden. Es fehlt dem Sowjetzonenwohnungsbau das, was beim allgemeinen sozialen Wohnungsbau gesetzlich fundiert ist; daß nämlich auch die Hergabe der Mittel für den Sowjetzonenwohnungsbau auf einer klaren Verpflichtung beruht und daß diese Verpflichtung genau wie im allgemeinen sozialen Wohnungsbau durch Vorziehen



Dr. Brecht
vor das Haushaltsjahr erfüllt werden muß und daß auch die Mittel für den Sowjetzonenwohnungsbau generell wie die anderen Mittel jeweils im Dezember des Vorjahres bereitgestellt werden. § 18 Abs. 3 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, auf den immer wieder hingewiesen wird, bringt ja nur eine deklaratorische Mitteilung, aber keine gesetzliche Verpflichtung, daß die Mittel zur Verfügung zu stellen sind, und auch keine Verpflichtung, daß sie am 1. Dezember des Vorjahrs bereitzustellen und den Ländern zuzuteilen sind.
Ferner kamen die Mittel zu spät, weil sie in sehr, sehr vielen Fällen nicht kongruent mit den Mitteln des allgemeinen sozialen Wohnungsbaues bewilligt worden sind. Da sind dann im Dezember oder Januar die Mittel für den allgemeinen Wohnungsbau gegeben worden, darauf ist das Bauland beschafft worden, die Kapitalmarktmittel sind besorgt worden, die Bauherren sind ausgewählt worden, alles ist in Gang gesetzt worden, und Monate darauf, drei, vier Monate später kam dann noch eine Zuteilung an Mitteln für den Sowjetzonenwohnungsbau. Natürlich war dann die Verklemmung da, daß die Kapitalmarktmittel oder das Bauland schon für andere Bauten verbraucht waren usw. Gerade auf die zeitliche Kongruenz käme es sehr wohl an.
Im übrigen sind die Mittel meiner Ansicht nach auch dadurch zu spät eingesetzt worden, daß der Herr Bundeskanzler viel zu spät über die Schwierigkeiten informiert wurde, um durch seine Hilfe den Einsatz höherer Mittel zu ermöglichen. Mir liegt eine Niederschrift über eine Sitzung des Ausschusses für Wiederaufbau beim Bundesrat vor, die am 23. und 24. Mai 1956 stattgefunden hat; mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich einen Satz daraus zitieren. Da stellen die Länder fest, daß sie sich erneut mit dem Sowjetzonenwohnungsbau beschäftigen:
Veranlassung dazu gab in erster Linie die Tatsache, daß der Wohnungsbau für SBZ-Flüchtlinge in den Hauptaufnahmeländern ins Stocken geriet und daß er mit den zur Zeit bestehenden Finanzierungsgrundlagen nicht mehr durchführbar ist. Ursachen liegen in der stetigen Steigerung der Baukosten, in der ungenügenden und zögernden Bereitstellung der Bundesmittel usw.
Wenn das schon damals festgestellt wurde, dann wäre es doch notwendig gewesen, im Kabinett mit dem Finanzminister und allen Beteiligten eine Entscheidung in dem Sinne herbeizuführen, daß solche Schwierigkeiten, wie wir sie heute haben, erst gar nicht hätten entstehen können.

(Sehr gut! bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Das war eine Feststellung der Länder!)

— An der Sitzung haben Vertreter des Wohnungsbauministeriums teilgenommen und nicht widersprochen. Wenn Sie die damaligen Vertreter des Wohnungsbauministeriums, auch den damaligen Minister Preusker fragen, wird man Ihnen bestätigen, daß im Wohnungsbauministerium längst erkannt war, daß mit den Beträgen von 8000 DM je Wohnung die Finanzierung im allgemeinen schon damals nicht durchführbar war.
Dann war hier viel von den allgemeinen Schwierigkeiten des sozialen Wohnungsbaus die Rede. Ich will darauf nicht eingehen. Selbstverständlich gelten diese in gleicher, ja viel schärferer Weise für den SBZ-Wohnungsbau. Insbesondere ist das Problem der Baulandbeschaffung im Sowjetzonenwohnungsbau härter als im allgemeinen Wohnungsbau. Aber diese Probleme kann man nicht, entschuldigen Sie, wie in einer Märchenstunde an orientierten Wunschbildern erledigen, etwa, daß wir vielleicht einmal ein Bundesbaugesetz bekommen oder daß eine Raumordnung gemacht wird. Mit Raumordnung wird zwar ausgewiesen, welche Entwicklungsmöglichkeiten vorhanden sind, aber es wird nicht ausgewiesen, wo Land abgegeben wird und wo Land zu einem angemessenen Preis abgegeben wird. — Bitte sehr, Herr Dr. Czaja!

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0301301800
Ist Ihnen, Herr Kollege, klar, daß die Standortnachweisung Aufgabe der Landesplanung ist?

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0301301900
Natürlich ist mir das klar. Ich kenne die Landesplanung schon seit 30 Jahren; schon damals ist sie nämlich gemacht worden. Aber mit der Standortnachweisung wird noch kein effektiv bebauungsfähiges Gelände zur Verfügung gestellt, auf dem morgen die Bagger zu arbeiten beginnen können. Das macht die Landesplanung nicht, das macht keine Raumordnung, und das wird auch kein Bundesbaugesetz machen.

(Zuruf von der Mitte: Sie wollen doch weiterbauen! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

— Es kam mir nur darauf an, die Schwierigkeiten zu zeigen. Man soll sie nicht bagatellisieren; dazu ist das Problem viel zu ernst.
Hinsichtlich der Länder muß man auch einmal darauf hinweisen, daß im Jahre 1956 und im ersten Halbjahr 1957 die Schwierigkeiten auf dem Kapitalmarkt bestanden haben. Dadurch kamen auch die Länder bei ihrer Finanzierung nicht weiter. Die Ausgleichsmaßnahme in Form von 208 Millionen DM, die damals dem Wohnungsbauministerium vorgeschlagen worden ist, hat doch auch acht Monate gebraucht, bis sie nach all den Verhandlungen verwirklicht werden konnte. Dann ist auch nur ein Teil davon dem Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge zugute gekommen. Die Restfinanzierung für diesen Wohnungsbau ist — man kann es wenden und drehen, wie man will — einfach schwieriger als im sonstigen sozialen Wohnungsbau, weil es hier nicht die Möglichkeit der Finanzierungsbeiträge durch die Mieter, die Wohnungskonsumenten, und nicht die Möglichkeit gibt, in diesem Umfang 7c-Darlehen aufzunehmen; ganz abgesehen davon hat Ihr Herr Finanzminister bei dieser Situation den Abbau des § 7 c gerade für Arbeitgeberdarlehen zum 31. Dezember 1958 vorgesehen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Sie müßten auch dem Verfahren im einzelnen einmal etwas nachgehen. Wer sich mit den Akten des Flüchtlingswohnungsbaues beschäftigt, dem



Dr. Brecht
wird klar, welche Flut von Nachweisungen, Aufstellungen, Kontrollen, Berichten gefordert wird, ohne daß dann etwas Produktives damit geschieht. Wir ersticken im Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge teilweise in diesem behördlichen verwaltungsmäßigen Verfahren, das sich breitgemacht hat.

(Abg. Dr. Hellwig: Ist das Bundesoder Landessache?)

— Zum Teil Bundessache, zum Teil Landessache. Aber Herr Kollege Dr. Hellwig, wir kennen und wissen zu genau, wenn solche bürokratischen Maßnahmen von oben getrieben werden, dann wuchern sie nach unten einfach weiter. Dagegen können Sie nichts machen, dagegen können wir alle nichts machen. Darum sollten wir ihnen am Beginn, nämlich in der Weisung von oben her, entgegentreten.

(Beifall bei der SPD.)

Dazu kommt — ich habe es schon angedeutet — ein sehr, sehr ernstes psychologisches Problem. Sie gehen immer davon aus, daß zu den Mitteln des Bundes für den Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge Ländermittel hinzugegeben werden müssen. Sie begründen das zum Teil mit dem Ersten und dem Vierten Überleitungsgesetz, mit der damaligen Quote von 15 %, die dann durch die sogenannte Verpflichtung abgelöst worden ist, die die Länder übernahmen, daß sie für 8000 DM — jetzt für 50% des Betrags X — soundso viel Wohnungen für soundso viel Personen errichten. Sie, meine Damen und Herren, sind sich sicherlich darüber klar, was das bedeutet. Es bedeutet, daß die Länder aus ihrem allgemeinen Topf an Wohnungsbaumitteln dauernd Beträge nehmen müssen, um sie im Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge zu investieren. Das ist — nicht für die Verwaltungen der Länder, aber für die Bevölkerung — ein sehr ernstes psychologisches Kapitel. Man muß sich mit der Tatsache auseinandersetzen, daß man angesichts der drei Fakten, die der Herr Bundeswohnungsbauminister am Anfang genannt hat, es einfach nicht mehr hinnehmen kann, daß Wohnungsbaumittel, die für die einheimische Bevölkerung bestimmt sind, und auch Wohnungsbauförderungsmittel, die für Altflüchtlinge bestimmt sind, für den Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge abgezweigt werden. So liegen politisch die Dinge nicht. Die Mittel des Bundes müssen eben in einer solchen Höhe gegeben werden, daß der Wohnungsbau für die einheimische Bevölkerung oder für die Altflüchtlinge nicht beeinträchtigt wird.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Was tun die Länder zusätzlich?)

— Meine Herren, wenn Sie es mir noch einmal deutlicher sagen, will ich Ihnen auch darauf antworten. Bitte sehr, Herr Dr. Hellwig.

Prof. Dr. Fritz Hellwig (CDU):
Rede ID: ID0301302000
Wäre, Herr Kollege Brecht, nicht die Möglichkeit, daß die Länder zusätzlich im Landeshaushalt dann bestimmte Mittel einsetzen?

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0301302100
Dann soll man auch davon sprechen. Die Länder setzen, soweit sie finanziell dazu in der Lage sind — und Sie kennen die finanzielle Lage der Länder und ihre zunehmende finanzielle Schwäche —, für den Wohnungsbau weitere Mittel ein. Aber, Herr Dr. Hellwig, Herr Minister Lücke hat selbst gesagt, die Maßnahme des Sowjetzonenwohnungsbaues sei deshalb so erschwert, weil wir noch diesen großen Bestand an notwendigen Wohnungsbauaufgaben

(Abg. Dr. Hellwig: Sicher!)

für die einheimische Bevölkerung und für die Altvertriebenen haben. Das ist der Grund. Solange wir noch den Bedarf an 2 bis 2,5 Millionen Wohnungen für die bereits vorhandene einheimische Bevölkerung und die Altflüchtlinge zu decken haben und, wie Sie wissen, durch die Haushaltsneugründungen in den nächsten Jahren noch weiter 1 Million an zusätzlichem Bedarf hinzukommt, können Sie auf die Dauer nicht an der politischen Auffassung festhalten, wie sie im Vierten oder Ersten Überleitungsgesetz steht, daß die Länder nun ihrerseits auch noch zum SBZ-Wohnungsbau dazu maßgebliche Beträge hinzugeben müssen. Die Länder haben noch genug anderes zu tun; es kommt noch genug Sonstiges auf die Länder zu, nämlich nicht allein der Wohnungsbedarf der zunächst alleinstehenden Flüchtlinge, auch derjenigen, die nicht über die Vertriebenenlager gehen und dergleichen.
Lassen Sie mich nun auf dieser Basis etwas zu unserem Antrag sagen. Wir möchten gern, daß mit Hilfe unseres Antrags — wir haben inzwischen ja gesehen, daß uns auch die CDU/CSU und die DP einen Antrag in zum Teil ergänzender Richtung vorgelegt haben — gemeinsam versucht wird, aus dieser Situation herauszukommen.
Wir wünschen zunächst in Punkt 1 die eindeutige Festlegung, daß jährlich im Haushalt des Bundeswohnungsbauministers in ausreichender Höhe besondere Förderungsmittel für den Wohnungsbau der SBZ-Zuwanderer und der Aussiedler bereitgestellt werden. Ich darf bitten, den Antrag in diesem Punkt noch durch einen Zusatz als zweiten Satz ergänzen zu dürfen:
Dabei ist das Zweite Wohnungsbaugesetz in § 18 entsprechend zu ergänzen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301302200
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. Das ist Satz wieviel?

(Abg. Dr. Brecht: Satz 2 in Ziffer 1, Herr Präsident!)

— Dabei ist ferner zu gewährleisten, daß . . .?

(Abg. Dr. Brecht: Hinter „sicherzustellen": Dazu ist das Zweite Wohnungsbaugesetz in § 18 entsprechend zu ergänzen!)

— Gut! „Dazu ist das Zweite Wohnungsbaugesetz in § 18 entsprechend zu ergänzen." Meine Damen und Herren, ich bitte, das zu notieren.

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0301302300
Dann haben wir aber in Punkt 1 den Wunsch — und das ist unser beson-



Dr. Brecht
deres politisches Anliegen —, daß dabei gewährleistet wird, daß weiterhin keine Mittel, die für den allgemeinen Wohnungsbau bestimmt sind, in den Wohnungsbau für die Sowjetzonenflüchtlinge abgezweigt werden. Sonst verzehren wir die Mittel des allgemeinen sozialen Wohnungsbaues in ganz kurzer Zeit für diesen einzelnen Zweck. Wir haben jetzt noch nach der Degression 630 Millionen im Bundeshaushalt. Davon gehen zunächst 175 Millionen ab, um die Wohnungsbauprämien auszuzahlen, so daß für den allgemeinen Wohnungsbau praktisch noch 455 Millionen übrigbleiben. Wenn davon durch die unzulängliche Finanzierung des Sowjetzonenwohnungsbaues noch 150 bis 200 Millionen in diesen Bau gegeben werden müssen, meine Damen und Herren, dann werden die Mittel die vom Bund in den Wohnungsbau für die einheimische Bevölkerung, für die bedürftige sonstige Bevölkerung gegeben werden, eben einfach zuwenig und zu knapp.
Mit diesem Punkt 1 steht in enger Verbindung — das darf ich vielleicht vorwegziehen — Punkt 4, der fordert, daß eben die Wohnungsbauförderungsmittel für den SBZ-Wohnungsbau genau wie die allgemeinen Wohnungsbauförderungsmittel frühzeitig bereitgestellt, dem Haushalt vorgezogen und mit den übrigen Mitteln am 1. Dezember zur Verfügung gestellt werden, damit die Länder die Planung vorbereiten und frühzeitig in Gang setzen können. Für das Rechnungsjahr 1958 sind allerdings angesichts der gegenwärtigen Sonderlage — das hat der Herr Minister ausgeführt — bestimmte außergewöhnliche Maßnahmen notwendig. Der Herr Minister hat uns nicht die Beträge genannt, die für diesen Zweck im Bundeshaushalt voraussichtlich stehen werden. Man kann aber anderen Ausführungen entnehmen, daß es sich um einen sehr erheblichen Betrag handeln muß, der dazu nötig ist, jetzt endlich nicht nur die Vertriebenen und Aussiedler der Jahre 1955, 1956 und selbst 1957 unterzubringen, sondern auch bereits die Vertriebenen und die Aussiedler des Jahres 1958 mindestens in planende Maßnahmen einzuschalten, damit die Zeit, bis sie zu ihrer wohnlichen Versorgung kommen, sich nicht so ausdehnt, wie das bisher der Fall gewesen ist.

(Beifall bei der SPD.)

In Punkt 3 unseres Antrags bitten wir — bei allem Respekt vor der von dem Herrn Bundeskanzler getroffenen Regelung mit den 50%, die wir für nicht ausreichend halten —, künftig den Ländern zwei Drittel der Herstellungskosten zur Verfügung zu stellen.

(Abg. Dr. Hesberg: Sagen Sie doch gleich 100 %, Herr Brecht!)

— Nein, wir sagen zwei Drittel, Herr Dr. Hesberg, weil wir glauben, daß die Länder mit zwei Drittel der Kosten unter weiterer Zuhilfenahme der sonstigen Finanzierungsmöglichkeiten durchaus in der Lage sein werden, die Dinge zu bewältigen. Wir wollen damit verhindern, daß der Wohnungsbau für die einheimische Bevölkerung, für die sozial schwache Bevölkerung, die schon lange wartet, durch die Wegnahme von Landes- und sonstigen Mitteln beeinträchtigt wird. Wir wissen, es handelt
sich dabei um eine Maßnahme im Verhältnis Bund— Länder und noch nicht um eine Finanzierungsmaßnahme für das einzelne Objekt. Davon sprechen wir in einer anderen Ziffer unseres Antrags gesondert. Darauf komme ich jetzt zurück.
Hier sagen wir, die einzelnen Objekte müssen vollständig durchfinanziert werden. Sie werden sagen, das ergebe sich schon aus § 43 und aus anderen Bestimmungen des Wohnungsbaugesetzes; der Herr Minister hat im einzelnen auch darauf hingewiesen. Dabei ist nur sehr unklar, inwieweit die Bestimmungen über die Durchfinanzierung von dorther überhaupt Rechtswirksamkeit haben. Diese Bestimmungen gelten immer für die Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen. Das deckt sich aber nicht unbedingt mit dem Wohnungsbau für die Sowjetzonenflüchtlinge oder die Aussiedler. Deshalb muß man, wenn man es korrekt machen will, dafür eine entsprechende Sonderbestimmung schaffen. Dieses Durchfinanzieren ist notwendig, um zu erreichen, was der Herr Minister dargelegt hat, nämlich die Bauträger zu verstärktem und beschleunigtem Bauen anzuregen. Denn — ich sage das nochmals — die Finanzierung des Wohnungsbaues für Sowjetzonenflüchtlinge ist schwieriger als die Finanzierung des sonstigen sozialen Wohnungsbaus. Jeder Lehrling in der Wohnungswirtschaft im dritten Lehrjahr kann Ihnen heute ausrechnen, daß bei 23 000 Mark Kosten — die auch der Herr Minister genannt hat — und bei einer Größe von 60 qm — die auch wir mit dem Herrn Minister für notwendig halten — ein Betrag von 17 200 Mark 1%igen öffentlichen Geldes erforderlich ist, wenn man auf die Miete von 1,20 Mark im Wege der Kapitalsubvention kommen will.

(Abg. Dr. Czaja: Aber das ist nicht das einzige!)

— Jawohl, ich komme darauf, Herr Dr. Czaja. —
Wenn eine Miete von 1,60 Mark in Frage kommen
soll, dann müssen 13 500 Mark eingesetzt werden.
Wenn nur 10 000 Mark gegeben werden, wie der Herr Minister in einer Rede vor einiger Zeit es einmal als Durchschnittsbetrag angegeben hat — heute hat er einen höheren Durchschnittsbetrag genannt —, dann ergeben sich bei 23 000 Mark Kosten und 60 qm Wohnfläche unweigerlich Mieten von 2 Mark je qm Wohnfläche. Das können die Flüchtlinge und Aussiedler nicht bezahlen. Also sind andere Maßnahmen erforderlich, also braucht man entweder mehr Mittel, um die Kapitalsubvention zu decken, oder man braucht mehr und namentlich langfristige Mittel, um mit Zinszuschüssen oder mit Mietbeihilfen zu arbeiten, wobei ich allerdings darauf hinweisen darf, daß die Mietbeihilfenregelung in § 74 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes nur auf die Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen anwendbar und befristet ist.
Nun sagt der Herr Minister — und es sagen auch viele andere —, der Ausweg liege im Wohnungstausch, dann könne die einheimische Bevölkerung diese Wohnungen bekommen. Das Land Baden-Württemberg ist in dieser Beziehung sehr gelobt
worden. Sicherlich, das ist eine Möglichkeit, die an- zuwenden ist. Aber bedenken Sie das auch einmal



Dr. Brecht
psychologisch. Nicht überall sind die Sowjetzonenflüchtlinge oder die Aussiedler gern bereit, die viel primitiveren Wohnungen etwa des Altwohnungsbestandes zu nehmen. Ich spreche nicht von den Wohnungen des in den letzten Jahren geförderten sozialen Wohnungsbaues, sondern von den anderen Wohnanlagen. Es sollte sehr vorsichtig vorgegangen werden, ohne daß aus einem Wunschdenken heraus allzuviel Druck ausgeübt und Anweisungen gegeben werden, damit dann im Behördenjargon jener Ausdruck von den „Erfolgsfällen" allzu groß geschrieben werden kann. Hier kann nur im Einzelfall etwas erreicht werden, aber nicht voluminös fortgesetzt und weitergehend das Gesamtproblem gelöst werden.
Dann wird gesagt: Aufbaudarlehen. Und im Nebensatz wird allerdings zugestanden: Aufbaudarlehen in der Restfinanzierung können in diesen Maßnahmen nur die Aussiedler und die Vertriebenen bekommen, die den Flüchtlingsausweis C haben. Das sind die allerwenigsten.

(Abg. Dr. Czaja: Nein, nein!)

Fehlt ein Teil, dann brauchen Sie — Herr Dr. Czaja, alles zur Begründung — ein Mehr an öffentlichen Mitteln, um eine Durchfinanzierung der Objekte zu erzielen.
Als nächster Ausweg wird gesagt: Machen wir doch alles in Familienheimen, entweder für die einheimische Bevölkerung oder für die Zuwanderer und Aussiedler. Ich will nicht sagen, daß das nicht auch in soundso vielen Fällen möglich ist. Es soll und muß geschehen, das ist auch unsere Auffassung, wenn es möglich ist. Wir sind gar nicht, wie Sie immer glauben, gegen die Familienheime. Aber wir bleiben in der Realität, und zu dieser Realität will ich etwas verlesen, nicht aus einer sozialdemokratischen Zeitung, sondern aus „Christ und Welt" vom 20. Februar.

(Abg. Dr. Czaja: Aha! Das hat Herr Walter Brandt geschrieben!)

Der Titel heißt „Eigenheim oder Mietwohnung?". Ich weiß nicht, wer der Verfasser ist.

(Abg. Dr. Czaja: Der ist doch unterschrieben!)

— Er ist unterschrieben; ich kenne den Betreffenden aber nicht. Auf jeden Fall steht es in „Christ und Welt".

(Abg. Dr. Czaja: Er ist Geschäftsführer eines Wohnungsunternehmens!)

— Sie sind es ja auch. Darum soll das ein schlechter Mensch sein?

(Abg. Dr. Czaja: Das sage ich ja auch nicht! — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301302400
Warum soll der Redner nicht mit Genehmigung des Präsidenten auch etwas aus „Christ und Welt" zitieren dürfen?

(Heiterkeit und Beifall.)


Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0301302500
Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich aus dem Artikel „Eigenheim
oder Mietwohnung?" in der Zeitschrift „Christ und Welt" folgendes vorlesen:
Geradezu grotesk wirkt die Situation, wenn man auch für Sowjetzonenflüchtlinge und Spätaussiedler aus den Ostgebieten Familienheime bauen läßt, wobei man offensichtlich noch nicht danach gefragt hat, woher denn diese Menschen das erforderliche Eigenkapital nehmen sollen und woher sie, die doch noch nicht voll in den westdeutschen Wirtschaftsprozeß eingegliedert sind, die nicht unerhebliche monatliche Belastung tragen sollen.
Zum Schluß heißt es dann:
Für jeden, der die Dinge unbeeinflußt von ideologischen Wunschbildern betrachtet, kann die Antwort nur lauten: Solange noch Hunderttausende von Menschen in gänzlich unbefriedigenden Wohnverhältnissen leben müssen, muß es — unbeschadet davon, daß das Familienheim die ideale Wohnform ist —

(Abg. Dr. Czaja: Unbeschadet!)

oberstes Gesetz sein, zunächst einmal erst die' sen Menschen gesunde, ausreichende und nicht zu teuere Wohnungen zu beschaffen.
So „Christ und Welt".

(Beifall bei der SPD.)

Ich glaube, man soll auch bei diesem Problem, ob
in diesem Sektor des Wohnungsbaues nun sofort
100%ig, 80%ig Familienheime zu bauen sind — —

(Zuruf rechts: 60%ig, Herr Doktor!)

— Wo steht das?

(Weitere Zurufe rechts: Das ist die Realität! — Abg. Dr. Czaja: 40%ig!)

— Sie bieten mir 60, Sie bieten mir 40 %! Nun, darüber läßt sich reden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte: Wieviel bauen denn Sie!)

— In Verbänden der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen werden mit der Betreuung bis zu 43 % als Eigentumsmaßnahmen gebaut. Aber die Frage steht hier ja nicht an, Herr Dr. Hesberg, sondern hier steht der Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge an. Dort haben wir besondere Verhältnisse, und denen soll man Rechnung tragen.
Meine Damen und Herren, ich sage gar nichts gegen Familienheime, sondern ich möchte nur die Realität berücksichtigt sehen. Wir glauben, daß man Familienheime, wo es möglich ist, wirklich fördern soll. Aber um das Problem, daß im Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge Mietwohnungen gebaut werden müssen, kommt man einfach nicht herum. Alles andere ist unrealistisch. Wir haben dem Herrn Bundeswohnungsbauminister vorgeschlagen, ruhig Mietwohnungen in Form von Ein- und Zweifamilienhäusern zu bauen und dabei nicht von vornherein die Marke anzuhängen: Das ist ein Familienheim, oder es muß innerhalb einer bestimmten Frist ein Familienheim werden. Das ist vielmehr eine Frage, die der Entwicklung, den Möglichkeiten des Tau-



Dr. Brecht
sches usw. zu überlassen ist. Man soll nur auf jeden Fall bei den realen Möglichkeiten bleiben.

(Abg. Dr. Hesberg meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Bitte sehr, Herr Dr. Hesberg!

Dr. Carl Hesberg (CDU):
Rede ID: ID0301302600
Herr Dr. Brecht, Sie sagen, man solle realistisch bleiben. Haben Sie nicht vorhin den Satz des Herrn Bundeswohnungsbauministers gehört, der gesagt hat, einer unmittelbaren Versorgung der Aussiedler und Zuwanderer mit Eigentum an der Wohnung seien enge Grenzen gesetzt, da diese Personengruppen die dazu notwendigen Voraussetzungen nicht mitbrächten?

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0301302700
Natürlich habe ich das gehört,

(Abg. Dr. Hesberg: Sie stellen es aber anders dar!)

und ich freue mich, daß ich hier mit dem Herrn
Bundeswohnungsbauminister so vollkommen einig
bin und nur bei Ihnen gewisse Bedenken bestehen.

(Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

Worauf ich aber hinaus will, ist folgendes: Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat angekündigt, daß er eine Aktion für die Eigenkapitalaufbringung mit den Ländern zusammen fördern will. Das soll auf den Charakter der Familienheime hin konstruiert werden. Ich muß Ihnen sagen: wenn Sie im Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge weiterkommen wollen, dann brauchen Sie eine solche Maßnahme auch für den Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge in der Form von Mietwohnungen. Alles andere ist unrealistisch. Die Möglichkeit, die Restfinanzierung im Mietwohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge zu erleichtern, ist schon dadurch gegeben, daß der Einsatz der öffentlichen Darlehen je Objekt bei den Ländern vergrößert wird. Dann brauchen Sie keine Sonderkonstruktion, sondern haben es in einem Zuge. Das deckt sich also mit unserem Antrag hinsichtlich der Durchfinanzierung.
Der nächste Antrag über die Aufschließungsmaßnahmen wird sicherlich Ihre Zustimmung finden. Ich glaube, auch der Herr Bundeswohnungsbauminister hat das angekündigt. Er liest schon aus dem Wohnungsbaugesetz heraus, daß das auch auf den Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge anwendbar ist. Das ist fraglich, aber dann wird auf jeden Fall eine Einigung zu erzielen sein, daß man solche Aufschließungsmaßnahmen besonders fördern kann. Das ist vor allem mit Rücksicht auch auf die Gemeinden dringend nötig, auch um gewisse Aversionen, die in manchen Gemeinden speziell gegen diesen Wohnungsbau bestehen, mit aus Gründen der Überwindung der schwierigen Kostenlage zu beseitigen.
In unserem letzten Punkt wollen wir die Maßnahmen des Wohnungsbaues für Sowjetzonenflüchtlinge mit anderen Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaues vereinigt sehen, um städtebaulich geschlossene Einheiten zu schaffen. Das dürfte wahrscheinlich allgemeine Auffassung sein. Bitte fassen Sie da „Städtebau" nicht im Sinne von „Nur-Großstädtebau" auf. Dieser Begriff ist uns vielmehr auch für Raumordnungen anderer Art, als zufällige Gemeindegrößen, durchaus seit Jahren und Jahrzehnten geläufig.

(Abg. Dr. Czaja: In Köln haben Sie es aber anders gesagt!)

— Nein, das können Sie nicht sagen. Aber Sie können es mir nachher beweisen und angeben, wo ich es gesagt haben soll.
Das ist unser Antrag. Wir haben die Bitte an Sie, diesen Antrag zu unterstützen. Ich glaube, auch Sie könnten und sollten diesem Antrag folgen. Wir haben in diesem Antrag absichtlich nicht aufgenommen, daß wir alle Provisorien ablehnen, weil wir das für eine Selbstverständlichkeit halten, was alle baulichen Provisorien anlangt. Wir glauben allerdings darüber hinaus, Herr Bundeswohnungsbauminister, daß man ebenfalls die rechtlichen und wohnungsbewirtschaftungsmäßigen Provisorien mit den Doppel- und Dreifachbelegungen — Belegungen bis zu zwölf Personen gibt es in einem Land — vermeiden muß, daß man sie auch nicht gleich auf fünf Jahre zugestehen kann, sondern daß sie wesentlich abzukürzen sind. Die Doppel- und Dreifachbelegung ist keine Lösung des Problems. Wir alle müssen davon ausgehen, daß auch der Wohnungsbedarf der Sowjetzonenflüchtlinge und der Aussiedler nur durch eine verstärkte Produktion von Wohnungen zu decken ist, und zur verstärkten Produktion von Wohnungen ist eben eine verstärkte Investition, auch eine solche von öffentlichen Mitteln, erforderlich.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, so rundet sich eigentlich diese ganze Debatte. Sie haben eine Anfrage an Ihre eigene Regierung gerichtet. Sie wollten mit dem Blick in die Vergangenheit eine Sachdarstellung über die letzten Jahre haben, und der Herr Minister hat Ihnen die durchaus gemäße Antwort gegeben. Das Anliegen der SPD-Fraktion ist, nicht dabei zu beharren und in der Feststellung dieser Dinge stehenzubleiben, sondern zum Handeln zu kommen und zur praktischen Arbeit überzugehen. Dem dient unser Antrag. Das Objekt, um das es hier geht, Wohnungsbau für Aussiedler und Wohnungsbau für Vertriebene, ist ein solches Anliegen von uns allen, daß man den Willen haben sollte, so schnell wie möglich, aber auch so gemeinsam wie möglich diese Not zu überwinden.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301302800
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Brökelschen.

Dr. Else Brökelschen (CDU):
Rede ID: ID0301302900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst im Anschluß an die Ausführungen von Herrn Kollegen Brecht ein paar Bemerkungen machen. Herr Kollege Brecht, ich stimme Ihnen durchaus zu, daß es unsere gemeinsame Aufgabe ist, mit dem Problem der SBZ-Flüchtlinge — und ich füge hinzu: auch der Spätaussiedler; denn das haben Sie wiederholt vergessen; ich glaube, es war ein lapsus linguae — wohnungsmäßig fertig zu



Frau Dr. Brökelschen
werden. Ich glaube, wir stimmen in dem Anliegen und in der gemeinsamen Verantwortung absolut überein. Ich muß nur leider sagen, daß im Lauf Ihrer Ausführungen — ich nehme an, Sie haben es gar nicht so gewollt — bei mir sehr stark der Eindruck erweckt worden ist: Man hört bei allem, was ihr sagt, das Nein. Das, was Sie ausgeführt haben, war im wesentlichen eine Umschreibung von zwei Begriffen, des „Zu spät" und „Zu wenig".
Zum Schluß haben Sie uns auch den Vorwurf gemacht, daß unsere Anfrage rein retrospektiv, rein rückblickend, gemeint sei, während Sie von der SPD die Aktiven sind, die in die Zukunft vorstoßen.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Sie haben einen konkreten Vorschlag gemacht, Herr Kollege Brecht, einen Vorstoß in die Zukunft, und das ist die Forderung nach Verschärfung der Wohnraumbewirtschaftung.

(Lachen und Widerspruch bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Das ist gar nicht wahr!)

Diese Frage sollten wir nach meiner Meinung heute nicht anschneiden. Ich bin der Meinung, daß ein Notstand kommen kann, in dem auch diese Frage neu zur Debatte steht. Aber so weit sind wir Gott sei Dank noch nicht. Erst muß alles andere an Mitteln erschöpft werden, ehe wir hier neue Unruhe in unsere Bevölkerung hineinbringen und vor allen Dingen die Anfänge einer Belebung des Wohnungsmarkts durch die Zugeständnisse, die wir in den Wohnungsbaugesetzen gemacht haben, wieder gefährden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301303000
Frau Abgeordnete Dr. Brökelschen, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Dr. Brecht?

Dr. Else Brökelschen (CDU):
Rede ID: ID0301303100
Bitte schön, Herr Dr. Brecht.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301303200
Herr Abgeordneter Dr. Brecht!

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0301303300
Frau Abgeordnete, haben Sie nicht gehört, daß ich zu Beginn meiner Rede, als ich die Darlegungen von Herrn Minister Oberländer auf der Tagung in Kassel zitierte, eindeutig erklärt habe, wir, die Sozialdemokraten, seien nicht für die Lösung dieses Problems in Form einer Verschärfung der Wohnraumbewirtschaftung?

Dr. Else Brökelschen (CDU):
Rede ID: ID0301303400
Das habe ich nicht gehört, Herr Kollege Brecht; aber wenn Sie das sagen, nehme ich es dankbar zur Kenntnis und stelle fest, daß Sie diesen verhängnisvollen Weg nicht gehen wollen.
Herr Kollege Brecht hat zum Schluß gesagt: wir bleiben in der Realität. Auch ich will mich bemühen, in meinen Ausführungen in der Realität zu bleiben. Ich habe von meiner Fraktion den Auftrag bekommen, einige grundsätzliche Bemerkungen zu dem zu machen, was sowohl in der Begründung unserer Anfrage wie in den Ausführungen des Herrn Bundeswohnungsbauministers gesagt worden ist.
Um die Debatte in den richtigen Rahmen hineinzurücken, fühle ich mich zunächst verpflichtet, darauf hinzuweisen: Es ist ein Schicksal, das uns zur Bewältigung aufgegeben wurde, daß wir unsere wohnungspolitischen Maßnahmen ganz generell nicht auf einer klar übersehbaren Bevölkerungszahl aufbauen können, sondern daß 13 Jahre nach Kriegsende für das deutsche Volk die furchtbarste erzwungene Wanderung unserer Geschichte noch nicht zur Ruhe gekommen ist.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Allein im Jahre 1957 sind rund 133 000 Aussiedler und über 250 000 notaufgenommene Zuwanderer aus der SBZ, im ganzen also rund 400 000 Menschen mit Unterbringungsanspruch, in die Bundesrepublik gekommen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Leider besteht kaum Aussicht, daß sich für das Jahr 1958 diese Zahlen wesentlich verringern werden.
Diese 400 000 Menschen treffen nun in der Bundesrepublik auf die noch weithin ungelösten Wohnungsprobleme und damit gleichzeitig auf die Sorge der vielen dringend Wohnung Suchenden aus den Kreisen der Einheimischen sowohl wie der Altvertriebenen. Nach einer Mitteilung des niedersächsischen Vertriebenenministeriums haben wir auch nach Abschluß des Lagerräumungsprogramms allein in Niedersachsen z. B. noch rund 51 000 Altvertriebene in Lagern.
Auf der anderen Seite sehen sich die Aussiedler und die SBZ-Zuwanderer in ihrer Hoffnung, von einer wenn auch bescheidenen Wohnung aus den schweren Start in ein neues Leben beginnen zu können, grausam enttäuscht und glauben sich für Monate, unter Umständen für Jahre in Lager und Notunterkünfte hineingeworfen und damit von dem normalen Leben in der Bundesrepublik ausgeschlossen. Meine Damen und Herren, 152 000 Menschen in Lagern und 252 000 in vorläufigen Notunterkünften sind Zahlen, die sehr ernst genommen werden müssen. Wir sollten nicht die Augen davor verschließen, welch großes Kapital an Vertrauen, an Kraft, an Zuverlässigkeit und an gutem Willen durch dieses lange Warten in den Lagern verlorenzugehen droht.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Das hätte die Bundesregierung längst tun sollen!)

— Hören Sie doch endlich mit dem auf, was die Bundesregierung hätte tun sollen! Ich glaube, wir sollten die Bundesregierung ebensowenig zum alle in Schuldigen stempeln wie die Länder, sondern sollten endlich den riesengroßen Umfang dieses Problems sehen und zugestehen, daß es in der Geschichte Situationen gibt, die nicht ohne weiteres zu bewältigen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)




Frau Dr. Brökelschen
Meine Damen und Herren! Ich brauche an dieser Stelle kein Wort zu sagen über die innere Not dieser Lagerinsassen und über die Gefahren aller Massenunterkünfte sowohl für die Erlahmung der persönlichen Initiative und Verantwortung wie auch für die innere Sauberkeit und den Zusammenhalt der Familie. Aber ich möchte gerade in dieser Stunde und ganz klar sagen, daß ich die Verantwortung sehe vor allem auch im Hinblick auf die heranwachsenden Kinder, von denen wir wissen, daß sie morgen oder übermorgen Staatsbürger sein werden und daß in ihren Händen mit das völkische und staatliche Schicksal unseres Volkes liegt.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Das sind die beiden Aspekte, unter denen wir unsere heutige wohnungspolitische Situation sehen müssen, und ich stimme dem Herrn Wohnungsbauminister zu, der gesagt hat: Es ist nicht nur eine wohnungspolitische, es ist eine gesamtdeutsche Aufgabe, vor der wir hier stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir haben aus der Antwort des Herrn Wohnungsbauministers gehört — und das sage ich jetzt gerade auch im Hinblick auf die Zwischenrufe der SPD —, in welcher Höhe die Bundesregierung zusätzliche Mittel bereitgestellt hat. Ich wiederhole die Zahl: es ist 1956/57 rund eine Milliarde gewesen. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte in Anbetracht der Unruhe bei den dringlich Wohnungsuchenden der Einheimischen und der Altvertriebenen das eine noch einmal ganz klar sagen: Wir erwarten und setzen in alle verantwortlich beteiligten Stellen das Vertrauen, daß sie in gemeinsamer Anstrengung alles tun werden, um den normalen sozialen Wohnungsbau quantitativ und qualitativ weiterhin auf der erreichten Höhe zu halten.
Nun war der unmittelbare Anlaß für die Große Anfrage meiner Fraktion die besorgniserregende Stockung im Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge und Spätaussiedler und der dadurch ausgelöste nicht zu verantwortende Stau in den Lagern. Meine Fraktion hielt es für unaufschiebbar, Klarheit zu schaffen, wo die Ursachen dieser Notlage liegen und welche Maßnahmen die Bundesregierung zur Bewältigung des Problems ergriffen hat oder noch zu ergreifen gedenkt. Aber, meine Damen und Herren, ich meine — und ich sage das gerade auch in bezug auf den Teil der Diskussion, der hinter uns liegt —, wir sollten in dieser Debatte nicht in den Vordergrund stellen, ob und wo oder bei wem hier eventuell ein Versagen festgestellt werden muß. Ich meine vielmehr, wir sollten die ehrliche Bereitschaft aller Beteiligten unterstellen, schnell zu echten Lösungen zu kommen.

(Zuruf von der SPD: Einverstanden!)

Ich glaube, nur eine Diskussion, die in diesem Sinne geführt wird, erreicht das Ohr der betroffenen Menschen in den Lagern, und ich glaube, nur eine so geführte Diskussion schafft dort auch das in Gefahr geratene Vertrauen in den guten Willen aller beteiligten Stellen, hier schnell und durchgreifend zu helfen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nur sie schafft auf der anderen Seite aber auch die Bereitschaft, die großen Schwierigkeiten anzuerkennen, die trotz großzügiger materieller Bereitschaft bei der Durchführung zusätzlicher wohnungspolitischer Maßnahmen zu bewältigen sind. Herr Dr. Brecht hat hier schon einige genannt, vor allem auf der Ebene der Kommunen; Herr Bundeswohnungsbauminister Lücke hat sie ebenfalls angeführt; ich brauche darauf also nicht näher einzugehen. Für uns ist das Entscheidende, daß der ins Stocken geratene Wohnungsbau für die Sowjetzonenzuwanderer und die Spätaussiedler schnell und spürbar vom Fleck kommt. Die unglücklichen Lagerinsassen und alle Stellen, die sich um ihre Betreuung bemühen, haben mit Recht Verständnis weder für verzögernde Kompetenzstreitigkeiten oder für Formalitäten noch für die Tatsache, daß Hunderte von Millionen an Bundesmitteln brachliegen und nicht abgerufen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Bei der Lösung dieser Probleme wird nun von entscheidender Bedeutung sein, in welcher Form die wohnungsmäßige Unterbringung der hier in Frage stehenden Gruppen erfolgen soll. Meine politischen Freunde sehen die wohnungsmäßige Unterbringung als erste Stufe einer echten sozialen Eingliederung an. Infolgedessen halten wir es nicht für vertretbar, Hunderte von Millionen von Steuergeldern in Provisorien zu stecken — ich unterstreiche, was der Herr Bundeswohnungsbauminister gesagt hat —, die auf längere Sicht volkswirtschaftlich sinnlos und von Anfang an menschlich und politisch nicht zu verantworten sind. Wenn irgendwo die Forderung nach familiengerechten Wohnungen erhoben werden muß, dann hier, wo entwurzelte Menschen wieder Wurzel schlagen sollen. Darum, meine Herren und Damen, keine Schlichtwohnungen! Ich freue mich über die Erklärung des Herrn Bundeswohnungsbauministers, daß auf keinen Fall Bundesmittel für Schlichtwohnungen in Anspruch genommen werden dürfen. Schlichtwohnungen sind stets irgendwie Ghetto, sind Abweichungen vom Normalen, sind Verbannung. Wo Übergangslösungen notwendig sind — und sie werden sich nicht vermeiden lassen —, dürfen sie nur gesehen werden in der vorübergehenden Doppelbelegung normaler Neubauwohnungen, also in einem deutlich erkennbaren und zeitlich begrenzten Provisorium.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir begrüßen deshalb, daß nach den Ausführungen des Herrn Ministers die durch die Doppelbelegung ersparten Mittel sichergestellt werden dürfen und daß darüber hinaus für die Aufspeicherung dieser Mittel die Bedingung gilt, daß sie nicht für Schlichtwohnungen eingesetzt werden sollen.
Die Endlösung dieser Frage kann aber nicht darin liegen — Herr Kollege Brecht, ich glaube, darin stimmen wir überein —, daß wir massenhaft vier-oder fünfstöckige Miethäuser errichten. Wir müssen bedenken, daß vor allem die Spätaussiedler vorwiegend nicht aus Großstädten kommen und infolgedessen auch nicht großstädtische Wohn- und



Frau Dr. Brökelschen
Lebensformen kennen und daß wir deshalb diese Gruppen nach den Grundsätzen des 2. Wohnungsbaugesetzes behandeln und die wohnungspolitischen Maßnahmen nach dessen Grundsätzen ausrichten sollten. Wir wollen dabei — ich wiederhole das ganz deutlich — den in Frage stehenden Gruppen die Möglichkeit offenlassen, nach Festigung der wirtschaftlichen und sozialen Lage das als Eigentum zu erwerben, was ihnen wieder Heim geworden ist.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Auf Spezialfragen unseres Antrags werden weitere Kollegen meiner Fraktion eingehen. Lassen Sie mich zum Schluß meiner Ausführungen nur noch eins sagen. Man macht uns im Ausland manchmal den Vorwurf der Gleichgültigkeit gegenüber dem Flüchtlingsproblem im weitesten Sinne. Das ist richtig und falsch zugleich. Es ist richtig insofern, als in einer Staats- und Gesellschaftsform, in der weithin — unvermeidlich — die Beziehung von Mensch zu Mensch verlorengegangen ist, die Menschen allzu leicht nur noch sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche sehen. Aber auch das andere muß an dieser Stelle klar gesagt werden: daß eine freiheitliche Staats- und Gesellschaftsordnung, die in Notzeiten nicht fähig oder bereit zu echten Opfern ist, sich selbst aufgibt.

(Zustimmung in der Mitte.)

Auf unsere konkrete Situation bezogen bedeutet das, daß wir, wenn wir mit dem Wohnungsproblem der Spätaussiedler und Sowjetzonenflüchtlinge nicht fertig werden, von vornherein vor den Anforderungen kapitulieren, die am Tage der Wiedervereinigung an jeden von uns gestellt werden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Auf der anderen Seite muß aber auch das Ausland wissen, daß es eine sehr schwere Aufgabe ist, Monat für Monat etwa 35 000 Menschen in einen weit überdurchschnittlich bevölkerten Raum wirklich einzugliedern, ohne zu wissen, wann dieser Strom zum Stehen kommt. Wir dürfen den Ernst unserer Verpflichtung nicht verkleinern. Wir sollen auch die Schwierigkeiten nicht verkleinern. Wir sollen vor allen Dingen aber in dem Willen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, zusammenstehen. Und hier greife ich das Schlußwort von Herrn Minister Lücke auf: Wer schnell gibt, gibt doppelt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301303500
Das Wort hat der Herr Bundesminister Dr. Oberländer.

Dr. Theodor Oberländer (CDU):
Rede ID: ID0301303600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf das Problem etwas weiter fassen als die Anfrage. Ich will nämlich nicht nur die Flüchtlinge aus der Sowjetzone und die Spätaussiedler, sondern auch die Altvertriebenen kurz mit hineinnehmen. Sonst kommen wir in der Statistik zu der Zahl 425 000, die noch nicht entsprechend untergebracht sind. Wenn wir die Menschen in den alten Wohnlagern dazu-
nehmen, kommen wir zu der Zahl von 590 000. Ich
erwähne diese Zahl und bringe vor allen Dingen
diese Abrundung deswegen, weil ich begrüße, daß in unserem Antrag endlich eine bundeseigene Statistik vorgeschlagen ist. Ich habe mich seit Jahren bemüht, in die Verhältnisse der Lager hineinzuleuchten. Vor drei Jahren habe ich versucht, eine Statistik im Bundesrat durchzubringen, die damals etwa 20 000 DM kosten sollte. Hätte mir damals der Kollege Zimmer, der den Innenausschuß führte, nicht geholfen, so hätten wir diese Statistik nicht und könnten heute überhaupt nicht darüber aussagen. Wir erfassen sehr viel statistisch. Aber vielleicht ist es doch wichtig, gerade die Verhältnisse von Menschen, die in Lagern sitzen, zu erfassen, um helfen zu können. Das erscheint mir ohne eine bundeseinheitliche Statistik nun einmal nicht möglich.
Wenn wir es wagen, hier zwei Zahlen miteinander zu vergleichen, nämlich eine Statistik der Kriegsfolgehilfslager und eine, in der allerdings auch andere Lager mitgezählt sind, dann ist zu erwähnen, daß in den letzten zwei Jahren 552 Wohnlager mit 87 437 Plätzen aufgelöst worden sind. Diese Zahl bezieht sich allerdings nur auf die Länder Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die ja die Hauptvertriebenenländer waren und die sich sehr bemüht haben, diese Altlager aufzulösen, während gleichzeitig neue Lager in Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg entstanden sind.
Ich darf zur Finanzierung sagen: Herr Kollege Brecht, hier habe ich Sie vielleicht nicht ganz richtig verstanden, als Sie sagten, der Bund müsse die gesamte Finanzierung tragen, und man könne den Ländern nicht zumuten, für den sozialen Wohnungsbau der Sowjetzonenflüchtlinge zu zahlen.

(Abg. Dr. Brecht: Zwei Drittel!)

— Zwei Drittel! — Ich bitte, doch eines zu verstehen. Es ist klar, daß der Vertriebenenstrom die ganze Eingliederung verzögert hat, und ich befürchte, daß es nicht zu ändern ist, daß er auch den sozialen Wohnungsbau etwas verzögert. Ich habe mich bemüht, finanziell zu schaffen, was möglich ist. In Wirklichkeit ist dies natürlich die Sache des Finanzministers.
Aber wir haben doch in keinem Jahr gewußt, wieviel Flüchtlinge kommen. Wir konnten ja nicht gut drüben anfragen. Denn sie wissen, daß es praktisch von den Verhältnissen drüben abhing, wieviel kamen. Sie wissen, wie wir hierbei um den Schlüssel gerungen haben. Wir haben nicht sagen können, wie groß er ist. Nunmehr wissen wir, daß es jährlich um die 300 000 sind. Unter diesem Gesichtspunkt — da bin ich völlig Ihrer Auffassung — müssen wir vorfinanzieren und dürfen nicht nachfinanzieren. Ich glaube, da sind wir uns ganz einig.
Ich habe mich früher mit meinem Kollegen Preusker immer ein wenig gestritten, weil er gegen die Kästchen war. Ich war für die Kästchen, nämlich für die Zweckbindung. Meiner Ansicht nach sollten wir doch auch die Sowjetzonenflüchtlinge und die Spätaussiedler entsprechend ihrer Leistung am wirt-



Dr. Dr. Oberländer
schaftlichen Wiederaufbau bewerten. Hier will ich noch die Frage stellen: Ist es richtig, sie in der Finanzierung so völlig getrennt zu behandeln? Ich könnte mir jedenfalls denken, daß man, wenn in einem Land ernste Notstände vorhanden sind, diese Notstände unter Umständen auch zu Lasten des sozialen Wohnungsbaues für die Einheimischen abzuändern versuchen könnte. Ich muß Ihnen sagen, daß mir das zumindest wichtig erscheint.
Nun haben Sie einen Satz aus meiner Rede herausgegriffen. Sie haben gesagt, ich hätte gesagt: Wenn man die Wohnraumbewirtschaftung gesetzlich verschärft — ich darf darum bitten, das genau zu nehmen —, dann könnte man die Lager in wenigen Wochen beseitigen.

(Zuruf des Abg. Dr. Brecht.)

— Herr Kollege Brecht, in der Zeitung hat nicht immer alles richtig gestanden. Oder glauben Sie das? Ich nicht! Ich möchte Ihnen ganz kurz sagen, was ich in Kassel gesagt habe. Es ist immer schlecht, wenn man einen Satz aus einer Rede herausnimmt und das übrige nicht bringt. Ich habe in Kassel gesagt, daß diese Wanderung von der Unfreiheit zur Freiheit voraussichtlich anhält, daß ich in meiner 71/2jährigen Tätigkeit mit Lagern sehr viel zu tun gehabt habe und daß die Lehre der Integration — wie ich es genannt habe — gezeigt hat, daß es das Entscheidende ist, schnell zu handeln und keinen Rest zu lassen, weil der Rest die Gefahr des sozialen Dynamits bildet. Ich habe ferner gesagt, daß wir nicht das Recht haben, sehenden Auges Menschen in Lagern asozial werden zu lasGewiß, das habe ich gesagt, und dabei habe ich, weil ich dabei den Verlust menschlicher Werte herausgestrichen habe, die Hypothese gebracht: Wenn man das Gesetz verschärft, dann würde . . . Und nun muß ich Ihnen sagen: ich bin nicht für eine Verschärfung des Gesetzes. Ich glaube im übrigen, daß hier im Hause — auch bei Ihnen — kaum jemand zu finden wäre, der für eine Verschärfung des Gesetzes ist. Sie selbst haben es ja erfreulicherweise abgelehnt — ich darf es noch einmal wiederholen —, dieses Problem durch eine Verschärfung der Wohnraumbewirtschaftung zu lösen.
Allerdings, Herr Kollege Brecht, habe ich auch gesagt, daß die Wohnraumbewirtschaftung — damit will ich niemanden belasten, aber ich will es feststellen — von den Ländern durchgeführt wird und daß ich es gern sähe, wenn die Möglichkeiten, die uns die Wohnraumbewirtschaftung noch läßt — ich weiß, wie sie eingeschränkt sind —, manchmal doch noch mehr ausgeschöpft würden, als sie ausgeschöpft werden. Ich habe die Hoffnung ausgesprochen, daß wir durch diese stärkere Ausschöpfung der Möglichkeiten auf diesem Gebiete etwas weiterkommen. Denn wir müssen ja bauen, aber wir müssen natürlich auch, sagen wir einmal, sonst etwas mithelfen.
Ich habe in Kassel auch noch gesagt, daß wir die Not nicht in Lager verbannen und isolieren dürfen, sondern daß sie bekannt sein muß, wenn wir sie beseitigen wollen, und daß es unsere Pflicht ist, hier alles zu tun.
Ich bin nicht so optimistisch, zu glauben, daß wir das Gesetz über die Wohnraumbewirtschaftung verschärfen können. Aber nun wurde von Ihnen ein Gegensatz zwischen meinem Kollegen Lücke und mir konstruiert, etwa so: Herr Lücke sei für Liberalisierung und ich sei für einen Weg zurück. Hier allerdings irren Sie. Denn ich bin völlig einig mit dem Kollegen Lücke oder, sagen wir einmal, mit dem Text seines Interviews in den „Düsseldorfer Nachrichten" vom 15. Februar 1958, wo er auf die Frage, ob die Wohnraumbewirtschaftung schon überflüssig sei, gesagt hat: „Bei dem immer noch drückenden Wohnungsmangel ist eine völlige Befreiung der Wohnungswirtschaft von allen Bindungen noch nicht möglich: der Abbau der Wohnungszwangswirtschaft wird nur schrittweise in dem Maße erfolgen können, in dem die Wohnungsnot beseitigt ist." Das ist eine völlig klare These, über die ich mit dem Kollegen Lücke jedenfalls einig bin, wahrscheinlich mit Ihnen auch.

(Abg. Dr. Brecht: Da gibt es einige Nuancen!)

— Ja, diese Nuancen hat es auch 1952 gegeben, als man hier im November abstimmte; zum Schluß, als der Bundesrat derjenige war, der vor der starken Liberalisierung gewarnt hat, hat es hier doch einige Stimmenthaltungen gegeben. Ich will damit nur sagen — ich gehörte damals dem Bundestag nicht an, aber mein Studium dieser Dinge hat es mir gezeigt —, daß man im Endergebnis über den jetzigen Text bezüglich der Wohnraumbewirtschaftung innerhalb der Parteien einig war, zumindest mit nur wenigen Ausnahmen bzw. Stimmenthaltungen — ich will den Abgeordneten Jacobi ausnehmen —, und daß man die Bestimmung so angenommen hat. Da sind einige Nuancen. Sie scheinen mir in der Ausführung zu liegen. Deswegen habe ich den Wunsch geäußert, daß die Länder bei der Durchführung etwas schärfer sind, um die Schwierigkeiten, vor denen wir heute stehen und für die wir alle gemeinsam die Verantwortung tragen, zu beseitigen. Ich bin weit davon entfernt, hier Anklage zu erheben. Denn wir sind uns über eines alle einig: Bund, Länder und Gemeinden haben in einem echten Dreiklang zusammenzustimmen, sonst ist das Problem überhaupt nicht zu lösen.
Wenn ich nun sage, daß die Statistik, die seitens meines Ministeriums verarbeitet worden ist und bei der die neuen Programme verglichen werden, zu gewisser Kritik Anlaß gegeben hat, so stehe ich völlig dazu. Ich werde diese Kritik hier auch gar nicht bringen, ich werde auch kein einzelnes Land nennen. Aber weil diese Kritik doch nur etwas Besseres erreichen soll — und was könnten wir nicht besser machen? —, warne ich davor, die neuen Programme zusammenzuwerfen und zu sagen: „Soundsoviel Prozent haben wir geschafft." Ich habe vielmehr in allen Aussprachen mit den Vertretern der Länder — in den letzten zwei Jahren habe ich auf diesem Gebiet sehr viel versuchen müssen — immer die Planung und die Bewilligung, die im Bau befindliche Zahl und die Zuteilung miteinander verglichen. Daß es richtig ist in den letzten Jahren, zeigen ja auch die Diagramme, die ich verbreitet



Dr. Dr. Oberländer
habe und die Sie in meinem Ministerium jederzeit bekommen können. Es zeigt sich, daß es in einigen Ländern gut und in einigen Ländern weniger gut aussieht. Ich nenne gar kein Land; jedes Land kennt die Statistik. Ich stehe zu der Statistik; sie ist ja auch auf Grund der Meldungen der Länder entstanden. Wenn man die einzelnen Wohnungsbauprogramme nebeneinanderstellt, sieht man, daß es eine Zeit gegeben hat, in der wir tatsächlich mit dem Wohnungsbau in einer gefährlichen Form nicht mitgekommen sind. Unterdessen ist allerdings einiges wesentlich besser geworden.
Nun kommt natürlich das Problem, das man uns gern vorhält: die Frage der gerechten Verteilung und des Schlüssels. Ich gebe unumwunden zu, daß in der letzten Zeit auch Nordrhein-Westfalen, auch Baden-Württemberg vielleicht etwas überlastet waren. Der Bund ist ja in der Frage des Schlüssels nur ehrlicher Makler, er kann gar nichts befehlen. Es ist eine Frage, die die Länder untereinander ausmachen. Es wäre natürlich gut, wenn wir die Konzentration in den Ballungsgebieten, die wir heute im großen erleben, vermeiden könnten. Es ist erstaunlich, ein wie großer Prozentsatz des Flüchtlingsstromes in die Großstädte geht. Wir haben versucht, die beiden Länder durch den neuen Schlüssel wesentlich zu entlasten: Baden-Württemberg von 26,2 auf 15,5 %, Nordrhein-Westfalen von 43,5% im Jahre 1952 auf 32,7 % im Jahre 1958. Die Unterlagen sind doch von allen Ländern angenommen worden. Gewiß, Bayern war nicht erbaut über die neue Belastung. Aber kein Land hat die Grundlagen angefochten. Wir haben versucht, einen höchstmöglichen Grad von Gerechtigkeit zu erreichen. Wir hoffen, daß uns das neue Gutachten des Instituts für Raumforschung in Godesberg zeigt, ob in der Erforschung der Unterlagen noch mehr Gerechtigkeit geübt werden kann oder nicht.
Für mich ist entscheidend, daß in Berlin kein Rückstau entsteht — hier ist Berlin sehr empfindlich —, daß wir in Friedland keinen Rückstau haben; denn wir können in Friedland höchstens drei Transporte unterbringen und nicht mehr. Unter diesem Gesichtspunkt muß also alles betrachtet werden. Unser Volk, das gerne die Dinge von vor zwölf Jahren vom Tisch schiebt, wird ungern an die Tatsachen erinnert, die heute durch den Flüchtlingsstrom wieder täglich vor uns erscheinen. Vielleicht sind ihm durch die heutige Aussprache im Bundestag die Probleme wieder etwas nähergebracht worden.
Das Entscheidende ist folgendes, und darüber sollten wir uns in diesem Raum alle einig sein. Wenn schon der Osten, das andere System, den Menschen so unterschätzt, wie er es tut, dann sollten wir von uns aus alles tun, um den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu gehört, daß der Mensch, der aus der Unfreiheit in die Freiheit kommt, auch wohnraummäßig so untergebracht wird, daß er weiß, wenn er schon in Lagern sein muß, daß diese Zeit des Lagerlebens abgekürzt wird. Darum sollten Bund, Länder und Gemeinden nicht nur auf dem Gebiet der Finanzierung des Wohnungsbaues, sondern auch auf dem Gebiet der
Wohnraumbewirtschaftung mit allen Mitteln versuchen, diese Zeit abzukürzen. Ich glaube, hier kann überhaupt kein wesentlicher Unterschied zwischen uns bestehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301303700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Will.

Dr. Rudolf Will (FDP):
Rede ID: ID0301303800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will der Versuchung widerstehen, hier in eine Flüchtlingsdebatte zu geraten; dazu ist heute der Zeitpunkt nicht gegeben.
Die Große Anfrage der Regierungsparteien ist von dem Herrn Bundeswohnungsbauminister sehr ausführlich und mit sehr zahlreichem statistischem Material beantwortet worden, so ausführlich, daß es eigentlich zweckmäßig wäre, die Debatte darüber zu vertagen, weil es nicht möglich ist, sich mit diesem Zahlenmaterial und mit den zahlreichen Angaben, die darin enthalten sind, so zu beschäftigen, wie es für eine gründliche Kritik erforderlich wäre. Ich bin daher, da ich nicht wie einige andere Mitglieder dieses Hauses im Besitz der Ausführungen des Herrn Ministers gewesen bin, nur imstande, auf einige Dinge einzugehen, die mir im Gedächtnis geblieben sind oder über die ich mir eine kurze Notiz habe machen können.
Ich habe den Eindruck: Die Zahlen, die wir gehört haben, im großen gesehen, lassen erkennen, daß in den vergangenen Jahren von seiten der Bundesregierung für die Unterbringung von Flüchtlingen nicht wenig geschehen ist. Das wird man unbedingt zugeben müssen. Wenn von den 1,2 Millionen — das ist eine Zahl, die ich der Antwort entnommen habe — gegenwärtig nur noch 150 000 sich in Lagern befinden — 250 000 sind provisorisch, der Rest ist endgültig untergebracht —, dann ist das immerhin eine Zahl, die sich sehen lassen kann.
Herr Dr. Brecht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß keine geringe Mißstimmung in der einheimischen Bevölkerung darüber vorhanden ist, daß es vor allem in den Großstädten viele Hunderttausende von Menschen gibt, die sehr viel länger auf eine menschenwürdige Unterbringung warten müssen, als das bei vielen — natürlich nicht bei allen — Flüchtlingen bisher der Fall war. Ich brauche nicht nur an Berlin zu denken, wo es sich noch um 150 000 Wohnungsuchende handelt. In München und in anderen Großstädten ist es nicht viel anders. Ich stimme auch absolut darin zu, daß mit der Errichtung von Familienheimen allein diese Not nicht beseitigt werden kann. Insofern sind wir durchaus der gleichen Meinung.
Die Situation, in die wir gegenwärtig geraten sind, ist natürlich bei weitem nicht befriedigend. Mit Recht ist schon angeführt worden, wie wichtig es aus rein menschlichen Gründen ist, die noch allzu zahlreich vorhandenen Lager, die zwar, wie wir gehört haben, in den letzten beiden Jahren um über 500 abgenommen haben, so schnell wie möglich zu räumen. Über die anzuwendenden Me-



Dr. Will
thoden, die zum Teil hier erwähnt worden sind, ist einiges zu sagen. Es handelt sich dabei zunächst um die Politik, die die Länder betrieben haben. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat darauf hingewiesen — und auch Herr Dr. Brecht hat sich mit diesen Dingen ausführlich beschäftigt —: es ist zweifellos so, daß die Mittel, die vom Bund zur Verfügung gestellt worden sind, nicht ausreichend waren. Das haben alle Redner bestätigt. Schließlich wird es aber immer so sein, daß die Mittel überhaupt erst einmal vorhanden sein müssen. Wenn die SPD in ihrem Antrag sagt, sie möchte „ausreichende" Mittel haben, so ist das eine Formulierung, der man zustimmen kann, wobei man allerdings sehr verschiedener Meinung darüber sein kann, ob die Größe des „Ausreichens" bei der Hälfte oder bei zwei Dritteln liegt. Wir sind uns alle darüber einig, daß zwei Drittel viel schöner wären, wenn sie vom Bundesfinanzminister zugestanden und bezahlt werden könnten. Das ist doch immer die entscheidende Frage.
Die Länder haben sich sehr unterschiedlich benommen. Ich höre in dieser Debatte immer wieder die alte Klage, daß Hunderte von Millionen Bundesmitteln nicht verwendet worden seien. Die Länder sagen, das sei einfach deshalb geschehen, weil man bei nicht genügendem Anteil an der Wohnungsbaufinanzierung eben gar nicht anfangen könne, ein Grundsatz, der zweifellos richtig ist. Das ist nun inzwischen im vorigen Jahr im wesentlichen behoben worden, wenn auch sehr spät, und ich möchte meinen, wir dürfen infolge der heutigen Aussprache der Hoffnung sein, daß diese Dinge künftig etwas schneller vor sich gehen, als es bisher der Fall war.
Aber hier habe ich ein politisches Bedenken. Ist es möglich, heute zu sagen: Wir planen jetzt im sozialen Wohnungsbau für 1958 für SBZ-Flüchtlinge 300 000, 400 000 Wohnungen — von 300 000 hat Herr Minister Oberländer soeben gesprochen —, weil wir wissen, daß im nächsten Jahr 300 000 Flüchtlinge aus der Ostzone kommen werden? Ist es vertretbar, heute dem Manne in Halle zu sagen: Dort kriegst du keine Wohnung; aber wenn du herüberkommst, dann ist dafür gesorgt, daß du eine moderne Wohnung des sozialen Wohnungsbaus mit 60 qm Wohnfläche erhältst? D a s ist das Problem: ob wir es darauf ankommen lassen, ob wir darauf stolz sein sollen, daß die sowjetische Besatzungszone entvölkert wird und die Leute, die herüberkommen, innerhalb sechs Monaten eine neue Wohnung bekommen, während die Einheimischen Jahre hindurch darauf warten müssen. Auch sie leben vielfach unter unzumutbaren Bedingungen. Auch in unseren Großstädten gibt es noch viele Wohnungen mit Aborten auf dem Hof und manchen anderen unzuträglichen sozialen Verhältnissen. Ist das möglich und gerechtfertigt? Letzten Endes habe ich den Eindruck, daß wir, wenn wir über die Wiedervereinigung reden und wenn wir der Meinung sind, es könnte einmal dahin kommen, daß etwas Derartiges passiert, nicht anfangen dürfen, die Wiedervereinigung im Bundesgebiet vor sich gehen zu lassen. Es ist heute nicht unsere Aufgabe, dieses politische Anliegen hier im vollen Umfang zu diskutieren. Aber wir werden daran denken müssen, daß es sich doch nicht darum dreht, diese Millionen — es sind nicht nur Hunderttausende — auf die Dauer hier aufzunehmen, sondern viele von ihnen werden das selber nur als ein Provisorium ansehen.
Ich habe eine Denkschrift des Ministers für Wiederaufbau von Nordrhein-Westfalen vorliegen; ich möchte sie im Augenblick nicht verwerten, weil das zu weit führen würde, bin aber bereit, im Ausschuß dazu etwas zu sagen. Jedenfalls habe ich den Eindruck, daß von diesem Land das Bedeutendste und Menschenmögliche auf diesem Gebiet der Bereitstellung von Mitteln über die speziellen Fonds für den SBZ-Wohnungsbau hinaus geschehen ist. Das ist vielleicht zu der Frage des Verhaltens der Länder zu sagen. Sie sind ja sicherlich selbst am meisten daran interessiert, ihre Lager frei zu bekommen.
Wenn wir hier zu einer Regelung kommen, um die Finanzierung — das ist natürlich die eigentliche Crux — besser durchführen zu können, werden die Klagen auf diesem Gebiet im wesentlichen aufhören.
Nun ist hier das Thema des Wohnungstausches angeschnitten worden, in dem Sinne, daß Einheimische, die eine Altwohnung zugunsten eines Flüchtlings, eines Zuwanderers frei machen, eine Neuwohnung bekommen sollen und daß dann auch die Mittel, die aus dem SBZ-Fonds stammen, dafür verwendbar sind. Ich muß Sie, Herr Dr. Brecht, hier persönlich ansprechen, weil das ein sehr wichtiges Problem ist und weil Sie geglaubt haben, hierin ein politisches Problem sehen zu sollen. Sie haben recht, aber ich sehe das Problem etwas anders.
Sie sagen: Ist es möglich, daß jemand, der aus der Zone der Unfreiheit zu uns kommt, in eine ältere Wohnung kommt, während der andere, der in der Zone der Freiheit gelebt hat, in eine neue Wohnung kommt? Nun erhebt sich aber eine Frage, und ich stelle diese Frage nicht aus meinem persönlichen Empfinden heraus, sondern weil sie mir, und nicht nur mir, sondern auch anderen, in Berlin immer vorgelegt wird. Wir haben es bei Besichtigungen doch immer wieder erlebt, daß die Leute uns fragen: Wieso sitzen wir seit zwölf Jahren immer noch hier aussichtslos in diesen Hinterhauswohnungen, in diesen lichtlosen Räumen, während andere, die erst seit sechs Monaten da sind, in einer Neubauwohnung des sozialen Wohnungsbaus ohne weiteres unterkommen? — Das Problem ist eben nicht nur ein Problem der Zuwanderer, der Binnenwanderer, sondern es ist auch ein Problem der Unterbringung der einheimischen, schlecht untergebrachten Bevölkerung. Wenn ich das als Vertreter einer Großstadt immer wieder in den Vordergrund stelle, dann deshalb, weil Sie, wie ich glaube, dafür Verständnis haben; denn diese Dinge sind ja doch von ausschlaggebender Bedeutung. Wir haben gerade soeben von Herrn Minister Oberländer gehört, daß es geradezu erstaunlich ist, ein wie großer Teil dieser Flüchtlinge, dieser Zuwanderer, immer wie-



Dr. Will
der in die Ballungszentren, in die Großstädte, drängen. Das tun die Leute nicht deshalb, weil es ihnen etwa auf dem Lande nicht gefallen hat, sondern weil die Verdienstmöglichkeiten in den Großstädten eben doch besser sind und weil auch einige andere Lebenshaltungsumstände in der Großstadt freundlicher aussehen, als das auf dem flachen Lande, jedenfalls zur Zeit noch, der Fall ist.
Die Frage des Wohnungstausches, die — das ist hier erwähnt worden — in Baden-Württemberg in einer Größenordnung von 46 % eine Rolle gespielt hat, ist zweifellos auch für die übrigen Länder von Interesse. Ich möchte meinen, daß auch für die Zuwanderer, die noch nicht Fuß gefaßt haben, die Möglichkeit, zu einer entsprechend billigeren Miete zu kommen -- das ist ja doch der Schlüssel der Situation; es wird ihnen ja nicht zugemutet, in eine weniger gute Wohnung zu gehen, sondern es wird ihnen anheimgestellt, in eine sehr viel billigere Wohnung zu kommen —, mindestens auf eine Reihe von Jahren hinaus nicht von Nachteil sein kann. Dieser Frage sollte man durchaus größere Aufmerksamkeit zuwenden.
Zur Frage des Familienheimbaues möchte ich in diesem Zusammenhang nicht sehr viel sagen. Wir alle wissen, wie wünschenswert der Bau von Familieneigenheimen ist. Aber ich gehöre auch zu denen, die überzeugt sind, daß es ohne einen Mietwohnungsbau großen Umfanges auf eine Reihe von Jahren hinaus nicht gehen wird, und ich befinde mich, wie Sie wissen, Herr Wohnungsbauminister, mit Ihnen in voller Übereinstimmung, wenn ich sage, daß in den Großstädten eine andere Lösung gar nicht möglich ist.
Der Antrag der Fraktion der SPD, zu dem ich jetzt kurz Stellung nehmen möchte, wird von meiner Fraktion im wesentlichen gebilligt. Ich gebe aber zu — und das muß man wohl zugeben —, daß hier natürlich eine Reihe von Wünschen zum Ausdruck gekommen sind, von denen man nicht weiß, ob sie erfüllbar sind. Dazu gehört eine Formulierung wie die schon erwähnte, nämlich ein Bundesanteil von zwei Dritteln der Baukosten statt der Hälfte. Wenn diese Dinge sich durchführen lassen, ist das sicher sehr erfreulich. Aber das ist ein Problem, über das wir wahrscheinlich von zuständiger Stelle nachher noch einiges hören werden. Ich möchte auf die verschiedenen Punkte nicht im einzelnen eingehen, weil ich annehme, daß der Antrag später im Ausschuß eingehend behandelt werden wird. Dort wird dann Gelegenheit sein, uns näher damit zu befassen. Die Frage der Durchfinanzierung der Bauvorhaben — das ist wohl das Wesentliche in Ihrem Antrag — wird uns noch sehr beschäftigen. Da wird es sich darum handeln, inwieweit der Herr Bundesfinanzminister sich unter den jetzigen Umständen imstande sieht — sein Haushalt liegt uns ja noch nicht vor —, solchen Wünschen mehr entgegenzukommen, als das bisher schon der Fall war.
Ich möchte mich im Augenblick auf diese grundsätzlichen Ausführungen beschränken, da wir, wie gesagt, Gelegenheit haben werden, uns im Ausschuß
mit diesen Dingen noch intensiver zu befassen. Im ganzen ist es zweifellos so, daß sämtliche Fraktionen dieses Hauses — diesen Eindruck habe ich jedenfalls — sich in der Zielsetzung dahin einig sind, daß es eine Aufgabe des Deutschen Bundestags ist, nach Möglichkeit die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Lager schnellstens geräumt werden, wobei natürlich eine gewisse Rücksicht darauf genommen werden muß, daß es psychologische Hemmungen nicht nur bei bei den Lagerbewohnern, sondern natürlich auch bei der einheimischen Bevölkerung insoweit gibt, als auch sie völlig unzureichend — und das seit sehr viel längerer Zeit — untergebracht ist. Wir werden uns mit diesen Dingen zweifellos noch ausführlich zu beschäftigen haben. Ich glaube, es wird uns gelingen, nachdem gerade auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaues wirklich erstaunliche Leistungen im Laufe der letzten Jahre möglich gewesen sind, diesem Problem, von dem wir hoffen, daß es nur vorübergehender Natur ist, insoweit beizukommen, daß wir in nicht allzu ferner Zukunft über Wohnungen für Flüchtlinge aus der sowjetisch besetzten Zone überhaupt nicht mehr zu reden brauchen.

(Beifall rechts.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301303900
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0301304000
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die recht geschickten Ausführungen von Herrn Dr. Brecht verdienen im einzelnen einige die Tatsachen betreffende Feststellungen und Erwiderungen. Herr Dr. Brecht hat sich auf einen von mir stammenden Artikel berufen und ausgeführt, daß wir mit der Anfrage einen Zwischenbericht anstreben und keine Anklage. Herr Dr. Brecht hat aber dann eine erhebliche Anklage gegen den Bund erhoben. Hier muß im Sinne der Wahrheit und der Tatsachen nüchtern die Zwischenbilanz gezogen werden.
Ich habe mich während der ganzen Ausführungen von Herrn Dr. Brecht gefragt: Wenn der Bund so viel versäumt hat, wenn alles so zu spät und so zuwenig war, wie er sagte, warum hat dann eigentlich die SPD als die Oppositionspartei und — wie einmal Professor Carlo Schmid — der zweite Beweger am Wagen der deutschen Politik nicht die Große Anfrage gestellt? Oder sollte hier — —

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301304100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0301304200
Bitte, gern.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301304300
Bitte sehr, Herr Hauffe!

Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0301304400
Herr Dr. Czaja, ist Ihnen bekannt, daß wir die Forderung nach der Durchfinanzierung — wobei sich über die einzelnen Interessenquoten streiten läßt — bereits bei der Beratung des letzten Etats des Wohnungsbauministeriums aufgestellt haben, so daß unsere Vorstellungen bekannt waren?




Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0301304500
Auf die Durchfinanzierung komme ich noch zu sprechen, Herr Kollege. Ich habe jetzt die Frage gestellt, und die haben Sie durch Ihre Gegenfrage nicht beantwortet, warum — wenn solche Versäumnisse, wie Sie sie dem Bund vorwerfen, aufgetreten sind — Sie als die kritischen Beobachter der Bundesregierung nicht früher in die Arena getreten sind. Wir müssen aber auf diese Angriffe und Feststellungen im Sinne einer nüchternen Zwischenbilanz eingehen.
Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Dr. Brecht hat einige wenige Tatsachen, die alles, was er dem Bund vorgeworfen hat, entkräften würden, nicht genannt. Er hat z. B. nicht genannt die Aufwendungen des Bundeshaushaltes von 1953 bis 1957 für den öffentlich geförderten Wohnungsbau einschließlich des Wohnungsbaues für Zuwanderer. Er hat sie — das sage ich ohne Vorwurf und ohne Anklage, aber zur Darstellung einer nüchternen Zwischenbilanz — nicht verglichen z. B. mit dem vorhandenen oder nicht vorhandenen Anstieg des Beitrags der Länder für den sozialen Wohnungsbau. Hierzu einige wenige Zahlen.
Im Jahre 1953 1 766 Millionen DM im Bundeshaushalt und im Haushalt des Lastenausgleichs; 1957 2 649 Millionen DM vom Bund und vom Lastenausgleich, Herr Kollege Dr. Brecht. Und wie groß waren die Leistungen der Länder? Sie sahen ein Ansteigen um etwa eine Milliarde seit dem Jahre 1953 aus Bundesmitteln. Und wie war in derselben Zeit der Anstieg des Beitrags der Länder? Ich sage das bewußt mit dem Blick darauf, daß Sie
den Wohnungsbau für normale Wohnungssuchende und Bevölkerungsgruppen in Gegensatz zum Zuwandererwohnungsbau bringen wollten, weil Sie meinten, die Länder müßten dann von ihren normalen Mitteln etwas abzwicken. Ich habe — es besteht darüber keine exakte Statistik — bei verschiedenen Stellen nachgefragt und habe immer nur die Antwort bekommen — im Bundeswohnungsbauministerium wurde mir gesagt, im Moment sei ein Forschungsauftrag über diese Frage im Gange —, während der Bund eine Milliarde, also 35 bis 40% von 1 766 Millionen DM, mehr gegeben habe, seien die Länder konstant bei 700 bis 800 Millionen DM Zuschuß für den öffentlich geförderten Wohnungsbau geblieben. Diese Tatsache müssen Sie einmal herausstellen.
Sie haben weiter gesagt, dadurch, daß wir den Zuwandererwohnungsbau notgedrungen — wegen der Not in den Lagern — so stark förderten, nähmen wir der einheimischen Bevölkerung aus den normalen Wohnungsbaumitteln, die den Ländern zugeteilt worden seien, etwas weg. Darauf müssen wir antworten: Nein! Nachdem die Zuwanderer — wir haben diesen Zuwandererstrom nicht hervorgerufen — in Produktion und Arbeit stehen, nachdem sie zur Produktionskraft und damit auch zur Steuerkraft der Länder beitragen, müssen die Länder auch für ihre Unterbringung die entsprechenden Interessenquote leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das müssen sie bei allen Kriegsfolgehilfeleistungen, das müssen sie auch beim Wohnungsbau. Die
Länder haben diese Tatsache meines Wissens eigentlich nie negiert. Man muß diese Dinge nur tatsächlich durchführen.
Herr Kollege, Sie haben sich sehr stark auf den Satz „zu spät und zu wenig" konzentriert. Dazu müssen allerdings einige Ausführungen gemacht werden. Sie haben von den alten Wohnungsbauprogrammen, dem von 1953 und den folgenden bis zum vierten, gesprochen. Herr Kollege Dr. Brecht, Sie dürften wie ich wissen, daß die vier Programme abgeschlossen sind und höchstens beim vierten Programm noch ganz wenige Wohnungen fehlen. Es fängt also mit dem Jahr 1955 an, und hier trifft das „zu spät" nicht zu, zumindest nicht von 1956 an. Für die im Baujahr 1956 zu erstellenden Wohnungen wurden die Bundesmittel am 5. Januar 1956 und am 5. März 1956, also zu Beginn des Baujahres, für Zuwanderer zur Verfügung gestellt. Für das Baujahr 1957 wurden diese Mittel für Zuwanderer zu einem erheblichen Teil sogar schon im Oktober 1956 und der Rest am 27. Februar 1957, also auch bei Beginn des Baujahres, zur Verfügung gestellt. Wo Sie einen Vorwurf vielleicht erheben könnten — ich werde aber nachher versuchen, ihn zu entkräften —, wäre die Tatsache, daß die Aufstockung der Mittel, die am Anfang eines Baujahres zur Verfügung ge stellt worden waren, erst dann vollzogen wurde, wenn sich eine Aufstockungsnotwendigkeit zu ergeben schien. Ich werde Ihnen aber nachher beweisen, daß es auch ohne Aufstockung ging. Ich werde Ihnen dies an Hand der Tatsachen und der Zahlen beweisen. Aber die Aufstockungen waren im Verhältnis zur Gesamtsumme klein. Auch das muß man sehen und klar herausheben. Alles das, Herr Kollege Dr. Brecht, rechtfertigt noch keineswegs, daß eine halbe Milliarde D-Mark in der Bundesbank zu 3% oder zu 1% lag und von den Ländern im Sommer vorigen Jahres eine Zeitlang nicht abgerufen wurde. Sie hat eindreiviertel, zum Teil auch ein Jahr dort gelegen.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Das rechtfertigt auch nicht die Tatsache, daß z. B. von den Bauprogrammen von 1956 und 1957 zwar ein erheblicher Teil gebaut, aber der Rest eben nicht gebaut worden ist. Ich werde das an einigen Beispielen jetzt im näheren ausführen. Ihre Äußerung nach dem „zu spät", Herr Kollege Dr. Brecht, konzentriert sich also eigentlich auf das Problem: Zu wenig oder nicht zu wenig? Auf dieses Problem will ich eingehen. — Bitte sehr!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301304600
Herr Abgeordneter Rehs zu einer Zwischenfrage.

Reinhold Rehs (SPD):
Rede ID: ID0301304700
Herr Kollege Czaja, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Fraktionen der CDU/CSU in den Ländern unlängst auf ihrer Konferenz den Vorwurf, daß die Länder die ihnen für diesen Sektor zugewiesenen Mittel nicht genutzt hätten, zurückgewiesen haben? Die Fraktionen Ihrer eigenen Partei!

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0301304800
Das ist mir nicht bekannt, weil ich nicht weiß, daß die Fraktionen der CDU/ CSU in den Ländern für die Länderregierungen sprechen.

(Lachen bei der SPD.)




Dr. Czaja
— Es ist mir tatsächlich nicht bekannt; ich höre das von Ihnen zum ersten Mal. Im übrigen, Herr Kollege, ist das keine Argumentation gegen die Tatsachen. Ich habe hier weder jemanden angegriffen noch beschuldigt. Es kann bestimmte Gründe geben, die die Länder dazu zwingen; darauf will ich selbst noch zu sprechen kommen. Ich stelle hier die nüchternen Tatsachen fest, und über diese müssen wir sprechen, wenn wir Zwischenbilanz ziehen und wenn wir wissen wollen, wo der Hebel angesetzt werden muß, um vielleicht nicht beabsichtigte, aber vorhandene Schwierigkeiten zu beseitigen.
Ich komme zu der entscheidenden Frage: zu wenig. Ich glaube, hier hat Herr Kollege Dr. Brecht einige erhebliche Fehler in der Darstellung begangen. Er hat zuerst gesagt, die ganze Schwierigkeit habe am Anfang gelegen.

(Widerspruch bei der SPD.)

— Ich komme auch noch zu dem späteren. Sie haben wörtlich gesagt, am Anfang habe der Bund nur zur vorläufigen Unterbringung 1500 DM zur Verfügung gestellt. Herr Dr. Brecht, Sie haben hier zwei Dinge völlig miteinander verwechselt, die die Behauptung widerlegen, der Bund habe so wenig getan. Der Bund gibt nämlich zweierlei. Er gibt aus Kap. 40 03 — Soziale Kriegsfolgeleistungen — konstant seit dem Jahre 1953 zwischen 700 und 750 Millionen DM zur vorläufigen Unterbringung, zur Lagererstellung, zur Lagererhaltung, zum Barackenbau und zu ähnlichem; auf die pauschalierten Beträge kommen wir noch zu sprechen. Darüber hinaus hat er zur endgültigen zumutbaren Unterbringung der SBZ-Flüchtlinge und der Zuwanderer seit 1953 erhebliche Summen gegeben, obwohl er nach dem Ersten und dem Vierten Überleitungsgesetz dazu nicht verpflichtet war. Es haben also — auch ohne Antrag der SPD — bisher im Bundeshaushalt ganz erhebliche Mittel hierfür zur Verfügung gestanden. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat ja angedeutet. daß auch in diesem Bundeshaushalt ganz erhebliche Mittel für diese Zwecke zur Verfügung stehen werden.
Dann kam die vom Bundeskanzler im Sommer veranlaßte Umstellung dieser einmaligen Regelung von 1953 auf die Dauer mit 1500 DM. Ich will hier nicht den Leidensweg schildern, den solche Vorschläge der Bundesregierung immer durchzumachen haben. Sicherlich, so etwas ist ein Handelsgeschäft. Da wird hart um den Finanzausgleich gerungen, auch wenn es um Menschen geht. Aber, meine Damen und Herren, wissen Sie, wie lange es bis zur Annahme des formulierten Vorschlags des Bundeskanzlers vom 19. August 1957 an die anderen ausführenden Organe, 50 % der Baukosten zur Verfügung zu stellen — und das, was endgültig herausgekommen ist, ist nichts anderes als dieser Vorschlag mit zwei oder drei Änderungen in der Formulierung, Berechnungen, Abrechnungen usw.; ich will von der Form der Anrede hier gar nicht sprechen —, gedauert hat? Verbindliches Angebot: 19. August; endgültiger Abschluß, ich glaube, Mitte Dezember, Herr Bundeswohnungsbauminister, als die endgültige Antwort der Länder einging. Ich habe irgendwo gelesen — ich konnte das inzwischen nicht so schnell überprüfen —, daß sich die Arge-Bau Gott sei Dank mit dem Angebot des Bundeskanzlers — und das ist die erste Referentenstufe — im Oktober 1957 in Breisach beschäftigt habe.

(Zurufe von der SPD.)

— Ja, ich sage das auch nicht Ihnen. Lieber Herr Dr. Brecht, glauben Sie doch nicht, daß ich das der SPD-Fraktion dieses Bundestages zum Vorwurf mache. Ich ziehe hier — Sie müssen auch einmal unangenehme Sachen hören — die nüchterne Zwischenbilanz in dieser Angelegenheit.
Eine Zahl spricht doch sehr für die Leistungen des Bundes: Seit 1953 hat der Bund seine Zuschüsse von 6000 DM auf 10 000 bis 11 000 DM, also um zwei Drittel der ursprünglichen Summe, erhöht. Meine Damen und Herren, in diesem Maße sind die Baukosten nicht gewachsen.
Nun das, was ich über die Aufstockungen zum Wohnungsbau für SBZ-Zuwanderer sagen will! Herr Dr. Brecht, Sie haben bei allen Ihren Ausführungen über „zu wenig und zu spät" eine Tatsache übersehen: Mit den Mitteln, sogar mit 1500 DM, ist tatsächlich gebaut worden und sind bezugsfertige Wohnungen erstellt worden. Sogar im Jahre 1957 sind damit Wohnungen begonnen und bezugsfertig gemacht worden. Hier sprechen also schon Realitäten. Auf die Einzelfinanzierung komme ich noch näher zu sprechen. Ich will Ihnen nur zum Beweis dafür aus dem vierten Programm
— Bereitstellung 27. Mai 1955 — sagen, daß nach zwei Jahren, am 1. April 1957, das Land Nordrhein-Westfalen dieses Programm restlos erfüllt hatte. Bis zum 1. Juli 1957 kamen zur restlosen Erfüllung
— sie bauten also Ende 1956 und Anfang 1957 — die Länder Niedersachsen, Bremen und Baden-Württemberg. Berlin-West kam auf 98 %, Bayern auf 94%, Hamburg auf 53%, Rheinland-Pfalz auf 44 % bezugsfertige Wohnungen. Nur Hessen blieb mit 34 % weit am Ende. Aber sogar Hessen hatte bis Ende des Jahres 1957 bis auf 71 % bezugsfertige Wohnungen aus diesem Programm aufgeholt. Sie haben also mit 1500 DM pro Kopf der Zugewiesenen Ende 1956 zu bauen begonnen und haben mit 1500 DM die Wohnungen bezugsfertig erstellt.

(Zuruf von der SPD: Mit Landesmitteln!)

— Jawohl! Ich habe Ihnen vorhin sehr genau dargelegt, welche Verpflichtung des Landes besteht, die Mittel aufzustocken, und diese Verpflichtung haben die Länder immer anerkannt. Zu der Angelegenheit Hessen komme ich noch.
Auch mit den 2000 DM ging es. Mit den am 5. Januar 1956 bereitgestellten Mitteln waren am 1. Juli 1957, also nach eineinhalb Jahren, bereits bezugsfertig: in Baden-Württemberg alle Wohnungen, in Nordrhein-Westfalen 90%, Bremen 44%, Bayern 34 %, Rheinland-Pfalz, Berlin und Hessen 0%. Ich bitte, mich nicht mißzuverstehen. Ich sage das nicht als Anklage; ich sage das als nüchterne Zwischenbilanz, der wir ins Auge sehen müssen. Vielleicht ist es manchem steuerkräftigen Land leichter, 80 % zu erfüllen, als einem steuerschwa-



Dr. Czaja
chen Land 20 %. — Von den im Oktober 1956 und Februar 1957 bereitgestellten Mitteln von 2000 DM pro Kopf waren am 1. Oktober 1957 49 000 Wohnungen noch nicht im Bau, Ende 1957, als die Regelung des Bundeskanzlers noch nicht in Kraft war, 37 000 Wohnungen. Es wurden also 12 000 Wohnungen neu begonnen. Worin lag der Grund? Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat das in einer Rede in Köln hervorgehoben. Im Sommer betrugen die monatlichen Bewilligungen für Zuwandererbauten nur 866 pro Monat, im Spätherbst aber 6000 pro Monat. Es ging also mit schnelleren Bewilligungen, ohne daß die Mittel bis zum Spätherbst aufgestockt waren. Der eigentliche Grund der Verzögerung — das sei wieder ohne Anklage gesagt — liegt darin, daß zwischen der Bewilligung durch den Bund und der Bewilligung in den, Ländern zuviel Zeit vergeht.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Wenn es möglich war, mit den im Oktober 1956 und Februar 1957 bereitgestellten gewaltigen Bundesmitteln 60 % der Wohnungen in Bau zu bringen, warum gelang es da in einigen Ländern nicht, die restlichen 40 % in Bau zu bringen? Sicherlich spielen die langen Verhandlungen und manches andere eine Rolle, auch Schwierigkeiten mit der ersten Hypothek. Dafür würde ich allerdings, Herr Kollege Brecht, höchstens einen Zeitraum von einem halben Jahr konzedieren. Ich glaube, daß Ihnen der frühere Bundeswohnungsbauminister, Herr Dr. Preusker, nachher aus seiner Erfahrung sagen wird, daß bereits im Januar 1957, wenn nicht schon im
Dezember 1956 die Vormaßnahmen aus dem Bundeshaushalt für erste Hypotheken zur Verfügung standen. Dann kam ja die Lex Preusker, die in ihrem Wert für den Kapitalmarkt umstritten ist, die aber immerhin in dieser Zwischenperiode für den Wohnungsbau die Tore geöffnet hat.
Meine Damen und Herren! Daß in den Ländern im Herbst eine Bewilligungsfreudigkeit eingesetzt hat, ist sicherlich auf Anstrengungen der Länder zurückzuführen. Es ist aber auch auf die bestimmte Sprache des Bundeskanzlers, auf die feste Haltung des Bundeswohnungsbauministers der neuen Regierung sowie darauf zurückzuführen, daß die freien und die karitativen Wohlfahrtverbände, daß hochgemute Frauen und Mütter, die sich an dieses Problem gewagt haben, in der Öffentlichkeit ihre Stimme erhoben haben und gerufen haben, daß es nicht so geht. Es ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß hohe und höchste kirchliche Stellen in der Öffentlichkeit dazu gesprochen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich sage das hier bewußt. In dem Zeitpunkt, wo von allen Parteien dieses Hauses — und mag auch hier und dort ein Lächeln aufkommen — die legitimen Rechte und Pflichten der Kirchen auch im öffentlichen Bereich, soweit es sich um moralische Fragen handelt, anerkannt werden, muß man hier von der Tribüne aus diesen Menschen, die sich als Gewissen der Nation gezeigt haben, Dank aussprechen.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

Ein zweiter Grund, weshalb es nicht oder nicht schneller vorwärtsgegangen ist, ist folgender. Ich sage auch das ohne jede Anklage. Es ist bezeichnend, daß nach den Statistiken in denjenigen Ländern, wo die Zuwanderermittel für reine Sonderwohnungsbauprogramme gegeben werden — das ist eine Verwaltungsregelung —, der Abfluß am schlechtesten vor sich geht, ja daß manche dieser Länder in den letzten Jahren überhaupt keine Wohnungen haben melden können. Ich habe schon vorher gesagt, daß es sich bei einem dieser Länder um eine vielleicht verständliche Sonderlage handelt. Dort ist nicht mit Tauschwohnungen oder mit einer Mischung der Mittel gearbeitet worden. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat unterstrichen — und das ist in der bisherigen Debatte noch zuwenig herausgehoben worden —, daß die Hälfte der untergebrachten Fälle — nicht nur in Baden-Württemberg — dadurch gelöst worden ist, daß man die Leute in Tauschwohnungen untergebracht hat. Dort aber, wo mit reinen Sonderbauprogrammen, für die man gewaltige Summen verlangt hat, gearbeitet wird, geht es nicht vorwärts. Freilich erfordert der Tausch eine sorgfältige Kontrolle, damit keine Zweckentfremdung eintritt.
Für diese meine Behauptung die klaren Nachweise der Statistik: Von den im Oktober 1956 und im Februar 1957 zur Verfügung gestellten Mitteln sind noch nicht im Bau in Niedersachsen, das am besten dasteht, 38 %, in Schleswig-Holstein 40 %, in Rheinland-Pfalz 47%, in Bayern 52 %, in Baden-Württemberg 53 %, in Nordrhein-Westfalen 69%, in Bremen 93 %, in Hamburg, Hessen und Berlin 100%. Die letztgenannten drei Länder erklären, sie könnten die Gesamtfinanzierung nicht zusammenbringen. Dabei wird im Lande 'Hessen alles über zentrale Wohnungsbauprogramme, die an wenige Gesellschaften vergeben werden, durchgeführt.

(Abg. Dr. Brecht: Hessen hat auch ein dezentrales Programm!)

— Ja, aber nicht für Zuwanderermittel! Ich habe in Hessen einige sehr interessante Debatten mit Wohnungsbaufachleuten gehabt, da wurde mir immer gesagt: Ja, wir wollen für Zuwanderer bauen, aber man gibt uns keine Mittel dafür; wir haben es sogar beantragt, doch man gibt sie nur wenigen ganz großen Gesellschaften, an denen es auch eine Bundesbeteiligung gibt.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren! Ich betone nochmals: das ist keine Tabelle für eine Wertung der Länder; denn oft wiegen 20 bis 30 % nicht begonnene Bauvorhaben bei großen Aufnahmeländern mehr als 80 bis 90% in kleinen Aufnahmeländern.
Nun zur Einzelfinanzierung. Da haben Sie, Herr Kollege Dr. Brecht, es sich sehr einfach gemacht. Sie haben immer wieder von 6000 und 8000 DM gesprochen. Sie haben dabei folgende Tatsachen nicht in Betracht gezogen. Sie haben mit keinem Wort von den Interessenquoten der Länder gesprochen. Sie haben mit keinem Wort von den Ersparnissen aus den sogenannten Erfolgsfällen, die Sie ganz anders interpretiert haben, gesprochen. Sie haben nur am



Dr. Czaja
Rande von den Aufbaudarlehen für Aussiedler und C-Ausweis-Leute gesprochen. Dabei müssen Sie sich vor Augen führen, daß heute 40 % der Zuwanderer in der Bundesrepublik Aussiedler — alle mit Aufbaudarlehen — und etwa 8% C-Ausweis-Leute sind. Das ist wieder die Hälfte und kein geringer Prozentsatz. Das ergibt schon 1500 DM im Durchschnitt für alle 100%.

(Abg. Dr. Brecht: Das können Sie aber nicht im Durchschnitt rechnen!)

— Nun gut, Sie rechnen nur die Hälfte. Das kann man nur dann, Herr Kollege Dr. Brecht, wenn man wie Sie immer mit der Zwangsvorstellung des Mietwohnungsbauprogramms an reine Sonderbauprogramme herangeht. Wenn man an die Mischung dieser Mittel geht, wie sie in einer Reihe von Ländern durchgeführt werden, fällt auch dieses Argument weg. Ich komme aber darauf noch zu sprechen.
Sie haben auch nicht die Ersparnisse aus der Unterbringung größerer Familien in einer zu fördernden Wohnung mit vier Räumen und einer Küche gerechnet. Sie haben gar nicht berührt die Ersparnisse der Kriegsfolgenhilfe und Sie haben gar nicht berührt die Frage des Eigenkapitals dort, wo Möglichkeiten der Tauschwohnungen bestehen. Wenn Sie das alles betrachten, kommen Sie auf 16- bis 17 000 DM. Die Länder geben ihre Interessenquote. Ich weiß, daß Baden-Württemberg zu den 8000 DM
ehemals 2000 DM aufgestockt hat, daß das Land Nordrhein-Westfalen auch erhebliche Mittel aus
Landeshaushaltsmitteln und vielleicht auch aus Ersparnissen der allgemein pauschalierten Kriegsfolgenhilfe aufgestockt hat. Das muß man auch sagen. Wenn Sie also die 2000 DM hinzufügen, so hatten Sie schon bisher nicht 8000 DM sondern 10 000 DM, und wenn Sie Aufbaudarlehen von im Durchschnitt 1500 DM hinzurechnen, haben Sie 11 500 bis 12 000 DM, weil ja auch höhere Aufbaudarlehen gegeben werden.
Völlig unbeachtet, Herr Kollege Dr. Brecht, haben Sie folgende Tatsache gelassen, die aus der Rede des Herrn Ministers hervorging. Der Herr Minister hat ausgeführt, daß 96 314 Wohnungen bezugsfertig sind. Das sind Wohnungen für 385 000 Menschen, mal vier. Nach Meldung der Länder sind aber 545 000 Menschen zumutbar untergebracht worden. Ein Viertel sind Erfolgsfälle, sind Leute, die im Wege der Familienzusammenführung u. ä. untergebracht worden sind, nicht im Tausch mit Altwohnungen, sondern durch Ersparnisse. Die Mittel dafür wurden alle zugeteilt. Für die 545 000 erfolgte die Zuteilung von 2000 DM. Was hindert denn die eine oder andere Bewilligungsstelle, diese ersparten Mittel zur Aufstockung fehlender Mittel in Sonderprogrammen einzusetzen, wo Sonderprogramme sich nicht vermeiden lassen?
Sie haben dann weiter nicht die Größe der Haushalte in den Lagern berücksichtigt. Weil mir Herr Kollege Jaksch das letzte Mal diesbezüglich — zum Teil berechtigterweise — eine Zwischenfrage gestellt hat, habe ich mir genaue Statistiken über die Familiengröße in den Lagern verschafft. Ich will hier
nicht die Einzelheiten ausführen — ich bin gern be reit, das an anderer Stelle zu tun —, aber es läßt sich aus der eingehenden Lagerstatistik des Landes Baden-Württemberg für alle Lager in dem zweitgrößten Aufnahmeland nachweisen, daß bei Abzug der Ein-Personen-Haushalte der gewogene Durchschnitt der Haushalte in den Lagern bei fünf Personen liegt. Soviel noch zu den Möglichkeiten, eben zwei Erwachsene und drei Kinder in einer Normalwohnung, die wir ja jetzt auf vier Räume erhöht haben, unterzubringen.
Noch etwas zu den Ersparnissen in der Kriegsfolgenhilfe. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat namens der Bundesregierung die rechtliche Situation dargelegt. Er hat, wenn ich nicht mißverstanden habe, an die Länder appelliert, Ersparnisse auch für den Wohnungsbau auszuwerten. Wie ist denn die Situation? Die Kriegsfolgenhilfe wurde pauschaliert nach der Ist-Abrechnung in den Jahren 1953/54. Diese Ist-Abrechnung ergab sich aus dem ungeheuren Zustrom der Flüchtlinge, dem momentan großen Zustrom, der in diesen Jahren, 17. Juni usw., einsetzte. Damals waren notwendigerweise Lager in erheblicher Zahl gebaut worden. Alle diese Kosten stecken in der Ist-Abrechnung drin: zwar degressieren sie um 5%, jetzt um 10% gegenüber der ursprünglichen Ist-Abrechnung, aber diese einmaligen Ausgaben, die damals auf die Länder zukamen, kommen derzeit nicht mehr in dem Ausmaß auf die Länder zu.
Zum zweiten, meine Damen und Herren, zur Kriegsfolgenhilfe, wie sie nach der Zeit von 1953/54 pauschaliert wurde! Das ungeheure Aufkommen für die damals noch zum großen Teil nicht in Arbeit stehenden Flüchtlinge, für den Lebensunterhalt in den Lagern sowie die Fürsorgekosten und vieles andere werden heute bei der weitgehend anderen Wirtschaftslage von den Flüchtlingen selbst getragen. Auch dazu nur zwei ganz konkrete Zahlen! Der Sozialsenator von Berlin berichtet schriftlich — im Gesamtdeutschen Ausschuß haben wir die Unterlagen bekommen —, daß im Jahre 1953 die gesamten Fürsorgekosten für die Flüchtlinge in Berlin 108 Millionen DM und im Jahre 1957 nur 50 Millionen DM betragen haben. Aber alle Länder bekommen noch 80 oder 85 % der Ist-Abrechnung 1953/54. Der Bund hat früher aus diesen Mitteln erhebliche Gelder eingespart und sie jeweils für die Lagerräumung zur Verfügung gestellt.
Es bleibt also die Bitte, ja, der energische Mahnruf, diese Mittel zweckentsprechend einzusetzen. Nach § 21 Abs. 5 des Vierten Überleitungsgesetzes dürfen diese Mittel nur für Kriegsfolgenhilfeempfänger eingesetzt werden. Ich darf mir auch den Hinweis erlauben, daß nach Abs. 7 des genannten Paragraphen bei erheblicher Minderung oder Steigerung der Aufwendungen die Pauschbeträge durch Rechtsverordnung dieser Änderung anzupassen sind. Wenn die Ersparnisse also nicht für den Wohnungsbau der Kriegsfolgenhilfeempfänger eingesetzt würden, wäre zu erwägen, ob die Bundesregierung die Frage der Rechtsverordnung nicht einmal bei den Auseinandersetzungen über den Finanzausgleich in die Debatte bringen sollte.



Dr. Czaja
Meine Damen und Herren, wenn man dies zusammennimmt, kommt man bei der in einem Sonderbauprogramm tatsächlich erstellten Mietwohnung für diese Personengruppe auf 16 000 DM und mehr, wenn alle verfügbaren Summen — und daran sollten wir alle gemeinsam Interesse haben — tatsächlich beim Bauträger endgültig landen.
Das letzte, die Tauschmöglichkeit, haben Sie so Leichtweg abgetan. Herr Kollege Will hat das schon zu Recht gerügt. Stellen Sie sich vor, wenn jetzt der ortsansässigen, seit langem wohnungssuchenden Bevölkerung zum Eigenheimbau oder für andere Wohnungen, z. B. alten Genossenschafts-Mitgliedern, deren Familie sich durch Heiraten usw. vergrößert hat, solche Summen im Neubaubestand zur Verfügung gestellt werden, werden diese Familien größere Wohnungen bekommen und Zuwanderer in die kleineren des Neubaubestandes eingefügt werden. Wenn Sie dem zustimmen, geben Sie gleichzeitig zu, daß hier eine ganz große Möglichkeit vorhanden ist und daß die Anstrengung aller Wohnungsunternehmen darauf gerichtet sein sollte, familienheimbauwilligen alten Genossen auf diesem Wege zu einem Eigenheim oder zu einer größeren Wohnung zu verhelfen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Kollege Dr. Brecht, wenn Sie mit mir so einverstanden sind, mache ich gleich einen praktischen Vorschlag. Sie haben eine Zeitschrift „Gut wohnen". Diese schicken Sie — ich weiß nicht, ob im Zwangsabonnement — in die Haushalte, bzw. die Unternehmen verschicken sie. Wie wäre es, wenn Sie für diese Konzeption — Sie haben ja' oft das Familienheimgesetz kritisiert — nun mit Beispielen in dieser Zeitschrift Propaganda machten unter Anführung der Finanzierungsmöglichkeiten? Wie wäre es, wenn Sie unter allen Ihren Mietern Propaganda machten und damit die Vorstellung ausräumten, die hier fälschlicherweise aufgeklungen ist, es bestehe ein unüberwindlicher Gegensatz zwischen der ortsansässigen, lange Zeit wohnungsuchenden Bevölkerung und den Zuwanderern? Die Tauschmöglichkeit überwindet diesen Gegensatz. Niemand ist damit Unrecht getan, auch nicht dem Zuwanderer. Denn die Zuwanderer — das habe ich Ihnen ja bewiesen — kommen in den Ländern, wo mit Tauschwohnungen und Eigenheimen gearbeitet wird, schneller zu einer Wohnung. Die Mittel fließen dort schneller. Die Kontrolle ist notwendig. Es steht in unserem Antrag drin, daß die entsprechende Zahl von Menschen untergebracht wird. Es ist kein Übel, wenn sie nun einmal als Einlieger bei einem Ortsansässigen wohnen. Ob der Zuwanderer die Miete der juristischen Person, dem Wohnungsunternehmen, oder dem persönlichen Eigenheimer zahlt, der mit Sparkapital die Summe, die für den Zuwanderer notwendig war, vielleicht herabgesetzt hat und dadurch noch Geld für reine Sonderwohnungsbauprogramme zugunsten der Zuwanderer erspart hat, das ist für ihn gleich. Aber volkswirtschaftlich ist es sinnvoller, diesen Weg zu gehen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Wenn man die Dinge so sieht, muß man — unter dieser Verpflichtung stehen wir hier als Bundestagsabgeordnete — vom Bundeshaushalt das fordern, was menschlich notwendig und was auf Grund der Gesetze und des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern erforderlich ist. Aber keinen Pfennig mehr als das, was menschlich notwendig ist! Unter dieser Sorgfaltspflicht stehen wir. Wenn wir, die Opposition und die Koalition, sie beachten, müssen wir sagen, daß das, was bisher vom Bund geschehen ist, ausreichend war und daß man aufhören sollte, auf dem Rücken der Lagerinsassen einen Kleinkrieg um den Finanzausgleich zu führen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Deshalb erscheint mir ihr Antrag, Herr Kollege Dr. Brecht, hinsichtlich der Durchfinanzierung weitgehend überzogen. Herr Kollege Dr. Brecht, Sie fordern zwei Drittel vom Bund und unter Ziffer 5 noch Durchfinanzierung durch die Länder und dabei Kapitalmarktmittel nur, soweit erhältlich. Also diese rücken ganz in den Hintergrund.

(Zuruf des Abg. Dr. Brecht.)

— Bitte, ich habe den gedruckten Antrag da. Hier steht „. . . unter Heranziehung von Darlehen des Kapitalmarktes und, soweit erhältlich, von Aufbaudarlehen . . .".

(Abg. Dr. Brecht: Aufbaudarlehen!)

— So, also gut. Herr Dr. Brecht, Ihnen sind ja die Grundsätze der Baufinanzierung geläufig. Sie wissen, daß man bei einem normalen Beleihungsraum für die I. Hypothek nach einer Faustregel 30 bis 33 % der Baukosten ansetzt. Das ist nicht die theoretisch errechnete Beleihungsgrenze, es ist aber die Faustregel. Sie werden dann mit der Miete kommen; ich weiß. Ich komme darauf noch im Zusammenhang mit den Aufwendungszuschüssen zu sprechen.
Aber, meine Damen und Herren, Herr Dr. Brecht will nun folgendes: 662/3% gibt der Bund, 331/3% entweder aus dem Kapitalmarkt oder garantierte Aufstockung durch die Länder. Ich frage mich — und diese Frage möchte ich gern von Herrn Dr. Brecht beantwortet wissen —: Wer soll denn Eigentümer der so erstellten Wohnungen sein?

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

An und für sich müßte das Wohnungsunternehmen, das praktisch eine garantierte Vollfinanzierung von der öffentlichen Hand bekommt, nur einen Verwaltungskostenbeitrag erhalten dürfen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Denn ich kann mir doch nicht denken, daß hier mit völlig fremden Mitteln ein gewaltiges Eigentum geschaffen werden soll,

(Beifall bei der CDU/CSU)

das in 60, 70 Jahren, wenn auch mit erheblichen Abschreibungen und Wertverlusten, immerhin schuldenfrei ist. Herr Dr. Brecht, ich glaube, so geht es wirklich nicht. Gehen Sie unseren Weg der Tauschwohnungen!
Sie haben gemeint, wir hätten in unserer Anfrage retrospektiv gehandelt, wir hätten nicht nach vor-



Dr. Czaja
wärts geblickt. Herr Dr. Brecht, das, wobei wir nach vorwärts geblickt haben, haben Sie ganz schnell und kurz abzutun versucht: die Entballung, die Eigenheimbildung. Sehen Sie unsere Fragen an, z. B. unsere Frage zur Baulandbeschaffung und ähnliches. Lesen Sie die Antwort des Herrn Wohnungsbauministers durch. Dann werden Sie sehen, was für alle Bauträger aus dieser Antwort herausgeholt werden kann und wie sehr das zukunftweisend ist.
Wir haben versucht, die Gegensätze zwischen einheimischen Wohnungsuchenden und Zuwanderern zu überbrücken, indem wir die Frage stellten: Was geschieht mit diesen angestauten 500 Millionen DM und mit den 13/4 Milliarden DM, die hoffentlich im nächsten Haushalt noch mit Bindungsermächtigung für diese Kreise zur Verfügung stehen werden? 13/4 Milliarden, meine Damen und Herren! Deshalb die Frage nach der Wohnungsbaupolitik. Wir müssen die Menschen versorgen. Wir müssen aber auch sehen, was für Objekte — die dann 80, 100 Jahre stehen — dafür gebaut werden, in welcher Eigentumsform, wem zu Nutzen und wem zu eigen sie gebaut werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das war das Zukunftweisende unserer Anfrage. Ich habe einen praktischen Vorschlag für „Gut wohnen" gemacht. Hier bedarf es einer ganz klaren Mitarbeit der Wohnungsunternehmen. Hier geht es nicht an, lieber Herr Dr. Brecht und auch die Opposition in ihrer Gesamtheit, immer zu sagen: Ja, wir sind für das Eigentum, aber —!
Es ist bezeichnend, daß Sie einen Artikel aus „Christ und Welt" zitiert haben, in den die Redaktion einen, sagen wir, Vorsatz hineingeschrieben hat, in welchem es heißt: Das ist ein Diskussionsproblem. Es ist bezeichnend, daß Sie einen solchen Artikel zitiert haben, der diesen Weg geht. Der Einleitungssatz — herrlich, ja: Eigenheime!, aber dann kommt das Aber: erstens, zweitens, drittens, viertens, und so geht es dann den ganzen Artikel hindurch, und dann wird es heruntergemacht. Herr Dr. Brecht, was Sie sagen, genügt nicht: Wir sind auch für das Eigenheim. Aber als Sie zum Konkreten kamen, haben Sie gesagt: Die 13/4 Milliarden müssen hauptsächlich in Mietwohnungen verbaut werden. Sie haben es nicht auf die Zahl bezogen, aber Sie haben es auf die Zuwanderer bezogen; das Protokoll wird es ausweisen. Es wäre Zeit, daß die Opposition in den Fragen der Eigentumsbildung das wird, was der Kollege Carlo Schmid einmal geschrieben hat: daß unsere Opposition der zweite Beweger in der deutschen Bundespolitik sein sollte und nicht die Bremse am Wagen der deutschen Bundespolitik,

(Beifall bei der CDU/CSU)

auch in der Frage der Eigentumsbildung. Herr Professor, 1949, 29. September, habe ich mir herausgesucht!

(Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

In diesem Zusammenhang möchte ich mit Genugtuung und mit Freude einen Ausspruch des Abgeordneten Georg Leber von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zitieren, den er im Herbst 1957 auf dem Bauarbeiter-Gewerkschaftstag in Köln getan hat. Er sagte:
Es ist für uns eine längst feststehende Tatsache,
— hören Sie wohl: eine Tatsache! —
daß ein eigenes Häuschen den Menschen an sich freier macht. Er ist gesicherter, wirtschaftlich weniger abhängig

(Zurufe und Beifall bei der SPD)

— hören Sie es nur zu Ende! —

(fortgesetzte Zurufe links — Glocke des Präsidenten)

— das ist ganz wichtig! —
und tritt in der Verfechtung seiner Ziele in der Gemeinschaft und gegenüber dem Unternehmer als aufrechter Mensch und Mitstreiter auf.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)

Damit hat der Kollege Leber unsere Gedanken wiedergegeben, und er hat daran angeschlossen — —

(Lachen bei der SPD. — Zuruf des Abg. Dr. Schmid [Frankfurt].)

— Herr Kollege Professor Schmid, wenn Sie schon den vielen Wohnungsbaudebatten nicht beiwohnen können, so bitte ich Sie, sich einige Reden des Herrn Bundeswohnungsbauministers und der Herren unseres Teams aus der Zeit vor 1957 durchzulesen und dann darüber zu urteilen, wer diesen Gedanken früher vertreten hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir würden uns nur freuen, wenn zu dem Beifall auch die Tat käme.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Herr Kollege Dr. Brecht hat gesagt, die Wohnungsbauunternehmen könnten nicht usw. Hier habe ich eine interessante Statistik — sie stammt nicht von mir, sondern von einem Herrn Birk-meier —: Das Zweite Bundeswohnungsbaugesetz in geschichtlicher Schau. Herr Kollege Brecht, Sie haben gefragt: Wieviel wollt ihr? Sie haben gesagt, 47 % übertragene Eigenheime würden bei Ihnen gebaut. Herr Birkmeier stellt fest, daß in Bayern
— und das in Bayern; dann wundert es uns nicht, Herr Bundeswohnungsbauminister, daß gerade aus Bayern erhebliche Widerstände gegen das Zweite Wohnungsbaugesetz kommen — im Jahre 1956 nur 14 % der Gesamtleistung der gemeinnützigen Unternehmen Eigenheime waren. Die Statistik geben Sie heraus, geben Sie auch einmal die Statistik für die übertragenen Eigenheime heraus, und geben Sie die Statistik ferner heraus aufgegliedert nach Wohnungen der Eigentümer und Einliegerwohnungen darin! Sie wie ich wissen, daß das Verhältnis der Wohnungen im Eigenheim etwa 1,67 % beim öffentlich geförderten Wohnungsbau ist. Wir möchten eine breite Verwendung für die nächstliegende Form der Eigentumsbildung, für die Eigenheime. Ich muß



Dr. Czaja
mit Bedauern feststellen, daß das gewerkschaftliche Wohnungsbauleitbild für 1957 nicht mehr mit klaren Worten den Eigenheimbau als ein Ziel herausstellt, wohl noch das Programm für 1956. Ich lese mit Erschrecken in den „Gewerkschaftlichen Monatsheften" von Ende 1957 eine Abhandlung von Achim von Lösch über den Mythos vom Privateigentum. Ich muß daraus einen Satz zitieren, weil es um den Punkt geht, an dem sich die Geister scheiden.

(Zuruf von der SPD: Was hat das mit Wohnungsbau zu tun?)

Da sagt Achim von Lösch:
Das Privateigentum alten Stils hat nur noch einen Sinn in der Konsumsphäre und hat im Produktionssektor nur noch da Berechtigung und Inhalt, wo nach den ganz alten Formen des 19. Jahrhunderts produziert wird.
Aber er fügt hinzu:
Ungelöst ist auch gar nicht das Eigentumsproblem bei Staat und Gesellschaft, sondern das
Bürokratieproblem im Sinne von Max Weber.
Worum geht es? Sie meinen, dem Menschen die billigste Wohnung dadurch geben zu können, daß Sie ein Wohnungsbauunternehmen durch eine Summe von Fachleuten verwalten lassen. Wir sind der Auffassung, daß, nachdem die Wohnungsbauunternehmen — notwendiger- und dankenswerterweise — seit Jahren dem Mietwohnungsbau gedient haben und dienen mußten, jetzt die Zeit gekommen ist, daß dieser Apparat mit diesen starken Rücklagen an Kapital nicht mehr Eigentum für sich selbst, sondern im wachsenden Maße Eigentum für die Wohnungsuchenden baut.
Herr Kollege Brecht, Sie erwähnten das Problem der Bauboden- und Baufolgekosten. Das, was Sie sagten, gilt eben nur dann, wenn man — wie von einer Zwangsvorstellung gebannt — an den Mietwohnungsbau in den Großstädten in Sonderprogrammen denkt. Herr Kollege Dr. Brecht, Sie sind von dem, was Sie im Ausschuß gesagt haben, jetzt etwas abgerückt. Ihr Antrag zum Zweiten Wohnungsbaugesetz

(Abg. Dr. Brecht: Steht gar nicht zur Debatte!)

— aber er muß als Material dessen, was Sie wollen, herangezogen werden — ging dahin, den in der Praxis sehr bescheidenen Vorrang des Familienheims zugunsten der Ballung in den Großstädten zu beseitigen.
Hier gehen wir andere Wege. Wir gehen Wege der Zukunft, die auch der Deutsche Städtetag aufgegriffen hat, indem er sagt, daß man nicht auf die Gemeindegrenzen sehen dürfe, daß man dazu übergehen müsse, an den Rändern zu bauen und Trabantensiedlungen zu erstellen. Herr Dr. Brecht, Sie haben davon gesprochen, Ihre Vorschläge seien zukunftweisend; unsere seien es nicht. Sie sind aber mit keinem Wort auf konkrete Vorschläge zur Raumordnung eingegangen. Sie sind mit keinem Wort darauf eingegangen, ob Sie heute noch hinter
der Initiative eines Teiles Ihrer und unserer Fraktion in der Frage des Raumordnungsgesetzes stehen.

(Zuruf von der SPD: Das steht doch nicht zur Debatte! — Abg. Jaksch: Ein Mißbrauch des Themas für eine Agitationsrede! Schämen Sie sich! — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Meine Kollegen, Sie werden die Tatsachen, die ich hier vorgetragen habe, nicht durch Zwischenrufe aus der Welt schaffen können; denn diese Tatsachen sind hart.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie sagen, das gehöre nicht zum Thema. Wenn wir uns darüber unterhalten, daß wir in den nächsten Monaten 13/4 Milliarden DM Sondermittel verbauen wollen, dann müssen wir auch sagen, wo wir sie verbauen wollen.

(Abg. Schröter [Berlin] : Für die Sowjetzonenflüchtlinge, Herr Kollege!)

— Sie haben nicht zugehört, Herr Kollege Schröter. Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie gemerkt, daß ich vor allem für die Tauschwohnungen plädiert habe; Ihr Kollege sprach dagegen mehr von den Sonderbauprogrammen.
Mit den durch die Wohnungsbaumittel finanzierten Maßnahmen sind uns auch neuzeitliche städtebauliche Aufgaben gestellt. Diese können nur in der Zeit eines konjunkturellen Aufschwungs gelöst werden. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat
1 auch in bezug auf die Bereitstellung und Auszahlung der Mittel ganz nüchterne konkrete Wege dazu gewiesen. An uns ist es, diese Wege fruchtbar zu machen, und zwar so, daß nicht nur Mammutunternehmen, auch bei der Baulandbeschaffung, zum Zuge kommen. Man meint ja manchmal, Auflockerung und Gartenstädte könnten nur ein, zwei oder drei große Gesellschaften schaffen. Zum Beweis dafür, daß das gar wohl damit zusammenhängt, darf ich Sie auf die Worte eines Ihrer Kollegen, der Ministerrang hat, aufmerksam machen. Gerade im Zusammenhang mit dem Verbrauch der Wohnungsbaumittel und mit der Verplanung und Verwendung von Aufwendungszuschüssen hat er wörtlich gesagt: „Es muß dort gebaut werden, wo ein dringender Wohnbaubedarf vorhanden ist; das heißt aber nicht, daß in bereits überfüllten Städten weitergebaut werden darf." So der Herr Innenminister von Baden-Württemberg, Renner.

(Zurufe von der SPD.)

— Ja, aber dann können Sie nicht mit den 4000 DM Folgekosten kommen, die in den Gesamtkosten enthalten sind.
Ich spüre, daß Ihnen diese Ausführungen in wachsendem Umfang so unangenehm scheinen,

(Beifall in der Mitte — Lachen und Zurufe von der SPD)

daß Sie sie nicht gern länger anhören wollen. Ich
möchte deshalb zum Schluß noch sagen: Die Große
Anfrage sollte nicht anklagen, sondern zu offener



Dr. Czaja
Aussprache, zu offener Aussprache über die Situation der Not Gelegenheit geben.

(Anhaltende Zurufe und Unruhe bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301304900
Meine Damen und Herren, ich darf doch bitten, den Herrn Redner zu Ende anzuhören. Es würde der Debatte förderlich sein.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0301305000
Sie werden das nicht aus der Welt schaffen können.

(Lachen und Zuruf von der SPD.)

Der Bundesminister hat eine Reihe solcher in die Zukunft weisender Wege aufgezeigt. Es bleibt der Appell an alle, die Mittel verplanen, sie umgehend einzusetzen, die angestauten und die kommenden, denn die Baukapazität schafft es. Die Verwaltung muß das Äußerste leisten, und es wäre manchmal gut, wenn man den einen oder anderen in der Verwaltung damit Befaßten zwei, drei Tage in den Massenlagern das Elend miterleben ließe. Ich glaube, tausendmal recht hat der Verfasser des Artikels „Friedland" in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", der die menschliche Not in den Vordergrund stellt. Der Bundeskanzler hat in seiner Weihnachtsansprache darauf hingewiesen,

(Zurufe von der SPD)

daß man bei dem äußeren Glanz, der von vielen falsch ausgewertet wird, nicht die Not von Hunderttausenden in den Lagern vergessen sollte. Der Name Friedland erinnert auch daran, daß „selbst die schönsten Regelungen und Maßnahmen nie davon entbinden, füreinander und für die Notumstände da zu sein". So die „Frankfurter Allgemeine". Daß wir damit den Menschen dienen müssen daß wir ihnen eine Heimat, die Heimatfähigkeit erhalten müssen, damit sie gesunde Glieder im Wiederaufbau ihrer angestammten Heimat, aber auch im Wiederaufbau eines geeinigten Europas werden, dazu gehört auch die Wohnungsfrage.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301305100
Das Wort als Vertreter des Bundesrats hat der Staatsminister für Arbeit und Soziales im Lande Nordrhein-Westfalen, Herr Hemsath.
Hemsath, Minister für Arbeit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verstehen Sie bitte, daß ich als Vorsitzer des Flüchtlingsausschusses des Bundesrats, aber zugleich, ohne die Dinge miteinander vermengen zu wollen, als Vertreter der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen ein paar knappe Ausführungen zu den aufgeworfenen Frage mache. Ich darf das Wort unseres Ministerpräsidenten voranstellen, der mich gestern abend gebeten hat, hier ausdrücklich zu erklären, daß die Landesregierung von Nordrhein-
Westfalen die Behandlung dieses sehr komplexen und tief gegliederten Problems im Deutschen Bundestag von ganzem Herzen begrüßt und die Tatsache der Behandlung mit der Hoffnung verknüpft, daß die weite Öffentlichkeit auf die Größe und Schwere dieser ungelösten Frage mit Nachdruck aufmerksam gemacht wird, sowie daß die heutige Bundestagssitzung diese Hoffnung erfüllt — und das scheint auch so — und die Aussprache hier, im höchsten Organ des Bundes, zu einer Versachlichung und Objektivierung von Tatsachen weiterführt, die an sich umstritten sind, mindestens aber i umstritten sein können. Das ist der aufrichtige Wunsch der Landesregierung.
Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie alle sind mit mir der Meinung, daß durch bloße Polemik nicht eine Wohnung zusätzlich gebaut wird,

(Beifall bei der SPD und FDP)

daß durch bloße Polemik nicht eine Familie aus der sowjetischen Besatzungszone oder eine Familie aus den Rücksiedlungsgebieten untergebracht wird.
Es ist vorhin nach unserer Überzeugung mit einer Überbetonung nicht eines Versagens der Länder, aber immerhin eines nicht entsprechenden, mindestens eines leider unwirksamen Verhaltens der Länder auf Dinge aufmerksam gemacht worden, die sich aus der Sicht unseres Landes anders an- sehen. Bitte, haben Sie Verständnis dafür, daß ich auch das einmal ganz freimütig aus der Mitte der Arbeit — denn schließlich ist im Lande Nordrhein-Westfalen der Minister für Arbeit und Soziales auch der Vertriebenenminister dieses Landes —, aus der Sicht des Landes darstelle in der festen Überzeugung, jedenfalls in der Hoffnung, daß die unvermeidbar sich anschließenden Beratungen in den Ausschüssen des Bundestages und die hoffentlich dann einsetzenden Besprechungen zwischen den Ausschüssen des Bundestages und des Bundesrates dadurch eine Befruchtung erfahren.
Über die Größe des Problems sind Zahlen über Zahlen genannt worden. Dennoch ist der starke Trend nach oben, ist die unerhörte Steigerung der Zahlen, die im Gegensatz etwa zu dem Jahr 1955 ab 1956, 1957 auf uns zugekommen sind und nach menschlichem Ermessen auch 1958 auf uns zukommen werden, die eigentliche Ursache der außerordentlichen Zuspitzung der Dinge, die wir alle beklagen, quer durch alle Fraktionen, quer auch in der vertikalen Richtung von der Bundesregierung zu den Länderregierungen. Ich habe in den letzten zwei Jahren keine Sitzung des Flüchtlingsausschusses des Bunresrates geleitet, in der wir nicht — und Herr Oberländer, der an vielen dieser Sitzungen teilgenommen hat, wird das bestätigen müssen — völlig einmütig der Meinung gewesen wären, daß eine schnellere Lösung dieser Fragen notwendig und dringlich ist. Aber eines steht auch fest: daß in diesen Diskussionen die Auffassung der Länder mindestens nicht widerlegt worden ist — nach meiner Überzeugung, weil sie nicht widerlegt werden konnte —, daß das, was der Abgeordnete Brecht heute, mit meinem Maßstab gemessen — nehmen Sie es, wie



Hemsath
Sie wollen —, in souveräner Weise formuliert hat, nämlich daß die Leistungen des Bundes zum Teil zu spät gekommen sind.

(Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Dr. Czaja: Warum gehen Sie nicht auf meine Ausführungen ein?)

— Sie haben zuletzt gesprochen, und ich bitte Sie, es mir nicht zu verübeln, wenn ich auf Sie zuletzt eingehe.

(Erneute anhaltende Zurufe von der CDU/ CSU. —Unruhe. —Glocke des Präsidenten.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301305200
Meine Damen und Herren, der Vertreter des Bundesrates spricht nicht als Diskussionsredner im Bundestag, sondern er vertritt nur die Interessen seines Landes oder des Bundesrates selbst.
Hemsath, Minister für Arbeit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen: Ich rufe Herrn Minister Oberländer zum Zeugen dafür an, daß wir vor der Verabschiedung sowohl des Haushaltsplans 1956 wie des Haushaltsplans 1957 in Besprechungen hier in Bonn die unseres Erachtens entscheidende Frage einer weiteren Aufstockung der Mittel im Kreise der Vertreter der Bundesregierung und der Ländervertreter erörtert haben. Herr Minister Oberländer, Sie haben uns zu beiden Haushaltsplänen erklärt, daß es angesichts der Finanzsituation des Bundes nicht möglich sei, über den festgelegten Betrag von damals — ich meine jetzt die Diskussion im Frühjahr 1957 — 8000 DM hinauszugehen, daß es Ihnen jedenfalls in Verbindung mit Ihrem Kollegen Preusker nicht gelungen sei, den ablehnenden Widerstand von Schäffer zu überwinden. Wenn irgend etwas feststeht, dann dies. Sie haben damals den Ländervertretern gesagt: Es hat keinen Zweck, die Stoßrichtung auf eine wesentliche Erhöhung der notwendigen Mittel zu lenken, weil wir einfach nicht durchkommen; der Finanzminister ist stärker als wir. — Das war Ihre wörtliche Erklärung, Herr Bundesvertriebenenminister.
Dann kam allerdings — das erkennen wir dankbar an — die Kanzlerregelung. Aber diese war zunächst nur im Kanzlerwort begründet und nicht in für die Entscheidung der Länder genau formulierten inhaltlichen Erklärungen. Sie erinnern sich genau, daß der Kanzler im groben — und das war eine große Hoffnung für die Länder — erklärt hat, der Bund sei bereit, vorläufig 50 % der Mittel für diesen Wohnungsbau bereitzustellen. Daran knüpften sich Verhandlungen über Art und Umfang dieses 50%igen Anteils des Bundes. Das war doch so selbstverständlich, wie nur etwas sein konnte. Wir vom Land Nordrhein-Westfalen haben jedenfalls keine Woche gewartet, um Dispositionen auf der Grundlage dieses Kanzlerwortes zu treffen. Wenn das förmliche Abkommen erst im Dezember 1957 sozusagen beiderseitig unterzeichnet wurde, dann ändert das nichts an der sofortigen Ingangsetzung aller möglichen Dispositionen auf der Ebene unseres Landes, Herr Dr. Czaja; das steht fest, das können wir im Protokoll nachweisen. Es ändert aller-
dings auch nichts an der Tatsache, daß das Angebot des Kanzlers im Hinblick auf ein ganzes Baujahr im August objektiv zu spät kam, um eine entscheidende Wende im Baujahr 1957 zum Guten und zugunsten des Wohnungsbaues für Flüchtlinge aus der sowjetisch besetzten Zone herbeizuführen. Das ist unsere Meinung, und das ist auch, soweit ich eine Übersicht habe, die Auffassung der meisten Ländervertreter. Jedenfalls ist im Flüchtlingsausschuß des Bundesrats bisher keine andere Auffassung vertreten worden. Selbstverständlich steht fest, je geringer die Finanzkraft der Länder ist, um so schwerer ist es für sie, die Restfinanzierung für diesen Wohnungsbau zu garantieren. Außerdem steht fest, Herr Czaja, daß die Inangriffnahme eines Bauvorhabens — ob klein oder groß — nach den Gesetzen einer geordneten Verwaltung und eines seriösen Bauunternehmens vor einer völlig klaren Gesamtfinanzierung kaum zu vertreten ist.

(Zustimmung bei der SPD.)

Das ist gleichfalls eine sehr hausbackene Weisheit; sie muß meines Erachtens aber unterstrichen werden, damit sich nicht die gesamte Debatte in allzu großen und weiten Gedanken auflöst.
Nun darf ich auf eine für uns entscheidende Frage zurückkommen, die in der Öffentlichkeit, auch in Ministerreden, eine viel stärkere Unterstreichung gefunden hat als hier, nämlich auf die Frage, ob es z. B. in unserem Land möglich ist, nur mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaues den Abzug der Flüchtlinge aus den großen Durchgangslagern des Bundes und den Abzug der Spätaussiedler aus dem Bundeslager Friedland kontinuierlich und termingerecht durchzuführen. Damit keine Meinungsverschiedenheit der westdeutschen Öffentlichkeit über die Auffassung der Tatsachen im Lande Nordrhein-Westfalen und über die Auffassung der Landesregierung zu diesem sehr harten und kompromißlosen Problem entsteht, möchte ich diese Frage mit einem klaren Nein beantworten. Wir können in unserem Lande — und ich kenne kein Land in Westdeutschland, das es könnte — den sozialen Wohnungsbau nicht so aktivieren, daß eine kontinuierliche Überführung der Flüchtlinge und der Spätaussiedler mit relativ kurzem Lageraufenthalt in endgültigen Wohnraum möglich ist. Dabei ist es unerheblich, ob wir von der gesetzlichen Möglichkeit der Umsetzung der Einheimischen in den neuerbauten Wohnraum und der Einweisung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Spätaussiedler in alten Wohnraum Gebrauch machen, ein System, das in unserem Lande trotz größter Mühewaltung schlechter funktioniert als z. B. im Lande Baden-Württemberg. Allein diese Tatsache beweist, wie differenziert auch die Teilfragen des Gesamtproblems sind. Sie beweist nach meiner Ansicht überzeugend, daß es nicht richtig ist, hier starre Auffassungen zu vertreten. Man muß vielmehr in Anerkennung und im Angesichte einer geradezu uferlosen Not, die in den Lagern, in den Massenlagern, in denen ein menschenwürdiges Leben objektiv unmöglich ist, ihre höchste Spitze findet, alle Wege gehen, die zu einer schnelleren Leerung der Lager führen.

(Beifall bei der SPD.)




Hemsath
Dazu rechnen wir auch Zwischenlösungen, zumutbare Zwischenlösungen. Hierzu gestatten Sie ein ganz knappes Wort. Lager und Lager ist nicht dasselbe. Ich kann mir Lager denken — wir können Ihnen das im Lande Nordrhein-Westfalen demonstrieren —, die in alten Kasernen und überfüllten Kasernenräumen eine nicht zumutbare „Regelung", eine vorübergehende Regelung und Unterbringung darstellen. Wir können Ihnen auf der anderen Seite in unserem Lande Lager mit siedlungsähnlichem Charakter auf der Basis der Doppeltbelegung normalen, gutgebauten Wohnraums im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus zeigen, eine Basis, die nunmehr auch von Wohnungsbauminister Lücke mündlich akzeptiert worden ist.
Herr Bundesminister Lücke, wir haben die Frage im Oktober 1957 — und ich rufe wieder Herrn Oberländer zum Zeugen an — in der Flüchtlingsministerkonferenz, die in Berlin stattfand, angesprochen. Als ich sie in Berlin im Oktober 1957 anschnitt, da mußte der Staatssekretär des Bundeswohnungsbauministeriums erklären, daß er keine verbindliche Zusage geben könne, ob der Bund eine Finanzierung solcher Wohnbauten aus Bundesmitteln gestatten werde, weil mindestens bei der ersten Überprüfung des § 78 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ein Widerspruch zum Sinn des Gesetzes und dieses Paragraphen offensichtlich sei; denn das sei keine entsprechende Belegung im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Herr Minister Lücke, dann haben wir, um sicher zu gehen, Anfang Dezember ein — das glaube ich jedenfalls — klar formuliertes Schreiben an Ihr Ministerium gerichtet und um Auskunft gebeten, ob solcher Wohnungsbau ohne Risiko von der Ebene des Landes auch mit Bundesmitteln finanziert werden dürfe. Sie haben uns vorhin den mündlichen Bescheid gegeben. Wir haben aber bis auf den heutigen Tag — die Anfrage der Landesregierung Nordrhein-Westfalen ist Anfang Dezember erfolgt — keine Antwort bekommen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Nun, wir haben trotzdem in einem Erlaß auf unser eigenes Risiko hin das getan, was wir für notwendig gehalten haben. Wir werden jetzt natürlich erst recht und mit leichterem Gepäck, Herr Kollege, die getroffenen Dispositionen in verschärfter Gangart durchzuführen versuchen, wobei alle anderen Schwierigkeiten, von der Baulandbeschaffung angefangen, zum Teil noch ungelöste Probleme sind.
Ich möchte mit Nachdruck betonen, daß wir im Land Nordrhein-Westfalen auch gezwungen sein werden, andere Unterkünfte zu bauen, wenn der Druck, vor allem der Druck der Spätaussiedler, weiterhin anhalten wird. Wer das bedauert, wer das als eine Vergeudung öffentlicher Gelder bezeichnet, der soll der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen sagen, wohin wir mit den Spätaussiedlern, die — Herr Oberländer hat es eben gesagt — höchstens zwei bis drei Tage in Friedland bleiben können, gehen sollen, wenn uns nicht eine Zwischenlösung gestattet ist.
Es ist selbstverständlich, daß wir das auf Grund der Rechtslage aus Mitteln des Landes tun und bei
der Finanzkraft unseres Landes Gott sei Dank tun können; allerdings unter Verlagerung anderer Probleme und unter Festsetzung einer anderen Rangfolge. Wir haben — ich sage das, weil der letzte Diskussionsredner, Herr Dr. Czaja, gerade die Frage aufgeworfen hat — auch von unserem Lande — und das soll einmal als Beispiel für die Größe der gemeinsamen Aufgabe, aber auch für Art und Umfang der durchgeführten Bemühungen gelten — auch und gerade in den letzten Jahren erhebliche Landesmittel bereitgestellt. Ich darf Ihnen zum Beispiel sagen, daß wir für die Restfinanzierung des sozialen Wohnungsbaues für die Sowjetzonenflüchtlinge allein in den beiden Haushaltsjahren 1956 und 1957 rund 324 Millionen DM netto und im Vorgriff auf erwartete Leistungen des Bundes noch rund 200 Millionen DM, also im ganzen rund 524 Millionen DM zur Restfinanzierung des Wohnungsbaues für Sowjetzonenflüchtlinge bereitgestellt und zum großen Teil rechtsverbindlich plaziert haben.
Dazu aber kommen noch die unerhörten Lasten für die Gemeinden und die Länder, die sich aus der Existenz dieses Problems überhaupt ergeben. Denn mit dem Bau von Unterkünften und Wohnungen ist die Finanzlast der Länder und der Gemeinden keineswegs auch nur angedeutet. Die anderen Dinge kosten ebenfalls eine ganz erhebliche Summe. Vielleicht dient es der Versachlichung dieser Diskussion, wenn ich darauf aufmerksam mache, daß wir in drei Haushaltsjahren, nämlich 1956, 1957 und 1958, insgesamt 215 Millionen DM Landesmittel nur für die Betreuung der Flüchtlinge in Lagern und für Erweiterungsbauten ausgegeben haben oder in den nächsten Wochen und Monaten ausgeben.
Da Sie, Herr Czaja, eben mit einer leichten Hand, mit meinem Maßstab gemessen, auf das Finanzproblem der Pauschalierung der Kriegsfolgehilfe als einer eventuellen zukünftigen Finanzquelle des Bundes zur Bewältigung seiner Aufgaben auf diesem Gebiet hingewiesen haben — erstens habe ich genau hingehört, und zweitens kenne ich als Sozial-und Vertriebenenminister dieses Landes die rechtliche und die tatsächliche Seite dieser Fragen ebenso genau —, darf ich Ihnen sagen, daß die Länder an diesen Bundesüberweisungen ja nur mit einem ganz geringen Anteil beteiligt sind. Ich kann Ihnen die Zahlen für unser Land nennen. Von den ungefähr 135 Millionen DM, die so vom Bund an das Land Nordrhein-Westfalen überwiesen werden, behält das Land 22 Millionen DM pro Jahr — 250 Millionen DM haben wir in den letzten drei Jahren ausgegeben —: alle anderen Beträge gehen an die Bezirksfürsorgeverbände des Landes, die einen Rechtsanspruch auf diese Leistung haben. So sieht diese Teilfrage aus.
Ich komme zum Schluß. Noch einmal: Die Landesregierung ist für diese Debatte dankbar. Wir hoffen mit allen anderen Ländern, daß sich aus dieser Debatte eine wirksamere Form der Zusammenarbeit zur schnelleren Lösung dieser bedeutsamen Frage ergeben wird — bedeutsam nicht nur vom menschlichen und sozialen, sondern auch und vor allem vom nationalen Standpunkt aus.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP.)





Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301305300
Meine Damen und Herren! Wir sind noch bei Punkt 1 der Tagesordnung. Ich habe auf meiner Liste noch sechs Redner zu Punkt 1. Auch der Herr Vertriebenenminister will noch sprechen. Ich teile das nur mit, damit sich die Damen und Herren, die nachher das Wort ergreifen werden, auf die besondere Lage einrichten können.
Das Wort hat Herr Minister Oberländer.

Dr. Theodor Oberländer (CDU):
Rede ID: ID0301305400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte an sich nicht vor, noch einmal zu diesem Thema zu sprechen. Aber ich muß hier doch sagen, nachdem ich so oft zitiert worden bin, daß ich nicht bestreite, Herr Kollege Hemsath, daß wir in allen Dingen recht gut zusammengearbeitet haben. Aber Sie sehen gewisse Dinge doch etwas aus der Sicht Ihres Landes, und wenn Sie sagen, die Länder konnten nicht widerlegt werden, so muß ich sagen: ich auch nicht.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Sie meinten, ich hätte gesagt, der Finanzminister gebe nicht mehr. Darf ich Ihnen sagen: der Haushalt hat bei 8000 DM nicht mehr erlaubt, und ich bin so offen, heute zu sagen, daß wir über die 50% auch nicht hinausgehen können und daß es — glauben Sie es mir — schwer genug gewesen ist, diese Lösung mit 50 % zu bekommen. Als ich Ihrem Ministerpräsidenten den Brief des Bundeskanzlers zeigte, hat er sich sofort damit zufriedengegeben und gesagt: Gut, darauf fangen wir an! Ich komme darauf, weil ja damals der Rückstau in Berlin uns beide in dieser Frage eigentlich besonders zusammengeführt hat. Wir haben allerdings auch früher in dieser Frage gut zusammengearbeitet.
Eins ist doch sicher: auch Sie haben mit harten Worten das Zurückbleiben im Bauvolumen Ihres Landes kritisiert, und Sie haben es kritisiert, als ich im Oktober des vergangenen Jahres feststellte, daß aus der Förderungsaktion des Bundes vom 5. März 1956 mit einem Plansoll von 13 250 Wohnungseinheiten nach Ablauf von anderthalb Jahren nur 1279 Wohnungseinheiten, das sind 10 %, fertig waren. Und aus der Förderungsaktion vom 4. Oktober 1956 oder vom 27. Februar 1957 mit einem Plansoll von rund 20 000 Wohnungseinheiten sind im laufenden Baujahr damals im Oktober nur sieben Wohnungseinheiten fertiggestellt gewesen, und 86 °/o waren noch nicht bewilligt.
Ich will nur das betonen, was vorhin gesagt wurde, daß die Dinge langsam gingen. Der Rückstau in Berlin hat uns dann gezwungen zu handeln. Ich erkenne das, was Sie jetzt machen, Herr Kollege Hemsath, voll an und bin überzeugt, daß Sie mit dem Plan, den Sie seit Oktober/November des vergangenen Jahres haben, weiterkommen werden. Daß aber vorher ein Zurückbleiben zu verzeichnen war, das Sie selbst kritisiert haben, möchte ich immerhin feststellen. Ich kann auf die Gründe hier nicht eingehen. Sie wissen aus dem, was ich vorhin gesagt habe, daß ich überhaupt kein
einzelnes Land belastet habe. Ich bin bei zehn, jetzt nach Hinzutreten des Saarlandes bei elf Ministerpräsidenten herumgefahren und habe auf die Not aufmerksam gemacht. Was im Frühjahr des vergangenen Jahres mein Kollege Preusker und ich im Königshof gesagt haben, hat sich dann etwas später auch bewahrheitet. Das möchte ich hier nur sagen. Ich glaube, Sie sind selbst der Auffassung, daß wir mit Vorwürfen nicht weiterkommen. Ich bestätige Ihnen wie gesagt alles, was Sie ausgeführt haben. Aber ich muß hier sagen, daß ich damals in Ihr Land gefahren bin aus der ernsten Sorge heraus, daß wir mit dem Flüchtlingsstrom in Berlin nicht fertig werden, und wegen eines gewissen Zurückbleibens, das Sie mir selbst bestätigt haben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301305500
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0301305600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf dem Vertreter des Bundesrates — in dieser Eigenschaft hat Herr Minister Hemsath ja hier gesprochen — zur Richtigstellung folgendes sagen. Meine Vorstellungen vom Schlichtwohnungsbau und Barackenwohnungsbau, die ich hier dargelegt habe, gehen dahin, daß die im Zweiten Wohnungsbaugesetz festgelegten Mindestbedingungen nicht unterschritten werden dürfen.

(Minister Hemsath: Jawohl! — Zuruf von der Mitte: Das ist sehr wichtig!)

Ich habe es so verstanden, daß da Bauten erstellt worden sind, die barackenähnlichen Charakter haben. Wenn es sich um Zwischen- und Übergangslösungen handelt, von denen Sie sprachen, finden Sie auch darüber den klarstellenden Text. Das Hohe Haus war in diesem Punkte einstimmig der Meinung — ich bekam starken Beifall —, daß wir keine Provisorien — ich nannte Baracken und Schlichtwohnungsbau — schaffen wollen, und ich habe dann die Mindestausstattung genannt, die das Zweite Wohnungsbaugesetz als Maßstab dafür fordert. Ich darf also bitten, das zur Klarstellung zur Kenntnis zu nehmen.
Dann soll ein Schreiben des Landes Nordrhein-Westfalen an den Bundesminister für Wohnungsbau nicht beantwortet worden sein. Soweit ich feststellen konnte, ist das Schreiben mit Herrn Ministerialrat Peters, der bei Ihnen sitzt, telephonisch behandelt worden. Also Ihre Herren wußten, wie die Meinung war. Ich selbst werde dem Fall nachgehen, und Sie bekommen dann die Antwort.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301305700
Das Wort hat Herr Dr. Kaßmann, Minister für Wiederaufbau des Landes Nordrhein-Westfalen.
Dr. Kaßmann, Minister für Wiederaufbau des Landes Nordrhein-Westfalen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem Umfang und der Gründlichkeit, mit der diese Debatte geführt worden ist, hatte ich nicht geglaubt, mich hier



Dr. Kalimann
noch einschalten zu sollen, zumal da ich dankbar anerkenne, daß vieles von dem, was ich zu sagen hätte, bereits erörtert worden ist. Aber die Zwischenbemerkung meines verehrten Herrn Kollegen Lücke bedarf dringend einer Richtigstellung. Wenn das Mode wird, was damit angesprochen worden ist, dann funktioniert weder der große noch der kleine Dienstweg mehr. Das muß hier offen ausgesprochen werden.

(Beifall bei der SPD.)

Das ist eine Art der Behandlung von wesentlichen Vorgängen, der ich vor dem gesamten Forum dieses Hohen Hauses ganz ernsthaft widersprechen muß.

(Abg. Dr. Hellwig: Was ist das für ein Ton?!)

Ich will das begründen, was ich gerade gesagt habe. Die Sache ist so: es ist hier behauptet worden, daß zwar — das wurde zugegeben — ein sehr ernsthafter Brief über die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaues, speziell des Flüchtlingswohnungsbaues, vor Monaten vom Lande Nordrhein-Westfalen

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Das haben wir gehört!)

— gestatten Sie mir doch die Wiederholung, wenn ich gefragt werde, warum ich hier so lebhaft werde! — an meinen verehrten Kollegen Herrn Lücke gerichtet worden ist. Wesentlich ist aber, daß wir bis heute darauf keine offizielle Antwort haben. Nun habe ich die ganze Zeit hier eine Reihe von Argumenten gehört, warum sich die Verzögerung im SBZ-Flüchtlingswohnungsbau so gravierend auswirkt. Hier liegt ein solcher Fall vor, den ich Ihnen deshalb, weil er dem Lande Nordrhein-Westfalen trotz aller Beteuerungen, daß es nicht um Anklagen gegen die Länder gehe, ganz klar zugespielt wurde, mit Roß und Reiter nennen kann.
Wir haben — und das wird Herr Bundesvertriebenenminister Oberländer ja anerkennen — nicht nur auf Grund seines Besuchs, sondern zusammen mit ihm ein Finanzierungsprogramm übernommen, das an sich weit über die Kraft des Landes geht, einzig und allein aus der Sorge heraus, daß wir die Flüchtlinge aus den Baracken herausbringen wollen. Wir haben deshalb gebeten, weil auch wir Baracken vermeiden wollen, daß der Herr Bundeswohnungsbauminister uns gestattet, die Wohnungen in normaler Weise zu bauen, d. h. Drei- und Vierspänner, und sie dann doppelt zu belegen. Wir haben diesen Brief nicht etwa deswegen an ihn gerichtet, weil wir den Briefwechsel vermehren wollten, sondern deswegen, weil wir im Lande natürlich die Rückendeckung für die Finanzierung haben müssen; denn wir bekommen ja einen Teil der Mittel vom Bund zurück, und zwar den großen Teil dieser Mittel. Infolgedessen hatten wir den durchaus berechtigten Wunsch, das schriftlich zu bekommen, zumal da, wie vorhin festgestellt worden ist, sogar zwischen Kanzlerworten und schriftlicher Bestätigung vier Monate liegen können, was sich übrigens sehr schlimm auswirkt, wenn diese vier Monate gerade die letzte Bauzeit des Jahres. noch wegnehmen; dann ist man mitten im Winter, ehe man es schriftlich hat. Das muß doch zugegeben werden.
Nun haben wir am 12. oder 13. Dezember die Anfrage an den Bund gerichtet. Wir haben dabei geschrieben, weshalb wir diesen Weg für unbedingt nötig halten. Die Doppelbelegung ist — wie gesagt — nach unserer Auffassung um so notwendiger, als wir Baracken vermeiden wollen. Auf diesen Brief haben wir bis heute keine Antwort, obwohl wir, wie der Herr Bundeswohnungsbauminister in der Öffentlichkeit durchaus anerkannt hat, über 200 Millionen DM auf Grund dieses Vorgangs allein vorfinanzieren.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das müssen Sie doch wissen, und das ist etwas, was alle Parteien im Bundestag wie in allen Landtagen angeht. Wir müssen doch, wenn wir unsere Länderhaushalte in Ordnung halten wollen, bei der Vorfinanzierung von mehreren 100 Millionen schließlich die Bestätigung des amtierenden Bundeswohnungsbauministers bekommen, daß wir so recht handeln.

(Zustimmung bei der SPD.)

Das müssen wir um so mehr, als unsere Begründung, wie wir auf dem vorhin von mir zitierten „kleinen Dienstwege" — die Redensart wurde mir beanstandet — gehört haben, vom Bundeswohnungsbauminister nicht anerkannt werden kann. Wir verstießen, so hieß es, mit der Regelung der Doppelbelegung einmal gegen den § 76 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes und gegen gewisse mieterschutzrechtliche Bestimmungen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301305800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Dr. Kaßmann, Minister für Wiederaufbau des Landes Nordrhein-Westfalen: Bitte sehr!

Prof. Dr. Fritz Hellwig (CDU):
Rede ID: ID0301305900
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß Fragen, die den Geschäftsverkehr zwischen einer Bundesbehörde und den Landesministerien angehen, zweckmäßiger an einer anderen Stelle erörtert werden als von dieser Tribüne aus?

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Schröter [Berlin] : Herr Lücke hat doch angefangen! — Weitere Zurufe von der SPD: Wir haben doch ein Recht darauf, daß das besprochen wird! — Die Länderregierungen müssen doch alle gleichgeschaltet werden!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301306000
Ich darf feststellen, daß die Mitglieder des Bundesrats nach dem Grundgesetz jederzeit das Recht haben, das Wort zu ergreifen. Sie können selbst bestimmen, wozu sie sprechen, wenn sie im Rahmen des Tagesordnungspunktes bleiben. Und das ist geschehen. —Ich bitte fortzufahren.
Dr. Kaßmann Minister für Wiederaufbau des Landes Nordrhein-Westfalen: Meine Damen und Herren, ich bitte es mir also nicht zu verübeln, wenn ich als Minister eines Landes mit immerhin großen Sorgen auf diesem Gebiet zu Fragen Stel-



Dr. Kaßmann
lung nehme, die uns im Lande zusammen mit den Angehörigen aller Gruppen die größten Schwierigkeiten bereiten.
Nun zu der gerade an mich gerichteten Frage, ob ich es nicht für richtig hielte, Fragen der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung an anderer Stelle zu diskutieren.

(Abg. Dr. Hellwig: Im Bundesrat!)

— Selbstverständlich! Sie können sich darauf verlassen, Herr Abgeordneter, daß wir in dieser Beziehung nichts vergessen und versäumen werden. Aber wir haben Ihren Terminkalender nicht in der Hand.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn Sie Ihre Sitzung so anberaumen — das ist Ihr „souveränes Recht"; der Ausdruck fiel noch in einem anderen Zusammenhang —, muß ich doch den schweren Schaden, der uns bei der Behandlung dieser Frage zugefügt wird, auch nennen dürfen, erst recht dann, wenn das an sich nur anläßlich einer jammervollen Frage der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung geschieht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Um es Ihnen jetzt wiederholt mit Datum zu sagen: wir haben die diesbezüglichen Briefe an den Herrn Bundeswohnungsbauminister mit der Bitte, uns zu gestatten, die Wohnungen doppelt zu belegen, am 12. oder 13. Dezember abgeschickt. Die Genehmigung haben wir bis heute nicht.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

Wir haben in Wiederholung auch am 19. Dezember die Bitte vorgebracht, uns die Doppelbelegung zu gestatten, cl. h. auch die Rückfinanzierung vorzunehmen, wenn wir vorfinanzieren. Wir haben trotz der Anmahnung die Antwort bis heute nicht erhalten. Ich habe sie immerhin nun vorhin aus den Worten des Herrn Bundeswohnungsbauministers Lücke entnommen.
Was sich abgespielt hat, ist folgendes. Der zitierte Ministerialrat — Namen lasse ich beiseite — ist von einem anderen Ministerialrat oder einem hohen Beamten des Bundeswohnungsbauministers auf dem kleinen Dienstwege angesprochen worden, der Bundeswohnungsbauminister habe Bedenken, diese Prozedur — nämlich unsere Vorfinanzierung — mit 200 Millionen DM und mehr zu genehmigen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Nun, wie soll denn ein Land bestehen, wenn es 200 Millionen DM vorfinanziert und der amtierende Bundeswohnungsbauminister nicht schreibt, daß er das nicht genehmigt, aber auf dem kleinen Dienstwege mitteilen läßt, daß er Bedenken hat? Das ist doch eine ungewöhnliche Art der Behandlung der Dinge. Ich habe sie nicht angesprochen, aber da sie hier angesprochen worden ist, muß das klar und eindeutig zurückgewiesen werden, zumal da die ganze Melodie nach Vorwürfen ging.
Ich habe einmal gehört, was eine Brutusrede ist. Der Kollege Dr. Czaja hat in allen Formulierungen zwei Dinge miteinander verbunden. Er hat gesagt:
„Ich will gegen niemanden Anklage erheben.” Aber dann kam eine Menge sehr massiver Vorwürfe gegen die Länder, die in der fatalen Situation sind. daß sie auf das Geld des Bundes selbstverständlich angewiesen sind, soweit Bundesmittel vorgesehen sind. Aber sie müssen sie nicht nur zu einem erheblichen Teil aufstocken, sondern sie müssen sie zusammen mit den Gemeinden, den Städten unterbringen. Und wenn sie, die Länder, sehr dicht bevölkert und industrialisiert sind, müssen sie mit den Gemeinden fertig werden in dem Sinne, daß die Gemeinden die Gelder auch zum Abfließen bringen können, d. h. daß sie damit bauen können.
Die Gemeinden haben es schwer. Viele von Ihnen, die in den Heimatparlamenten sitzen, sind oft in diesem Zusammenhange in den Kommunen tätig. Die eigentliche Schwierigkeit liegt doch darin, daß der Bundestag — über Gründe spreche ich nicht, das steht mir hier nicht zu — bis heute kein Bundesbaugesetz geschaffen hat, mit dem sich die Gemeinden helfen könnten, Grundstücke zu beschaffen. Niemand kann annehmen, daß sie das so könnten.

(Beifall bei der SPD.)

Das muß ich als Landesminister sagen, weil wir doch schließlich und endlich weder auf dem Geld sitzen bleiben wollen noch den Gemeinden deswegen Vorwürfe machen können, da sie das Geld nicht abrufen können.
Wenn ich mich hier umsehe, stelle ich fest, daß einige Oberbürgermeister von Großstädten hier in den Fraktionen sitzen. Sie könnten einige interessante Beispiele dafür bringen, weshalb die großen Gemeinden die Mittel nicht mehr verwenden können. Sie können es nicht, weil ihnen Grundstücke fehlen, weil auch die anderen Bedingungen nicht vorliegen. Das muß man einsehen. Ich darf dazu sagen, daß wir wirklich an dem Satz festhalten sollten, der hier verschiedentlich anklang: daß die Beseitigung dieser großen Not der Flüchtlinge eine Aufgabe für uns alle ist, daß wir sie alle mit vereinten Kräften beseitigen müssen. Ich freue mich, wenn ich Gelegenheit habe, in dieser Richtung noch mehr zu tun, als wir bisher schon getan haben. Aber den Ländern, und insbesondere dem Lande Nordrhein-Westfalen — und ich anerkenne, daß das vorhin in einigen Wendungen auch anerkannt worden ist —, kann man nicht mehr abverlangen, als bereits geschehen ist. Es ist auch nicht so, daß wir nur die 220 Millionen DM zum erstenmal vorfinanziert haben, sondern die Vorfinanzierung durch die Länder ist ein fortwährender Katalog, vom Jahre 1955 angefangen bis auf den heutigen Tag. Es waren bei uns im August 1955 57 Millionen DM, im Juni 1956 16 Millionen DM, es waren dann durchgehend 22 Millionen DM, 30 Millionen DM, und heute sind es 185 Millionen DM. Sie können sich darüber unterhalten, meine Damen und Herren, ob die Finanzkraft der Länder nicht bereits überfordert ist. Das wird in den Fraktionen der Länderparlamente in dem Maße mehr anklingen, als die Finanzminister immer mehr an Einfluß gewinnen, weil sie deutlich den Tag kommen sehen, wo die Gelder in den öffentlichen Haushalten nicht mehr so gut fließen.



Dr. Kaßmann
Ich bitte noch um eines. Vorhin ist der Dank an die Kirchen und an Bauträger ausgesprochen worden. Ich unterstreiche das durchaus. Soweit die Öffentlichkeit und die öffentliche Meinung mobilisiert werden, ist das nützlich. Hilfe nehmen wir für die Lösung dieses ernsten Problems an, wo wir sie finden können. Aber ich habe es eigentlich bedauert, daß bei der Arbeitsteilung, die doch mit jeder bundesstaatlichen Regelung verbunden ist —denn so ist der Bundesstaat doch schließlich konstruiert, daß die Arbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verteilt wird —, kein Wort des Dankes für diejenigen gefallen ist, die, wie die Länder und die Gemeinden, mit dieser Sorge seit Jahren an vorderster Front fertig werden müssen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Czaja: Herr Kuntscher hat es getan!)

Es ist vorhin gesagt worden, diese Fragen seien sehr schwierig und die Sorge sei sehr groß. Ich meine, wir sollten gemeinsam alles tun, um damit fertig zu werden.

(Lebhafte Zurufe von der Mitte: Sehr gut! Sehr richtig!)

Aber wir sollten auch Tatsachen anerkennen, die bis in die Akten nachzuweisen sind. Und die Vorfinanzierungen und überhaupt die Leistungen der Länder auf diesem Gebiete sollten nicht verkleinert werden.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301306100
Das Wort hat der Bundesminister für Wohnungsbau.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0301306200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden sich vorstellen können, daß es nicht leicht ist, Flüchtlingswohnungsbauprogramme durchzuziehen. Sie sehen das an dieser Kontroverse über die verwaltungsmäßige Behandlung eines Schreibens. Ich bedaure, Herr Kollege Kaßmann, daß wir das nicht anders regeln konnten. Aber nachdem die Frage hier angeschnitten worden ist — —

(Lebhafte Zurufe von der SPD.)

— Warten Sie doch ab! Sie werden es jetzt hören. Was ist denn geschehen, meine Damen und Herren?

(Abg. Schröter [Berlin] : Der Schuß geht nach hinten los!)

— Hören Sie doch mal zu, Kollege Schröter! Das Land Nordrhein-Westfalen hat eine Anfrage an das Wohnungsbauministerium gerichtet. ob die vom Land praktizierte Doppelbelegung beim SBZ-Wohnungsbau erlaubt sei bzw. erlaubt werden könne. Die Rechtsabteilung unseres Hauses hatte Bedenken.

(Abg. Dr. Czaja: Sehr richtig!)

Dann hat die Rechtsabteilung unseres Hauses — und ich lobe hier die Herren — dem zuständigen Ministerialrat Peters, der die Anfrage behandelt hat, mitgeteilt: Wir haben Bedenken. Daraufhin hat der zuständige Minister des Landes Nordrhein-Westfalen gesagt: Ich will das von dem Wohnungsbau-
minister schriftlich haben. Das ist vor acht Tagen geschehen, und Sie bekommen es auch schriftlich

(Lachen und Zurufe bei der SPD)

— verzeihen Sie, meine Damen und Herren —, nachdem diese Sache in der Beantwortung der Großen Anfrage geklärt worden ist.
Im übrigen weiß ich nicht, ob es — mir ist es in den acht Jahren meiner parlamentarischen Tätigkeit nicht begegnet — auf die Dauer möglich ist, Landesangelegenheiten in der Bundestagsdebatte so im Detail zu diskutieren. Sie haben hier nicht als Vertreter des Bundesrates, sondern als Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen gesprochen. Ich kann hierauf seitens der Bundesregierung nicht eingehen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Baur [Augsburg] : Und das sind die Föderalisten! — Abg. Schröter [Berlin] : Das war der zweite Rohrkrepierer!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301306300
Meine Damen und Herren, ich darf vielleicht Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes vorlesen:
Die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten haben zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt. Sie müssen jederzeit gehört werden.
Es heißt „Die Mitglieder des Bundesrates". Das Wort hat der Abgeordnete Hauffe.

Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0301306400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur noch ein paar kurze Worte des Widerspruchs gegen die Worte von Herrn Dr. Czaja sagen. Ich will einmal eines ganz offen sagen. Gestartet wurde diese Anfrage als ein Angriff auf die Länder. Herr Dr. Czaja, Sie wollten den Vorwurf, daß eine halbe Milliarde D-Mark Mittel unverbraucht liegengeblieben sei, auf die Länder abwälzen, und Sie haben diesen Vorwurf mit schönen Vorwegworten entschuldigen wollen. Sie haben uns vielleicht zugetraut, wir merkten es nicht. Nun, es ist doch zum Vorschein gekommen.

(Abg. Dr. Czaja: Nehmen Sie es als Vorwurf?)

— Ich nehme es nicht als Vorwurf, sondern ich stelle das fest, nachdem es bei Ihnen unangenehm angekommen ist, daß sich die Länder dagegen gewehrt haben.
Nun eine weitere Sache. Ich würde Ihnen empfehlen, das, was ich voriges Jahr zum Etat des Bundeswohnungsbauministers gesagt habe, wieder einmal nachzulesen.

(Abg. Dr. Czaja: Habe ich getan!)

Dann könnten Sie sich Ihre Wiederholungen über die Eigenheimfeindlichkeit der Sozialdemokraten sparen. Wir haben Sozialdemokraten und sozialdemokratisch geführte Wohnungsunternehmen bereits vor dem ersten Weltkrieg gehabt, die den arbeitenden Menschen zum Eigenheim verholfen haben

(Beifall bei der SPD)




Dr. Kaßmann
zu einer Zeit, wo die Leute, die heute bei Ihnen Politik machen, den arbeitenden Menschen noch das Recht auf eine anständige Wohnung streitig machten. Das sei einmal festgestellt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Widerspruch und Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Dr. Hellwig: Was ist denn das für ein Stil? — Abg. Dr. Czaja meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Bitte schön!

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0301306500
Herr Kollege Hauffe, darf ich fragen, wen Sie mit ,,bei Ihnen" gemeint haben!

Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0301306600
Ich glaube, Sie wissen doch sehr gut, was sich heute in Ihrer Fraktion bereits wieder gesammelt hat. Nehmen wir doch das eine, daß Sie heute die politischen Kreise von den früheren Deutschnationalen bis herüber zum ehemaligen Zentrum in Ihrer Partei haben, und das sind doch die politischen Kreise, die es vor dem ersten Weltkrieg waren.

(Lebhafter Widerspruch bei der CDU/ CSU. — Abg. Schmücker: Und die alten Kommunisten, die bei Ihnen sind? — Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

— Einen Moment! Ich sage Ihnen das deshalb so genau, weil Sie immer zu der Methode greifen, uns entsprechend anzugreifen, wenn Ihnen das Parteibuch irgendeines von uns nicht paßt.
Nun sei aber eines festgestellt! Inzwischen sind einige Jahrzehnte ins Land gegangen. Gott sei Dank haben verschiedene Menschen bei uns das Umdenken gelernt. Aber dann sagen Sie doch bitte nicht etwas, was geschichtlich einfach nicht wahr ist, und machen Sie uns heute keine Vorwürfe, werfen Sie uns nicht Dinge vor, die wir bereits vor Jahrzehnten überlebt haben.

(Abg. Dr. Hellwig: Gestatten Sie eine Frage?)

— Bitte!

Prof. Dr. Fritz Hellwig (CDU):
Rede ID: ID0301306700
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß die wesentlichen Anfänge des Eigenheimbaues für Arbeitnehmer von führenden deutschen Unternehmern im 19. Jahrhundert geleistet worden sind?

(Zurufe von der SPD. — Abg. Baur [Augsburg] : Wo denn? Sagen Sie doch, wo? Das waren Werkswohnungen, wo die Menschen zu Sklaven gemacht wurden! Das war Ihre Wohnungspolitik vor 1914! — Gegenruf des Abg. Schmücker: Das ist eine wunderbare Demonstration der tatsächlichen Haltung Ihrer Fraktion! Das alte Vorurteil! — Abg. Baur [Augsburg]: Immer dieselben Verdächtigungen!)


Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0301306800
Ich glaube aber, daß heute die Vorurteile bei Ihnen stärker vertreten sind als bei uns.

(Abg. Schmücker: Ich bin zu jung, um mir einen solchen Vorwurf zuziehen zu können! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

— Das habe nicht ich begonnen, sondern da müssen Sie sich an Herrn Dr. Czaja wenden.

(Abg. Schmücker: Nein, die Unterstellungen haben Sie begonnen!)

Uns geht es um zwei Punkte. Es geht darum, daß genügend Mittel für das Sonderbauprogramm zur Verfügung gestellt werden, um die Wohnungen durchfinanzieren zu können. Dabei soll man doch einmal klipp und klar sagen, welche Mittel das sind. Wir können uns nachher über die Prozente streiten, aber die Durchfinanzierung der Bauten ist das Primäre.
Dann kommt der Vorwurf an die Länder und Gemeinden hinzu, daß sie praktisch ihren Anteil der Beihilfe nicht erfüllten. Herr Dr. Czaja, Sie wissen genauso gut wie wir, daß die Länder und besonders die Gemeinden mit den Baufolgelasten große Schmerzen haben. Denn es geht ja bei den Ländern und Gemeinden nicht nur darum, daß das Objekt als solches finanziert wird, sondern es geht um die ganzen Erschließungskosten und all das. Das haben Sie in Ihren Ausführungen meiner Meinung nach zu wenig bedacht. Dann kommen wir wieder dahin, daß die Beteiligung der Länder und Gemeinden entsprechend groß genug ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301306900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0301307000
Bitte schön!

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0301307100
Herr Kollege Hauffe, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Erschließungskosten und Baulandkosten in die Gesamtkosten des Einzelobjekts einbezogen werden und also mit Bundesmitteln mitfinanziert werden?

Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0301307200
Herr Dr. Czaja, wenn Sie Anliegerkosten von 500 bis 600 DM im einzelnen Objekt haben, können Sie diese Dinge, die sich insgesamt in der Größenordnung zwischen 3000 bis 4000 DM pro Wohneinheit bewegen, nicht mitfinanzieren.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301307300
Eine weitere Zwischenfrage!

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0301307400
Ist Ihnen nicht bekannt Herr Kollege Hauffe, daß nach der Berechnungsverordnung sämtliche Erschließungsbeiträge in die Gesamtfinanzierung aufzunehmen sind?

Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0301307500
Herr Dr. Czaja, zeigen Sie mir mal die Familieneigenheimfinanzierung, in der auch die Baufolgelasten drin sind. Das ist einfach nicht möglich. Das sind die Dinge, die unten die Schwierigkeiten bereiten und die Sie überspringen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301307600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.




Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0301307700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus einer gewissen Erfahrung kann ich voraussagen, daß bei Debatten über Wohnungsbaudinge zunächst immer betont wird, daß alle zusammenarbeiten müßten und daß niemand niemanden anklagen wolle. Ich zitiere damit jetzt einmal Herrn Dr. Brecht.

(Zuruf von der SPD: Zitieren Sie mal Herrn Dr. Czaja!)

— Er kommt gleich; ich muß doch in der chronologischen Reihenfolge vorgehen, und zuerst hat Herr Dr. Brecht gesprochen.
Nach einer kurzen Zeit wird aber dann gesagt: Fiasko, immer zuwenig und immer zu spät — Bund! Daraufhin kommt natürlich prompt jemand, der sagt: Nicht Bund, sondern Länder! Darüber — gestatten Sie mir als dem ehemaligen Wohnungsbauminister, das zu sagen — kommt nämlich nachher das Anliegen der Wohnungsuchenden zu kurz, denen es völlig gleichgültig ist, ob der Bund oder die Länder hier schuld sind.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der SPD. — Abg. Baur [Augsburg] : Zitieren Sie mal Ihre Ausführungen von vor vier Jahren, wo Sie sagten, daß in vier Jahren kein Wohnungsbauministerium mehr notwendig sei!)

— Herr Baur, lassen Sie mich einmal zur Sache etwas sagen.

(Abg. Baur [Augsburg] : Das gehört auch zur Sache!)

— Ich glaube nicht, daß Sie mit Ihrer Bemerkung im Augenblick sehr den Kern der Sache getroffen haben,

(Lachen in der Mitte. — Abg. Baur [Augsburg] : Doch, darum geht es auch!)

Ich kann dazu nur sagen, daß sogar ein Vertreter Ihrer Fraktion hier einmal wörtlich zitiert hat, was ich wörtlich gesagt hatte. Die Zahl von Wohnungen, die damals von Ihrer Seite als Illusion bezeichnet wurde — 2,2 Millionen in vier Jahren — ist tatsächlich gebaut worden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Aber jetzt geht es um das Problem, das heute hier zur Debatte steht. Wenn Sie Ihre Einwürfe nur noch auf den Diskussionsgegenstand erstrecken wollten, wäre ich auch sehr schnell mit meinem Beitrag zu der Frage fertig.
Es wurde von Herrn Brecht zum Schluß gesagt: Selbstverständlich ist auch die Lösung des Problems des Wohnungsbaues für die Sowjetzonenflüchtlinge und Aussiedler eine Angelegenheit der verstärkten Produktion von Wohnungen. Ich glaube, wenn wir uns erst einmal auf diese eine These hier einigen, läßt sich vieles schon wieder viel vernünftiger besprechen. Die letzten Jahre haben gezeigt, daß eine Wohnungsbauleistung von rund 550 000 Wohnungen in der Bundesrepublik in etwa das Maximum dessen darstellt, was bei der gegebenen Arbeitskräfte- und Kapazitätsbilanz der letzten vier Jahre
möglich war. Das wird sich natürlich mit der Steigerung der technischen Leistungsfähigkeit und mit der Kapitalmarktentwicklung durchaus noch etwas auflockern lassen. Ich bin da viel optimistischer, als manche andere nicht nur jetzt, sondern in der Vergangenheit gewesen sind. Ich habe mich immer mit Entschiedenheit gegen die These von der „Überhitzung der Konjunktur" von seiten des Wohnungsbaues gewandt.
Wir wollen also einmal davon ausgehen, daß niemand den Vorwurf erheben kann, es seien in den vergangenen Jahren im Wohnungsbau insgesamt Versäumnisse vorgekommen, und daß wirklich das Höchstmaß an Wohnungen gebaut worden ist. Trotzdem müssen wir ohne Zweifel feststellen, daß auf einem bestimmten Sektor, nämlich dem Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge, die Gesamtentwicklung nicht gleich gut war. Deshalb müssen wir einmal die Ursachen hierfür sine ira et studio untersuchen.
Da ist zuerst die Frage nach dem Geld. Das ist bekanntlich beim Wohnungsbau eine der wichtigsten Fragen, und sie hat natürlich auch immer zwischen dem Bund und den Ländern eine besonders schwierige Auseinandersetzung mit sich gebracht. Aber, Herr Kollege Brecht, auf der Bank des Bundesrats sitzt Gott sei Dank eine Reihe von Herren, die regelmäßig dabei waren und bestätigen können, daß mindestens von der Seite des Herrn Kollegen Oberländer und von meiner Seite durchaus mit Energie und rechtzeitig darangegangen wurde, jeweils die notwendigen Ausweitungen auch auf dem finanziellen Gebiet vorzunehmen. Daß das häufig genug in eine Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern, dann allerdings in eine Gesamtauseinandersetzung über die jeweils möglichen Anteile des Bundes und der Länder schlechthin, eingemündet ist und in die Frage, wieviel als möglich zugemutet werden kann oder nicht, nun, das wissen wir alle miteinander.
Aber das ist doch zum mindesten kein Gegenstand einer dauernden Unterstellung von böswilligen Versäumnissen und ähnlichem, wie es von Ihrer Seite aus gerade an die Adresse des Bundes gerichtet worden ist. Denn zweifellos stoßen sich hier eben nun einmal die Dinge besonders hart im Raume, und es ist auch so, wenn Sie so wollen, daß es manche Verzögerungen gegeben hat, die be- stimmt nicht dem Bunde zur Last zu legen sind. Ich erinnere Sie an die Glosse, die ich noch während meiner Krankheit — ich glaube, es war in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung" — las, daß beispielsweise der Brief, der die Bestätigung der Annahme der Vorschläge des Bundeskanzlers beinhaltete, deswegen einige Monate liegengeblieben sein soll — ich zitiere jetzt die Zeitung —, weil man sich über die Anrede des Bundeskanzlers, ob „Sehr verehrter" oder „Sehr geehrter Herr Bundeskanzler" nicht ganz habe verständigen können.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Also ich glaube, wenn man anfängt, die Dinge aufzugliedern, wird sich ergeben, daß leider auf allen
möglichen Seiten Schwierigkeiten entstanden sind,
die nicht unbedingt hätten sein müssen.



Dr. Preusker
Es ist notwendig, einige weitere sachliche Überlegungen herauszustellen, ohne daß man sich gegenseitig gleich wieder, ich möchte sagen, mit dem Dolch im Gewande begegnet. Dazu gehört die immer wieder aufgeworfene Frage: ist es wirklich notwendig, das Sowjetzonenflüchtlings-Wohnungsprogramm allein im Wege des Neubaues von nur zweckgebundenen Wohnungen zu lösen, oder gibt es dabei nicht die Möglichkeit vernünftiger Kombinationen von allen möglichen Wegen?
Herr Kollege Oberländer hat mich vorhin wegen der „Kästchen" apostrophiert. Ich habe nie etwas dagegen gehabt, von dem zuständigen Finanzminister oder den Haushaltsausschüssen des Parlaments Geld in bestimmte Kästchen für bestimmte Sonderzwecke zu bekommen. Aber ich bin immer dagegen gewesen, daß dieses Geld, das für bestimmte Zwecke notwendig war, nachher ausschließlich den Bau von bestimmten Wohnungen bestimmt hat, sondern das Kästchen konnte wieder ansetzen, nachdem man die Wohnungen gebaut hatte, bei der Zuweisung, bei der Wohnungsversorgung; da wurde es wieder sinnvoll. Denn in der Bautätigkeit selbst ist es den Bauarbeitern sowohl wie den Bauträgern im Grunde genommen völlig gleichgültig, wofür speziell diese Wohnung gebaut werden soll. Wir wären wahrscheinlich in vielen Dingen etwas weitergekommen, wenn es möglich gewesen wäre, dieses starre Kästchendenken auch in der Bautätigkeit etwas mehr aufzulockern, als es mir während dieser Zeit gelungen ist. Ich gebe es als Anregung weiter, daß man das für die Zukunft gerade bei
diesem Problem doch noch etwas stärker überlegt.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Daran schließt sich gleich eine zweite Frage. Ich weiß noch, wie sehr es zunächst einmal in den Ausschüssen belächelt worden ist, als wir mit der Vorstellung der Umsetzungsaktion „Schöner und besser wohnen" kamen. Ich weiß, daß Herr Brecht selbst nicht zu den Lächlern gehört hat, sondern sich einiges von dieser Aktion versprach. In der Zwischenzeit hat sich eindeutig herausgestellt, daß man sehr viel damit erreichen kann, und das ist auch nur natürlich. Denken wir daran, daß jemand seit 1950 oder 1951 in den damals noch relativ bescheidenen Verhältnissen, sagen wir, in einem großen Wohnblock zu 80 oder 90 Parteien wohnt, alle noch in derselben Situation des sozialen Schwächezustandes! In der Zwischenzeit ist mehr als die Hälfte der Bewohner über diesen Zustand längst hinausgewachsen und würde, weil man sich vielleicht schon ein Auto oder sonst etwas Besonderes zulegen kann, durchaus auch gewillt und in der Lage sein, nun zu wechseln und sich insbesondere auch für ein Eigenheim zu entscheiden. Hier kommt der Gedanke des Tauschens ins Spiel, der Dreieckskonstruktion, daß man Wohnungen baut, in die zunächst Leute einziehen, die diese Wohnung auch bezahlen können, und daß in die freiwerdenden billigeren Wohnungen erst einmal die Sowjetzonenflüchtlinge nachrücken. Ich glaube, Herr Kollege Brecht, Sie sollten das nicht noch mit dem psychologischen Erschwernis belasten, daß die Sowjetzonenflüchtlinge nicht gern in diese Wohnungen hineinwollen. Ich glaube, wer erst einmal aus diesem Generalgefängnis da drüben heraus ist, der ist schon froh, wenn er in der Freizeit überhaupt atmen kann. Wenn er dann auch schon sofort eine Wohnung bekommt, ist es ihm, glaube ich, im Moment ziemlich gleichgültig, ob das eine speziell mit dem Etikett „Sowjetzonenflüchtlingswohnung" versehene Neubauwohnung ist oder ob es eine Wohnung aus dem sozialen Wohnungsbau des Jahres 1950 ist.

(Zuruf von der SPD: Aber doch keine Bruchbude!)

— Selbstverständlich nicht!

(Zuruf von der SPD: Das meinte er auch nicht!)

— Gut! Aber die Bruchbuden sind — das haben wir beim Bundesmietengesetz gesehen — Gott sei Dank nicht so sehr zahlreich.

(Zuruf von der SPD: Na, na!)

Es ist dann von Herrn Dr. Brecht so ironisch abgetan worden, daß man jetzt auch das Problem einer verständigen Auflockerung der Wohnraumbewirtschaftung in die Diskussion bringt. Meine Damen und Herren, auch das einmal nicht im Lichte der parteipolitischen Schlagworte, sondern in der nüchternen Realität betrachtet: es ist von dem Herrn Vertreter des Bundesrates, dem Herrn Arbeits- und Sozialminister Hemsath, obwohl er in meinen Augen eigentlich als Ländervertreter gesprochen hat, gesagt worden: Wir können es selbst dann, wenn wir die ganzen Stockungen, die sich ergeben haben, abbauen, wenn wir die volle Finanzierung sicherstellen, bei dem ungeheuren Zustrom an Sowjetzonenflüchtlingen nicht schaffen, daß diese Menschen laufend sofort in endgültige Wohnungen kommen können. So groß ist dieses uns auferlegte nationale Unglück, daß die Menschen in ihrem eigenen Vaterland zu Flüchtlingen werden mußten, daß es mit der laufenden Bautätigkeit nicht bewältigt werden konnte, mindestens nicht in den Jahren, in denen eine erhebliche Welle der Verfolgung dort drüben ausgelöst wurde.
Nach der Wohnungszählung des vergangenen Jahres, dieser gesetzlichen Zählung, konnten wir feststellen, daß von einer Million Wohnungen, die für Mehrpersonenhaushalte geeignet sind, ein ganz erheblicher Teil auch von einer einzigen Person bewohnt wird und nicht untervermietet ist. Wenn man hier eine entsprechende Auflockerung der Mietpreisbildung und Bewirtschaftung in einer vernünftigen und sozial tragbaren Weise ins Auge faßte, würde ein erheblicher Teil dieser Wohnungen frei werden; denn die Einpersonenhaushalte würden dann in die ihnen zustehenden Einpersonenwohnungen einziehen. Also das Anpacken dieses Problems bedeutet mit eine Verringerung der Sorgen, die wir im Augenblick haben. Man sollte dies nicht einfach abtun, sondern sehr eingehend prüfen, ob es geht oder ob es nicht geht.
Nun noch ein weiteres. Sie haben immer wieder das Problem berührt, wie hoch die Mittel für den Sowjetzonenflüchtlingsbau je Wohnung sein müß-



Dr. Preusker
ten. Ich weiß aus der bisherigen eigenen Erf ah-rung, wie dieses Problem laufend zur Erhöhung der Forderungen geführt hat. Der Vorschlag der Übernahme von 50% der Baukosten ist von mir im März vorigen Jahres erstmals in den Ausschüssen des Bundesrats diskutiert worden. Der Betrag ist inzwischen auf 2940 DM gleich 11 760 DM pro Wohnung heraufgesetzt worden. Man darf die Dinge nicht länger nur als ein Sonderprogramm für Sowjetzonenflüchtlinge betrachten, sondern muß es auch als eine Wohnungsbauangelegenheit ansehen. Man soll von denjenigen, die es können, so viel Wohnungen wie möglich bauen lassen, die — das haben wir im Wohnungsbau- und Familienheimgesetz verankert — auch bereit sind, eine Wohnung, die für einen Angehörigen dér minderbemittelten Schichten geeignet und tragbar ist, frei zu machen. Damit erleichtern wir uns das Finanzierungsproblem ohne Zweifel in einem Ausmaß zwischen 10 und 25 %. Ich will nicht in die Rechnung eintreten, die Ihnen Herr Kollege Czaja aufgemacht hat: 662/3 und ein Drittel Kapitalmarktmittel, nichts mehr an Eigenleistung. Soviel wissen wir alle miteinander, daß zweifellos die Kapitalkraft eines Wohnungsunternehmens, gleichgültig, ob frei oder gemeinnützig, im Vergleich zu den Möglichkeiten, die der Einzelbauherr immer noch aufbringt — Sie können sagen: leider oder Gott sei Dank —, jedenfalls geringer ist und mit den Einzelbauherren mehr an Effekt für das Ganze herausgeholt werden kann. Dabei wird gleichzeitig die Eigentumsbildung in breitester Front gefördert; das nützt allen. Das braucht keinen Gegensatz, keine Polemik auszulösen und das braucht insbesondere in den Ländern zu keiner Verzögerung — in diesem Fall aus dogmatischen Überlegungen — auf den unteren Ebenen zu führen. Hier können die Länder auch noch einiges zur Entgiftung der Diskussion beitragen. Das ist, glaube ich, eine allgemeine Erkenntnis.
Wir haben in das Wohnungsbau- und Familienheimgesetz nach eingehender Überlegung gerade in bezug auf die Sowjetzonenflüchtlinge die Möglichkeit der entweder objektiven oder subjektiven Miet-und Lastenbeihilfen eingeführt. Wir haben gesagt, es hat keinen Sinn, Miet- und Lastenbeihilfen als eine Dauererscheinung dort anzubringen, wo man damit rechnen muß, daß die Betreffenden zeit ihres Lebens einkommensschwach sind; denn dann müssen sie auch zeit ihres Lebens irgendwo bei einer Behörde um Mietbeihilfe nachsuchen. Aber die Sowjetzonenflüchtlinge sind nach allen Erfahrungen, die wir haben, Menschen, die gerade deswegen mit dem System drüben in Konflikt gerieten, weil sie aufrecht, tüchtig und fähig sind, die eben nicht zu allem Ja und Amen gesagt, sondern ihre eigene Meinung besessen haben. Sie kommen erfahrungsgemäß nach einiger Zeit aus dem Status des Flüchtlings, der besonders arm daran ist, heraus, verdienen wieder gut und können dann eine ganz andere Mietbelastung tragen. Für sie ist also die Übergangsregelung der Miet- und Lastenbeihilfen eine der sinnvollsten Maßnahmen, die man hier ergreifen kann; objektiviert oder :subjektiviert, sei völlig dahingestellt. Wenn dadurch die ganze Finanzierung in den kommenden Jahren erleichtert werden kann, ist es notwendig, daß man in den Ländern nun einmal ernsthaft darangeht. Wenn es notwendig ist, hier etwas in der gesetzgeberischen Regelung und Handhabung zu verbessern, sollte man das eben auch tun und nicht die Sache einfach liegenlassen.
Ich glaube, hier ist sicher nicht der Platz, weiter in Einzelheiten des ganzen Problems einzusteigen. Das können wir mit Nutz und Frommen in den Ausschüssen tun. Ich habe eine Reihe von ganz bestimmten Vorschlägen gemacht. Man sollte sich vielleicht auch noch ein Letztes überlegen. Es wurde hier gesagt, es habe Stockungen im Betrage von einer halben Milliarde D-Mark gegeben, weil man sich zwischen Bund und Ländern nicht gleich voll geeinigt habe und niemand präjudiziell mit dem Bauen habe anfangen wollen. Da aber jetzt die finanzielle Regelung da ist und sie nach meinem Dafürhalten mit den 50% der Baukosten auch eine brauchbare Basis gibt, sollten wir noch eine weitere Folgerung ziehen und sagen: Mittel, die nach sechs Monaten für den sozialen Wohnungsbau zugunsten von Sowjetzonenflüchtlingen oder von anderen Gruppen nicht abgerufen sind, werden sofort denjenigen Ländern zugeteilt, die jeweils in der Lage sind, auf der Stelle und mit Erfolg zu bauen. Ich bin sicher, daß in allen Ländern schnell gebaut wird, wenn man unter dem Druck steht, unter Umständen das Geld zu verlieren, weil man nicht schnell genug ist oder nicht so schnell wie andere.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Lassen Sie mich damit schließen. Ich möchte, daß unsere Bevölkerung draußen trotz dieser Debatte, die teilweise etwas sehr den Eindruck vermitteln mußte, als ob hier schmutzige Wäsche zwischen Bund und Ländern gewaschen werden sollte — obwohl die Leistungen sich insgesamt doch wirklich sehen lassen können und Deutschland an der Spitze in der ganzen Welt steht —, wieder den Eindruck gewinnt, daß man sich hier nach wie vor sachlich über das Anliegen und das Problem, das gelöst werden muß, unterhält, nämlich über den Wohnungsbau für die Sowjetzonenflüchtlinge, und daß es bei gutem Willen auf allen Seiten wirklich möglich ist, diese Wege gemeinsam zu gehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301307800
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Rasner.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0301307900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident hat soeben den Art. 43 des Grundgesetzes zitiert. Ich möchte in diesem Zusammenhang zur Geschäftsordnung angesichts der Bedeutung dessen, was geschehen ist, doch ein paar klärende Fragen stellen. Der Inhalt des Art. 43 ist klar und war immer klar. Wir haben aber heute im Bundestag zum ersten Mal erlebt, daß bei einer Interpellation einer Fraktion dieses Hauses an die Regierung Mitglieder des Bundesrates, zum Teil sogar in polemischer Form, in die Debatte eingegriffen haben. Ich möchte hier



Rasner
nicht polemisch sein, sondern eine Geschäftsordnungsfrage klären, die von Bedeutung ist. Der Bundestag kann im Bundesrat bekanntlich überhaupt nicht zu Worte kommen, es sei denn ein Bundestagsabgeordneter als Sprecher oder als Berichterstatter des Vermittlungsausschusses. Eine andere Möglichkeit für Mitglieder des Bundestages, im Bundesrat zu sprechen, besteht nicht.
Nun die Frage, Herr Präsident. Die beiden Landesminister, die hier gesprochen haben, sind stellvertretende Mitglieder des Bundesrats und nicht Mitglieder des Bundesrats.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Die Bestimmung des Art. 43 sagt: „Die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten ..." Herr Präsident, angesichts der Bedeutung für die ganze Verfahrensweise hier im Hause möchte ich die Frage stellen, ob Mitglieder des Bundesrats stellvertretende Mitglieder des Bundesrats als ihre Beauftragten bei Ihnen oder beim Präsidium angezeigt haben. Wir sollten über diese Frage, die doch ein Novum in der Geschichte dieses Hauses ist — ich sage das unpolemisch, ich wiederhole es, auch gegen den Bundesrat — nicht leichtens Herzens hinweggehen, sondern sie sehr gründlich prüfen. Wenn das, was heute geschehen ist, in Zukunft tagtägliche Praxis wird, unterscheiden sich die Verhandlungen dieses Bundestages sehr von den Verhandlungen des Bundestages der ersten und der zweiten Legislaturperiode. Sie merken, daß ich keinen Vorwurf erhebe, nicht polemisiere, sondern angesichts einer für dieses Haus
unzweifelhaft neuen Situation eine Frage stelle. Ich bin mir z. B. nicht im klaren darüber, Herr Präsident, ob irgend jemand — obwohl das nicht die Grundfrage ist — gewußt hat, daß die beiden Landesminister von Nordrhein-Westfalen, die hier sprachen, stellvertretende Mitglieder des Bundesrats und nicht Mitglieder des Bundesrats sind. Wir legen Wert darauf, daß diese Frage geklärt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301308000
Zur Geschäftsordnung Abgeordneter Erler.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0301308100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn diese zweifellos sehr interessante Frage geklärt werden soll, dann bitte ich, zu prüfen, wieweit Art. 43 Abs. 2 das Recht gibt, daß nicht nur die Minister, sondern auch die Staatssekretäre in diesem Hause das Wort ergreifen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301308200
Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß es in den Bereich von Geschäftsordnungsdebatten gehört, abstrakte Fragen zu stellen. Sie können zur Geschäftsordnung sprechen, wenn sich hier ein Minister zum Wort meldet und ihm das Wort erteilt wird.

(Abg. Rasner: Ich habe eine konkrete Frage gestellt, Herr Präsident!)

— Nein, Sie haben abstrakt gefragt, ob ein Stell-
vertreter hier sprechen kann. Wir wollen hier keine
Examenssitzung abhalten. Es handelt sich um einen Zweifel über die Auslegung der Geschäftsordnung und über die Auslegung des Grundgesetzes. Sie wissen, daß ich solche Dinge nicht leicht nehme. Ich glaube, es wird gut sein, wenn sich der Ausschuß für Geschäftsordnung mit der Sache befaßt und dem Plenum berichtet. — Wollen Sie das Wort zur Geschäftsordnung weiterhaben? — Bitte schön!

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0301308300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Verfahren sind wir selbstverständlich einverstanden. Aber, Herr Präsident, ich habe auch eine konkrete Frage gestellt. Ich habe gefragt, ob ein Mitglied des Bundesrats dem Präsidenten oder dem Präsidium angezeigt hat, daß als sein Beauftragter heute ein stellvertretendes Mitglied des Bundesrats sprechen werde. Das war keine abstrakte Frage, das war eine konkrete Frage.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301308400
Abgeordneter Mommer zur Geschäftsordnung!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0301308500
Herr Präsident, ich wollte wie Sie vorschlagen, daß sich unser Geschäftsordnungsausschuß und vielleicht der Rechtsausschuß mit der gestellten Frage beschäftigen. Aber das ist völlig überflüssig. § 47 unserer Geschäftsordnung lautet:
Recht auf jederzeitiges Gehör
Die Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates sowie ihre Beauftragten müssen auf ihr Verlangen jederzeit gehört werden.

(Abg. Rasner: Deswegen habe ich gefragt, ob ein Beauftragter angekündigt war! — Abg. Niederalt: Wir wollen wissen, ob er beauftragt war! — Abg. Erler: Er hat selbst erklärt, daß er für Herrn Steinhoff spreche!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301308600
Mir hat niemand irgend etwas angezeigt. Ich habe angenommen, daß ich nicht zu prüfen brauche, ob ein Landesminister, der sich von dieser Bank aus zum Wort meldet, beauftragt ist oder nicht. Zum mindesten spricht, was den Präsidenten betrifft, die Vermutung dafür, daß er es ist. Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe.
Im übrigen wurde vorhin gefragt, ob es zulässig sei, daß ein Mitglied des Bundesrates die Angelegenheiten seines Landes und nicht etwa des Bundesrates hier zur Sprache bringt. Ich glaube, darauf kann ich auch ohne Befragung des Geschäftsordnungsausschusses hier antworten. Bisher ist das oft geschehen. Ich erinnere daran, daß in der Sache Volkswagenwerk Herr Ministerpräsident Hellwege für sein Land hier die Interessen seines Landes vertreten und die Meinung seiner Regierung geäußert hat. Ich nehme an, Herr Kollege Rasner, daß Sie das überzeugt.

(Abg. Rasner: Ich habe danach nicht gefragt und dieses Problem gar nicht aufgeworfen!)

— Es ist mir entgegengehalten worden. Im übrigen
glaube ich nicht, daß es nützlich und besonders er-



Vizepräsident Dr. Schmid
baulich ist, daß man Fragen dieser Art an den Präsidenten im Plenum richtet. Der richtige Ort dafür ist, glaube ich, der Ältestenrat.
Sie melden sich zum Wort, Herr Minister Kass-mann? — Zur Geschäftsordnung dürfen Sie sich nicht melden.
Ich denke, wir wollen diese Debatte schließen. Wünschen Sie noch das Wort, Herr Abgeordneter Ritzel? — Herr Abgeordneter Ritzel hat das Wort.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0301308700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich mit einem kurzen Satz auf den § 47 der Geschäftsordnung eingehe. Er besagt: „Die Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates sowie ihre Beauftragten müssen auf ihr Verlangen jederzeit gehört werden." Man muß also unterscheiden zwischen den Mitgliedern des Bundesrates, also solchen, die ihre Landesregierung hier vertreten wollen, und den Beauftragten des Bundesrates, die im Namen des Bundesrates hier sprechen. Dazu gibt es eine Bestimmung in der Geschäftsordnung des Bundesrates vom 8. September 1950, Bundesrats-Drucksache 755, den § 27, der lautet:
Die in den Sitzungen des Bundestages und in seinen Ausschüssen auftretenden Beauftragten der Mitglieder des Bundesrates (Art. 43 GG) sind durch Auftragsschreiben eines Mitgliedes des Bundesrates zu legitimieren.
Der Schluß aus dieser Feststellung ist: der einzelne Landesminister kann selbstverständlich für sein Land hier jederzeit als Mitglied des Bundesrates das Wort ergreifen. Spricht er aber im Namen des Bundesrates, also der Länderkammer, dann kann der Bundestag verlangen, daß nach der Geschäftsordnung des Bundesrates eine Legitimation vorgelegt wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301308800
Ich glaube, daß hierüber kein Zweifel mehr besteht .Es ist doch ganz klar, daß, wenn hier eine Erklärung namens des Bundesrates abgegeben wird, der Bundesrat einen Beschluß gefaßt haben muß, einmal, daß die Erklärung abgegeben wird, zum anderen, wer sie abgibt. Daneben gibt es das Recht jedes Mitgliedes des Bundesrates, hier im Rahmen eines Tagesordnungspunktes das Wort zu ergreifen. Er bestimmt, was er sagen will, er kann hier die Interessen seines Landes vertreten, und da kann jeder Landesminister hier sprechen als ein Beauftragter von Mitgliedern des Bundesrates, eines Ministerpräsidenten oder eines anderen.
Sie haben das Wort zur Geschäftsordnung verlangt, Herr Abgeordneter Rasner. Ich erteile Ihnen das Wort.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0301308900
Ich will die Geschäftsordnungsdebatte nicht verlängern; aber ich glaube, Herr Kollege Ritzel, das eine steht zunächst fest, und ich möchte nicht, daß das mißverständlich bleibt: Die Minister, die heute hier gesprochen haben, haben nicht namens des Bundesrates gesprochen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301309000
Nein, haben sie auch nicht!

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0301309100
Herr Kollege Ritzel hat aber soeben eine Redewendung gebraucht, die diese Deutung zuließ. Ich nehme an, ich habe sie mißverstanden.
Zweitens: Wenn die Bundesregierung bisher Beauftragte benannt hat, dann hat der Bundestag von der Bundesregierung immer erwartet — darüber ist im Ältestenrat mehrfach gesprochen worden —, daß sie ihm diese Beauftragung anzeigt. Bei den Staatssekretären — auch darüber ist gesprochen worden — wird diese Beauftragung von vornherein angenommen. Wir wissen, daß die Bundesregierung auch einen Ministerialdirektor damit beauftragen könnte; aber selbstverständlich muß dem Bundestag vorher notifiziert werden, wer dann als Beauftragter hier spricht. Das war zumindest die bisherige Praxis. Ich bin aber damit einverstanden, Herr Präsident, daß diese Frage im Geschäftsordnungsausschuß sowie im Rechtsausschuß geklärt wird, und ich bin dankbar, Herr Präsident, für die Beantwortung meiner konkreten Frage: Dem Präsidium oder Ihnen als dem Präsidenten ist vorher eine Beauftragung von, keiner Seite notifiziert worden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301309200
Ich glaube, wir haben alle durch diese Debatte sehr viel gelernt.

(Heiterkeit.)

Was mich betrifft, so möchte ich hier wiederholen, daß ich jede Wortmeldung von der Bundesratsbank als die Wortmeldung eines legitimierten Beauftragten, eines Mitglieds des Bundesrates ansehen werde.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Eichelbaum.

Ernst Theodor Eichelbaum (CDU):
Rede ID: ID0301309300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß ich einer der letzten Redner bin.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301309400
Sie täuschen sich. Es sind nach Ihnen bisher noch drei Redner gemeldet.

Ernst Theodor Eichelbaum (CDU):
Rede ID: ID0301309500
Ich möchte meinem Vorredner zur Sache, dem Kollegen Preusker, dafür danken, daß er die Debatte wieder auf das Sachliche zurückgeführt hat. Ich überlege mir schon während der ganzen Zeit, mit welchem Gefühl die in einer Notunterkunft Hausenden, wenn unsere Verhandlung durch den Rundfunk übertragen würde, ihren Verlauf anhören würden. Es würde ihnen wohl und wehe zugleich sein. Es würde ihnen wohl sein in dem Gefühl, daß endlich einmal diese Sache in so entscheidender Weise, ohne Beschönigung in ihrer ganzen Kraßheit, zur Sprache gekommen ist und daß nun erwartet werden kann, daß ein anderes Tempo und ein anderer Zug in den Wohnungsbau kommt. Ich habe das Vertrauen, daß diese Hoffnung nicht trügt. Aber es würde ihnen wehe sein in dem Gefühl, auf einmal durch die Debatte so ins Licht der öffentlichen Scheinwerfer gezogen zu sein und dadurch vielleicht das Mißbe-



Eichelbaum
hagen oder gar den Neid von anderen Menschen zu erwecken, die auch Wohnungen haben wollen und denen es auch nicht gut geht.
Die Flüchtlinge wissen wohl, welche unerhörte Leistung die Bundesrepublik für sie vollbringt, und Sie können gewiß sein, meine Damen und Herren, daß man Ihnen und der Bundesregierung dafür aus ganzem Herzen Dank schuldet. Aber wenn die Flüchtlinge nun die Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern hören — und es ist noch gar nicht von den Auseinandersetzungen zwischen den Ländern und den Gemeinden gesprochen worden —, so haben sie natürlich das Gefühl, daß dieser Gegensatz auf ihrem Rücken ausgetragen wird. Das ist nun wieder ein außerordentlich wehes Gefühl.
Die Menschen, die infolge ihrer besonderen Zwangslage als Flüchtlinge kommen, erwarten, hier Arbeit zu finden. Manchem wird nachgesagt, daß der Hauptgrund die Erwartung ist, hier besser zu arbeiten und besser zu verdienen. Das wäre keine Schande. Dadurch, daß sie hier arbeiten, vermehren sie das wirtschaftliche Produkt; sie haben deshalb auch das Recht, an allen Erfolgen teilzuhaben. Aber aus einem Grunde kommt sicherlich kein Flüchtling: um sich mit seiner Wohnung zu verbessern; denn wer die Verhältnisse in der Zone drüben kennt, weiß, daß drüben vielleicht alles schlechter ist, doch eins sicher nicht, nämlich die Wohnlage, und daß die Wohnraumnot hier im Westen viel größer ist als in der Zone. Der Flüchtling, der seine Wohnung drüben verläßt, hat also bestimmt die Sicherheit, daß er sich hier, gehe es, wie es gehe, verschlechtern muß, so daß das keinerlei Anreiz für ihn ist, herüberzukommen.
Nun ist noch eins von Bedeutung. Es ist doch gut gewesen — wenn man die Dinge auch heute anders ansehen muß —, daß damals im Jahre 1953 für die Flüchtlinge ein besonderes Wohnungsprogramm entwickelt worden ist. Das ist damals deshalb geschehen, weil man den Zustrom der Flüchtlinge auf den allgemeinen Wohnungsmarkt verhindern wollte und weil man nicht wünschte, daß die Wohnungswirtschaft der Einheimischen durch das Hinzukommen der Flüchtlinge beeinträchtigt würde. Das gibt dem Flüchtling das Gefühl, daß er, wenn er hier in einer Wohnung, sei es in einem Neubau, sei es in einem Altbau, untergebracht wird, keinem etwas wegnimmt. Darum hat es mir sehr wehgetan, daß Herr Dr. Brecht — und das ist später auch bei einem anderen Redner angeklungen — gesagt hat, die Länder könnten im Wohnungsbau nicht so sehr für die Flüchtlinge wirken, weil sie dann in den Verdacht kämen, den Einheimischen die Wohnungen wegzunehmen. Das ist sicher ganz gegen den Sinn der Regelung von 1953 und gegen den Sinn, den die Bundesregierung der Angelegenheit geben will.
Wenn man sich überlegt, daß anderthalb Milliarden in dieses Unternehmen hineingesteckt worden sind, und wenn man durch die deutschen Städte kommt, die an sich nach ihrem Wiederaufbau manches Schöne zeigen, so muß man doch feststellen, daß man es nicht verstanden hat, aus dem
schweren Schicksalsschlag und dem Zwang des Schicksals ein besonderes Ruhmesblatt in der Art zu machen, daß die Oberbürgermeister oder die Oberstadtdirektoren sagen könnten: „Jetzt will ich euch einmal zeigen, was wir in den Jahren für die Flüchtlinge gebaut haben." Das wäre möglich gewesen. Ich glaube, daß die Ursachen am meisten in psychologischen Hemmungen zu suchen sind, will sie aber zu später Stunde nicht mehr im einzelnen aufzählen.
Wir bitten darum, daß, wenn eine Statistik angelegt wird — die uns sehr notwendig erscheint vorher völlig klargestellt wird, was unter „Lager" und unter „Notunterkunft" verstanden werden soll; denn man wird das peinliche Gefühl nicht los, daß bei den über die Länder an das Wohnungsbau- oder Vertriebenenministerium gelangten Statistiken viele Behausungen und Menschen übersehen worden sind, weil sie gewissermaßen in die Definition nicht hineinpassen. Die Klarheit über diese Definition ist ja wohl für die Planung eine Voraussetzung, die nicht fehlen darf.
Man muß durchaus damit einverstanden sein, daß zwischen Neu- und Altwohnung getauscht werden kann, aber es kommt sehr darauf an, wie die Kontrollen wirken, die wir in unserer Großen Anfrage fordern. Die Kontrollen müssen gewährleisten, daß überall in den Städten und Gemeinden völlig exakt und sauber gearbeitet wird, daß keine Flüchtlingsfamilie in nichtfamiliengerechte oder nichtzumutbare Behausungen kommt oder überhaupt unter den Tisch fällt. In einer Demokratie gehört dazu nicht bloß die Kontrolle behördlicherseits von oben, sondern auch eine Kontrolle von unten. Ich könnte mir denken, daß die Stadtverordneten es als eine Ehre ansehen, in einem dafür eingesetzten Ausschuß die Wohnungsvergabe und Tauschvergabe genau nachzuprüfen. Es gibt ja in jeder Stadt oder in jedem Kreis einen Beirat für Vertriebene nach dem Vertriebenengesetz, der, verstärkt durch Stadtverordnete, wie das jetzt in Nordrhein-Westfalen durchgeführt ist, einen Unterausschuß bilden kann, der diese Kontrolle durchführt. So kann das furchtbare Mißtrauen auf der Seite der Flüchtlinge zerstreut werden, daß sie nur die abgelegten Kleider bekommen und in einen schlechteren Zustand versetzt und nicht so gleichberechtigt behandelt werden, wie es ihnen das Gesetz zusagt. Ich könnte mir denken, daß da, wenn man Kontrollen dieser Art einführt, Beruhigung und Frieden einziehen würden.
Noch etwas. Sicherlich ist es richtig, daß man keine Provisorien baut. Sicherlich ist es furchtbar, wenn man Menschen in Baracken unterbringt. Aber die Notunterkünfte in den Städten sind so viel schlechter, so viel erbärmlicher als Barackenwohnungen, daß die Versuchung, dorthin auszuweichen, für die Länderregierungen immer wieder bestehen wird. Es ist zu hoffen, daß das, was jetzt geplant ist, schnell vorwärtskommt, daß diese in unmöglicher Weise aufgestauten Mittel durch mehr Initiative als vorher, durch mehr Phantasie als vorher nun wirklich in Fluß kommen und die Mittel rasch verbaut werden,

(Abg. Rehs: Das ist im ganzen Unfug!)




Eichelbaum
— warum das Unfug sein soll, sehe ich nicht ganz ein —, so daß wir nicht in einem Jahre vor einer ähnlich schwierigen Lage stehen und der Ruf nach Baracken erneut geäußert wird.
Es ist schon wahr, daß zum Bauen Steine gehören.

(Zuruf von der SPD: Und Geld!)

Es ist schon wahr, daß zum Bauen Geld gehört. Aber ich glaube, das ganze Problem wird nicht erfaßt, wenn man nicht weiß, daß zum Bauen auch etwas anderes gehört, das von höchster Notwendigkeit ist: guter Wille auf allen Seiten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0301309600
Das Wort hat der Abgeordnete Jaksch.

Dr. Wenzel Jaksch (SPD):
Rede ID: ID0301309700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hinter der heutigen Aussprache steht ein großer menschlicher Notstand. Wir sollten alle bemüht sein, als Ergebnis dieses stundenlangen Meinungsaustausches den einmütigen Willen des Hauses zum Ausdruck zu bringen, daß künftig schneller, zweckmäßiger und umfassender geholfen wird bei dem großen Notstand der Spätaussiedler und SBZ-Flüchtlinge.
Sicherlich kann der Bundestag bei einer solchen Erörterung nicht an der Frage der Verantwortlichkeit vorbeigehen. Wir haben darüber verschiedene Meinungen gehört. Ich glaube es gerade in diesem Stadium der Debatte sagen zu müssen, daß auch die Schwierigkeiten, die mit diesem Problem verbunden sind, eine objektive Erörterung verdienen. Es geht bei dieser Debatte viel weniger darum, Sündenböcke zu finden, als Auswege zu zeigen.
In diesem Punkt darf ich mich mit ein paar Worten von der Auffassung des Kollegen Dr. Preusker abgrenzen, der meinte, daß die an sich sehr maßvollen Ausführungen meines Kollegen Dr. Brecht und seine paar Hinweise auf die Finanzierungspolitik der Bundesregierung sozusagen die Fackel der Zwietracht in dieses Haus hineingeworfen hätten. Nein, meine Damen und Herren, der Versuch, in dieser wichtigen Frage die Länder auf die Anklagebank zu setzen, geht schon bis zur letzten Haushaltsdebatte des 2. Bundestages zurück.
Dieser Versuch wird fortgesetzt in Zeitungen, die der Bundesregierung nahestehen. Ich zitiere hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten nur die Titel einer entsprechenden Abhandlung in einer Flüchtlingszeitung, die sicherlich der Bundesregierung nicht fernsteht. Hier war am 2. Februar zu lesen: „Länderregierungen vergrößern Flüchtlingsnot", „Wohnungsbau-Millionen eingefroren", „Durch Mitschuld der Länder müssen noch 500 000 Menschen in Lagern leben".

(Abg. Rehs: Hört! Hört!)

Das war so die psychologische Vorbereitung der heutigen Debatte. Und hier fielen nun wiederum neue Behauptungen über die „säumigen Länder", die, wie wir heute hörten, vier Monate gebraucht
hätten, bis sie sich zu dem Angebot in dem „Kanzlerplan" vom August vorigen Jahres äußerten.
Ich darf den Klarstellungen, die bereits von den Sprechern von der Bundesratsbank erfolgt sind, noch eines hinzufügen. Es ist mir bekannt, daß über den sogenannten Kanzlerplan ausführliche Beratungen der Länderbauminister mit dem Bundesministerium für Wohnungsbau gepflogen wurden. Es gab einen ausführlichen Meinungsaustausch, z. B. darüber, von welchem Zeitpunkt an diese Hälfte der Baukosten gerechnet werden solle. Es stellte sich heraus — das weiß ich zufällig von dem Wohnungsbauminister des Landes Hessen —, daß sich das Angebot nur auf die Baukosten des Jahres 1956 bezog,

(Abg. Rehs: Hört! Hört!)

die in der Zwischenzeit schon überholt waren. Genauso ist bekannt, daß sich das Angebot nur auf die durchschnittlichen Baukosten im Landesmaßstab bezogen hat, die wiederum in den Einzugsgebieten höher sind. Wenn man hier nicht absichtlich eine schlechte Atmosphäre zwischen der Bundesregierung und den Länderregierungen schaffen will, müßte man doch gerade von der Bundesregierung aus solche Vereinfachungen klarstellen. Ich hätte
gern gehört, daß der Herr Bundeswohnungsbauminister Lücke hier seine Kollegen aus den Länderregierungen, mit denen er in der Zwischenzeit über diese Finanzierungsmöglichkeiten beraten hat, gegen einen solchen Angriff in Schutz genommen hätte.

(Sehr gut! und Sehr wahr! bei der SPD.)

Ich hätte auch gern ein freundliches Wort von dem Herrn Bundesminister für Vertriebene über die Arbeit der Flüchtlingsverwaltungen der Länder auf diesem Gebiete gehört. Denn ohne die Arbeit der Länderflüchtlingsverwaltungen käme man ja an das Problem gar nicht heran. Die schlichte Wahrheit ist — das sage ich aus eigener Erfahrung; ich habe das einige Jahre auf der Länderebene miterlebt —, daß die Unterbringung einer nach Hunderttausenden Menschen zählenden Neubevölkerung um so schwieriger ist, je mehr sie sich auf die untere Ebene verlagert. Das einfachste sind die Begrüßungsreden in Friedland.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Bei den Ländern kommt der Flüchtling an, nicht in der Husarenstraße in Bonn. Die Länder haben sich mit dem menschlichen Problem in natura auseinanderzusetzen, und die Länder müssen dann diese Verantwortung auf die Kreise, auf die Gemeinden delegieren.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir könnten über die Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben, in einer solchen Aussprache objektiv und mit der nötigen Fairneß sprechen. Stellen Sie sich die Lage eines kleinen Bürgermeisters in einem Landkreis vor! Alle, die ihm übergeordnet sind, haben ein Weisungsrecht. Die Bundesregierung muß das im Benehmen mit den Länderregierungen machen. Das Land weist in den Kreis ein. Der Kreis weist in die Gemeinde ein. Der einzige, der kein Weisungsrecht



Jaksch
in der Wohnraumfrage hat, ist der Bürgermeister, ist das Wohnungsamt.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen]: Gott sei Dank!)

— Sie sagen „Gott sei Dank". Darauf sage ich Ihnen folgendes: Das Nebenproblem der Wohnraumbewirtschaftung ist hier schon ausgeklammert worden. Aber ich will dazu feststellen, daß der außerordentliche soziale Notstand von Hunderttausenden neu einströmender Menschen ein bißchen in Widerspruch steht zu der Illusion der Normalisierung der Wirtschaft und der Sozialstruktur in Westdeutschland.
Noch ein paar Bemerkungen zu einer Seite des Problems, die in dieser Aussprache leider gar nicht richtig angesprochen worden ist. Es geht ja um zwei Dinge. Es geht um die wohnraummäßige Unterbringung, und es geht auch um die wirtschaftliche Eingliederung dieses Personenkreises. Die Länder könnten es sich leicht machen, wenn sie die SBZ-Flüchtlinge und die Aussiedler in die Notstandsgebiete verbannten, wenn sie sie in die Landkreise hinausschickten, wo es zwar Wohnraum gibt, aber keine Arbeitsplätze. Je mehr sich eine Landesregierung bemüht, diese Menschen wirtschaftlich und existentiell an den Schwerpunkten des Wirtschaftslebens einzugliedern, um so größer sind die Schwierigkeiten, die mit der Wohnraumbeschaffung verbunden sind.

(Beifall bei der SPD.)

Ich will die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses angesichts der fortgeschrittenen Zeit nicht durch eine ausführliche Polemik gegen den Kollegen Dr. Czaja in Anspruch nehmen. Ich habe eine große Vorliebe für die Schwaben. Aber wenn sich Sudetendeutsche hier als Oberschwaben vorstellen und die württembergische Sozialstruktur zum Normalzustand der Bundesrepublik erklären wollen, muß ich dagegen einen kleinen Einwand erheben. Die Württemberger haben aus historischen Gründen ihre Industrie auf das ganze Land verteilt.

(Abg. Dr. Czaja: Aber heute leider nicht mehr!)

Sie haben das große Schwerpunktproblem der anderen Länder nicht. Hier wurde mehrfach das Beispiel des Wohnungstausches mit dem Altwohnraum zitiert.

(Abg. Dr. Czaja: Die Hälfte!)

Ich habe in meiner Tätigkeit als Leiter des hessischen Landesflüchtlingsamtes ungefähr 30 000 Familien umgesiedelt.

(Abg. Dr. Czaja: Wann war das?)

— Entschuldigen Sie einmal! Freuen Sie sich mal über diese Tatsache, und verlangen Sie nicht noch zeitliche Aufklärung! Das geschah immerhin innerhalb von fünf Jahren!
Man müßte hier einmal die Erfahrungen in den wirtschaftlichen Schwerpunktgebieten mit der Möglichkeit des Wohnungstausches zu Worte kommen lassen. Sie bekommen doch im Einzugsgebiet von
Frankfurt überhaupt keine bewohnbare Altwohnung im Tausch gegen eine Neubauwohnung.

(Abg. Dr. Czaja: Fahren Sie doch nicht nach Frankfurt!)

— Sehen Sie, Herr Kollege Czaja, darauf wollte ich Sie noch hinweisen! Sie haben sich ja mal hinbemüht, um die Versäumnisse der hessischen Verwaltung festzustellen.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Ich lade Sie ein, sehen Sie sich eine der schönsten Eigenheimsiedlungen der Bundesrepublik an, das ist die Sudetenland-Siedlung auf dem Wege von Frankfurt nach Bad Vilbel mit über 200 Eigenheimen. Ich bin nicht ganz unbeteiligt daran, daß die dort stehen. Diese Siedlung ist ein Denkmal, nämlich ein Denkmal dafür, daß es kein Siedlungsgelände für Eigenheime im Einzugsgebiet von Frankfurt mehr gibt. Das nächste Gelände, das uns angeboten wurde, ist 20 km weiter südlich des Mains im Landkreis Offenbach gelegen. Wir haben durch die Landesflüchtlingsverwaltung bei SBZ-Flüchtlingen Umfrage halten lassen, wer sich dort für ein Eigenheim interessiert. Wenn Sie einmal bei uns in Wiesbaden vorbeikommen, lassen Sie sich das Ergebnis zeigen! Diese armen Menschen, die hier ohne das Nötigste ankommen, können an ein Eigenheimprojekt zunächst ja gar nicht herangehen.

(Abg. Dr. Czaja: Im Tausch, haben wir gesagt!)

— Verzeihung, Sie haben das Thema hineingeworfen. Ich sage bloß, es ist eine Illusion, zu glauben, daß in den wirtschaftlichen Einzugsgebieten noch das Baugelände für Ihre großzügigen Eigenheimlösungen zu finden sei, von denen Sie heute gesprochen haben.

(Abg. Dr. Czaja: Dort wollen wir gar nicht hin! — Zuruf von der SPD: Wo wollen Sie denn hin, Herr Czaja? — Abg. Erler: Dorthin, wo es keine Arbeit gibt!)

Wenn wir wollen, daß die Menschen an die Arbeitsplätze herankommen, müssen wir an die Beseitigung der größten Schwierigkeiten bei der Wohnraumbeschaffung herangehen. In vielen Fällen sind Zwischenlösungen kaum zu vermeiden. Ich habe mir vor dieser Debatte einige dieser Zwischenlösungen angesehen. In einem Punkte möchte ich den Kollegen Kuntscher freundschaftlich berichtigen. Er soll einmal mitkommen nach Langen oder Hochheim. Dort sind neue Wohnblocks gebaut worden, wo die SBZ-Flüchtlinge und Aussiedler in abgeschlossenen Räumen untergebracht sind; leider besteht der Nachteil, daß die Küche gemeinsam benutzt werden muß. Das ist eine Zwischenlösung. Aber, Herr Kollege Kuntscher, der Tatbestand ist, daß die Leute dort nicht rauswollen. Sie haben zunächst gar nicht die Mittel, sich eine größere Wohnung einzurichten. Sie benutzen diesen Aufenthalt zum Ansparen für die Anschaffungen, die sie später einmal machen wollen.

(Abg. Kuntscher: Kein Dauerzustand!)


Jaksch
— Da sind wir einer Meinung, Herr Kollege Kuntscher. In diesem Punkte brauchen wir uns nicht weiter auseinanderzusetzen.
Ich möchte sagen, man soll nicht lediglich auf die Länder Steine werfen, sondern man soll sich auch einmal ansehen, was die Länder gut gemacht haben. Ohne die Initiative und Mitarbeit der Länderflüchtlingsverwaltungen wäre das Bundesministerium für Vertriebene ein Torso; es könnte nicht eine einzige kinderreiche Vertriebenenfamilie unterbringen.
Wir stehen vor einem Engpaß. Die Ursachen sind hier schon ausführlich erörtert worden. Wir haben einen Anstau der Mittel, wir haben eine wachsende Belegung in den Lagern und ein weiteres Einströmen von Umsiedlern und Sowjetzonenflüchtlingen. Der Antrag, den Kollege Brecht hier vorgetragen hat, ist nicht der Versuch des Lizitierens. Wenn wir die aufgestauten Mittel abfließen lassen wollen, dann müssen wir für eine Übergangsperiode den Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge attraktiv machen; dann müssen wir auch dafür sorgen, daß auf dem Baumarkt die Projekte für Sowjetzonenflüchtlinge nicht unterfinanziert neben andere vollfinanzierte Projekte treten.
Ohne Kühnheit, ohne die Großherzigkeit, einmal den Bundesbeitrag auf zwei Drittel der Kosten zu erhöhen, werden Sie mit diesem Anstau nicht fertig werden. Sie werden nur erreichen, daß sich die Länder künftig lauter zu Wort melden und daß sie sich energischer gegen unbegründete Vorwürfe wehren, als es heute geschehen ist.

(Beifall bei der SPD.)


(Vorsitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301309800
Der Bundesminister für Vertriebene hat das Wort.

Dr. Theodor Oberländer (CDU):
Rede ID: ID0301309900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zur Richtigstellung: Es ist sehr leicht, zu sagen, daß einfachste seien die Begrüßungen in Friedland. Ich möchte richtigstellen, daß weder ein Bundesminister noch ein Landesminister je einen Transport von Flüchtlingen oder Spätaussiedlern in Friedland begrüßt hat. Es ist jedermann bekannt, daß dort nur ein Vertreter des Roten Kreuzes und ein Geistlicher für beide Konfessionen die Ankommenden begrüßen und jede politische Begrüßungsrede grundsätzlich entfällt. Ich möchte das nur der Richtigkeit wegen feststellen.
Im übrigen darf ich sagen, daß ich die Arbeiten der Länderflüchtlingsverwaltungen überall gelobt habe. Ich werde es auch übermorgen in Berlin auf der Tagung der Länderflüchtlingsverwaltungen wieder tun. Aber das Bauen, über das wir heute reden, wird nicht von den Länderflüchtlingsverwaltungen, sondern von anderen Verwaltungen durchgeführt. Deswegen, Herr Kollege Jaksch, hat das
nicht ganz hierher gepaßt. Das nur zur Klarstellung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301310000
Herr Abgeordneter Dr. Brecht!

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0301310100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entschuldigen Sie, es wird nicht sehr lange dauern, aber Sie können mir nicht zumuten, daß ich nach den massiven Angriffen von Herrn Kollegen Dr. Czaja, die angeblich keine Anklagen waren, ganz schweige. Es ist ja so getan worden, als ob keine Anklagen erhoben würden, weder gegen die Länder noch gegen die Wohnungsunternehmen, noch gegen die SPD, und die ganze Rede von Herrn Dr. Czaja war dann von A bis Z nichts anderes als eine Polemik und Anklage gegen die verschiedensten Stellen.

(Zustimmung bei der SPD.)

Dabei hatte ich in meinem ersten Beitrag neben der Begründung unseres Antrags nichts anderes im Sinne, als eine Brücke zu schlagen zu einem gemeinsamen Handeln und zu einem objektiven Untersuchen der Dinge. Was ist dann daraus gemacht worden! Deshalb muß ich noch dazu kurz Stellung nehmen, ohne auf materielle Fragen im einzelnen einzugehen.
Herr Dr. Czaja sagt zwar, meine ganze Argumentation über das Zuspät stimme nicht. Tatsächlich mußte er zugeben, daß, wenn man genau rechnet, diese Argumentation des Zuspät stimmt, nämlich weil er es mit dem einzelnen Rechnungsjahr verglichen hat, aber nicht mit den Jahren, die die Flüchtlinge und die Aussiedler bereits in den Lagern saßen.
Herr Dr. Czaja sagt zum anderen, das Zuwenig stimme auch nicht. Ja, meine Damen und Herren, dann frage ich Sie, weshalb haben Sie dann die Große Anfrage überhaupt gestartet? Weshalb haben Sie dann selbst Klage und Kritik vorgebracht? Weshalb mußten denn dann die Förderbeträge von 6000 auf 8000 DM und danach von 8000 DM auf 50 °/o 'erhöht werden, wenn nicht bewiesen ist, daß die Mittel tatsächlich nicht gereicht haben?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301310200
Herr Abgeordneter, wollen Sie eine Zwischenfrage beantworten?

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0301310300
Bitte sehr!

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0301310400
Herr Kollege Dr. Brecht, wie erklären Sie mit Ihrer Entlastung betreffend Zuspät die Tatsache, daß 500 Milionen DM, die vom Bund bereitgestellt waren, viele Monate lang unabgerufen gelegen haben?

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0301310500
Herr Dr. Czaja, nun will ich Ihnen nochmals sagen, wenn Sie es noch nicht ganz begriffen haben, weshalb die Mittel teilweise nicht verbaut wurden. Als die Programme gestartet wur-



Dr. Brecht
den, konnte nur ein Teil der Programme mit Hilfe dieser zu geringen 8000 DM je Wohnung durchfinanziert werden, und eine Mehrfinanzierung mußte aufgebracht werden. Teilweise haben das die Länder mit eigenen Mitteln geschafft, teilweise ist es aber nicht gelungen. Deshalb haben sich alle, auch der Herr Bundeswohnungsbauminister, früher Herr Dr. Preusker, darum bemüht, daß die Mittel erhöht wurden. Und wir sollten uns doch alle freuen, daß sie erhöht worden sind, und sollten nach meiner Meinung alle gemeinsam darum kämpfen, daß die Mittel für den SBZ-Wohnungsbau noch weiter gesteigert werden.
Ferner wirft mir Herr Dr. Czaja fortgesetzt vor, obwohl er es eigentlich besser wissen muß, meine Freunde und ich träten immer nur für Sonderprogramme und nicht für die Tauschmöglichkeiten ein. Ganz und gar nicht! Das ist von dieser Stelle und von meinen Freunden nicht erklärt worden. Wir haben durchaus gesagt: Wir sind auch für die Tauschmöglichkeiten. Aber wir haben hinzugefügt: Bitte nicht mit Zwang, bitte unter Vorsicht, damit nicht den Sowjetflüchtlingen und den Aussiedlern unzumutbare Wohnungen in Altbauten, in Bruchbuden und dergleichen zugewiesen werden. Also vor diesen Dingen warnen wir. Im übrigen, wo Tauschmöglichkeiten gegeben sind — ja. Aber in den Tauschmöglichkeiten, Herr Dr. Czaja und meine Damen und Herren, liegt doch nicht das Allheilmittel für dieses Problem. Das kann da und dort und vielleicht in Baden-Württemberg besser als irgendwo anders gemacht werden, aber man kann es nicht überall machen. Man soll das nicht zum Allheilmittel erklären, womit das ganze Problem irgendwie gelöst würde.

(Abg. Reitzner: Schließlich muß man wissen, was angeboten wird!)

Hinzu kommt in soundso viel Gemeinden — das werden Ihnen alle Bürgermeister und Wohnungsämter bestätigen können —: Wenn ein Einheimischer aus einer zu kleinen Wohnung herausgeht und sich ein Eigenheim baut, ist damit noch gar nicht gesagt, daß die Wohnung, die frei wird, ausgerechnet für den Flüchtling oder den Aussiedler bereitgestellt wird, ob der private Eigentümer bereit ist, etwa die Flüchtlingsfamilie aufzunehmen und die Wohnung an sie zu vergeben, oder ob da nicht Ausbreitungswünsche auftreten. Wir kennen doch die Dinge.
Herr Dr. Czaja hat die Auffassung, die SPD-Fraktion und ich besonders seien fanatische Gegner des Eigenheimbaues, so wie er ein fanatischer Kämpfer für den Eigenheimbau ist. Die SPD kann Herrn Dr. Czaja erklären, soviel sie will; sie kann ihm noch soviel vordemonstrieren — immer und immer wieder wird er mit demselben Vorwurf kommen. Wir beweisen, sowohl die gewerkschaftlichen Wohnungsunternehmungen wie andere Wohnungsunternehmungen wie meine Freunde drüben in ihrer Arbeit, wo sie irgendwie stehen: wo Eigenheime, Familienheime, gebaut werden können, auch für Sowjetzonenflüchtlinge, sind wir durchaus dafür und fördern ihren Bau. Aber wir wissen, es gibt eine
Realität, und diese Realität besagt: damit allein kann das Problem nicht gelöst werden.

(Abg. Dr. Czaja: Sie schöpfen diese nicht aus!)

Wir haben nur die Hoffnung, daß Herr Dr. Czaja diesen Komplex kontra SPD und kontra mich persönlich hinsichtlich des Eigenheimbaues vielleicht einmal durch die Einsicht in die Dinge, wie sie wirklich sind, zu überwinden vermag.

(Zuruf des Abg. Dr. Czaja.)

— Herr Dr. Czaja, wenn Sie es wirklich wollten und wenn Sie innerlich bereit wären, Ihren Komplex in diesen Dingen zu überwinden, — die Sachlage ist längst klar, die Tatsachen liegen längst vor, nämlich schon aus Zeiten, als Sie mit Wohnungsbau noch gar nichts zu tun hatten.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301310600
Der Herr Abgeordnete Dr. Hesberg hat das Wort.

Dr. Carl Hesberg (CDU):
Rede ID: ID0301310700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion darf ich erklären: wir sind damit einverstanden, daß der Antrag der SPD dem Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht überwiesen wird. Wir möchten dort die Diskussion fortsetzen, die in ihren Einzelheiten hier doch nicht ausgetragen werden kann. Erlauben Sie mir gleichwohl, doch noch einige Bemerkungen zu diesem Antrag zu machen, und zwar zu dem, was Herr Kollege Brecht dazu hier ausgeführt hat.
Herr Kollege Brecht hat dazu aufgerufen, sich auf den Boden der Realitäten zu stellen. Darin klingt gewissermaßen die Auffassung durch, die Abgeordneten der Regierungskoalition seien keine Realisten. Meine Damen und Herren, wenn wir das nicht wären, hätten wir in den vergangenen Jahren nicht die Leistungen im Wohnungsbau aufzuweisen, die wir als Erfolgsbilanz doch immerhin herausstellen können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dabei geben wir gern zu, daß dies nicht allein unser Verdienst ist, sondern das Ergebnis einer Gemeinschaftsleistung von Bund, Ländern, Gemeinden und den verschiedenen Bauträgern.
Daß aber auch die Bundesregierung und der Herr Wohnungsbauminister eine realistische Auffassung vertreten, hat doch die Beantwortung der Großen Anfrage sehr deutlich gezeigt, und dafür danken wir dem Herrn Wohnungsbauminister ganz besonders. An dem, was er an Maßnahmen vorgesehen hat, ist in diesem Hause kein Wort der Kritik lautgeworden.
Nun noch eine kurze Anmerkung zu dem Antrag der SPD. Der Antrag verlangt in den Ziffern .1 und 3 praktisch eine Vollfinanzierung bis auf die erststellige Hypothek.

(Zuruf von der SPD: Nein!)

— Doch! — Meine Herren, haben Sie sich auch überlegt, welche Mehrbelastung dem Bundeshaushalt



Dr. Hesberg
hieraus erwächst? Ich habe die Herren des Wohnungsbauministeriums einmal gefragt: allein aus diesen Ziffern i und 3 erwächst eine Mehrbelastung von etwa 400 Millionen DM auf der Basis der Bauprogramme der letzten Jahre. Vor allen Dingen aber sind wir der Meinung, daß bei einer so weitgehenden Finanzierung mit öffentlichen Mitteln, bei der keine Interessenquote des Bauherrn mehr zur Geltung kommt, ohne Zweifel eine Tendenz der Baukostensteigerung zu befürchten ist. Wenn das Eigeninteresse nicht genügend vorhanden ist, ist der Bauherr leider zu leicht geneigt, Baukosten in Kauf zu nehmen, die derjenige, der selbst ein Risiko mitträgt, nicht so ohne weiteres zu bewilligen bereit ist.
Ich will nicht das berühren, was Herr Kollege Preusker schon hervorgehoben hat, daß im Wohnungsbaugesetz — der Herr Bundeswohnungsbauminister hat das auch angeschnitten — auch andere Möglichkeiten vorhanden sind, beispielsweise Zinszuschüsse und Mietbeihilfen. Darüber wollen wir uns im Ausschuß unterhalten.
Nur eins möchte ich erwähnen. Hier ist gesagt worden, die Gemeinden müßten einen Ausgleich für die Folgekosten bekommen, und die Länder würden überbeansprucht. Wenn die Länder nach dem Grundgesetz die Mitbestimmung auf diesem Gebiet haben, kann man bei dieser Zusammenarbeit wohl auch erwarten, daß die Länder ein Ihriges zu den Aufgaben des Wohnungsbaues durch Finanzierung mit beitragen. Wir erkennen dankbar an, daß einige Länder hierin Großes geleistet haben; das soll in keiner Weise geschmälert werden. Wenn aber namentlich die Folgekosten der Gemeinden aufgerollt werden, möchte ich doch sagen: die Wohnungsfrage ist nicht nur eine soziale, sondern auch eine wirtschaftliche Frage, und man sollte die Aufgaben durch das Wachsen der Gemeinden auch etwas kaufmännisch sehen. Wenn die Gemeinden aus den Kreisen der Zuwanderer aus der sowjetisch besetzten Zone und durch Aussiedler Zuwachs bekommen, liegt darin auf die Dauer eine Steigerung der Wirtschaftskraft und eine Stärkung der Steuerquellen der Gemeinden. Auch unter diesem Aspekt sollte man die Dinge sehen und nicht unbesehen fordern, daß alle Folgekosten vom Bund ersetzt werden.
Im übrigen schließt gerade die Ziffer 2 des Antrags der SPD zusätzliche Belastungen für den Bundeshaushalt in sich, so daß nach der Diktion des Antrags der SPD für das Haushaltsjahr 1958 insgesamt ein Mehr von 1,3 Milliarden DM herauskommen würde. Aber darüber wollen wir uns im Ausschuß unterhalten. Wir sind damit einverstanden, daß der Antrag dem Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht überwiesen wird.
Lassen Sie mich abschließend bitte noch einige Worte zur Begründung des Ihnen vorliegenden Antrags der Fraktionen der Regierungskoalition sagen. Vorhin ist im Anschluß an die Beantwortung der Großen Anfrage die Begründung des Antrags der SPD erfolgt. Es bedarf nach den Ausführungen meiner Freunde zur Großen Anfrage, insbesondere nach der Antwort des Herrn Bundesministers für Wohnungsbau nur weniger Worte.
Der vorliegende Antrag zieht die Folgerungen
aus den Fakten und Besorgnissen, die zu der Großen Anfrage der Koalitionsfraktionen geführt haben und die durch die Ausführungen des Herrn Wohnungsbauministers erfreulicherweise zu einem großen Teil zerstreut worden sind. Der Antrag, den wir gestellt haben, bezweckt, daß Bund und Länder den raschen Abfluß aller Gelder sichern, die für die Zuwanderer aus der sowjetisch besetzten Zone und für die Aussiedler bereitgestellt werden. Wir wünschen ferner eine Basis für die Kontrolle der Mittel, die für dieses Sonderprogramm ausgegeben werden, und möchten diese durch eine Gegenüberstellung der angesetzten Mittel und der Zahl der Untergebrachten in das Berichtssystem des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes eingegliedert wissen. Da sich die Wohnungsversorgung der Zuwanderer aus der sowjetisch besetzten Zone und der Aussiedler nach den Grundsätzen des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes praktisch zu vollziehen hat, spricht sich der Antrag in Übereinstimmung mit den eindeutigen Auffassungen des Herrn Bundeswohnungsbauministers und auch der Herren der Opposition gegen Provisorien in Gestalt von Schlicht- und Notwohnungen aus und fordert die Verbindung dieser Wohnungsversorgung mit den Eigentumsmaßnahmen, die das Wohnungsbau- und Familienheimgesetz in den Vordergrund stellt. Auch hier darf ich einschalten, daß wir nicht die Ideologen sind — das klang in etwa aus manchen Ausführungen, die hier heute gemacht worden sind —, von denen gesprochen wurde. Es ist ein ganz reales Anliegen, das auch der Herr Kollege Jaksch herausgestellt hat: die Korrektur unserer Sozialordnung durch die Verwendung der öffentlichen Mittel für die Eigentumsbildung. Es ist unser Wunsch, daß die durch den Krieg gestörte Sozialordnung gebessert wird.
In Erkenntnis der hier und da auftretenden Schwierigkeiten bei der Baulandbeschaffung und Erschließung größeren Terrains, namentlich bei deren Finanzierung, ist es den Antragstellern ein ernstes Anliegen, im Antrag zum Ausdruck zu bringen, daß die Möglichkeiten der Vorfinanzierung, die das Wohnungsbaugesetz bietet, weitestgehend ausgeschöpft werden sollten. Es ist den Koalitionsfraktionen ebenso wie den Kollegen der Opposition ein ernstes Anliegen, daß sich diejenigen, die als Aussiedler und SBZ-Zuwanderer in die Bundesrepublik gekommen sind bzw. kommen und sich einem Durchgang durch die Aufnahmelager unterziehen bzw. Notunterkünfte beziehen müssen, sobald wie möglich der Geborgenheit in Freiheit, die nur durch eine menschenwürdige Wohnung gewährleistet werden kann, erfreuen können. Daher erbitte ich Ihre Zustimmung zu dem Antrag unserer Fraktion.
Gestatten Sie mir noch zwei Bemerkungen in diesem Zusammenhang. Wir, die wir als Wohnungsbauspezialisten dieses Hohen Hauses uns der Aufgabe verschrieben haben, auf der Grundlage der wohnungspolitischen Zielsetzungen des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes die Wohnungsnot so schnell wie möglich zu beseitigen,



Dr. Hesberg
möchten es bei der heutigen klärenden Aussprache keineswegs bewenden lassen. Wir möchten in dem Bestreben, unsere Bemühungen in engstem Kontakt mit der Praxis fortzusetzen, auf Anregung aus unseren Kreisen und mit Genehmigung des Herrn Bundestagspräsidenten durch eine Delegation des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht die Lager und die Maßnahmen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein studieren, um uns einen praktischen Einblick in die gegebene Situation zu verschaffen. Diese Reise gedenken wir Ende März dieses Jahres auszuführen. Dabei werden wir auch prüfen, ob und in welcher Weise die im engeren Kreise meiner politischen Freunde angestellten Erwägungen durchführbar sind, durch Verwendung von Fertighäusern — wir denken hierbei unter anderem an schweizerische Holzhäuser und dergleichen — kosten- und zeitsparende Bauweisen nutzbar zu machen, Bauweisen, die sich in Ländern mit hoher Wohnungskultur durchaus bewährt haben und nach unserer Überzeugung geeignet erscheinen, den Zielen beschleunigt näherzukommen, die zu unserer Großen Anfrage und zu unserem Antrag Anlaß gegeben haben.
Ich darf daher nochmals bitten, dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion und der DP-Fraktion Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301310800
Zu Punkt 1 der Tagesordnung liegen keine Wortmeldungen mehr vor; die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag Umdruck 14 zu der Großen Anfrage, also zu Punkt 1 a der Tagesordnung.
Über diesen Antrag soll abgestimmt werden, wenn ich Sie recht verstanden habe; es soll nicht überwiesen werden. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. -- Gegenprobe! — Wenn ich recht sehe, ist alles damit einverstanden. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen, keine Gegenstimmen. Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Nun kommt der Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 231. Hier ist Überweisung an den Ausschuß für Wohnungswesen und an den Haushaltsausschuß beantragt. — Das Haus ist mit dieser Überweisung einverstanden.
Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet Drucksache 156).*)
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen; die Aussprache ist geschlossen. Beantragt ist Überweisung an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Heimatvertriebene zur Mitberatung. — Das Haus ist damit einverstanden.
*) Siehe Schriftliche Begründung Anlage 3
Punkt 3 der Tagesordnung ist abgesetzt. Punkt 4:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Protokoll zur Verlängerung der Geltungsdauer der Konvention der Vereinten Nationen vom 6. April 1950 über die Todeserklärung Verschollener (Drucksache 168).
Allgemeine Aussprache, erste Lesung. — Keine Wortmeldungen; die Aussprache ist geschlossen. Überweisung an den Rechtsausschuß ist beantragt. -- Das Haus ist damit einverstanden.
Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Südafrikanischen Union zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Einkünften aus dem Betrieb der Seeschiffahrt und der Luftfahrt (Drucksache 170).
Ich eröffne die Beratung. — Keine Wortmeldungen; die Aussprache ist geschlossen. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Finanzausschuß. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 6:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vorratslagerhaltung an Lebensmitteln und Rohstoffen (Vorratslagergesetz) (Drucksache 139).`)
Die einbringende Fraktion verzichtet auf mündliche Begründung und bringt schriftliche Begründung. Schriftliche Erklärungen werden ebenfalls noch eingereicht.
Ich mache darauf aufmerksam, daß das Protokoll morgen abend in Druck gehen muß. Wenn also Erklärungen zu dieser Sache noch für das Protokoll nachgebracht werden sollen, dann bitte bis morgen abend um 18 Uhr — nicht wahr, Herr Dr. Koppert?

(Regierungsdirektor Dr. Koppert: Jawohl!)

Um 18 Uhr ist Redaktionsschluß -- auch ein Novum!
Ich eröffne die Aussprache -- und schließe sie, da Wortmeldungen nicht vorliegen. Es ist Überweisung gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß, an den Wirtschaftsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung vorgeschlagen. — Kein Widerspruch. Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der
FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
*) Siehe Schriftliche Begründung Anlage 4



Präsident D. Dr. Gerstenmaier
zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes (Drucksache 165).*)
Ich eröffne die Beratung. — Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.

(Zuruf von der FDP: Schriftliche Begründung!)

— Auch das nehmen wir auf; aber ebenfalls, wenn ich bitten darf, bis morgen um 18 Uhr!
Vorgeschlagen wird Überweisung an den Finanzausschuß als den federführenden Ausschuß und den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen zur Mitberatung. — Kein Widerspruch. Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Angestelltenversicherungs - Neuregelungsgesetzes (Zweites Änderungsgesetz—AnVNG) (Drucksache 203).
Ich eröffne die Beratung. — Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
*) Siehe Schriftliche Begründung Anlage 7
Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik und den Ausschuß für Mittelstandsfragen.

(Zuruf: Nur Ausschuß für Sozialpolitik!)

— Der Ausschuß für Mittelstandsfragen kann gestrichen werden? Um so besser!

(Abg. Schmücker: Ich beantrage Abstimmung!)

— Es ist Abstimmung beantragt. Herr Kollege Schmücker, können Sie sich nicht einverstanden erklären? Ein Ausschuß genügt, so ist es in Übung; nur ausnahmsweise nehmen wir mehrere Ausschüsse. Wenn möglich, sollten wir bei der Regel bleiben. — Der Vorschlag auf Mitbeteiligung des Ausschusses für Mittelstandsfragen ist also zurückgezogen. Es bleibt nur der Ausschuß für Sozialpolitik. — Kein Widerspruch. Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Damit ist die heutige Tagesordnung erledigt.
Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Donnerstag, den 27. Februar 1958, 14 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.