Rede von
Ludwig
Metzger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Änderungsantrag, der jetzt vorgelegt wird, hat, abgesehen von kleinen Modifikationen, denselben Inhalt wie der Antrag, den wir zu § 67 in der zweiten Lesung vorgelegt haben. Mit dem Antrag wird versucht, dem Staate zu geben, was des Staates ist, aber zu gleicher Zeit all den Wünschen, die aus den verschiedenen Gruppen und Kreisen unseres Volkes kommen, so weit wie irgend möglich Rechnung zu tragen.
Der Antrag hat also einen versöhnlichen Charakter; wir möchten vermeiden, daß wir in eine Kulturkampfstimmung kommen; wir möchten damit erreichen, daß das gesetzlich festgelegt wird, was von dem ganzen Hause gebilligt wird. Es soll die Garantie dafür geschaffen werden, daß das, was man von Staats wegen .will, auch vom Staat durchgeführt werden kann.
Wir sind uns in der zweiten Lesung darüber einig gewesen — der Herr Bundesinnenminister hat das noch einmal betont —, daß die obligatorische Zivilehe völlig unantastbar bleiben soll. Der Herr Bundesinnenminister hat ein Bekenntnis zu dieser obligatorischen Zivilehe abgelegt, ohne allerdings die rechtlichen und gesetzgeberischen Konsequenzen daraus zu ziehen. Frau Dr. Schwarzhaupt hat namens der CDU-Fraktion noch einmal versichert, daß die katholische Kirche ihre Bereitschaft zur Wahrung der Ordnung der obligatorischen Zivilehe und des zeitlichen Vorrangs der standesamtlichen Eheschließung vor der kirchlichen Eheschließung erklärt habe. Wir haben also in dieser Frage, in Erklärungen jedenfalls, eine gemeinsame Stellung bezogen. Trotzdem hat die CDU die Streichung des § 67 beantragt und in der zweiten Lesung durchgesetzt.
— Ich glaube, das ist eine Tatsache; die kann man nicht bestreiten.
Wir dürfen dabei nicht übersehen, daß mit der Streichung des § 67 nicht nur die Strafbestimmung gestrichen worden ist — dazu werde ich noch etwas zu sagen haben —, sondern daß man zu gleicher Zeit die grundlegende Bestimmung, die das besagt, was die CDU nach ihrer Erklärung selbst auch will, gestrichen hat.
Herr D r. K o p f meinte in seinen Ausführungen, der Vorrang der staatlichen Eheschließung vor der kirchlichen Trauung habe lediglich den Sinn, eine zeitliche Reihenfolge der beiden Akte festzusetzen. Es handle sich deswegen nur um die Verletzung einer Ordnungsvorschrift, die keine Bestrafung rechtfertige; zur Bestrafung, wie gesagt, komme ich noch. Es ist kein Zweifel, daß in dem
') Siehe Anlage 12. § 67 nur die zeitliche Reihenfolge festgelegt war, und es ist kein Zweifel, daß sich das seinem Wesensgehalt nach als eine Vorschrift dargestellt hat — die, wie gesagt, gestrichen worden ist —, die lediglich eine Ordnung des staatlichen Zusammenlebens geschaffen hat.
Aber wir müssen uns doch auch fragen, was diese Ordnung bezweckt. Es kommt bei dieser Ordnung doch darauf an, daß die obligatorische Zivilehe, die — ich wiederhole es — von allen bejaht wird, in ihrem Bestand gesichert wird. Sie will verhindern, daß dadurch, daß zunächst kirchlich getraut wird oder vielleicht überhaupt nur kirchlich getraut wird, die standesamtliche Trauung unterbleibt und damit die obligatorische Zivilehe in ihrem Wesen verneint und unmöglich gemacht wird.
Mit diesem geordneten Verfahren wird etwas sehr Bedeutsames bezweckt. Die obligatorische Zivilehe mit ihrem Toleranz- und Friedensgedanken soll gesichert werden. Ich lege Wert darauf, daß mit bedacht wird, daß darin ein Toleranz- und ein Friedensgedanke steckt. Es kommt uns darauf an, daß dieser Friedensgedanke verwirklicht und gesichert wird.
Wir wollen doch einmal sehen, was weite Kreise des deutschen Volkes, etwa die evangelische Kirche, zur Frage der obligatorischen Zivilehe sagen. Es wird immer so getan, als wenn auf die katholischen Mitglieder unseres Volkes da unter Umständen Gewissenszwang ausgeübt werden könnte, weil man zuerst die standesamtliche Trauung verlangt. Es kann aber gar keine Rede von Gewissenszwang sein. Wir müssen doch auch einmal auf die Gewissensbedenken des anderen Volksteils hören. Es wäre gut, wenn gerade die Mitglieder der CDU, auch die evangelischen Mitglieder der CDU, Kenntnis davon nähmen, was denn die evangelische Kirche zu diesem Punkte zu sagen hat. Ich bedauere es, daß in einem solchen Augenblick so wenige da sind, um das einmal zur Kenntnis zu nehmen.
Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, also für Gesamtdeutschland — sie ist das oberste Organ der evangelischen Kirche — hat auf ihrer Tagung in Berlin-Spandau im Jahre 1954 folgende Entschließung gefaßt:
Die Synode befürchtet, daß die Einführung der fakultativen Zivilehe zu Gewissenszwang führt, die Rechtseinheit beeinträchtigt und Rechtsverwirrung stiftet, was um des Zusammenlebens der Menschen in unserem Volke willen vermieden werden muß.
Sie haben also auch hier wieder den Friedensgedanken. Die evangelische Kirche sagt: Uns kann es nicht einerlei sein, wie das Zusammenleben der Menschen in unserem Volke ist, und deswegen weist sie auf drei sehr schwerwiegende und gar nicht ernst genug zu nehmende Punkte hin, nämlich daß Gewissenszwang ausgeübt werden kann —wenn wir von der jetzigen Regelung abkommen —, daß die Rechtseinheit beeinträchtigt und daß Rechtsverwirrung gestiftet werden könnte.
Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einmal vorlesen, was der Vorsitzende des Ausschusses „Familie", der diese Entschließung vorbereitet hat, dann, als er die Entschließung dem Plenum der Synode vorlegte, dazu ausgeführt hat. Ich glaube, es ist wichtig, auch das einmal zur Kenntnis zu nehmen. Ich will Ihnen das nur im
Auszug bringen; es wäre aus dem Protokoll der Synode, das sehr dick ist, noch sehr vieles zu zitieren. Der Vorsitzende dieses Ausschusses „Familie", Herr Professor Reiser — ein Jurist, kein Theologe —, führt u. a. aus:
Im letzten Satz haben wir eingefügt,
— das ist der Satz, den ich vorgelesen habe —
daß wir von der Einführung der fakultativen Zivilehe — —
— Von was die Rede ist, darf im Augenblick ich bestimmen. Ich spreche zur Frage der obligatorischen Zivilehe, und das ist das Thema, Frau Kollegin!
Im letzten Satz haben wir eingefügt, daß wir von der Einführung der fakultativen Zivilehe nicht nur einen Schaden für die Rechtseinheit, sondern einfach Rechtsverwirrung befürchten. Man könnte fragen: Ist es überhaupt Sache der Evangelischen Kirche und ist es Sache der Synode, das Anliegen der Rechtseinheit zu dem ihren zu machen? Könnte man nicht sagen: Das braucht uns nicht zu beschäftigen, das mag der weltliche Gesetzgeber als sein Anliegen betrachten? Aber ich möchte doch meinen, daß es hier um mehr geht als um das ästhetische Bedürfnis, daß nicht verschiedenes Recht, sondern daß e i n Recht unter uns herrsche. Ich glaube, daß wir gerade in diesem Punkt uns in einer sehr charakteristischen Weise vom Standpunkt etwa der Katholischen Kirche unterscheiden. Die Katholische Kirche, die auch hier ihr kanonisches Eherecht zur Grundlage ihrer Überlegungen macht, ist geradezu genötigt, hier zu sagen: Uns interessieren überhaupt nur die Sakramentsehen und die katholischen Christen, die in diesen Sakramentsehen leben; was mit allen anderen Ehen in unserem Volke geschieht, darum brauchen wir uns keine Gedanken zu machen. Das ist sehr kraß gesagt, aber ist jedenfalls die praktische Konsequenz des katholischen Standpunktes. Wir dürfen so nicht sprechen, da wir, wie auf der ersten Seite gesagt ist, nach unserem Verständnis der Heiligen Schrift einen Wesensunterschied zwischen Ehen von Getauften und Nichtgetauften, von Christen und Nichtchristen nicht anzuerkennen vermögen.
So dürfen wir uns auch nicht auf den Standpunkt stellen: Uns interessieren nur die Ehen von evangelischen Christen; welches Recht für die anderen gilt, braucht uns nicht zu beschäftigen. Ich glaube, daß wir wirklich hier die Verantwortung, die ja auch die Evangelische Kirche in diesem Punkt für die Gestaltung des Rechts hat, weiter spannen müssen und daß wir uns aus diesem Grunde auch als Evangelische Kirche dafür einsetzen sollten,
daß in diesem Punkte keine Rechtszersplitterung eintritt, sondern die Rechtseinheit gewahrt wird.
Wenn die sehr verehrte Frau Kollegin Weber, der ich in diesem Bundestag in vielen Dingen auch schon habe zustimmen können, der Meinung ist, daß uns das nicht interessiert,
so beweist sie doch im Grunde genommen, daß sie das nicht interessiert, was ein großer Teil des deutschen Volkes, vertreten durch die Evangelische Kirche, zu diesem Punkt gesagt hat.
Ich glaube, es ist notwendig, daß der Bundestag einmal davon Kenntnis nimmt, welche Sorgen in weiten Kreisen unseres Volkes in dieser Frage bestehen. Diese Sorgen zwingen dazu, in dem Sinne wie zitiert Stellung zu nehmen und darum zu kämpfen, daß nicht eine Rechtszersplitterung eintritt, sondern daß die Rechtseinheit geschaffen wird, daß auch um derentwillen, die anderer Auffassung sind als die Katholische Kirche, ein Recht geschaffen wird, das auch von ihnen akzeptiert wird, daß also der Gedanke der Toleranz und der Gedanke des Friedens in unserem Volke dabei wirklich zum Ziele kommen.
— Was steht nicht zur Diskussion?
— Ich werde Ihnen gleich sagen, warum sie zur Diskussion steht. Diese Frage steht deswegen zur Diskussion — Herr Kollege Müller, das wissen Sie ganz genau —, weil man in diesem Bundestag bereit ist, die Bestimmung zu streichen, die die obligatorische Zivilehe bejaht und sichert.
Deshalb ist es, glaube ich, notwendig, daß dieser Bundestag sich einmal Gedanken macht über das Gewicht dieser Institution und über das Gewicht, das die Bestimmungen, die damit zusammenhängen, dadurch bekommen.
Ich will Ihnen zeigen, daß es nicht so ist, wie Herr Kollege Kopf meint, daß es eine einfache Ordnungsvorschrift ist, wie diejenige, daß man Eis verkaufen oder nicht verkaufen darf, sondern es ist eine Ordnungsvorschrift, die an die Lebensfragen unseres Volkes geht. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Da geht es nicht, einfach mit einer Handbewegung zu sagen: Das interessiert uns nicht, und das hat mit dieser Sache nichts zu tun.
Wenn man das sieht, was hier an Sorgen vorgetragen wird, kann man nicht so leicht wie Herr Kollege Dr. Kopf sagen, daß die vorzeitige Vornahme der kirchlichen Trauung lediglich die Reihenfolge der beiden Akte störe. Damit wird doch gesagt, daß es im Grunde genommen eine reine Ordnungsfrage ist, ob es so oder so behan-
delt wird, und daß es im Grunde genommen nicht so wichtig ist. Aus diesen Äußerungen können Sie ersehen, daß man die Frage nicht so ernst nimmt, wie sie eigentlich genommen werden müßte.
Frau Kollegin Schwarzhaupt hat den Standpunkt vertreten, daß ein Strafgesetz jetzt nicht mehr am Platze sei, weil diese Ordnung im deutschen Volk von selbst wirksam geworden sei. Dabei hat sie ausgeführt, daß die hisherige Reihenfolge von kirchlicher und standesamtlicher Trauung auch ohne Strafvorschrift gesichert sei. Ich will dabei unterstellen, daß bei Frau Kollegin Schwarzhaupt hier nur ein lapsus linguae vorliegt, wenn sie von „kirchlicher und standesamtlicher Trauung" spricht. Denn die Reihenfolge ist: standesamtliche und kirchliche Trauung. Aber immerhin ist das vielleicht ganz bezeichnend dafür, daß man darin nicht so genau denkt.
Frau Kollegin Schwarzhaupt meinte, die Ordnung, die sich auf die Reihenfolge der Trauung bezieht, sei auf Grund ihrer Vernünftigkeit und Rechtlichkeit überzeugend und zwingend; deswegen brauche man sie nicht mehr gesetzlich festzulegen, und deswegen brauche man keine Sanktionen mehr.
Wir haben dazu Stellung zu nehmen, ob diese Ordnung im gesamten deutschen Volk so überzeugend und zwingend ist, daß sie ohne weiteres von allen akzeptiert wird. Daß sie von dem größten Teil des deutschen Volkes einschließlich der katholischen Mitbürger akzeptiert wird, darüber gibt es keinen Zweifel. Es ist bei allen Ordnungsvorschriften, bei allen Geboten und Verboten so, daß der größte Teil der Bevölkerung sie akzeptiert. Wenn man trotzdem Sanktionen einführt, dann deswegen, weil es immer eine kleine Schar gibt, die sie nicht akzeptiert. Diese kleine Schar ist vorhanden; das ergibt sich eindeutig aus dem, was in der zweiten Lesung gesagt worden ist.
Zunächst einmal ist auf die Tatsache hinzuweisen, daß diese Ordnungsvorschrift in den letzten Monaten und Jahren in mindestens acht Fällen verletzt worden ist. Man kann natürlich sagen: Das bezieht sich auf die Onkelehen; diese Frage ist durch die Erklärung des Vatikans erledigt, und deswegen scheidet diese Frage aus. Frau Kollegin Weber hat beim letzten Mal den Zwischenruf gemacht, das seien ja nur wenige Fälle. Es werden in der Regel nur wenige Fälle sein, durch die gegen eine staatliche Anordnung verstoßen wird. Aber wegen dieser wenigen Fälle muß es Sanktionen geben. Die Tatsache, daß man gegen diese Anordnung verstoßen hat, beweist, daß die Anordnung keineswegs so zwingend und so überzeugend verwurzelt ist, daß sie keineswegs von jedem akzeptiert wird.
Hinzu kommt, daß in der Strafverhandlung gegen den Pfarrer Neun der Verteidiger Ausführungen gemacht hat, die eindeutig beweisen, daß von einer „zwingenden" Ordnung nicht die Rede sein kann. Der Verteidiger des Herrn Pfarrers Neun hat sehr deutlich erklärt, daß er sogar der Meinung ist, diese Ordnung sei verfassungswidrig. Auch Herr Kollege Kopf hat diese Frage angeschnitten. Er ist allerdings als redlicher und gewissenhafter Jurist etwas vorsichtiger gewesen. Er hat die Frage aufgeworfen, ob nicht ein Verstoß gegen die Verfassung, gegen den Artikel 4 Absatz 2 des Grundgesetzes vorliegen könne. Er hat nicht die Behauptung aufgestellt, aber Herr Professor Bosch, der Verteidiger von Herrn Pfarrer Neun und Herausgeber einer bekannten Rechtszeitschrift über die Familie, hat die Behauptung aufgestellt, mit sehr aggressiven Worten, mit Worten so aggressiv, daß auch die Koalition und die Regierung, wenn sie diese Rede einmal nachlesen, nicht ihre reine Freude darüber haben werden. Hier ist doch die Frage einfach die: Wollen wir Deutsche denn immer ins Extrem fallen? Einmal huldigen wir dem totalitären System, und dann vertreten wir einen Standpunkt, der beinahe an die Anarchie grenzt. Wenn Herr Professor Bosch z. B. in seinem Plädoyer erklärt hat, der Staat sei keinesfalls mehr die Ordnung des Lebens, so hat er damit doch wirklich die Grenze der Anarchie gestreift, und Sie können daraus ersehen, was alles gefällig ist, sogar von Leuten, die beruflich das Recht zu vertreten haben. Ich meine, auch das sollte uns doch zu denken geben; das sollte uns zeigen, daß wir längst nicht so weit sind, gewisse Ordnungen einfach als selbstverständlich hinnehmen und ihre Verletzung ohne Sanktionen lassen zu können.
Es ist natürlich gar kein Zweifel, daß diese Vorschrift, diese Ordnung nicht gegen Artikel 4 des Grundgesetzes verstößt. Dort ist die ungestörte Religionsausübung gewährleistet. Wie kann man sagen, daß deswegen, weil zuerst die standesamtliche Trauung vorgenommen werden muß, die Religionsausübung in irgendeiner Weise gestört sei! Das kann doch im Ernst niemand sagen. Aber wenn man es sagt, beweist man eben, wie wenig man diese Ordnung akzeptiert hat, wie sehr man gegen diese Ordnung steht und wie sehr man bereit ist, sie unter Umständen auch zu Fall zu bringen da, wo es taktisch oder sonst irgendwie möglich ist.
Wenn also schon ein so bedeutender Vertreter einer gewissen Richtung des Katholizismus diese Ordnungsvorschrift für verfassungswidrig erklärt oder, so wie Herr Kollege Kopf, die Frage aufwirft, ob sie nicht verfassungswidrig sein könnte, dann kann man nicht, wie Frau Schwarzhaupt es getan hat, behaupten, es handle sich um eine Ordnung, die aus sich heraus auf Grund ihrer Vernünftigkeit und Rechtlichkeit überzeugend und zwingend wirke, und deshalb sei auch eine Sanktion heute nicht mehr nötig.
Wir alle sind uns doch völlig darüber im klaren, daß der Staat das Recht und die Pflicht hat, Ehevoraussetzungen und Ehehindernisse zu schaffen. Herr Kollege Arndt hat in der zweiten Lesung mit Recht darauf hingewiesen, daß dieser Bundestag, daß Sie selber ja ein Ehehindernis geschaffen haben, etwa bei den Grenzpolizeibeamten; es muß eine gewisse Voraussetzung erfüllt sein, bevor der betreffende Beamte getraut werden kann, also auch kirchlich getraut werden kann. Damit geben Sie selber zu, daß von einer Verletzung der ungestörten Religiosausübung gar nicht die Rede sein kann.
Herr Kollege Kopf hat mit Recht darauf hingewiesen, daß es die andere Bestimmung gibt, nach der jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbständig, aber innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes ordnen und verwalten kann. Das sind eben die Schranken, die der Staat aufstellen muß, wenn er eine Ordnung in einem Volke, das religiös und weltanschaulich gespalten ist, gerade in diesen Fragen herbeiführen will.
Schließlich hat Frau Dr. Schwarzhaupt selber — sie hat gar nicht gemerkt, wie sie sich mit sich selber in Widerspruch gesetzt hat — erklärt, es gebe innerhalb des Katholizismus Stimmen, die „für die Zukunft" — wie sie so schön sagte — eine fakultative kirchliche Eheschließung einführen wollten. Wer schon darauf aus ist, demnächst, in der Zukunft, sobald die Gelegenheit günstig ist, die fakultative Ehe einzuführen — ich unterstelle, daß das nur ein kleiner Teil innerhalb der katholischen Kirche ist und daß das, was vom Vatikan in dieser Beziehung gesagt worden ist, ernst gemeint ist; ich habe keine Veranlassung, daran zu zweifeln —,
der beweist doch damit, Frau Kollegin Weber — selbst wenn es nur eine kleine Schicht ist, die auf die Gelegenheit wartet, die obligatorische Zivilehe abzuschaffen —, wie richtig es ist, hier eine klare gesetzliche Regelung zu treffen. Dann aber kann Frau Kollegin Schwarzhaupt nicht im gleichen Atemzuge behaupten, diese Ordnung sei so überzeugend und so in das Denken und Wollen unseres Volkes eingegangen und so zwingend, daß man eine gesetzliche Regelung überhaupt nicht mehr nötig habe.
Wir haben hier also nicht nur eine Ordnung, die von selbst wirksam ist, zu verteidigen, die auf Grund ihrer Rechtlichkeit von selbst wirkt, sondern wir haben durchaus Veranlassung, .dafür einzutreten, daß die Ordnung, die der Staat will, die dieser Bundestag, die alle Abgeordneten des Bundestages erklärtermaßen wollen, auch gesetzlich festgelegt wird.
Die andere Frage ist nun, wie eine solche Ordnung gesichert werden soll. Wenn der Staat Verbote und Gebote erläßt, dann geht er davon aus, daß man dafür auch eine Sanktion geben muß. Wenn diese Sanktion nicht gegeben ist, spricht der Jurist von einer lex imperfecta, und er bringt damit zum Ausdruck, daß ein solches Gesetz unvollkommen ist. Wir haben nur wenige Fälle solcher unvollkommenen Gesetze, solcher Gesetze, .die keine Sanktion haben, wenn Gebote rund Verbote vom Staat gegeben werden.
Wir haben uns überlegt, wie man dem Friedensgedanken in dieser Frage weithin Rechnung tragen kann. Wir haben das abgelehnt, was selbst die Bundesregierung im Laufe der ganzen Gesetzgebungsarbeit schon akzeptiert hatte, nämlich den Verstoß gegen die Ordnung, daß zunächst standesamtlich getraut werden muß, mit einer Geldstrafe bis zu 500 DM zu belegen. Wir haben also diese viel weitergehende Konzeption und Akzeptation der Bundesregierung gar nicht einmal in unsern Antrag aufgenommen, sondern sind davon ,ausgegangen, daß wir den Frieden in unserem Volke und deshalb die Ordnung mit den wenigst scharfen Mitteln gewährleistet haben wollen.
Deswegen sind wir in unserm Antrag davon ausgegangen, daß die Nichtbefolgung der Anordnung, daß zunächst standesamtlich und dann erst kirchlich zu trauen ist, nichts anderes als einen Verstoß gegen eine Ordnungsvorschrift darstellt, der nicht mit Strafe belegt, sondern nach unserm Gesetz nur mit
Geldbuße geahndet wird. Wir sind der Meinung, daß das als Sanktion für die Verletzung einer solchen Vorschrift, die geschrieben dastehen muß, ausreichen wird, daß damit dafür gesorgt ist, daß eine solche Vorschrift von denen — von den wenigen, wie ich annehme —, die nicht willens sind, sie zu akzeptieren, tauch wirklich befolgt wird.
Ich glaube, das ist eine Forderung, die nicht mehr als recht und billig ist. Es kann weiß Gott niemand behaupten, daß wir damit übermäßige Forderungen stellen, daß wir damit irgendeinem Kulturkampfgedanken nachhängen. Wir denken gar nicht daran. Wir sind ganz im Gegenteil der Meinung — das entspricht unserer Einstellung —, daß die freie Religionsausübung gewährleistet sein muß. Wenn ein Staatsbürger der Bundesrepublik glaubt, daß er seine Ehe sakramental schließen muß, dann soll und muß er die Freiheit dazu haben, und wenn irgend jemand in Deutschland diese Freiheit nicht zugestehen wollte, dann hätte derjenige, der die Ehe sakramental schließen möchte, in der Sozialdemokratischen Partei seine beste Verfechterin.
Wir sind der Meinung, daß der Staatsbürger nach seinem Gewissen, nach seiner religiösen Überzeugung handeln darf und handeln soll. Es geht gar nicht um die Frage, ob man die sakramentale Ehe bejaht oder nicht bejaht, wie das in der Diskussion oft behauptet warden ist. Die sakramentale Ehe wird bejaht. Es geht nur darum, daß eine Ordnung geschaffen wird, in der gewährleistet ist, daß alle deutschen Staatsbürger die gleiche staatliche Eheschließung vornehmen, die die Sicherheit dafür gibt, daß die Rechtseinheit in unserem Volke gewahrt ist.
Es ist davon die Rede gewesen — Herr Kollege Kopf hat es gesagt —, daß es sich bei dieser Ordnungsvorschrift um ein Relikt aus dem Staatskirchentum handle. Auch da kann ich den Widerspruch in seinen Ausführungen nicht übersehen. Auf der einen Seite bejaht man die Ordnung. Auf der anderen Seite sagt man: Wenn sie festgelegt wird, dann stellt das ein Relikt aus dem Staatskirchentum dar. Davon kann überhaupt nicht die Rede sein.
Es ist auch nicht so, wie Frau Kollegin Schwarzhaupt behauptet hat; sie hat wörtlich gesagt:
Schließlich ist es für den Katholiken schwer tragbar, daß der Staat eine geistliche Handlung eines katholischen Pfarrers, ein Sakrament, überhaupt unter Strafe stellt.
Zunächst einmal hat Herr Kollege Kopf von der katholischen Theologie aus ganz richtig interpretiert, daß nicht der Pfarrer das Sakrament spendet, sondern daß sich die beiden Eheschließenden das Sakrament spenden. Also kann man von einer Sakramentsvornahme, die beim Pfarrer bestraft wird, nicht sprechen. Aber darum geht es überhaupt nicht, sondern es geht doch darum, daß derjenige, der sich nicht an diese Ordnung hält, weil er sich weigert, zunächst einmal die staatliche Eheschließung vornehmen zu lassen, wegen dieser Verletzung der Ordnung im Wege des Bußverfahrens — da es sich nach unserer Meinung um eine Ordnungsvorschrift handeln soll — belangt werden soll. Es heißt doch einfach die Grundlagen verschieben, wenn man so tut, als ob jemand dafür bestraft wird, daß er ein Sakrament spendet oder eine kirchliche Handlung vornimmt.
Dafür wird er eben nicht bestraft. Ich muß auch gegenüber der Legendenbildung und gegenüber böswilligen Behauptungen, die draußen schon wieder in vielen Blättern verbreitet werden,
ganz eindeutig sagen: Nicht die kirchliche Handlung soll bestraft werden, sondern die Tatsache, daß man ein staatliches Gesetz mißachtet, das vorschreibt, zunächst die standesamtliche Eheschließung vorzunehmen. Die Nichtbeachtung dieser Vorschrift soll entsprechend der Art, wie .das nach dem Ordnungsverfahren vor sich geht, geahndet werden.
Wir haben dann noch die weitere Bestimmung vorgesehen, daß der Geistliche, der eine kirchliche Trauung vorgenommen hat, ohne die standesamtliche Eheschließung abgewartet zu haben, verpflichtet ist, diese Trauung bei der zuständigen Behörde anzuzeigen, und daß er auch dann, wenn er diese Anzeige nicht erstattet, eine Ordnungswidrigkeit begeht, also ebenso in ein Geldbußverfahren genommen werden kann. Ich glaube, auch das sollte selbstverständlich sein. Wenn man Ordnung im Staate will und wenn man das will, was Sie selber zu wollen behauptet haben, dann muß man zumindest diese Bestimmung akzeptieren. Stellen Sie sich vor, daß kirchliche Trauungen ohne standesamtliche Eheschließung vorgenommen würden und daß nicht einmal erforderlich wäre, die Anzeige zu erstatten. Dann würden unter der Decke auf einmal eine ganze Reihe von Ehen da sein, die keine gesetzlichen Ehen sind. Unter Umständen würden Menschen sogar der Meinung sein, es seien Ehen im Rechtssinne; sie würden sich täuschen und erst nachher die großen Enttäuschungen erleben.
I) Wenn wir überhaupt noch einen Funken Verständnis für Ordnung und die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens aufbringen, müssen wir um dieser Ordnung, um der Klarheit und der Sauberkeit willen zum allermindesten dafür sorgen, daß dann, wenn eine solche kirchliche Trauung ohne vorherige standesamtliche Eheschließung vorgenommen wird — es gibt ja Fälle, in denen das rechtlich möglich ist; wir selbst haben sie in unserem § 67 mit vorgesehen, nämlich im Fall des sittlichen Notstandes oder für den Fall, daß unmittelbare Gefahr ist, einer der Eheschließenden könne sterben —, die Verpflichtung besteht, eine solche Anzeige zu erstatten. Wir müssen dafür sorgen, daß die Nichtbefolgung einer solchen Bestimmung auch einer Sanktion unterstellt wird, einer so zivilen Sanktion, wie sich das aus dem Ordnungsverfahren ergibt, nämlich einer Geldbuße. Ich glaube, auch da haben wir gezeigt, daß wir das Mögliche tun, um auf der einen Seite die staatliche Ordnung aufrechtzuerhalten und dafür zu sorgen, daß der Staat in seinen Ordnungsfunktionen leben kann, und daß auf der anderen Seite diese Dinge so behutsam wie möglich angefaßt werden. Niemand kann uns vorwerfen, daß wir uns hier nicht bemüht hätten, so behutsam wie möglich zu sein.
Ich darf noch etwas hinzufügen. Wir haben uns darüber hinaus sogar bemüht, mit der CDU zu einer Verständigung zu kommen und gemeinsam im staatspolitischen Interesse etwas zu erreichen, was uns vom Standpunkt des Staates aus tragbar erscheint. Außer zu einer Unterredung von einigen Minuten ist es leider nicht zu einer weiteren Besprechung gekommen.
Wir bedauern das. Wir haben den guten Willen gehabt, in dieser Frage zu einer Verständigung und womöglich zu einer einheitlichen Regelung zu kommen. Ich glaube, man kann nicht behaupten, daß dieser gute Wille uns sehr hoch honoriert worden ist.
Bitte überlegen Sie sich, daß es hier nicht um eine x-beliebige Frage der äußeren Ordnung geht, sondern daß es sich hier um eine Ordnung handelt, die, ich sagte es schon, an die Lebensfragen unseres Volkes rührt. Deswegen kann man nicht so tun, als könne man die Dinge einfach beiseite schieben, als könne man einen Paragraphen streichen, und damit sei die Sache erledigt. Solche Dinge müssen geregelt werden.
— Frau Kollegin Weber, Sie sind ja sonst auch dafür, daß unklare Fragen geregelt werden; wir sind uns oft darüber einig gewesen. Hier sind unklare Fragen! Bitte weichen Sie nicht aus, helfen Sie, daß sie geregelt werden, und helfen Sie bitte, daß auch die Staatsautorität gewahrt wird! Das hat gar nichts mit alter Staatsauffassung zu tun, — —
— Lassen Sie mich doch erst einmal meinen Satz zu Ende sprechen! Dann können Sie ja eine Zwischenfrage stellen.
Es hat noch viel weniger damit etwas zu tun, daß etwa eine Totalität des Staates stipuliert werden soll. Vielmehr geht es hier darum, daß der Staat, der das geordnete Zusammenleben der Menschen garantieren soll — wie es auch in der Entschließung der Synode der Evangelischen Kirche heißt —, die Möglichkeit hat, diese Ordnungsfunktion im Zusammenleben der Menschen, und zwar im Interesse der Menschen unseres Volkes, auszuüben. Der Staat muß auch garantieren können, daß eine solche Bestimmung befolgt wird. Dazu aber muß das Mindeste geschehen, und das Mindeste haben wir vorgeschlagen. Wir sind nicht über das Notwendige hinausgegangen; wir haben nur das vorgeschlagen, was notwendig ist, um eine solche Ordnung zu garantieren und um die Staatsautorität zu wahren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen alle aus unserer Vergangenheit, wie schlimm es ist, wenn man gewisse Fragen in der Schwebe läßt oder wenn man dem Staat nicht die Möglichkeit gibt, ein Wollen — das berechtigterweise besteht — oder eine Anordnung durchzusetzen, wenn also nicht die Sanktionsmittel gegeben sind, die eine Durchsetzung des staatlichen Willens möglich machen. Das bedeutet Schwächung der staatlichen Autorität, das bedeutet Schwächung des Hauses, in dem wir alle zusammenleben. wir und Sie auch. Sie erklären immer wieder. daß Sie sich staatsbejahend betätigen wollen, daß Sie den Staat bejahen. Gelegentlich werfen Sie uns vor, daß wir das nicht tun. Ich glaube, wir haben jetzt wieder einmal den Beweis dafür erbracht, daß es uns bei allen Fragen darauf ankommt, die Dinge so zu regeln, daß man in einem geordneten Staatswesen friedlich miteinander leben kann.
Ich appelliere deswegen noch einmal gerade an Sie, meine Damen und Herren von der CDU, und ich appelliere .gerade auch an meine evangelischen Glaubensgenossen:
Bitte, überlegen Sie, was hier auf dem Spiele steht, und nehmen Sie auch einmal Kenntnis von dem, was von autoritativer evangelischer Seite, was von dem obersten Organ der evangelischen Kirche gesagt worden ist. — Ich kann mir denken, daß manche Leute das nicht gern hören. Aber ich glaube, wenn wir diese Institution und die evangelische Kirche ernst nehmen wollen, dann müssen wir davon Kenntnis nehmen und prüfen, was da vorliegt. Dann werden wir wohl zu dem Ergebnis kommen, daß wir den Weg beschreiten müssen, den wir beschritten haben.
— Da sind Sie sehr im Irrtum, Herr Kollege MüllerHermann.