Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst dem Herrn Kollegen Höfler und dem Herrn Kollegen Dr. Preller zum 60. Geburtstage gratulieren.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 8. Februar 1957 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Einspruch gemäß Art. 77 Abs. 3 des Grundgesetzes nicht eingelegt:
Gesetz zum Protokoll vom 7. Juni 1955 über die Bedingungen für den Beitritt Japans zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen,
Gesetz über die Landbeschaffung für Aufgaben der Verteidigung ,
Gesetz über die Fürsorge für Körperbehinderte und von einer Körperbehinderung bedrohte Personen ,
Erstes Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen in Gebieten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und Berlins in Gewahrsam genommen wurden,
Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter .
Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten ,
Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat am 8. Februar 1957 unter Bezug auf § 17 Abs. 5 des Postverwaltungsgesetzes den Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1957 zur Kenntnisnahme übersandt, der im Archiv ausliegt.
Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat unter dein 9. Januar 1957 unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 6 des Postverwaltungsgesetzes den Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost über das Rechnungsjahr 1955 zur Kenntnisnahme vorgelegt. Er ist den Mitgliedern des Hauses zwischenzeitlich zugeleitet worden; ein Exemplar liegt im Archiv zur Kenntnisnahme aus.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 7. Februar 1957 gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 des Zuckergesetzes die Verordnung Z Nr. 1/57 über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1956 übersandt, die im Archiv zur Kenntnisnahme ausliegt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 13. Februar 1957 die Kleine Anfrage 286 der Fraktion der SPD betreffend Jagdunfälle beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3207 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 18. Februar 1957 die Kleine Anfrage 321 der Fraktion der SPD betreffend Investitionsfinanzierung der Deutschen Bundespost beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3219 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 12. Februar 1957 die Kleine Anfrage 322 der Fraktion der SPD betreffend Veröffentlichung des Jahresabschlusses der Deutschen Bundesbahn beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3205 verteilt.
Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung .des Entwurfs einer Wehrdisziplinarordnung (Drucksache 2181);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung (Drucksache 3126, Umdrucke 935, 936, 937 [neu], 947).
In der letzten, in der 192. Sitzung am 8. Februar 1957 wurde bei der Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 935 Ziffer 15 zu § 42 der Wehrdisziplinarordnung die Beschlußunfähigkeit des Hauses festgestellt. Wir fahren heute mit der zweiten Beratung fort und beginnen zunächst mit einer Wiederholung der Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 935 Ziffer 15*). Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion der SPD zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Da wieder Uneinigkeit im Vorstand besteht, wiederholen wir die Abstimmung. Wer für den Änderungsantrag ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das letzte war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer dem § 42 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen — Gegenprobe! — Angenommen.
§ 43. — Hier liegen zwei Änderungsanträge vor, zunächst der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 935 Ziffer 16*). Wird dieser -Änderungsantrag begründet?
— Der Änderungsantrag entfällt.
Dann liegt hier ein zweiter Änderungsantrag, ein Änderungsantrag des Abgeordneten Lotze, auf Umdruck 937 Ziffer 2 a**) vor. Wünscht der Herr Abgeordnete Lotze das Wort zur Begründung? — Herrr Abgeordneter Lotze zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe beantragt, den § 43 Abs. 1 Nr. 4 und im Zusammenhang damit den § 47 und den § 48 Abs. 2 Satz 2 zu streichen. Da es sich hier um eine einheitliche Angelegenheit handelt, bitte ich den Herrn Präsidenten um die Genehmigung, die Änderungsanträge zusammen begründen zu dürfen.
Der § 47, auf den es hier im wesentlichen ankommt, nennt als Disziplinarstrafe die sogenannte Dienstgradherabsetzung.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. Meine Damen und Herren, ich bitte doch um Gehör für den Redner. Man versteht mit Mühe sein eigenes Wort.
Bitte fahren Sie fort, Herr Abgeordneter.
Meine Damen und Herren, ich habe schon bei der letzten Beratung dieses Entwurfs gesagt, daß er sehr viele Unklarheiten enthält und in vielen Dingen inkonsequent ist. Eine dieser großen Inkonsequenzen ist der § 47 mit der Dienstgradherabsetzung.
Die Verteidiger dieses Gesetzentwurfs haben gesagt, man wolle sich nach Möglichkeit an die Bundesdisziplinarordnung anlehnen. Das ist jedoch in weitem Maße nicht geschehen; es ist auch bei § 47 nicht geschehen, denn die Dienstgradherab-
*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 4.
setzeng ist d er Bundesdisziplinarordnung unbekannt. Sie ist allerdings in einzelnen Länderdisziplinarordnungen vorgesehen. In der Wehrdisziplinarordnung ist sie aber besonders fehl am Platze. Die Disziplinarordnungen aller Kontingente der deutschen Wehrmacht kannten, soweit ich sie übersehen kann, bis in die Anfänge dieser Disziplinarordnung die Dienstgradherabsetzung als Strafe nicht, mit einer einzigen Ausnahme: daß innerhalb der Mannschaftsdienstgrade durch eine Disziplinarstrafe herabgestuft werden konnte, also ein Gefreiter zum Mann, ein Obergefreiter zum Gefreiten.
Im übrigen kennen wir in der deutschen Wehrgeschichte diese Art der Disziplinarstrafe nicht. Es wirddaher sehr gründlich zu überlegen sein, ob diese Strafe bloß deswegen eingeführt werden soll, weil einzelne ausländische Staaten sie haben. Eis ist doch so, daß ein militärischer Vorgesetzter in einem ganz anderen Maße Autorität hat als ein gewöhnlicher Beamter. Bei einer Behörde brauchen nur der Leiter der Behörde und der Leiter einer Abteilung mit Autorität bekleidet zu sein; alle anderen können ihre Autorität mehr oder weniger von daher ableiten. In einem solchen Rahmen ist daher eine Disziplinarstrafe der Dienstgradherabsetzung denkbar. Trotzdem kennen wir sie im Bundesdisziplinarrecht nicht.
Daß diese Strafe nun bei der Wehrmacht neu eingeführt werden soll, begegnet meinen schwersten Bedenken, einfach aus dem sachlichen Grunde, daß die Autorität des Vorgesetzten in einer Art und Weise angegriffen wird, die unerträglich ist. In früheren Zeiten gab es entweder den Rangverlust oder man sagte, der Mann ist noch tragbar, und dann wurde er in anderer Weise bestraft; aber man hat in der deutschen Armee niemals 'einen Oberst zum Oberstleutnant oder gar zum Hauptmann oder einen Leutnant zum Felbwebel oder einen Feldwebel zum Unteroffizier herabgestuft, weil man sich sagte: Das geht nicht, das entspricht nicht der deutschen Anschauung von einer Wehrmacht und von einem Vorgesetzten.
Ich bin der Überzeugung, daß bei Anwendung dieser Strafe der damit verfolgte Zweck nicht erreicht wird, sondern dann ist die Autorität des Vorgesetzten dahin, auch wenn er in eine andere Truppe versetzt wird; denn das spricht sich herum. Bei ,dieser Strafe ist der Mann selbst nicht nur bestraft, sondern bekommt dann auch einen charakterlichen Fehler weg; wenn einer im Disziplinarverfahren plötzlich vom Major zum Oberleutnant wird, ist er nicht mehr zu gebrauchen.
Darum bitte ich Sie inständig, meine Damen und Herren, führen Sie die Strafe der Dienstgradherabsetzung, die wir in unserer Wehrmacht noch nie gehabt haben, die ihr wesensfremd ist, die unzweckmäßig und schlecht ist, nicht ein, sondern stimmen Sie meinem Änderungsantrag zu.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Berendsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, Herrn Kollegen Lotze ist ein Irrtum unterlaufen. Die Dienstgradherabsetzung ist in der preußischen und deutschen Tradition wohl bekannt gewesen; sie ist nur sehr, sehr selten angewendet worden. Ich glaube deshalb, daß wir hier nicht von einer Tradition abweichen, sondern daß wir etwas tun, was in einem großen Wehrpflichtheer als notwendig erscheint.
In der Regierungsvorlage ist eine Dienstgradherabsetzung in der Stufenfolge der Laufbahnstrafen zwischen der Einstufung in eine niedrigere Dienstaltersstufe und der Entfernung aus dem Dienstverhältnis vorgesehen. Die Dienstgradherabsetzung entspricht im Beamtenrecht — auch das wurde eben von Ihnen nicht ganz richtig erwähnt — der Versetzung in ein Amt mit geringerem Endgrundgehalt. Bei Berufssoldaten ist gemäß § 39 des Soldatengesetzes der niedrigste Dienstgrad der des Feldwebels. Ist ein Berufssoldat als Feldwebel nicht mehr tragbar, so ist seine Entfernung aus dem Dienstverhältnis auszusprechen. Bei Angehörigen der Reserve tritt die Dienstgradherabsetzung bis zum niedrigsten Mannschaftsdienstgrad an die Stelle der Entfernung aus dem Dienstverhältnis, die für einen Angehörigen der Reserve nicht in Betracht kommt.
Die Regierungsvorlage geht von dem Grundsatz aus, daß Disziplinarstrafen für alle Dienstgrade gleich sind. Dieser Grundsatz würde durchbrochen, wenn bezüglich der Dienstgradherabsetzung bei den Offizieren ein Sonderrecht geschaffen würde. Für Offiziere der Reserve müßte dann überdies eine neue Strafe gefunden werden. In der früheren Wehrmacht gab es in dieser Hinsicht nur die gerichtliche Ehrenstrafe des Rangverlustes. Es hat aber mehr und mehr die Auffassung Boden gewonnen, daß es Fälle gibt, in denen ein Offizier oder Unteroffizier zwar nicht mehr in seinem bisherigen Dienstgrad tragbar ist, wohl aber als Träger einer Funktion woanders durchaus noch verwendet werden kann. In solchen Fällen konnte nur im Gnadenwege geholfen werden. Das ist früher in einer Reihe von Fällen auch geschehen. Der Verlust des bisherigen Dienstgrades hat nicht zur Folge, daß der Bestrafte von der Wiederbeförderung ausgeschlossen ist Es soll aber nicht so sein, daß die Dienstgradherabsetzung nur für kurze Zeit ausgesprochen und automatisch wieder aufgehoben wird. Es ist zweckmäßiger, dem Betreffenden einen solchen Denkzettel zu geben, daß er nur durch Leistung seinen früheren Dienstgrad wieder erreichen kann.
Ich möchte also im Namen meiner Fraktion und der Koalition bitten, den Antrag unseres Kollegen Lotze abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 937 »), zunächst Ziffer 2 a. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Wer dem § 43 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen. — Der Änderungsantrag der SPD, Umdruck 935 Ziffer 17
ist erledigt.
§§ 44, 45 und 46; kein Änderungsantrag. Wird zu den aufgerufenen Paragraphen das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
*) Siehe Anlage 4.
§ 47. Das ist der Komplex, zu dem der Herr Abgeordnete Lotze gesprochen hat. Der Herr Abgeordnete Lotze begründet nicht neu. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 937 Ziffer 2 b zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Abgelehnt. Wer dem § 47 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
§ 48. Hierzu liegt wieder der Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Lotze vor, Ziffer 2 c. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Abgelehnt. Wer dem § 48 in der Ausschußfassung zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
§ 49 gehört zu dem gleichen Komplex, Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Lotze. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 937 Ziffer 3 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Wer dem § 49 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
§ 50 soll entfallen. — § 51. Wird zu den beiden Paragraphen das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Vorschlag des Ausschusses zu § 50 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen. Wer dem § 51 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Zu § 52 liegt auf Umdruck 936**) ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wird der Änderungsantrag begründet? — Bitte sehr, Herr 1 Abgeordneter Kortmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Umdruck 936 liegt Ihnen ein Antrag vor, in § 52 Abs. 1 Satz 1 die Worte „im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Justiz" zu streichen. Es handelt sich um die Einrichtung der Truppendienstgerichte. Die Truppendienstgerichte gehören zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung. Es handelt sich also um eine reine Angelegenheit der Exekutive . in Ausführung einer gesetzlichen Ordnung. Darum ist nicht einzusehen, warum daran noch ein anderes Ministerium beteiligt sein muß. Wir sind der Ansicht, daß dadurch der Verfahrensweg nur unnötig erschwert ist. Da eine Notwendigkeit dazu nicht vorliegt, bitten wir Sie um die Annahme unseres Antrags auf Umdruck 936, in dem wir in Abs. 1 Satz 1 die Streichung der Worte „im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Justiz" vorsehen.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Merten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir widersprechen diesem Antrag der Fraktion der CDU/CSU. Die Worte „im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Justiz" sind im Ausschuß aus dem Grund in diesen § 52 Abs. 1 Satz 1 eingefügt worden, weil wir versuchen wollten, bei diesem Gesetz ähnlich, wie es bei anderen auch versucht werden soll, eine Zusammenfassung
**) Siehe Anlage 3.
der Rechtsprechung bei dem Ministerium zu erreichen, zu dem sie gehört, nämlich beim Bundesministerium der Justiz.
Wenn hier gesagt worden ist, es handle sich um eine reine Angelegenheit der Exekutive, so ist das ein Irrtum. Es handelt sich nicht um eine Angelegenheit der Exekutive, sondern um eine Angelegenheit der Rechtsprechung nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes, die als dritte Gewalt ihre Sonderstellung hat. Wir haben heute schon Gerichte, die beim Innenministerium .ressortieren; wir haben andere Gerichte, die beim Arbeitsministerium ressortieren; wir haben Gerichte, die beim Finanzministerium ressortieren. Sie wollen jetzt Gerichte schaffen, die beim Verteidigungsministerium ressortieren, und das Durcheinander, das auf diesem Gebiet besteht, dadurch noch vergrößern, anstatt sich der Regelung anzuschließen, allmählich alle Fragen der Rechtsprechung dahin zu bringen, wo sie hingehören, nämlich zum Bundesministerium der Jusitz.
Aus diesen wohlerwogenen Gründen, vor allen Dingen aber auch aus Gründen, die das Grundgesetz 'hierfür vorgesehen hat, hat der Ausschuß sich entschlossen, diese Worte in den Paragraphen hineinzuschreiben. Wir bitten Sie daher, im Interesse der Vereinheitlichung unserer Rechtspflege dem Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion Ihre Zustimmung nicht zu geben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rede, die Herr Kollege Merten hier gehalten hat, ist außerordentlich beachtlich, denn er hat sich für eine einheitliche Gerichtsbarkeit unter dem Justizministerium ausgesprochen. Als wir bei der Beratung des Arbeitsgerichtsgesetzes hierüber sprachen und ich mich dafür einsetzte, die Arbeitsgerichte dem Justizministerium zu unterstellen, hat seine Fraktion dem lebhaft widersprochen. Dieser bedeutsame und erfreuliche Gesinnungswandel verdient bei dieser Gelegenheit festgestellt zu werden.
Des weiteren: Im Augenblick haben wir leider Gottes kein einheitliches Gerichtswesen unter dem Justizministerium. Im Augenblick ist das Disziplinargerichtswesen beim Bundesministerium des Innern verankert. Im Augenblick ist es also sinnlos, hier das Einvernehmen mit dem Bundesjustizministerium herbeizuführen, das mit den Disziplinargerichten auch außerhalb der Bundeswehr nichts zu tun hat. Dann müßte man schon das Bundesministerium des Innern hier anfügen. Das ist aber nicht notwendig. Das Bundesinnenministerium hat seine Dienstgerichte, das Bundesverteidigungsministerium hat die seinen. In der obersten Instanz sind sie im Bundesdisziplinarhof zusammengefaßt.
Unter diesen Umständen glauben wir, auf diese Bestimmung verzichten zu können, und ich bitte Sie, dem Streichungsantrag zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Merten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, aus den Argumenten des Herrn Kollegen Dr. Jaeger ein Resümee in der Form ziehen zu dürfen, ,daß er sagt: Wenn wir in der Vergangenheit etwas falsch gemacht haben,
dann ist das die Begründung dafür, daß es auch in aller Zukunft falsch gemacht werden muß.
-- Genauso haben Sie argumentiert.
Sie haben gesagt, Sie seien zwar damals dafür gewesen, die Dinge beim Justizministerium ressortieren zu lassen;
aber weil wir es damals falsch gemacht haben, müßten Sie es heute auch falsch machen.
Ich bitte Sie, diesen Argumenten nicht zu folgen, sondern nun endlich zu versuchen — nachdem man Erfahrungen gesammelt hat, die z. B. bei der Schaffung der Arbeitsgerichtsbarkeit noch nicht vorlagen —, den falschen Weg zu verlassen und gemeinsam den richtigen Weg zu gehen.
Ich bitte Sie daher nochmals, den Antrag der CDU abzulehnen, weil die Begründung, die für diesen Antrag gegeben wurde, in keiner Weise überzeugend war.
Keine weitere Wortmeldung. Abstimmung. Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 936*). Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das Präsidium kann sich nicht einigen; die Abstimmung muß wiederholt werden. Meine Damen und Herren, wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! Das Präsidium kann
sich nicht entscheiden; wir müssen auszählen.
Es sind lediglich noch die Berliner Kollegen im Saal.
Ich bitte, die Türen zu schließen. — Die Auszählung beginnt. — Ich bitte, die Türen zu öffnen.
Ich bitte, die Auszählung zu beenden. —
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Meine Damen und Herren, die Auszählung hat ergeben: 182 Ja-Stimmen, 149 Nein-Stimmen, 3 Enthaltungen; der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU 'auf Umdruck 936 ist angenommen. Dadurch wird § 52 geändert.
Wer dem § 52 in der durch die Annahme des Änderungsantrages geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um 'ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Minderheit; der Paragraph ist in der geänderten Fassung angenommen.
Nun, meine Damen und Herren, liegen bis zu § 86 keine Änderungsanträge mehr vor. Ich unterstelle, daß das Haus damit einverstanden ist, daß ich die §§ 53 bis 85 zusammen aufrufe. — Das Haus ist damit einverstanden. Wird zu den aufgerufenen §§ 53 bis 85 der Vorlage das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen §§ 53 bis 85 zustimmen will, den bitte ich
*) Siehe Anlage 3. um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Zu § 86 liegt ein Änderungsantrag ,der Fraktion der SPD auf Umdruck 935 Ziffer 18*) vor. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Merten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Umdruck 935 Ziffer 18 beantragen wir, § 86 des Entwurfs in der Form zu ändern, daß die Hauptverhandlung öffentlich ist. Der jetzt vorliegende Ausschußentwurf sieht vor, daß die Hauptverhandlungen der Wehrdienstgerichte nichtöffentlich sind. Diese Regelung schließt sich an die Vorschriften an, die in der Bundesdisziplinarordnung in § 60 niedergelegt sind. In der Begründung zum Regierungsentwurf der Wehrdisziplinarordnung heißt es, daß dieselben Gründe, die den Gesetzgeber veranlaßt hätten, in der Bundesdisziplinarordnung die Öffentlichkeit auszuschließen, auch hier maßgebend seien. Die Gründe werden aber im einzelnen nicht aufgeführt. Die SPD-Fraktion hält diese Regelung in der Bundesdisziplinarordnung für falsch und beantragt daher, vorzuschreiben, daß die Hauptverhandlung der Wehrdienstgerichte öffentlich ist.
In diesem Zusammenhang ist es vielleicht von Bedeutung, zu wissen, daß sowohl der Regierungsentwurf zur Bundesdisziplinarordnung als auch die Stellungnahme des Bundesrats die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung gefordert haben.
— Ich bitte den Herrn Präsidenten um Entschuldigung, wenn ich durch meine Stimme die Unterhaltungen hier im Saale stören sollte.
Herr Abgeordneter, Sie haben ganz recht. Ich muß fast selbst um Nachsicht bitten, daß ich immer wieder ermahnen muß. Aber, meine Damen und Herren, ich bitte erstens einmal, Platz zu nehmen, und zweitens, dem Redner mit Aufmerksamkeit zuzuhören. Man versteht wirklich kaum sein eigenes Wort.
Bitte, fahren Sie fort.
Ich sagte, daß bei der Verabschiedung der Bundesdisziplinarordnung sowohl der Regierungsentwurf als auch die Stellungnahme des Bundesrats die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung vorsahen. Auch das Reichsbeamtengesetz und die meisten Landesbeamtengesetze aus der Zeit vor 1933 haben vorgesehen, daß die entsprechenden Verhandlungen öffentlich waren. Als bei der Verabschiedung der Bundesdisziplinarordnung von diesem Grundsatz abgewichen wurde, ging man, soweit ich das habe feststellen können, davon aus, daß es sich beim Disziplinarverfahren nicht um ein gerichtliches, sondern um ein Verwaltungsverfahren handle, dessen Zweck ähnlich wie ein Ehrengerichtsverfahren darin besteht, unter Ausschluß der Öffentlichkeit den Beamtenkörper von ungeeigneten Elementen zu reinigen. Diese Auffassung widerspricht aber dem Charakter der Disziplinargerichte als Gerichte und widerspricht daher auch an dieser Stelle dem Charakter der Wehrdienstgerichte; denn es handelt sich hier umechte Gerichte, wie ich bereits vorhin auszuführen die Ehre hatte,
*) Siehe Anlage 2.
und man würde dem Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes nicht Rechnung tragen, wenn man diese Institutionen nicht als Gerichte, sondern als Verwaltungseinrichtungen ansehen wollte. Hier handelt es sich weder um ein Ehrengericht noch um eine Verwaltungsangelegenheit, und es geht hier nicht darum, durch interne Reinigungsvorgänge die Bundeswehr von ungeeigneten Elementen zu säubern. Man muß bei dieser Gelegenheit an den Grundsatz denken, daß die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens eines der Fundamente ist, auf denen ein freiheitlicher demokratischer Rechtsstaat aufgebaut wird, und man sollte daher den Grundsatz der Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens an keiner Stelle, also auch nicht an dieser Stelle, antasten.
Alle Erwägungen, die dafür sprechen, daß Gerichtsverhandlungen öffentlich sind, gelten auch für die Verhandlungen der Wehrdienstgerichte. Ich möchte hier einen Satz zitieren, der den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses ohne Zweifel bekannt sein wird, weil er in einem Buch steht, das uns überreicht worden ist. Im Jahre 1929 schrieb Arthur Brand in seinem Buch über die „Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten", daß sich die Öffentlichkeit der Verhandlung durchaus bewährt habe, und zwar die Öffentlichkeit der Verhandlungen, die damals, 1929, schon 56 Jahre bestanden hat. Auch nach Erlaß der Bundesdisziplinarordnung haben immer noch einige Länder am Grundsatz der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung im Disziplinarrecht festgehalten. Es ist daher nicht einzusehen, warum sich die Hauptverhandlung gegen Soldaten in Disziplinar- und Beschwerdesachen hinter verschlossenen Türen abspielen soll.
Neben rechtlichen Erwägungen halte ich es auch
im Interesse des Verhältnisses von Bundeswehr und Öffentlichkeit für falsch, hier zu einer Art Geheimjustiz zu kommen, ,die sich hinter verschlossenen Türen abspielt und die daher von vornherein und mit Recht im Volk als anrüchig angesehen werden muß. Wir glauben, daß im Gegenteil die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse daran hat, sich durch die Teilnahme an den Verhandlungen der Wehrdienstgerichte, d. h. der Truppendienstgerichte und des Wehrdienstsenats, ein Bild über die Verhältnisse innerhalb der Bundeswehr zu machen. Bei der Behandlung von Beschwerden vor diesen Institutionen liegt die Öffentlichkeit selbstverständlich und allgemein auch im Interesse dessen, der dort sein Recht sucht, nämlich des Beschwerdeführers.
Im Falle von Disziplinarsachen wird vielfach der Einwand erhoben, daß die Öffentlichkeit der Verhandlung dem Betreffenden, der als Beschuldigter vor Gericht steht, schaden könnte. Ich gebe zu, daß das 'in einzelnen Fällen durchaus möglich ist. Aber bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen, des Interesses der Öffentlichkeit und des Interesses des einzelnen, an diesen Verhandlungen muß doch wohl das Interesse der Öffentlichkeit größeres Gewicht haben als das Interesse des 'einzelnen. Dieses Interesse liegt auch bei allen anderen gerichtlichen Verfahren vor. Man hat niemals daran gedacht, in einem Strafprozeß die Öffentlichkeit deshalb auszuschalten, weil das im Interesse des Beschuldigten zweckmäßig gewesen wäre, sondern hier sind nur die Gründe für die Ausschaltung der Öffentlichkeit maßgebend, die das Gerichtsverfassungsgesetz vorsieht. Damit ,die Rechtspflege durch die Öffentlichkeit kontrolliert werden kann, beantragen wir, daß die Öffentlichkeit auch in den Verhandlungen der Truppendienstgerichte und des Wehrdienstsenats gesichert wird.
Soweit ein Interesse des Staates daran besteht, daß die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, wird dem durch die Anwendung der §§ 172 bis 174 des Gerichtsverfassungsgesetzes Genüge getan. Wenn Fälle von Jugendlichen behandelt werden, können die Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes über den Ausschluß der Öffentlichkeit ausreichenden Schutz gewähren.
Ich sage in diesem Zusammenhange gleich, daß wir uns vorbehalten, auch bei späterer Gelegenheit in der Bundesdisziplinarordnung eine Regelung in dem Sinne zu erstreben, wie wir sie hier für die Wehrdisziplinarordnung vorschlagen.
Wir glauben, daß die Gelegenheit gekommen ist, mit einer Änderung der bisherigen Praxis anzufangen, und bitten Sie daher, dem § 86 in der Fassung, wie wir sie auf Umdruck 935 Ziffer 18 vorschlagen, zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Götz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Öffentlichkeit eines gerichtlichen Verfahrens zu den Eckpfeilern eines freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaats gehört. Niemand denkt daran, diesen allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz anzutasten oder gar einer Geheimjustiz das Wort zu reden. Aber es kann wohl ebensowenig zweifelhaft sein, daß sich die allgemeinen Grundsätze strafgerichtlicher, zivilgerichtlicher oder verwaltungsgerichtlicher Verfahren nicht ohne weiteres auf ein Disziplinarverfahren übertragen lassen. Das Gerichtsverfassungs- und das Gerichtsverfahrensrecht kennen ja bereits in bestimmten Fällen den gesetzlichen Ausschluß der Öffentlichkeit, so z. B. in Ehesachen. Diese Tatsache zeigt doch, daß für die Entscheidung des Gesetzgebers über die Frage der Öffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit der Hauptverhandlung die Eigenart des jeweiligen Gerichtsverfahrens mitbestimmend oder ausschlaggebend ist.
Herr Kollege Merten hat schon darauf hingewiesen, daß die Regierungsvorlage in der wesentlichen Bestimmung dieses § 86, nämlich in Satz 1 — Die Hauptverhandlung ist nicht öffentlich" —, wörtlich der Regelung entspricht, die im § 60 der Bundesdisziplinarordnung, dort ebenfalls Satz 1, für das Disziplinarverfahren gegen Bundesbeamte getroffen worden ist. Der Bundestag ist seinerzeit in der zweiten Lesung der Bundesdisziplinarordnung der Empfehlung 'des Beamtenrechtsausschusses gefolgt und hat — allerdings das muß ich zugeben, mit knapper Mehrheit — die Nichtöffentlichkeit für die Hauptverhandlung beschlossen, und zwar aus Gründen der Rücksichtnahme auf dienstliche Belange und die Interessen des Beschuldigten.
In der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 86 der Wehrdisziplinarordnung heißt es, wie Herr Kollege Merten ebenfalls schon angeführt hat, daß dieselben Gründe, die den Gesetzgeber veranlaßt haben, in der Bundesdisziplinarordnung die Nichtöffentlichkeit der Hauptverhandlung vorzuschreiben, auch für das Disziplinarverfahren gegen Soldaten gelten. Ich bin im Gegensatz zur Auffassung meines Kollegen Merten der Meinung, daß das Disziplinarverfahren ein Verfahren eigener Art ist und zumindest weitgehend Ähnlichkeit
mit Ehrengerichtsverfahren hat, die seit jeher unter Ausschluß der Öffentlichkeit durchgeführt wurden.
Herr Kollege Merten hat darauf hingewiesen, daß in der Begründung des Gesetzentwurfs die Gründe nicht angeführt sind, die für die Nichtöffentlichkeit der Hauptverhandlung sprechen. Ich darf mir erlauben, nur einige Besonderheiten eines Disziplinarverfahrens gegen Soldaten anzuführen, die meines Erachtens eben doch den grundsätzlichen Ausschluß der Öffentlichkeit rechtfertigen.
Erstens. Das disziplinargerichtliche Verfahren unterscheidet sich meines Erachtens von allen anderen Gerichtsverfahren dadurch, daß es dem ausschließlichen Zweck dient, die Zwangsmittel einer besonderen Gemeinschaft durchzusetzen. Sein Ziel ist es, den Verstoß gegen besondere Pflichten einer bestimmten Gruppe von Menschen zu ahnden, den Betroffenen zur Ordnung zu rufen und ihn mehr oder weniger eindringlich zu ermahnen und letzten Endes ihn aus der Gemeinschaft auszuschließen, wenn es erforderlich ist. Gerade hierin glaube ich doch eine gewisse Ähnlichkeit mit der Ehrengerichtsbarkeit erblicken zu können.
Zweitens. Das disziplinargerichtliche Verfahren oder, deutlicher gesagt, die Verhängung von Laufbahnstrafen in einem disziplinargerichtlichen Verfahren richtet sich doch meist gegen Soldaten, die eine Vorgesetztenstellung bekleiden. Führt das Verfahren nicht zur Dienstentlassung des Betreffenden, so können auch bereits durch die bloße Erörterung von Einzelheiten aus der Verhandlung in einer breiteren Offentlichkeit die Unbefangenheit des Beschuldigten im Benehmen im dienstlichen und außerdienstlichen Bereich und selbst sein Ruf und sein Ansehen in Mitleidenschaft gezogen werden, so daß sich für seine weitere Verwendung ernsthafte Schwierigkeiten ergeben können. Ich glaube, daß das selbst für den Fall eines Freispruches gilt. Solche Überlegungen aber könnten dazu führen, daß ein disziplinargerichtliches Verfahren auch in den Fällen, in denen es durchaus am Platze wäre, nach Möglichkeit vermieden wird. Das wäre weder im Interesse der Sache noch, in manchen Fällen, im Interesse des Beschuldigten selbst, namentlich dann, wenn der Beschuldigte es im Hinblick auf eine unvermeidliche Bloßstellung in der Öffentlichkeit vorzieht, seine Entlassung unter Verzicht auf alle Rechte zu erwirken.
Weiter ist zu berücksichtigen, daß in einem disziplinargerichtlichen Verfahren die persönlichsten Angelegenheiten des Betroffenen in weit größerem Umfang offengelegt werden als in anderen Verfahren. Die Personalakten sind Gegenstand der Verhandlung. Ich glaube, der Schutz der durchaus berechtigten Interessen des Betroffenen kann insbesondere auch im Falle eines Freispruchs objektiv und einheitlich nur durch den gesetzlichen Ausschluß der Öffentlichkeit erreicht werden. Auf ähnlichen Erwägungen beruht ja auch der Ausschluß der Öffentlichkeit im Verfahren vor dem Jugendgericht, das u. a. verhindern soll, das Fortkommen des Jugendlichen durch die Zulassung unbeteiligter Personen unnötig zu erschweren.
Der gesetzliche Ausschluß der Öffentlichkeit dient also in erster Linie dem wohlverstandenen Interesse des Betroffenen; aber ich glaube, daß auch dienstliche Belange — denken Sie nur an die Geheimhaltung dienstlicher Vorgänge — durchaus die Nichtöffentlichkeit der Hauptverhandlung rechtfertigen. Ein nur zeitweiser Ausschluß der Öffentlichkeit könnte in der an der Verhandlung beteiligten Öffentlichkeit sehr leicht falsche Vorstellungen, falsche Vermutungen über Gründe und Hintergründe hervorrufen, die sowohl dem Beschuldigten selbst als auch dem Ansehen der Truppe abträglich sein können.
Nun darf ich noch erwähnen, daß gegen den § 86 in der Fassung des Ausschusses und in der Fassung der Regierungvorlage im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens von keiner Seite Einwendungen erhoben worden sind, weder von seiten des Bundesrates noch von seiten der mit dieser Materie befaßten Ausschüsse des Bundestages. Auch in der ausführlichen Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins und des Verbandes Deutscher Soldaten sind keine Einwendungen gegen die vorgesehene Nichtöffentlichkeit in der Hauptverhandlung erhoben worden.
Die Vorschrift des § 86 ist ja auch dadurch aufgelockert, daß der Vorsitzende immer die Befugnis hat, die Anwesenheit weiterer Personen zu gestatten, die ein berechtigtes persönliches Interesse an dem Gegenstand der Verhandlung haben.
Schließlich wird eine gesetzliche Garantie gegen mögliche Mißbräuche oder Mißstände durch eine Vorschrift im Entwurf des Gesetzes über den Wehrbeauftragten geschaffen, die vorsieht, daß dieser Wehrbeauftragte in Straf- und in Disziplinarverfahren, die seinen Aufgabenbereich berühren, allen Verhandlungen der Gerichte, auch soweit sie unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden, beiwohnen kann.
Ich glaube, daß durch diese in § 86 in der Fassung des Ausschusses festgelegte Regelung sowohl dem rechtsstaatlichen Gedanken der Öffentlichkeit eines gerichtlichen Verfahrens als eben auch der besonderen Eigenart eines Disziplinarverfahrens Rechnung getragen ist, und bitte Sie daher, den Antrag der SPD abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Merten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier einiges klarstellen. Herr Kollege Götz meint, daß die in diesem Gesetz vorgesehenen gerichtlichen Verfahren den Charakter einer Ehrengerichtsbarkeit hätten.
Ich möchte im Namen der SPD-Fraktion hiermit ,ausdrücklich feststellen, daß wir da völlig entgegengesetzter Auffassung sind. Weder bei der Beratung der Bundesdisziplinarordnung noch bei der Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs ist jemals ,die Auffassung vertreten worden, daß es sich hier um eine Art von Ehrengerichtsbarkeit handle. Das ist im Rahmen des Beamtenkörpers ebenso falsch, wie es im Rahmen der Bundeswehr falsch ist. Es handelt sich hier um echte Gerichtsbarkeit, und wenn es sich um echte Gerichtsbarkeit handelt, ist es verkehrt und unsinnig, die Öffentlichkeit auszuschließen, weil man dadurch nämlich alles das hervorruft, was Sie, Herr Kollege Götz, vermieden wissen wollen. Dann kommen in der Öffentlichkeit völlig falsche Vermutungen, was denn da hinter verschlossenen Türen für eine Art von Justiz geübt wird.
Die Gründe, die Sie gegen die Öffentlichkeit angeführt haben, könnten Sie auch in vollem Umfang gegen die Öffentlichkeit aller strafgerichtlichen Verfahren schlechthin aufführen; und wenn Sie an dieser Stelle, beim disziplinargerichtlichen Verfahren, anfangen wollen, mit dieser Begründung die Öffentlichkeit auszuschließen, dann ist zu vermuten, daß Sie demnächst auch in der Strafgerichtsbarkeit mit ähnlichen Methoden anfangen wollen. Denn die Begründung, die Sie gegeben haben, gilt für beide.
Ich will Ihnen nur das eine sagen: durch diese Art von Geheimjustiz, wie sie hier festgelegt werden soll, werden Sie das Verhältnis zwischen Öffentlichkeit und Bundeswehr einer ganz erheblichen Belastung aussetzen. Denn das, was hier geschieht, führt doch einfach dazu, daß wieder, wie es in der Vergangenheit war, aus den Berufssoldaten und den Soldaten auf Zeit eine Art besonderer Kaste mit einer eigenen Gerichtsbarkeit, in die niemand hineinschauen kann, gemacht wird. Sie kapseln doch damit nur die von diesem Gesetz Betroffenen von der Öffentlichkeit ab, und Sie tun weder ihnen noch unseren politischen Verhältnissen einen Gefallen damit. Sie machen nicht n u r durch diese Methode, aber mit durch diese Methode aus der Bundeswehr letzten Endes den Fremdkörper, der sie niemals werden darf. Alles, was wir bisher auf dem Gebiete der Gesetzgebung geleistet haben, hat doch diesem Bestreben entgegengewirkt. Deswegen kann ich gar nicht begreifen, daß Sie sich mit derartiger Leidenschaftlichkeit dafür einsetzen, daß nun hier ein anderer Weg beschritten werden soll, als wir ihn bisher in dem Verhältnis Bundeswehr und Öffentlichkeit beschritten haben.
Ich bitte Sie deswegen sehr dringend, sich noch einmal zu überlegen, ob Sie unserem Antrag nicht stattgeben können. Die Begründung dafür, daß die Öffentlichkeit in vielen Fällen ausgeschlossen werden muß, steht ja in unserem Antrag drin. Das sind die Gründe, die das Gerichtsverfassungsgesetz und das Jugendgerichtsgesetz vorsehen. Die Gründe werden selbstverständlich auch hier anzuerkennen sein. Aber die Gründe für den Ausschluß der Öffentlichkeit, die über diese Regelungen hinausgehen, halten wir gerade im Interesse der Bundeswehr für völlig verfehlt und für einen Schritt auf dem Wege dazu, ,daß hier nun doch etwas in das Verhältnis Öffentlichkeit und Bundeswehr hineinkommt, was wir bisher unter allen Umständen haben vermeiden wollen. Wir bitten Sie daher, unserem Antrag stattzugeben.
Herr Abgeordneter Dr. Jaeger!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Merten hat völlig zu Unrecht dramatische Akzente aufgesetzt, die an diesem Punkte gar nicht gegeben sind. Wir haben die Öffentlichkeit nicht nur bei den Disziplinargerichten der Soldaten — wie wir es hier wünschen — ausgeschlossen, sondern genauso bei denen der Beamten. Es wird doch hoffentlich niemand in diesem Hause behaupten wollen, die Beamtenschaft sei in Deutschland eine Kaste für sich, die sich vom übrigen Volk völlig abschließe. Sowenig das in dem einen Fall dadurch bewirkt worden ist, kann es im anderen Fall dadurch bewirkt werden. Der Unterschied besteht darin: bei der Strafgerichtsbarkeit wird ein öffentliches Gesetz, das die Ordnung der gesamten Öffentlichkeit schützen soll, verletzt, und die Öffentlichkeit ist interessiert, hierüber Bescheid zu wissen. Disziplinarverstöße sind ganz anderer, sind in einem viel größeren Umfang subjektiver und persönlicher Art. Hier überwiegt das subjektive Interesse des einzelnen das öffentliche Interesse. Aus diesem Grunde werden wir hier nicht zustimmen, daß die Öffentlichkeit der Verhandlung eingeführt wird.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen ab. Wer dem Änderungsantrag 935*) Ziffer 18 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer dem § 86 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — § 86 ist angenommen.
Meine Damen und Herren, Änderungsanträge liegen nun nicht mehr vor. Ich unterstelle das Einverständnis des Hauses damit, daß ich die §§ 87 bis 121, die Einleitung und die Überschrift aufrufe. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Dritte Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Merten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion habe ich folgende Erklärung zur dritten Lesung der Wehrdisziplinarordnung abzugeben.
Die in zweiter Lesung verabschiedete Wehrdisziplinarordnung stellt zweifellos gegenüber dem in der Vergangenheit auf diesem Gebiet geltenden Recht einen gewissen Fortschritt dar. Wir begrüßen es, daß in bezug auf die Disziplinarstrafen keine Unterschiede zwischen Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften mehr gemacht werden. Allerdings bedauern wir in diesem Zusammenhang, daß es nicht möglich gewesen ist, diesen Unterschied auch bei den Stufen der Disziplinargewalt in § 17 des Gesetzentwurfs restlos zu beseitigen. Wir halten diesen letzten Rest einer sogenannten Klassenjustiz in dem Gesetz für einen Fehler, den zu beseitigen wir in Zukunft bemüht sein werden.
Wir begrüßen ferner, daß es gelungen ist, die Würdigung besonderer Leistungen durch Anerkennung in diesem Gesetz zu regeln und damit zum Ausdruck zu bringen, daß nicht nur die Strafe, sondern auch Lob und Anerkennung zweckmäßige und erfolgversprechende Mittel zur Aufrechterhaltung der Disziplin in der Truppe sind.
Die bereits in der Wehrbeschwerdeordnung eingeleitete Entwicklung, die Rechte des einzelnen Soldaten durch ausreichende Beschwerdemöglichkeiten zu sichern und ihn vor jeder Willkür zu schützen, hat auch in dem vorliegenden Gesetz eine Weiterführung gefunden. Wir begrüßen das, weil wir der Auffassung sind, daß nur dann von einem Menschen treuer Dienst und Einsatz von Person und Leben für Recht und Freiheit verlangt werden kann, wenn auch ihm gegenüber der Staat sich zu diesem gegen-
*) Siehe Anlage 2.
seitigen Treueverhältnis bekennt und Recht und Freiheit der einzelnen Persönlichkeit umfassend sichert.
Diese Grundsätze scheinen uns im vorliegenden Entwurf im allgemeinen gesichert zu sein. Die von uns in der zweiten Lesung vorgelegten Änderungsanträge sollten der Festigung und Sicherung dieser Grundsätze dienen. Die Mehrheit des Hauses hat leider geglaubt, uns ,auf diesem Wege nicht in allen Fällen folgen zu können. Wir bedauern dies insbesondere auch im Interesse des Geistes, von dem wir wünschen, daß er innerhalb der Bundeswehr lebendig ist und gefestigt wird. Wenn Recht und Freiheit und treuer Dienst für das Ganze nicht leere Begriffe sein sollen, so müssen wir — das sehen wir als unsere Pflicht an — durch den Inhalt unserer Gesetzgebung diese Werte im Volk und damit auch in der Bundeswehr zur lebendigen Wirklichkeit werden lassen.
Die sozialdemokratische Fraktion hat in der Vergangenheit und wird in der Zukunft keine Gelegenheit vorübergehen lassen, sich für die persönlichen Rechte der Soldaten aller Dienstgrade in der Bundeswehr tatkräftig einzusetzen. Sie will dem Vorgesetzten helfen, die Disziplin in der Bundeswehr aufrechtzuerhalten, und sie will den Untergebenen schützen, durch Akte der Willkür beschwert zu werden. Die sozialdemokratische Fraktion ist der Überzeugung, daß dies nicht allein durch die Schaffung fortschrittlicher gesetzlicher Vorschriften möglich ist, sondern daß es in diesem Zusammenhang entscheidend darauf ankommt, die Menschen zu finden, deren Charaktereigenschaften sie befähigen, die Bundeswehr in dem Geiste aufzubauen, der nach unserem Willen auch bei der Gestaltung der Gesetze lebendig war.
Da in dem vorliegenden Gesetzentwurf nach der Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion die positiven Elemente überwiegen, wird die sozialdemokratische Fraktion trotz ihrer Bedenken gegenüber einigen Bestimmungen dem Gesetzentwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung geben.
Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache? — Meine Damen und Herren, ich mache darauf aufmerksam, daß in der dritten Lesung auch Änderungsanträge vorliegen. Herr Kollege Merten, Sie haben soeben eine Erklärung abgegeben. Ich würde empfehlen, wenn weitere Erklärungen abgegeben werden sollen, dies vor der Schlußabstimmung zu tun. Jetzt haben wir die allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen in der allgemeinen Aussprache mehr.
Dann kommen wir zu dem Änderungsantrag Umdruck 947*) Ziffer 1 zu § 15. Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner politischen Freunde darf ich .den Antrag Umdruck 947, und zwar, wenn es der Herr Präsident gestattet, der Einfachheit halber Ziffern 1 und 2, die in innerem Zusammenhang stehen, gemeinsam, begründen.
Das Hohe Haus hat in der zweiten Lesung einstimmig beschlossen, von einem verschärften Arrest abzusehen. Das Hohe Haus hat hier zweifellos gute Gründe gehabt, auch wenn mir einige Akzente der
') Siehe Anlage 5. Debatte allzu dramatisch gesetzt zu sein schienen. Jedenfalls war das Hohe Haus der Meinung, daß der verschärfte Arrest nicht mehr zeitgemäß sei.
Andererseits habe ich den Eindruck, daß viele Mitglieder des Hauses ihre Entscheidung nicht ohne Bedenken gefällt haben. Sie haben Bedenken dagegen, daß man stark abgestumpften, sozusagen hartgesottenen Soldaten durch den einfachen Freiheitsentzug nicht genügend wirkungsvoll begegnen kann, daß sich solche Leute ihren Kameraden gegenüber, die in dieser Zeit Dienst leisten müssen, vielleicht sogar bevorzugt fühlen.
Es gibt jedoch eine Lösung, die auch diese Bedenken ausräumt. Man muß sich zunächst an das Grundprinzip des Disziplinarrechts erinnern, das darin besteht, daß die Disziplinarstrafe auf die Persönlichkeit des Täters abgestimmt sein muß. Der Vorgesetzte und die Gerichte sind nicht wie der Strafrichter an bestimmte Strafrahmen und Strafarten gebunden, sondern sollen die der Einzelpersönlichkeit gemäße und ihrer Ausbildung nützliche Maßnahme ergreifen. Unter diesem Gesichtspunkt scheint uns die Lösung möglich, die wir Ihnen vorgeschlagen haben: Man sollte die einfache Einschließung in den zwei Formen vorsehen, daß sie entweder völligen Abschluß von der Truppe und vom Dienst bedeutet oder aber daß der Bestrafte seinen Dienst in der Truppe weiter versieht, die dienstfreie Zeit aber in der Arrestzelle zu verbringen hat. Es kann völlig dahingestellt bleiben, ob die eine Art des Arrestes eine Verschärfung gegenüber der anderen bedeutet. Es wird von der Persönlichkeit des zu Bestrafenden abhängen, ob er die eine oder die andere Strafart als die schwerere empfindet, und es wird der Verantwortung des bestrafenden Vorgesetzten obliegen, zu entscheiden, mit welcher Form der beiden Strafarten bei dem Täter der Zweck erreicht wird, ihn zur Selbstbesinnung, zur Ordnung und damit zur militärischen Disziplin zu bringen.
Ich darf Sie deshalb bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Keine Wortmeldungen?
Wir stimmen über den Änderungsantrag Umdruck 947*) Ziffer 1 ab. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Der Änderungsantrag Umdruck 947 Ziffer 2 ist schon begründet. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —Enthaltungen? — Einstimmig ,angenommen.
Meine Damen und Herren, damit sind die Änderungsanträge zur dritten Lesung erledigt. Ich frage, ob ,das Wort zu Erklärungen gewünscht wird.
Herr Abgeordneter Dr. Götz!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion stimmt einem Gesetz zu, dem sie in der Zeit der Beratung ihre besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat, weil sie der Auffassung ist, daß dieses Gesetz einen der Eckpfeiler des inneren Gefüges darstellt. Uns fällt die Zustimmung zu diesem Gesetz deshalb leicht, weil wir der Überzeugung sind, ,daß dieses Gesetz den Vorstellungen entspricht, die dieses Hohe Haus in der Vergangenheit übereinstimmend von dem
*) Siehe Anlage 5.
inneren Gefüge und seinen Fundamenten gehabt hat, und weil wir der Überzeugung sind, daß die neue Wehrdisziplinarordnung in der Tat eine gute und gelungene Synthese zwischen alten und bewährten Grundsätzen des Disziplinarrechtes für Soldaten und neuen Gedanken darstellt, die sich aus unserem Bestreben ergeben, die Rechtsstaatlichkeit auch im militärischen Bereich herzustellen. Wir begleiten dieses Gesetz mit dem dringenden Wunsch, daß sich bei seiner Handhabung zur Förderung und Erhaltung der Disziplin in der Truppe jederzeit der Gedanke durchsetzen möge und zum Tragen komme, auf dem dieses Gesetz aufgebaut ist, Tauf dem es begründet ist, nämlich der Gedanke der Erziehung. Der Disziplinarvorgesetzte möge sich in der Handhabung der Disziplinargewalt nicht 'als Richter, sondern als Erzieher seiner Truppe fühlen und ,danach handeln.
Wird das Wort zu weiteren Erklärungen gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Schlußabstimmung. Wer dem Entwurf einer Wehrdisziplinarordnung in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz einer Wehrdisziplinarordnung ist in dritter Lesung angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2 auf Seite 9 der Drucksache 3126, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben für erledigt zu erklären. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. —Gegenprobe! — Angenommen.
Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 3. Juni 1955 zu dem am 6. Mai 1882 im Haag unterzeichneten Internationalen Vertrag betreffend die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee ;
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für
Ich frage, ob der Herr Berichterstatter das Wort zur Berichterstattung wünscht. — Das ist nicht der Fall.
Ich rufe zunächst den Artikel 1 auf. Hier liegt auf Umdruck 927**) ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Hansing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Artikel 1 Abs. 1 des Abkommens vom 5. Juni 1955 betreffend die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee heißt es:
Die Überwachung der Fischerei auf Grund des am 6. Mai 1882 im Haag unterzeichneten Internationalen Vertrags betreffend die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee wird von Schiffen der Seestreitkräfte der Unterzeichnerregierungen ausgeübt.
*) Siehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 7.
s) Siehe Anlage 6. meinetwegen dermaleinst vielleicht auch eins von unserer Marine, zusätzlich zum Einsatz kommen kann.
Es ist schon hervorgehoben worden, daß vor allen Dingen die technische Art der Betreuung, Wetterdienst usw., ohne Zweifel von allen genutzt wird, einerlei, ob nun zivil oder irgendwie anders. Die Berichte der beiden im Einsatz befindlichen Schiffe zeigen, daß insbesondere die ärztliche Betreuung sehr umfangreich ist. Wir wissen ferner, daß auch in der Fischerei — ähnlich wie in anderen Berufszweigen, ähnlich wie in der Landwirtschaft
große Umstellungen durchaus wahrscheinlich, um nicht zu sagen: notwendig sind. Diese Dinge sind in Entwicklung begriffen.
Wir meinen, daß es durchaus nicht erforderlich ist, die Dinge in diesem internationalen Vertrag vom deutschen Parlament aus eindeutig zusätzlich festzulegen. Wir bitten also, die Fassung der Regierungsvorlage, Drucksache 2667, unverändert anzunehmen und den Antrag der SPD-Fraktion abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Walter.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der Herr Kollege von der SPD hat mit Recht gesagt, daß es sich beim Fischereischutz in der Nordsee um eine zivile Angelegenheit handelt. Wir wollen diese zivile Aufgabe, die unsere Fischereischutzboote in der Nordsee wahrnehmen, nicht stören, weil sich diese Einrichtung bewährt hat und weil wir hoffen, daß sie sich auch in Zukunft bewähren wird.
Nun aber, verehrter Herr Kollege, zum Schutz der Fischerei in der Nordsee gehört noch etwas anderes als die Betreuung unserer Hochseefischer. Sie haben doch wahrscheinlich in der jüngsten Vergangenheit gelesen, daß an der norwegischen Küste die Kriegsfahrzeuge eingreifen mußten, um die norwegische Fischerei vor Übergriffen zu schützen. Sie haben wohl auch vernommen, daß der Walfänger Olympic Challenger mit deutscher Besatzung sogar 200 Meilen von der Küste entfernt an der peruanischen Küste aufgebracht und mit hohen Strafen belegt wurde. Sie werden weiter wahrscheinlich haben feststellen können, daß unsere Fischdampfer hin und wieder auch unter Island aufgebracht werden. Sehen Sie, das ist der Fischereischutz, der meiner Ansicht nach unter keinen Umständen von den jetzt im Einsatz befindlichen zivilen Fischereischutzbooten ausgeübt werden kann. Was wollen Sie denn z. B. gegen Filibuster unternehmen, die an unserer Küste fischen, wenn die Heringsschwärme an unserer Küste hochziehen? Oder betrachten Sie die Fischgründe unter Helgoland oder die Fischgründe an der schleswigholsteinischen Küste nicht als schutzbedürftig?
Wenn da Übergriffe von Fischereifahrzeugen anderer Nationen erfolgen, dann werden unsere zivilen Schutzboote wenig tun können. Sie können sich doch nicht auf die Back dieses zivilen Schutzbootes stellen und den Filibustern mit dem Leuwagen drohen, daß sie sich aus unseren Fischgründen zu verholen haben! Sehen Sie, da muß schon etwas anderes geschehen!
— Wir wollen gar nichts anderes. Wir wollen, daß das, was in der Ausschußfassung festgelegt worden ist,
angenommen wird. Es sollen also die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß unsere Hochseefischerei vor Übergriffen geschützt werden kann.
Aus diesem Grunde ist es notwendig, daß die Regierungsvorlage angenommen und Ihr Antrag abgelehnt wird.
Herr Abgeordneter Kriedemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte doch glauben, daß alle diejenigen, die dem Herrn Abgeordneten Walter aufmerksam zugehört haben, ein bißchen erschreckt sind über die Argumentation, die er hier losgelassen hat. Mich veranlaßt diese Argumentation, noch einmal mit Nachdruck auf die Motive hinzuweisen, die unserem Antrag zugrunde liegen.
Es ist dem Kollegen Walter sicherlich entgangen, aus welchen Gründen und in welchem Umfang sich die Fischerei aus den deutschen Hoheitsgewässern entfernt hat. Wenn er sagt, es passiert doch gelegentlich, daß deutsche Fischereiboote, weil sie die Hoheitsgrenzen eines fremden Landes verletzten, dort von Militärfahrzeugen oder Polizeifahrzeugen aufgebracht werden, und wenn er meint, daß wirdagegen etwas unternehmen müssen, schwebt ihm hoffentlich nicht vor, daß in einem solchen Falle die deutsche Fischerei in diesen Gewässern unter militärischem Schutz ihren Geschäften nachgeht. Die deutsche Fischereischutzflotte braucht keinen militärischen Schutz, und die deutschen Küstengewässer brauchen einen solchen militärischen Schutz auch nicht. Das liegt nicht daran, daß wir oder die anderen so friedfertig sind, sondern daran, daß in unseren Gewässern keiner fischt. Das kommt am deutlichsten darin zum Ausdruck, daß die deutsche Hochseefischerei heute Reisen unternehmen muß, die in früheren Zeiten gar nicht denkbar und nicht nötig waren.
Wir möchten hier etwas klarstellen. Diese Klarstellung geschieht nach unserer Ansicht auch im Interesse unserer Beziehungen zu den übrigen Nationen. Wenn jemand glaubt, daß unser Antrag etwa eine Spitze gegen die im Aufbau befindliche deutsche Kriegsmarine hat, dann macht er sich die Sache zu leicht. Das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun. Wir möchten aber unter allen Umständen verhindern, daß an dieser Geschichte immer wieder herumgeknabbert wird aus Gründen oder aus Absichten, die dem, wofür wir hier sehr viel Geld ausgeben, nämlich ,dem Fischereischutz im Sinne der Betreuung der Menschen und der Schiffe fern von der Heimat, nur abträglich sein könnten.
Es gibt gar keinen Notstand, der uns veranlassen oder dazu zwingen könnte, auf den Absatz 2 zurückzugehen. Es kann jeden Tag jemand sagen, daß man an diesen Booten nur eine andere Fahne hochzuziehen und den Männern, die auf diesen Booten fahren, eine Kokarde an die Mütze zu stecken brauchte, und dann könnten wir uns durchaus nach Absatz 1 benehmen. Daß das der Fischerei und unserer Situation in der Welt abträglich wäre, ist ganz ohne Zweifel.
Wir möchten hier dem guten Beispiel einiger anderer Länder folgen, die ihren Fischereischutz ebenfalls im Bereich der zivilen Verwaltung betreiben, und möchten hier eindeutig feststellen, daß wir den Weg gehen wollen, den wir mit unserem Antrag vorschlagen.
Wir können uns eine solche Regelung leisten, ohne irgend etwas zu riskieren. Mit dieser Klarstellung würden wir Ruhe in einen Bereich bringen, in dem Ruhe sein sollte. Zugleich würden wir ,damit alle Versuche abschneiden, immer noch einmal wieder zu probieren, ob man nicht aus Tradition oder aus irgendwelchen anderen Gründen doch etwas anderes machen könnte. Wir würden insbesondere klarstellen, daß wir solche Überlegungen, wie sie Herr Abgeordneter Walter hier soeben geäußert hat, überhaupt nicht anstellen.
Aus all diesen Gründen bitten wir Sie ernstlich, unserem Antrag zuzustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir stimmen ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD ,auf Umdruck 927*). Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Artikel 1 in der Ausschußfassung. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Artikel ist angenommen.
Ich rufe auf Artikel 2, — Artikel 3, — Einleitung und Überschrift. — Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wortgewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Entwurf eines Gesetzes über das Abkommen vom 3. Juni 1955 zu dem Internationalen Vertrag betreffend die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist angenommen.
Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes .
Ich frage, ob das Wort zur Einbringung gewünscht wird. — Herr Abgeordneter Kühn.
Kühn (SPD), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache 2922 bringen wir den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ein mit dem Ziel, die Steuerbegünstigung der Zuwendungen finanzieller Art an politischen Parteien wieder abzuschaffen, die Sie, meine Herren von der CDU, vor zwei Jahren gegen uns beschlossen haben. Damit greifen wir ein Problem auf, das wie kaum ein
*) Siehe Anlage 7.
anderes Stoff zur Polemik enthält. Aber ich glaube, wir sollten zunächst einmal den Versuch machen, ich möchte sagen, unsere Einsicht zu strapazieren. Deshalb bitte ich Sie, die Regierungsfraktion dieses Hauses, die Sie ja die Profiteurfraktion dieser gesetzlichen Bestimmung sind, um Ihre Einsicht und um die Erkenntnis, daß Parteisubsidien aus Steuermitteln mit Demokratie unvereinbar sind,
daß Sie die Demokratie damit zu Grabe tragen, daß die freiheitliche Gestaltung unseres Staatswesens durch eine solche Methode 'tödlich verletzt werden muß. Es ist meines Erachtens einer der sowohl moralisch als !auch staatspolitisch fragwürdigsten Beschlüsse, die die Mehrheit dieses Hauses gefaßt hat.
In !der Formulierung des § 10 b haben Sie den Versuch gemacht, die Finanzierung von Parteien mit der Unterstützung religiöser und wissenschaftlicher Zwecke gleichzustellen. Ich glaube, das ist nicht vergleichbar. Wenn Sie den Versuch machen, die Zuwendungen von materiellen Interessenten an politische Parteien — Zuwendungen, die in die Millionen gehen — moralisch gleichzubewerten mit der Unterstützung religiöser oder wissenschaftlicher Zwecke, dann machen Sie den — ich will ein gelindes Wort sagen — irreführenden Versuch, den Glanz des einen iauf das andere strahlen zu lassen, den Glanz einer guten Sache zu mißbrauchen für eine sehr fragwürdige Sache.
Als wir damals, im November 1954, unseren Antrag berieten und diese Gesetzesnovelle diskutierten, haben Sie, meine Herren von der CDU, dem Kollegen Elbrächter die sehr peinliche Aufgabe überlassen, die steuerliche Abzugsfähigkeit politischer Subsidiengelder zu begründen, obwohl Ihre Fraktion, die Fraktion der CDU, hier hätte stehen müssen; denn S i e sind die Hauptnutznießer dieser Bestimmung gewesen. Hier hätte Herr Professor Erhard und hier hätte Herr Adenauer stehen müssen, um diesen Gesetzentwurf und diese Bestimmung zu begründen. Sie haben offensichtlich Ihren sonst so sorgfältig gehüteten Führungsanspruch in der Koalition diesmal den Empfängern der kleineren Brosamen überlassen; wie ich überhaupt sagen muß: immer, wenn es sich um solche Diskussionen handelt — genau wie neulich, als hier an dieser Stelle idie unvertretbare Zuwendung des Volkswagenwerks an die Parteisubsidienfonds diskutiert worden ist —, üben Sie eine merkwürdige Zurückhaltung, dann muß von Ihren Gegnern hier, von uns, mehrfach die Aufforderung an Sie erfolgen, sich zu stellen und Ihre Prinzipien hier zu vertreten. Das letzte Mal hat dann Herr Kollege Dresbach hier gestanden. Ich habe der Debatte nicht beiwohnen können, habe sie aber sehr sorgfältig im Protokoll nachgelesen. Herr Kollege Dresbach, Sie haben einmal den „Orden gegen die tierischen Ernst" bekommen. Sie haben ihn berechtigterweise bekommen, und ich habe mich sehr darüber gefreut.
Für diese Rede hätten Sie den Orden gegen die menschliche Logik verdient,
und Sie haben ja auch sehr wohl begriffen, Herr Kollege Dresbach, daß Sie hier in einer schlechten Sache gestanden haben.
Herr Kollege Dresbach, ich nehme an, daß Sie eine Zwischenfrage stellen wollen. Bitte!
Herr Kühn, ich habe mir später folgende Interpretation gegeben: er sprach lehrhaft, sachlich, aber nicht unbedingt zur Sache. Sind Sie jetzt zufrieden?
Ich bin zufrieden. Sie haben darüber hinaus sogar in einem Zusammenhang gesagt, daß es eine Bestimmungsmensur gewesen sei, die Sie übernommen hätten, weil Sie sie hätten übernehmen müssen.
Sie haben in einer schlechten Sache versucht, das Beste daraus zu machen. Mit Ihrem Herzen, Herr Kollege Dresbach, haben Sie bei unserer Argumentation gestanden.
— Das liest man aus den Zeilen heraus.
Was hat damals der Kollege Elbrächter an sachlichen Argumentationen hier vorgetragen? Ich habe es noch einmal sehr sorgfältig im Protokoll nachgelesen. Er hat gesagt, die Arbeit der politischen Parteien sei staatspolitisch notwendig; die politische Arbeit habe genauso den Anspruch, respektiert zu werden, weil sie eine Arbeit für die Allgemeinheit sei. Er hat davon gesprochen, daß man die Notwendigkeiten ides parlamentarisch-demokratischen Systems auch erfüllen müsse, und zu diesen politischen Notwendigkeiten gehöre nun einmal Geld für die politischen Parteien. Er hat weiter gesagt, ,der Staat, der doch den Nutzen von der politischen Arbeit habe, solle auf den Teil des Steueraufkommens, das die Interessenten den Parteien geben, verzichten.
Wenn Sie die Summe dieser Argumente noch einmal sorgfältig überdenken, dann werden Sie erkennen, daß hier richtige Argumente mit falschen gemischt sind. Aber auch die richtigen Argumente sind damals von Ihnen, Herr Kollege Elbrächter, zu falschen Konsequenzen geführt worden. Es ist richtig, daß die Parteien staatspolitisch notwendig sind; es ist richtig, daß sie den Anspruch auf Respektierung ihrer Arbeit erheben können. Darin sind wir uns alle einig, und das ist ja auch im Grundgesetz niedergelegt worden. Es ist ebenso richtig, daß zur politischen Arbeit Geld gehört. Aber der entscheidende Unterschied zwischen Ihnen, die Sie diese Bestimmung in das Gesetz hineingebracht haben, und uns ist der, daß nach unserer Auffassung das Geld für die politischen Parteien nicht aus dem allgemeinen Steuersäckel genommen werden darf, sondern aus den Taschen derjenigen, die sich zu den politischen Parteien bekennen.
Dies ist ein entscheidender Gegensatz.
„Der Staat hat den Nutzen." Herr Kollege Elbrächter, das ist eine unter Umständen sehr problematische Formulierung; denn darin kommt ein bißchen die Gleichsetzung von Partei und Staat zum Ausdruck. Wir haben ja schon so oft in diesem Hause darüber diskutieren müssen, daß Sie, meine Herren von der Koalition, allzu häufig die Neigung praktizieren, den Staat zu einem Instrument der Koalition zu machen,
immer wieder den Staat zum Hilfsinstrument einer Partei zu machen, was er nicht ist und in der Demokratie nie und nimmer sein darf. Ich werde Ihnen gleich aus den Ermunterungsbriefen, mit denen Ihre finanziellen Förderergesellschaften das Geld der Industrie für die CDU zu gewinnen versuchen, einige Zweckbestimmungen vorlesen. Dann werden Sie erkennen, daß es sich hier nicht um das Wohl der Allgemeinheit handelt, sondern um das Ansprechen des persönlichen Profitinteresses bestimmter Gruppen, die bestimmten politischen Parteien zu einem parteipolitischen Sieg verhelfen sollen.
Das ist ein wesentlich anderes als das, was Sie behaupten. Es ist immer wieder der traurige und bewußt irreführende Versuch anzutreffen — in diesern Hause haben wir vielfach darüber diskutiert —, eine Identifizierung von Regierung und Staat, von Koalitionsinteresse und Staatsinteresse zu praktizieren. Wir haben schon einmal, als es um die Verwendung des Informationsfonds des Herrn Bundeskanzlers ging, dem Bericht des Bundesrechnungshofs die Kritik entnehmen müssen, daß die Grenze zwischen staatspolitischer und parteipolitischer Aufklärung verwischt worden sei.
Sie versuchen immer wieder, in den Fragen des Staates im ganzen und in der Politik im einzelnen, das Interesse von Staat und Koalition zu identifizieren. Aber lassen Sie mich sagen: Gesetze machen nach den Nützlichkeitsüberlegungen einer Regierung — wie immer auch diese Regierung zusammengesetzt sein mag — heißt die Demokratie zu Grabe tragen.
Das Gesetz, das Sie damals verabschiedet haben, war ja bei diesem Zu-Grabe-Tragen der Demokratie nicht der erste Spatenstich. Wir haben diese Dinge immer diskutieren müssen. Das letzte Mal ging es hier darum, daß insgesamt eine Viertelmillion von einem Werk, das zum Bundesvermögen gehört, vom Volkswagenwerk, im Laufe einer Legislaturperiode in die Fördererkasse der Koalitionsparteien hineingesteckt werden.
Jedes Jahr 60 000 DM macht bis auf den Restbetrag von 10 000 DM eine Viertelmillion, die während einer Legislaturperiode aus einem dem Bund gehörenden Werk in die Kassen von einigen Parteien geschleust wird. Wir bestreiten nicht, daß Geld der Staatsbürger an Parteien gehen soll, aber sie sollen es selbst aus ihrer eigenen Tasche für die Parteien bezahlen, mit deren Gesinnung sie sich identifizieren. Den Wahlkampf materieller Großinteressen mit dem Geid der Volksmassen, mit den Steuergroschen zu finanzieren, ist unmoralisch und antidemokratisch. Das Volk hat ein Recht zu sagen: Finanziert euren Wahlkampf nicht mit unserem Geld! Es ist gestattet, Geld an politische Parteien zu geben, und meine Partei nimmt dieses Geld wie Ihre Partei, wenn es von den Trägern einer Gesinnung als Opfer für ihre Gesinnung, für die Partei gegeben wird.
— Nein, wir haben gegen dieses Gesetz gestimmt! Wir glauben, daß das Opfer des Gesinnungsträgers für seine Partei ein privates Opfer sein muß.
Mein verehrter Herr Kollege, in einer Diskussion trat mir einmal ein CDU-Redner entgegen und wollte die besondere demokratische Qualifikation der CDU dadurch belegen, daß er sagte: In unserer CDU gibt es nur einen gleichen Parteibeitrag für alle. Sehen Sie, das ist in meiner Partei nicht üblich. In meiner Partei geht man von der Überlegung aus, daß jemandem, der mehr verdient, auch ein höheres Opfer zugemutet werden darf.
So haben wir eine Parteibeitragsgestaltung, die nach dem Einkommen gestaffelt ist. Wer wenig verdient, wird wenig geben; wer viel verdient, wird gehalten, auch viel der Partei zu opfern. Das ist ein Prinzip der Parteifinanzierung, das von jeder Partei akzeptiert werden sollte. Die Parteifinanzierung ist nur als das Opfer des Mannes zu rechtfertigen, der für seine Gesinnung auch selbst etwas gibt. Ich hätte nicht einmal sehr viel dagegen, daß Leute mehr geben wollen, wie sie das bei Ihnen eben auch tun. Aber bitte, dann sollen sie es aus der eigenen Tasche und in der Öffentlichkeit tun, damit jeder Wähler bei ,der Wahl die Möglichkeit hat, nach der Abwandlung eines Sprichwortes zu verfahren: Sage mir, wer dich finanziert, und ich sage dir, wessen Interessen du vertrittst!
Wenn der Staatsbürger das kann, dann wird er wohl auch die Einsicht finden, daraus seine Konsequenzen abzuleiten. An dem, was Sie hier im Einkommensteuergesetz fixiert haben, wird ein Grundübel unserer ganzen politischen Situation sichtbar, die Problematik einer nur formalen Demokratie, die zwar stolz darauf ist und stolz darauf sein kann, jedem Staatsbürger dein gleichen Stimmzettel bei der politischen Entscheidung zur Verfügung zu stellen, die aber diese Gleichheit des Staatsbürgers hinten herum wieder wegfälscht, indem sie einzelnen die Gelegenheit gibt, mit großen Schecks, die vorher in die Hilfskassen von Parteien gesteckt werden, die Meinungsbildung des Volkes zu verfälschen.
Auch in der Politik gilt doch nicht selten der Grundsatz: Wes Brot du ißt, des Lied du singst. Man soll sichtbar machen, woher man sein Geld bekommt. Dann kann der Staatsbürger seine Konsequenz daraus ableiten. Sie wollen doch nicht etwa sagen, daß die Leute, die Ihnen in der Summe Millionen in Ihre Parteihilfskassen hineinstecken, das nicht nach dem Grundsatz tun: Wes Brot ihr eßt, des Lied werdet ihr nach der Wahl singen müssen?!
Wer das propagandistisch nahrhafte Brot helfender Schecks nimmt, wird sich auch die Noten für das politische Regierungslied vorschreiben lassen müssen, das er nach einem eventuellen Wahlsieg singen wird.
Der Kollege Hellwig hat letztens am Schluß der Debatte hier einiges zu sagen versucht. Er ist ja wohl, glaube ich, nicht ursachverständig in der Materie der Finanzierung der Koalition. Er hat die Wahrheit, daß nämlich Sie aus diesen Fonds riesige Summen bekommen, in das Gebiet des Märchens verweisen wollen.
— „Sehr richtig!", der Zwischenruf kommt nicht schlecht. Wir werden hier gleich einmal ein paar Summen zitieren. Ich habe Ihnen eben bereits gesagt, daß allein aus dem einen Werk, aus dem Volkswagenwerk, in der Legislaturperiode eine Viertelmillion in Ihre Kassen geflossen ist. Und es gibt einen zweiten Fall, auf den wir zu sprechen kommen; der macht auch im Laufe der Legislaturperiode eine Viertelmillion. Und wenn wir die vielen anderen Millionen, die wir gleich dazuaddieren werden, zusammenzählen, dann werden Sie feststellen, daß wir nicht sehr weit von der Summe entfernt sind - die in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist; es ist bereits eine dreistellige Millionenzahl geworden —, die Ihnen im Bundestagswahlkampf zur Verfügung stehen wird.
Der Herr Kollege Hellwig hat das alles hier so etwas als Märchen zu bezeichnen versucht.
Er hat dazu gesagt, die Offenlegungspflicht in einem Parteiengesetz wäre das Entscheidende. Meine Damen und Herren, wir sind uns in dieser Beziehung vollkommen einig, und wir wissen alle, daß wir — und das ist insbesondere ein Appell an die Bundesregierung — hier immer noch den Gesetzgebungsauftrag des Grundgesetzes zu verwirklichen haben, ein Parteiengesetz zu schaffen, nach dem die Finanzgebarung der Parteien vor der Öffentlichkeit transparent gemacht werden muß. Aber ich habe ein bißchen das Gefühl, daß nicht etwa das, was wir hier an Zahlen anführen, ins Gebiet des Märchens gehört, wie Hellwig damals meinte, sondern daß das Parteiengesetz das zehntausend und erste Märchen im Regierungsprogramm sein wird.
Die Steuerabziehbarkeit diene der Offenlegung, meinte Hellwig damals. Ich bedaure, daß er nicht hier ist; ich hätte gern mit ihm darüber gestritten.
— Ah, sehr schön, Herr Kollege Hellwig, ich bin Ihnen sehr dankbar. Sie haben damals gesagt, die Abziehbarkeit der Zuwendungen an politische Parteien diene der Offenlegung der Finanzgebarung der Parteien.
Gestatten Sie eine Frage?
Bitte!
Herr Kollege Kühn, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir genau sagten, wo und wann ich eine derartige Rede gehalten haben soll. Ich kann mich nur daran erinnern, hier einmal einen Zwischenruf in diesem Zusammenhang gemacht zu haben.
Herr Kollege Hellwig, Sie haben im November 1954 — ich glaube, es war 1954 —, als wir dieses Gesetz diskutiert haben, im Bundestag eine Rede gehalten, die ich im Stenogramm sehr sorgfältig nachgelesen habe. Da haben Sie von dieser Stelle hier oben gesprochen und haben von dieser Stelle hier oben gesagt, daß die Abziehbarkeit von der Steuer der Offenlegung der Parteifinanzierung dienlich sei. — Ich bin Ihnen sehr 'dankbar, wenn Sie den Finger schütteln, dann wollen Sie also sagen, daß Sie sich in Übereinstimmung mit mir befinden, daß Sie also auch meinen, die Abziehbarkeit diene nicht der Transparenz. — Bitte schön!
Ich weiß nicht, Herr Kollege Kühn, ob Sie sich nicht irren. Ich habe zu dieser Frage von dieser Stelle doch nicht gesprochen. Hier müßte Ihrerseits ein Irrtum vorliegen.
Ich werde Ihnen den Text zeigen. Ich glaube jedoch, daß es im Augenblick genügt, wenn ich sage, daß Sie also offensichtlich mit mir einer Meinung darin sind, daß die Abziehbarkeit nicht der Durchsichtigkeit dient.
Herr Kollege Hellwig, wollen Sie eine Frage stellen?
Ja. Ich frage Herrn Kollegen Kühn, ob er meine Bemerkung etwa so verstanden hat, als ob ich ihm in der Sache beipflichtete. Ich würde das für eine Schlußfolgerung halten, die er keinesfalls zu ziehen berechtigt ist. Ich habe nur klargestellt, daß ich hier zu dieser Frage nicht gesprochen habe.
Herr Kollege Hellwig, ich bin mir vollends klar darüber, daß ich gerade mit Ihnen in der Sache in keiner Weise einig sein kann; denn gerade Sie sind ja einer derjenigen, die, glaube ich, die leidenschaftlichsten Befürworter dieser Art der Koalitionsfinanzierung sind.
Es gibt in Ihrer Fraktion eine ganze Reihe von Kollegen, bei denen damals die namentliche Abstimmung ergeben hat, daß sie mit uns einer Meinung sind. Es zeigt sich eine sehr interessante Erscheinung. wenn man einmal das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über das damalige Gesetz — ich möchte jetzt fast sagen — soziologisch analysiert. Die christlichen Gewerkschaftskollegen von der CDU-Fraktion haben damals nämlich fast geschlossen mit uns gestimmt, mit Ausnahme derjenigen, die offensichtlich der gesinnungswandelnden Beeinflussung des Ministeriums unterlegen sind und eben für die Koalition gestimmt haben, während Herr Pferdmenges, Herr Kollege Hoogen, Herr Kollege Hellwig damals für die Absetzbarkeit der Parteisubsidien von der Steuer gestimmt haben.
Deshalb kann ich gar nicht auf die abenteuerliche Idee kommen, daß Sie mit mir in dieser Frage übereinstimmen könnten, Herr Kollege.
Nun will ich Ihnen ein paar Beispiele für die illegale — ich meine: die moralisch illegale — Parteifinanzierung geben. Da ist die schamhaft „Staatsbürgerliche Vereinigung 1954" genannte Organisation, eine Tarnorganisation, würde ich sagen — und nehmen Sie das jetzt so deutlich, wie ich es sage —, zur indirekten Unterstützung der sowjetischen Propaganda. Denn durch die Art dieser Parteifinanzierung liefern Sie den östlichen Feinden der Demokratie nur Material. Die werden nämlich sagen, daß durch solche Beeinflussungen, durch riesige Kapitalien die politische Willensbildung in der Demokratie so verfälscht wird, daß man auch im Westen nicht von Demokratie sprechen kann.
Wer so etwas wie das, was hier geschieht, macht, der zerbröckelt und zerbröselt das eigentliche Fundament der Demokratie,
das darin besteht, daß der einzelne Staatsbürger aus seiner Erkenntnis der Zusammenhänge vor die Wahlurne tritt und nicht vorher durch eine Propagandawelle, die aus vielen, vielen Millionenfonds gespeist wind, in seiner politischen Willensbildung verdrängt und irregeführt wird.
Zur Demokratie gehört die gleiche Chance. Das Wesen der Demokratie besteht darin, daß die Überzeugungskraft und .die Qualität der Argumente den einzelnen Staatsbürger zur Abstimmung bringen, nicht aber !darin, daß er unter einer Welle der Propaganda mit Suggestiventscheidungen vor die Wahlurne hintritt. Das ist Verfälschung ,der Demokratie.
Diese „Staatsbürgerliche Vereinigung" macht in ihren Publikationen darauf aufmerksam, daß „die Gelder im Interesse der Erhaltung der .derzeitigen Regierungsverhältnisse ,der Bundesrepublik gegeben werden sollten", und zwar wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die steuerabzugsfähige Summe nach der Stärke der Belegschaft der Betriebe bemessen werden soll.
Nun, meine Damen und Herren, finden Sie das in Ordnung? Finden Sie, daß ,das mit dem Grundsatz der Demokratie vereinbar ist?
Es gibt ein paar andere Beispiele. Aus Hessen kamen die Pressemeldungen, daß dort die Förderergesellschaft der hessischen Wirtschaft bei der Bundestagswahl 1953 6000 Mark Wahlhilfe für jede Eule gezahlt hat, die aus Hessen in das Bonner Bundes-Athen getragen werden sollte.
Die famose Aktivität des Herrn Bach, ides Bundesschatzmeisters der CDU, hat ja sehr oft in der Öffentlichkeit eine Rolle gespielt. Ich habe hier die Photokopie eines Werbebriefs, den er für ,das ja bereits vor ein paar Wochen hier diskutierte „Wirtschaftsbild" an die Wirtschaft verschickt hat. Damals ging es darum, daß das Volkswagenwerk — übrigens mit nachheriger Billigung des Bundesfinanzministers — jeden Monat 5000 Mark an dieses „Wirtschaftsbild" zahlt. Ich habe hier die Fotokopie eines solchen Briefes. Da heißt es:
Das „Wirtschaftsbild" erzielt keine Überschüsse. Herr Professor Erhard und ich versehen unseren Dienstabsolut ehrenamtlich, so daßalle Bezugsgelder restlos wieder für die Unterstützung der Erhardschen Marktwirtschaft verwandt werden können. Es kommt im Hinblick auf die im nächsten Jahr stattfindenden Bundestagswahlen ,darauf an, daß die bisherige Wirtschaftspolitik Professor Erhards auch in den nächsten Jahren erfolgreich fortgesetzt wind. Wir müssen ihn darin unterstützen.
— „Bravo" sagen Sie? Wenn Sie es auf .die Tatsache beziehen, daß deshalb das Volkswagenwerk als öffentliches Bundesvermögen Ihre Kassen jeden Monat mit 5000 Mark subsidieren muß, dann sind die zahlreichen Bravo-Rufe, die ich jetzt eben hörte, moralisch auf derselben Höhe wie jener Zwischenruf in der vorhin bereits angesprochenen Debatte; als mein Kollege Wittrock sagte, das Volkswagenwerk habe der örtlichen Parteileitung der CDU in Frankfurt einen Volkswagen geschenkt, da rief jemand aus Ihren Reihen: „Sehr nobel!" Ich muß sagen, vom Standpunkt der Demokratie
sind diese Zwischenrufe nicht sehr nobel, sondern sehr bedauerlich,
denn sie zeigen, daß Sie das Wesen der Demokratie nicht begriffen haben, wenn Sie der Meinung sind, daß Sie öffentliche Einrichtungen zu Beuteinstitutionen einer Koalition 'machen können.
Ich habe hier noch ein anderes Zitat, das ich Ihnen nicht ersparen möchte. Das Institut für die Niedersächsische Wirtschaft e. V. hat bald nach der Bundestagswahl — ich habe hier das Protokoll — am 14. Dezember eine Sitzung veranstaltet, und in dem offiziellen Protokoll heißt es, daß die Gründung der Institute — es sind ja in jedem Land solche — „eine Gemeinschaftsleistung der Berufsverbände und bedeutender einzelner Persönlichkeiten der deutschen Wirtschaft sind. Die Gründung ist auf Grund einer Anregung des Bundeskanzlers vorgenommen worden. Es sei nicht die Aufgabe ,des .Instituts, die Finanzierung der politischen Parteien allein vorzunehmen; es komme vor allem darauf an, die Interessen der Wirtschaft innerhalb der Parteien zu forcieren." Präsident Kuhlemann unterstrich dann, „wie sehr der Bundeskanzler bei der letzten Zusammenkunft die Arbeit dieser Institute gewürdigt habe, und daß er 'beauftragt sei, den Dank des Bundeskanzlers zu übermitteln. Es habe die Absicht bestanden, die Institute nach dem 6. September 1953 wieder aufzulösen; da sich jedoch gezeigt habe, wie wichtig diese Arbeit sei, glaube man nicht, in der nächsten Zeit 'auf diese Institute verzichten zu sollen."
Dann komme 'ich zu einem Kapitel, das den Herrn Bundesverteidigungsminister betrifft. Ich bedaure sehr, daß der Herr Bundesverteidigungsminister den Saal inzwischen verlassen hat; ich war vorhin sehr froh, zu sehen, daß er noch da war. Im „Spiegel" hat eine Erklärung gestanden, die durch eine Verlautbarung des Herrn Bundesverteidigungsministers nicht geklärt ist. Da hat die Publikation gestanden, daß die „Volkswirtschaftliche Gesellschaft" in Bayern, deren Vorsitzender der Atomminister Balke ist, dem Herrn Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß monatlich die Summe von 5000 DM anweist. Wir haben von dem Herrn Verteidigungsminister nur Idas Dementi erfahren, daß er persönlich kein Geld angenommen, bekommen oder überwiesen erhalten habe. Meine Damen und Herren, das steht hier nicht zur Diskussion. Niemand hat die Beschuldigung erhoben — und ich würde sie auch für töricht halten —, daß der Herr Bundesverteidigungsminister von dieser Stelle eine persönliche Subsidie entgegengenommen hat. Das Entscheidende ist, daß er als Minister, als Führer einer Partei, von dem anderen Minister, der der Vorsitzende einer industriellen Förderergesellschaft zur Unterstützung dieser Partei ist, monatlich 5000 DM bekommt, was den zweiten Betrag 'ausmacht: in einer Legislaturperiode eine Viertelmillion. Dias Dementi des Herrn Verteidigungsministers, daß er das Geld ja nicht persönlich bekommen habe, läßt doch die entscheidende Tatsache undementiert. Die entscheidende Tatsache ist, daß ein Minister als Manager einer politischen Finanzierungsvereinigung einem anderen Minister zur Unterstützung einer Partei Geld gibt; der andere Minister ist zudem nicht nur Parteiführer, sondern er ist auch der Leiter eines Ressorts, an dem diese Geld spendenden Industriellen in seiner Eigenschaft als Auf-
traggeber durchaus interessiert sind. Es wird hier also Geld nicht nur im allgemeinen für die Unterstützung der Politik Adenauers gegeben, sondern noch im besonderen an den Minister eines Ressorts, an dem die Geldgeber ein besonderes Interesse haben. Begreifen Sie denn nicht, meine Damen und Herren, daß hier etwas faul ist, daß hier etwas demokratisch unerträglich ist, daß hier etwas abgeschafft werden muß im allgemeinen Interesse der Demokratie, das Sie genauso wahrzunehmen haben wie wir?!
Erkennen Sie nicht, welcher Schaden hier der Demokratie zugefügt wird?!
Ich habe noch ein anderes Zitat hier, das ich als letztes Zitat Ihnen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten unterbreiten möchte. Es stammt von der Wirtschaftspolitischen Vereinigung des Groß-und Außenhandels in Bayern. Da wird gesagt:
Es verdient an dieser Stelle anerkannt zu werden, daß der jetzige Bundestag sich mancher Forderung des Großhandels dank der verständnisvollen Haltung der bürgerlichen Parteien aufgeschlossen gezeigt hat . . . Dafür müssen wir jetzt den kommenden Bundestagswahlkampf unterstützen.
Es wird vorgeschlagen, daß pro 10 000 DM des Umsatzes 80 Pf an die Koalitionsförderungskasse gezahlt werden. — Meine Damen und Herren, das ist der Ludergeruch der Hitlerkampfzeit; lassen Sie sich das einmal sagen!
Der Herr Kollege Dr. Jaeger hat neulich von dieser Stelle in etwas, ich möchte sagen, pharisäischer Überheblichkeit gesagt, Sie von der CDU hätten alle aus der Vergangenheit gelernt, wir hätten nichts gelernt. Offenbar ist eine Lehre, die bei Ihnen aus der Vergangenheit gezogen wird, die, es wieder genauso zu machen, wie es die Industrie vor 1933 gemacht hat, als ein Herr Kirdorf hinging und den Beschluß des Ruhrkohlensyndikats herbeiführte, daß jeder Unternehmer, der dem Ruhrkohlensyndikat angehört, pro Tonne verkaufter Kohle 5 Pf an die Kasse der NSDAP abführen soll. Die industriellen Mäzene der Politik kennen wir; es sind die gleichen wie damals, die damals eine Entwicklung herbeifinanzierten, zu der Thyssen dann, als er sich 5 Minuten nach 12 von Hitler absetzte und in die Emigration ging, sein berühmtes Bekenntnisbuch geschrieben hat „I paid Hitler", für diejenigen, die es in klarem, brutalem Deutsch hören wollen: „Ich bezahlte Hitler". — Herr Kollege Hellwig, bitte schön!
Gestatten Sie eine Frage?
Sehr gern!
Herr Kollege Kühn, ist Ihnen nicht das Spruchkammerverfahren über Fritz Thyssen bekannt, bei dem ganz klar festgestellt wurde, daß dieser Titel unter Mißbrauch von Erzählungen des Herrn Thyssen von einem geschäftstüchtigen Autor daraufgesetzt worden ist und daß hiermit eine Legende gestützt werden sollte, die das Spruchkammerverfahren ausdrücklich als ungerechtfertigt erwiesen hat?
Das ist nicht der Fall. Es ist nicht ausdrücklich als ungerechtfertigt erklärt worden, daß die Industrie vor 1933 Hitler finanziert hat, und zwar auf technisch die gleiche Art, die hier in Ihrem Gesetz anerkannt wird. Das ist das Entscheidende.
Gestatten Sie eine Zusatzfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege Kühn, ich habe Sie gefragt, ob Ihnen nicht bekannt ist, daß der Buchtitel „I paid Hitler", den Sie hier gewissermaßen als ein Programm des Herrn Fritz Thyssen herausgestellt haben, in einem Spruchkammerverfahren als ein ungerechtfertigter Mißbrauch festgestellt worden ist. D a s habe ich Sie gefragt!
Diese Einzeltatsache war mir nicht bekannt. Sie ändert aber nichts daran, daß, wie Thyssen selbst in seinem Buch schreibt, die Industrie damals Hitler finanziert hat. Diese Tatsache wollen Sie doch nicht bestreiten.
Es kommt doch nicht auf die belletristische Arabeske an, ob ein Buchtitel vom Verleger oder vom Autor selbst stammt, sondern darauf, ob die Substanz hier stimmt, ob sich die Industrie politischer Wahlsubsidien bedient hat. Diese Methode, Herr Kollege Hellwig und meine Damen und Herren von der CDU, ist das Verhängnisvolle. Diese Methode der politischen Willensbildung vernichtet die Demokratie. So zahlreich die Fehler Weimars auch gewesen sein mögen, ihren Todesstoß hat die Weimarer Republik durch diese Art der politischen Meinungsgestaltung erhalten.
Damals war nicht einmal eines der Fall, was Sie heute aufrechterhalten wollen und in dieses Gesetz gebracht haben. Sie wollen diese verhängnisvolle Methode auch noch steuerlich begünstigen. Das ist nicht eine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung gegenüber der Situation von damals.
Man darf nicht Finanzierungsgesetze zur Koalitionsbegünstigung schaffen. Wer das tut, der reicht seine Hand zur Zerstörung der Fundamente der Demokratie.
Wir bitten auch diejenigen unter Ihnen, die damals nicht für unseren Antrag gestimmt haben —sehr zahlreiche von Ihnen hatten dieselbe Einsicht wie wir und haben dem durch ihre Stimmabgabe damals auch Ausdruck verliehen — und die das — so will ich zugunsten einiger annehmen — nicht durchdacht haben, wenigstens jetzt bei dieser Revisionsmöglichkeit die Sauberkeit der Demokratie zu garantieren.
Die Aktivität der Parteien im allgemeinen und die Wahl zum Parlament im besonderen ist doch nur dann wahrhaft demokratisch, wenn die Parteien in völliger Gleichheit der Chancen gegeneinander antreten, allein mit ihren Argumenten, mit der Aktivität ihrer Mitglieder und mit der Opferbereitschaft ihrer Anhänger. Das sind, glaube ich, die einzigen
Elemente, die berechtigterweise in einem Wahlkampf gegeneinander aufmarschieren sollten. In dieser Form, in dieser Sauberkeit, in dieser Gleichheit der Chancen sollen die Parteien um die Gefolgschaft des Volkes werben, nicht aber durch hintergründige Parteifinanzierungen, die mit ihrer Flutwelle der Propaganda die Überlegungen der Menschen überspülen und sie einfach für eine Partei an die Wahlurnen schwemmen wollen. Wenn ich sage, daß ein Element des Kampfes die Opferbereitschaft der Anhänger sein soll, so ist darin auch die Finanzierung der Parteien enthalten. Selbstverständlich brauchen die Parteien Geld. Aber es muß aus der eigenen Tasche der Anhänger kommen und darf nicht durch den Griff in die Kasse der Allgemeinheit aufgebracht werden.
Als gemeinsames Bekenntnis dieses Hauses zu den Grundsätzen der Sauberkeit im demokratischen Staat und der Redlichkeit des Kampfes zwischen den Parteien erbitten wir Ihre Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. Wir appellieren gerade an Sie, an die Mehrheit dieses Hauses, die damals diese Bestimmung gegen uns beschlossen hat, wir appellieren an Sie: stellen Sie Ihr staatspolitisches Verantwortungsgefühl über Ihren parteipolitischen Egoismus.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lindrath.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die soeben hier vorgetragene Begründung des Antrags der SPD hat die Dinge wesentlich überspitzt und dramatisiert.
Es geht nicht darum, ob durch die Änderung, die wir in dem Gesetz zur Neuregelung der Steuern im Jahre 1954 getroffen haben, die Demokratie zu Grabe getragen werden könnte. Die Dinge liegen bei weitem anders. Ich habe den Eindruck gehabt, daß es bei dieser Rede darum ging. eine Wahlagitation auf Grund unbewiesener Behauptungen vorzutragen.
Es geht doch um eine ganz nüchterne steuerrechtliche Angelegenheit,
die in aller Sachlichkeit erörtert werden sollte. Es ist auch nach steuerrechtlichen Prinzipien durchaus begründet, was die Mehrheit dieses Hohen Hauses seinerzeit beschlossen hat.
Worum geht es? Es geht darum, daß die Stellung der politischen Parteien im Steuerrecht derjenigen anderer Organisationen angeglichen wird. So können beispielsweise die Beiträge steuerlich abgesetzt werden, die Berufsverbänden zufließen. Dazu gehören die Gewerkschaften, dazu gehören die Arbeitgeberverbände, die Wirtschaftsverbände, die Bauernvereine und die Hausbesitzervereine. Die Förderung gemeinnütziger, mildtätiger, kirchlicher Zwecke ist ebenfalls steuerbegünstigt. Alle Organisationen der Gesundheitspflege, der Jugendpflege, der Jugendfürsorge, der körperlichen Ertüchtigung usw. haben eine steuerliche Begünstigung.
Lediglich die politischen Parteien, die ja auch ihre staatspolitische Aufgabe haben, waren steuerlich nicht berücksichtigt. Ein Gutachten des Bundesfinanzhofs vom Jahre 1952 hat dies ausdrücklich festgestellt. Dabei haben die politischen Parteien gegenüber den von mir genannten Berufsverbänden und sonstigen Organisationen eine Sonderstellung. Sie sind im Grundgesetz verankert und haben verfassungsrechtliche Aufgaben. Es ist nicht einzusehen, daß sie bei höheren Aufgaben eine schlechtere Stellung im Steuerrecht haben sollen.
Das Prinzip der steuerlichen Gerechtigkeit und Gleichheit gebietet, daß die politischen Parteien auch steuerrechtlich entsprechend ihren Aufgaben behandelt werden; sie sollen nicht schlechter gestellt werden als andere Organisationen, als solche gemeinnütziger oder mildtätiger Art. Ich muß die soeben aufgestellte Behauptung, daß wir die Arbeit der politischen Parteien mit kirchlichen und mildtätigen Zwecken zu verbrämen versuchten, zurückweisen. Die Gleichsetzung der Zwecke der politischen Parteien mit religiösen Zwecken ist niemals beabsichtigt gewesen.
Die politischen Parteien werden insofern sogar etwas schlechter gestellt, als die Aufwendungen für die politischen Parteien nur im beschränkten Maße steuerlich begünstigt sind, während die Zuwendungen an Berufsverbände uneingeschränkt begünstigt sind.
Das Hohe Haus hat in der von der Fraktion der SPD seinerzeit beantragten namentlichen Abstimmung eindeutig Stellung genommen und die Aufnahme dieser Bestimmungen im Steuergesetz beschlossen. Alle Fraktionen mit Ausnahme der Fraktion der SPD haben in ihrer Mehrheit den Antrag gutgeheißen. Es ist allerdings richtig, was Herr Kollege Kühn sagte, daß in allen Fraktionen auch Stimmen für den seinerzeitigen Antrag der SPD abgegeben wurden; aber das ist lediglich ein Beweis für das demokratische Prinzip, das in diesen anderen Fraktionen herrscht. In der SPD-Fraktion scheint das Prinzip militärischen Befehls und Gehorsams zu herrschen.
— Ich habe mit Kollegen aus Ihrer Fraktion gesprochen, die anderer Auffassung waren. als sie in der einheitlichen Stimmabgabe der SPD zum Ausdruck kam.
Wir sind der Auffassung — und diese ist von dieser Stelle auch von einem Vertreter der SPD zum Ausdruck gebracht worden —, daß es nach den Bestimmungen des Grundgesetzes am zweckmäßigsten ist, die Frage der Finanzierung der Parteien durch ein Parteiengesetz zu regeln. Das ist im Grundgesetz vorgesehen.
— Ich darf Ihnen sagen, Herr Königswarter, daß Sachverständige aller Gruppen — auch aus Ihrem Lager — sich auf Veranlassung des Bundesinnenministeriums damit beschäftigten, diese Dinge in Ordnung zu bringen und uns einen Bericht vorzulegen. Die Arbeiten dieses Ausschusses stehen kurz vor dem Abschluß, und wir werden schon in der nächsten Zeit diesen Bericht bekommen. Wir müssen also abwarten und dürfen diesem Bericht nicht
vorgreifen. Wir werden dann dem Parteiengesetz zustimmen, genauso wie das von Ihnen erklärt worden ist, und sind dankbar, daß wir die Finanzierung der Parteien dann auf Grund des Parteiengesetzes in Ordnung bringen können.
Aber dann wollen wir ganze Arbeit machen. Der Gesetzentwurf, den Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, vorlegen, ist unvollständig. Sie wollen die staatspolitischen Zwecke aus dem Einkommensteuergesetz gestrichen haben, Sie wollen sie aber drinlassen im Körperschaftsteuergesetz.
Ich habe mich gefragt: Warum denn das? Haben Sie ein so starkes Interesse daran, daß die Körperschaften die steuerliche Begünstigung behalten? In § 11 Nr. 5 des Körperschaftsteuergesetzes steht das doch auch drin. Warum wollen Sie es dort nicht gestrichen haben?
Wenn das Parteiengesetz vorliegt, dann wollen wir ganze Arbeit leisten. Wir wollen, daß es auch dort gestrichen wird und nicht nur im Einkommensteuergesetz. Wenn man sich fragt, warum Sie es dort nicht gestrichen haben wollen, kommt man doch auf den Gedanken, zu fragen: Haben Sie ein Interesse daran, etwa von Körperschaften noch Zuwendungen zu bekommen? Es ist doch nicht so, daß nur die CDU oder die anderen Fraktionen der Koalition. für die ich hier gleichzeitig spreche, irgendwelche Zuwendungen bekommen, die vorher steuerlich abgesetzt worden sind. Auch Ihnen fließen doch solche Mittel zu. Auch Sie werden doch
Die Finanzierung der Partei erfolgt ja nicht allein durch Zuwendungen. Es gibt Druckaufträge; Flugzettel, Plakate usw. werden gedruckt. Daß der Deutsche Gewerkschaftsbund vor vier Jahren die Wahlzeitung „Wählt einen besseren Bundestag!" gedruckt hat, war doch keine Agitation für alle, sondern speziell für die SPD war es eine Agitation.
So sehen die Dinge aus. Die Finanzierung ist auch nicht bloß aus der Opferbereitschaft der Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei erfolgt. Zum Deutschen Gewerkschaftsbund gehören auch Männer und Frauen des deutschen Volkes. die politisch auf einem anderen Boden stehen als Sie.
Sie verweisen auf die Förderergesellschaften. Sie kennen doch die Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft. Dort haben wir doch nichts zu melden. Dort ist doch die SPD maßgebend. In dieser Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft beträgt der Mindestbeitrag 1000 Mark. Von den öffentlichen Betrieben, die der Allgemeinheit gehören, wird diese Gesellschaft finanziert,
und die wirtschaftspolitische Zielsetzung dient einer Partei, dient Ihrer Partei. Hier gehen nicht nur die Steuervergünstigungen zu Lasten der Allgemeinheit, sondern sogar die ganzen Beträge.
— Das stimmt genauestens. Soll ich Ihnen den Vorstand nennen? Darin sitzen Mitglieder aus Ihren Reihen, Mitglieder aus diesem Hause; bestreiten Sie es nicht!
— Das verstehe ich schon. Es wäre besser gewesen, Sie hätten jemanden hergeschickt, der etwas von Steuern versteht und der uns gesagt hätte, warum Sie bei der Körperschaftsteuer diese Bestimmung drinlassen wollen. So kann man es doch nicht sagen!
Oder das andere: die CDU/CSU mit der NSDAP gleichzustellen, das muß ich auf das allerschärfste zurückweisen.
Das ist eine Situation, die nichts, aber auch gar nichts mit dieser Frage, die wir sachlich erörtern sollten, zu tun hat.
Auch Ihre Beziehungen zur Wirtschaft, zur Großwirtschaft und zur Schwerindustrie sind doch nicht etwa nicht vorhanden, sondern sind doch teilweise sehr rege. Wir wollen aber diese Dinge hier doch nicht im einzelnen, in extenso erörtern, sondern sollten uns auf die Sachlichkeit zurückziehen. Wir werden die Dinge im Ausschuß sachlich erörtern, und wenn dann das Parteiengesetz vorliegt, werden wir diesem Antrag, allerdings in der erweiterten Form, ausgedehnt auch auf die Körperschaften, zustimmen.
— Das ist keine Verschleierung, meine Damen und Herren! Die Flugblätter zur Rentenreform und zum Steuersenkungsprogramm
sind von Ihnen herausgegeben worden. Die CDU und die Koalitionsfraktionen haben dazu bisher keine Mittel zur Verfügung gehabt.
— Meine Herren, das sind doch Märchen, was Sie da in die Welt setzen!
— Meine sehr geehrten Damen und Herren, schauen Sie einmal in den „Neuen Vorwärts" hinein und sagen Sie mir dann, wer die Werbeannoncen dort hineinsetzt und wer sie bezahlt! Dann wird doch deutlich, woher auch Sie Gelder bekommen.
Hier kommt es darauf an, steuerrechtlich das Gleichheitsprinzip durchzusetzen, und das ist geschehen. Die politischen Parteien sollten ebenso behandelt werden wie die Berufsverbände, und wir sollten diese Dinge nicht zu irgendwelchen agitatorischen Auseinandersetzungen benutzen. Herr Kollege Kühn, ich bin doch der Meinung: Ihre Rede war etwas zu kühn.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Hellwig!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier darum, eine Richtigstellung vorzunehmen. Der Herr Kollege K ü h n hat in längeren Ausführungen gegen angebliche Ausführungen polemisiert, die ich in diesem Hause gemacht haben soll. Ich habe die Protokolle nochmals herangezogen. Herr Kollege Kühn, ich kann nur zu Ihren Gunsten annehmen, daß Sie das Opfer eines vielleicht verzeihlichen Irrtums geworden sind. Aber die Art und Weise, wie Sie dauernd meinen Namen genannt haben in Verbindung mit einer nicht gehaltenen Rede, läßt die Technik erkennen, mit der hier Falsches und Richtiges ständig vemengt worden ist, und ich kann nicht annehmen, daß das ohne Absicht geschehen ist.
Herr Abgeordneter Elbrächter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von mir persönlich sehr geschätzte Abgeordnete und Kollege K ü h n hat mich namentlich zitiert und hat mich dadurch hier auf diesen Platz gerufen, obwohl ich eigentlich nicht die Absicht hatte, aus diesem Anlaß noch einmal zu sprechen. Ich spreche also genauso improvisiert, wie ich damals, vor 21'4 Jahren, gesprochen habe, und ich bin dem Herrn Kollegen Kühn sehr dankbar, daß er die Worte, die ich damals gefunden habe, hier zitiert hat. Denn ich muß ihm sagen: ich halte sie heute noch für richtig und sehe dort keine Vermengung von richtigen und falschen Schlüssen.
Nun zu dem Verhältnis von Staat und Partei! Herr Kollege Kühn, Sie belieben es so darzustellen — das ist eine alte Gewohnheit der SPD —, als setzten wir von der Koalition Staat und Partei gleich. Das ist keineswegs der Fall. Gerade ich als konservativer Abgeordneter bin der Meinung, daß der Staat als die Verkörperung der gesamten Staatsbürger einen anderen, einen höheren Rang einnimmt als etwa das Individuum oder als Zusammenschlüsse von Individuen, seien es Parteien, seien es Vereine. Diese Unterstellung ist also nicht richtig. Sie werden mir doch zugeben müssen, daß in der Praxis einer parlamentarischen Demokratie die die Regierung tragenden Parteien selbstverständlich ein Anrecht darauf haben, den Staat nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Das ist ein durchaus legales Anliegen, und ich glaube, wenn Sie an der Macht wären — das ist ja gerade Ihr Kampf im Augenblick —, würden Sie es genauso handhaben, d. h. wenn Sie die Regierungsverantwortung tragen würden, würden selbstverständlich auch Sie Ihre Vorstellungen vom Staat durchzusetzen versuchen. Ich glaube, das hat mit diesem Kampf gar nichts zu tun.
Dann ist von Ihnen die alte Serie von Angriffen mit dem schönen Schlagwort „Demokratie zu Grabe tragen" wieder vorgebracht worden. Wir merken hieran wieder einmal, daß wir uns bedenklich am Ende der Legislaturperiode bewegen und daß der Wahlkampf bevorsteht. Ich persönlich meine, man sollte etwas vorsichtiger sein. Gerade unsere Parteien in Deutschland haben allen Grund — ich sage das mit tiefem Ernst —, sich nicht immer gegenseitig mit Dreck zu bewerfen.
Wir diffamieren die Demokratie, wenn wir ver- suchen, uns gegenseitig zu diffamieren, und wenn jeder es so darstellt, als habe er die moralische Sauberkeit gepachtet.
— Ich bin nicht der Bundeskanzler. Ich spreche hier jetzt meine persönliche Meinung aus. Ich bin aber überzeugt, daß ich die Meinung des größten Teils dieses Hauses zum Ausdruck bringe.
Ich meine also, wir sollten etwas vorsichtiger mit solchen Schlagworten sein. Schlagworte nützen uns in diesem Zusammenhang gar nichts.
Nun zu dem, warum ich überhaupt hierher gekommen bin. Ich finde die Unterstellung geradezu unglaublich, daß es ein Griff in die Tasche der Allgemeinheit sei, wenn Steuerzahler Parteien oder sonst irgendwelchen Verbänden Gelder geben. So hat sich Herr Kollege Kühn wörtlich ausgedrückt.
— Nein, es ist nicht so.
Zunächst ist es doch wohl das selbstverständliche und natürliche Recht eines jeden Menschen, der über Geld verfügt und Gelder verdient hat, daß er sie nach seinem Gutdünken ausgeben kann. Die Allgemeinheit hat an diesen Geldern noch lange kein Recht; denn wir sind Gott sei Dank in einem westlichen Staat und nicht in einem östlichen Staat, wo die Pflicht des Individuums darin bestehen soll, für den Staat zu arbeiten.
Jeder Einkommensempfänger hat also selbstverständlich zunächst einmal das Recht, über sein Geld so zu verfügen, wie er es will.
Nun zu der Frage der steuerlichen Abzugsfähigkeit. Herr Kollege Lindrath hat mit wünschenswerter Deutlichkeit klargemacht, daß man die Parteien in den gleichen Rang stellen muß wie die anderen begünstigten Körperschaften.
— Das werden auch Sie nicht bestreiten wollen, Herr Kollege Hansen, lassen Sie mich doch aussprechen; Sie haben ja nachher Gelegenheit.
— Ich komme gleich darauf zurück. Ich weiß, ich erfreue mich, wenn ich hier stehe, Ihrer besonderen Wertschätzung, mit Zurufen bedacht zu werden. Das freut mich besonders. Aber sie dienen nicht immer der Sache und verlängern nur meine Ausführungen.
Herr Kollege Kühn, Sie haben selber zugegeben, daß Parteien staatspolitisch notwendig sind. Ich freue mich über dieses offene Eingeständnis.
— Wir reden jetzt von Parteien. Wenn Sie von Berufsvertretungen sprechen, lieber Herr Hansen, dann haben Sie doch kraft Ihres neuen Amtes besanders vorsichtig zu sein, weil Sie die größte Berufsvertretung, nämlich den DGB, vertreten. Es ist eine seltsame Unterstellung von Ihnen, daß alles, was der DGB tut, im Rahmen einer moralischen Le-
galität stehe und das, was andere Berufsvertretungen tun, irgendwie diffamierend sei. Das ist doch Ihre Unterstellung!
In diesem Zusammenhang — Berufsvertretungen — darf ich das anführen, was hier Herr Kollege Kühn gesagt hat: Wes Geld ich nehme, des Lied ich singe! — Sehen Sie doch bitte die Beschlüsse dieses Hauses gerade in letzter Zeit an! Ich habe nicht den Eindruck, daß die dauernd steigenden Belastungen für soziale Aufgaben von denjenigen, die sie zahlen müssen, nun gerade so sehr sympathisch empfunden werden. Wir haben hier in letzter Zeit Beschlüsse gefaßt, die in die Milliarden gehen zu Lasten derjenigen, die sie erwirtschaften müssen. Ich habe nicht den Eindruck, als wenn die von Ihnen so gern zitierten Berufsverbände sich auf diesem Gebiet sehr erfolgreich hätten durchsetzen können.
Nun ein Weiteres. Hier sind mal wieder die üblichen Angriffe gegen die Förderverbände geführt worden. Ich persönlich bin der Auffassung, daß das eine zumindest etwas fragwürdige Angelegenheit ist. Ich darf nur das wiederholen, was ich dem Kollegen Wittrock bei anderer Gelegenheit gesagt habe. Gerade wer die Bedeutung der Förderverbände nicht so sieht wie vielleicht andere Kollegen, sondern wie ich, wer also erreichen will, daß der Einfluß dieser Förderverbände zurückgeht, der müßte sich für die steuerliche Abzugsfähigkeit der Spenden einzelner Einkommensempfänger einsetzen, weil damit solche Zuschüsse unnötig werden, weil damit das Geld direkt, ohne Umwege, an die Parteien gegeben werden kann. Denn Sie werden doch zugeben — Sie werden es mir gar nicht bestreiten können —, daß, wer will, sich irgendwie auch einen Weg sucht, um über Umwege die steuerliche Abzugsfähigkeit zu erreichen. Diese Manipulationen, die leider infolge einer falschen Steuergesetzgebung üblich geworden sind, möchte ich gerade verhindert wissen. Das war auch der Grund, warum ich damals, vor 21/4 Jahren, dieses Gesetz verteidigt habe; und ich bin stolz darauf, daß ich es selber angeregt habe, wenn ich auch, als Nichtangehöriger des Finanz-und Steuerausschusses, nachher nicht an den Ausschußberatungen habe mitwirken können. Aber ich habe hier nicht als Beauftragter der CDU gesprochen. Ich fühle mich hier als einer vielleicht der wenigen Abgeordneten, die sich völlig unabhängig bewegen können, unabhängig von Parteien und unabhängig von Fördererverbänden. Ich wünschte, jeder hätte diese politische und geistige Unabhängigkeit, wie ich sie für mich in Anspruch nehme.
Es ist in dem gleichen Zusammenhang argumentiert worden, als wenn diese Finanzierung der Parteien moralisch illegal wäre. Das Wort „Moral" gebraucht man besonders gern, wenn es sich meistens um moralisch zweifelhafte Angelegenheiten handelt.
Ich bin also der Auffassung, daß diese Direktfinanzierung der Parteien sehr viel moralischer und erwünschter ist, als wenn man das etwa über den Staat macht — Vorschläge, die ja selbst aus dem Finanzministerium gekommen sind.
— Nein, meine Damen und Herren, ich bin darin ganz anderer Auffassung. Ich bin der Meinung, daß es sehr viel korrumpierender für die einzelnen Parteien sein wird, wenn sie zu staatlichen Subsidienempfängern degradiert werden, wenn eine Partei, weil sie nun einmal da ist, dadurch automatisch Subsidienempfänger wird, als wenn die Parteien durch ihre Tätigkeit ihre Legalität und ihre Notwendigkeit zu beweisen haben. Daß ein solcher Vorschlag vielleicht von Ihnen, meine Herren von der SPD, als sympathisch empfunden wird, weil Sie zugegebenermaßen über wahrscheinlich sehr viel mehr eingeschriebene Parteimitglieder verfügen, finde ich verständlich, aber ich finde es deshalb noch nicht richtig.
Gerade die Praxis in Mitteldeutschland und in anderen Staaten, wo sogenannte Einheitsparteien vom Staat finanziert werden, sollte uns gegenüber solchen Methoden sehr vorsichtig machen.
Eine andere Frage ist es, ob wir etwa zu der englischen Lösung kommen, Höchstsummen je Abgeordneten festzusetzen, die man im Wahlkampf ausgeben darf. Wenn dieser Weg gefunden und eingehalten werden könnte, wie es in England — zweifellos auch durch eine große innere Disziplin, nicht nur staatliche Aufsicht — möglich ist, dann wäre ich jeden Tag dafür, einer solchen Lösung zuzustimmen. Darin also würden wir uns vielleicht finden.
Nun komme ich noch zu einem letzten Punkt. Es ist ja sehr beliebt und sehr üblich geworden, immer so zu tun, als wenn die böse Industrie an allem in diesem Deutschland schuld hätte. In diesem Zusammenhang hat der Kollege Kühn wieder einmal das alte Märchen — ich sage ausdrücklich: Märchen — aufgewärmt, als wenn die Industrie in toto die NSDAP finanziert habe.
Das ist doch keinesfalls so. Ich darf daran erinnern, — —
— Entschuldigen Sie, mit der Wahrheit sollten Sie etwas vorsichtiger umgehen.
— Sind Sie fertig mit Ihren Darlegungen? Dann kann ich fortfahren.
Ich darf nochmals sagen: Es ist doch keineswegs so, daß die Industrie die NSDAP finanziert hätte. Man muß zugeben — das ist eine geschichtliche Tatsache, die von niemandem bestritten werden kann —, daß einzelne, sogar große Industrielle aus irgendwelchen Gründen, vielleicht sogar politischer Sympathie, der NSDAP Geld gegeben haben. Aber die Industrie in toto hat das keineswegs getan. Ich darf mich hier auf eine Darstellung eines sozialistischen Historikers berufen. Der Name ist mir leider entfallen, ich habe dieses Buch in meiner Kriegsgefangenschaft im Jahre 1947 in Orleans gelesen, ich habe es aber sehr gut in Erinnerung; dieses Buch ist mir bei meiner Heimkehr abgenommen worden, so daß es nicht mehr in meinem Besitz ist, und ich habe den Namen leider vergessen. Dieser Historiker, der, wie er selber sagt, aus sozialistischen Reihen kommt, hat ganz eindeutig sachlich dargelegt,
daß die Industrie gar kein Interesse daran haben konnte, den Nationalsozialismus zu finanzieren,
und vielleicht — --
— Ja, meine Herren, ich habe Zeit. Lachen Sie ruhig aus! Vielleicht hören Sie mich dann einmal an, und zwar aus einem sehr einfachen Grunde. Sie verwechseln die Industrie mit der Schwerindustrie.
Die einzige Gruppe, die wirklich ein Interesse daran haben konnte, über eine gewisse Aufrüstung aus ihrer seit Jahrzehnten andauernden Misere herauszukommen, konnte nur die Schwerindustrie sein.
Aber die Schwerindustrie nimmt ganze 8 % in unserem Wirtschaftsraum ein. Das vergessen Sie, meine Damen und Herren von der SPD, immer gar zu gern.
Ich darf daran erinnern, daß der Führer der chemischen Industrie, Herr Geheimrat Duisberg, sich ostentativ gegen die NSDAP gesetzt hat. Ich darf daran erinnern, daß die Führer der Elektrowirtschaft — AEG wie Siemens — sich ausdrücklich gegen die NSDAP gesetzt haben.
Ich darf daran erinnern, daß der ganze Exporthandel, ein nicht unbedeutender Teil unserer Wirtschaft, notwendigerweise gegen die NSDAP sein mußte, weil die NSDAP in ihrem Wirtschaftsdenken völlig fremde Vorstellungen von Autarkie hatte.
— Das können Sie doch alles nicht bestreiten, und Sie dürfen — ich darf das Herrn Kollegen Kühn zum Schluß mitgeben — ruhig einmal die Darstellung nachlesen, die der amerikanische Journalist Lochner vor zwei Jahren, glaube ich, gegeben hat. Darin steht sehr viel Material gerade über diese Beziehungen. Also, wir täten doch besser, die öffentliche Meinung nicht dauernd mit einer Legende zu behelligen, die als nicht mehr gerechtfertigt erwiesen ,ist. Die Kontroverse mit dem Kollegen Hellwig zeigt ja auch, was davon zu halten ist.
Zum Schluß, meine Herren von der SPD, eine persönliche Erfahrung. Ich erinnere mich sehr genau an einen Vorgang, daß die Leitung der örtlichen SPD an uns herangetreten ist, um Geld für Wahlschulden zu erhalten. Sie sehen also: auch die SPD handelt in der Theorie etwas anders als in der Praxis. In der Theorie glaubt sie, sich moralisch aufs hohe Roß setzen zu können; in der Praxis befolgt sie die klassische Weisheit des römischen Kaisers Vespasian: Non olet.
Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.
Meine Damen und Herren, zwei Dinge vorweg! Ich scheine wirklich insoweit das Opfer eines Irrtums geworden zu sein, als der
Kollege Hellwig in der Debatte nicht gesprochen hat, sondern daß das irgendein anderer gewesen ist. Ich habe es im Augenblick, da ich zuhören mußte, nicht überprüfen können.
Herr Abgeordneter, ich rüge diesen Ausdruck. Von Verleumdung kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein.
Ich stelle ausdrücklich fest, daß der Kollege Hellwig in dieser Debatte nicht gesprochen hat. Aber, Herr Kollege Hellwig, das war ja lediglich eine kleine Sache am Rande. Ich berichtige den Irrtum, daß nicht Sie das gesagt haben. Wenn ich Sie mehrfach erwähnt habe, dann vor allem als Spezialisten auf diesem Gebiet. Ich glaube, Sie werden nicht bestreiten, daß Sie über die Finanzierungspraktiken der Industrie im Rahmen der politischen Aktivität wahrscheinlich besser informiert sind als ein Großteil Ihrer eigenen Fraktion.
Nun das nächste. Hier liegt mir wirklich daran, etwas ganz eindeutig klarzustellen. Ich habe in meinen Darlegungen keineswegs die CDU mit der NSDAP verglichen.
— Meine Damen und Herren, ich habe gesagt: Diese Methode ist dieselbe, wie sie damals von der Industrie angewendet worden ist. Ich habe nicht gesagt, die beiden Parteien seien die gleichen. Das wird sich bei der Lektüre des Protokolls erweisen. Ich habe vielmehr erklärt, daß die Methode, die hier von politischen Interessenten, welche über große Geldmittel verfügen, angewendet wird, dieselbe ist wie damals.
Der Empfänger ist ein anderer. Der Charakter des Empfängers ist damit gar nicht mit dem Charakter des früheren Empfängers identifiziert. Aber die Methode ist vom Standpunkt der Demokratie genauso verhängnisvoll und verwerflich.
Sie kann die Bonner Demokratie zu Grabe tragen, wie sie die Weimarer zu Grabe getragen hat.
Das zu sagen, lag mir am Herzen.
Nun hatte der Kollege Elbrächter davon gesprochen, daß die Mehrheit das legitime Anrecht hat, den Staat zu gestalten. Herr Kollege Elbrächter, darüber gibt es zwischen uns gar keine Differenzen. Natürlich hat im Kampf der politischen Meinungen jede Gruppe das Recht, ja, ihrer Gesinnung gegenüber die Pflicht, den Versuch zu machen, zu einer Mehrheit zu werden; und wenn sie parlamentarische Mehrheit geworden ist, hat sie ihrer Gesinnung gegenüber die Verpflichtung, den Staat nach Möglichkeit nach ihren Prinzipien zu gestalten. Aber Herr Kollege Elbrächter, es geht doch in dieser Diskussion allein um die Frage: Wie werden die Mehrheiten gemacht?
Und da kommt es darauf an, gesetzliche Grundlagen zu schaffen, die garantieren, daß beide Seiten mit gleichen Chancen in Sauberkeit und Redlichkeit einander gegenübertreten können, daß nicht irgendwelche inkognito auftretenden, im Hintergrund bleibenden Kräfte die politische Meinungsbildung manipulieren, indem sie hinter den Kulissen mit Hilfe von vielstelligen Millionenbeträgen Mehrheiten in Parlamenten bilden. Das ist doch entscheidend. Darum allein geht es. Da gibt es viele Wege, die heute nicht zur Diskussion stehen. Sie haben den Weg erwähnt, den England beschritten hat, daß eben die aufgewendeten Mittel nur in einer kontrollierten und annähernd gleichen Höhe liegen dürfen. Es gibt eine Reihe von anderen Wegen. Hier ist die Frage diskutiert worden, ob nicht überhaupt den Parteien gemäß ihrer Mitgliederzahl aus öffentlichen Mitteln Geld zur Verfügung gestellt werden soll, um die grundgesetzliche Formel mit Leben zu erfüllen, nachdem zum ersten Mal in einer Verfassung die Parteien als Instrumente der Demokratie und bei der Mitwirkung in der Meinungsbildung als offizielle Instrumente anerkannt sind. Ein etwas problematischer Vorschlag, aber jedenfalls auch einer, der hundertfach sauberer ist als der, der heute auf der Grundlage der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen praktiziert wird.
In einem Punkt, Herr Kollege Elbrächter, sind wir uns völlig einig. Sie haben gesagt: Wir wollen uns nicht gegenseitig mit Dreck bewerfen. Das ruft im Zusammenhang mit dem, was aus den Parteisubsidienfonds gemacht wird, immer ein bißchen die Affäre Schroth/ Scharley in unsere Erinnerung. Wir sind sehr damit einverstanden: man soll sich ) nicht gegenseitig mit Dreck bewerfen. Aber wir diskutieren heute nicht die Frage der moralischen Mittel und die Frage, was mit dem Geld, das so in die Koalitionskassen geflossen ist, gemacht worden ist. Ich habe ein bißchen das Gefühl, daß da manche Leute einmal mit sich zu Rate gehen müssen und ihnen anzuraten ist, im kommenden Wahlkampf nicht nach dem Grundsatz zu verfahren, die Rechtfertigung der Mittel den Ergebnissen zu überlassen.
Noch einmal: Es kommt also nicht darauf an, was mit den Mitteln gemacht wird, die hier gesammelt werden. Wenn man untersuchte, was aus den Mitteln gemacht wird, die in die Propagandatöpfe der Regierung hineingesteckt werden, dann würde ich im Rückblick auf das Jahr 1953 in Abwandlung eines gebräuchlichen Sprichworts sagen: Es ist nicht alles Gold, was braun ist.
Nun haben Sie, Herr Kollege Lindrath, gesagt auch die Sozialdemokratische Partei bekomme Geld.
— „Von der Industrie", hat er sogar gesagt. Das war eine besonders verwegene Behauptung.
— Nein. Aber da wollen wir einmal auch an das Jahr 1953 erinnern. Will der Herr Graf den Tanz wirklich wagen, bitte, dann wollen wir einmal. Damals hat die Sozialdemokratische Partei eine umfangreiche Publikation herausgebracht: „Unternehmermillionen kaufen politische Macht." Haben Sie gegen dieses Druckwerk den gerichtlichen Weg beschritten und eine Korrektur beantragt? Nein, Sie haben hinnehmen müssen, was dort in einem
umfangreichen Dokument an Einzelnachweisen der industriellen Finanzierungen für die Koalition aufgeführt worden ist. Sie haben nicht etwa dagegen protestiert, weil Sie es nicht konnten. Was dort gedruckt schwarz auf weiß stand, haben Sie hinnehmen müssen. Aber Sie haben etwas anderes getan, was nicht sehr weit weg lag von der moralischen Qualität des Falles Schroth/ Scharley, den damals der Herr Bundeskanzler auf sich nahm und den er wohl in seiner Geschichte mit sich weitertragen muß. Es gab nach der Bundestagswahl einen Prozeß, den wir angestrengt haben, den sogenannten Dokumentenprozeß Hollenberg. Da haben nämlich im Wahlkampf im Repertoire nahezu aller CDU-Redner angebliche SPD-Briefe eine Rolle gespielt, Briefe von Einrichtungen, die der SPD angeblich Finanzhilfe zugesagt haben. Nach der Bundestagswahl, im Oktober 1955, wurde dann im Gerichtsverfahren, das wir angestrengt haben — Sie haben, was wir über Sie gesagt haben, hinnehmen müssen —, der Fabrikant dieser Briefe als Fälscher zu acht Monaten Gefängnis verurteilt, und das Gericht hat erklärt, die Fälschungen seien zudem ganz klar erkennbar gewesen.
Also auch schon vor dem Wahlkampf! Das Gericht hat zu diesen Dokumenten, die damals von Ihrer Seite gegen uns verwendet worden sind, erklärt, daß sie politische Brunnenvergiftung übelster Art darstellten.
Wenn Sie aber die Behauptung zurücknehmen müssen und nicht aufrechterhalten können, die Industrie habe die Sozialdemokratische Partei finanziert, dann kommt immer wieder in halben Hinweisen: Ja, aber der Deutsche Gewerkschaftsbund! Da warte ich doch, daß endlich einmal in seiner Ehre getroffen ein christlicher Gewerkschaftskollege hier aufsteht und nach vorn geht und sich gegen die Beleidigung aus seiner eigenen Fraktion zur Wehr setzt, also dagegen, daß man ihn hier für einen ausgemachten Trottel und Dummkopf hält.
Denn es gibt keinen Gewerkschaftsvorstand, in dem nicht zur CDU gehörende christliche Gewerkschaftskollegen sitzen, die doch sehr wohl darauf achten werden, daß die Gewerkschaftsgelder nicht in die Kassen der Sozialdemokratischen Partei kommen.
— Nun, dann hier Butter bei die Fische und nicht mit solchen Zwischenrufen!
Meine Damen und Herren, wie sieht es in Wirklichkeit um diese Mittel aus? Ich habe Ihnen soeben etwas von der Fördererorganisation in einem Lande, der Großhandelsorganisation in Bayern, vorgelesen. Wir haben einmal nachgerechnet: wenn alle dem Großhandel angeschlossenen Firmen nach diesem Aufruf verfahren, bedeutet das, daß allein aus dieser Sparte 20 Millionen DM, sogar etwas mehr nach der Umsatzquote je 10 000 DM 80 Pf, für den kommenden Wahlkampf in den Kassen der Koalition zusammenkommen. Und Sie werden ja nicht behaupten, daß Sie nur eine Großhandelspartei sein wollen. Da gibt es ja auch noch einige andere Spender. Ich denke gar nicht an die aufgestockten Mittel aus dem Informationsfonds des Bundeskanzlers, sondern über den Großhandel hinaus gibt es ja auch noch andere finanzielle Blut-
' spender Ihrer Propaganda. Vielleicht kommt einmal Herr Pferdmenges hierhin oder in Erinnerung an das Jahr 1953 der Kollege Hoogen und erzählt irgend etwas über die Praxis dieser Finanzierung.
Sie wollen hier doch nicht etwa sagen, das politische Mäzenatentum sei — der Kollege Lindrath hat so etwas gesagt — auf dieselbe Ebene zu stellen wie Spenden für Kunst und Wissenschaft und Spenden für religiöse Zwecke. Das wollen Sie doch wirklich nicht aufrechterhalten. Es handelt sich doch hier um eine ganz andere Geschichte: Meinung zu formen mit solchen Mitteln oder für religiöse und wissenschaftliche Zwecke zu geben. Wer für politische Zwecke Geld gibt — das müssen Sie sich nun einmal sagen lassen —: das politische Mäzenatentum ist mit der Kunst höchstens in einer ganz speziellen Richtung zu vergleichen. Wenn nämlich ein Kunstmäzen Geld zahlt, um sich eine Künstlerin gefügig zu machen, dann haben wir normalerweise für einen solchen Vorgang einen ganz bestimmten Begriff.
Wir wissen doch, daß auch in der Politik Liebe gelegentlich käuflich ist.
In bezug auf die Industrie hat Kollege Elbrächter etwas gesagt, wozu ich noch ein Wort sagen möchte. Er hat gesagt, die Industrie habe nicht in toto Hitler unterstützt. Das hat auch niemand behauptet. Es kommt darauf an, daß wesentliche Kräfte und Mächte der Industrie der NSDAP damals große Mittel zur Verfügung gestellt haben. Sie wissen alle, wie es damals, vor 1933, um die NSDAP aussah. Sie brauchen bloß die Tagebücher von Goebbels zu lesen, wie er über die Ebbe in der Kasse klagte, wie dann die Reise Hitlers an die Ruhr stattfand und wie Goebbels in seinem Tagebuch aufatmete und feststellte, daß die Partei gerettet sei.
Mir ist völlig gleichgültig, ob das von der Industrie in toto kommt. Natürlich nicht! Aber Hitler ist damals von entscheidenden Mächten der Industrie finanziert worden.
Oder glauben Sie etwa, daß die Gewerkschaften oder die Sozialdemokratische Partei Hitler finanziert hätten, damit er nachher das gewerkschaftliche Vermögen ausplündern konnte?
Es muß doch aus irgendeiner Eecke gekommen sein, und wenn es auch nur die S c h w er industrie ist, meine Damen und Herren, — dieses Geständnis genügt uns vollständig.
— Was wollen Sie richtigstellen?
Ich habe die Zeit vor 1933 als Politiker mitgemacht und habe im Wahlkampf gestanden. Ich weiß ganz genau, wie sich die Dinge damals abgewickelt haben.
— Ich habe gar nichts dagegen einzuwenden, daß Sie hier Ihre Meinung sagen. Gestatten Sie aber auch mir, meine Meinung zu sagen.
Ich wehre mich dagegen, daß der Vorwurf in toto gegen „die" Industrie erhoben worden ist. Ich war damals Vorsitzender der Westfälischen Zentrumspartei und habe die drei schweren Wahlkämpfe vom Juli und November 1932 und vom März 1933 mitgemacht. Mein Freund, der frühere Reichskanzler Brüning, hat damals als lieber Gast in meinem Hause gewohnt. Wir sind jeden Abend hinausgefahren, um zu den Wählermassen zu sprechen, und haben unseren Kampf gegen Hitler erfolgreich geführt.
— Lassen Sie mich doch aussprechen! — Das Geld, das die Wahlen gekostet haben — das möchte ich hier im Interesse der Wahrheit feststellen —, stammte von den Fabrikanten und Unternehmern, die sich damals zur Zentrumspartei bekannt haben. Wir haben damals von diesen Unternehmern über den Handels- und Industriebeirat der Deutschen Zentrumspartei Hunderttausende und abermals Hunderttausende an Wahlgeldern bekommen. Deshalb wehre ich mich dagegen, und ich will in Würdigung der damaligen Ereignisse sagen, daß man den Vorwurf gegen die Industrie unter keinen Umständen in dieser Verallgemeinerung machen darf.
— Hören Sie doch ruhig zu! Das ist vorhin gesagt worden, und es ist nicht genügend widerrufen worden.
Im Interesse der Unternehmer, die damals unter
großen persönlichen Opfern den Wahlkampf gegen Hitler unterstützt haben, lege ich Wert darauf, daß sie von der — nicht nur hier, sondern auch sonst
— allgemein immer und immer wieder erhobenen Anschuldigung freigestellt werden, die Industrie in toto — ich spreche da im Anschluß an die Ausführungen von meinem Kollegen Elbrächter — habe die Herrschaft Hitlers herbeigeführt. Ich wiederhole, ich wehre mich ganz entschieden dagegen, daß die Vorwürfe in toto gegen die Industrie erhoben werden, mit den Geldern der Industrie habe Hitler die Macht errungen. Das sind ganz andere Gründe gewesen, meine Damen und Herren!
Herr Abgeordneter Dr. Miessner hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß die Debatte heute hier nicht hätte zu sein brauchen, wenn wir schon ein Parteiengesetz hätten. Die Parteien wirken gemäß Art. 21 des Grundgesetzes bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Sie müssen auch über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben. Das Nähere dazu ist durch ein Bundesgesetz zu regeln. Die Freie Demokratische Partei bedauert, daß es immer noch nicht zu einem solchen Parteiengesetz gekommen ist. Wir wissen, daß Entwürfe dazu seit sechs Jahren dem Innenministerium vorliegen, und wir fordern den Herrn Bundesinnenminister hierdurch auf, das Parteiengesetz jetzt endlich dem Hohen Hause zur Beratung und Verabschiedung vorzulegen.
Heute handelt es sich um eine rein steuerliche Bestimmung, die diese Debatte ausgelöst hat. Da allerdings meinen wir, daß es auf jeden Fall besser ist, in steuerlicher Hinsicht die Dinge klar und offen zu regeln, als sie — wie vor Bestehen dieser Bestimmung — im allgemeinen Dunkel zu lassen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Antrag lautet auf Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. Wer dieser Überweisung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Punkt 4 der Tagesordnung:
a) Zweite Beratung des von den Fraktionen des GB/BHE und der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes ;
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes .
Zunächst behandeln wir den Initiativgesetzentwurf des GB/BHE und der DP, Drucksache 8027. Eine Ausschußüberweisung hatte nicht stattgefunden.
Ich rufe Art. 1 auf. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wir stimmen ab. Wer dem Art. 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Art. 1 ist abgelehnt.
Art. 2. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort O wird nicht gewünscht. Wer dem Art. 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Art. 2 ist abgelehnt.
Ich setze die Zustimmung des Hauses voraus, wenn ich zusammen aufrufe Art. 3, — 4, — Einleitung und Überschrift. — Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit; abgelehnt.
Damit ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Lesung in allen Einzelteilen abgelehnt.
Ich rufe auf den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD Drucksache 3097. Art. 1. Auch hier war eine Überweisung an einen Ausschuß nicht erfolgt.
Herr Abgeordneter Rasner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/ CSU beantrage ich, die Ziffer 1 in Art. 1 ersatzlos zu streichen*).
Das ist ein Änderungsantrag: die Ziffer 1 des Art. 1 soll ersatzlos gestrichen werden. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Herr Abgeordneter Rasner!
*) Umdruck 959.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem dieser Antrag angenommen ist, beantrage ich, das Gesetz in der jetzt vorliegenden Fassung dem Wahlrechtsausschuß — federführend — sowie zur Mitberatung an den Außenpolitischen Ausschuß und den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zu überweisen.
Einen Augenblick! Zunächst stimmen wir über den Art. 1 Ziffer 2 ab. Wird dem Art. 1 Ziffer 2 zugestimmt?
— Bitte sehr, zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach meiner Meinung geht der Antrag auf Ausschußüberweisung jedem anderen Antrag vor. Ich berufe mich außerdem auf eine Vereinbarung im Ältestenrat. Ich bitte infolgedessen, jetzt zunächst über den Antrag auf Ausschußüberweisung abzustimmen und nicht in der Einzelabstimmung fortzufahren.
Meine Damen und Herren, ich schlage vor, daß wir uns auf folgendes einigen. In der Tat kann nach § 82 der Geschäftsordnung, solange nicht die letzte Einzelabstimmung erledigt ist, die ganze oder teilweise Zurückverweisung an einen Ausschuß erfolgen. Ich nehme an, Herr Abgeordneter Rasner, daß Sie sich
auf diesen Paragraphen beziehen wollen.
Ich glaube, daß sich das Haus hierauf einigen und insofern dem Antrag des Abgeordneten Rasner zustimmen kann: Überweisung an die Ausschüsse.
Wer der beantragten Überweisung zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist angenommen. Dieser Gesetzentwurf ist mit der bei Art. 1 Ziffer 1 angenommenen Änderung an den Ausschuß überwiesen.
Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftskasse ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (Drucksache 3098).
Das Wort hat der Berichterstatter Abgeordneter Dewald.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe dem Ausschußbericht*), der Ihnen vorliegt, materiell nichts hinzuzufügen. Die besonderen wirtschaftlichen Bindungen des Saarlandes machen es aber notwendig, daß auch hier die Negativklausel eingefügt wird. Ich beantrage deshalb im Namen des Ausschusses, daß ein Art. IV mit folgendem Wortlaut eingefügt wird:
*) Siehe Anlage 8. Art. IV
Geltung im Saarland
Dieses Gesetz gilt bis auf weiteres nicht im Saarland.
Der bisher als Art. IV bezeichnete Artikel erhält die Ziffer V. Ich bitte, dem Gesetzentwurf mit diesen beiden Änderungen zuzustimmen.
Es handelt sich um einen Änderungsantrag des Ausschusses; er hat ihn nicht schriftlich vorgelegt, aber das kann nachgeholt werden*).
Meine Damen und Herren, es ist also nach dem Ausschußantrag wie folgt zu ergänzen:
Nach Art. III wird folgender Art. IV eingefügt:
Art. IV
Geltung im Saarland
Dieses Gesetz gilt his auf weiteres nicht im Saarland.
Der bisherige Art. IV wird Art. V.
Ich rufe die Artikel I, — II, — III auf. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Artikeln I bis III zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Angenommen.
Nun liegt . der Antrag ,des Ausschusses auf Einfügung eines Artikels IV — „Das Gesetz gilt bis auf weiteres nicht im Saarland" — vor. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Artikel IV wird Artikel V. Wer dem Artikel V und der Einleitung und Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache! Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über ,die Deutsche Genossenschaftskasse in der durch die Annahme des Änderungsantrags des Ausschusses in der zweiten Lesung geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" und zur Übertragung von Vermögenswerten des ehemaligen Landes Preußen auf die Stiftung ;
Schriftlicher Bericht**) des Ausschusses für Kulturpolitik (Drucksache 3104).
Die Frau Berichterstatterin, Frau Dr. Maxsein, verzichtet. Auch das Haus verzichtet auf mündliche Berichterstattung.
Ich rufe in der zweiten Lesung auf die §§ 1, —2, — 3, — 4, — 5, — 6, — 7, — 8, — 9 entfällt,
*) Umdruck 957. **) Siehe Anlage 9.
— 10, -- 11, -- 12, — 13, — 14, — 15, — 16, — 7, — 18, — 19, — 20, — 21, — 22, — 23, — 24,
— 25, — 26, — 27, — ,die Einleitung und die Überschrift. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und ,der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache! Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" und zur Übertragung von Vermögenswerten des ehemaligen Landes Preußen auf die Stiftung in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme angenommen.
Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung von Zuzugsbeschränkungen im Land Baden-Württemberg ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (Drucksache 3094).
Als Berichterstatterin hat das Wort Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Frau Dr. Ilk , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat in der 114. Sitzung vom 10. Januar 1957 diese Gesetzesvorlage beraten, die Besatzungsrecht aufhebt und die in Art. 11 Abs. 1 des Grundgesetzes garantierte Freizügigkeit im ganzen Gebiet des Landes Baden-Württemberg einschließlich der Gebiete der ehemaligen französischen Besatzungszone wieder einführen soll. Der Ausschuß empfiehlt dem Hohen Hause, die Gesetzesvorlage unverändert anzunehmen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich rufe auf die §§ 1, — 2, — die Einleitung und die Überschrift. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird ,nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung von Zuzugsbeschränkungen im Lande Baden-Württemberg zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Einstimmig angenommen.
Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FVP, DP .eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Flüchtlings-Notleistungsgesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (Drucksachen 3095, zu 3095 — Umdruck 946.)
Berichterstatter: Abgeordneter Engell.
Auf mündliche Berichterstattung wird verzichtet; es wird auf den Schriftlichen Bericht*) verwiesen.
Ich rufe in der zweiten Lesung den Artikel 1 auf. Hier liegt kein Änderungsantrag vor. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Artikel 1 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Der Art. 2 soll nach dem Ausschußantrag entfallen. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Art. 3. Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Angenommen.
Es liegt der Änderungsantrag Umdruck 946**) der Abgeordneten Maier , Dr. Kihn, Frau Dr. Ilk und Genossen vor. Danach soll als Art. 3a eingefügt werden: „Dieses Gesetz gilt nicht im Saarland". Kann auf Begründung dieses Änderungsantrags verzichtet werden? — Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 946 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Verzeihen Sie, meine Damen und Herren, ich habe nicht den Eindruck, daß restlose Klarheit besteht. Der Antrag lautet dahin, daß das Gesetz nicht im Saarland gelten soll. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag auf Einfügung eines Art. 3a ist angenommen.
Art. 4, — Einleitung und Überschrift! Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht ,gewünscht. Wer dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Flüchtlings-Notleistungsgesetzes mit der in ,der zweiten Lesung angenommenen Erweiterung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Punkt 9 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes ;
Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung . (Erste Beratung: 52. Sitzung, zweite Beratung: 191. Sitzung.)
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das +ist nicht der Fall.
*) Siehe Anlage 10. **) Siehe Anlage 11.
Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 954*) vor. Ich nehme an, daß er inzwischen verteilt ist.
— Liegt noch nicht vor.
Ich rufe § 67 auf; das ist Art. I Nr. 56. Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wird er erneut begründet? — Herr Abgeordneter Metzger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Änderungsantrag, der jetzt vorgelegt wird, hat, abgesehen von kleinen Modifikationen, denselben Inhalt wie der Antrag, den wir zu § 67 in der zweiten Lesung vorgelegt haben. Mit dem Antrag wird versucht, dem Staate zu geben, was des Staates ist, aber zu gleicher Zeit all den Wünschen, die aus den verschiedenen Gruppen und Kreisen unseres Volkes kommen, so weit wie irgend möglich Rechnung zu tragen.
Der Antrag hat also einen versöhnlichen Charakter; wir möchten vermeiden, daß wir in eine Kulturkampfstimmung kommen; wir möchten damit erreichen, daß das gesetzlich festgelegt wird, was von dem ganzen Hause gebilligt wird. Es soll die Garantie dafür geschaffen werden, daß das, was man von Staats wegen .will, auch vom Staat durchgeführt werden kann.
Wir sind uns in der zweiten Lesung darüber einig gewesen — der Herr Bundesinnenminister hat das noch einmal betont —, daß die obligatorische Zivilehe völlig unantastbar bleiben soll. Der Herr Bundesinnenminister hat ein Bekenntnis zu dieser obligatorischen Zivilehe abgelegt, ohne allerdings die rechtlichen und gesetzgeberischen Konsequenzen daraus zu ziehen. Frau Dr. Schwarzhaupt hat namens der CDU-Fraktion noch einmal versichert, daß die katholische Kirche ihre Bereitschaft zur Wahrung der Ordnung der obligatorischen Zivilehe und des zeitlichen Vorrangs der standesamtlichen Eheschließung vor der kirchlichen Eheschließung erklärt habe. Wir haben also in dieser Frage, in Erklärungen jedenfalls, eine gemeinsame Stellung bezogen. Trotzdem hat die CDU die Streichung des § 67 beantragt und in der zweiten Lesung durchgesetzt.
— Ich glaube, das ist eine Tatsache; die kann man nicht bestreiten.
Wir dürfen dabei nicht übersehen, daß mit der Streichung des § 67 nicht nur die Strafbestimmung gestrichen worden ist — dazu werde ich noch etwas zu sagen haben —, sondern daß man zu gleicher Zeit die grundlegende Bestimmung, die das besagt, was die CDU nach ihrer Erklärung selbst auch will, gestrichen hat.
Herr D r. K o p f meinte in seinen Ausführungen, der Vorrang der staatlichen Eheschließung vor der kirchlichen Trauung habe lediglich den Sinn, eine zeitliche Reihenfolge der beiden Akte festzusetzen. Es handle sich deswegen nur um die Verletzung einer Ordnungsvorschrift, die keine Bestrafung rechtfertige; zur Bestrafung, wie gesagt, komme ich noch. Es ist kein Zweifel, daß in dem
') Siehe Anlage 12. § 67 nur die zeitliche Reihenfolge festgelegt war, und es ist kein Zweifel, daß sich das seinem Wesensgehalt nach als eine Vorschrift dargestellt hat — die, wie gesagt, gestrichen worden ist —, die lediglich eine Ordnung des staatlichen Zusammenlebens geschaffen hat.
Aber wir müssen uns doch auch fragen, was diese Ordnung bezweckt. Es kommt bei dieser Ordnung doch darauf an, daß die obligatorische Zivilehe, die — ich wiederhole es — von allen bejaht wird, in ihrem Bestand gesichert wird. Sie will verhindern, daß dadurch, daß zunächst kirchlich getraut wird oder vielleicht überhaupt nur kirchlich getraut wird, die standesamtliche Trauung unterbleibt und damit die obligatorische Zivilehe in ihrem Wesen verneint und unmöglich gemacht wird.
Mit diesem geordneten Verfahren wird etwas sehr Bedeutsames bezweckt. Die obligatorische Zivilehe mit ihrem Toleranz- und Friedensgedanken soll gesichert werden. Ich lege Wert darauf, daß mit bedacht wird, daß darin ein Toleranz- und ein Friedensgedanke steckt. Es kommt uns darauf an, daß dieser Friedensgedanke verwirklicht und gesichert wird.
Wir wollen doch einmal sehen, was weite Kreise des deutschen Volkes, etwa die evangelische Kirche, zur Frage der obligatorischen Zivilehe sagen. Es wird immer so getan, als wenn auf die katholischen Mitglieder unseres Volkes da unter Umständen Gewissenszwang ausgeübt werden könnte, weil man zuerst die standesamtliche Trauung verlangt. Es kann aber gar keine Rede von Gewissenszwang sein. Wir müssen doch auch einmal auf die Gewissensbedenken des anderen Volksteils hören. Es wäre gut, wenn gerade die Mitglieder der CDU, auch die evangelischen Mitglieder der CDU, Kenntnis davon nähmen, was denn die evangelische Kirche zu diesem Punkte zu sagen hat. Ich bedauere es, daß in einem solchen Augenblick so wenige da sind, um das einmal zur Kenntnis zu nehmen.
Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, also für Gesamtdeutschland — sie ist das oberste Organ der evangelischen Kirche — hat auf ihrer Tagung in Berlin-Spandau im Jahre 1954 folgende Entschließung gefaßt:
Die Synode befürchtet, daß die Einführung der fakultativen Zivilehe zu Gewissenszwang führt, die Rechtseinheit beeinträchtigt und Rechtsverwirrung stiftet, was um des Zusammenlebens der Menschen in unserem Volke willen vermieden werden muß.
Sie haben also auch hier wieder den Friedensgedanken. Die evangelische Kirche sagt: Uns kann es nicht einerlei sein, wie das Zusammenleben der Menschen in unserem Volke ist, und deswegen weist sie auf drei sehr schwerwiegende und gar nicht ernst genug zu nehmende Punkte hin, nämlich daß Gewissenszwang ausgeübt werden kann —wenn wir von der jetzigen Regelung abkommen —, daß die Rechtseinheit beeinträchtigt und daß Rechtsverwirrung gestiftet werden könnte.
Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einmal vorlesen, was der Vorsitzende des Ausschusses „Familie", der diese Entschließung vorbereitet hat, dann, als er die Entschließung dem Plenum der Synode vorlegte, dazu ausgeführt hat. Ich glaube, es ist wichtig, auch das einmal zur Kenntnis zu nehmen. Ich will Ihnen das nur im
Auszug bringen; es wäre aus dem Protokoll der Synode, das sehr dick ist, noch sehr vieles zu zitieren. Der Vorsitzende dieses Ausschusses „Familie", Herr Professor Reiser — ein Jurist, kein Theologe —, führt u. a. aus:
Im letzten Satz haben wir eingefügt,
— das ist der Satz, den ich vorgelesen habe —
daß wir von der Einführung der fakultativen Zivilehe — —
— Von was die Rede ist, darf im Augenblick ich bestimmen. Ich spreche zur Frage der obligatorischen Zivilehe, und das ist das Thema, Frau Kollegin!
Im letzten Satz haben wir eingefügt, daß wir von der Einführung der fakultativen Zivilehe nicht nur einen Schaden für die Rechtseinheit, sondern einfach Rechtsverwirrung befürchten. Man könnte fragen: Ist es überhaupt Sache der Evangelischen Kirche und ist es Sache der Synode, das Anliegen der Rechtseinheit zu dem ihren zu machen? Könnte man nicht sagen: Das braucht uns nicht zu beschäftigen, das mag der weltliche Gesetzgeber als sein Anliegen betrachten? Aber ich möchte doch meinen, daß es hier um mehr geht als um das ästhetische Bedürfnis, daß nicht verschiedenes Recht, sondern daß e i n Recht unter uns herrsche. Ich glaube, daß wir gerade in diesem Punkt uns in einer sehr charakteristischen Weise vom Standpunkt etwa der Katholischen Kirche unterscheiden. Die Katholische Kirche, die auch hier ihr kanonisches Eherecht zur Grundlage ihrer Überlegungen macht, ist geradezu genötigt, hier zu sagen: Uns interessieren überhaupt nur die Sakramentsehen und die katholischen Christen, die in diesen Sakramentsehen leben; was mit allen anderen Ehen in unserem Volke geschieht, darum brauchen wir uns keine Gedanken zu machen. Das ist sehr kraß gesagt, aber ist jedenfalls die praktische Konsequenz des katholischen Standpunktes. Wir dürfen so nicht sprechen, da wir, wie auf der ersten Seite gesagt ist, nach unserem Verständnis der Heiligen Schrift einen Wesensunterschied zwischen Ehen von Getauften und Nichtgetauften, von Christen und Nichtchristen nicht anzuerkennen vermögen.
So dürfen wir uns auch nicht auf den Standpunkt stellen: Uns interessieren nur die Ehen von evangelischen Christen; welches Recht für die anderen gilt, braucht uns nicht zu beschäftigen. Ich glaube, daß wir wirklich hier die Verantwortung, die ja auch die Evangelische Kirche in diesem Punkt für die Gestaltung des Rechts hat, weiter spannen müssen und daß wir uns aus diesem Grunde auch als Evangelische Kirche dafür einsetzen sollten,
daß in diesem Punkte keine Rechtszersplitterung eintritt, sondern die Rechtseinheit gewahrt wird.
Wenn die sehr verehrte Frau Kollegin Weber, der ich in diesem Bundestag in vielen Dingen auch schon habe zustimmen können, der Meinung ist, daß uns das nicht interessiert,
so beweist sie doch im Grunde genommen, daß sie das nicht interessiert, was ein großer Teil des deutschen Volkes, vertreten durch die Evangelische Kirche, zu diesem Punkt gesagt hat.
Ich glaube, es ist notwendig, daß der Bundestag einmal davon Kenntnis nimmt, welche Sorgen in weiten Kreisen unseres Volkes in dieser Frage bestehen. Diese Sorgen zwingen dazu, in dem Sinne wie zitiert Stellung zu nehmen und darum zu kämpfen, daß nicht eine Rechtszersplitterung eintritt, sondern daß die Rechtseinheit geschaffen wird, daß auch um derentwillen, die anderer Auffassung sind als die Katholische Kirche, ein Recht geschaffen wird, das auch von ihnen akzeptiert wird, daß also der Gedanke der Toleranz und der Gedanke des Friedens in unserem Volke dabei wirklich zum Ziele kommen.
— Was steht nicht zur Diskussion?
— Ich werde Ihnen gleich sagen, warum sie zur Diskussion steht. Diese Frage steht deswegen zur Diskussion — Herr Kollege Müller, das wissen Sie ganz genau —, weil man in diesem Bundestag bereit ist, die Bestimmung zu streichen, die die obligatorische Zivilehe bejaht und sichert.
Deshalb ist es, glaube ich, notwendig, daß dieser Bundestag sich einmal Gedanken macht über das Gewicht dieser Institution und über das Gewicht, das die Bestimmungen, die damit zusammenhängen, dadurch bekommen.
Ich will Ihnen zeigen, daß es nicht so ist, wie Herr Kollege Kopf meint, daß es eine einfache Ordnungsvorschrift ist, wie diejenige, daß man Eis verkaufen oder nicht verkaufen darf, sondern es ist eine Ordnungsvorschrift, die an die Lebensfragen unseres Volkes geht. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Da geht es nicht, einfach mit einer Handbewegung zu sagen: Das interessiert uns nicht, und das hat mit dieser Sache nichts zu tun.
Wenn man das sieht, was hier an Sorgen vorgetragen wird, kann man nicht so leicht wie Herr Kollege Dr. Kopf sagen, daß die vorzeitige Vornahme der kirchlichen Trauung lediglich die Reihenfolge der beiden Akte störe. Damit wird doch gesagt, daß es im Grunde genommen eine reine Ordnungsfrage ist, ob es so oder so behan-
delt wird, und daß es im Grunde genommen nicht so wichtig ist. Aus diesen Äußerungen können Sie ersehen, daß man die Frage nicht so ernst nimmt, wie sie eigentlich genommen werden müßte.
Frau Kollegin Schwarzhaupt hat den Standpunkt vertreten, daß ein Strafgesetz jetzt nicht mehr am Platze sei, weil diese Ordnung im deutschen Volk von selbst wirksam geworden sei. Dabei hat sie ausgeführt, daß die hisherige Reihenfolge von kirchlicher und standesamtlicher Trauung auch ohne Strafvorschrift gesichert sei. Ich will dabei unterstellen, daß bei Frau Kollegin Schwarzhaupt hier nur ein lapsus linguae vorliegt, wenn sie von „kirchlicher und standesamtlicher Trauung" spricht. Denn die Reihenfolge ist: standesamtliche und kirchliche Trauung. Aber immerhin ist das vielleicht ganz bezeichnend dafür, daß man darin nicht so genau denkt.
Frau Kollegin Schwarzhaupt meinte, die Ordnung, die sich auf die Reihenfolge der Trauung bezieht, sei auf Grund ihrer Vernünftigkeit und Rechtlichkeit überzeugend und zwingend; deswegen brauche man sie nicht mehr gesetzlich festzulegen, und deswegen brauche man keine Sanktionen mehr.
Wir haben dazu Stellung zu nehmen, ob diese Ordnung im gesamten deutschen Volk so überzeugend und zwingend ist, daß sie ohne weiteres von allen akzeptiert wird. Daß sie von dem größten Teil des deutschen Volkes einschließlich der katholischen Mitbürger akzeptiert wird, darüber gibt es keinen Zweifel. Es ist bei allen Ordnungsvorschriften, bei allen Geboten und Verboten so, daß der größte Teil der Bevölkerung sie akzeptiert. Wenn man trotzdem Sanktionen einführt, dann deswegen, weil es immer eine kleine Schar gibt, die sie nicht akzeptiert. Diese kleine Schar ist vorhanden; das ergibt sich eindeutig aus dem, was in der zweiten Lesung gesagt worden ist.
Zunächst einmal ist auf die Tatsache hinzuweisen, daß diese Ordnungsvorschrift in den letzten Monaten und Jahren in mindestens acht Fällen verletzt worden ist. Man kann natürlich sagen: Das bezieht sich auf die Onkelehen; diese Frage ist durch die Erklärung des Vatikans erledigt, und deswegen scheidet diese Frage aus. Frau Kollegin Weber hat beim letzten Mal den Zwischenruf gemacht, das seien ja nur wenige Fälle. Es werden in der Regel nur wenige Fälle sein, durch die gegen eine staatliche Anordnung verstoßen wird. Aber wegen dieser wenigen Fälle muß es Sanktionen geben. Die Tatsache, daß man gegen diese Anordnung verstoßen hat, beweist, daß die Anordnung keineswegs so zwingend und so überzeugend verwurzelt ist, daß sie keineswegs von jedem akzeptiert wird.
Hinzu kommt, daß in der Strafverhandlung gegen den Pfarrer Neun der Verteidiger Ausführungen gemacht hat, die eindeutig beweisen, daß von einer „zwingenden" Ordnung nicht die Rede sein kann. Der Verteidiger des Herrn Pfarrers Neun hat sehr deutlich erklärt, daß er sogar der Meinung ist, diese Ordnung sei verfassungswidrig. Auch Herr Kollege Kopf hat diese Frage angeschnitten. Er ist allerdings als redlicher und gewissenhafter Jurist etwas vorsichtiger gewesen. Er hat die Frage aufgeworfen, ob nicht ein Verstoß gegen die Verfassung, gegen den Artikel 4 Absatz 2 des Grundgesetzes vorliegen könne. Er hat nicht die Behauptung aufgestellt, aber Herr Professor Bosch, der Verteidiger von Herrn Pfarrer Neun und Herausgeber einer bekannten Rechtszeitschrift über die Familie, hat die Behauptung aufgestellt, mit sehr aggressiven Worten, mit Worten so aggressiv, daß auch die Koalition und die Regierung, wenn sie diese Rede einmal nachlesen, nicht ihre reine Freude darüber haben werden. Hier ist doch die Frage einfach die: Wollen wir Deutsche denn immer ins Extrem fallen? Einmal huldigen wir dem totalitären System, und dann vertreten wir einen Standpunkt, der beinahe an die Anarchie grenzt. Wenn Herr Professor Bosch z. B. in seinem Plädoyer erklärt hat, der Staat sei keinesfalls mehr die Ordnung des Lebens, so hat er damit doch wirklich die Grenze der Anarchie gestreift, und Sie können daraus ersehen, was alles gefällig ist, sogar von Leuten, die beruflich das Recht zu vertreten haben. Ich meine, auch das sollte uns doch zu denken geben; das sollte uns zeigen, daß wir längst nicht so weit sind, gewisse Ordnungen einfach als selbstverständlich hinnehmen und ihre Verletzung ohne Sanktionen lassen zu können.
Es ist natürlich gar kein Zweifel, daß diese Vorschrift, diese Ordnung nicht gegen Artikel 4 des Grundgesetzes verstößt. Dort ist die ungestörte Religionsausübung gewährleistet. Wie kann man sagen, daß deswegen, weil zuerst die standesamtliche Trauung vorgenommen werden muß, die Religionsausübung in irgendeiner Weise gestört sei! Das kann doch im Ernst niemand sagen. Aber wenn man es sagt, beweist man eben, wie wenig man diese Ordnung akzeptiert hat, wie sehr man gegen diese Ordnung steht und wie sehr man bereit ist, sie unter Umständen auch zu Fall zu bringen da, wo es taktisch oder sonst irgendwie möglich ist.
Wenn also schon ein so bedeutender Vertreter einer gewissen Richtung des Katholizismus diese Ordnungsvorschrift für verfassungswidrig erklärt oder, so wie Herr Kollege Kopf, die Frage aufwirft, ob sie nicht verfassungswidrig sein könnte, dann kann man nicht, wie Frau Schwarzhaupt es getan hat, behaupten, es handle sich um eine Ordnung, die aus sich heraus auf Grund ihrer Vernünftigkeit und Rechtlichkeit überzeugend und zwingend wirke, und deshalb sei auch eine Sanktion heute nicht mehr nötig.
Wir alle sind uns doch völlig darüber im klaren, daß der Staat das Recht und die Pflicht hat, Ehevoraussetzungen und Ehehindernisse zu schaffen. Herr Kollege Arndt hat in der zweiten Lesung mit Recht darauf hingewiesen, daß dieser Bundestag, daß Sie selber ja ein Ehehindernis geschaffen haben, etwa bei den Grenzpolizeibeamten; es muß eine gewisse Voraussetzung erfüllt sein, bevor der betreffende Beamte getraut werden kann, also auch kirchlich getraut werden kann. Damit geben Sie selber zu, daß von einer Verletzung der ungestörten Religiosausübung gar nicht die Rede sein kann.
Herr Kollege Kopf hat mit Recht darauf hingewiesen, daß es die andere Bestimmung gibt, nach der jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbständig, aber innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes ordnen und verwalten kann. Das sind eben die Schranken, die der Staat aufstellen muß, wenn er eine Ordnung in einem Volke, das religiös und weltanschaulich gespalten ist, gerade in diesen Fragen herbeiführen will.
Schließlich hat Frau Dr. Schwarzhaupt selber — sie hat gar nicht gemerkt, wie sie sich mit sich selber in Widerspruch gesetzt hat — erklärt, es gebe innerhalb des Katholizismus Stimmen, die „für die Zukunft" — wie sie so schön sagte — eine fakultative kirchliche Eheschließung einführen wollten. Wer schon darauf aus ist, demnächst, in der Zukunft, sobald die Gelegenheit günstig ist, die fakultative Ehe einzuführen — ich unterstelle, daß das nur ein kleiner Teil innerhalb der katholischen Kirche ist und daß das, was vom Vatikan in dieser Beziehung gesagt worden ist, ernst gemeint ist; ich habe keine Veranlassung, daran zu zweifeln —,
der beweist doch damit, Frau Kollegin Weber — selbst wenn es nur eine kleine Schicht ist, die auf die Gelegenheit wartet, die obligatorische Zivilehe abzuschaffen —, wie richtig es ist, hier eine klare gesetzliche Regelung zu treffen. Dann aber kann Frau Kollegin Schwarzhaupt nicht im gleichen Atemzuge behaupten, diese Ordnung sei so überzeugend und so in das Denken und Wollen unseres Volkes eingegangen und so zwingend, daß man eine gesetzliche Regelung überhaupt nicht mehr nötig habe.
Wir haben hier also nicht nur eine Ordnung, die von selbst wirksam ist, zu verteidigen, die auf Grund ihrer Rechtlichkeit von selbst wirkt, sondern wir haben durchaus Veranlassung, .dafür einzutreten, daß die Ordnung, die der Staat will, die dieser Bundestag, die alle Abgeordneten des Bundestages erklärtermaßen wollen, auch gesetzlich festgelegt wird.
Die andere Frage ist nun, wie eine solche Ordnung gesichert werden soll. Wenn der Staat Verbote und Gebote erläßt, dann geht er davon aus, daß man dafür auch eine Sanktion geben muß. Wenn diese Sanktion nicht gegeben ist, spricht der Jurist von einer lex imperfecta, und er bringt damit zum Ausdruck, daß ein solches Gesetz unvollkommen ist. Wir haben nur wenige Fälle solcher unvollkommenen Gesetze, solcher Gesetze, .die keine Sanktion haben, wenn Gebote rund Verbote vom Staat gegeben werden.
Wir haben uns überlegt, wie man dem Friedensgedanken in dieser Frage weithin Rechnung tragen kann. Wir haben das abgelehnt, was selbst die Bundesregierung im Laufe der ganzen Gesetzgebungsarbeit schon akzeptiert hatte, nämlich den Verstoß gegen die Ordnung, daß zunächst standesamtlich getraut werden muß, mit einer Geldstrafe bis zu 500 DM zu belegen. Wir haben also diese viel weitergehende Konzeption und Akzeptation der Bundesregierung gar nicht einmal in unsern Antrag aufgenommen, sondern sind davon ,ausgegangen, daß wir den Frieden in unserem Volke und deshalb die Ordnung mit den wenigst scharfen Mitteln gewährleistet haben wollen.
Deswegen sind wir in unserm Antrag davon ausgegangen, daß die Nichtbefolgung der Anordnung, daß zunächst standesamtlich und dann erst kirchlich zu trauen ist, nichts anderes als einen Verstoß gegen eine Ordnungsvorschrift darstellt, der nicht mit Strafe belegt, sondern nach unserm Gesetz nur mit
Geldbuße geahndet wird. Wir sind der Meinung, daß das als Sanktion für die Verletzung einer solchen Vorschrift, die geschrieben dastehen muß, ausreichen wird, daß damit dafür gesorgt ist, daß eine solche Vorschrift von denen — von den wenigen, wie ich annehme —, die nicht willens sind, sie zu akzeptieren, tauch wirklich befolgt wird.
Ich glaube, das ist eine Forderung, die nicht mehr als recht und billig ist. Es kann weiß Gott niemand behaupten, daß wir damit übermäßige Forderungen stellen, daß wir damit irgendeinem Kulturkampfgedanken nachhängen. Wir denken gar nicht daran. Wir sind ganz im Gegenteil der Meinung — das entspricht unserer Einstellung —, daß die freie Religionsausübung gewährleistet sein muß. Wenn ein Staatsbürger der Bundesrepublik glaubt, daß er seine Ehe sakramental schließen muß, dann soll und muß er die Freiheit dazu haben, und wenn irgend jemand in Deutschland diese Freiheit nicht zugestehen wollte, dann hätte derjenige, der die Ehe sakramental schließen möchte, in der Sozialdemokratischen Partei seine beste Verfechterin.
Wir sind der Meinung, daß der Staatsbürger nach seinem Gewissen, nach seiner religiösen Überzeugung handeln darf und handeln soll. Es geht gar nicht um die Frage, ob man die sakramentale Ehe bejaht oder nicht bejaht, wie das in der Diskussion oft behauptet warden ist. Die sakramentale Ehe wird bejaht. Es geht nur darum, daß eine Ordnung geschaffen wird, in der gewährleistet ist, daß alle deutschen Staatsbürger die gleiche staatliche Eheschließung vornehmen, die die Sicherheit dafür gibt, daß die Rechtseinheit in unserem Volke gewahrt ist.
Es ist davon die Rede gewesen — Herr Kollege Kopf hat es gesagt —, daß es sich bei dieser Ordnungsvorschrift um ein Relikt aus dem Staatskirchentum handle. Auch da kann ich den Widerspruch in seinen Ausführungen nicht übersehen. Auf der einen Seite bejaht man die Ordnung. Auf der anderen Seite sagt man: Wenn sie festgelegt wird, dann stellt das ein Relikt aus dem Staatskirchentum dar. Davon kann überhaupt nicht die Rede sein.
Es ist auch nicht so, wie Frau Kollegin Schwarzhaupt behauptet hat; sie hat wörtlich gesagt:
Schließlich ist es für den Katholiken schwer tragbar, daß der Staat eine geistliche Handlung eines katholischen Pfarrers, ein Sakrament, überhaupt unter Strafe stellt.
Zunächst einmal hat Herr Kollege Kopf von der katholischen Theologie aus ganz richtig interpretiert, daß nicht der Pfarrer das Sakrament spendet, sondern daß sich die beiden Eheschließenden das Sakrament spenden. Also kann man von einer Sakramentsvornahme, die beim Pfarrer bestraft wird, nicht sprechen. Aber darum geht es überhaupt nicht, sondern es geht doch darum, daß derjenige, der sich nicht an diese Ordnung hält, weil er sich weigert, zunächst einmal die staatliche Eheschließung vornehmen zu lassen, wegen dieser Verletzung der Ordnung im Wege des Bußverfahrens — da es sich nach unserer Meinung um eine Ordnungsvorschrift handeln soll — belangt werden soll. Es heißt doch einfach die Grundlagen verschieben, wenn man so tut, als ob jemand dafür bestraft wird, daß er ein Sakrament spendet oder eine kirchliche Handlung vornimmt.
Dafür wird er eben nicht bestraft. Ich muß auch gegenüber der Legendenbildung und gegenüber böswilligen Behauptungen, die draußen schon wieder in vielen Blättern verbreitet werden,
ganz eindeutig sagen: Nicht die kirchliche Handlung soll bestraft werden, sondern die Tatsache, daß man ein staatliches Gesetz mißachtet, das vorschreibt, zunächst die standesamtliche Eheschließung vorzunehmen. Die Nichtbeachtung dieser Vorschrift soll entsprechend der Art, wie .das nach dem Ordnungsverfahren vor sich geht, geahndet werden.
Wir haben dann noch die weitere Bestimmung vorgesehen, daß der Geistliche, der eine kirchliche Trauung vorgenommen hat, ohne die standesamtliche Eheschließung abgewartet zu haben, verpflichtet ist, diese Trauung bei der zuständigen Behörde anzuzeigen, und daß er auch dann, wenn er diese Anzeige nicht erstattet, eine Ordnungswidrigkeit begeht, also ebenso in ein Geldbußverfahren genommen werden kann. Ich glaube, auch das sollte selbstverständlich sein. Wenn man Ordnung im Staate will und wenn man das will, was Sie selber zu wollen behauptet haben, dann muß man zumindest diese Bestimmung akzeptieren. Stellen Sie sich vor, daß kirchliche Trauungen ohne standesamtliche Eheschließung vorgenommen würden und daß nicht einmal erforderlich wäre, die Anzeige zu erstatten. Dann würden unter der Decke auf einmal eine ganze Reihe von Ehen da sein, die keine gesetzlichen Ehen sind. Unter Umständen würden Menschen sogar der Meinung sein, es seien Ehen im Rechtssinne; sie würden sich täuschen und erst nachher die großen Enttäuschungen erleben.
I) Wenn wir überhaupt noch einen Funken Verständnis für Ordnung und die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens aufbringen, müssen wir um dieser Ordnung, um der Klarheit und der Sauberkeit willen zum allermindesten dafür sorgen, daß dann, wenn eine solche kirchliche Trauung ohne vorherige standesamtliche Eheschließung vorgenommen wird — es gibt ja Fälle, in denen das rechtlich möglich ist; wir selbst haben sie in unserem § 67 mit vorgesehen, nämlich im Fall des sittlichen Notstandes oder für den Fall, daß unmittelbare Gefahr ist, einer der Eheschließenden könne sterben —, die Verpflichtung besteht, eine solche Anzeige zu erstatten. Wir müssen dafür sorgen, daß die Nichtbefolgung einer solchen Bestimmung auch einer Sanktion unterstellt wird, einer so zivilen Sanktion, wie sich das aus dem Ordnungsverfahren ergibt, nämlich einer Geldbuße. Ich glaube, auch da haben wir gezeigt, daß wir das Mögliche tun, um auf der einen Seite die staatliche Ordnung aufrechtzuerhalten und dafür zu sorgen, daß der Staat in seinen Ordnungsfunktionen leben kann, und daß auf der anderen Seite diese Dinge so behutsam wie möglich angefaßt werden. Niemand kann uns vorwerfen, daß wir uns hier nicht bemüht hätten, so behutsam wie möglich zu sein.
Ich darf noch etwas hinzufügen. Wir haben uns darüber hinaus sogar bemüht, mit der CDU zu einer Verständigung zu kommen und gemeinsam im staatspolitischen Interesse etwas zu erreichen, was uns vom Standpunkt des Staates aus tragbar erscheint. Außer zu einer Unterredung von einigen Minuten ist es leider nicht zu einer weiteren Besprechung gekommen.
Wir bedauern das. Wir haben den guten Willen gehabt, in dieser Frage zu einer Verständigung und womöglich zu einer einheitlichen Regelung zu kommen. Ich glaube, man kann nicht behaupten, daß dieser gute Wille uns sehr hoch honoriert worden ist.
Bitte überlegen Sie sich, daß es hier nicht um eine x-beliebige Frage der äußeren Ordnung geht, sondern daß es sich hier um eine Ordnung handelt, die, ich sagte es schon, an die Lebensfragen unseres Volkes rührt. Deswegen kann man nicht so tun, als könne man die Dinge einfach beiseite schieben, als könne man einen Paragraphen streichen, und damit sei die Sache erledigt. Solche Dinge müssen geregelt werden.
— Frau Kollegin Weber, Sie sind ja sonst auch dafür, daß unklare Fragen geregelt werden; wir sind uns oft darüber einig gewesen. Hier sind unklare Fragen! Bitte weichen Sie nicht aus, helfen Sie, daß sie geregelt werden, und helfen Sie bitte, daß auch die Staatsautorität gewahrt wird! Das hat gar nichts mit alter Staatsauffassung zu tun, — —
— Lassen Sie mich doch erst einmal meinen Satz zu Ende sprechen! Dann können Sie ja eine Zwischenfrage stellen.
Es hat noch viel weniger damit etwas zu tun, daß etwa eine Totalität des Staates stipuliert werden soll. Vielmehr geht es hier darum, daß der Staat, der das geordnete Zusammenleben der Menschen garantieren soll — wie es auch in der Entschließung der Synode der Evangelischen Kirche heißt —, die Möglichkeit hat, diese Ordnungsfunktion im Zusammenleben der Menschen, und zwar im Interesse der Menschen unseres Volkes, auszuüben. Der Staat muß auch garantieren können, daß eine solche Bestimmung befolgt wird. Dazu aber muß das Mindeste geschehen, und das Mindeste haben wir vorgeschlagen. Wir sind nicht über das Notwendige hinausgegangen; wir haben nur das vorgeschlagen, was notwendig ist, um eine solche Ordnung zu garantieren und um die Staatsautorität zu wahren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen alle aus unserer Vergangenheit, wie schlimm es ist, wenn man gewisse Fragen in der Schwebe läßt oder wenn man dem Staat nicht die Möglichkeit gibt, ein Wollen — das berechtigterweise besteht — oder eine Anordnung durchzusetzen, wenn also nicht die Sanktionsmittel gegeben sind, die eine Durchsetzung des staatlichen Willens möglich machen. Das bedeutet Schwächung der staatlichen Autorität, das bedeutet Schwächung des Hauses, in dem wir alle zusammenleben. wir und Sie auch. Sie erklären immer wieder. daß Sie sich staatsbejahend betätigen wollen, daß Sie den Staat bejahen. Gelegentlich werfen Sie uns vor, daß wir das nicht tun. Ich glaube, wir haben jetzt wieder einmal den Beweis dafür erbracht, daß es uns bei allen Fragen darauf ankommt, die Dinge so zu regeln, daß man in einem geordneten Staatswesen friedlich miteinander leben kann.
Ich appelliere deswegen noch einmal gerade an Sie, meine Damen und Herren von der CDU, und ich appelliere .gerade auch an meine evangelischen Glaubensgenossen:
Bitte, überlegen Sie, was hier auf dem Spiele steht, und nehmen Sie auch einmal Kenntnis von dem, was von autoritativer evangelischer Seite, was von dem obersten Organ der evangelischen Kirche gesagt worden ist. — Ich kann mir denken, daß manche Leute das nicht gern hören. Aber ich glaube, wenn wir diese Institution und die evangelische Kirche ernst nehmen wollen, dann müssen wir davon Kenntnis nehmen und prüfen, was da vorliegt. Dann werden wir wohl zu dem Ergebnis kommen, daß wir den Weg beschreiten müssen, den wir beschritten haben.
— Da sind Sie sehr im Irrtum, Herr Kollege MüllerHermann.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich bin fertig und werde auf die angekündigte Frage antworten.
Herr Kollege Metzger, würden Sie Ihre fortgesetzten Appelle, die Staatsautorität zu respektieren, beispielsweise auch einmal an Ihre Offenbacher Parteifreunde richten, die diese Autorität keineswegs respektieren, vielmehr die Besetzung der Musterungsausschüsse nach dem Wehrpflichtgesetz sabotieren?
Herr Kollege Kliesing, Sie wissen genau, daß das ein Appell ist, der ins Leere trifft. Sie wissen genau, daß wir von der SPD erklärt haben: Wir lehnen gewisse Gesetze ab, aber wenn sie verfassungsmäßig zustande gekommen sind, werden wir sie nicht zerreißen. Wir werden uns dieser Erklärung entsprechend verhalten. Sie sollten sich an das halten, was auch da von zuständiger Stelle gesagt worden ist. Das haben Sie gehört, und Sie können nicht so tun, als ob das nicht in der Welt wäre.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Schwarzhaupt.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Metzger hat sehr ausführlich und sehr temperamentvoll die Notwendigkeit und die Begründetheit der obligatorischen Zivilehe in unserem Volk dargelegt. Er hat sich mit Recht auf eine Reihe autoritativer evangelischer Äußerungen dazu berufen. Ich könnte Ihnen aus meiner Mitarbeit in Gremien der Evangelischen Kirche noch eine gründlicher vorbereitete Stellungnahme als die vor einigen Jahren ziemlich schnell zustandegekommene Erklärung der Synode bekanntgeben, nämlich die der Eherechtskommission. Die letzte Äußerung ist eine Äußerung des Rates der EKD vom Februar dieses Jahres, in der der Rat nach wie vor — wie die Synode in Spandau erneut festgestellt hat — für die obligatorische Zivilehe eintritt. Es heißt weiter, daß der Rat seine Geistlichen auf die Innehaltung dieses Grundsatzes hinweisen werde.
Aber handelt es sich denn heute wirklich um diese Frage?
Es handelt sich um eine ganz andere, und zwar um die sehr viel bescheidenere Frage, die Sie in Ihrem Änderungsantrag aufwerfen, ob nämlich die Vornahme einer kirchlichen Trauung vor der standesamtlichen Eheschließung, wie sie das Ehegesetz vorschreibt, als Ordnungswidrigkeit strafbar sein soll. Das bedeutet jedoch immerhin, daß eine Geldstrafe von 1000 DM ¡ausgesprochen werden kann. Nun dreht es sich darum, ob eine solche Bestrafung heute noch notwendig und sinnvoll ist.
Auch zu ,der Frage, in welcher Weise diese Ordnung durchzusetzen ist, hat sich der Rat der Evangelischen Kirche geäußert. Er sagt:
Die Durchsetzung des Vorrangs der standesamtlichen Eheschließung vor der kirchlichen Trauung ist nach dem Urteil des Rates allein die Zuständigkeit der für die Gesetzgebung verantwortlichen Organe des Staates.
Das heißt, er überläßt die Entscheidung darüber, ob dies heute notwendig ist oder nicht, dem Parlament. Ergibt keinen Rat dazu, Herr Metzger, ob eine Strafvorschrift oder eine Erklärung als Ordnungswidrigkeit notwendig oder zweckmäßig ist, sondern er sagt: das müßt ihr euch heute im Parlament überlegen, ob eine solche Sanktion notwendig ist. Und darum handelt es sich heute: Ist eine Sanktion notwendig?
Sie berufen sich nun erstens einmal auf die acht Fälle, die vor zwei Jahren vorgekommen sind. Zu diesen acht Fällen hat der Vatikan eine verbindliche Erklärung abgegeben. Er hat — und wir müssen bei der hierarchischen Struktur der Katholischen Kirche durchaus annehmen, daß dies zu einer Durchführung dieser Weisungen führt — erklärt, daß kirchliche Trauungen in den Fällen der Onkelehen — d. h. wenn nur wirtschaftliche Gründe gegen eine standesamtliche Eheschließung sprechen und wenn eine standesamtliche Eheschließung überhaupt nicht beabsichtigt ist — nicht stattfinden dürfen. Außer diesen acht Fällen sind in den über achtzig Jahren, in denen die Ordnung der obligatorischen Zivilehe in ganz Deutschland gilt —in manchen Teilen gilt sie schon viel länger —, so gut wie keine Verstöße vorgekommen, abgesehen von den Fällen des „Dritten Reiches", die Sie ja sicher ebensowenig wie ich als Grund für eine Sanktionsvorschrift anführen wollen.
Ich glaube, eine Ordnung, die seit so langer Zeit existiert, ohne daß dagegen verstoßen worden ist, bedarf doch nicht unbedingt einer strafrechtlichen Sanktionsdrohung. Unsere Frage ist nämlich die: wohin gehört Strafrecht und wohin nicht? Wohin gehört eine Strafe — und sei es auch nur eine Strafe von 1000 Mark wegen Ordnungswidrigkeit — und wohin nicht? In anderen Fällen, in denen sehr viel stärkere Verstöße vorlagen — ich erinnere etwa an die Vorschriften des Vierten und Fünften Strafrechtsänderungsgesetzes, in denen wir eine Strafe für zweckmäßig hielten —, haben gerade Sie sich zum Verteidiger derjenigen gemacht, die sagen: der Staat muß mit Strafvorschriften zurückhaltend sein. Es läßt sich nicht alles durch Strafe erzwingen. Ich glaube, auf einem so heiklen Gebiet wie dem des Eherechts sollte dies allerdings in besonderem Maße gelten.
) Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Frage?
Frau Kollegin Schwarzhaupt, ist Ihnen entgangen — Sie sprechen dauernd von „Strafe" und „Strafrechtsverfahren" —, daß wir keine Strafe fordern, sondern daß wir von einer Verwaltungsanordnung sprechen, die, wenn gegen sie verstoßen wird, im Geldbußeverfahren zu sichern ist? Ist Ihnen der Unterschied zwischen Strafverfahren und Geldbußeverfahren in bezug auf eine Verwaltungsanordnung nicht geläufig?
Also eine Ordnungswidrigkeit ist eine Handlung, die mit Geldstrafe bedroht ist.
— Also mit der Verpflichtung, einen Geldbetrag von bis zu 1000 DM zu zahlen. Es wird doch für den Bürger praktisch das gleiche sein, ob er diese 1000 DM als Buße oder unter dem Namen „Strafe" bezahlen muß.
Das, worum es sich handelt, ist, daß hier eine Handlung unter dem Zwang zur Zahlung von 1000 DM gestellt wird. — Wenn ich das Wort „Strafe" statt „Buße" unrichtig gebraucht haben sollte, halten Sie das bitte der Tatsache zugute, daß ich frei spreche und es mir nicht vorher notieren konnte. — Das Entscheidende ist, daß es sich um die Zahlung von 1000 DM handelt, wenn eine bestimmte Handlung begangen worden ist.
Sie berufen sich weiter darauf, daß bestimmte katholische Kreise — Sie haben den Professor Bosch genannt — für eine Änderung des Eheschließungsrechts eintreten. Ist das ein Grund, in einer Ordnung, die heute unbestritten geltendes Recht ist, eine Handlung unter eine Buße zu stellen? Es gibt Kreise, die eine Änderung des geltenden Rechts in sehr vielen Rechtsgebieten wollen. Aber diese Änderung kann ja nur auf parlamentarischem Wege zustande kommen, indem sich eine Mehrheit im Parlament für eine Änderung des § 13 des Ehegesetzes findet. Dieser § 13 — er ist ja die Bestimmung, die die obligatorische Zivilehe sichert — ist geltendes Recht. Wollen Sie denn ohne weiteres jedem, der der Meinung ist, daß ein Gesetz geändert werden muß, unterstellen, daß er bereit ist, gegen die bestehende Ordnung zu verstoßen? Der Vatikan hat, wie ich das vorige Mal vorgelesen habe, ausdrücklich erklärt, daß diese Ordnung zu wahren ist. Wie können Sie davon ausgehen, die Bußbestimmung sei deshalb erforderlich, weil es bestimmte gar nicht so sehr große Kreise gibt, die sich um eine Änderung des geltenden Rechts bemühen?
Ich glaube, Herr Metzger, Sie werden darin mit mir einig sein, daß es um eine Staatsautorität, für die Sie so leidenschaftlich eintreten, schlecht bestellt wäre, wenn sie in allen Dingen und zumal in solchen diffizilen Einzelfragen wie denen des Eheschließungsrechts auf Strafvorschriften oder Geldbußvorschriften angewiesen sein sollte.
Worum handelt es sich bei dieser leidenschaftlichen Auseinandersetzung um die Bußvorschrift wirklich? Handelt es sich wirklich um die Aufrechterhaltung der obligatorischen Zivilehe, die in ganz anderen gesetzlichen Bestimmungen, nämlich im Ehegesetz, verankert ist? Einen kleinen Hinweis darauf, worum es sich dabei handelt, gibt eine Notiz im „Parlamentarisch-Politischen Pressedienst", der von der Sozialdemokratischen Partei herausgegeben wird, vom 20. Februar. Dort wird ein Vorgang der zweiten Lesung dargestellt. Bei der zweiten Lesung dieses Gestzentwurfs wurde ja, nachdem unser Streichungsantrag durchgegangen war, von der sozialdemokratischen Fraktion spontan der Antrag gestellt, die dritte Lesung zu verschieben. In dem kleinen Aufsatz des sozialdemokratischen Pressedienstes steht nun, daß evangelische Kreise und auch Stellen in der CDU Widerstand gegenüber dieser Streichung leisten. Und der letzte Satz lautet:
Die Zurückstellung der dritten Lesung geht
auf den Wunsch evangelischer Kreise in der
CDU zurück, die der SPD-Lösung geneigt sind.
Meine Damen und Herren, geht diese Notiz und geht vielleicht auch die Leidenschaft, mit der diese Debatte geführt wird, nicht etwa auf den Wunsch sozialdemokratischer Kreise zurück, die CDU möge in dieser Frage gespalten werden?
Das Wort hat der Abgeordnete Metzger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige Worte zur Erwiderung!
Zunächst einmal: Als Frau Kollegin Schwarzhaupt jetzt von der Stellung des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands sprach, habe ich von Ihnen, Frau Kollegin Weber, keine Zwischenrufe gehört; dabei handelte es sich um genau das gleiche Thema. Das, was die Frau Kollegin Schwarzhaupt hier ganz richtig als Äußerung des Rates zitiert hat, stimmt durchaus mit dem überein, was in der Synode gesagt worden ist. Auch in der Synode hat man sich damit beschäftigt, ob man zur Frage der Sanktion der Strafbarkeit oder der Ordnungswidrigkeit Stellung nehmen sollte. Die Synode hat den meines Erachtens richtigen Standpunkt vertreten, daß man die Lösung der Frage, wie man so etwas durchsetzt, den staatlichen und insbesondere den parlamentarischen Organen überlassen sollte.
Wenn Frau Kollegin Schwarzhaupt aber genau gelesen hätte, dann hätte sie darauf geachtet, daß der Rat der Evangelischen Kirche genauso wie die Synode gesagt hat, die Durchsetzung der Ordnung solle dem Staate überlassen werden. In diesem Satz wird erstens vorausgesetzt, daß eine Ordnung da ist, und zweitens wird darin gesagt, daß diese Ordnung durchgesetzt werden soll.
Dabei ist die Frage, wie durchgesetzt wird, offengelassen worden. Die mindeste Durchsetzungsmög-
lichkeit ist eben die, daß man eine solche Ordnung als Verwaltungsordnung ansieht und Verstöße gegen sie mit Geldbußen ahndet.
Wenn die Frau Kollegin Schwarzhaupt als Juristin so tut, als ob eine Bestrafung und eine Geldbuße eigentlich beinahe dasselbe seien, so macht sie damit ihrem juristischen Ruf keine Ehre.
Frau Kollegin Schwarzhaupt, Sie wissen ganz genau, daß eine Bestrafung die Eintragung ins Vorstrafenregister mit allen Folgen nach sich zieht und daß eine Geldbuße diese Folge nicht hat, von allem anderen ganz abgesehen. Das ist Ihnen als Juristin genauso bekannt wie mir. Man sollte sich nicht vor das Plenum stellen und so tun, als ob beides beinahe das gleiche sei. Als damals über die Geldbuße gesprochen wurde, ist ausdrücklich festgelegt worden, daß es sich dabei eben nicht um ein Strafverfahren handelt und daß sie nicht mit all den ehrenrührigen Folgen behaftet sein soll, wie sie eine kriminelle Bestrafung im Gefolge hat. Deswegen sollte man sauber unterscheiden. Man kann die Gleichsetzung für die Propaganda ja gut gebrauchen, indem man sagt: die SPD verlangt Bestrafung. Aber wenn man der Wahrheit die Ehre gibt, dann muß man sagen, die SPD will gerade diese ehrenrührigen Folgen nicht, die SPD will das geringste Mittel, um die Ordnung durchsetzen zu können, die auch vom Rat und der Synode der Evangelischen Kirche gewollt ist. Die sozialdemokratische Fraktion verlangt nicht mehr, als daß ein Verstoß durch Geldbuße geahndet wird.
Dann glaubt Frau Kollegin Schwarzhaupt, daß man Änderungen, also auch Änderungen in bezug auf die obligatorische Zivilehe, nur auf gesetzlichem Wege vornehmen könne, und deshalb sei hier nichts Gefährliches. Auch da haben Sie die Diskussionsgrundlage verschoben, Frau Dr. Schwarzhaupt. Sie haben die Behauptung aufgestellt, diese Ordnung sei so zwingend und so eindeutig im deutschen Volke, daß von Widerspruch überhaupt nicht die Rede sein könne. Ich habe gesagt, wenn es im deutschen Volke Kreise gibt, die eine Änderung anstreben, dann ist die Ordnung nicht so zwingend. Das ist meine Argumentation gewesen. Auf diese Argumentation sind Sie wohlweislich nicht eingegangen; dagegen ist nämlich auch nichts zu sagen. Ich habe darauf hingewiesen, daß es bedeutende Rechtslehrer und Richter gibt, die sich auf den Standpunkt stellen, daß die ganze Ordnung der obligatorischen Zivilehe verfassungswidrig sei. In der Zeitschrift des Herrn Professors Bosch, der so außerordentlich temperamentvoll in Passau geredet hat — Sie wollen mir mein Temperament vorwerfen; ich glaube, sehr zu Unrecht —, hat gerade in der letzten Nummer ein Oberverwaltungsgerichtsrat Hans-Joachim Becker versucht, in einer sehr gewundenen Weise nachzuweisen, daß die obligatorische Zivilehe gegen unser Grundgesetz verstoße.
Wer will da noch behaupten, diese Ordnung sei in unserem Volke so selbstverständlich, daß sie keiner gesetzlichen Kodifizierung mehr bedürfe? Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Gerade weil es so ist, brauchen wir die gesetzliche Kodifizierung.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Metzger, glauben Sie, daß wir die Frage, ob die obligatorische Zivilehe mit dem Grundgesetz vereinbar ist oder nicht, dadurch lösen können, daß wir jetzt ein einfaches Gesetz machen, das sie noch einmal bestätigt?
Frau Kollegin Schwarzhaupt, Sie verschieben schon wieder die Verhandlungsgrundlage.
Wir sind uns hier in diesem Hause darüber einig, daß die obligatorische Zivilehe nicht gegen die Verfassung verstößt. Der Verfassungsminister hat selber erklärt, daß es für ihn unabdingbar sei, zur obligatorischen Zivilehe zu stehen.
Ich habe hier nicht behauptet. daß die Regierung das bestreitet, sondern ich habe Ihre Behauptung — ich glaube, mit guten Gründen — widerlegt, diese Ordnung sei in unserem deutschen Volke so verankert, daß sie zwingend, daß sie für jedermann selbstverständlich sei. Das ist sie eben nicht. Darum geht es. Wenn diese Behauptung nicht richtig ist, wenn also eine Ordnung nicht selbstverständlich ist, dann fällt damit Ihre Begründung, daß man ausnahmsweise hier einmal eine Ordnung nicht zu kodifizieren brauche, weg. Denn, wenn man eine Ordnung nicht kodifiziert — —
— Nein, Sie haben den 5 67 gestrichen, und Siel wollen ihn wieder streichen; da steht es drin. Vielleicht haben Sie das übersehen, Herr Kollege Seidl,
daß Sie mit § 67 nicht nur die Strafvorschrift, sondern auch die grundlegende Bestimmung gestrichen haben. Das müssen Sie sich einmal klar machen, und das muß auch draußen einmal verstanden werden. Es geht nicht um die Strafvorschrift, sondern es geht darum, daß Sie die grundlegende Bestimmung gestrichen haben. daß Sie erklärten: ,.Hier ist eine Ordnung, die bejahen wir, und wir bejahen damit natürlich auch ihre Verfassungsmäßigkeit. Aber wir sind der Meinung, sie ist so fest, daß wir sie nicht mehr zu kodifizieren brauchen." Daß sie so fest ist, ist nicht richtig. Das ist eindeutig widerlegt. Dann ergibt sich daraus die logische Schlußfolgerung, daß man eine Ordnung, die nicht selbstverständlich ist, von Staats wegen kodifizieren muß und daß man die Möglichkeit schaffen muß, sie zu verwirklichen. Davon reden wir.
Ich beantrage namentliche Abstimmung, und zwar getrennt für den § 67 und den § 67 a unserer Vorlage.
Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt.
Das Wort hat Frau Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war, als wir die zweite Beratung dieses Gesetzes hatten, ehrlich gesagt, erschrocken über die sehr langen und eindringlichen Vorlesungen, die über dieses Thema gehalten wurden. Wir hatten ja die Frage in diesem Hohen Hause bereits vor anderthalb Jahren erörtert, so daß ich glaubte, es sei eigentlich nicht mehr erforderlich, sie jetzt so zu vertiefen. Daß die Diskussion heute noch einmal so intensiv aufflammte, ist Ihre Schuld, meine Damen und Herren von der CDU.
— Ereifern Sie sich ,doch nicht so, Herr Kollege Kliesing! Wir wollen doch ein bißchen ruhig darüber sprechen, nicht? Sie haben die Schuld, denn von Ihrer Seite sind die Dinge so vertieft worden.
Dadurch haben Sie uns erst wieder darauf hingewiesen, daß doch ein tieferer Sinn dahinter steht, als man ursprünglich vielleicht annahm.
Deshalb ist die Sache nicht so einfach zu erledigen, wie Sie es jetzt in der dritten Lesung meinen.
— Sehr richtig, Herr Kollege, es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich glaube, daß das auch gut so ist.
In der damaligen Beratung ist von Ihnen immer wieder auf die Kirchen Bezug genommen. Ich muß Ihnen sagen, daß ich persönlich bedauere, daß man die kirchlichen Gremien immer wieder in Fragen hineinzieht, die die weltliche Ordnung angehen. Hier geht es tatsächlich nur um eine weltliche Ordnung, nämlich um die Ordnung des Personenstandes durch dieses Gesetz. Die Evangelische Kirche hat durchaus mit Recht eine Verantwortung nach dieser Richtung abgelehnt und hat sich aus dem Streit herausgehalten.
Nachdem wir diese Frage jetzt noch einmal so ausführlich behandeln, darf ich Sie bitten, folgendes zur Kenntnis zu nehmen. Wir stellen den Antrag, den wir in der zweiten Lesung gebracht haben, jetzt nicht wieder. Da vom Heiligen Stuhl die Erklärung abgegeben wurde, daß das Gesetz, das wir hier machen, zu achten sei, erscheint es uns nicht zweckmäßig, daß eine Strafe angedroht wird. Wir werden uns aber dem Antrag der SPD anschließen, den Verstoß als eine Ordnungswidrigkeit zu behandeln. Denn wenn auch die kirchlichen Kreise einen Geistlichen wegen eines solchen Verstoßes zur Rechenschaft ziehen, so ist der Geistliche damit noch keineswegs aus der Verantwortlichkeit gegenüber dem weltlichen Gesetz entlassen.
Frau Schwarzhaupt, ich muß mit allem Nachdruck eines sagen. Sie haben damals erklärt, wir würden unsere katholischen Mitbürger verletzen, wenn wir einen Geistlichen unter Strafe stellten, weil er das Sakrament gespendet habe. Selbstverständlich ist das keineswegs beabsichtigt. Der Geistliche soll nicht bestraft werden, weil er das Sakrament gespendet hat, sondern weil er, wie Herr Kollege Metzger ganz richtig sagte, ein weltliches Gesetz übertreten hat. Wir müssen doch die geistliche Welt und die Welt unseres Staates voneinander trennen. Beides sind völlig verschiedene Sphären. Wir müssen die Dinge aus der weltlichen Sicht betrachten. Nachdem wir wissen, daß weite Kreise hinter dieser Gesetzesbestimmung mehr sehen, als hier ausgeführt wurde, müssen wir auf Grund unserer Erfahrungen einen Schutz für unsere weltliche Ordnung einbauen, und wenn wir einen Verstoß nicht als Vergehen, sondern als Ordnungswidrigkeit betrachten, ist das doch wohl der geringste Schutz für unsere weltliche Ordnung. Ich glaube, daß sich die Damen und Herren der CDU dann auf diesem Gebiet mit uns treffen können.
Ich bedauere es übrigens,' daß ich mich nirgends mit der Forderung durchsetzen konnte, auch eine Bestimmung für die Brautleute einzubauen, die sich trauen lassen wollen und einen Geistlichen dazu bestimmen. Dann hätten wir nämlich diese ganze Diskussion, die jetzt nur um die Geistlichen geht, auf eine ganz andere Ebene gebracht. Wir hätten ganz klar dokumentiert: Hier geht es uns keineswegs darum, den Geistlichen zur Rechenschaft zu ziehen, sondern hier geht es uns um einen Schutz des Gesetzes, das wir gemacht haben.
Bei den acht Fällen — es sind sicherlich noch mehr; ich erinnere mich an einen Fall, den uns Herr Kollege Bucher seinerzeit hier vorgetragen hat — handelte es sich nicht nur um Onkelehen. Es waren auch ander Fälle dabei.
— Ja, aber, verehrte Frau Kollegin, „meist Onkelehen" heißt noch nicht: Es waren alles Onkelehen. Die Erklärung des Heiligen Stuhls bezieht sich nur auf die Onkelehen. Auch die anderen Fälle, die dagewesen sind, sind Fälle, bei denen sich der Heilige Stuhlheute wahrscheinlich auch nicht mehr auf das Konkordat beziehen könnte; er erwähnt sie auch nicht.
Wir haben auch in den Einführungsbestimmungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch alle möglichen Sicherheiten für Notfälle. Wir als Gesetzgeber sollten wirklich nicht klassifizieren, sondern sollten sagen: Jeder, der unser Gesetz übertritt, muß im Interesse des Staates in irgendeiner Weise zur Rechenschaft gezogen werden. Da können wir doch keine Ausnahmen machen, Frau Kollegin. Wo kommen wir denn da hin! Dann würden irgendwelche anderen Personenkreise, vielleicht sogar die gleichen Personenkreise, bei irgendeinem anderen Anlaß eine besondere Rechtsstellung gegenüber der weltlichen Ordnung verlangen. Ich glaube, das ist auch nicht im Sinne der Kirche, im Sinne keiner Kirche und keines Glaubens. Da verweise ich noch einmal auf das, was ich bei früheren Beratungen gesagt habe:
Unsere christliche Lehre schreibt uns ja ausdrücklich vor, und zwar an mehreren Stellen, daß wir die weltlichen Gesetze zu beachten haben. Ich wiederhole das, was ich damals gesagt habe: Mir erscheint es christlich-sittliches Gebot, die Gesetze zu achten. Wir, als Gesetzgeber, haben die Gesetze so zu gestalten, daß ihnen auch ein Rechtsschutz gewährleistet ist.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Beantragt ist namentliche Abstimmung, und zwar getrennt für die Nummern 56 und 56 a des Umdrucks 954*), Änderungsantrag der Fraktion der SPD. Ich lasse zunächst abstimmen über die Nr. 56. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Ich frage, ob alle Stimmkarten abgegeben sind.
— Hat jedes Mitglied des Hauses seine Stimmkarte abgegeben? —
Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 200 stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 11 Berliner Abgeordnete. Mit Nein haben gestimmt 194 Mitglieder des Hauses und 3 Berliner Abgeordnete. Enthalten haben sich 2 stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 1 Berliner Abgeordneter.
Damit ist der Änderungsantrag Umdruck 954 zu Nr. 56 angenommen.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zu der zweiten namentlichen Abstimmung, zu der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 954 zu Nr. 56a.
Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Abstimmungskarten einzusammeln.
(Zuruf von der SPD: Herr Präsident, ist
die Abstimmung geschlossen?)
Noch nicht.
— Würden Sie vielleicht zu mir heraufkommen, Herr Metzger?
— Meine Damen und Herren, bei Übernahme des Präsidiums hat mich Herr Präsident Dr. Gerstenmaier ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß die Abstimmung noch nicht geschlossen werden soll. Wir schließen sie immer erst, wenn uns mitgeteilt wird, daß man mit der Auszählung am Ende ist.
Meine Damen und Herren, sind noch Abgeordnete im Saal, die ihre Stimme noch nicht abgegeben haben? — Das ist nicht der Fall; ich schließe die Abstimmung.
*) Siehe Anlage 12.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 11045.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis*) dieser namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 206 Mitglieder, die stimmberechtigt sind, und 11 Berliner, mit Nein 185 und 3 Berliner; enthalten haben sich 5 und 1 Berliner. Der Antrag ist damit angenommen; der § 67a ist eingefügt.
Weitere Änderungsanträge liegen nicht mehr vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung.
Das Wort zu einer Erklärung hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion gebe ich folgende Erklärung ab.
Meine Fraktion bedauert es, daß durch die vorausgegangenen beiden namentlichen Abstimmungen in diesem Gesetz eine Bestimmung, wenn auch in einer etwas geänderten Form, aufrechterhalten warden ist, die wir als obsolet, als antiquiert, als überflüssig, als nicht mehr zeitgemäß und als dem wahren Verhältnis zwischen Kirche und Staat nicht mehr Rechnung tragend empfinden müssen und deren ersatzlose Streichung wir daher beantragt haben. Ich möchte nicht das wiederholen, was in der vorhergegangenen zweiten Lesung gesagt worden ist; ich möchte aber erklären, daß wir die Aufrechterhaltung dieser Bestimmung, auch wenn es sich nur noch um eine Ordnungswidrigkeit handelt, für sehr bedauerlich halten. Wir sind der Meinung, daß die Ordnung, die der Staat aufgestellt hat, ausreichend gesichert ist, gesichert durch die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, gesichert aber auch im Verhältnis zur katholischen Kirche durch die Abmachungen des Konkordats und durch den Notenwechsel, der anschließend erfolgt ist, gesichert schließlich durch die internen Dienstanweisungen der evangelischen Kirche. Alle diese Bestimmungen enthalten zusammen einen umfassenden Ordnungskomplex.
Wenn gesagt worden ist, die Ordnung des Staates bedürfe der Durchsetzung, so möchte ich darauf sagen, daß sich diese Ordnung durchgesetzt hat, ja, daß die Strafbestimmung seinerzeit im Jahre 1870 und 1875 eingeführt worden ist, um einer solchen neuartigen Regelung zur Durchsetzung zu verhelfen. Dieser Durchsetzungsprozeß ist lange abgeschlossen. Heute bedarf es hierzu nicht mehr der Erziehungsmaßnahme. weder einer Strafe noch einer Buße wegen Ordnungswidrigkeit. Der Unterschied zwischen diesen beiden Maßnahmen ist einer so ausgezeichneten Juristin wir Frau Schwarzhaupt genauso bekannt wie allen Juristen, ja wie allen Mitgliedern dieses Hauses. Aber das Gemeinsame dieser beiden Bestimmungen scheint mir doch darin zu bestehen, daß in beiden Fällen Opfer auferlegt werden, Opfer deshalb, weil eine bestimmte Person, ein sogenannter Täter, eine Tat begangen hat, die im Widerspruch zu der Ordnung des Staates steht. sei es im einen Fall als kriminelle Handlungsweise, sei es im anderen Falle als Ordnungswidrigkeit. Das ist das Gemeinsame. Es ist daran zu erinnern, daß diese Bestimmung nichts anderes ist als ein Relikt aus einer vergangenen Auffassung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche.
Wir haben heute zwar erkannt, daß Staat und Kirche nebeneinanderstehen, aber Eingriffe in
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 11045.
den inneren Raum der Kirche und des kirchlichen Lebens sollen nicht erfolgen. Denn das Grundgesetz sichert die freie Ausübung der Religionsbetätigung, und dazu gehört auch die Sakramentenspendung. Darum empfinden wir es als unglücklich, wenn nun durch die Aufrechterhaltung einer Ordnungswidrigkeit der Staat erneut versucht, durch derartige Regelungen in den internen Bereich der Kirche, in die Spendung von Sakramenten einzugreifen.
Wir haben bei der zweiten Lesung auch auf die außerordentlich aufschlußreichen Gedankengänge des österreichischen Bundesverfassungsgerichts hingewiesen, eines Gerichts, das immerhin das höchste über die Verfassung wachende Gericht des Landes Österreich ist. Wir haben darauf hingewiesen, daß diesem Gericht nicht nur ähnliche, sondern genau dieselben Tatbestände, ja, genau dieselben Rechtsnormen zur Entscheidung vorlagen und daß dieses Gericht die Verfassungsmäßigkeit des gleichlautenden § 67 des österreichischen Personenstandsgesetzes verneint hat.
Ich möchte diese Frage hier nicht weiter vertiefen. Ich möchte aber sagen, man sollte vorsichtig sein, wenn man Normen setzt, die möglicherweise mit bindenden Normen des Verfassungsrechts nicht in Einklang stehen.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß diese Aufrechterhaltung 'der Strafbarkeit sich auf Maßnahmen der Betätigung der Religionsgesellschaften bezieht und man für diese Maßnahmen nicht ein für alle geltendes, sondern ein nur für einen ganz bestimmten Personenstand, nämlich den Geistlichen, geltendes Gesetz setzt. Daß das bedenklich ist, kann man im Urteil des österreichischen Gerichts nachlesen.
Meine Damen und Herren, wir bedauern, daß diese Maßnahme eingeführt worden ist. Wir empfinden sie nicht als zeitgemäß und nicht als einem guten Verhältnis zwischen Kirche und Staat entsprechend. Wir werden daran das Gesetz nicht scheitern lassen. Wir legen aber Wert darauf, daß diese starken, in die Tiefe gehenden Bedenken nicht unausgesprochen bleiben, daß sie nicht eine reservatio mentalis darstellen. Daher haben wir es für notwendig gehalten, in dem Augenblick, in dem wir dem Gesetz unsere Zustimmung geben, darauf hinzuweisen, daß dieses Gesetz mit dieser Regelung, die eine unglückliche und die keine gute Lösung darstellt, beschwert ist.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Metzger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mit Befriedigung feststellen, daß dos seitherige Gesetz eine wesentliche Änderung erfahren hat bzw. mit der Abstimmung, die jetzt stattfinden wird, erfahren wird. Denn nach dem bisherigen Gesetz sind die widerrechtlichen Maßnahmen, die in Zuknuft mit einer Geldbuße geahndet werden, mit Gefängnis- und Geldstrafe bedroht gewesen. Ich glaube, daran kann man erkennen, daß gegenüber der Zeit der Schaffung des Gesetzes nicht nur eine neue Atmosphäre da ist, sondern daß dieser neuen Atmosphäre auch Rechnung getragen warden ist.
Ich möchte noch einmal mit allem Nachdruck betonen, daß wir von der Sozialdemokratischen Partei willens sind, auf diesem Gebiete nicht nur den Frieden zu wahren, sondern zu helfen, daß in unserem Volke die religiöse Verkündung frei erfolgen kann.
— Was sollen denn diese Zwischenrufe über Dinge,
die Sie offenbar ja doch nicht richtig verstanden
haben? Sonst könnten Sie nicht so dazwischenrufen.
— Natürlich ist es nicht verboten; aber es wäre im Interesse des Zwischenrufers selbst, wenn er vernünftige Zwischenrufe machte.
Der Herr Kollege Dr. Kopf erklärt, daß durch diese Anordnung, die Sie ja selbst annehmen wollen, Eingriffe in den inneren Raum der Kirche vorgenommen würden. Das ist einfach nicht im Einklang mit den Tatsachen. Wenn das so wäre, Herr Kollege Kopf, würden Sie diesem Gesetz niemals zustimmen, Auch wir würden diesem Gesetz nicht zustimmen. Die Trauhandlung — einerlei, ob es bei der evangelischen oder bei der katholischen Kirche ist — wird genauso vorgenommen wie vorher auch. Keine staatliche Instanz denkt daran, da irgendwie hineinzureden. Beide Kirchen haben da völlige Freiheit, und es ist einfach nicht wahr — ich stelle das noch einmal ausdrücklich fest —, daß irgend jemand daran gedacht hat, einen Eingriff in den inneren Raum der Kirche vorzunehmen.
Wie gesagt, wenn das wahr wäre, würden Sie diesen Eingriff in den inneren Raum der Kirche mit vornehmen, und Sie werden sich selber ja diesen Vorwurf nicht machen wollen.
Im übrigen hat der Herr Kollege Kopf wiederum, obwohl er doch genau wie die Frau Kollegin Schwarzhaupt ein ausgezeichneter Jurist ist, von der Aufrechterhaltung der Strafbarkeit gesprochen. Ich stelle noch einmal fest, daß das juristisch einfach falsch ist. Mehr brauche, ich dazu nicht zu sagen.
Im übrigen wird wieder die alte Behauptung aufgestellt, daß man hier Maßnahmen gegen einen bestimmten Personenstand, gegen die Geistlichen, ins Auge gefaßt habe. Ich darf darauf hinweisen — Herr Kollege Bucher hat 'das, glaube ich, schon in der ersten Lesung erklärt —, daß, wenn der Rechtsanwaltstand für gewisse Handlungen, die er nicht begehen soll, mit Strafe oder mit disziplinären Maßnahmen bedroht ist, kein Mensch daran denkt, daß damit einem gewissen Stand etwas Besonderes, Unehrenhaftes oder etwas Außergewöhnliches angetan wird.
Wenn hier eine Ordnung erfordert, daß nun zufälligerweise einmal die Geistlichen — es könnten ja auch andere sein — sich nach dem Vorrang der staatlichen Eheschließung richten müssen, betrifft das halt die Personen, die zufällig mit dieser Frage zu tun haben. In anderen Fällen haben andere Personenkreise mit irgendeiner Materie zu tun, und falls es dabei Sünder gibt, die gegen die Bestimmungen verstoßen, werden sie entsprechend verfolgt, sei es im Wege des Strafverfahrens, sei es im Wege des Disziplinarverfahrens oder wie hier in der milden Form der Geldbuße.
Es kann einfach nicht mit Recht geltend gemacht werden, daß etwa die Absicht bestanden habe oder daß jetzt die Wirkung eintrete, daß ein bestimmter Stand in einer besonderen Weise verfolgt oder unter Ausnahmerecht gestellt werde. Die Geistlichen werden genauso behandelt wie jeder andere Stand auch, für den Bestimmungen gelten, die er in einer besonderen Weise befolgen muß.
Das Wort zu einer Erklärung hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, noch eine Erklärung abzugeben. Nachdem aber einige Kollegen dieses Hohen Hauses sich bemüßigt gefühlt haben, in der Zwischenzeit zu behaupten, daß die Liberalen durch die Annahme dieses Paragraphen die Spendung eines Sakraments unter Strafe stellen wollten, möchte ich doch ausdrücklich und zum wiederholten Male feststellen,
daß es sich bei dieser Bestimmung keineswegs darum handelt, die Spendung eines Sakraments unter Strafe zu stellen. Es geht vielmehr um den Schutz eines weltlichen Gesetzes. Ein Geistlicher ist jederzeit in der Lage, ein Sakrament zu spenden, und es fällt uns Liberalen nicht im Traume ein, irgendwie daran zu deuteln oder nur irgendwie Kritik zu üben. Wir wollen nur unsere weltlichen Gesetze vor Übertretung schützen.
Ferner möchte ist feststellen, daß wir es als erste waren, die im Ausschuß für innere Verwaltung den Antrag gestellt haben, die scharfe Strafbestimmung des „Dritten Reiches" zu mildern. Ihre Freunde hatten im Ausschuß durch ihr Verhalten diese Bestimmung aufrechterhalten. Ich bitte das Hohe Haus also ausdrücklich, das zur Kenntnis zu nehmen, und insbesondere die Kollegen, die das aus der Diskussion heraus nicht verstanden haben — ich will nicht sagen, daß sie es bösartig verbreitet haben, aber die es wohl nicht richtig verstanden haben —, diese Tatsache nunmehr zur Kenntnis zu nehmen.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gegenstand, der gerade in dritter Beratung verabschiedet worden ist, schließt sich an eine Vorlage der Bundesregierung an, die die Streichung des § 67 vorgeschlagen hat. Daß diese Vorlage der Bundesregierung vielfach mißdeutet worden ist, kann ich hier als bekannt voraussetzen. Ich möchte aber folgendes in Erinnerung rufen. Ich habe schon am 6. März 1954, d. h. gleich nach Bekanntwerden der Vorlage der Bundesregierung, zusammen mit dem Herrn Bundesminister der Justiz betont, daß weder der Wegfall der Strafvorschrift noch irgendeine andere Bestimmung der Novelle zum Personenstandsgesetz den Status der obligatorischen Zivilehe berührt. Dieselben Erklärungen habe ich namens der Bundesregierung in der 52. Sitzung des Deutschen Bundestages am 22. Oktober 1954 bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs, in der 111. Bundestagssitzung am 10. November 1955, bei der Behandlung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD über Verstöße gegen das Personenstandsgesetz und schließlich am 7. Februar 1957 in der 191. Plenarsitzung bei der zweiten Beratung der Novelle zum Personenstandsgesetz abgegeben.
Ich darf an die Erklärung anknüpfen, die ich in der zweiten Beratung abgegeben habe. Ich habe damals gesagt, daß das Bekenntnis der Bundesregierung zur obligatorischen Zivilehe unverändert gilt und daß der Wegfall der Strafvorschrift, für den sich ein großer Teil des Hauses eingesetzt hat, in keiner Weise den Status der obligatorischen Zivilehe berührt, um so weniger, als gewisse Vorkommnisse in der Zwischenzeit durch in diesem Punkt befriedigende Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und dem Heiligen Stuhl ihre Erledigung gefunden haben. Ich möchte vermeiden, daß im Anschluß an die heutige Auseinandersetzung im Lande falsche Betrachtungen angestellt werden. Deswegen halte ich es für notwendig, daß die Dinge in die richtige Relation zueinander gebracht werden. Ein Wegfall der Strafvorschrift, den, wie gesagt, die Bundesregierung vorgeschlagen hatte, ist niemals gedacht oder beabsichtigt gewesen als ein Eingriff in die Institution der obligatorischen Zivilehe. Das muß man wissen, wenn man in Zukunft über diese Frage diskutieren will.
Das Wort zur Abgabe von Erklärungen wird nicht mehr gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung*). Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Gesetzentwurf ist angenommen.
Meine Damen und Herren, durch die Dauer der Beratungen verkürzt sich die Mittagspause. Ich unterbreche hiermit die Sitzung bis 15 Uhr.
Die Sitzung wird um 15 Uhr 3 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger wieder eröffnet.
Die Sitzung wird fortgesetzt.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes .
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Absicht, uns bei dem zweiten Grünen Bericht, den ich heute vor dem Bundestag abzugeben habe, die Dinge etwas bequemer zu gestalten als das letzte Mal. Ich habe mich deshalb entschlossen, Ihnen außer der Drucksache 3200, die Sie bereits haben, noch eine Stellungnahme der Regierung vorzulegen. Es ist eine zusammenfassende Darstellung der Verhältnisse, die sich im wesentlichen an den Grünen Bericht anlehnt und daraus einige
*) Siehe Anlagen 13 und 14.
Schlußfolgerungen zieht. Ich habe weiterhin eine Drucksache über die Entwicklung der agrarpolitischen Verhältnisse im Ausland hier, die die Darstellung fortsetzt, die Sie voriges Jahr bekommen haben. Dann habe ich weiter zu dem Bericht über die Lage der Landwirtschaft noch eine Darstellung der im letzten Jahr getroffenen agrarpolitischen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Landwirtschaft und der neugeplanten Maßnahmen , die ich Ihnen dann im einzelnen vortragen werde.
Ich darf jetzt zunächst das Wort zu einigen Ausführungen nehmen, die die Gesamtsituation der Landwirtschaft etwas beleuchten sollen, und will mich dabei nicht wörtlich an die Regierungserklärung halten. Wir wollen uns zunächst über die Lebensverhältnisse in der Landwirtschaft, über die gesamte volkswirtschaftliche Leistung der Landwirtschaft, den Lebensstandard, die Lohnverhältnisse und die Ernteverhältnisse während der letzten drei Jahre unterhalten. Ich glaube, durch das Hervorheben von bestimmten Einzelheiten aus dem Bericht wird manches klarer werden, zumal vielen Mitgliedern nicht genügend Zeit zu Gebote steht, die Drucksachen durchzuarbeiten.
Zunächst möchte ich Ihnen über die volkswirtschaftliche Leistung der Landwirtschaft berichten. Die Nahrungsmittelproduktion beträgt rund 18 Milliarden DM. Wenn Sie die Forstwirtschaft hinzurechnen, kommen Sie auf eine Gesamtsumme von 19,7 Milliarden DM. Der Produktionswert von Kohle, Stahl und Eisen beträgt insgesamt 17,9 Milliarden DM. Wenn wir die Urerzeugung auf der gewerblichen Seite und auf der landwirtschaftlichen Seite miteinander vergleichen, erkennen wir, daß sie in der Landwirtschaft um einige Milliarden höher ist als bei Kohle, Stahl und Roheisen.
Der Umsatz in der Ernährungsindustrie und im Ernährungshandwerk — es handelt sich dabei um die Verarbeitung der Lebensmittel — beträgt insgesamt rund 30 Milliarden DM. Der Umsatz der Verbrauchsgüterindustrie ist dagegen 33 Milliarden DM. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe von industriellen Sparten, deren Gesamterzeugung wesentlich höher ist als die der Landwirtschaft. Aber wenn ich die landwirtschaftliche Erzeugung in etwa vergleichbare Daten eingliedere, erkennen Sie, wie stark der Ernährungs- und Landwirtschaftssektor in der Gesamtvolkswirtschaft ist.
Ich darf nun etwas über die Lebensverhältnisse auf dem Lande sagen. Der prozentuale Anteil der Bevölkerung auf dem Lande geht ständig zurück. Er ist von etwa 40 % noch vor 80 Jahren heute auf etwa 14 % — genau sind es 13,9 % — zurückgegangen; absolut vermindert sich die Landbevölkerung aber wenig, es sind heute noch rund 7 Millionen Menschen.
Seit etwa sechs Jahren hat sich die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft um rund 700 000 bis 800 000 verringert. Die Abwanderung ständiger Landarbeiterfamilien bedeutet natürlich einen Schwund der Landbevölkerung.
Noch ein Wort zur Kinderzahl. Sie ist allgemein in ständigem Abnehmen. Doch der Prozentsatz der Familien mit mehr als drei Kindern beträgt bei der Landbevölkerung immer noch 12,9 % gegenüber 7,8 % in der Stadt. Die auch auf dem Lande zurückgehende Kinderzahl ist zweifellos auf die späte Eheschließung zurückzuführen, die bei den
Hoferben allmählich Sitte wird. In Hessen ist z. B. bei der Untersuchung in Dörfern festgestellt worden, daß 70 % sämtlicher Hoferben in einem Alter von 30 Jahren noch nicht verheiratet waren, während in den anderen Berufsschichten die 30jährigen im Durchschnitt zu 50 % verheiratet sind. Ich darf hier einen kleinen Ausflug zu der viel umstrittenen Frage der landwirtschaftlichen Altersversorgung machen. Hier liegt ein wesentlicher Ansatzpunkt zur Gesundung der bevölkerungspolitischen Verhältnisse auf dem Land aus einer vernünftigen Altersversorgung heraus.
In den Lebensverhältnissen der landwirtschaftlichen Bevölkerung kommt das Sozialgefälle zwischen Stadt und Land deutlich zum Ausdruck. Sie können sich ja denken, daß die Einnahmen in der einzelnen Familie wesentlich dafür sind: was kann sich die Familie leisten, und wie kann sie ihren ganzen Lebensstandard gestalten? Auf Seite 48 der Drucksache 3200 finden Sie die Angaben für das Berichtsjahr, das Wirtschaftsjahr vom 1. Juli 1955 bis zum 30. Juni 1956.
Im Wirtschaftsjahr 1955/56 betrug die Mehrerzeugung rund 1,1 Milliarden DM. Davon standen etwa 600 Millionen DM mehr als im Vorjahr für die Entlohnung der eigenen Familienkräfte, für private Ausgaben und zur Bestreitung der persönlichen Steuern zur Verfügung. Ich bitte Sie, sich den Betrag anzusehen, der nach der Entlohnung der Fremdarbeiter, nach der Zahlung der persönlichen Steuern für ungefähr 2,2 Millionen mitarbeitende Familienangehörige in den landwirtschaftlichen Betrieben übrigbleibt. Die Division dieser Zahlen ergibt, daß ein Barbetrag — daneben wird in der Familie ja auch Kost und Wohnung gestellt — von durchschnittlich 830 DM jährlich je Familienarbeitskraft übrig bleibt. Diese Zahl kennzeichnet den Lebensstandard der bäuerlichen Bevölkerung, auch hinsichtlich der Bezahlung der eigenen Arbeitskräfte. Es ist selbstverständlich, daß diese Zahlen, wenn die Einnahmen der Betriebe höher bzw. die Ausgaben niedriger wären, absolut erheblich höher stehen würden. Die Differenz zwischen Verkaufserlösen und Ausgaben beträgt bei Nichtberücksichtigung der persönlichen Steuern und der Lastenausgleichsabgabe, die zusammen 381 Millionen DM ausmachen, etwa 3,4 Milliarden DM. Außer den persönlichen Steuern von 381 Millionen DM werden allein an Grundsteuer noch etwa 360 Millionen DM gezahlt. Von den sonstigen Steuern will ich ganz absehen.
Ich will nun kurz auf die Leistungen der Landwirtschaft eingehen. Ich sagte bereits, daß die Produktionsleistung in dem einen Jahre, über das ich berichte, um 1100 Millionen DM gestiegen ist. Diese Steigerung ist mit einem Mindereinsatz an Arbeitskräften von 4 % erreicht worden. Die Zahl der Arbeitskräfte — darauf habe ich auch schon hingewiesen — hat seit 1950 um rund 700 000 bis 800 000 abgenommen. Die Ausgaben für Barlöhne haben seitdem aber um rund 400 Millionen DM zugenommen. Obwohl jedes Jahr die Zahl der Lohnarbeitskräfte zurückgeht, haben die Lohnausgaben stetig zugenommen. Die letzte Lohnsteigerung vom April oder Mai vorigen Jahres, die 12 % betrug, ist dabei nicht berücksichtigt.
Nun bitte ich daraus nicht etwa zu schließen, daß die Landarbeiter in den landwirtschaftlichen Betrieben im Gegensatz zu den familieneigenen Arbeitskräften einen besonders hohen Lohn bekämen.
Das ist bei der Rentabilität der Landwirtschaft natürlich gar nicht möglich. Trotzdem, wenn ich die Landarbeiterlöhne vor dem Krieg gleich 100 setze, dann stehen wir heute, nach der letzten Lohnerhöhung vom Mai vorigen Jahres, bei 316. Das ist eine schnellere Steigerung, als in anderen Wirtschaftsbereichen. Aber sie geht von einer anderen Grundlage aus. Die Landarbeiterlöhne waren immer niedriger als die gewerblichen Löhne. Wenn also die Steigerungen jetzt auch sehr viel schneller erfolgen als die Steigerung der Erzeugerpreise, so konnte man damit dem Landarbeiter doch immer noch nicht voll gerecht werden. Wie Sie wissen, sind die Tarife wieder gekündigt, und Sie werden in diesem Frühjahr erneute Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern erleben. Worauf sich die beiden Partner einigen werden, kann ich nicht übersehen; ich möchte es durch Erklärungen von meiner Seite auch in keiner Weise beeinflussen.
Die Betriebsmittelausgaben haben sich um rund 700 Millionen erhöht, wenn man die Düngemittelverbilligung nicht berücksichtigt. Diese 700 Millionen sind aber, wie Sie nach einem Studium der Drucksache 3200 feststellen werden, nicht in vollem Umfang zum Zuge gekommen. Etwas mehr als 200 Millionen konnten durch den ersten Grünen Plan des Vorjahrs gespart werden. Dieser Plan wurde aber erst im letzten Quartal dieses Wirtschaftsjahrs wirksam, nämlich für die Zeit vom 1. April 1956 bis zum 30. Juni 1956.
Um nochmals auf die Lohndifferenz zurückzukommen: Wir hatten im vorigen Jahr zwischen Landarbeiter- und Vergleichslohn eine Differenz von 32 Pf, im Mai 1956 hatten wir trotz der Erhöhung der Landarbeiterlöhne, eine Differenz von 41 Pf. Würden wir also vom heutigen Lohn ausgehen, dann wäre die Differenz schon wieder wesentlich größer.
Ich darf dann Ihre Aufmerksamkeit nochmals auf die Drucksache 3200 lenken. Dort ist auf Seite 90 das Fazit der Situation in der Landwirtschaft gezogen, allein vom materiellen Standpunkt aus. In der Vergleichsrechnung ist als Vergleichsaufwand angesetzt: Sachaufwand, Kostensteuern, Verzinsung des vorhandenen Betriebskapitals mit 3 1/3 %, Betriebsleiterzuschlag 40 Mark pro Hektar und ein vergleichbarer Lohn. Als vergleichbarer Lohn liegt in diesem Bericht ein Lohn zugrunde, wie er in denjenigen Bereichen gezahlt wird, die dem Dorf, dem Bauern nahe sind, ein Lohn, wie er in Betrieben gezahlt wird, in die auch die Lanarbeiter oder die abwandernden familieneigenen Arbeitskräfte streben. Es ist also hier kein Großstadtlohn zugrunde gelegt, sondern ein Lohn, der in gewerblichen Betrieben in der Nähe der Dörfer gezahlt wird, aus denen diese Erhebungen stammen.
Der gesamte Vergleichsaufwand ist voll gedeckt bei den rheinischen Zuckerrübenbaubetrieben aller Größenklassen, also auch in den kleinen, und bei den niedersächsischen Kartoffelbaubetrieben über 50 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche.
Voriges Jahr war im ersten Grünen Bericht auch das niedersächsische Zuckerrübenbaugebiet dabei. Damit will ich darauf hinweisen — ich komme nachher darauf zurück —, daß wir praktisch drei schwere Jahre hinter uns haben, in denen dreimal die Erntebergung ungeheure Kosten verursacht hat und teilweise auch noch die Ernten niedriger waren.
Zweitens. Der Vergleichsaufwand ist annähernd gedeckt — 80 bis 100 v. H. — in allen restlichen Hackfruchtbaubetrieben über 10 ha sowie in Hackfrucht-Getreidebau-, Getreide-Futterbau und Getreide-Hackfruchtbaubetrieben in Nordwestdeutschland mit einem Einheitswert über 800 DM je ha und einer Betriebsgröße von mehr als 50 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche sowie in den nordrhein-westfälischen Futterbaubetrieben über 50 ha.
Drittens. Der Vergleichsaufwand wurde nur zum Teil gedeckt — 70 bis 80 v. H. — in allen Hackfrucht-Getreidebaubetrieben unter 50 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche mit über 800 DM Einheitswert je ha, in den Getreide-Hackfrucht- und Getreide-Futterbaubetrieben in Nordwestdeutschland unter 50 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und in den nordrhein-westfälischen Futterbaubetrieben unter 50 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. Dies sind die Betriebe, die praktisch nur 70 bis 80 % der vergleichbaren Löhne, der Verzinsung usw. erreicht haben.
Auf dem gelb-rot-braunen Blatt neben Seite 91 mit den beiden Teilen „Deckung des Vergleichslohnansatzes" und „Verzinsung des Betriebskapitals" sehen Sie oben einen ganz dünnen Streifen, der nicht einmal 5 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche umfaßt. Hier sind 100 % des Vergleichslohnansatzes erreicht und auch eine Verzinsung, die über 3,3 % liegt.
Bei der gesamten roten Fläche darunter ist zwar der Lohnansatz erreicht, aber die Verzinsung von 3,3 % nur in einem einzigen Falle mit 3,2 %. Alle übrigen Betriebstypen — es werden etwa 70 % sein — haben dieses Ergebnis nicht erreicht. Das ist mit dürren Worten das Ergebnis des Berichts Drucksache 3200.
Wenn unter diesen Umständen die Stimmung auf dem Lande mit und ohne Grünen Plan nicht sehr rosig ist, muß ich dafür um Verständnis bitten. Auch der Grüne Plan kann an den Verlusten, die die Ernten bringen, nicht Wesentliches bessern. Er kann auch nichts daran ändern, daß der vergleichbare gewerbliche Lohn vor dem Landarbeiterlohn und vor dem, was man den eigenen Familienkräften bieten kann, weit, weit vorwegläuft. Das ist eine Crux, die nicht nur die Landwirtschaft trifft, sondern die auch andere mittelständische Gruppen und alle diejenigen trifft, die nicht in der Lage sind, auf Grund einer besonders gestiegenen Produktivität bessere Einkommensverhältnisse für sich zu schaffen.
Im vorigen Jahr waren die Kleinbetriebe die besondere Sorge des Bundestages. Sämtliche Parteien haben sich mit diesem Thema in der Diskussion auseinandergesetzt. Bei allen war der gleiche Wille vorhanden, die Kleinbetriebe besonders zu fördern.
Wenn Sie sich einmal dieses Elaborat von ungefähr 230 Druckseiten ansehen und die Einnahmen und die Ausgaben der verschiedenen Betriebsgrößenklassen und Betriebssysteme miteinander vergleichen, werden Sie feststellen, daß in den intensiven Bezirken des Rheinlandes, Westfalens, Niedersachsens, insbesondere aber Hessens, auch in Teilen von Rheinland-Pfalz Kleinbetriebe bis 10 ha und von 10 bis 20 ha den großen und mittleren bäuerlichen Betrieben in der Intensität nicht nachstehen. Es gibt keine Betriebsgrößenklasse, die ein besonderes natürliches Übergewicht hätte. Sie können zahlreiche solcher Übersichten einsehen; aus ihnen geht das klar und deutlich hervor. Sie können bei den Intensivbetrieben — unabhängig
von der Betriebsgröße —, wie ich schon sagte, die gleiche Leistung beobachten. Bei den Extensiv-betrieben, besonders den süddeutschen Futterbaubetrieben z. B., sehen Sie, daß im allgemeinen die Einnahmen in den Kleinbetrieben höher sind als in den mittleren und größeren Betrieben. Dabei muß man aber sagen, daß in allen Betriebsgrößenklassen der Futterbaubetriebe gewisse Möglichkeiten zur Ertragssteigerung durch höhere Intensivierung bestehen.
Die Kleinbetriebe sind aber mit den Mitteln der Ertragssteigerung allein kaum vorwärtszubringen, wenn die Betriebsfläche nicht ausreicht, den Familienmitgliedern eine lohnende Beschäftigung zu gewährleisten, und wenn das Kapital nicht vorhanden ist, die notwendige Rationalisierung und Mechanisierung durchzusetzen. Diesen Betrieben muß man mit den Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur helfen. Die Kleinbetriebe haben im vergangenen Jahr und werden auch in den kommenden Jahren gerade von der Agrarstrukturverbesserung her die beste Hilfe erhalten.
Mit vermindertem Arbeitskräftebesatz ist vor allen Dingen in den Betrieben bis zu 10 Hektar ein ungewöhnlich hoher Ertrag je Flächeneinheit erwirtschaftet worden. Besonders in den Gruppen der Zuckerrüben-, Hackfrucht-, Getreidebau- und Futterbaubetriebe in Nordrhein-Westfalen und Hessen sind die Familienbetriebe führend. Wenn Sie sich, wie ich schon sagte, die Einnahmen und Ausgaben in Drucksache 3200 ansehen, werden Sie sehen, daß die Kleinbetriebe durchaus nicht zurückstehen.
Wir haben in diesem Jahre statt rund 5000 Buchführungsunterlagen 7200 ausgewertet, die dieser Übersicht Über die Lage der Landwirtschaft zugrunde liegen.
Die hohe Kaufkraft der Bevölkerung hat natürlich in gewissem Umfange auch der Landwirtschaft gedient. Sie hat aber nicht zu einer entsprechenden Nachfrage nach Lebensmitteln geführt. Wir haben nun einmal das Gesetz, daß auf die Dauer keiner mehr essen kann als zum Sattwerden. Zwar sind die wertvolleren tierischen Produkte mehr verlangt worden; aber das konnte nicht den Ausgleich bringen. Betrachten wir, wie die Landwirtschaft gegenüber den gutbezahlten Arbeitnehmergruppen in den Bezirken mit hoher Produktivität steht, so müssen wir, das glaube ich sagen zu können, mit Sorge in die Zukunft blicken. Wenn bei steigender Produktivität in einzelnen ,Berufszweigen das Weglaufen der Löhne auf die Dauer zu einer sozusagen „selbstverständlichen" oder „natürlichen" Erscheinung wird, wird es nicht möglich sein, eine befriedigende soziale Gesamtsituation zu schaffen. Das letztere wäre aber vielleicht dadurch möglich, daß die Wirtschaftszweige mit der hohen Produktivität diese nicht lediglich zur Steigerung von Löhnen, sondern einen Teil davon zur Verbilligung der Erzeugnisse verwenden. Dann wäre nämlich ein Ausgleich für alle diejenigen geschaffen, die keine so hohe Produktivitätsteigerung erreichen können. Es ist meines Erachtens unmöglich, das Lohnniveau nach der höchsten Produktivität im gesamten Bereich der Volkswirtschaft auszurichten. Wenn es Gruppen möglich ist, dabei für sich ein höheres Einkommen zu erringen, wird die Disparität gegen alle übrigen nur stärker. Ein Ausgleich ist nur dadurch zu erreichen, daß eine entsprechende Produktenpreisverminderung eintritt.
Andernfalls bleibt nichts ,anderes übrig, als dasselbe zu tun, was wir z. B. beim Kohlenbergbau getan haben. Der Kohlenbergbau ist in ähnlicher Situation wie die Landwirtschaft. Er kann seine Produktivität nicht beliebig steigern. Man hat ihm also einfach par ordre de mufti die Möglichkeit gegeben, seine Löhne zu steigern, zunächst teilweise auf Kosten der öffentlichen Hand, durch Ermäßigung von Steuern usw., wie das in der Landwirtschaft auch der Fall ist, und nachher durch Preiserhöhungen. Da man auf die Landwirtschaft ebensowenig verzichten kann wie z. B. auf den Kohlenbergbau, wird es, wenn der andere Vorschlag nichtdurchgesetzt werden könnte, nur möglich sein, der Landwirtschaft durch Preiserhöhungen zu helfen; denn man wird auf die Dauer auch mit dem Grünen Plan das Vorauseilen der verschiedenen Einkommensgruppen sonst nicht ausgleichen können.
Nun komme ich zu der Drucksache, die Ihnen die Zusammenfassung der geplanten Maßnahmen der Bundesregierung übermitteln soll. Sie wissen, daß z. B. die Ermäßigung der Umsatzsteuer im ersten Jahr, wo sie nur für das letzte Vierteljahr zur Anwendung kam, 43 Millionen DM betragen hat. Im laufenden Betriebsjahr würde sie 205 Millionen DM betragen. Wir haben durch die Übergangsmaßnahmen zum ersten Grünen Plan zur Dieselkraftstoffverbilligung erreicht, daß die Steuern und Zölle durch Gesetz beseitigt worden sind bzw., soweit sie nicht haben beseitigt werden können, die Ausgaben dafür im normalen Etat stehen. Sie erscheinen also hier in den Ausgaben, die ich Ihnen gleich vortragen werde, nicht mehr. Es handelt sich allein bei der Umsatzsteuer und beim Dieselkraftstoff zusammen schon um rund 330 Millionen DM, die im neuen Grünen Plan gar nicht erscheinen, die aber in das laufende Jahr und in die weiteren Jahre hineinwirken, so daß damit ein guter Anfang gemacht worden ist. Wenn wir von den Summen sprechen, die hier im Grünen Plan enthalten sind, müssen wir also auch diese Verbilligungsmaßnahmen berücksichtigen.
Wir haben für die Verbesserung der Agrarstruktur im vorigen Jahre 80 Millionen DM im Plan gehabt. Wir haben in diesem Jahre 165 Millionen DM. Von Kennern der Materie wird mir vorgeworfen, daß ich mit diesen 165 Millionen DM den Ansprüchen der Praxis nicht genüge. Gegen-
über dem Vorjahre handelt es sich aber um mehr als eine Verdoppelung. Allerdings belaufen sich die Anforderungen auf 210 Millionen DM. Das ist darauf zurückzuführen, daß wir im vergangenen Jahre das sogenannte außerbehördliche Verfahren für die Verbesserung der Agrarstruktur, sowohl für 'die Flurbereinigung wie für die Vergrößerung der Kleinbetriebe wie auch für die Aussiedlung, eingeführt haben. Die Einführung dieses außerbehördlichen Verfahrens hat dazu geführt, daß im ersten halben Jahr bereits über 3000 Anträge gestellt sind. Sie sehen also, daß dieses neue Verfahren in der Landwirtschaft eine erhebliche Aktivität ausgelöst hat. Erfreulicherweise unterstützen die Länder die Vorhaben durch Erlaß der Urkundensteuer, der Grunderwerbsteuer usw., die beim Kauf, Verkauf und Tausch von Land an sich gezahlt werden müßten.
Ungefähr die gleiche hohe Anforderung haben wir bei den ,wasserwirtschaftlichen Maßnahmen, den sogenannten landeskulturellen Maßnahmen. Die Freunde aus Bayern, aus Niedersachsen und aus Schleswig-Holstein werden wissen, daß das
sehr wichtige Agrarstrukturverbesserungen sind. Wer dort z. B. im Gebiet der Nordseeküste in Niedersachsen wohnt und wirtschaften muß, weiß ein Lied davon zu singen und weiß, was es bedeutet, in einem solchen Bezirk arbeiten zu müssen. Wenn dort die Bestellung gemacht ist, die Saat sprießt und das Wetter danach ist, werden die Schleusen des Himmels geöffnet, und auf weiten Strecken von zigtausend Hektar steht das Wasser vielleicht wochenlang und hinterläßt einen völlig verunkrauteten Grund und Boden. Für die hier notwendigen Maßnahmen sind statt 124,5 Millionen DM 190 Millionen DM eingesetzt, und zwar für Wasserwirtschaft, Wirtschaftswege und Wasserversorgung. Für die Elektrifizierung steht der gleiche Betrag wie im vorigen Jahr zur Verfügung. Zur Förderung der Seßhaftmachung von verheirateten Landarbeitern stehen 10 Millionen neu im Plan.
Nun ein Wort zur Altersversorgung und Alterssicherung. Ich habe vorhin schon gesagt, daß die Alterssicherung nicht bloß aus sozialen, sondern auch aus wirtschaftspolitischen Gründen erfolgt, auch wegen der nachteiligen bevölkerungspolitischen Folgen, die eintreten, wenn der Wirtschaftsführer des Hofes noch mit 60, 70 oder 80 Jahren den Stab in der Hand behält. Daraus ergibt sich das Bild aus Hessen, das soeben von mir gezeichnet wurde, wo 70 % der Hoferben mit 30 Jahren noch nicht verheiratet sind und vielfach erst mit 40, 45 oder 50 Jahren in die Leitung hineinwachsen. Weil der alte Herr zwei Geldentwertungen miterlebt hat, möchte er den Geldbeutel in der Hand behalten. Er hat aber nicht mehr die körperliche Kraft und vielfach auch nicht die notwendige Ausbildung, um den Hof so zu bewirtschaften, wie es der Jüngere tun könnte. Deshalb ergibt sich hier ein wirtschaftlicher, ein bevölkerungspolitischer und gleichzeitig ein sozialer Nachteil. Denen, die sich so lange in dieser schweren Arbeit gequält haben, wäre es zu gönnen, daß sie in ihrem Alter Ruhe haben und auch eine gewisse Rente, die der Betrieb aufzubringen hätte, bekommen.
Ich hatte die Alterssicherung zunächst in den Grünen Plan aufgenommen. Da aber bereits ein Antrag der CDU/CSU vorliegt, hat die Regierung davon abgesehen, hierfür Beträge in den Grünen Plan einzusetzen. Die Regierung ist jedoch bereit, dafür zu sorgen, daß gleichzeitig mit der Einziehung der Prämie auch die Auszahlung des Altersgeldes erfolgen kann.
Dann kommt die nächste Position: Verbilligung des Handelsdüngers. Wir hatten dafür im vorigen Jahr 226 Millionen DM. Denjenigen, die meinen, der Grüne Plan habe nichts bewirkt — man hört ja solche Stimmen draußen —, möchte ich ins Gedächtnis zurückrufen, daß die Landwirtschaft im vorigen Jahre nicht nur eine Entlastung durch den Wegfall der Umsatzsteuer und die Verbilligung des Dieselkraftstoffes gehabt hat, die ich soeben aufführte, sondern darüber hinaus eine zweimalige Verbilligung von Kunstdünger, nämlich zweimal 226 Millionen DM. Die zweite Verbilligung ist aber heute noch nicht voll ausgezahlt — sie beträgt praktisch bis jetzt erst 160 Millionen DM —; das war auch nicht möglich, weil die Frühjahrsbezüge noch gar nicht unterwegs sind. Wir haben, weil der Kunstdüngerverbrauch, wie ich das vorausgesagt habe, entsprechend gewachsen ist, statt 226 Millionen DM 260 Millionen DM eingesetzt. Wenn wir damit nicht auskommen, ist das ein Zeichen für eine weitere wesentliche Verbesserung auf dem Gebiete der Anwendung von Handelsdünger. Das können unsere Böden zweifellos vertragen, und zwar nicht nur, wenn wir Vergleiche im eigenen Land anstellen, sondern auch nach den Vergleichen mit dem Ausland. Wir haben in den Monaten April bis Dezember 1956 — ich kann nur ,diese Monate mit den Monaten April bis Dezember 1955 vergleichen — ein Mehr an Stickstoffverbrauch von 10,6 % gehabt. Dabei liegt aber die Mehranwendung in Schleswig-Holstein bei 20,3 % und in Bayern bei 16,5 %. Die Mehranwendung von Phosphaten beträgt im Durchschnitt dieser neun Monate 18,6 %, in Schleswig-Holstein jedoch 34 % und in Bayern 23,7 %. Die Mehranwendung von Kali beträgt im Durchschnitt 9,1 %, in Schleswig-Holstein 18,1 % und in Bayern 14 %. Bei Kalk ist die Anwendung rückläufig, und zwar minus 7,8 %.
Ich glaube, es ist eine der erfreulichsten Erscheinungen des Grünen Plans, daß man so genau verfolgen kann, wie die einzelnen Maßnahmen sich auswirken. Denn je klarer das ganze Bild wird, je transparenter die Verhältnisse in der Landwirtschaft werden, um so klarer treten die besonders schwierigen Punkte hervor, die Stellen, wo etwas krank ist, und um so besser können die richtigen Maßnahmen auf Grund des Grünen Planes getroffen werden.
Erfreulicherweise hat die Thomasphosphatindustrie, die erst im vorigen Jahr auf unsere Anregung eine Verbilligung um 2 1/2 % vorgenommen hatte, eine weitere Verbilligung von 1 1/2 % durchgeführt. Diese Verbilligung um 4 °/o, die die Thomasphosphatindustrie zusätzlich zu der Verbilligung um 20 % gibt, die sich durch Anwendung unserer Maßnahmen ergibt, führt dazu, daß dem Bauern noch weitere 6 Millionen DM Verbilligung zukommen. Wir sind der Thomasphosphatindustrie sehr zu Dank dafür verpflichtet, daß sie im Gegensatz zu anderen Sparten der Düngerindustrie an niedrigen Preisen festgehalten hat.
Auch die Kaliindustrie hat nicht die Absicht, ihre Preise zu erhöhen. Bei der Superphosphatindustrie und bei der Stickstoffindustrie sieht es anders aus. Das ist Ihnen ja bekannt. Deshalb wird es unsere Richtschnur sein müssen, diejenigen, die ihre Preise erhöhen, nicht auch noch besonders zu bevorzugen.
Für die Verbilligung von ausgesuchtem Kartoffelpflanzgut und zur Rationalisierung im Obst- und Gartenbau hatten wir im vorigen Jahr 13 Millionen DM zur Verfügung, während wir in diesem Jahre 11 Millionen DM eingesetzt haben. Die Verminderung ergibt sich daraus, daß der Wechsel von Getreidehochzuchtsaatgut nicht mehr bezuschußt wird.
Bei Maschinen und technischen Anlagen, besonders in Futterbaubetrieben, denken wir an gemeinschaftlich benutzte Maschinen, aber in Futterbaubetrieben neben dem Silobau auch an die Unterdachtrocknungsanlagen. Es wird den meisten von Ihnen bekannt sein, daß diese Anlagen sich in Bayern ausgezeichnet bewährt haben. Für diese Gemeinschaftsmaschinen und für die technischen Anlagen in Futterbaubetrieben sind gegenüber dem Vorjahre 14 Millionen DM mehr vorgesehen.
Jetzt komme ich zur Milch. Für die gesamte Milchwirtschaft sind statt wie im Vorjahr 42 Millionen DM jetzt 450 Millionen DM vorgesehen.
Der größte Posten davon betrifft die Verbesserung der Milchauszahlung, die im Schnitt etwa bei 4 Pf je Kilogramm mehr liegen wird. Natürlich werden wir, wie Sie das ja wohl auch erwartet haben, bestimmte Qualitätsansprüche stellen.
Die Milch wird in unseren Molkereien nach drei verschiedenen Qualitätsstufen bezahlt. Derjenige, der die zweite Stufe nicht erreicht, also nur Qualitätsstufe 3 bringt, kann die erhöhte Auszahlung nicht bekommen. Es ist ein verhältnismäßig kleiner Prozentsatz, der davon betroffen ist; aber auch diesem kleinen Prozentsatz muß klargemacht werden, daß er dieselben Möglichkeiten wie die übrigen hat und daß er auch dieselben Opfer zur Verbesserung seiner Erzeugung bringen muß.
Diejenigen, die ihre Tierbestände seuchenfrei haben, fallen selbstverständlich darunter, aber auch diejenigen, die sich dem Verfahren zur Seuchenfreimachung anschließen. Die Möglichkeit hierzu hat jeder. Es ist unmöglich, daß der eine sagt: Ich werde mich nicht bemühen, meine Tierbestände seuchenfrei zu machen. Wer so handelt, kann die Verbesserung der Milchauszahlung nicht bekommen. Ich glaube, das ließe sich in gar keiner Weise rechtfertigen. Wenn von der öffentlichen Hand Anregungen und Anreize zur Erzeugung gegeben werden, sollen dies auch gleichzeitig Anreize zur Verbesserung sein.
Weiter sind, wie bisher, Beträge für die Seuchenbekämpfung, die Anschaffung von Kühl- und Melkeinrichtungen, die Miichleistungsprüfungen, die Rationalisierung der Molkereiwirtschaft und die Schulmilchspeisungen eingesetzt. Dabei darf ich darauf hinweisen, daß die Schulmilchspeisung vielleicht auch bei vielen meiner Kolleginnen und Kollegen mehr Aufmerksamkeit verdient, als sie im vergangenen Jahre gefunden hat. Wenn jeder in seinem Bereich darauf hinwirkte, in jeder Gemeinde den Willen zur Schulmilchspeisung zu wecken, hätten wir wahrscheinlich bessere Verhältnisse draußen, als es jetzt der Fall ist. Wir müssen uns immer von anderen Ländern vorführen lassen, wie es dort gemacht wird. Leider Gottes ist es in Deutschland immer besonders schwer, etwas Ähnliches durchzuführen.
Ich darf besonders darauf hinweisen, daß gerade die Milchleistungsprüfungen — die wir voriges Jahr mit 4 Millionen DM dotiert hatten — zu einer erheblichen Verbesserung der Milchqualität geführt haben. Ein großer Teil der mittleren und kleineren Betriebe hat an diesen Milchleistungsprüfungen teilgenommen. Gerade das Ergebnis des Jahres 1954 war für mich ein Anreiz, jene Summe zu fordern. Damals lieferten die Kühe, die unter Milchleistungskontrolle stehen, einen durchschnittlichen Mehrertrag an Milch von 1340 1 im Jahr. Insgesamt standen wir damals noch unter 3000 1 Jahresleistung. Heute haben wir den Sprung auf 3000 1 — pro Kuh im Durchschnitt der ganzen Bundesrepublik — hinter uns gebracht.
Wenn ich vorhin von den Leistungen der Landwirtschaft sprach, dann darf ich dieses Überschreiten der Dreitausendergrenze als eine der Hauptleistungen herausstellen, dies besonders deshalb, weil in Süddeutschland ein Teil des Höhenviehs, das unter 3000 1 liefert, mehr Fett in der Milch hat als die Kühe in den norddeutschen Bezirken. Es muß jedoch betont werden, daß die Milchleistung je Kuh auch in Süddeutschland erheblich gestiegen ist. Gerade die Kontrollvereine, die freiwillige Einrichtungen sind — deren Kosten aber so hoch sind, daß wir etwas zur Verbilligung tun mußten —, haben zu dieser Steigerung der Leistung mit beigetragen. Wir haben gegenüber der Friedensleistung eine Erhöhung der Milchleistung um 520 kg pro Kuh jährlich. Das entspricht einer Steigerung der Produktion von 23 % gegenüber der Vorkriegszeit. Die Steigerung der Fleischleistung beträgt bei Rindvieh pro Tier 11 % und bei Schweinen 18 %. Diese Verbesserungen gehen von Jahr zu Jahr weiter, und ich darf sagen, daß die deutsche Landwirtschaft auf diesem Gebiet ausgezeichnet mitzieht.
Ich hätte beinahe vergessen, von einer wichtigen Entwicklung Mitteilung zu machen. Ich darf Ihnen eine besonders erfreuliche Nachricht übermitteln, die aus der milchwirtschaftlichen Forschung stammt. Ein Wissenschaftler hat bei einer Untersuchung darüber, wie schwer die Fremdstoffe in der Milch sind — ein sehr einfacher Gedanke, der nachgeprüft werden mußte — festgestellt, daß alle Fremdstoffe in der Milch spezifisch schwerer sind als die Milch. Daraus ergibt sich, daß ich alle diese Schwerstoffe mit einer Zentrifuge herausschleudern kann, bis zu einem Rest, der nicht größer ist als der, der bei guter Pasteurisierung erreicht wird. Es kann also eine Milch gewonnen werden, die als Rohmilch ohne Pasteurisierung an den Abnehmer gelangen kann und die mindestens auf denselben Grad von Keimfreiheit gebracht ist, wie ihn die pasteurisierte Milch hat. Die ersten Anlagen dieser Art laufen, sie schaffen in der Stunde bis zu 4000 1. Es sind sehr diffizile Anlagen, die uns aber nicht vor neuen großen und teuren Investitionen bange zu machen brauchen. Denn die Leistung ist gut, und wir werden die Anlagen ja nicht mit einem Male einführen, sondern langsam, so wie es die Industrie und die Investitionskraft der Landwirtschaft zulassen. Jedenfalls bedeutet es für den Verbraucher eine ungeheure Verbesserung, eine völlig saubere, keimfreie Milch zu haben, die als Rohmilch, ohne daß irgendwelche Wirkstoffe darin vernichtet sind, an den Verbraucher gelangt. Daß ich dem betreffenden Wissenschaftler die Anerkennung der Bundesregierung ausgesprochen habe, dürfte Ihnen verständlich sein.
Eine Bemerkung über die Förderung von Qualität und Absatz anderer landwirtschaftlicher Erzeugnisse, also von Obst, Gemüse, Kartoffeln, die Verbesserung der Sortierung, der Leistungsfähigkeit von Süßmostbetrieben, die Anlage von Kartoffellagerhallen in Verbrauchergebieten, Trocknungs- und Lagereinrichtungen für Gemüse und Obst, Absatz- und Verwertungseinrichtungen für Schlachtgeflügel usw. Dafür hatten wir im vorigen Jahre 17 Millionen DM, jetzt 30 Millionen DM.
Zur Frage der Konsolidierung kurzfristiger Verbindlichkeiten und zu den sonstigen finanzpolitischen Maßnahmen! Wir haben aus dem Vorjahre noch einen Restbetrag von 25 Millionen DM zur Verfügung. Für die Konsolidierung und für die Zinsverbilligung von Krediten für Neu- und Umbauten werden zusätzlich 10 Millionen DM eingesetzt, und wir haben deshalb in dieser Position 35 Millionen DM verfügbar.
Dann haben wir bei der Position „Förderung von Forschung, Ausbildung, Beratung und Aufklärung" 5 Millionen DM mehr als im vorigen Jahr; insgesamt 15 Millionen DM.
Alles zusammengenommen, kommen wir im Grünen Plan 1957 auf eine Gesamtsumme von
1212 Millionen DM. Das Mehr über die 615,5 Millionen hinaus, die Herr Kollege Schäffer schon im Haushalt hatte, beträgt 596,5 Millionen DM, Die Gesamtsumme ist also: 1212 Millionen DM. Dazu können Sie die schon angesprochenen Verbilligungen rechnen, die aus dem Grünen Plan 1956 weiterwirken.
Beim Grünen Plan 1956, der damals 896 Millionen DM ausmachte, haben wir bis zum 30. November 1956 130 Millionen DM von den Ländern dazubekommen. Ich nehme an, daß bis zum Ablauf des alten Grünen Plans am 31. März dieses Jahres noch etwa 20 Millionen DM hinzukommen. Für das Jahr 1957 wird mit einem höheren Betrage zu rechnen sein. Ich rechne mit rund 180 Millionen DM von seiten der Länder. Wenn Sie diese 180 Millionen DM sowie die aus dem Grünen Plan 1956 fortwirkenden 300 Millionen DM dazurechnen, kommen Sie auf weit über 1,5 Milliarden DM.
Aus den für 1957 vorgesehenen Maßnahmen und den gegenüber dem Vorjahr erhöhten Mitteln wollen Sie ersehen, wie sehr es der Bundesregierung darum geht, der Landwirtschaft aus den enormen Schwierigkeiten zu helfen, mit denen sie zu kämpfen hat. Von diesen Schwierigkeiten habe ich erwähnt: die schwierigen Ernteverhältnisse in drei aufeinander folgenden Jahren, das Fortlaufen der vergleichbaren Löhne, die Schwierigkeit, Kapital auf dem Kapitalmarkt zu bekommen, und bei den mittleren und größeren Betrieben neben dem Fehlen von Kapital auch noch der Mangel an Arbeitskräften. Wenn man diese Schwierigkeiten in Betracht zieht, wird man von jedem volles Verständnis für die Stimmung in der Landwirtschaft erwarten können. Jeder dürfte Verständnis auch dafür haben, daß die Witterungsschäden, z. B. in den Zuckerrübenanbaugebieten im Süden Niedersachsens, aber auch in anderen Teilen der Bundesrepublik, caer im Weinbau, von den Ländern und vom Bund in gleicher Weise entsprechend abzudecken sind. Die Feststellungen über die Höhe der Schäden im Weinbau durch die Länder sind noch nicht beendet. Also kann ich vom Bund aus nach dieser Richtung noch nichts vorsehen. Ich habe aber Vorsorge getroffen, daß der Bund sich an der Abdekkung dieser Schäden sowohl im Weinbau als auch bei anderen Intensivkulturen beteiligen kann.
Wenn man die Stimmung in der Landwirtschaft beobachtet, kann man manchmal vermuten, das, was im Grünen Bericht steht, könne diese Stimmung nicht maßgeblich beeinflussen. Ich bitte Sie, dabei zu beachten, daß ein sehr großer Teil der Landwirtschaft sich in erheblichem Ausmaß an der Intensivierung seiner Wirtschaft beteiligt und durch neue Investitionen die Möglichkeiten wahrgenommen hat, die der Grüne Plan bietet. Wenn ich in den Versammlungen manchmal nur Klagen höre, dann tröste ich mich mit dem Gedanken an die große Masse derjenigen, die mir durch die Tat beweisen, daß sie mitarbeiten.
Ich sehe keinen Anlaß, irgendwie abzugehen von der Art, wie die öffentliche Hand die landwirtschaftliche Arbeit unterstützt und der Landwirtschaft die Möglichkeit zur Selbsthilfe eröffnet.
In diesem Sinne betrachten Sie bitte auch die Feststellungen in der Drucksache 3200 in bezug auf Kosten, Einnahmen, Erträge usw. Sie werden daraus die Gewißheit schöpfen, daß die im Grünen
Plan vorgesehenen Maßnahmen dazu dienen, die Landwirtschaft vorwärtszuentwickeln und ihre Ertragsfähigkeit zu steigern, so daß sie auch im Gemeinsamen Markt in Europa keinen Schaden erleidet. Sie werden mit mir darin einig sein, daß das ein Beginnen ist, das auf jeden Fall förderungswürdig und fortsetzungswürdig ist.
Das Hohe Haus hat die Erklärung der Bundesregierung entgegengenommen. Die Aussprache findet in einer späteren Sitzung statt. Der Punkt ist damit für heute abgeschlossen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung der Kranken- und Kinderkrankenpflege (Drucksache 3107).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 3100, Umdruck 945).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Becker ; es liegt ein schriftlicher Bericht*) vor.
Wir treten in die Beratung in zweiter Lesung ein. Ich rufe auf die §§ 1, — 2, — 3. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; die aufgerufenen Bestimmungen sind angenommen.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 945**) auf Einfügung eines § 3 a auf. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Abgeordneten Sabel auf Umdruck 945 auf Einfügung eines § 3 a — „Dieses Gesetz gilt nicht im Saarland" — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe § 4, die Einleitung und die Überschrift auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte
*) Siehe Anlage 15. **) Siehe Anlage 16.
ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 3152, Umdruck 951).
Als Berichterstatter hat das Wort der Abgeordnete Dr. Prinz zu Löwenstein.
— Das Hohe Haus verzichtet auf den Bericht.
Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe Artikel 1 und Artikel 2 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe den Antrag Umdruck 951*) auf Einfügung eines Artikels 2 a auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit.
Ich rufe Artikel 3, die Einleitung und die Überschrift auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Sicherheitskinefilme (Drucksache 2631);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (Drucksache 3093).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Huth.
— Verzichtet auch das Hohe Haus? — Es verzichtet.
*) Siehe Anlage 17.
Ich rufe in zweiter Beratung auf § 1, — § 2. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe § 3 auf.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche nur, damit eine solche Sache nicht ganz untergeht.
Wir sind uns, Herr Kollege Huth, im Ausschuß darüber einig gewesen: wir haben hier den typischen Fall, wie im Laufe der Gesetzesberatung ein neuer Instanzenzug geschaffen wird. Der Bundesrat hat kritisiert, daß die Bundesanstalt für Materialprüfung weder nach Art. 87 Abs. 1 des Grundgesetzes errichtet noch nach Art. 130 des Grundgesetzes auf den Bund übergeführt worden sei. Die Bundesregierung ist der Sache ,aus dem Wege gegangen. In Zukunft sollen die Dinge zwar in Bonn entschieden, aber in Braunschweig vorgeprüft werden; es wird dann ein reger Schriftwechsel hin und her geführt werden.
Wir haben im Ausschuß ein derartiges Verfahren beanstandet, und ich möchte im Namen aller Ausschußmitglieder noch einmal dringend bitten, die Bundesregierung möge dafür sorgen, daß die Verwaltungsvereinfachung nicht durch ein solches Vorgehen zur Farce wird.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer § 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe §§ 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 15 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Allgemeinen Abkommen vom 2. September 1949 über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 3153, Umdruck 952).
Das Wort als Berichterstatterin hat die Abgeordnete Gräfin Finckenstein.
Gräfin Finckenstein , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Allgemeinen Abkommen vom 2. September 1949 über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates handelt es sich darum, einen Vorbehalt zurückzuziehen, der hinsichtlich der Freistellung von den Beschränkungen der Devisenbewirtschaftung festgelegt worden war.
Der Auswärtige Ausschuß hat einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause die Annahme des Gesetzentwurfs nach der Vorlage Drucksache 2398 vorzuschlagen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich rufe in zweiter Beratung Art. 1 und Art. 2 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit: es ist so beschlossen.
Ich rufe den Antrag Umdruck 952*) auf Einfügung eines Art. 2a auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe Art. 3, Einleitung und Überschrift auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit: es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Abkommen vom 22. November 1950 über die Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kulturpolitik (Drucksache 3136).
Es liegt ein Schriftlicher Bericht**) des Abgeordneten Gontrum vor.
Wir kommen zur Einzelberatung der zweiten Lesung. Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
*) Siehe Anlage 18. **) Siehe Anlage 19.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen ? — Ohne Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes );
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 3176, zu 3176).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Peters. Er hat einen Schriftlichen Bericht**) gegeben.
Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe auf Art. 1 mit sämtlichen Ziffern, — Art. 2, — 3, — 4, — 5, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen die Stimme des Abgeordneten Bausch — wieviel Enthaltungen? — ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada vom 4. Juni 1956 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 3150, zu 3150).
Der Berichterstatter, Abgeordneter Corterier, hat einen Schriftlichen Bericht***) gegeben.
Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe auf Art. 1, — 2. — 2 a, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
**) Siehe Anlage 20. ***) Siehe Anlage 21.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes und ,des von den Abgeordneten Müller-Hermann, Raestrup und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 3024, zu 3024).
Der Berichterstatter, Abgeordneter Dr. Gülich, hat einen Schriftlichen Bericht*) gegeben.
Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe den Art. 1 mit dem Änderungsantrag Umdruck 956**) auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 956 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit großer Mehrbelt abgelehnt.
Wer dem Art. 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Art. 2, — Einleitung und Überschrift.
— Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Es ist so beschlossen.
Hier ist nur eine zweite Beratung vorgesehen.
— Keine dritte Beratung!
— Es steht so auf der Tagesordnung.
Der Herr Bundesminister für Verkehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß gestehen, daß ich von dem Fortgang dieser Sache sehr merkwürdig berührt bin. Nach dem Mündlichen Bericht des Ausschusses heißt es doch: Der Bundestag wolle beschließen, 1. den Antrag der Fraktion der FDP auf Gesetzesänderung abzulehnen, 2. den von den Abgeordneten Müller-Hermann und Genossen eingebrachten Entwurf eines
*) Siehe Anlage 22. **) Siehe Anlage 23.
Gesetzes abzulehnen und 3. eine Entschließung zu fassen. Es ist aber vorhin in zweiter Lesung über den Gesetzesantrag abgestimmt worden, und ich muß sagen, das steht gar nicht im Zusammenhang mit dem Antrag des Ausschusses, der überhaupt nicht behandelt worden ist.
Herr Bundesminister! Es ist hier Übung, daß, wenn ein Ausschußbericht die Ablehnung eines Gesetzes vorsieht, nicht über den Ausschußbericht, sondern immer über den Gesetzentwurf abgestimmt wird. Wenn die Mehrheit dem Ausschußbericht entsprechen will, muß sie den Gesetzentwurf ablehnen. Das ist immer so üblich. Vielleicht war der Mehrheit nicht gegenwärtig, worum die Abstimmung ging, weil nur ein Schriftlicher Bericht vorliegt.
— Ist das die einmütige Überzeugung?
Wir könnten jetzt eine dritte Beratung machen und in der dritten Beratung ablehnen. Sind Sie damit einverstanden, daß wir sofort in die dritte Beratung eintreten?
— Es erfolgt kein Widerspruch. Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Zur allgemeinen Aussprache wird das Wort nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte Sie, zu bedenken: der Ausschuß hat Ihnen die Ablehnung vorgeschlagen. Wenn Sie gemäß dem Ausschußbericht stimmen wollen, bitte ich Sie also, abzulehnen.
Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Das ist niemand.
Wer den Gesetzentwurf ablehnen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke. Wer sich enthalten will? — Einstimmig abgelehnt. Das ist der umgekehrte einstimmige Beschluß!
Wir kommen nunmehr zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Müller-Hermann, Raestrup und Genossen, Drucksache 2593. Ich rufe zur zweiten Beratung auf Art. 1, — Art. 2, — Einleitung und Überschrift. Auch hier ist der Ausschuß für Ablehnung. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht — ich wiederhole: der Ausschuß ist für Ablehnung —, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer die aufgerufenen Bestimmungen abzulehnen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. — Enthaltungen? — Die Bestimmungen sind abgelehnt. Der Herr Abgeordnete Müller- Hermann hat sich enthalten. — Das war die zweite Beratung.
Der dritte Punkt des Antrags des Ausschusses geht dahin, folgende Entschließung zu fassen:
Die Bundesregierung wird ersucht,
bis zum 31. Dezember 1957 einen Bericht über die Auswirkungen des Verkehrsfinanzgesetzes 1955, insbesondere auf den Werkfernverkehr, vorzulegen.
Das Wort hierzu wird nicht gewünscht. Wer der Entschließung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? Einstimmig beschlossen.
Ich komme nunmehr zu Punkt 20 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (Drucksachen 2626, 1336);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen (Drucksache 3057, Umdrucke 948, 949, 950, 953, 955, 958). (Erste Beratung: 164. Sitzung.)
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Spörl. Er wünscht den Schriftlichen Bericht zu ergänzen. Abgeordneter Spörl hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Schriftliche Bericht Drucksache 3057*) liegt Ihnen vor. Ich darf zu der schwierigen und umstrittenen Materie der Erweiterung der Nahzone für den gewerblichen Güterverkehr einige Ausführungen machen.
Das Änderungsgesetz, das Ihnen zur Beschlußfassung vorliegt, nimmt nur einige Punkte einer umfassenden Novelle zum Güterkraftverkehrsgesetz vorweg. Im Vordergrund steht die Nahzonenregelung für das Zonenrandgebiet und das Saarrandgebiet. Das Güterkraftverkehrsgesetz vom 17. Oktober 1952 legt in § 2 Abs. 4 fest:
Für grenznahe Gebiete kann der Bundesminister für Verkehr durch Rechtsverordnung Ausnahmen von Absatz 2 zulassen.
Absatz 2 bestimmt:
Die Nahzone ist das Gebiet innerhalb eines Umkreises von fünfzig Kilometern, gerechnet in der Luftlinie vom Mittelpunkt des eigenen Standorts des Kraftfahrzeugs aus.
Wie vom Bundesministerium für Verkehr in den Ausschußberatungen mitgeteilt wurde, wäre zu dieser Rechtsverordnung die Zustimmung des Bundesrates erforderlich gewesen. Dies soll angeblich Schwierigkeiten gemacht haben.
Die Initiatoren des Antrags Drucksache 1336 erstrebten angenommene Standorte für die Nahzone des gesamten Kraftverkehrs in allen grenznahen und Küstengebieten, also überall entlang den Grenzen des Bundesgebiets.
Lassen Sie mich kurz die Gründe zusammenfassen, die dazu geführt haben, daß die Mehrheit des Ausschusses für Verkehrswesen es nicht für richtig hielt, die Ausnahmevorschrift für das Zonenrandgebiet und das Saarrandgebiet auch für die übrigen Grenzen und Küsten des Gebiets der Bundesrepublik auszudehnen. Eine solche Erweiterung der Nahzone würde besonders wegen der schmalen und langgestreckten Form unseres Bundesgebiets, das durchschnittlich nur 250 km breit ist, zu erheblichen Rückwirkungen auf die Grundlagen der Ordnung im Straßenverkehr führen. Würde man an allen Grenzen und Küsten die Nahzone so erweitern, wie der Entwurf dies für das Zonenrandgebiet vorsieht, so bliebe in der Mitte des Bundesgebiets nur ein schmaler Streifen übrig, der nicht von der Grenze her im Nahverkehr zu erreichen ist. Die Erweiterung der Nahzone würde niemals auf Kosten der Allgemeinheit, sondern stets auf Kosten des Nachbargebiets erfolgen, in das hinein die Nahzone erweitert würde. Eine derartige Nah-
*) Siehe Anlage 24. zonenerweiterung würde das Verhältnis zwischen dem Güterverkehr auf der Straße und demjenigen der Schiene zuungunsten der Schiene, der Bahn verschieben, weil sie zur Abwanderung von Gütern von der Bahn auf die Straße führen müßte, was auch nicht der verkehrspolitischen Konzeption der Mehrheit des Verkehrsausschusses entspräche.
Der Einwand, daß jedes Kraftfahrzeug auch innerhalb der Nahzone sich nur in einem Durchmesser eines Luftlinienkreises von 90 km bewegen müßte und niemals nach Norden oder Süden ausbrechen kann, entkräftet die von mir vorgetragenen Argumente in keiner Weise.
Wenn an der Reichsgrenze von 1919 oder gar an der Küste ein Unternehmen des Straßengüterverkehrs seinen Betrieb eröffnete, so wußte dieses Unternehmen von vornherein, daß Grenze und Küste sein Betätigungsfeld einseitig in einer Richtung abdrängen. Der Umstand, daß auch an diesen Grenzen 1919 Gebietsverluste eingetreten sind, kann nicht entscheidend ins Gewicht fallen, weil sich der motorisierte Straßenverkehr erst nach 1919 entwickelt hat.
Demgegenüber ist die unnatürliche Zonen- und Saargrenze erst 1945 gezogen worden und hat enge wirtschaftliche und verkehrsmäßige Beziehungen zerrissen. Das ist zu einer Zeit geschehen, als bereits ein entwickelter Straßengüterverkehr vorhanden war, der nun nachträglich gezwungen wurde. für das verlorene Betätigungsfeld jenseits der Grenze einen Ausgleich in Richtung auf das Bundesgebiet zu suchen. An diesen Grenzen hat jeder Nahgüterverkehr so gut wie aufgehört.
Zur sowjetischen Besatzungszone gibt es überhaupt nur vier Übergangsstellen. Im Grenzgebiet zur Tschechoslowakei, das bekanntlich auch zum Zonenrandgebiet gehört, liegen die Verhältnisse noch schlechter.
An all en übrigen Grenzen besteht dagegen ein reger kleiner Grenzverkehr, der völlig frei ist.
Darüber hinaus haben die Unternehmer des gewerblichen Güternahverkehrs der anderen Grenzgebiete auf Grund der mit unseren nördlichen, südlichen und westlichen Nachbarn bestehenden Verwaltungsabkommen die Möglichkeit, sich im grenzüberschreitenden Verkehr zu betätigen. Diese Möglichkeiten sind den Verkehrsunternehmen im Zonenrandgebiet abgeschnitten, so daß hier vordringlich Abhilfe geschaffen werden muß.
Ich möchte mich auf diese kurzen einführenden Darlegungen beschränken und bitte Sie namens des Ausschusses für Verkehrswesen, dem von ihm erarbeiteten Gesetzestext zuzustimmen und den Antrag des Ausschusses anzunehmen.
Den Artikel 3 bitte ich in Artikel 4 umzubenennen. Als Artikel 3 bitte ich in die Vorlage einzufügen:
Dieses Gesetz gilt nicht im Saarland.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Der zuletzt genannte Antrag müßte hier noch schriftlich abgegeben werden.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Bericht des Verkehrsausschusses — Drucksache 3057 — sind
inzwischen, wenn ich richtig unterrichtet bin, fünf Änderungsanträge gestellt worden: Umdrucke 949, 950, 953, 955 und 958. Da es sich hier um eine recht komplizierte Materie handelt, beantrage ich im Namen der CDU/CSU-Fraktion, der FDP-Fraktion, der FVP-Fraktion und der DP-Fraktion eine Rücküberweisung der Bundestagsdrucksache 3057 und der dazu eingebrachten Änderungsanträge an den Verkehrsausschuß mit der Auflage, daß dieser mit möglichster Beschleunigung — möglichst innerhalb von drei Wochen — dem Bundestag einen abschließenden Bericht vorlegt, auf Grund dessen dann hier eine endgültige Entscheidung getroffen werden kann.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir widersprechen dem Antrag auf Rücküberweisung an den Ausschuß. Zur Begründung darf ich kurz folgendes ausführen.
Der Verkehrsausschuß hat sich mit der Rechtsmaterie der Drucksache 3057 in vielen Sitzungen sehr ausführlich beschäftigt. In der Prinzipienfrage, nämlich in der Frage, ob die Erweiterung der Nahverkehrszone des Güterkraftverkehrs auch auf die Grenz- und Küstengebiete ausgedehnt werden soll, hat sich der Ausschuß eindeutig dahin entschieden, daß eine so weitgehende Ausdehnung der erweiterten Nahverkehrszone abzulehnen sei, weil diese Ausdehnung zu einer erheblichen Störung der bestehenden Verkehrsordnung führen würde. Er hat diese Ausdehnung abgelehnt, weil dadurch eine erhebliche Verlagerung des Verkehrsvolumens von der Schiene auf die Straße eintreten würde, und er hat sie in seiner überwiegenden Mehrheit abgelehnt, weil eine solche Ausdehnung der Nahverkehrszone auch die Ordnung innerhalb der gewerblichen Güterkraftverkehrswirtschaft erheblich gefährden würde. An dieser Prinzipienfrage hat sich in der Zwischenzeit nichts geändert. Es ist für uns also kein ersichtlicher Grund vorhanden, warum die ganze Materie im Ausschuß noch einmal behandelt werden sollte.
Noch ein zweites Argument. Der Gesetzentwurf bezweckt eine wirtschaftliche Hilfsmaßnahme für die Zonenrandgebiete und für den Saargrenzgürtel. Er soll besonders den Nahverkehrsunternehmungen am Eisernen Vorhang gewisse Erleichterungen bringen. Diese Erleichterungen müssen schnell kommen, weil sich die Verkehrsbetriebe gerade in den Zonenrandgebieten in einer sehr schwierigen Situation befinden. Ich bin der Meinung, daß eine weitere Verzögerung eine Vielzahl von mittelständischen Betrieben der Zonenrandgebiete in ihrer Existenz gefährden würde. Diese absolute Dringlichkeit sollte uns doch alle veranlassen, von einer Rücküberweisung an den Ausschuß abzusehen. Eine solche nochmalige Beratung, Herr Kollege Müller-Hermann, würde nicht drei Wochen, sondern wahrscheinlich zwei bis drei Monate in Anspruch nehmen.
Mit Rücksicht auf die Verkehrsverhältnisse in den Zonenrandgebieten ist eine solche Verzögerung nicht mehr tragbar.
Das sind die Gründe, die uns bewegen, einer Rücküberweisung zu widersprechen und den Antrag abzulehnen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Stegner.
Namens der Fraktion des GB/BHE möchte ich gleichfalls erklären, daß wir uns einer Rücküberweisung an den Verkehrsausschuß widersetzen. Meine Damen und Herren, sehen Sie sich bitte einmal die Drucksache, die den Bundesratsentwurf zum Gegenstand hat, daraufhin an, wie lange es gedauert hat, bis dieser Entwurf endlich zur Verhandlung gekommen ist. Nicht umsonst ist gerade der niedersächsische Minister für Wirtschaft und Verkehr, um ja mit den Schwierigkeiten im Zonenrandgebiet schneller und besser fertig zu werden, einer der Initiatoren des Gesetzentwurfs gewesen. Es ist nach Lage der Dinge unter keinen Umständen zu verantworten, daß eine klare Entscheidung über dieses Gesetz hinausgezögert wird.
Als einziger Einwand könnte nur noch die Grenze längs des tschechischen Staatsgebiets herangezogen werden. Über diese Frage könnte man sich aber hier im Plenum sehr schnell einig werden. Alle anderen Anträge sind, glaube ich, so speziell, daß sie auch vom Verkehrsausschuß voraussichtlich nicht berücksichtigt werden können. Aus diesen Gründen möchte ich bitten, den Gesetzentwurf jetzt hier zu behandeln und nicht an den Ausschuß zurückzuverweisen.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Geschäftsordnungsdebatte.
Ich lasse .abstimmen. Wer dem Antrag des Abgeordneten Müller-Hermann auf Rücküberweisung an den Verkehrsausschuß zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag auf Rücküberweisung ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 21 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Abgeordneten Müller-Hermann, Raestrup und Genossen betreffend Eindämmung des unechten Werkverkehrs (Drucksachen 3163, 2573).
Es liegt ein Schriftlicher Bericht*) vor.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag des Ausschusses für Verkehrswesen auf Drucksache 3163 bzw. dem Antrag Drucksache 2573 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 22 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Bleiß und Genossen betreffend Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) (Drucksachen 3121, 2420).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Rümmele. Er hat einen Schriftlichen Bericht**) erstattet. Ich danke hierfür.
*) Siehe Anlage 25. **) Siehe Anlage 26.
Wir treten in die Aussprache ein. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Antrag des Verkehrsausschusses auf Drucksache 3121 Ziffern 1 und 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 23 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Abkommen vom 21. Mai 1954 über die Arbeitsbedingungen der Rheinschiffer ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 3128).
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Franzen, hat einen Schriftlichen Bericht***) vorgelegt.
Ich rufe in Einzelberatung der zweiten Lesung auf die Artikel 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 24 der Tagesordnung:
Beratung der Entschließungen der 45. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union .
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 25 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verteidigung über den Antrag ,der Fraktion der SPD betr. Lage von Militärflugplätzen und anderen militärischen Einrichtungen (Drucksachen 3130, 2767).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Schneider .
— Das Hohe Haus verzichtet auf Berichterstattung.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht Mitglied des Verteidigungsausschusses und möchte deswegen die Ge-
***) Siehe Anlage 27. legenheit wahrnehmen, hier einige wenige Bemerkungen zu dem Antrag zu machen. Der Antrag des Ausschusses ist ein Verfahrensantrag, der die Bundesregierung bittet, die Richtlinien bekanntzugeben, von denen sie sich bei der Anlage von Militärflugplätzen und anderen lärmentwickelnden und gefährlichen Einrichtungen leiten läßt. Es wird weiter beantragt, daß die Gesamtplanung über die Errichtung von solchen Flugplätzen etc. dem Ausschuß bekanntgegeben werden möge.
Ich bin sehr erfreut darüber, daß in dem Antrag mittelbar auch schon eine Stellungnahme zur Sache enthalten ist; denn der Satz unter Ziffer 1 besagt eben, daß die betreffenden Militärflugplätze und anderen militärischen Einrichtungen wegen der Lärmeinwirkung oder der besonderen Gefahr im Kriegsfall nicht in lichtbesiedelten Gebieten erstellt werden sollten.
Ich erlebe in meinem Wahlkreis ein Beispiel dafür, daß solche Sachen vom Bundesverteidigungsministerium ein wenig zu bürokratisch und ein wenig gedankenlos behandelt werden. Dort befindet sich in Großsachsenheim, mitten in einem dichtbesiedelten Gebiet zwischen den Städten Pforzheim, Heilbronn und Ludwigsburg, ein Gelände, das dem Bund gehört und das schon einmal als Flugplatz genutzt worden ist. Damals aber gab es noch keine lärmentwickelnden Düsenjäger, und damals gab es auch noch keine Atom- und Wasserstoffbomben. Damals konnte es sinnvoll sein, an dieser Stelle einen Jagdflugplatz zu errichten. Heute unter den gewandelten Verhältnissen ist das ganz sicher nicht nur nicht sinnvoll, sondern es ist gefährlich und nicht zu verantworten. Deshalb hat sich auch der Bevölkerung in diesem Kreis eine große Erregung bemächtigt, 'als das Projekt bekannt wurde. Die örtlichen Behörden, die Landesregierung und alle Parteien sind sich darüber einig, daß es nicht zur Durchführung des Projekts kommen darf.
Ich freue mich deshalb, daß sich der Verteidigungsausschuß in dem Nebensatz zu dem Grundgedanken des sozialdemokratischen Antrags bekannt hat und wir hoffen dürfen, daß die Bundesregierung auch vom Bundestag den Auftrag erhält, in der Anlage solcher militärischer Objekte mehr Weisheit walten zu lassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich kurz fassen. Ich bedauere an sich, daß der Kollege Mommer überhaupt ,das Wort dazu genommen hat, da wir doch vereinbart hatten, die Angelegenheit hier im Augenblick nicht weiter zu beraten. Ich glaube, daß das Haus sich in seiner Gesamtheit darüber einig ist und daß die Sorge auf 'allen Seiten dieses Hauses die gleiche ist, daß nämlich angesichts der großen Beunruhigung und starken Belastung speziell durch Lärm und andere Geräusche auf der einen Seite und des starken Ruhebedürfnisses in dem heutigen hektischen Getriebe auf der anderen Seite auf militärischem Gebiet alles getan werden muß, um eine weitere Belastung der Bevölkerung zu vermeiden.
Trotzdem wird es natürlich nicht ganz ohne Belastungen abgehen können. Die militärischen Erfordernisse müssen zwar grundsätzlich im Vordergrund stehen, man wird aber in jedem Fall bemüht sein, einen brauchbaren Kompromiß zwischen
den militärischen Erfordernissen und den Belangen der Bevölkerung zu finden. Dabei ist es selbstverständlich, daß speziell auf dicht bevölkerte Wohn- und Siedlungsgebiete eine besondere Rücksicht genommen werden muß. Andererseits darf nicht verkannt werden, daß wir uns in der Bundesrepublik Deutschland insofern in einer besonders schwierigen Lage befinden, als die Raumnot in unserem Land ganz erheblich ist. Ich brauche dazu keine weiteren Ausführungen zu machen. Gerade diese Raumnot zwingt das Verteidigungsministerium und die anderen dafür zuständigen Stellen, so weit wie möglich auf ehemalige militärische Anlagen zurückzugreifen. Ich glaube, in manchen Fällen ist es den betreffenden Gemeinden oder Ländern sogar nicht einmal unerwünscht.
Was speziell die Fliegerhorste betrifft, so müssen wir uns auch an die Gesamtplanungen halten, die im Rahmen der NATO bestehen, und können nicht ohne weiteres nach eigenem Ermessen die Fliegerhorste aussuchen. Daß gerade auf dem Sektor Fliegerhorste in Zukunft eine besondere Belastung der in der Nähe wohnenden Bevölkerung zu erwarten ist, ist eine im Augenblick nicht zu leugnende Tatsache, und wir alle können nur hoffen und wünschen, Herr Kollege Mommer, daß die Forschung und die Wissenschaft entsprechende Mittel finden, um bei weiterem Anstieg des Lärms durch die modernen Motoren beispielsweise entsprechende Vorkehrungen treffen zu können.
— Das wäre das allerbeste. Ich glaube, Herr Kollege Mommer, daß das ganze Haus sich darin einig ist und daß es hier keinen Unterschied in den Fraktionen gibt, daß es am besten ist, diese Dinge überflüssig zu machen. Aber wir wollen hier keine außenpolitische Debatte und auch keine wehrpolitische Aussprache eröffnen. Das würde, glaube ich, in diesem Rahmen zu ,weit führen.
Daß der Bund sich darüber hinaus bei der Schaffund von militärischen Anlagen allgemeiner Art mit den Ländern abstimmen muß, liegt in der Tatsache begründet, daß wir nun einmal die Länder haben und daß die Länder in vielen Fällen das Hoheitsrecht über die betreffenden Gelände, Anlagen usw. besitzen. Ich brauche in diesem Zusammenhang wohl nicht besonders darauf hinzuweisen, daß besonders gefährliche Anlagen, wie Munitionslager, Treibstofflager usw., unter keinen Umständen in die Nähe dicht besiedelter Gebiete gelegt werden. Im großen und ganzen kann man jedenfalls sagen, daß unter Berücksichtigung von militärischen Belangen auf der einen Seite und von Belangen der ruhebedürftigen Bevölkerung auf der anderen Seite von seiten der Regierung darauf geachtet werden wird, daß speziell die Landbeschaffung möglichst in einer Art und Weise erfolgt, die Kompromisse erlaubt. Dabei will der Bund seinerseits — das hat die Regierung versichert — großzügig sein und gegebenenfalls auch mit den Ländern entsprechende Tauschgeschäfte machen.
Abschließend darf ich sagen, daß — obwohl grundsätzlich festgestellt wurde, daß man weitestgehend Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nehmen will — doch hier keine ins Detail gehenden genauen Richtlinien bekanntgegeben werden können, weil die militärischen Erfordernisse hier und dort wechseln und weil auch der Zustand oder die ganze geographische Lage der ehemaligen Anlagen es oftmals erforderlich machen, daß man auf andere
Plätze ausweicht. Ich glaube aber versichern zu können, daß die Fraktionen der Regierungsparteien — und damit kann ich es vielleicht gleichzeitig für die Regierung ausdrücken — auf jeden Fall
— na ja, warum nicht, Herr Kollege Ritzel? — auf die Belange der Zivilbevölkerung Bedacht nehmen werden, die vom rein menschlichen Standpunkt aus selbstverständilch und vom militärischen Standpunkt aus vertretbar sind.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Ausschußantrag auf Drucksache 3130 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 26 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben für das Rechnungsjahr 1953 (Drucksachen 3149, 1828).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Ohlig. — Verzichtet das Hohe Haus auf den Bericht? — Das ist der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache 3149 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Eine Gegenstimme des Abgeordneten Ritzel. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Gegen eine Stimme angenommen.
Ich rufe Punkt 27 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschuses über den Antrag der Abgeordneten Dr. Conring, Dr. Vogel, Giencke, Glüsing und Genossen betreffend Bundesmittel für den Insel- und Küstenschutz sowie für wasserwirtschaftliche Maßnahmen im Küstengebiet im Haushaltsjahr 1957 (Drucksachen 3148, 2995).
Als Berichterstatter hat der Abgeordnete Heiland das Wort. — Das Hohe Haus verzichtet auf den Bericht? — Das ist der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Wer dem Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache 3148 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 28 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Höcherl, Wacher , Frau Geisendörfer, Unertl, Frau Dr. h. c. Weber (Aachen), Hübner, Schneider (Bremerhaven) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Ladenschluß (Drucksache 3137);
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Böhm , Dr. Dresbach, Kühlthau und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über den Ladenschluß (Drucksache 3213).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, beide Entwürfe an den Ausschuß für Arbeit als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik als mitberatenden Ausschuß zu überweisen.
Hierzu hat der Abgeordnete Rasner das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, diese Vorlagen auch an den Ausschuß für Mittelstandsfragen als mitberatenden Ausschuß zu überweisen.
Weiterhin wird beantragt, beide Entwürfe außer an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik auch an den Ausschuß für Mittelstandsfragen als mitberatenden Ausschuß zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich bitte noch einen Augenblick um Ihre Aufmerksamkeit. Ich bin auf eine Unstimmigkeit hingewiesen worden, die hinsichtlich des vom Deutschen Bundestag in seiner 187. Sitzung am 21. Januar 1957 verabschiedeten Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetzes nach der Beschlußfassung durch Bundestag und Bundesrat im Zuge der Vorbereitung der Verkündung festgestellt worden ist. In der Anlage 4 zu Art. 2 § 32 des Gesetzes muß es in der Spalte „Geburtsjahr 1895 - Rentenbeginn 1931" anstatt „10,9" richtig heißen „10,0". Die Unstimmigkeit ist heute im Redaktionskomitee im Beisein von Vertretern des Bundesarbeitsministeriums und auch des Bundesrats geprüft und einhellig als einfacher Druckfehler bestätigt worden. Es wird gebeten, heute dazu Stellung zu nehmen, damit morgen der Bundesrat dieselbe Stellung einnehmen kann. Ich nehme an, daß das Haus mit der Richtigstellung einverstanden ist. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste, die 194. Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 22. Februar, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.