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    Deutscher Bundestag 13. Sitzung Bonn, den 26. Februar 1958 Inhalt: Glückwünsche zum 60. Geburtstag des Abg Kraft 565 A Zur Tagesordnung: Rasner (CDU/CSU) 565 B Conrad (SPD) 565 C Frau Kalinke (DP) 565 D Große Anfrage (CDU/CSU, DP) betr. Räumung von Lagern und Notunterkünften durch Schaffung von Wohnungen (Drucksache 72) in Verbindung damit: Antrag der SPD betr. Sondermaßnahmen für den Wohnungsbau zugunsten der Zuwanderer und Aussiedler (Drucksache 231) Kuntscher (CDU/CSU) 566 D Lücke, Bundesminister . 568 D, 601 C, 604 B Dr. Brecht (SPD) 576 B, 614 C Frau Dr. Brökelschen (CDU/CSU) . . . 583 D Dr. Dr. Oberländer, Bundes- minister 586 B, 601 A, 614 B Dr. Will (FDP) 588 C Dr. Czaja (CDU/CSU) 590 C Hemsath, Landesminister (Nordrhein-Westfalen) 598 B Dr. Kaßmann, Landesminister (Nordrhein-Westfalen) 601 D Hauffe (SPD) 604 D Dr. Preusker (DP) 606 A Rasner (CDU/CSU) zur GO . . 608 D, 610 B Erler (SPD) zur GO 609 B Vizepräsident Dr. Schmid zur GO 609 B, D, 610 B, C Dr. Mommer (SPD) zur GO 609 C Ritzel (SPD) zur GO 610 A Eichelbaum (CDU/CSU) 610 D Jaksch (SPD) 612 A Dr. Hesberg (CDU/CSU) 615 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet (SPD) (Drucksache 156) — Erste Beratung — 617 B Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Protokoll zur Verlängerung der Geltungsdauer der Konventionen der Vereinten Nationen über die Todeserklärung Verschollener vom 6. April 1950 (Drucksache 168) — Erste Beratung — 617 C II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen mit der Südafrikanischen Union zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Einkünften aus dem Betrieb der Seeschifffahrt und der Luftfahrt (Drucksache 170) — Erste Beratung — 617 C Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Vorratslagerhaltung an Lebensmitteln und Rohstoffen (FDP) (Drucksache 139) — Erste Beratung — 617 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes (FDP) (Drucksache 165) — Erste Beratung — 617 D Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (CDU/CSU, DP) (Drucksache 203) — Erste Beratung — 618 A Nächste Sitzung 618 C Anlagen 619 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 565 13. Sitzung Bonn, den 26. Februar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 619 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz - 28.2. Frau Albrecht 3.3. Arndgen 28.2. Dr. Baade 28.2. Dr. Barzel 28.2. Dr. Becker (Hersfeld) 15.3. Benda 28.2. Berendsen 28. 2. Bettgenhäuser 26.2. Birkelbach* 28.2. Dr. Birrenbach* 28.2. Burgemeister 26.2. Dr. Deist* 28.2. Frau Döhring (Stuttgart) 26. 2. Dr. Dollinger* 28.2. Dr. Eckhardt 28.2. Eilers (Oldenburg) 28.2. Eschmann 27. 2. Even (Köln) 28. 2. Faller 7.3. Felder 31.3. Dr. Frede 26.2. Frehsee 26.2. Dr. Friedensburg 26.2. Frau Friese-Korn 28.2. Funk 28.2. Dr. Furler* 28.2. Gottesleben 28.2. Haage 26.2. Heiland 26.2. Frau Herklotz 26.2. Dr. Höck 10.3. Höcker 26. 2. Frau Dr. Hubert 28.2. Jacobs 12.3. Dr. Jordan 28.2. Jürgensen 31.3. Kalbitzer 27. 2. Kiesinger 28. 2. Dr. Knorr 26.2. Könen (Düsseldorf) 28.2. Dr. Kopf* 28.2. Dr. Kreyssig* 28.2. Kühlthau 28.2. Kühn (Bonn) 28. 2. Kunze 28.2. Leber 28.2. Lenz (Brühl)* 28.2. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31.3. Mattick 26.2. Mellies 8.3. Mensing 28.2. Dr. Menzel 27. 2. Dr. von Merkatz' 28. 2. Metzger* 28.2. Dr. Meyers (Aachen) 8.3. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Neuburger 28. 2. Frau Niggemeyer 28.2. Dr. Oesterle* 26.2. Oetzel 26.2. 011enhauer* 28.2. Frau Dr. Pannhoff 26. 2. Paul 28. 2. Pelster* 28. 2. Dr. Philipp* 28.2. Scheel* 28.2. Dr. Schild 26.2. Schüttler 26.2. Siebel 1.3. Dr. Siemer 28.2. Solke 28. 2. Stauch 28.2. Frau Strobel 28.2. Unertl 26. 2. Wacher 28.2. Wagner 28.2. Wehner* 28. 2. Weimer 28. 2. Frau Welter (Aachen) 26.2. Dr. Willecke 26. 2. Wienand 26. 2. Wittrock 26. 2. Frau Wolff (Berlin) 27. 2. b) Urlaubsanträge Bazille 18.3. Hellenbrock 24.3. Dr. Rüdel (Kiel) 8.3. Stenger 15.3. Anlage 2 Umdruck 14 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP (Drucksache 72) betr. Räumung von Lagern und Notunterkünften durch Wohnungsbau. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. im Einvernehmen mit den Ländern a) den raschen Abfluß und sofortigen Einsatz aller bereitgestellten und im Rechnungsjahr 1958 bereitzustellenden Bundesmittel für SBZ- und Aussiedlerprogramme zu sichern, bl auf Grund der gemäß § 32 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes zu erbringenden Unterlagen für einen Gesamtbericht und einer bundeseinheitlichen Gestaltung der Lagerstatistik sowie wirksamer Kontrollen den Nachweis zu liefern, daß eine den verbauten Sondenmitteln für die Teilnahme an der Tagung der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. 620 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 entsprechende Zahl von Zuwanderern und Aussiedlern zumutbar untergebracht wurde, c) die Verwendung von Ersparnissen aus pauschalierter Kriegsfolgenhilfe zum Wohnungsbau für Kriegsfolgehilfeempfänger zu erreichen, 2. darauf hinzuweisen, daß a) Provisorien unter allen Umständen vermieden werden und möglichst viele Eigentumsmaßnahmen durch Auswertung von Tauschmöglichkeiten für langjährige Wohnungsuchende zur Durchführung gelangen, b) die finanziellen und organisatorischen Maßnahmen zur Baulandbeschaffung, Erschließung und Raumordnung, wie sie die bestehenden Gesetze, Verordnungen und Abkommen vorsehen, im weitesten Umfang praktiziert werden, 3. dem Bundestag über die gemäß Nummern 1 und 2 ergriffenen Maßnahmen bis zum 30. September 1958 zu berichten. Bonn, den 25. Februar 1958 Dr. Krone und Fraktion Frau Kalinke und Fraktion Anlage 3 Schriftliche Begründung der Abgeordneten Frau Korspeter zu dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet (Drucksache 156) Das Gesetz über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet, das 1950 verabschiedet wurde, hat bereits seit seinem Inkrafttreten Anlaß zu kritischen Betrachtungen von vielen Seiten gegeben. Ich sehe mich deshalb gezwungen, auch auf diese kritischen Betrachtungen des Notaufnahmegesetzes einzugehen, damit die Begründung unseres Gesetzentwurfes in voller Klarheit erkennbar wird. Der Gesetzgeber verfolgte mit diesem Gesetz in erster Linie den Zweck, die Betreuung echter politischer Flüchtlinge sicherzustellen, d. h. im wesentlichen deren Verteilung und Unterbringung in den Ländern zu ermöglichen. Darüber hinaus wollte man die Belastung der Bundesrepublik und Berlins durch die Zuwanderung aus dem sowjetisch besetzten Gebiet auf das politisch gebotene Maß einschränken, wollte eine Sogwirkung in die Bundesrepublik abschwächen und damit der Entvölkerung der Zone entgegentreten. Diese letzten Absichten sollten dadurch verwirklicht werden, daß die Zuwanderung in die Bundesrepublik und nach Berlin möglichst weitgehend erschwert und nur den Personen ermöglicht werden sollte, denen die Aufnahme im Bundesgebiet und in Berlin aus politischen und sozialen Gründen nicht versagt werden konnte. Da die in der Zone lebenden Deutschen aber Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind und als solche das Grundrecht der Freizügigkeit nach Art. 11 auch beim Zuzug in das Bundesgebiet besitzen, wurde dieses Grundrecht durch das Notaufnahmegesetz eingeschränkt. Im § 1 des Gesetzes heißt es, daß die Deutschen aus der Zone, wenn sie sich ohne Genehmigung im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, für den ständigen Aufenthalt einer besonderen Erlaubnis bedürfen. Nach dem Notaufnahmegesetz muß diese Erlaubnis erteilt werden, wenn entweder die im Gesetz vorgesehenen Rechts- oder Ermessensgründe vorliegen oder der Zuwanderer eine ausreichende Lebensgrundlage im Sinne von Art. 11 des Grundgesetzes nachweisen kann. Da nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Zuwanderer nach dem Gesetz einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hat, kann den übrigen Zuwanderern diese Erlaubnis versagt werden. Die Zahl der Abgelehnten hing in den vergangenen Jahren immer davon ab, nach welchen Grundsätzen die Notaufnahmedienststellen — nach Weisung des Vertriebenenministeriums — von ihrem Ermessen Gebrauch machten. Diese Tatsache hat das ganze Verfahren sehr problematisch werden lassen und viel Rechtsunsicherheit geschaffen. Es war keine Seltenheit, daß in der Praxis zwei Flüchtlinge mit denselben Fluchtgründen je nach dem Zeitpunkt der Zuwanderung entweder aufgenommen oder abgelehnt wurden. Selbstverständlich wurden diejenigen, denen die Aufenthaltserlaubnis versagt wurde, nicht in die Zone zurückgeschickt. Sie blieben und bleiben auch heute noch als sogenannte Abgelehnte im Bundesgebiet, bleiben aber von der Möglichkeit der Unterbringung in den Durchgangslagern ausgeschlossen und werden auch nicht auf die Länder verteilt. Die allgemeine Rechtsstellung der Abgelehnten war auch in den ersten Jahren sehr viel schlechter als die der aufgenommenen Zuwanderer. Das hat sich im Laufe der Zeit geändert. Inzwischen ist durch verschiedene Gesetzgebungswerke die in den ersten Jahren bestehende Unterschiedlichkeit in der Rechtsstellung nach und nach beseitigt worden. Soweit Leistungen nach besonderen Betreuungsgesetzen, z. B. nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes oder nach dem Lastenausgleichsgesetz, gewährt werden, ist dafür nicht die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach dem Notaufnahmegesetz Voraussetzung; vielmehr ist hier der Besitz des C-Ausweises für Sowjetzonenflüchtlinge nach dem Bundesvertriebenengesetz maßgebend, über dessen Erteilung ausschließlich die Flüchtlingsbehörden der Länder entscheiden. In den ersten Jahren nach Verabschiedung des Notaufnahmegesetzes wurde bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis sehr zurückhaltend verfahren. Das änderte sich im Laufe der Jahre 1952 und 1953. Die Sperrung der Zonengrenzen führte dazu, daß sich der Flüchtlingsstrom fast ausschließlich auf Berlin konzentrierte. Um Berlin soweit wie möglich zu entlasten, mußte im Einvernehmen zwischen Bund und Ländern weitgehend von der „Ermessensaufnahme" Gebrauch gemacht werden, um die Voraussetzung für eine Verteilung der Zuwanderer auf die Länder zu schaffen. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 621 Frau Korspeter Nachdem nach dem 17. Juni 1953 die Zonengrenzen wieder geöffnet wurden, handhabte man das Verfahren zunächst wieder strenger. Auch damals blieben die Abgelehnten, die nicht in die Verteilung aufgenommen wurden und deren Zahl sich auf Grund eines strengeren Maßstabes, bei der Aufnahme aus Ermessensgründen wieder erhöhte, in Berlin, bis sich Berlin wegen seiner besonderen Lage um eine Entlastung bemühte. Die daraufhin einsetzenden Entlastungsaktionen wurden in der Weise durchgeführt, daß Zuwanderer, denen die Aufenthaltserlaubnis bisher versagt worden war, nunmehr nachträglich ohne Vorliegen neuer Gründe diese Erlaubnis im Ermessenswege erhielten. Die Entwicklung seit dem Sommer 1952 hat dazu geführt und hat es auch sehr deutlich werden lassen, daß das Notaufnahmegesetz zu einem reinen Zuzugs- und Verteilungsgesetz geworden ist. Hinzu kam, daß die Erteilung oder Versagung der Aufenthaltserlaubnis für die betroffenen Zuwanderer keinerlei Rechtsfolgen nach sich zog, so daß viele Zuwanderer aus der Zone die Durchgangslager gar nicht mehr berührten und versuchten, mit eigener Initiative eine Existenz zu gründen. Schon diese Tatsache beweist sehr deutlich, daß das Gesetz seinen ursprünglichen Zweck nicht erreichen konnte und seinen Sinn nicht erfüllt hat. Die Praxis des Notaufnahmeverfahrens wurde weiterhin durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wesentlich berührt und beeinflußt. Bereits in einem Urteil von 1954 wurde entschieden, daß unabhängig von den eigentlichen Gründen nach dem Notaufnahmegesetz die Aufenthaltserlaubnis wegen des Vorhandenseins einer ausreichenden Lebensgrundlage bereits dann zu erteilen sei, wenn der Zuwanderer arbeitsfähig sei und die Möglichkeit besitze, sich eine eigene Existenz zu schaffen. In einer Reihe weiterer Urteile wurde diese Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts noch vertieft. Nach den letzten Urteilen genügt schon die Arbeitskraft, um die Lebensgrundlage oder die Erwartung zu begründen, daß der Antragsteller nicht dauernd hilfsbedürftig bleiben werde. Man mag zu dieser Rechtsprechung stehen, wie man will; aber diese letzten Urteile haben sich zur ständigen Rechtsprechung entwickelt. Diese steht jetzt in Widerspruch zu der früher geübten Praxis des Notaufnahmeverfahrens, in der man eine ausreichende Lebensgrundlage nur dann anerkannte, wenn vom Zuwanderer bereits eine Arbeitsstelle oder eine Wohnung nachgewiesen werden konnten. Die notwendige Anpassung der bisher geübten Praxis an die Rechtsprechung mußte zwangsläufig eine Auflockerung und eine Ausweitung der Aufnahmequote nach sich ziehen. Das hat in der Praxis dazu geführt, daß die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nunmehr der Regelfall ist. Im November 1957 hatten wir beispielsweise in allen drei Durchgangslagern eine Gesamtzahl von nur 65 Personen, denen die Aufenthaltserlaubnis nicht gegeben wurde. Diese Situation zwingt zu einer grundlegenden Reform; denn sie hat das Notaufnahmegesetz und die früher geübte Praxis des Verfahrens letzten Endes ad absurdum geführt. Die Tatsache, daß die Aufnahmequote jetzt so hoch ist, beweist, daß das Gesetz in der heutigen Form überholt ist. Sie beweist auch, daß wir den ganzen schwerfälligen und teuren Verwaltungsapparat der Aufnahme- und Beschwerdeausschüsse — durch den wir doch niemals eine exakte Kontrolle sämtlicher Zuwanderer erreichen können — nicht mehr nötig haben und nach neuen Wegen suchen müssen. Sicher gibt es unterschiedliche Auffassungen über die Bremswirkungen des Notaufnahmegesetzes. Wir sind aber der Meinung, daß das Argument, das Notaufnahmegesetz übe eine gewisse Bremswirkung aus und trete einer Sogwirkung entgegen, nach den Erfahrungen nicht aufrechterhalten werden kann. Die Entwicklung hat deutlich gemacht — und durch eine frühere graphische Darstellung des Bundesvertriebenenministeriums ist es klar nachgewiesen —, daß das Vorhandensein des Notaufnahmegesetzes den Umfang der Zuwanderung aus der Zone praktisch nicht zu beeinflussen vermochte. Die Zuwanderung richtete sich einmal nach den jeweiligen politischen Verhältnissen in der Zone und zum anderen nach der wirtschaftlichen Situation im Bundesgebiet. Diese Überlegungen haben uns dazu veranlaßt, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Notaufnahmeverfahrens vorzulegen. Sicher ist denen, die sich mit dieser Frage beschäftigen, bekannt, daß schon seit längerer Zeit in den verschiedensten Gremien Diskussionen darüber stattgefunden haben, in welcher Weise eine Änderung herbeigeführt werden kann. Wir bedauern, daß die Bundesregierung in dieser Frage noch nicht initiativ geworden ist; denn selten hat sich ein solcher Abstand zwischen Recht und Wirklichkeit gezeigt wie hier. Der Zuwanderer, der von der Rechtlosigkeit drüben zu uns in den Rechtsstaat kommt, gerät in diese Spannung und muß sie im besten Fall als Rechtsunsicherheit empfinden. Eine Änderung des Gesetzes kann unseres Erachtens politisch nur in der Richtung gesucht werden, daß wir 1. die Freizügigkeit wiederherstellen, die durch das Notaufnahmegesetz eingeschränkt wurde, 2. die Rechtsunsicherheit beseitigen, die durch die Handhabung des Verfahrens entstanden ist, 3. die Erfassung möglichst aller Zuwanderer durch eine Meldepflicht vorsehen und 4. die notwendige Betreuung der Zuwanderer sichern, die einer solchen Hilfe bedürfen. Diesen Gesichtspunkten trägt unser Gesetzentwurf Rechnung. Er geht davon aus, daß entsprechend den Bestimmungen des Grundgesetzes das Recht der Freizügigkeit auch für Deutsche aus der Zone keiner Einschränkung unterliegen soll. Er sieht aber auch — und dadurch wird eine weit bessere Erfassung aller Zuwanderer aus der Zone gewährleistet als bisher — die Statuierung einer besonderen Meldepflicht für alle vor. Denn die allgemeinen meldebehördlichen Bestimmungen können hier in Anbetracht der besonderen Verhältnisse nicht als ausreichend angesehen werden. 622 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 Frau Korspeter Entsprechend den bisherigen Regelungen sieht der Entwurf ebenfalls ein besonderes Verteilungsverfahren vor. Die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens ist schon im Hinblick auf die Situation Berlins und auch im Interesse der Zuwanderer völlig unbestritten. Dieses Verteilungsverfahren soll jedoch nicht alle Zuwanderer, die der Meldepflicht unterliegen, einbeziehen, sondern nur die, die zur Begründung ihres ersten Wohnsitzes der öffentlichen Hilfe bedürfen, die also aus eigener Kraft zunächst nicht in der Lage sind, sich eine Unterkunft zu schaffen. Die Einbeziehung in dieses Verteilungsverfahren soll für den Zuwanderer freiwillig sein. Da es sich bei der Leistung öffentlicher Hilfe um eine besondere Vergünstigung handelt, können von ihr entsprechend den Grundsätzen des Häftlingshilfegesetzes Zuwanderer ausgeschlossen werden, die in der Zone dem dort herrschenden politischen System Vorschub geleistet oder die dort durch ihr Verhalten gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit oder der Menschlichkeit verstoßen haben. Zuwanderer, die in das Verteilungsverfahren einbezogen worden sind, müssen von den Ländern zunächst vorläufig und von den Gemeinden später endgültig untergebracht werden. Für diese Zuwanderer sind wie bisher von der Bundesregierung besondere Wohnungsbaumittel im Rahmen der Bestimmungen des § 18 Abs. 3 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes bereitzustellen. Hier möchte ich besonders darauf hinweisen, daß der § 18 Abs. 3 Buchstabe a des Zweiten Wohnungsbaugesetzes einer Änderung bedarf, um allen Zuwanderern diese Mittel zukommen zu lassen. Das ist im wesentlichen der Inhalt des Gesetzentwurfes. Zum Schluß möchte ich nochmals darauf hinweisen, daß infolge des Fehlens einer Meldepflicht bisher eine verhältnismäßig große Gruppe von Zuwanderern im Aufnahme- und Verteilungsverfahren nicht erfaßt wurde. Leider wurden bisher mit der Unterbringung dieses nicht erfaßten Personenkreises ausschließlich die Gemeinden belastet, ohne daß diese die Zuschüsse des Bundes erhielten. Insofern bedeutet diese von uns vorgeschlagene Regelung eine Verbesserung der Situation der Gemeinden. Wir wissen, daß gerade die Unterbringung der Flüchtlinge für die Gemeinden ein außerordentlich schwerwiegendes Problem ist. Durch den jetzt von uns vorgelegten Gesetzentwurf werden keinerlei neue Zuzugsmöglichkeiten geschaffen. Der Zuwanderer erhält auch keinerlei neue Rechtsansprüche und auch keine neuen wirtschaftlichen Ansprüche. Mit diesem Gesetz soll der Versuch unternommen werden, das Gesetz mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen. Die Eingliederung der Zuwanderer wird auch weiterhin schwierig bleiben. Die Menschen in der Zone wissen, daß der Aufbau einer neuen Existenz in der Bundesrepublik auch in Zukunft mit großen und langwierigen Schwierigkeiten verbunden ist und daß sie es sich sehr wohl überlegen müssen, diesen Schritt in eine ungewisse Zukunft zu tun, um nicht mit falschen Vorstellungen herüberzukommen. Beide Teile, sowohl die einheimische Bevölkerung wie die Zuwanderer, werden wie bisher Opfer bringen müssen. Wir hoffen aber doch, daß uns der von uns vorgeschlagene Gesetzentwurf in dieser sehr schwierigen Frage weiterbringt und daß wir in gemeinsamer Arbeit eine Regelung finden werden, die der Entwicklung der Verhältnisse Rechnung trägt. Anlage 4 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Margulies zu dem von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Vorratslagerhaltung (Vorratslagergesetz) (Drucksache 139) Das Problem, das mit vorgenanntem Gesetzentwurf von uns angeschnitten wird, hat uns in der Vergangenheit schon oft mehr oder weniger stark beunruhigt. Es läßt sich leider nicht verleugnen, daß die Vorräte an Lebensmitteln und Rohstoffen, auf deren Zufuhr die Bundesrepublik angewiesen ist, in keiner Weise der Notwendigkeit entsprechen, da sie teilweise nicht einmal einen Umfang haben, der es ermöglichen würde, kurzfristige Unterbrechungen der Zufuhr zu überbrücken, wie sie jederzeit durch Streiks, Naturkatastrophen oder politische Krisen eintreten können. Die Folge einer etwa eintretenden Unterbrechung wären voraussichtlich Störungen der Versorgung oder der laufenden Produktion mit der Folge, daß der Vorrat bei eintretendem Mangel bewirtschaftet werden muß. Wir brauchen ja nur an die Suez-Krise zurückzudenken, an all die Schwierigkeiten, die sich damals aus der nicht ausreichenden Vorratshaltung ergeben haben, und daran, wie dicht wir damals vor einer Wiedereinführung einer Treibstoffbewirtschaftung gestanden haben. Man könnte demnach die ausreichende Vorratshaltung als Garantie und unerläßliche Ergänzung unserer Marktwirtschaft bezeichnen. Es stellt sich nun die Frage, aus welchen Gründen die beteiligte Wirtschaft diese angemessene Vorratshaltung nicht selbst betreibt. Leider sind die einschlägigen Wirtschaftskreise wegen der herrschenden Kapitalarmut und des verhältnismäßig hohen deutschen Zinsfußes dazu nicht in der Lage. Die technisch und organisatorisch hoch entwickelte Leistung des Importwesens läßt außerdem dem einzelnen Unternehmer die Notwendigkeit angemessener Vorräte, die sehr viel Kapital binden und erhebliche Kosten verursachen, als nicht so dringend erscheinen. Er kann sich darauf verlassen und er verläßt sich darauf, daß in normalen Zeiten die Zufuhren so disponiert werden können, daß keine Schwierigkeiten auftreten, wobei freilich das Risiko einer etwaigen Unterbrechung der Zufuhr aus Gründen, die man als höhere Gewalt zu bezeichnen pflegt, außer Betracht bleibt. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 623 Margulies Es scheint notwendig festzustellen, daß mit vorliegendem Gesetzentwurf ein eng begrenzter Zweck angestrebt wird. Weder soll mit dem Gesetz in die laufende normale Lagerhaltung eingegriffen werden, noch ist daran gedacht, mit dem vorliegenden Vorschlag etwa strategische Reserven oder verbrauchsnahe Vorräte für Katastrophenfälle zu schaffen. Wohl aber könnte man letztere auf den nach unseren Vorschlägen entstehenden Vorräten aufbauen. Wenn im Vorangegangenen von Normallägern gesprochen wurde, so sollte man darunter diejenigen Vorräte verstehen, die aus wirtschaftlichen Gründen von den Unternehmen als unerläßlich betrachtet werden und für die aus diesem Grunde die Kosten von den betreffenden Wirtschaftskreisen selbst getragen werden. In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, daß der 2. Deutsche Bundestag beschlossen hatte, diese Art der Vorratsbildung dadurch zu fördern, daß den Einlagerern eine Teilwertabschreibung von 20 % auf eine bestimmte Warengruppe zugestanden wurde. Es ist allerdings bedauerlich, daß die zugehörige Durchführungsbestimmung bis jetzt nicht erlassen werden konnte, weil über die Höhe dieses Bewertungsabschlags neuerdings ein Streit entstanden ist, bei dem das ursprünglich angestrebte Ziel völlig in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Die Vorratsbildung im Rahmen der Normallagerhaltung sollte durch die Teilwertabschreibung erleichtert werden. Darüber hinaus erscheint es uns aber aus den eingangs vorgetragenen Gründen dringend erforderlich, die Bildung angemessener Vorräte an Waren, auf deren Zufuhr die Bundesrepublik angewiesen ist, so zu steigern, daß kurzfristige Unterbrechungen der Zufuhr überbrückt werden können. Dies ist das Hauptmotiv unseres Vorschlags, von dem wir freilich erwarten, daß er daneben noch andere günstige Ergebnisse erbringt. So wäre eine angemessene Vorratshaltung auch aus volkswirtschaftlichen Gründen wünschenswert. Vorräte wirken sich als Polster gegenüber den teilweise sehr heftigen Preisschwankungen des Weltmarktes aus, und es bestünde bei Verwirklichung unseres Vorschlages die Möglichkeit, den Einkauf jeweils zu den erfahrungsgemäß günstigen Zeiten und damit zu billigen Preisen zu tätigen. Mir liegt eine Berechnung vor, nach der in den letzten vier Jahren allein bei der Kupfereinfuhr dadurch, daß wir immer nur von der Hand in den Mund leben, 885 Millionen Deutsche Mark mehr bezahlt worden sind, als es der Fall gewesen wäre, wenn wir uns den jeweils günstigsten Augenblick zum Einkauf hätten aussuchen können. Ich gebe diese Zahl mit allem Vorbehalt wieder, schon deshalb, weil sich der extrem günstigste Augenblick in der Praxis nicht immer erreichen läßt, aber es erscheint mir doch bemerkenswert, in welcher Größenordnung sich die Einkaufsvorteile bewegen können, wenn es uns mit Hilfe dieses Gesetzes gelingt, unsere Wirtschaft in die Lage zu versetzen, sich den Zeitpunkt des Einkaufs auszusuchen. Auch unsere handelspolitische Situation könnte durch den Aufbau angemessener Vorräte zeitweise eine Erleichterung erfahren. Es ist natürlich nicht daran zu denken, etwa Einkäufe im Gegenwert von 5 Milliarden Deutsche Mark auf einmal zu tätigen. Das würde ein Boom auf dem Weltmarkt hervorrufen und wäre wohl auch transportmäßig kaum zu bewältigen. Verteilt man jedoch die Einkäufe über einen längeren Zeitraum, so würden wir für diese Zeit eine Erhöhung unserer Einfuhren vornehmen und damit die von unseren Handelspartnern heftig kritisierte Überschußposition wenigstens teilweise abbauen. Das von der Bundesbank ausgewiesene Guthaben an Gold, Dollar und anderen Devisen im Gegenwert von etwa 24 Milliarden Deutsche Mark weckt naturgemäß die Begehrlichkeit im In- und Ausland, und die ernsten Sorgen, die aus der stetig anwachsenden Überschußposition herrührten, standen im Bundestag schon mehrfach zur Debatte. Da wohl niemand daran denkt, etwa den Export zu drosseln, schon um nicht die nach dem Kriege mühsam und unter besonders günstigen Umständen wiedergewonnenen Märkte zu gefährden, und da eine Berichtigung der Währungskurse derzeit unerreichbar erscheint, müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir unseren Handelspartnern entgegenkommen können. Dazu wäre der Aufbau von Lagervorräten einer der möglichen Wege. Der Gesetzentwurf geht von dem Gedanken aus, daß die Bundesbank einen Teil ihrer Guthaben in Warenvorräte umschichtet, die sie mit Hilfe der einschlägigen Wirtschaft in der Bundesrepublik lagert. Es ist dies eine Konstruktion, die sich an das Vorbild der Schweiz anlehnt, wo die Lagerhaltung aus den gleichen Gründen, wie sie vorher erörtert wurden, schon seit dreißig Jahren betrieben wird und wo die Vorratshaltung einen Umfang von etwa 1 Milliarde Schweizer Franken bei ca. 4 Millionen Einwohnern der Schweiz erreicht. Natürlich konnte die Methode der Schweizer Vorratshaltung nicht einfach übernommen werden, weil die dortige Praxis auf den kleineren Gebietsumfang und die sich daraus ergebende leichtere Überschaubarkeit der Wirtschaft zugeschnitten ist. Aber der Grundgedanke hat sich jedoch in der langjährigen Praxis als so richtig erwiesen, daß er in Anpassung an unsere eigenen Verhältnisse übernommen werden konnte. Zur Durchführung der vorgenannten Gedanken schlägt der Gesetzentwurf vor, daß die Bundesbank Devisenkredite zur Verfügung stellt, die ihr zu den gleichen Sätzen zu verzinsen sind, die sie heute für ihre Guthaben erhält. Nach unserer Auffassung bestehen keine ernsthaften Hindernisse gegen den Gedanken, daß die Bundesbank solche Kredite ver- gibt, zumal die Umschichtung in Warenvorräte als währungsneutral bezeichnet werden kann und bei einer Auflösung der Warenvorräte der DM-Gegenwert an die Bundesbank zurückfließen würde. Natürlich wäre auch der Weg denkbar, daß ein besonderes Bankinstitut etwa nach dem Vorschlag des Präsidenten der Düsseldorfer Industrie- und Handelskammer zwischengeschaltet wird, falls sich die Bundesbank nach ihrer Satzung zur direkten Vergabe nicht in der Lage sehen sollte. Auch dieser Weg ist durch den Gesetzestext noch gedeckt. Eine 624 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 Margulies dritte Möglichkeit wäre der ebenfalls bereits erörterte Weg der normalen Lombardierung der Lagervorräte mit Refinanzierungszusage der Bundesbank, der ebenfalls als währungsneutral angesehen werden kann, solange die Lagervorräte bestehen. Weniger kompliziert erscheint uns aber der direkte Weg, wie wir ihn im Gesetzestext vorschlagen. Um die Bundesbank vor etwa eintretenden Verlusten zu sichern, erfolgt die Beleihung nur zu 90 °/o des Warenwertes auf Lager, und der Gesamtkredit der Bundesbank soll nach unserer Auffassung vom Bund verbürgt werden. Nur aus diesem Grund, um es vorwegzunehmen, schlagen wir auch vor, die Gewährung solcher Kredite an den Nachweis zu binden, daß der Einlageren mit der Behandlung der Ware vertraut sein muß. Es ist damit keine wesentliche Beschränkung des Teilnehmerkreises beabsichtigt, sondern eher die Anwendung des alten Sprichwortes: „Schuster, bleib bei deinem Leisten!" Eine gewisse Auswahl der Beteiligten ergibt sich allerdings aus der Voraussetzung, daß der betreffende Unternehmer 10 % des Warenwertes selbst aufzubringen hat. Ähnlich dem Schweizer Vorbild ist beabsichtigt, dem Einlagerer einen Teil des Risikos aus Preisschwankungen durch eine Ausgleichskasse abzunehmen. Die ersten 5% des Risikos hat er allerdings selbst zu tragen, und darauf kann auch nicht verzichtet werden, weil uns nur auf diesem Wege erreichbar scheint, daß das Interesse des Einlagerers an preisgünstigem Einkauf in vollem Umfange gewahrt bleibt. Andererseits kann durch die Begrenzung des Risikos auf steuerliche Vorteile, wie sie die Schweiz außerdem gewährt, verzichtet werden, denn die ersten 5 °/o des Risikos liegen im Rahmen der normalen Abschreibungsmöglichkeiten nach geltendem Steuerrecht. Unerläßlich war allerdings eine Regelung der Kosten der Lagerhaltung. Diese Kosten würden den Einlagerer gegenüber dem Streckengeschäft wettbewerbsunfähig machen. Insbesondere bei Rohstoffen und Stapelgütern erreichen die Kosten der Lagerhaltung Prozentsätze des Warenwertes, die unmöglich dem Einlagerer aufgebürdet werden können, wenn man den gewollten Zweck erreichen will. Der oft erörterte Gedanke, die Lagerkosten aus steuerlichen Abschreibungen möglichst zu dekken, erscheint uns nicht zu Ende gedacht. Abschreibungen auf den Warenwert müssen zunächst einmal verdient werden, und das ist wohl in einem Ausmaß, wie es zur Deckung der Lagerkosten erforderlich wäre, kaum möglich, mindestens nicht in kurzer Zeit. Außerdem stellen solche Abschreibungsmöglichkeiten ja nur eine Stundung der Steuer dar. Die Steuerschuld lebt in dem Moment wieder auf, in dem die Ware teurer veräußert wird, als sie zu Buche steht. Unter diesen Umständen hielten wir es für richtiger, die Lagerkosten in vollem Umfange von der vorgesehenen Ausgleichskasse übernehmen zu lassen. Die Verwaltungskosten, die bei dem vorgeschlagenen Selbstverwaltungsorgan und der Ausgleichskasse entstehen, sollen allerdings von den Beteiligten durch Umlage erhoben werden, damit der Apparat möglichst klein bleibt. Um die nicht unerheblichen Mittel aufzubringen, die zur Deckung der Lagerkosten, der Kosten zur Gesunderhaltung der Ware und zur Begrenzung des eigenen Risikos des Einlagerers notwendig sind, war zunächst der Gedanke aufgetaucht, die früher einmal erwogene Exportumlage heranzuziehen. Dagegen entstanden jedoch erhebliche Bedenken, weil eine solche Belastung des Exportes die Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt beeinträchtigen könnte, und nicht zuletzt aus dem Gedanken heraus, ein in sich geschlossenes Gesetz vorlegen zu können, schlagen wir vor, eine Importumlage zu diesem Zweck auf alle in die Bundesrepublik eingeführten Waren zu erheben. Wie hoch diese Umlage sein muß, um die aufgezählten Kosten zu decken, kann sich erst aus der Praxis ergeben. Eine Begrenzung nach oben auf 1 % glaubten wir aber vertreten zu können, weil nicht anzunehmen ist, daß der benötigte Aufwand mehr beträgt als 1% unseres Importvolumens. Im Gegenteil dürfte damit zu rechnen sein, daß man zunächst mit einem sehr viel geringeren Satz auskommt. Da die gesamte Vorratshaltung der Allgemeinheit dient, erschien es uns tragbar, daß die Kosten dafür auch von der Allgemeinheit getragen werden, und sie wären unserer Auffassung nach als eine Art Risikoprämie zu betrachten gegenüber Störungen der Versorgung und der laufenden Produktion, wobei unterstellt werden kann, daß sich in der volkswirtschaftlichen Rechnung aus der Möglichkeit günstigeren Einkaufs überhaupt keine Belastung der Konsumenten ergibt. Für die Gründung des Selbstverwaltungsorgans mußte eine Übergangslösung gefunden werden, um zu vermeiden, daß sich einige wenige Unternehmen zu dem vorgesehenen Selbstverwaltungsorgan zusammenschließen und damit so eine Art Kartell gründen. Es wird deshalb vorgeschlagen, die Gründung in die Hände des Bundeswirtschaftsministeriums zu legen und diesem zu überlassen, die Interessenten zur Bildung des Selbstverwaltungsorgans aufzufordern und bei genügender Beteiligung die Gründung vorzunehmen. Dem Bundeswirtschaftsministerium ist auch die Aufgabe zugedacht, die Satzung im Einvernehmen mit den Beteiligten zu erarbeiten, die Aufsicht auszuüben und zu bestimmen, wer das Finanzgebaren der Ausgleichskasse überprüft, also etwa die Deutsche Revisions- und Treuhandgesellschaft oder auch der Bundesrechnungshof. Damit scheint uns die Gewähr dafür gegeben zu sein, daß sich beim Aufbau der ganzen Sache keine Unzuträglichkeiten einschleichen. Wir waren der Ansicht, daß eine darüber hinausgehende Beteiligung des Bundesernährungsministeriums nicht erforderlich sei, weil es sich für den Bereich der Waren, die in den Geschäftsbereich des Bundesernährungsministeriums fallen, nur um eine formale Änderung der Vorratslagerhaltung handelt. Sowohl bei Getreide als auch bei den anderen in § 7 betroffenen Warenarten bleibt das Einfuhrsystem über die Einfuhr-und Vorratsstellen unberührt, so daß Lagervorräte in diesem Bereich nur unter den gleichen Voraussetzungen aufgebaut werden können, wie sie jetzt bestehen. Die vorgeschlagene Änderung besteht nur darin, daß die Einlagerung selbst, und zwar nur, soweit es sich um eingeführte Waren handelt, nicht mehr von der Einfuhr- und Vorratsstelle son- Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 625 Margulies dern von den einschlägigen Wirtschaftskreisen getätigt wird. Das hat noch den Vorzug, daß danach zum Aufbau solcher Vorräte nicht besondere Ausschreibungen zu erfolgen brauchen, sondern der Vorgang sich im Rahmen der sowieso bestehenden Betätigung der Einfuhr- und Vorratsstellen vollzieht. Ich glaube, mich zunächst auf diese Begründung des Entwurfs beschränken zu sollen, obwohl es nahe läge, sich mit den bereits erhobenen Bedenken und Einwendungen auseinanderzusetzen. Die Frage, die mit unserem Initiativgesetzentwurf an die Regierung gestellt ist, besteht darin: Hält sie die Bildung angemessener Vorräte heute noch für so wichtig, wie das in der Vergangenheit mehrfach erklärt wurde? Falls ja, dann gibt unser Gesetzentwurf der Regierung eine Möglichkeit an die Hand, dieses Ziel zu erreichen. Ich würde es sehr bedauern, wenn man etwa darauf verfiele, diesen Vorschlag, der in mehrjähriger Arbeit einer Studiengruppe entstanden und nach allen Seiten wohl durchdacht ist, einfach zu kritisieren, ohne seinerseits andere oder gar bessere Vorschläge machen zu können. Der Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf ist selbstverständlich ein liberaler Entwurf. Er vermeidet jeden unnötigen Eingriff in den Ablauf des Wirtschaftsgeschehens. Er beschränkt sich auf Kann-Vorschriften, von denen dann Gebrauch gemacht wird, wenn das Ziel, nämlich angemessene Lagervorräte zur Vermeidung von Störungen der Versorgung oder der laufenden Produktion oder kurzfristige Unterbrechungen der Zufuhr zu schaffen, von allen Beteiligten als notwendig erachtet wird. Anlage 5 Schriftliche Erklärung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Vorratslagerhaltung an Lebensmitteln und Rohstoffen (Vorratslagergesetz) (Bundestagsdrucksache Nr. 139 vom 16. 1. 1958) Die Bundesregierung hat den Fragen der Bevorratung mit Lebensmitteln und Rohstoffen schon immer ein besonderes Augenmerk gewidmet. Soweit ausländische Erzeugnisse in Frage kommen, kann durch eine Verstärkung der Vorratshaltung eine Verminderung des Zahlungsbilanzüberschusses erreicht werden. Außerdem wirkt sich eine erhöhte Lagerhaltung — neben der Vorsorge für etwaige Krisenzeiten — auch auf die Funktionsfähigkeit des deutschen Import- und Transithandels sowie der deutschen Rohstoffmärkte günstig aus. Deshalb hat sich die Bundesregierung bei der Behandlung des am 26. Juli 1957 beschlossenen Steueränderungsgesetzes nachdrücklich dafür eingesetzt, daß die unter der Bezeichnung „Bremer Erlaß" bekannte Regelung zur Verbesserung der Bevorratung mit Importrohstoffen gesetzlich verankert und, wesentlich verbessert wurde. Die danach vorgesehenen Bewertungsabschläge werden, wie anzunehmen ist, in nächster Zeit ihren Niederschlag in erhöhten Rohstoffvorräten finden. Auf dem Ernährungssektor hat die Bundesregierung schon seit längerer Zeit eine staatliche Vorratshaltung — insbesondere auch in Importlebensmitteln — als ein wirksames Instrument zur Erhaltung eines ausgeglichenen Marktes vor allem in Krisenzeiten angesehen. Sie hat deswegen eine Bundesreserve nach Maßgabe der im Bundeshaushalt bereitgestellten Mittel nach und nach aufgebaut. Die Fraktion der FDP will mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine weitere Förderung der Vorratshaltung erreichen. Dabei werden aber Maßnahmen in Vorschlag gebracht, die weder mit der bestehenden Wirtschaftsordnung noch mit verschiedenen internationalen Abmachungen in Einklang zu bringen sind; auch aus sonstigen Gründen wären sie praktisch nicht durchführbar. So würde die Errichtung eines Selbstverwaltungsorgans mit der Befugnis zum Abschluß von Lagerverträgen, die vor allem den Umfang und die Dauer der Lagerhaltung bestimmen, eine unerwünschte Lenkung der Vorratshaltung bedeuten. Die Erhebung einer Importabgabe wäre weder mit dem GATT noch mit dem Montanunions-Vertrag noch mit dem EWG-Vertrag vereinbar. Die Deckung sämtlicher Kosten aus einer Ausgleichskasse und das Verbürgen der Devisenkredite durch den Bund würde die Lagerhalter von fast sämtlichen Risiken freistellen. Dabei ist keineswegs sichergestellt, daß der kostspielige Einsatz umfangreicher Mittel zu einer Ausweitung der schon bestehenden Vorratslager führen würde. Unter diesen Umständen würde die Finanzierung einer Lagerbevorratung aus der Devisenreserve der Bundesbank bedenkliche währungs- und konjunkturpolitische Auswirkungen zur Folge haben. Für die Verhältnisse auf dem Ernährungssektor muß als besonders bedenklich angesehen werden, daß den Einfuhr- und Vorratsstellen nach dem Entwurf eine Vorratshaltung in Importlebensmitteln nicht mehr gestattet sein soll. Dadurch würde die Möglichkeit entfallen, bei etwaigen Krisen, die zu einer Verminderung der Einfuhren führen, die Versorgung wie bisher durch Abgaben aus der Bundesreserve sicherzustellen. Die Bundesregierung hält daher den Entwurf nicht für eine geeignete Grundlage, um eine Erhöhung der Lebensmittel- und Rohstoffbevorratung zu erreichen. Dr. Ludwig Erhard Anlage 6 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Fritz namens der CDU/CSU-Fraktion zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Vorratslagerhaltung an Lebensmitteln und Rohstoffen (Vorratslagergesetz) (Drucksache 139) Die Fraktion der CDU/CSU war verwundert, daß gerade von seiten der liberalen FDP ein derartiger 626 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 Dr. Fritz Gesetzentwurf, wie das Vorratslagergesetz, dem Hohen Hause vorgelegt wird. Dies gilt um so mehr, als in der Plenarsitzung vom 22. Januar 1958 Herr Dr. Atzenroth gegen die Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft Stellung nahm und sich den vorausgegangenen ablehnenden Ausführungen von Herrn Dr. Deist anschloß. Herr Dr. Atzenroth sprach damals, dem Sinne nach, von einer marktwirtschaftlichen Haltung, die ihn zur Ablehnung des genannten Gesetzes führe, welche die FDP konsequent immer eingenommen habe. Die Freie Demokratische Partei hat aber nicht nur das Vorratslagergesetz eingebracht, sondern inzwischen auch den Entwurf eines landwirtschaftlichen Investitionsgesetzes — Drucksache 193 —, in welchem ebenfalls Maßnahmen auf dem Kreditsektor vorgesehen werden, die alles andere als marktkonform zu bezeichnen sind. Es ist nur auf den § 5, den § 7, den § 8 und den § 9 dieser Gesetzesvorlage hinzuweisen. Wenn man von einem Gesetz sagen kann, es verstößt gegen die Prinzipien unserer Marktwirtschaft, dann ist es wohl dieses Vorratslagergesetz. An dieser Stelle sei das währungspolitische Bedenken nicht weiter erläutert. Doch sollen einige andere Punkte angesprochen werden. So kann eine Methode zur Sicherung einer nachweisbar zusätzlichen Lagerhaltung, solange Importe von der privaten Wirtschaft durchgeführt werden, wohl kaum gefunden werden. Dann müßte man konsequenterweise schon zu einer staatlichen Lagerhaltung übergehen. Die selbstschuldnerische Bürgschaft verleitet dazu, daß der Unternehmer das ihm eigene und nicht abnehmbare Wagnis (eine Funktion, auf die er sonst mit Recht stolz sein kann) auf den Staat abwälzt. Das Selbstverwaltungsorgan, das aufgebaut werden soll aus einem Kreis, wie es in § 1 heißt, „der Gewähr dafür bietet, daß er mit der Behandlung der Ware vertraut ist", führt zu einem sogenannten geschlossenen Markt der Importeure. Ein Befähigungsnachweis muß demnach folgerichtig eingeführt werden. Es ergibt sich also ein Importeurkartell und damit eine monopolartige Stellung des bevorzugten Importhandels. Wir hätten damit neben den bekannten schriftlich fixierten Berufsordnungswünschen, die, wie der Herr Bundeswirtschaftsminister einmal sagte, zu Dutzenden bei ihm in der Schublade liegen, noth einen neuen Berufsordnungswunsch zu erfüllen. Das kann nicht Sinn unserer Wirtschaftspolitik sein. Das ist aber auch sicherlich unvereinbar mit den uns bisher bekannten wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der FDP. Die Einführung einer Importabgabe steht überhaupt nicht zur Diskussion, da sie gegen Bestimmungen des GATT, der EWG und der Montan- union verstoßen würde. Eine Importabgabe wäre einer Zollerhöhung gleichzusetzen. Von der Rechtslage abgesehen, hätte diese Abgabe sicherlich auch Preiserhöhungen für Importgüter zur Folge. Wir stimmen mit der FDP allerdings in einem überein, nämlich in der Tatsache, daß die Lagerhaltung von Importwaren recht problematisch ist und daß der Importhandel, so bedeutsam er für unsere Volkswirtschaft ist, berechtigte Wünsche vorzubringen hat. Infolge seiner angespannten Finanzsituation auf Grund einer ungünstigen Kapitalstruktur ist er vielfach geschwächt. In der Lagerhaltung stützt sich die Wirtschaft der Bundesrepublik teilweise auf Lagerhalter der Transitländer Niederlande und England. Hierin ist ein Problem zu sehen vor allem für die Bewältigung unserer wirtschaftlichen Aufgaben bei sogenannten außerökonomischen Störungen. Wir wissen, daß die Frage der Lagerhaltung — unter anderen Gesichtspunkten als bei uns — auch in anderen Staaten behandelt wird. Die Schweiz kennt private, halbstaatliche und staatliche Einrichtungen dieser Art. Auch in den USA gibt es staatliche Läger. Allerdings werden beide Institutionen volkswirtschaftlich kritisch beurteilt. Sie sind und bleiben im marktwirtschaftlichen Ablauf Störenfriede, die sich da und dort, wie das Beispiel Schweiz zeigt, sogar in Zeiten, in welchen sich Krisen abzeichnen, bemerkbar machen. Schließlich haben auch wir in der Bundesrepublik gewisse Erfahrungen mit staatlichen Lenkungsmaßnahmen auf dem Gebiete der Lagerhaltung, die, sosehr wir auch ihre Notwendigkeit anerkennen müssen, uns nicht voll befriedigen. Man sollte danach trachten, die Lagerhaltung für Importgüter mit möglichst marktkonformen Mitteln zu fördern. Es sei daran erinnert, daß der 2. Bundestag gegen Ende seiner Legislaturperiode entsprechende Maßnahmen steuerrechtlicher Art verabschiedet hat. Grundlage hierfür war der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom April 1957, der die im Interesse der Allgemeinheit notwendige Erhöhung der Lagerhaltung zur Erleichterung ihrer Finanzierung und zur Verminderung der mit der Lagerhaltung verbundenen Risiken steuerlichen Begünstigungen vorsah. Dies war mehr oder weniger die rechtliche Verankerung des Bremer Erlasses von 1954. Wir möchten der Bundesregierung empfehlen, entgegen der Stellungnahme der Länder zum Steuerprogramm des Bundes, die Bewertungsabschläge auf Waren ausländischer Herkunft zur Steigerung der Vorratshaltung so zu gestalten, daß die Importeure in die Lage versetzt werden, ihre volkswirtschaftliche Funktion zu erfüllen. Trotz unserer grundsätzlichen Ablehnung des vorliegenden Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vorratslagerhaltung an Lebensmitteln und Rohstoffen stimmen wir zu, daß dieser Gesetzentwurf zur weiteren Behandlung den vorgeschlagenen Ausschüssen überwiesen wird. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Februar 1958 627 Anlage 7 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Atzenroth zu dem von der Fraktion der FDP eingereichten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungssteuergesetzes (Drucksache 165) Das gleiche Anliegen, das wir heute vortragen, hat schon den zweiten Deutschen Bundestag vor etwa einem Jahr beschäftigt. Im Jahre 1955 hat das Hohe Haus ein Gesetz beschlossen, durch das die Steuer im Werkfernverkehr auf das Dreifache heraufgesetzt wurde mit dem Hinzufügen, daß sich der Satz am 1. April 1957 automatisch nochmals von 3 auf 4 Pfennig und am 1. April 1958 von 4 auf 5 Pfennig pro tkm erhöhen soll. Den Bundesverkehrsminister hatten damals in erster Linie nichtfinanzielle Gründe geleitet. Er wollte vielmehr durch die drastische Steuererhöhung den Umfang des Werkfernverkehrs drosseln und eine große Zahl von Kraftwagen dadurch von der Straße bringen. Wie zu erwarten war, hat er dieses Ziel nicht erreicht. Er wird es auch nicht erreichen. Die Wirkung der Steuererhöhungen waren nur eine Verteuerung des Werkfernverkehrs und damit eine Preiserhöhung für eine ganze Reihe von wichtigen Produkten, insbesondere von Verbrauchsgütern. Meine Fraktion hat in klarer Erkenntnis dieser Wirkung im vergangenen Jahr beantragt, daß die vorgesehene automatische Erhöhung von 3 auf 4 Pfennig nicht vorgenommen werden soll. Leider ist unser Antrag damals nicht angenommen worden, und zwar im wesentlichen auf Grund des Widerstands des Verkehrsministers. Wir behaupten auch heute noch, daß unser damaliger Antrag berechtigt war, und wir konnten feststellen, daß eine ganze Reihe von Kollegen, insbesondere aus der CDU, inzwischen unserer Meinung beipflichten. Der Herr Bundesverkehrsminister hat sich vor einem Jahr darauf berufen, daß die Tariferhöhung von rund 1 Pfennig auf 3 Pfennig den beabsichtigten Erfolg zwar nicht ganz, aber doch schon zu einem beträchtlichen Teil erbracht habe und daß die weiteren Erhöhungen notwendig seien, um das von ihm erstrebte Ziel endgültig zu erreichen. Er konnte seine Behauptung damals nicht mit Zahlen beweisen. Aus diesem Grunde hat ihm der 2. Deutsche Bundestag im vergangenen Februar einstimmig die Auflage gemacht, das erforderliche Zahlenmaterial bis zum 31. Dezember 1957 dem Bundestag vorzulegen. Dieser Verpflichtung ist der Herr i Minister nicht nachgekommen. Es ist eine höchst bedauerliche Tatsache und für die deutsche Demokratie abträglich, wenn die Regierung oder einer ihrer Minister sich einfach über einen Beschluß des Parlaments hinwegsetzt und wenn der Bundestag eine solche Verletzung seiner Rechte ohne Widerspruch hinnimmt. Wir jedenfalls erheben hierdurch allerschärfsten Protest gegen ein solches Verhalten. Wir können uns also auch bei unserem heutigen Antrag nicht auf amtliche Zahlen berufen. Das ist aber nicht von entscheidender Bedeutung. Denn jedermann, der in der Wirtschaft tätig ist, weiß, daß die technische Errungenschaft, die der Werkfernverkehr darstellt, nicht durch diskriminierende Steuermaßnahmen beseitigt oder verkleinert werden kann. In bestimmten Wirtschaftszweigen ist es heute einfach zwingend notwendig, die Produkte in werkeigenen, meist für den Sonderzweck eingerichteten Fahrzeugen zu transportieren. Hier liegt keine wirkliche Konkurrenz gegenüber der Bundesbahn oder dem Güterfernverkehr vor. Hier handelt es sich vielmehr um eine aus der Sache heraus notwendige dritte Beförderungsart. Die Werkfernverkehrs-Steuer bildet bei bestimmten Produkten einen der vielen Preisbestandteile, deren Erhöhung sich schließlich im Verkaufspreis niederschlagen muß. In einzelnen Bereichen ist das aus Konkurrenzgründen vielleicht zur Zeit nicht durchsetzbar, auf breiter Ebene aber bedeutet eine Erhöhung der Gebühren im Werkfernverkehr automatisch eine Preiserhöhung für das Endprodukt beim Verbraucher. Deswegen sollte insbesondere der Herr Bundeswirtschaftsminister, der in der Öffentlichkeit von der privaten Wirtschaft immer die Erhaltung der Preisstabilität fordert, unseren Antrag ganz intensiv unterstützen. Im Interesse einer Wirtschaftspolitik, die sich die Erhaltung der Kaufkraft der D-Mark zum Ziel gesetzt hat, hätte es gelegen, wenn wir den Antrag gestellt hätten, den Steuersatz wieder auf 1 Pfennig pro tkm zu senken. Wir haben uns auf die Forderung beschränkt, in diesem Jahre keine Erhöhung vorzunehmen. Diesem Anliegen sollte das Hohe Haus einmütig zustimmen. Ich habe zum Schluß noch die Bitte, daß die Vorlage, die dem Finanzausschuß überwiesen ist, so rechtzeitig behandelt wird, daß die betroffenen Wirtschaftskreise vor dem 1. April Klarheit und Sicherheit darüber erhalten, mit welcher Belastung sie künftig zu rechnen haben.
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    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der vorliegenden Anfrage der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der Deutschen Partei wird ein überaus schweres Problem angesprochen. Es handelt sich hier nicht nur um ein wohnungspolitisches Anliegen, sondern um ein Problem, das unsere gesamte politische Entwicklung betrifft. Es handelt sich in der Tat um ein gesamtdeutsches Problem mit all seinen Tiefenwirkungen auf die



    Bundesminister Lücke
    Menschen hüben und drüben, insonderheit um ein Anliegen der betroffenen Familien.
    Drei Dinge machen die Lösung der uns hier gestellten Aufgabe besonders schwer:
    1. die noch vorhandene Wohnungsnot und der noch nicht beendete Aufbau der zerstörten Lebenszentren in der Bundesrepublik — ich erinnere nur an die noch immer nicht abgeschlossene Rückführung der Evakuierten, ganz zu schweigen von der besonderen Situation Berlins —,
    2. die noch keineswegs vollendete Eingliederung der sogenannten Altvertriebenen und der Flüchtlinge aus dem sowjetischen Besatzungsgebiet, die unmittelbar nach Kriegsende und seitdem unaufhörlich nach Westdeutschland einströmten,
    3. das Fehlen eines modernen Bau- und Bodenrechts, das für die wohnungsmäßige Eingliederung die geeignete gesetzliche Grundlage bietet.
    Schließlich geht es bei der Aufgabe der wohnungsmäßigen Versorgung der Flüchtlinge und unserer aus den Ostgebieten ausgesiedelten Landsleute um ein in jeder Hinsicht schwieriges menschliches Problem. Es geht darum, die Menschen, die oft jahrelang in Lagern leben müssen, so schnell wie möglich in eine geeignete Wohnung zu bringen. Dabei können nur Lösungen in Frage kommen, die unseren Auffassungen von einem sozialen Rechtsstaat entsprechen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Ich meine, daß hier alle angebotenen provisorischen
    Lösungen wie der Bau von Baracken und Schlichtwohnungen dieser Forderung nicht gerecht werden.

    (Beifall in der Mitte.)

    Zu den einzelnen Fragen der Großen Anfrage darf ich wie folgt Stellung nehmen.
    Zu Frage 1: Personenzahl und Mittelbereitstellungen.
    1. Die Zahl der seit dem 1. Februar 1953 bis zum 31. Dezember 1957 in die Länder eingewiesenen Zuwanderer aus dem sowjetischen Besatzungsgebiet beträgt 1 007 846; davon sind 223 905 alleinstehende Jugendliche bis zum 24. Lebensjahr. In der Gesamtzahl sind auch die sogenannten EB-Fälle - Entlastungsaktion Berlin - und die in eigener Landeszuständigkeit Eingewiesenen mitenthalten. Außerdem gehören dazu auch diejenigen seit 1. Oktober 1957 nach Art. 11 Abs. 2 des Grundgesetzes Aufgenommenen, für welche eine Unterbringung nicht gegeben ist. Nach Art. 11 Abs. 2 des Grundgesetzes ist die Freizügigkeit für alle Deutschen unter anderem von dem Vorhandensein einer ausreichenden Lebensgrundlage abhängig gemacht. Dazu gehört nach neuerer Rechtsprechung jedoch nicht notwendigerweise auch eine ausreichende Unterbringung.
    Die Zahl der seit dem 1. Februar 1953 bis 31. Dezember 1957 in die Länder eingewiesenen Aussiedler und aus dem freien Ausland aufgenommenen Vertriebenen beträgt 192 379.
    Zusammen handelt es sich also um 1 200 225 Personen. Von ihnen sind auf der Grundlage des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes, und zwar
    gemäß § 18 Abs. 3, bei der Bereitstellung von Wohnungsbaumitteln des Bundes rund 950 000 Personen zu berücksichtigen. Am 31. März 1957 betrug diese Zahl 741 000.
    2. Für die vom 1. Februar 1953 bis zum 31. März 1957 eingewiesenen zu berücksichtigenden 741 000 Zuwanderer und Aussiedler wurden insgesamt zusätzlich rund 1453 Millionen DM Bundeshaushaltsmittel bereitgestellt, außerdem etwa 120 Millionen DM Aufbaudarlehen aus Härtefondsmitteln für die SBZ-Flüchtlinge mit C-Ausweis. Das sind zusammen 1573 Millionen DM.
    3. Am 31. Dezember 1957 befanden sich rund 147 500 Zuwanderer und Aussiedler in 91 Lagern bei den Ländern und in 1123 Lagern bei den Regierungsbezirken und Gemeinden, ferner 4962 Personen in anderen Lagern. Zusammen sind dies 152 462 Lagerinsassen. Die Zahl der an diesem Stichtag kurzfristig noch in den Notaufnahmelagern Berlin, Gießen und Uelzen mit Nebenlagern sowie in den Grenzlagern Friedland, Piding und Schalding befindlichen Personen belief sich auf 19 533 Personen. Endgültig untergebracht waren am 31. Dezember 1957 rund 545 000 Personen, von denen etwa der Hälfte neugebaute Programmwohnungen und der anderen Hälfte Tauschwohnungen des Wohnungsbestandes zugeteilt wurden.
    Da von den insgesamt 1 200 225 den Ländern zugewiesenen Personen rund 250 000 Personen nicht mit Wohnungsbaumitteln berücksichtigt zu werden brauchen, verbleiben rund 405 000 Personen, die noch endgültig untergebracht werden müssen. Von diesen befinden sich, wie vorher gesagt, 152 462 in Lagern. Der Rest von rund 252 500 Menschen ist vorläufig untergebracht. In dieser Zahl sind rund 50 000 aus den Lagern beurlaubte Personen enthalten. Im übrigen ist der Anteil, der von ihnen jeweils auf sogenannte Massen- und Notunterkünfte, auf Heime aller Art und Untermiete bei Verwandten oder Dritten entfällt, größenmäßig leider nicht genau festzustellen.
    Zu Frage 2: Wohnungsbau und Lageraufenthalt.
    1. In den Jahren 1956 und 1957 wurden zur Unterbringung der bis zum 31. März 1957 eingewiesenen Personen den Ländern folgende Bundeshaushaltsmittel zugeteilt:
    Am 5. Januar 1956 68,6 Millionen DM
    Am 5. März 1956 187,5 Millionen DM
    Am 5. März 1956 45,0 Millionen DM

    (Aufstockung)

    Am 4. Oktober 1956 121,255 Millionen DM
    Am 17. Oktober 1956 48,4 Millionen DM

    (Aufstockung)

    Am 27. Februar 1957 248,199 Millionen DM
    Am 27. Februar 1957 40,418 Millionen DM

    (Aufstockung)

    Am 19. Dezember 1957 114,1 Millionen DM
    Am 19. Dezember 1957 100,7 Millionen DM

    (Aufstockung)

    zusammen: 974,172 Millionen DM
    davon Aufstockung: 234,518 Millionen DM



    Bundesminister Lücke
    2. Mit diesen Mitteln waren insgesamt 105 461 Wohnungen zu fördern. Davon waren am 31. Dezember 1957 24 970 bezugsfertig

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    sowie 32 527 im Bau. 47 964 Wohnungen waren demnach noch nicht im Bau.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    3. Die Länge des Lageraufenthaltes hat folgende Gründe:
    a) Die Bundesförderungsmittel wurden im allgemeinen jeweils vor Beginn des Rechnungsjahres bereitgestellt, das dem Rechnungsjahr folgte, in dem die Zuwanderer und Aussiedler eingewiesen wurden. Daraus ergibt sich ein durchschnittlicher Lageraufenthalt von sechs Monaten. Für die zu Beginn des Rechnungsjahres Gekommenen erhöht sich diese Aufenthaltszeit entsprechend.
    b) Bei rechtzeitiger Bereitstellung der Mittel, d. h. im Dezember des dem Rechnungsjahr voraufgehenden Baujahres, ergibt sich durch den natürlich bedingten Zeitablauf des Wohnungsbaues einschließlich seiner Vorbereitungen die Notwendigkeit eines weiteren Lageraufenthaltes von etwa einem Jahr.
    c) Endlich ergeben sich starke Verzögerungen durch die Steigerung der Bau-, Kapital- und Grundstückskosten sowie die zeitweiligen Schwierigkeiten in der Hypothekenbereitstellung, die zeitraubende Verhandlungen über die Aufstockung der Mittel zwischen Bund und Ländern notwendig machen.
    d) Der tatsächliche Lageraufenthalt schwankt naturgemäß um die durchschnittliche Aufenthaltsdauer, da die Zuteilung normaler Wohnungen nicht nur von dem Zeitpunkt der Einweisung, sondern auch von der sozialpolitischen und wirtschaftlichen Dringlichkeit der Einzelfälle sowie von persönlichen Gründen abhängt.
    e) Die Zahl der Flüchtlinge, die sich drei und mehr Jahre im Lager befinden, betrug am 31. Dezember 1957 7 826.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Hiervor befinden sich allein in Baden-Württemberg 7 255 Personen, die übrigen 571 Personen in allen anderen Ländern. Bezogen auf die Zahl der Lagerinsassen in Baden-Württemberg ist der Anteil der seit drei Jahren sich dort Befindenden 17,2 %, der Anteil in allen übrigen Ländern beträgt 0,4 %. Der Grund, weshalb gerade in Baden-Württemberg ein solch hoher Anteil von langjährigen Lageraufenthalten vorkommt, liegt darin, daß das Land die endgültige Unterbringung nach Gesichtspunkten der wirtschaftlichen Eingliederung, insbesondere des Dauerarbeitsplatzes unmittelbar aus den Lagern heraus, systematisch betreibt.
    4. Übersichten über die durchschnittliche Dauer des Lageraufenthaltes werden in fast allen Ländern, in denen Lager unterhalten werden, geführt. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in den Lagern ist in den Ländern verschieden. Sie wird von einigen Ländern mit 1 bis i 1/2 Jahren, von anderen Ländern mit 2 Jahren angegeben. Diejenigen Zuwanderer
    und Aussiedler, die ohne Aufenthalt in Lagern bzw. Notunterkünften vorläufig bei Familienangehörigen oder in anderweitigen Wohnungen untergebracht werden, müssen ebenfalls 1 bis 11/2 Jahre bzw. bis zu 2 Jahren auf ihre endgültige Versorgung mit Wohnungen warten.
    Zu Frage 3 der Großen Anfrage: Unterbringungsverpflichtung und Kontrolle.
    1. In sämtlichen Auflagen, die sowohl nach dem Ersten wie nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz den Ländern bei Verteilung der Mittel für den Wohnungsbau zugunsten von Aussiedlern und Zuwanderern jeweils gemacht wurden, ist vorgeschrieben, daß mit dem Bundesbeitrag, der pro Kopf zuletzt 2000 DM betrug, sich aber neuerdings auf etwa 2940 DM beläuft, jeweils vier Personen je Wohnung auf Dauer außerhalb von Zwischen- und Massenunterkünften wohnungsmäßig zumutbar untergebracht werden. Sie müssen also nicht in allen Fällen selber in neu erstellten Wohnungen unterkommen. Die Länder ihrerseits erlassen hierzu entsprechende Anordnungen.
    2. Die Länder haben dem Bund die Durchführung dieser Auflagen zu melden und müssen dementsprechend sich selbst über die Durchführung in den Gemeinden unterrichten. Die Kontrollen werden in den Ländern zum Teil von den für das Flüchtlingswesen, zum Teil von den für das Wohnungswesen zuständigen obersten Landesbehörden, zum Teil in Zusammenarbeit zwischen diesen beiden obersten Landesbehörden durchgeführt. Bei der Unterbringung in Tauschwohnungen müssen zudem die unteren Wohnungsbehörden, zum Teil nach Anhörung des Unterzubringenden, die Zumutbarkeit der Tauschwohnung ausdrücklich bestätigen. Die Länder versichern ausnahmslos, daß die Zahl der für die Zuwanderer und Aussiedler jeweils erstellten Wohnungen der Zahl der endgültig mit Wohnraum versorgten Zuwanderer und Aussiedler entspricht.
    Zu Frage 4 der Großen Anfrage: Finanzierungsund Terminplan und Übergangsregelungen.
    1. Bund und Länder sind seit langem bemüht, eine feste Finanzierungsgrundlage für die kontinuierliche und ausreichende Wohnungsbautätigkeit zugunsten der Aussiedler und Zuwanderer zu finden und damit eine zeitgerechte und fortlaufende Herausführung dieser Personen aus Lagern und Notunterkünften sicherzustellen. Ausgangspunkt für eine solche Vereinbarung mit den Ländern war die rechtliche Verpflichtung des Bundes, gemäß dem 1. Überleitungsgesetz vom 21. August 1951 den Ländern 85 % der Kosten für die vorübergehende lagermäßige Unterbringung der Zuwanderer und Aussiedler zu ersetzen.
    Der Bund hat sich freiwillig, erstmals durch eine Vereinbarung vom 24. Februar 1953, auf Wunsch der Ministerpräsidenten der Bundesländer darüber hinaus wesentlich an der Finanzierung des echten Wohnungsbaues für die dauernde Unterbringung von Flüchtlingen und Aussiedlern beteiligt. Zunächst wurde ein Bundesanteil von 1500 DM je Kopf, das sind — bei Zugrundelegung von vier Personen je Wohnung — 6000 DM pro Wohnung vorgesehen.



    Bundesminister Lücke
    Über die Beibehaltung dieser zunächst nur für die Notlage des Jahres 1953 gedachten Regelung fanden langwierige Verhandlungen zwischen Bund und Ländern statt, die mit der Vereinbarung in der Besprechung der Herren Ministerpräsidenten der Länder mit dem Herrn Bundeskanzler vom 7. Juli 1955 ihren vorläufigen Abschluß fanden. Hier wurde eine Dauerregelung auf der Basis des seit 1953 gewährten Förderungssatzes je Wohnung von 6000 DM vorgesehen. Bald darauf forderten die Länder wegen der gestiegenen Gesamtherstellungskosten die Erhöhung des Bundesbeitrages.
    Zur Räumung von Kasernen, die Flüchtlingen als Lager dienten, wurden den Ländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen bereits am 5. März 1956 weitere 1000 DM je Kopf für den Ersatzwohnungsbau zusätzlich gewährt. Insgesamt erhielten beide Länder hierfür 45 Millionen DM.
    Ende 1956 steigerte die Bundesregierung ganz allgemein, und zwar mit teilweise rückwirkender Kraft, den Bundesförderungssatz je Kopf von 1500 DM auf 2000 DM, d. h. von 6000 DM auf 8000 DM je Wohnung. Die Grundlage für einen mehrjährigen Finanzierungs- und Terminplan konnte auch damit nicht geschaffen werden. Im Jahre 1957 beliefen sich nach einer Umfrage bei den Ländern die Gesamtkosten einer 60 qm großen Wohnung im SBZ-Flüchtlingswohnungsbau je nach Gegend auf 19 000 bis 23 500 DM. Dazu trat in diesem Programm, ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, das nötige Eigenkapital aufzubringen, die Notwendigkeit der durchgängigen Begrenzung der Miete auf die Sätze für Einkommensschwache. Dadurch konnte auch die erststellige Finanzierung mit Kapitalmarktmitteln in der Regel nur etwa bis zur Hälfte des im Normalfalle möglichen beleihungsfähigen Raumes für die I. Hypothek ausgenutzt werden.
    Mit dem Bundeskanzlerangebot vom 6. August 1957, das von den Ministerpräsidenten der Länder am 3. Dezember 1957 angenommen wurde, wurde daher der Versuch gemacht, den 'dauernd sich ändernden Voraussetzungen für den Wohnungsbau allgemein zu entsprechen, indem der Bundesförderungssatz dem entscheidenden Störungsfaktor, nämlich der steten Änderung der Gesamtherstellungskosten, angepaßt wurde. Diese Regelung wurde zunächst für die Haushaltsansätze des Rechnungsjahres 1957 getroffen, um vor allem den in diesem Jahr aufgetretenen Stau zu lösen. Der Bundesanteil wurde dabei auf die Hälfte der in den einzelnen Ländern sich nach der Bundesbewilligungsstatistik 1957 ergebenden durchschnittlichen Gesamtkosten einer Wohnung im sozialen Wohnungsbau bemessen, wodurch auch die Unterschiede bei den in den einzelnen Ländern verschieden liegenden Herstellungskosten Berücksichtigung fanden. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen der Bewilligungsstatistik ergibt sich für den Bund ein durchschnittlicher Förderungsbeitrag von etwa 11760 DM je Wohnung. Der Bund hat also zur Erfüllung des auf vier Personen festgelegten Belegungssolls seinen Förderungsbeitrag je Wohnung fast auf das Doppelte der ursprünglichen Summe von 1953 gesteigert.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Inwieweit diese sogenannte Kanzlerlösung die Grundlage für einen mehrjährigen Finanzierungs-
    und Terminplan bilden kann, bedarf noch der in der Verwaltungspraxis zu sammelnden Erfahrungen. Jedenfalls ist vorgesehen, daß ihre Geltung für die Mittelbereitstellung des Bundes im Rechnungsjahr 1958 fortgesetzt wird. Die Länder haben sich auch nach der Kanzlerregelung verpflichtet, die gemäß §§ 42 ff des Zweiten Wohnungsbaugesetzes noch fehlenden nachstelligen Finanzierungsbeiträge zur Errichtung der Wohnungen aus den ihnen zur Verfügung stehenden Wohnungsbaumitteln hinzuzugeben.
    2. Die SBZ-Flüchtlinge und Aussiedler behalten sämtlich ihre Dringlichkeitsstufe als Wohnungsuchende, solange sie nicht endgültig in für sie zumutbaren Wohnungen untergebracht sind. Die Wohnraumbewirtschaftung obliegt den Ländern. Die Bundesregierung steht mit den Ländern in ständiger Fühlung dahin, daß dort, wo Dringlichkeitsstufen gelten, diese für Zuwanderer und Aussiedler mit dem Zeitpunkt der Einweisung unter Berücksichtigung der besonderen Belastung durch Massenunterbringung festgelegt werden und auch während des Aufenthaltes in Zwischenunterkünften der ursprüngliche Stichtag erhalten bleibt.
    Infolge der Unterbringungsnotlage in den Hauptaufnahmeländern wird als Notmaßnahme von einzelnen Ländern die vorübergehende doppelte Belegung der mit Hilfe von Bundesmitteln erstellten Wohnungen gewünscht. Maßnahmen dieser Art wurden, soweit Wohnungsbauförderungsmittel des Bundes in Frage stehen, bislang von den Ländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg eingeleitet. Dabei sieht das Land Nordrhein-Westfalen einen durchschnittlichen Aufenthalt von etwa einem Jahr für die einzelne Familie vor, nach dessen Ablauf ihr eine endgültige Wohnung zugewiesen werden soll, während das Land Baden-Württemberg noch keine endgültige Entscheidung über den Zeitraum der Unterbringung getroffen hat, den Aufenthalt in der Doppelbelegung vielmehr von der Eignung der Einzelfälle unter Berücksichtigung des Willens der Aufgenommenen abhängig machen will. Die Gesamtmaßnahme der Doppelbelegung, die aber, wie gesagt, nicht etwa über die gesamte Zeitdauer für dieselben Familien gedacht ist, wird von beiden Ländern für den Zeitraum von etwa fünf Jahren vorgesehen, nach deren Ablauf in jedem Falle die Wohnungen nur einfach belegt bleiben sollen.
    Dieses Verfahren erscheint aber für eine allgemeine Regelung nicht geeignet. Die Bundesmittel zugunsten des Wohnungsbaues für Zuwanderer und Aussiedler werden zu deren endgültig zumutbarer Unterbringung gegeben. Eine Doppelbelegung neuerstellter Wohnungen ist als eine solche endgültige wohnungsmäßig zumutbare Unterbringung nicht anzusehen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Da infolge Doppelbelegung neuerstellter Wohnungen Mittel zur Unterbringung der zweiten Familie



    Bundesminister Lücke
    nicht sofort verbaut werden müssen, müssen sie baldmöglichst zur Aufhebung der Doppelbelegung durch Bau von Normalwohnungen in erreichbarer Nähe der Zwischenunterkunft bzw. des Arbeitsplatzes der Betroffenen eingesetzt werden, zumal diese in der Regel schon vor ihrer Einweisung in die Zwischenunterkunft wiederholte und langwährende Lageraufenthalte hinter sich haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung wird die diesbezügliche Sicherstellung der nicht sofort verbauten Mittel anstreben und zur Bedingung der Zulässigkeit solcher Ausweichmaßnahmen machen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung wünscht in Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes die Verwendung der Bundesmittel nur für Wohnungen mit vorgeschriebener Mindestausstattung und wird keinesfalls die Verwendung von Bundesmitteln für Schlichtwohnungen gestatten.

    (Beifall in der Mitte.)

    Wo eine zeitweilige Doppelbelegung unvermeidbar ist, wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß sich durch Einbau der nötigen technischen Einrichtungen, sanitären Anlagen usw. das Leben der in solchen Wohnungen vorübergehend untergebrachten Familien möglichst reibungslos abspielen kann.
    Zu Frage 5 der Großen Anfrage: Tragbarmachung der Mieten oder Lasten und Eigentumsbildung.
    1. § 46 des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes schreibt bindend vor, daß die Mieten oder Belastungen für Personen mit geringen Einkommen, zu denen die Flüchtlinge und Aussiedler in der Regel gehören, tragbar zu machen sind. Der Begriff der Tragbarkeit der Miete oder Belastung wird in § 73 Abs. 2 näher umschrieben. Diese Verpflichtungen gelten für jede Art von Neubauwohnungen im öffentlich geförderten Wohnungsbau, also auch für öffentlich geförderte Neubauwohnungen für SBZ-Flüchtlinge und Aussiedler. Eine anderweitige Handhabung würde dem verfassungsmäßigen Grundsatz der Gleichbehandlung widersprechen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Für die Tragbarkeit der Mieten und Belastungen haben die für das Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen obersten Landesbehörden durch eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen zu sorgen, die im Wohnungsbau- und Familienheimgesetz verankert wurden, durch a) Gewährung von erhöhten, der nachstelligen Finanzierung dienenden öffentlichen Baudarlehen, b) Gewährung von Darlehen oder Zuschüssen zur Deckung der laufenden Aufwendungen, von Zinszuschüssen oder Annuitätsdarlehen gemäß § 42 Abs. 6, c) Gewährung von Miet- oder Lastenbeihilfen gemäß § 73. Von letzterer Möglichkeit, die bei Verabschiedung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes auf Verlangen des Bundesrates den Ländern vorbehalten blieb, haben die Länder in ihrer überwiegenden Mehrzahl bisher
    keinen Gebrauch gemacht, obwohl diese Hilfen für die Flüchtlinge und Aussiedler gedacht sind und in besonderer Weise geeignet wären, die Belastungen tragbar zu machen.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Welche Maßnahmen die Landesbehörden im einzelnen treffen, obliegt ihrer Entscheidung. Die durch das Abkommen mit dem Herrn Bundeskanzler und durch die verpflichtende Ergänzung der Bundesmittel seitens der Länder erheblich gestiegene Objektfinanzierung sollte im Normalfall die Tragbarkeit der Belastungen ermöglichen. Wo dies nicht der Fall ist, müssen die anderen genannten Maßnahmen hinzugefügt werden. Das Land Niedersachsen hat einen Erlaß vom 3. September 1957 über die Gewährung von Miet- und Lastenbeihilfen herausgegeben. Hamburg verweist auf sein Zweites Gesetz über die Gewährung von befristeten Zinszuschüssen vom 6. Juni 1957. Alle diese Vorschriften gelten auch für die Sonderwohnungsbauprogramme zugunsten der Zuwanderer aus der SBZ und der Aussiedler.
    Zur Frage der Eigentumsbildung ist ebenfalls auf die einschlägigen Bestimmungen des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes, vor allem auf die §§ 1 und 30 Abs. 2 hinzuweisen, die zwingend den allgemeinen gesetzlichen Vorrang der Förderung des Familienheimbaues unter besonderer Berücksichtigung der Wohnraumversorgung von Wohnungsuchenden mit geringem Einkommen auch für die sogenannten Sonderprogramme vorschreiben. Die Bestimmungen des § 1 sind in dem letzten Verteilungsrundschreiben über die Bereitstellung von Wohnungsbaumitteln vom 19. Dezember 1957 für Zuwanderer und Aussiedler ausdrücklich hervorgehoben worden. Von den Ländern wurden entsprechende Ausführungsvorschriften entweder allgemein oder für die Sonderprogramme speziell erlassen. So — neben Hessen — auch Nordrhein-Westfalen für Sonderprogramme: Werden den Bewilligungsbehörden Wohnungsbaumittel mit der Weisung zugeteilt, sie ganz oder teilweise zugunsten bestimmter Personenkreise oder für bestimmte Zwecke zu verwenden, so ist nach § 30 Abs. 2 des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes und den entsprechenden Wohnungsbauförderungsbestimmungen die im Zweiten Wohnungsbaugesetz festgelegte Rangfolge einzuhalten.
    Die Eigentumsbildung im Rahmen des Wohnungsbaus für Zuwanderer und Aussiedler sollte sich an folgenden Grundsätzen orientieren. Sie muß sich unter Vermeidung jeglicher Provisorien der allgemeinen Wohnungsbaupolitik einfügen und die Bedarfsstruktur auf lange Sicht berücksichtigen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Sie hat sich der Gemeindeplanung einzufügen und jede Ghettobildung zu vermeiden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Daraus folgt, daß es entscheidend darauf ankommt,
    den zukünftigen Bedarf nach Eigentum an der Wohnung bereits in den gegenwärtigen Bauformen weitgehend vorweg zu erfüllen, auch wenn die so ent-



    Bundesminister Lücke
    stehenden Wohnungen den ersten Benutzern nicht als Eigentum zu übergeben sind.
    Die Umsetzung in echtes Eigentum geschieht dann für die unmittelbare Gegenwart entweder — nach Lage der Dinge in den selteneren Fällen — durch Übergabe zu Eigentum an Aussiedler und Zuwanderer unmittelbar oder auf dem Wege des Wohnungstausches durch Übereignung an Bewerber, die ihrerseits Mietwohnungen für Flüchtlinge und Aussiedler freimachen, oder auch über die Förderung solcher bereits ansässiger Bauherren, die zugleich mit ihrem Familienheim eine Einlieger- oder zweite Mietwohnung für eine Aussiedler- oder Flüchtlingsfamilie bauen. In anderen Fällen wird die Wohnung zunächst als Mietwohnung genutzt. Sie ist jedoch jederzeit in eine Eigentumswohnung bei auftretendem Bedarf umzuwandeln nach den bekannten Formen, die das Zweite Wohnungsbaugesetz dafür anbietet, also entweder an den ersten Nutzer, den Zuwanderer und Aussiedler oder je nachdem an seinen Nachfolger.
    Ich brauche nicht zu betonen, daß auch der Wiederaufbau durch die günstigen Finanzierungsbedingungen im Wohnungsbau für Zuwanderer und Aussiedler zu fördern ist, soweit der Bauherr Zuwanderern und Aussiedlern die neu erbauten Wohnungen zu vermieten bereit ist.
    Einer unmittelbaren Versorgung der Aussiedler und Zuwanderer mit Eigentum an der Wohnung sind naturgemäß enge Grenzen gesetzt, da diese Personengruppen die dazu notwendigen Voraussetzungen — von ihrem eigenen Willen abgesehen — erst nach und nach erfüllen in dem Maße, wie sie sich in die übrigen Lebensbeziehungen im Bundesgebiet eingliedern. Es werden jedoch alle Anstrengungen zu unternehmen sein, um die Eigentumsbildung für Aussiedler und Flüchtlinge unmittelbar zu fördern, allein schon deshalb, weil es beim ersehnten Tag X nicht nur ihnen selbst, sondern auch dem gesamten deutschen Volk dienen wird, wenn sie nicht mit leeren Händen an den Wiederaufbau der alten Heimat gehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Eine besondere Schwierigkeit ist hierbei in dem regelmäßigen Fehlen jeden Eigenkapitals zu erblikken. Immerhin stellen die zum Ersatz bzw. zur Ergänzung der Eigenleistung gewährten Aufbaudarlehen aus dem Lastenausgleichsfonds hier eine besonders willkommene Hilfe dar. Zwar können nur die aus echten politischen Gründen aus dem sowjetischen Besatzungsgebiet geflüchteten C-Ausweisinhaber Aufbaudarlehen aus dem Härtefonds erhalten, jedoch sind die Aussiedler durchweg aufbaudarlehnsberechtigt. Im Wege vorweggewährter Globaldarlehen, wozu die Ausgleichsbehörden angesichts des besonderen Notstandes bei Aussiedlern bereit sind, bietet sich namentlich für die unternehmerische Wohnungswirtschaft die ihren Spitzenvertretern in eingehenden Besprechungen ans Herz gelegte Möglichkeit des Vorratseigenheimbaues für diesen Personenkreis.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dazu verweise ich auf die oft noch nicht genügend
    beachtete Tatsache, daß auch die Wohnungsunternehmen, die zugunsten von Minderbemittelten — und dazu gehören bekanntlich die Flüchtlinge und Aussiedler in der Regel — oder Gleichgestellten, also namentlich für Kinderreiche, Kaufeigenheime oder Trägerkleinsiedlungen bauen bzw. betreuen, nach den Vorschriften des Zweiten Wohnungsbaugesetzes in der ersten Rangstufe mit öffentlichen Mitteln zu fördern sind. Es liegt also durchaus in der Hand dieser Unternehmen, an der Bewilligung der beträchtlichen, gerade für den hier in Frage kommenden Personenkreis bereitstehenden öffentlichen Mittel, und zwar bevorzugt, teilzunehmen.
    Ich freue mich, Ihnen auf Grund der Ergebnisse der vorhin erwähnten Besprechungen mitteilen zu können, daß sowohl die gemeinnützige Wohnungswirtschaft, einschließlich der Heimstätten, als auch die freien Wohnungsunternehmen sich dieser dem Eigentum dienenden Wohnform in großangelegten Bauvorhaben in dem vorerwähnten allgemeinen Rahmen besonders widmen wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung wird diese der Zielsetzung des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes entsprechenden Vorhaben durch Vorfinanzierungsmaßnahmen zum Zwecke des Erwerbs des notwendigen Baugeländes sowie der fehlenden Eigenleistung zu fördern suchen. Sie hofft dabei auf ein ebenso großzügiges Entgegenkommen der Länderregierungen. Verhandlungen mit den Ländern darüber, insbesondere über eine hierzu unerläßliche Änderung des nach den Landesförderungsbestimmungen jeweils geltenden Auszahlungsmodus für die öffentlichen Mittel und die Gewährung von Zinszuschüssen aus diesen, stehen bevor.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe schon betont, daß es schließlich nicht erforderlich ist — auf diesen Punkt möchte ich besonders hinweisen —, daß nur Flüchtlinge und Aussiedler in den Neubauten unterzubringen sind, die mit den für sie bestimmten Mitteln errichtet werden. Vielmehr ist in allen Verteilungserlassen ausdrücklich zugelassen, daß die damit geschaffenen Wohnungen auch anderen Wohnungsbewerbern — der Volksmund nennt sie „Normalverbraucher" —, selbstverständlich auch den sogenannten Altvertriebenen, zugeteilt werden dürfen, wenn die dadurch frei werdenden Wohnungen Flüchtlingen und Aussiedlern zur Verfügung gestellt werden oder sie sonstwie wohnungsmäßig auf die Dauer zumutbar untergebracht werden. Eine amtliche Verlautbarung des zweitgrößten Aufnahmelandes, Baden-Württemberg, weist aus, daß dort 46 °/o der bisher endgültig untergebrachten Flüchtlinge und Aussiedler in Altwohnungen unterkamen. Es bietet sich hier insbesondere für Wohnungsunternehmen mit erheblichem Mietwohnungsbestand, sofern ihre Mieter und Genossen nach einem Familienheim streben, eine ganz besondere Chance für die Anwendung des zugelassenen Tauschverfahrens. Auch aus Gründen der Vermeidung von Fehlinvestitionen auf lange Sicht und unter Berücksichtigung eines Ausgleichs von Angebot und Nachfrage am Wohnungsmarkt in einigen Jahren empfiehlt es sich, neben qualitativ guten Mietwohnungen besonders Familienheime im



    Bundesminister Lücke
    öffentlich geförderten Wohnungsbau zu erstellen. Einzelne Länder melden auch schon diesbezügliche Erfolge.
    Zu Frage 6: Raumordnerische Maßnahmen und Beschaffung von Baugelände.
    1. Durch Kabinettsbeschluß vom 25. November 1955 hat die Bundesregierung auf dem Gebiete der Raumordnung eine Reihe von administrativen Maßnahmen eingeleitet. Dazu gehören die Schaffung eines Interministeriellen Ausschusses zur Koordinierung der raumrelevanten Maßnahmen der Bundesressorts, die Bildung eines Sachverständigen-Ausschusses zur Entwicklung eines raumpolitischen Leitbildes für das Bundesgebiet und der Abschluß eines Verwaltungsabkommens zwischen Bund und Ländern über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Raumordnung. Die auf Grund der vorstehenden Maßnahmen gebildeten Gremien nehmen sich auch der Fragen der Auflockerung der Ballungszentren und der Förderung von Entwicklungsgebieten als eines der Kernprobleme der Raumordnung an.
    Um den Ausgleich struktureller Unterschiede nachhaltig zu fördern, verfolgen die raumpolitischen Maßnahmen auf dem Gebiet der Standortplanung im Wohnungsbau das Ziel, durch eine breitere regionale Streuung der Wohnungen eine Auflockerung der Siedlungsstruktur herbeizuführen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Durch eine zweckvolle Koppelung des Einsatzes der Wohnungsbaumittel mit der Arbeitsplatzbeschaffung, besonders in den förderungswürdigen Entwicklungsgebieten, die für eine Industrieansiedlung bevorzugt in Frage kommen, kann das allgemeine Standortgefüge im Bundesgebiet wesentlich verbessert werden.
    In den von den Ländern zu beachtenden, in jedem Jahr seitens der Bundesregierung ergehenden, auch für die Sonderbauprogramme gültigen Richtlinien für den Einsatz der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau wird daher bestimmt, daß die entwicklungsfähigen kleineren und mittleren Gemeinden bei der Vergabe von Wohnungsbaumitteln angemessen gefördert werden. Darüber hinaus soll auch der Wohnungsbau im Zonenrandgebiet und in den anerkannten Notstandsgebieten — insbesondere für Facharbeiter besonders berücksichtigt werden. Außerdem ist die Bundesregierung bemüht, im Interesse einer Auflockerung der Ballungsgebiete die Schaffung neuer Orte bzw. von Trabanten-und Satellitenstädten im Umland der Großstädte durch Bereitstellung von Sondermitteln für den Wohnungsbau — die sogenannte Sennestadt ist ein Beispiel — zu fördern. Um die Konzentration der Bevölkerung in den Zentren der Ballungsräume nicht noch zu verstärken, befürwortet die Bundesregierung des weiteren für die in diesen Gebieten Beschäftigten den Wohnungsbau am Rande bzw. im Umland der Ballungszentren. Die Überwindung einer größeren Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sollte infolge der in Durchführung begriffenen Elektrifizierung der Bundesbahn und der allgemeinen Entwicklung des Verkehrswesens durchaus tragbar sein. Allerdings spielen auch die
    Kosten dieses Pendlerverkehrs eine Rolle. Die Standortwahl für Wohnungen im Umkreis der Ballungszentren trägt sowohl Belangen der Raumordnung als auch des Luftschutzes Rechnung. Die Länder sind daher im Zusammenhang mit der Aufstellung des Wohnungsbauprogramms 1958 gebeten worden, in Gebieten mit noch hohem Wohnungsbedarf die Wohngemeinden mit starkem Berufsverkehr — Arbeiterwohnsitzgemeinden — bei der Zuweisung von Wohnungsbaumitteln besonders zu berücksichtigen.
    2. Die raumpolitischen Maßnahmen auf dem Gebiet des Wohnungsbaues erstrecken sich generell auf den gesamten sozialen und frei finanzierten steuerbegünstigten Wohnungsbau, schließen also die Sonderprogramme mit ein. Eine unmittelbare Einflußnahme des Bundes auf die Aufschlüsselung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau in den einzelnen Ländern, die Standorte der Wohnungen und die Bereitstellung von Baugelände zu erschwinglichen Preisen ist an sich nicht gegeben, da die Durchführung des Wohnungsbaues Aufgabe der Länder ist. Nach dem Wohnungsbau- und Familienheimgesetz sind jedoch Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts verpflichtet, geeignete Grundstücke aus ihrem Besitz als Bauland für den Wohnungsbau zu angemessenen Preisen zur Verfügung zu stellen. Die Gemeinden haben darüber hinaus die Aufgabe, die für den Wohnungsbau geeigneten Grundstücke zu beschaffen, baureif zu machen und den Bauwilligen als Bauland zu überlassen.
    Die Industrieansiedlung und die Auflockerung von Ballungsräumen sowie die Schaffung von Wohnsiedlungen in verkehrsmäßig erreichbaren Randgebieten der Ballungsräume für die dort in Arbeit Stehenden wird die Bundesregierung durch eine Reihe organisatorischer und finanzieller Maßnahmen, fußend auf dem Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern über die Raumordnung, fördern und unterstützen. Der Bund gestattet schon jetzt die Verwendung von 5% der öffentlichen Wohnungsbaumittel für Baulanderschließungsdarlehen. Wie ich bereits am 18. Januar 1958 auf einer Vorstandssitzung des Deutschen Volksheimstättenwerks zum Ausdruck brachte, wird die verstärkte Hergabe von Baulanderschließungsdarlehen gemäß § 90 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes erwogen, namentlich um die Gemeinden, die diese Mittel aus eigener Kraft nicht aufbringen können, in die Lage zu versetzen, Bauland für Familienheime auszuweisen und aufzuschließen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Dort, wo auf dem erschlossenen oder zu erschließenden Baugrund überwiegend Familienheime erstellt werden, soll die Gewährung von Bundesbürgschaften gemäß dem Zweiten Wohnungsbaugesetz, wie schon angedeutet, die Vorfinanzierung des Eigenkapitals ermöglichen. Ferner sei auf die Vorschriften von § 21 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes über die Gewährung von Vor- und Zwischenfinanzierungsdarlehen für den Bau von Familienheimen im sozialen Wohnungsbau verwiesen. Diese Vor- und Zwischenfinanzierungsdarlehen haben sich



    Bundesminister Lücke
    bewährt. Mein Haus wird um die Aufstockung der bisher verwendbaren Mittel durch Einsatz von Mitteln des Geld- und Kapitalmarktes und Bundesbürgschaften weiterhin bemüht sein.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Dem Bauträger von Familienheimen können öffentliche Mittel als Darlehen zur Vorfinanzierung des gesamten Bauvorhabens gemäß § 42 Abs. 5 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ebenfalls gewährt werden. Auf die Möglichkeit des Einsatzes der nach § 7 c des Einkommensteuergesetzes steuerbegünstigten Darlehen sei ebenfalls verwiesen.
    Die Bundesregierung .wird auch weiterhin ihre Aufmerksamkeit der Notwendigkeit widmen, daß Wohnungen auch außerhalb der Gemeindegrenzen in den Großwirtschaftsräumen, in Stadtlandschaften, wie es der Oberbürgermeister von Stuttgart nannte, errichtet werden. Diese Aufgaben sind nur durch entsprechende Lenkung der Mittel, vor allem aber eine wirksame, die Standorte andeutende Landesplanung zu meistern. Auch die Verteilung der Wohnungsbaumittel durch die Länder sollte in den Ballungsräumen unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte nicht unter enger Begrenzung auf Gemeindegrenzen — hier sind die geographischen Gemeindegrenzen gemeint — erfolgen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung hat die Absicht, alle diese
    Fragen noch eingehend mit den Ländern zu erörtern.
    Zu Frage 7: Verwendung von Ersparnissen aus der pauschalierten Kriegsfolgenhilfe.
    Diese letzte Frage der Großen Anfrage geht offenbar von der Tatsache aus, daß der Bund bereits in den Rechnungsjahren 1952 und 1954 den Ländern aus dem Haushalt der Kriegsfolgenhilfe Mittel in Höhe von rund 50 Millionen DM zum Zwecke der Lagerräumung zur Verfügung gestellt hat. Es handelte sich bei diesen Mitteln zum Teil um Einsparungen gegenüber den ursprünglichen Haushaltsansätzen für Lageraufwendungen. Für den Bund bestand diese Möglichkeit, Mittel der Kriegsfolgenhilfe für die Förderung des Wohnungsbaues zur Verfügung zu stellen, nur bis zum Ablauf des Rechnungsjahres 1954.
    Im Zuge der Neufassung des Vierten Überleitungsgesetzes ist mit Wirkung vom 1. April 1955 eine Pauschalierung der Aufwendungen der Kriegsfolgenhilfe erfolgt. Der einem Land nach den Bestimmungen des Ersten Überleitungsgesetzes in der Fassung vom 28. April 1955 und der Zweiten Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz vom 3. Juli 1956 zu überweisende Pauschbetrag soll die Aufwendungen pauschal abgelten, die aus verschiedenen Titeln der Kapitel 03 und 04 des Einzelplans 40 des Bundeshaushalts, Soziale Kriegsfolgeleistungen, bisher im Wege der Einzelverrechnung erstattet worden sind. § 21 a Abs. 5 des Gesetzes bestimmt, daß die Länder die Pauschbeträge den Landes- und Bezirksfürsorgeverbänden und den gegebenenfalls sonst noch beteiligten Aufgabenträgern zur Deckung der von ihnen zu gewährenden Leistungen der Kriegsfolgenhilfe überweisen. Diese
    Bestimmung stellt eine allgemeine Zweckwidmung der Pauschbeträge dahingehend dar, daß die Länder gehalten sind, die Beträge in vollem Umfange der Verwendung im Rahmen der Kriegsfolgenhilfe zuzuführen, daß es ihnen aber unbenommen bleiben muß, Ausgleiche, die sich als notwendig herausstellen, unter den Kostenträgern vorzunehmen.
    Das Überleitungsgesetz sieht in § 4 Abs. 2 Nr. 2 ein Weisungsrecht der obersten Bundesbehörden vor. Dieses bezieht sich jedoch nur auf bestimmte Aufwendungen der Kriegsfolgenhilfe, die über den 1. April 1955 hinaus von den Ländern weiter für Rechnung des Bundes geleistet und mit dem Bund einzeln abgerechnet werden. Soweit es sich um die pauschalierte Kriegsfolgenhilfe handelt, haben die Länder einen Rechtsanspruch in der durch Gesetz und Rechtsverordnung festgesetzten Höhe. Die Länder müssen mit diesen Mitteln wirtschaften, d. h. sie müssen nach eigenem pflichtmäßigem Ermessen Sorge dafür tragen, daß gegebenenfalls Ausgabeminderungen und damit Ersparnisse auf dem einen Sachgebiet zum Ausgleich von erhöhten Anforderungen auf einem anderen Sachgebiet der Kriegsfolgenhilfe eingesetzt werden. Das ist z. B. hinsichtlich .der zur Zeit gesteigerten Leistungen für den Personenkreis der Spätaussiedler der Fall. Die Länder müssen auch in der Lage sein, bei einer un- gleichmäßigen örtlichen oder bezirklichen Entwicklung der Aufgaben einen Ausgleich zwischen den Bezirksfürsorgeverbänden bzw. den sonstigen Kostenträgern vorzunehmen.
    Auch wenn davon ausgegangen wird, daß in einzelnen Ländern auf einzelnen Leistungsgebieten der pauschalierten Kriegsfolgenhilfe Ersparnisse gemacht werden, so ist es der Bundesregierung dennoch verwehrt, den Verwendungszweck dieser Mittel im einzelnen zu bestimmen, solange die Länder sie jedenfalls in Übereinstimmung mit der allgemeinen Zweckwidmung der Pauschbeträge zur Deckung der zu gewährenden Leistungen der Kriegsfolgenhilfe verwenden. Eine Verletzung dieser Verpflichtung würde sich allerdings als eine Rechtsverletzung darstellen

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    und würde ein Einschreiten der Bundesregierung im Wege der Bundesaufsicht rechtfertigen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Eine solche Notwendigkeit hat sich in der Vergangenheit nicht ergeben.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, Ihnen mit der Beantwortung der Fragen dargetan zu haben, daß die Bundesregierung das in ihren Kräften Stehende getan hat, um des uns alle angehenden Problems, das der unselige Krieg uns bis zur gegenwärtigen Stunde hinterlassen hat, Herr zu werden. Dabei rinnt der Flüchtlingsstrom unaufhörlich weiter. Noch ist das Ende nicht abzusehen. Sie können aber gewiß sein, daß die Bundesregierung alle zur Milderung dieser Not, möglichen Maßnahmen treffen wird. Im Entwurf des neuen Bundeshaushaltsplanes werden, wiederum bemessen nach der Kanzlervereinbarung, für die im



    Bundesminister Lücke
    vergangenen Rechnungsjahr Eingewiesenen sowie für die im kommenden Haushaltsjahr erwarteten Zuwanderer und Aussiedler Wohnungsbaumittel, zum Teil im Wege der Bindungsermächtigung, bereitgestellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich hoffe deshalb, daß das Hohe Haus die von der Bundesregierung vorgesehene Zuteilung des Bundesbeitrags zur sofortigen Verplanung an die Länder entsprechend dem Bedarf zu Beginn der Bausaison, also — wie bisher schon — v o r Verabschiedung des Haushalts, billigen wird. Im Hinblick auf die verfassungsmäßig gegebene Situation vermag ich aber nicht ohne den Hinweis zu schließen, daß die tatsächlichen Möglichkeiten schneller und wirksamer Hilfeleistung bei dem mit diesen Mitteln durchzuführenden Wohnungsbau bei den Ländern größer sind als beim Bund. Hier gilt das Wort: Wer schnell hilft, hilft doppelt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und DP gehört.
Wir kommen zu Punkt 1 b der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Sondermaßnahmen für den Wohnungsbau zugunsten der Zuwanderer und Aussiedler (Drucksache 231).
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Brecht.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Julius Brecht


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich den Antrag meiner Fraktion begründe, darf ich zur Großen Anfrage, zu ihrer Begründung und zu der Darstellung des Herrn Bundeswohnungsbauministers einiges bemerken.

    (Zuruf des Abg. Dr. Czaja.)

    — Haben Sie keine Bange! Ich werde nicht in die Methode verfallen, nun mit Statistiken zu arbeiten und mich mit den Paragraphen im einzelnen zu beschäftigen, sondern mir scheint, es kommt in dieser Diskussion darauf an, daß die Kardinalpunkte der Anfrage, die von der CDU gestellt ist, herausgestellt und die politischen Fragen, die sich daran anschließen, behandelt werden. Alle Einzelheiten, die hier schon vorgetragen worden sind, sind durchaus wert, in den Ausschußberatungen behandelt zu werden.

    (Abg. Dr. Czaja: Wir wollen die Sache doch in der Öffentlichkeit behandeln!)

    — Meinetwegen, Herr Dr. Czaja, auch in der Öffentlichkeit! Wir von der SPD haben es wahrhaftig nicht zu fürchten, daß die Fragen des Wohnungsbaus für Sowjetzonenflüchtlinge in der Öffentlichkeit behandelt werden.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ich glaube aber nicht, daß es richtig ist, die Debatte um den Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge
    auf den sozialen Wohnungsbau im allgemeinen zu verlagern, wie das heute morgen auch im Deutschland-Union-Dienst schon angekündigt worden ist und wie es der Herr Bundeswohnungsbauminister mit der Darlegung aller einzelnen Punkte des sozialen Wohnungsbaus auch tatsächlich getan hat.

    (Abg. Kuntscher: Er ist auf die Fragen eingegangen!)

    — Er hat Dinge gebracht, Herr Kuntscher, die weit darüber hinausgegangen sind. Aber darüber läßt sich ja diskutieren. Ich vertrete nun einmal den Standpunkt, daß man sich hier auf die Probleme des Wohnungsbaus für SBZ-Flüchtlinge beschränken soll. Ich bin der Meinung, dieser Wohnungsbau ist so dringlich und so wichtig und hat ein so gewaltiges soziales Gewicht, daß wir allen Anlaß haben, uns zunächst mit diesem Problemkreis zu beschäftigen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Ich glaube, man soll dabei auch gar nicht gleich zur Schuldfrage übergehen. Ich habe es sehr dankbar aufgenommen, daß Herr Dr. Czaja im DeutschlandUnion-Dienst heute ganz eindeutig gesagt hat, die Große Anfrage wolle nicht anklagen, sondern in einer Aussprache nach ordnenden Wegen zur Lösung suchen.

    (Abg. Dr. Czaja: Haben Sie etwas anderes befürchtet?)

    Das ist auch unsere Auffassung. Früher sind allerdings Zeitungsartikel erschienen, die eine ganz andere Richtung, die Richtung auf künftige Landtagswahlen durchaus deutlich gemacht haben.

    (Zustimmung bei der SPD. — Abg. Dr. Czaja: Spricht er die an?)

    Wir sollten ehrlich sein und über dieses wichtige Thema in aller Offenheit miteinander diskutieren. Wir wissen — —

    (Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ich kann Sie beim besten Willen nicht verstehen, wenn Sie alle durcheinander reden. Ich bin gern bereit, jedem einzelnen zu antworten. Das kann ich aber nicht, wenn Sie durcheinanderreden.
    Das Ergebnis des Wohnungsbaus für Sowjetzonenflüchtlinge ist wirklich sehr ernst. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat in einer Rede in Köln vor den Siedlungsreferenten des Katholischen Siedlungsdienstes — ich glaube, Ende Januar — gesagt, es sei eine unerfreuliche Phase der Wohnungspolitik. Das ist sehr milde ausgedrückt. Seine Darlegungen von heute zeigen, daß es nicht nur eine unerfreuliche Phase ist, sondern daß wir praktisch — nun, sagen wir es offen — vor einem Fiasko des Wohnungsbaus für Sowjetzonenflüchtlinge stehen.

    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    Wir sollten gemeinsam versuchen, aus dieser Situation herauszukommen. Es ist doch so, daß die Lager überquellen, daß die Gemeinden versuchen müssen, neue Lager einzurichten, daß sie Tanzböden gewinnen müssen, um die Flüchtlinge unter-



    Dr. Brecht
    zubringen. Auch Sie werden gehört haben, daß das Wort vom deutschen Baustil als dem „Barack" wieder umgeht, jenes Wort, das aus dem Jahre 1937 stammt und damals schon geflüstert worden ist. Daß der Herr Bundeswohnungsbauminister sich mit vollem Recht und mit unserer vollen Zustimmung gegen die Schlichtwohnungen, gegen die Doppelbelegungen — praktisch sind es nicht nur Doppelbelegungen, sondern Dreifachbelegungen — ausgesprochen hat, zeigt doch, in welcher Situation wir stehen. Man muß deshalb gemeinsam nach Wegen suchen, die aus dieser Situation herausführen.
    Wie ernst die Situation ist, hat kein anderer als der Herr Vertriebenenminister Professor Oberländer vor ein paar Tagen klar zu erkennen gegeben, indem er auf einer Tagung der evangelischen Siedlungsreferenten in Kassel gesagt hat, seiner Meinung nach könnten die Lager in vierzehn Tagen geräumt werden, wenn man den Mut hätte, die Wohnraumbewirtschaftung schärfer zu handhaben.

    (Zurufe von der SPD: Wer lacht da?! — Da lacht keiner!)

    Wir sind nicht der Auffassung, daß das die Lösung des Problems ist, und ich glaube, auch Herr Minister Oberländer wollte das nicht sagen. Aber es ist doch charakteristisch für die gegenwärtige Situation, daß hier davon gesprochen wird, man müsse die Wohnraumbewirtschaftung schärfer handhaben, man müsse vielleicht den unterbelegten Wohnraum auch in den Wohnungen, die in letzter Zeit steuerbegünstigt gebaut worden sind, in Anspruch nehmen, um die Sowjetzonenflüchtlinge aus ihren Lagern herauszubekommen. Das kennzeichnet die Schwierigkeiten und den Ernst der Situation. In genau demselben Augenblick legt uns der Zentralverband der Deutschen Haus- und Grundbesitzer seine große Denkschrift vor, in der er sagt, man müsse nun zu einer Auflockerung der Wohnraumbewirtschaftung übergehen. Der Hinweis auf diese Lösungsform erscheint wenige Monate, nachdem der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung verkündet hat, es gehöre zu den Zielen dieser Legislaturperiode, die Überführung der Wohnungswirtschaft in die Marktwirtschaft zu vollziehen. Das ist doch genau das Gegenteil von dem, was nun gesagt wird: daß es nämlich notwendig sei, die Wohnraumbewirtschaftung schärfer anzupacken.
    Meine Damen und Herren, wenn den Verhältnissen, so wie sie jetzt liegen, entsprochen und versucht werden soll, gemeinsame Wege zu einer Lösung zu finden, können auch nicht nur die Verhältnisse der Jahre 1956 und 1957 zugrunde gelegt werden. Die Gründe dieser schwierigen Situation liegen eigentlich wesentlich tiefer.

    (Abg. Rehs: Sehr gut!)

    Sie liegen zunächst darin, daß bis zum Jahre 1953 Sondermaßnahmen für die Sowjetzonenflüchtlinge und für die Aussiedler überhaupt nicht getroffen worden sind. Man hat es damals den Ländern ganz allein überlassen, mit Hilfe der allgemeinen Wohnungsbauförderung, ganz zweifellos aber ohne Sondermaßnahmen dieses auf sie zukommenden,
    immer schwieriger und drängender werdenden Problems Herr zu werden. Für die Zuwanderer bis 1953 und für die Aussiedler bis 1955 ist nichts Besonderes geschehen. Erst von da an haben Maßnahmen des Bundes eingesetzt. Zunächst hat der Bund — das ist auch hier erklärt worden — nur zugestanden, daß er für die lagermäßige Unterkunft zuständig ist. Er hat diesen Betrag mit 1500 DM je Person angesetzt, d. h. mit 6000 DM je Wohnung. Das geschah in einer Zeit, als die durchschnittlichen Beträge der öffentlichen Förderungsdarlehen im sozialen Wohnungsbau schon wesentlich über diesen Betrag hinausgingen. Im Juli 1953 hat der Durchschnittsbetrag der öffentlichen Förderungsdarlehen im sozialen Wohnungsbau bereits 7000 DM betragen, obwohl wir alle wissen, daß im allgemeinen sozialen Wohnungsbau ganz andere Chancen und Möglichkeiten der Restfinanzierung vorliegen als im Wohnungsbau für die Sowjetzonenflüchtlinge. Weiter hat der Herr Minister zugegeben — auch das muß man berücksichtigen daß erst vom 7. Juli 1955 an eine Dauermaßnahme durch die Zugeständnisse der Bundesregierung eingeführt worden ist. Bis 1955 hing alles von einem Jahr zum anderen in der Luft, ohne daß eine Grundlage für ein wirklich langfristiges Wohnungsbauprogramm und eine langfristige Siedlungsplanung gegeben war. Erst am 20. Juli 1956 sind die Beträge von 6000 DM auf 8000 DM je Wohnung erhöht worden, zu einer Zeit, als das Zweite Wohnungsbaugesetz verabschiedet war und alle Welt wußte, daß die Förderungsdarlehen im allgemeinen Wohnungsbau weit über einen solchen Satz hinausgingen, wie die Entwicklung auch gezeigt hat.
    Die Erhöhung auf 50 % der Herstellungskosten ist den Ländern praktisch erst in dem Erlaß vom 19. Dezember 1957 zugestanden worden. Bis dahin waren es Vorbesprechungen., Erwartungen. Aber man konnte noch nicht zum Ziel kommen, ohne daß eine Erlaßgrundlage da war. Sie wissen doch, wie es in der Bürokratie ist.

    (Abg. Dr. Czaja: Wann war das Angebot?)

    — Das Angebot stammt vom August, wenige Wochen vor der Bundestagswahl.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Dann ging es hin und her, und realisiert wurde das Vorhaben erst am 19. Dezember.

    (Abg. Kuntscher: Das war im August eine echte Zusage des Kanzlers!)