Protokoll:
2190

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 2

  • date_rangeSitzungsnummer: 190

  • date_rangeDatum: 6. Februar 1957

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:44 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 190. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Februar 1957 10809 190. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. Februar 1957. Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Dr. h. c. Erhard und Dr. Blank (Oberhausen) 10811 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 317, 318 und 319 (Drucksachen 3092, 3165; 3103, 3161; 3119, 3160) 10811 C Mitteilung über Abweisung der Anträge der Bayernpartei und der Gesamtdeutschen Volkspartei durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts in dem Verfassungsstreit betr. Gültigkeit des § 6 Abs. 4 des Bundeswahlgesetzes (Drucksachen 3169 und 3170) 10811 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, FVP, DP betr. Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Vermittlungsausschusses (Drucksache 3147) 10811 C Beschlußfassung 10811 C Beratung des Ersten Berichts des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (35. Ausschuß) auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 30. Mai 1956 bei der Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP betr. Entwicklungen in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksachen 3030, 2364, Umdruck 609) 10811 D Wehner (SPD), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 10862 A Freiherr Riederer von Paar (CDU/ CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 10862 B Frau Hütter (FDP), Berichterstatterin (Schriftlicher Bericht) 10864 C Brandt (Berlin) (SPD), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) . 10867 B Beschlußfassung 10811 D Beratung des Berichts des Haushaltsausschusses gemäß § 96 (neu) der Geschäftsordnung (Drucksache 3129) in Verbindung mit der Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (Drucksachen 3116, zu 3116, Umdrucke 938, 931) über den Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betr. Hauptstadt Berlin (Drucksache 2998) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Vorbereitung hauptstädtischer Funktionen Berlins (Drucksache 3167) . 10812 A Klingelhöfer (SPD), Berichterstatter 10812 A Dr. Bucerius (CDU/CSU) als Berichterstatter 10812 D Schriftlicher Bericht 10868 C als Abgeordneter . . . . 10826 A, 10833 B Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 10813 A, 10820 A, 10825 D, 10834 A Brandt (Berlin) (SPD) . . 10814 A, 10830 C, 10834 C Frau Dr. Maxsein (CDU/CSU) . . . 10820 B Dr. Reif (FDP) 10823 A, 10834 D Dr. Strosche (GB/BHE) 10828 D Neumann (SPD) . . . . 10832 A, 10833 B, C Rasner (CDU/CSU) 10835 B Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP) . 10835 D Spies (Emmenhausen) (CDU/CSU) (Schriftliche Erklärung zur Abstimmung) 10870 D Beschlußfassung über die Ausschußanträge Drucksachen 3129 und 3116 . . 10836 B Überweisung der Anträge Drucksache 3167 und Umdruck 931 an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen 10836 B Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betr. Stimmberechtigung der im Lande Berlin gewählten Abgeordneten des Bundestages (Drucksache 3125) 10836 C Dr. Mommer (SPD), Antragsteller . 10836 C Dr. Friedensburg (CDU/CSU) . . 10840 C, 10842 A, 10843 A, D, 10844 C, 10848 D, 10850 C Frau Wolff (Berlin) (SPD) 10843 D Neumann (SPD) 10844 C Dr. Strosche (GB/BHE) 10845 A Dr. Will (Berlin) (FDP) 10846 A Dr. Arndt (SPD) 10847 B Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 10848 B, 10850 B Brandt (Berlin) (SPD) 10849 A Überweisung an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten 10850 C Erste Beratung der Entwürfe eines Wehrstrafgesetzes und eines Einführungsgesetzes zum Wehrstrafgesetz (Drucksache 3040) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes (Drucksache 3039) und mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der -CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Fünften Strafrechtsänderungsgesetzes (Drucksache 3067) 10850 D Dr. von Merkatz, Bundesminister der Justiz 10850 D Frau Dr. Schwarzhaupt (CDU/CSU), Antragstellerin 10856 A Vizepräsident Dr. Becker 10851 A, 10856 A, D Wittrock (SPD) 10857 B Haasler (CDU/CSU) 10858 D Überweisung der Gesetzentwürfe Drucksache 3040 an den Ausschuß für Rechtswesen 10859 D Weiterberatung der Gesetzentwürfe Drucksachen 3039 und 3067 vertagt . . 10859 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten (Drucksache 3108) 10860 A Überweisung an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens 10860 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung des Berufs der medizinisch-technischen Assistentin (Drucksache 3106) 10860 A Überweisung an den Ausschuß für Fra- gen des Gesundheitswesens 10860 A Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP und des Abg. Stegner eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Artikel 74 und 75 des Grundgesetzes (Drucksache 3158) . . . 10860 A Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und an den Sonderausschuß für Wasserrecht 10860 B Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (GAL) (Drucksache 3118) . . 10860 B Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 10860 B Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Art. 87 des Grundgesetzes (Drucksache 2955) . . . . 10860 B Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen . . . . 10860 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Beisitzer bei den Gerichten (Drucksache 3099) 10860 C Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht . . 10860 C Erste Beratung des von den Abg. Matthes, Richarts, Kriedemann, Mauk, Elsner, Dr. Preiß u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes (Drucksache 3114) 10860 C Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 10860 C Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Neufassung der siedlungsrechtlichen Begriffsbestimmungen und Vereinfachung der Siedlungsfinanzierung (Drucksachen 3096, 2053) 10860 D Knobloch (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) . . . 10871 A Beschlußfassung 10860 D Beratung der Übersicht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 3089) . 10860 D Beschlußfassung 10861 A Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Deutschen Bundestages zur Veräußerung eines Teilstücks von 13 000 qm mit Aufbauten des reichseigenen Grundstücks in Berlin-Reinickendorf (Borsigwalde), Wittestraße 47/48, an die Berliner Maschinenbau AG vormals L. Schwartzkopff (Drucksache 3077) 10861 A Überweisung an den Haushaltsausschuß 10861 A Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Grundstückstausch mit Stadt Bonn; hier: Bundeseigene Grundstücke an der Walter -Flex-Straße gegen städtische Grundstücke an der Görres -Siebengebirgsstraße (Drucksache 3081) 10861 Überweisung an den Haushaltsausschuß 10861 Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 932) 10861 C Beschlußfassung 10861 C Nächste Sitzung 10861 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 10861 B Anlage 2: Erster Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen betr. Entwicklungen in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 3030) . . . . 10862 A Anlage 3: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen über den Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betr. Hauptstadt Berlin (zu Drucksache 3116) 10868 C Anlage 4: Antrag der Fraktion der SPD zum Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betr. Hauptstadt Berlin (Umdruck 938) 10870 B Anlage 5: Entschließungsantrag der FDP zum Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betr. Hauptstadt Berlin (Umdruck 931) 10870 C Anlage 6: Schriftliche Erklärung des Abg. Spies (Emmenhausen) zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen betr. Hauptstadt Berlin (Drucksache 3116) 10870 D Anlage 7: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Neufassung der siedlungsrechtlichen Begriffsbestimmungen und Vereinbarungen der Siedlungsfinanzierung (Drucksache 3096) 10871 A Anlage 8: Interfraktioneller Antrag betr Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 932) 10871 C Die Sitzung wird um 14 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    *) Siehe Anlage 8. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschl. a) Beurlaubungen Arnholz 15. 2. Dr. Atzenroth 7. 2. Dr. Bärsch 8. 2. von Bodelschwingh 6. 2. Böhm (Düsseldorf) 9. 2. Frau Brauksiepe 16. 2. Dr. Brühler 8. 2. Cillien 2. 3. Dr. Dehler 28. 2. Diedrichsen 9. 2. Dopatka 6. 2. Eberhard 28. 2. Euler 6. 2. Dr. Furler 7. 2. Gibbert 9. 2. Gockeln 2. 3. Dr. Gülich 9. 2. Hansing (Bremen) 6. 2. Häussler 6. 2. Dr. Graf Henckel 6. 2. Höfler 28. 2. Frau Kettig 6. 2. Dr. Köhler 2. 3. Könen (Düsseldorf) 6. 2. Dr. Kreyssig 8. 2. Kühn (Bonn) 6. 2. Ladebeck 6. 2. Lücker (München) 6. 2. Ludwig 6. 2. Dr. Mende 6. 2. Meyer-Ronnenberg 23. 2. Dr. Miessner 13. 2. Dr. Mocker 6. 2. Frau Nadig 6. 2. Neuburger 8. 2. Neumayer 16. 3. Odenthal 15. 2. Oetzel 6. 2. Onnen 6. 2. Rasch 6. 2. Reitzner 8. 2. Dr. Röder 8. 2. Dr. Schild (Düsseldorf) 7. 2. Schloß 6.2. Dr. Schmid (Frankfurt) 2. 3. Schneider (Hamburg) 6. 2. Frau Schroeder (Berlin) 31. 5. Seuffert 7. 2. Solke 6. 2. Spörl 8. 2. Stauch 6. 2. Struve 8. 2. Teriete 7. 2. Walz 6. 2. Frau Welter (Aachen) 6. 2. Dr. Willeke 9. 2. b) Urlaubsanträge Abgeordnete (r) bis einschließlich Frau Ackermann 16. 2. Bals 4. 3. Frau Korspeter 2. 3. Dr. Weber (Koblenz) 23. 2. Anlage 2 Drucksache 3030 (Vgl. S. 10811 D) Erster Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (35. Ausschuß) auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 30. Mai 1956 bei der Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betreffend Entwicklungen in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 2364, Umdruck 609). A. Vorbemerkungen Die Fraktionen des Deutschen Bundestages legten unter dem Datum vom 5. Mai 1956 gemeinsam eine Große Anfrage vor - Drucksache 2364 -, durch die die Bundesregierung ersucht wurde, Auskunft über die Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands zu erteilen. Diese Große Anfrage wurde in der 146. Sitzung des Deutschen Bundestages am Mittwoch, dem 30. Mai 1956, für die Bundesregierung durch den Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen in den Einzelheiten beantwortet. Die Bundesregierung formulierte mit ihren Feststellungen bestimmte Vorschläge zum weiteren Abbau von Schwierigkeiten und Hemmnissen in der Verbindung zwischen den beiden deutschen Landesteilen, die an die Verantwortlichen in der sowjetischen Besatzungszone gerichtet waren. Durch einen formellen Beschluß in der erwähnten Sitzung des Deutschen Bundestages wurde der Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen beauftragt, die Aufgaben, die sich aus der Großen Anfrage und ihrer Beantwortung ergeben, laufend zu verfolgen und zu gegebener Zeit dem Bundestag Bericht zu erstatten. Ein Unterausschuß unter dem Vorsitz des Abg. Brookmann (Kiel) hat die Verhältnisse auf den in der Großen Anfrage vom 5. Mai umrissenen Sachgebieten verfolgt. Aus seinen Ermittlungen und Diskussionen entstand der vorliegende Bericht. Er gliedert sich in Teil I Entwicklung der Rechtslage in der sowjetisch besetzten Zone und Berlin (Ost) seit der Bundestagsdebatte vom 30. Mai 1956 Berichterstatter Abgeordneter Freiherr Riederer von Paar, Teil II t Entwicklung der Verbindungsmöglichkeiten zwischen den beiden Teilen Deutschlands seit der Bundestagsdebatte vom 30. Mai 1956 Berichterstatterin Abgeordnete Frau Hütter, Teil III Entwicklung in Berlin seit der Bundestagsdebatte vom 30. Mai 1956 Berichterstatter Abgeordneter Brandt (Berlin). Die Abschnitte dieser Berichte sind in Anlehnung an die einzelnen Fragen der Drucksache 2364 unterteilt. Nach einmütiger Auffassung des Ausschusses hat sich diese Berichterstattung in einem umfassenden Überblick darauf zu beschränken, festzustellen, welche Entwicklungen seit der Berichterstattung der Bundesregierung im Mai dieses Jahres in den Lebensverhältnissen der Menschen im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands eingetreten sind und wie es im gegenwärtigen Zeitpunkt mit den Möglichkeiten zu engerer Verbindungnahme zwischen den beiden deutschen Landesteilen steht. Der Versuch einer solchen Bestandsaufnahme traf hierbei nach wie vor auf die Schwierigkeit, daß in vielerlei Hinsicht - insbesondere sei auf die Rechtslage und die Angaben im Bereich der sowjetzonalen Strafjustiz verwiesen - von amtlicher sowjetzonaler Seite keinerlei oder nur un-verläßliche Zahlenangaben veröffentlicht worden sind, weshalb z. T. auf andere Quellen oder auf Berechnungen und Schätzungen zurückgegriffen werden mußte. Mit den Feststellungen dieses Berichtes, mit der Darlegung dessen, was seit dem 30. Mai 1956 geschehen oder nicht geschehen ist, versucht der Ausschuß, sowohl eine reale Basis für die objektive Beurteilung der bestehenden Verhältnisse als auch die notwendige Grundlage für die weiteren Bemühungen zu geben, wie sie um eine Erleichterung des Schicksals der Menschen in der SBZ und für eine engere Verbindung zwischen den Teilen unseres Vaterlandes unablässig und unermüdlich unternommen werden müssen. Bonn, den 12. Dezember 1956 Der Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen Wehner Vorsitzender B. Berichterstattung I. Bericht zur Entwicklung der Rechtslage in der sowjetisch besetzten Zone und Berlin (Ost) seit der Bundestagsdebatte vom 30. Mai 1956 Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr Riederer von Paar 1. Sind der Bundesregierung Tatsachen bekanntgeworden, die auf eine Hinwendung zu allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien in der Sowjetzone schließen lassen könnten? Für die Anbahnung einer rechtsstaatlichen Entwicklung in der sowjetisch besetzten Zone bestehen auch jetzt noch keine Anhaltspunkte. Für Handlun- (Freiherr Riederer von Paar) gen, die das Regime als für sich gefährlich betrachtet, werden nach wie vor schwere Strafen verhängt. Insbesondere gilt dies für die auf Grund des Artikels 6 der Verfassung ausgesprochenen Abwerbungsurteile. Auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht haben sich keine nennenswerten Veränderungen ergeben. Nach wie vor werden die Angeklagten veranlaßt, auf die Bestellung eines Wahlverteidigers zu verzichten. Die Anklageschrift wird dem Verhafteten zwar zur Kenntnis gebracht, aber nach kurzer Zeit wieder fortgenommen. Ostberliner, für die Artikel 6 der Verfassung nicht gilt, werden in die Zone verbracht und dort angeklagt. In einem Aufsatz in der „Neuen Justiz" vom 5. September 1956 formuliert Hilde Benjamin die Aufgaben der neu gewählten Schöffen: „Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit und Durchsetzung der Parteilichkeit in der Rechtsprechung". 2. Wieviel politische Gefangene sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten Monaten freigelassen worden? Der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen hat am 30. Mai 1956 vor dem Bundestag die Zahl der seit Januar 1954 entlassenen politischen Häftlinge mit 13 428 angegeben. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit sind vom Juni bis Ende November 1956 weitere 5759 Häftlinge entlassen worden, so daß also, vom Ausgangspunkt der Entlassungsaktionen im Juni 1954 an gerechnet, bis heute 19 187 politische Häftlinge entlassen wurden. Die Entlassungen politischer Häftlinge gehen weiter. Jedoch sind in den Monaten Oktober und November dieses Jahres wesentlich weniger Häftlinge entlassen worden als in den Vormonaten. 3. Wie groß ist die Zahl der aus politischen Gründen in der Sowjetzone noch immer Verurteilten bzw. Verhafteten? In welchen Gefängnissen und Zuchthäusern befinden sie sich? Da seit Juni 1956 5759 politische Häftlinge entlassen worden sind und damals 18 900 Fälle politischer Verurteilungen bekannt waren, ist heute davon auszugehen, daß noch 13 141 politische Häftlinge von ursprünglich 18 900 sich in sowjetzonaler Haft befinden. Hinzu kommt aber die Zahl der politischen Häftlinge, die seit Anfang Juni d. J. verurteilt worden sind. Man kann also sagen, daß sich die erschreckenden Verhältnisse auf dem Gebiet der sowjetzonalen politischen Strafjustiz nicht wesentlich geändert haben. Unter den Haftanstalten, in denen die Häftlinge einsitzen, befindet sich Waldheim, BrandenburgGörden, Bautzen, Bützow-Dreibergen, Torgau, Cottbus, Berlin, Halle, Luckau, Magdeburg, Untermaßfeld, Hoheneck, Görlitz, Coswig, Naumburg, Altenburg, Gräfentonna, Zwickau, NeustrelitzStrelitz, Leipzig, Greifswald, Quedlinburg, Halberstadt. Weitere Häftlinge befinden sich in kleineren Strafvollzugsanstalten, Haftarbeitslagern und Haftkrankenhäusern. 4. Unter welchen Bedingungen leben diese Gefangenen? Seit wann dürfen ihnen keine Pakete mehr geschickt werden? Seit der Sitzung des Deutschen Bundestages am 30. Mai 1956 hat sich die Behandlung der Inhaftierten in den sowjetzonalen Strafanstalten in einigen Punkten etwas verbessert. Den Besuchern wurden größere Freiheiten gewährt; das Wachpersonal befleißigt sich größerer Korrektheit gegenüber den Inhaftierten. Die Zellen sind durch Entlassungen und Verlegungen nicht mehr so stark belegt. Dagegen ist die Verpflegung, die für Gesundheit und Leben der Inhaftierten ausschlaggebend ist, gleich, d. h. unzureichend, weil einseitig geblieben. Dadurch ist auch im allgemeinen in dem Gesundheitszustand der Inhaftierten keine Änderung gegenüber dem Frühjahr d. J. eingetreten. Von der unzureichenden Ernährung werden besonders hart getroffen die nicht arbeitsfähigen Inhaftierten, das sind insbesondere die langfristig Verurteilten und die Personen, die in Einzelhaft gehalten werden. Einen Eindruck davon, wie schlecht der Gesundheitszustand der aus politischen Gründen Inhaftierten ist, vermittelt der Betrag von 1,6 Millionen DM (Stichtag: 31. Oktober 1956), der im ersten Halbjahr des Rechnungsjahres 1956 aus dem Bundeshaushalt für die gesundheitliche Versorgung der unter das Häftlingshilfegesetz fallenden Personen, worunter sich überwiegend Haftentlassene aus der sowjetischen Besatzungszone befinden, gezahlt werden mußte. Wenn irgend möglich, werden die Inhaftierten zur Arbeit herangezogen, so daß 65 v. H. bis 80 v. H. der Insassen in den Haftanstalten im Arbeitseinsatz stehen. Die sowjetzonalen Behörden haben den Verdacht nicht entkräften können, daß sie neben anderen Gründen auch wegen ihres Interesses an diesem Arbeitseinsatz die Betreuung der Inhaftierten durch ihre Angehörigen mit Paketen und Geld weitgehend unterbunden haben. Die Häftlinge durften bis zum Oktober 1956 keine Pakete mehr empfangen. Am 17. Oktober 1956 hat der Vorsitzende des Zentralausschusses des DRK der sowjetischen Besatzungszone an den Präsidenten des DRK in der Bundesrepublik mitgeteilt, daß ab sofort die Inhaftierten anläßlich ihres Geburtstages ein Paket von ihren Angehörigen empfangen dürfen. Dieses Ergebnis von Verhandlungen des DRK der Bundesrepublik mit dem sowjetzonalen DRK wird noch ergänzt durch eine Vereinbarung, die von dem DRK der Bundesrepublik mit dem sowjetzonalen DRK über Geldsendungen an Inhaftierte in den Strafanstalten im September 1956 getroffen wurde. Durch diese Vereinbarung ist erreicht worden, daß sich die Inhaftierten, deren Angehörige sich in der Bundesrepublik befinden, im Monat bis zu 10 DM empfangen dürfen. Damit ist die unterschiedliche Behandlung der Inhaftierten, die die Bundesregierung in ihrem Bericht kritisiert hatte, beseitigt worden. Die Feststellung der Bundesregierung vom Mai 1956 trifft aber auch noch heute zu, daß die finanzielle Unterstützung keinen angemessenen Ersatz für die seit dem 1. November 1955 ausgefallenen Monatspakete darstellt und auch weiterhin die ernste Gefahr besteht, daß sich der Gesundheitszustand der politischen Gefangenen verschlechtert, zumal befürchtet werden muß, daß die Verpflegung bei der angespannten Versorgungslage in der Zone nicht besser, sondern schlechter werden wird. 5. Auf Grund welcher Bestimmungen sind diese Gefangenen verurteilt worden? Die Mehrzahl der Urteile aus neuerer Zeit, insbesondere wegen Abwerbung, Spionage und Boykotthetze, stützt sich auf Artikel 6 der Verfassung der sogenannten „DDR". (Freiherr Riederer von Paar) 6. Wie groß ist jetzt noch die Zahl der Gefangenen, die der Sowjetzonenverwaltung durch die sowjetischen Besatzungsbehörden zur Verurteilung bzw. zum Strafvollzug der durch Militärtribunale verhängten Strafen übergeben wurden? Die Zahl der noch in Haft befindlichen SMT- Häftlinge wird vom Ministerium für gesamtdeutsche Fragen mit rund 500 angegeben. 7. Befinden sich noch Verurteilte des 17. Juni 1953 in den Strafanstalten der sowjetisch besetzten Zone? Am 30. Mai d. J. befanden sich nach Mitteilung des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen noch 600 von etwa 800 zu Freiheitsstrafen Verurteilten des 17. Juni in Haft. Nach den neuesten Schätzungen sind inzwischen 100 bis 150 JuniHäftlinge entlassen worden, so daß sich noch etwa 450 bis 500 in Haft befinden dürften. 8. Liegen der Bundesregierung Unterlagen dafür vor, daß die angekündigten neuen Methoden auf dem Gebiete des Arbeitsrechts zu tatsächlichen Veränderungen geführt haben? Bisher ist es im wesentlichen bei Ankündigung von Verbesserungen der Lage der Werktätigen geblieben. Als tatsächliche Veränderung ist der Wegfall der Ortsklassen C und D sowie der Länderklassen in der sogenannten „sozialistischen Wirtschaft" einschließlich der Verwaltung zu nennen, obwohl hiermit vor allem auch die Fluktuation von Arbeitskräften innerhalb der „sozialistischen Wirtschaft unterbunden werden sollte. Nach einer ADN-Meldung soll sich hierdurch der Verdienst von 1 Million Arbeitnehmern um etwa 250 Millionen DM-Ost im Jahr erhöhen. Ferner wurde mit Verordnung vom 23. August 1956 die gesamte politische, organisatorische und finanzielle Leitung der Sozialversicherung für Arbeiter und Angestellte auf den FDGB übertragen. Die Sozialversicherung der Bauern, Handwerker und sonstigen Erwerbstätigen ist dagegen rückwirkend vom 1. Januar 1956 ab auf die Deutsche Versicherungsanstalt übertragen worden. Diese Maßnahme hat eine Beitragserhöhung bei gleichen Leistungen zur Folge. Die Durchführung einer Rentenreform und einer Arbeitszeitverkürzung auf 45 Stunden ist angekündigt, jedoch mit dem Vorbehalt, daß diese Erfolge erst durch die Leistungen der Werktätigen in der Erfüllung des zweiten Fünfjahresplanes erwirtschaftet werden müßten. 9. Trifft es zu, daß seit Anfang dieses Jahres durch die Bildung von „Produktionsgemeinschaften" der Druck auf das Handwerk verschärft worden ist? Der Druck auf das Handwerk und den Einzelhandel verstärkt sich immer mehr. Durch verschärfte Maßnahmen in der Steuerbeitreibung und verringerte Materialzuteilung wird versucht, den selbständigen Handwerker zum Eintritt in eine Handwerkerproduktionsgenossenschaft zu veranlassen. Als Anreiz zum Eintritt wurden durch Verordnung vom 6. September 1956 umfangreiche Steuerermäßigungen für Produktionsgenossenschaften verfügt. Durch Umwandlung von Privatbetrieben in Kommanditgesellschaften mit staatlicher Beteiligung soll die Selbständigkeit der privaten Unternehmer eingeengt werden. Die Anträge auf Staatsbeteiligung bei Privatunternehmern haben bis zum 10. September 1956 bereits die Zahl von rund 600 erreicht. lo. Wieviel Prozesse wegen sogenannter Abwerbung haben in den letzten Monaten in der Sowjetzone stattgefunden? Dauern solche Verfahren noch an? Seit dem 27. Januar 1956, an dem das Oberste Gericht die bekannten 4 Urteile wegen sogenannter Abwerbung verhängte, sind insgesamt 83 „Abwerbungsurteile" erlassen worden. Die Strafen liegen im Durchschnitt zwischen 2 bis 8 Jahren. Bonn, den 12. Dezember 1956 Freiherr Riederer von Paar Berichterstatter II. Bericht über die Entwicklung der Verbindungsmöglichkeiten zwischen den beiden Teilen Deutschlands seit der Bundestagsdebatte vom 30. Mai 1956 Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Hütter 11. Was ist in den letzten Monaten a) seitens der Bundesrepublik, b) seitens der Verwaltung der Sowjetzone geschehen, um den Verkehr der Menschen zwischen den beiden Teilen Deutschlands zu erleichtern? Reiseverkehr Was die amtlichen Ausweise, die für Reisen über die Zonengrenze benötigt werden, angeht, so können von der Verwaltung des Bundesgebietes keinerlei Maßnahmen veranlaßt werden, da die Behörden der Bundesrepublik für das Überschreiten der Zonengrenze in beiden Richtungen keine Reiseausweise verlangen; vielmehr genügt es, daß sich der Reisende durch einen Personalausweis als Deutscher ausweisen kann. Die von dem sowjetzonalen Innenminister im Mai 1956 angekündigten Erleichterungen sind von den sowjetzonalen Behörden im allgemeinen durchgeführt worden; die Zahl der in den Monaten Juli bis November 1956 in das Bundesgebiet Eingereisten ist gegenüber der gleichen Zahl des Vorjahres um 26 v. H. gestiegen. Die Bundesregierung hat die Reisehilfe für Besucher aus der sowjetisch besetzten Zone fortgeführt; Besucher des Bundesgebietes können für diE Rückfahrt einen Gutschein für die Lösung eine] Fahrkarte bis zur ersten Eisenbahnstation jenseits der Zonengrenze erhalten. Die hierfür erlassener Richtlinien sind inzwischen so abgeändert worden daß sich der Kreis der für diese Hilfsmaßnahmer in Frage kommenden Besucher erweitern wird. Besucher, die im Bundesgebiet erkranken, erhalten auf Kosten des Bundes Krankenhilfe. Außerdem werden den Besuchern seit 15. November 1956 10 DM in bar durch die Verwaltunger der Landkreise und kreisfreien Städte ausgezahlt Daneben können sie Beihilfen zu den Kosten er halten, die ihnen während der Einreise, insbesondere durch die Benutzung von Privatbahnen oder sonstigen Verkehrsmitteln, entstehen; diese Auf (Frau Hütter) gabe wird von den auf den Bahnhöfen vorhandenen örtlichen Stellen (z. B. Bahnhofsmission usw.) der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege erledigt. Ferner sind die kommunalen Spitzenverbände erneut gebeten worden, die ihnen angeschlossenen Gemeinden nochmals anzuregen, den Besuchern Vergünstigungen bei der Benutzung kommunaler Einrichtungen (Theater, Museen, Straßenbahnen usw.) zu gewähren. Im Eisenbahnverkehr hat die sowjetzonale Reichsbahn den Anträgen der Deutschen Bundesbahn auf Gestellung von Sonderzügen (z. B. für die Beförderung Westberliner Ferienkinder in die Bundesrepublik, der Teilnehmer an den beiden Kirchentagen in Frankfurt a. M. und Köln usw.) angemessen entsprochen. Mit dem Inkrafttreten des Winterfahrplans (am 30. September 1956) sind die Kontrollen an der Zonengrenze durch Kontrollen im fahrenden Zug ersetzt worden, so daß die Aufenthaltszeiten an der Grenze auf das betriebstechnisch notwendige Maß herabgesetzt werden konnten. Zwischen Deutscher Bundesbahn und sowjetzonaler Reichsbahn wurde im November 1956 außerdem vereinbart, den Interzonenreiseverkehr im Fahrplanjahr 1957/58 zu verstärken. Die Zahl der täglich verkehrenden Züge soll von 13 auf 16 Zugpaare, die Zahl der Entlastungszüge von 12 auf 16 Zugpaare erhöht werden. Darüber hinaus hat sich die sowjetzonale Reichsbahn erneut bereit erklärt, bei starkem Verkehrsanfall die Übernahme einzelner zusätzlicher Züge von Fall zu Fall zu prüfen. Dagegen ist in den bisherigen Verhandlungen über die Einführung von Schnelltriebwagen- verbindungen zwischen Berlin und den wichtigsten Städten des Bundesgebietes kein Fortschritt zu erzielen gewesen. Straßenverkehr Im Straßenverkehr sind gewisse Erleichterungen festzustellen. Im Personenwagenverkehr ist keine Anderung eingetreten, zumal nach wie vor bei Reisen in die sowjetisch besetzte Zone eine besondere Erlaubnis für die Mitnahme eines Kraftfahrzeugs verlangt wird, die von der Behörde des Aufenthaltsortes in der Sowjetzone erteilt und in der far die Person geltenden Aufenthaltsgenehmigung besonders vermerkt und mit einem besonderen Dienstsiegel versehen wird. Als eine Maßnahme der Erleichterung des Straßenverkehrs ist der Abschluß eines Abkommens zwischen dem westdeutschen Verband der Haftpflicht-, Unfall- und Kraftverkehrsversicherer (HUK-Verband) und der sowjetzonalen „Deutschen Versicherungsanstalt" über die Regulierung von Schadensersatzansprüchen, die aus dem Betrieb von Kraftfahrzeugen herrühren, anzusehen; auf diese Weise wird vermieden, daß die sowjetzonalen Grenzbehörden beim Grenzübertritt jeweils den Abschluß einer Haftpflichtversicherung für jede einzelne Fahrt verlangen. Verkehrskontrollen Der Verkehr zwischen Westberlin und der Bundesrepublik geht sowohl auf der Autobahn wie auf der Eisenbahn reibungslos vor sich. Die Kontrolle wird sehr entgegenkommend gehandhabt, die Fahrgäste brauchen nicht mehr auszusteigen. Infolgedessen sind sowohl im Eisenbahnverkehr, wie im Omnibusverkehr die Fahrzeiten verkürzt worden. Bei den Reiseomnibussen beträgt die Verkürzung im Durchschnitt 1/2 Stunde, sie soll noch weiter verkürzt werden. Kontrolle von Geldmitteln Hinsichtlich der Kontrolle von Geldmitteln ist im Omnibusverkehr eine Vereinfachung eingetreten. Die Fahrer der Reiseomnibusse müssen drei Listen ausfüllen, wobei auf einer die Höhe der Geldmittel aller Passagiere angegeben wird. Auf diese Weise wird die Einzelkontrolle vermieden. Verkehrsstrafen Die Verkehrsstrafen sind nicht erhöht worden und bewegen sich in angemessener Höhe. Wiederherstellung und Wiederaufbau von Verkehrswegen Die in der Presse propagierte Verlegung der demontierten zweiten Gleise auf den Hauptstrecken ist bisher nicht in Angriff genommen worden. Am 13. August hat eine Konferenz im sowjetzonalen Verkehrsministerium den Plan erörtert, zunächst einmal die Interzonen -Verkehrsstrecke BerlinMarienborn vollständig zweigleisig auszubauen. Die Bundesbahn hat der sowjetzonalen Eisenbahnverwaltung die erforderlichen Schienen und das Signalmaterial angeboten. Aus politischen Gründen ist dieses Angebot bisher nicht angenommen worden. Im Rahmen der hierüber geführten Gespräche wurde darüber verhandelt, ob der Güterzugverkehr, der bisher nur über den Kontrollpunkt Marienborn läuft, in Zukunft nicht auch über andere Grenzkontrollpunkte geleitet werden sollte. Ergebnisse sind noch nicht mitzuteilen. Eine nennenswerte Wiederherstellung der Verkehrswege oder zerstörter Brücken ist nicht zu verzeichnen. Die Elbe -Brücke ist im vergangenen Jahr fertiggestellt und die Nuthe -Brücke wird zur Zeit gebaut, es ist mit ihrer baldigen Fertigstellung zu rechnen. Umzugsgenehmigungen Bekanntlich erschweren seit jeher die zuständigen Volkspolizeistellen in Sektor und Zone auf Anordnung der Hauptverwaltung DVP die Umzugsgenehmigungen (Ausreisegenehmigungen). Diese Ausreisegenehmigungen, die die Voraussetzung für die Erteilung von Warenbegleitpapieren, mit denen das Umzugsgut versehen sein muß, darstellen, werden grundsätzlich nur Rentnern, Invaliden usw., d. h. arbeitsunfähigen Personen bewilligt. Arbeitsfähigen Personen hingegen wird die Ausreisegenehmigung unabhängig davon, ob sie wirtschaftliche Schlüsselkräfte sind oder nicht, generell verweigert. Obgleich nach Mitteilung des Berliner Zolls die Umzüge nach Berlin (West) bzw. dem Bundesgebiet in den letzten Monaten zugenommen haben, kann zur Zeit nicht gesagt werden, ob diese ansteigende Tendenz tatsächlich auf eine Lockerung der sowjetzonalen Ausreisebestimmungen — ggf. in der vorerwähnten Richtung — zurückgeführt werden kann. Schiffsverkehr Der Schiffsverkehr auf der Elbe hatte im Sommer einen Höchststand mit einem Tagesdurchschnitt bis zu 68 Schiffen zu verzeichnen. (Frau Hütter) 12. Trifft es zu, daß die Behörden der sowjetisch besetzten Zone die Genehmigung zu Besuchen von Verwandten in der Bundesrepublik weiter eingeschränkt haben? Besuche von Verwandten Besuche von Verwandten im Bundesgebiet sind jetzt wieder leichter möglich. Die sowjetzonale Verwaltung macht die Genehmigung jedoch nach wie vor abhängig von der Ausstellung einer Personalbescheinigung, wie umgekehrt Bewohner des Bundesgebietes zur Einreise in die sowjetische Besatzungszone einer sowjetzonalen Aufenthaltsgenehmigung bedürfen. Am 3. September 1956 hat der sowjetzonale Minister des Innern eine Ergänzungsanordnung zu der Anordnung über die Regelung des InterzonenReiseverkehrs vom 21. November 1953 erlassen, in der ausdrücklich bestimmt wird, daß die Aufenthaltsgenehmigung für Reisende aus der Bundesrepublik, die beabsichtigen, „Angehörige oder Bekannte aufzusuchen bzw. Dienst- oder Geschäftsreisen zu machen", verweigert werden kann, wenn „durch den Einreisenden die Gewähr nicht gegeben ist, daß die Grundsätze der Verfassung der DDR und die demokratische Gesetzlichkeit eingehalten werden". 13. Welche weiteren Schritte empfiehlt die Bundesregierung, um die innerdeutschen Beziehungen zu fördern? Am 30. Mai 1956 wurden im Deutschen Bundestag vom Herrn Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen eine Reihe von Vorschlägen der Bundesregierung zur Förderung der innerdeutschen Beziehungen vorgelegt. Hierbei war zunächst die Abschaffung aller Sonderausweise, die die Sowjetzonenverwaltung im Personenverkehr noch verlangt, empfohlen worden. Bis zur Vorlage dieses Zwischenberichts konnte keine Änderung festgestellt werden. Dann wurde die Wiedereröffnung der zahlreichen Grenzübergänge, die seit 1945 gesperrt sind, und insbesondere der seit Mai 1952 gesperrten Übergänge vorgeschlagen. Auch hier wurde bisher kein Fortschritt erzielt. Dasselbe gilt für die Aufhebung der Sperrzone längs der Sowjetzonengrenze. Ferner sollte nach der Empfehlung der Bundesregierung der Versuch unternommen werden, die Kontrollen durch die sowjetzonalen Grenzorgane noch weiter einzuschränken. Die gegebene Lage wurde an anderen Stellen dieses Berichtes dargestellt. Mit seinen Vorschlägen hatte der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen eine Erweiterung des Interzonenhandels empfohlen. Nach Mitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft hat sich jedoch bisher auch hier keine Veränderung ergeben. Die Empfehlungen der Bundesregierung im Zusammenhang mit ihrer Antwort auf die interfraktionelle Große Anfrage haben schließlich folgende konstruktive Vorschläge zur Erleichterung der innerdeutschen Beziehungen umfaßt: a) Wiederherstellung und Verbesserung der Verkehrswege, Wiederaufbau von Eisenbahnstrekken und Wiedereinbau der zweiten Gleise auf den Hauptstrecken. Förderung des Straßenverkehrs durch Wiederherstellung der noch zerstörten Brücken im Zuge wichtiger Durchgangsstraßen. Gemeinsame Planung des Straßenausbaues, um ein einheitliches deutsches Verkehrsnetz zu erzielen. Zulassung neuer Kraftfahrlinien. Befreiung des Verkehrs mit Personenwagen von besonderen Erlaubnissen oder von besonderen Eintragungen in Reisepapiere usw. b) Verhandlungen zwischen den Eisenbahnverwaltungen über die Vermehrung der Zahl der Reise- und Güterzüge. c) Technische Verbesserungen im Fernsprech-, Fernschreib- und Telegrammverkehr, Abschaffung der Zensur im Postverkehr. d) Beseitigung der sowjetzonalen Bestimmungen über die Einschränkung des Paket- und Päckchenverkehrs, um den Versand von Liebesgaben und damit die Beziehungen von Mensch zu Mensch zu fördern. Zu den Vorschlägen unter a) und b) wurden, wie zu erinnern ist, an anderer Stelle des Berichts gewisse Fortschritte vermerkt. Hinsichtlich der Forderungen unter c) und d) blieben die Verhältnisse unverändert. 14. Welche Schritte könnten insbesondere erfolgen, um den geistigen und kulturellen Zusammenhalt zwischen den beiden Teilen Deutschlands zu pflegen? Richtlinien für diese Tätigkeit sind in der Entschließung der Kultusministerkonferenz vom 4. März 1955 für Bund und Länder festgelegt worden. Innerhalb dieser Richtlinien werden besonders befürwortet: Verbindung mit der Bevölkerung Den Besuchern aus der sowjetich besetzten Zone soll insbesondere Gelegenheit geboten werden, am kulturellen Leben Westdeutschlands in voller Freiheit teilzunehmen. Die menschliche Begegnung auf Kongressen, Tagungen, Festspielen, Sportveranstaltungen sowie die Beschickung von Kunst-Ausstellungen mit Werken deutscher Meister aus den Museumsschätzen der Bundesrepublik. In den letzten Monaten fanden an die zweihundert Kulturtagungen statt, zu denen Teilnehmer aus der sowjetisch besetzten Zone erschienen waren, darunter ca. 40 wissenschaftliche Tagungen. Des weiteren fanden Gastvorlesungen westdeutscher Professoren an mitteldeutschen Hochschulen statt; die Humboldt -Universität in Ost-Berlin allein führte im Sommersemester 1956 37 Gastvorlesungen durch. Gering ist die Zahl der in der sowjetisch besetzten Zone durchgeführten Gastspiele von westdeutschen Theatern, Orchestern und Konzertvereinigungen. Allein in der Unterschiedlichkeit der Währungen und in den bestehenden Verhältnissen im Zahlungsverkehr dürften wesentliche Ursachen hierfür zu suchen sein. Noch reichen außerdem die finanziellen Unterstützungen aus öffentlicher Hand —insbesondere durch die Großstädte und durch die Länderkultusverwaltungen — für die Intensivierung dieser wertvollen Verbindung zu den kulturell aufgeschlossenen Teilen der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone nicht aus. (Frau Hütter) In weit größerem Umfange als bisher werden auch finanzielle Zuschüsse für Studienreisen benötigt. Allerdings werden die Bemühungen der Bundesregierung durch das Ministerium für Kultur der SBZ erschwert, das davor warnt, westdeutsche Kulturschaffende ohne Einvernehmen mit den zuständigen Stellen in die SBZ einzuladen, weil die Eingeladenen „Spionage betreiben oder Abwerbungsversuche unternehmen könnten". Freier Austausch von Zeitungen und Zeitschriften Der freie Bezug aller Druckerzeugnisse unterliegt nach wie vor einer Einschränkung durch das Monopol der Postzeitungsliste in der sowjetisch besetzten Zone. Ebenso verhält es sich mit dem Bezug wisenschaftlicher Zeitungen und Zeitschriften, während sowjetzonale wissenschaftliche Druckerzeunise in der Bundesrepublik ungehindert bezogen werden können. An diesem Zustand kann — wie die Bundesregierung erklärt — nichts geändert werden, solange nicht die Gegenseitigkeit durch Einführung der Pressefreiheit in der sowjetisch besetzten Zone gewährleistet ist. Rundfunk Nach wie vor wird der Empfang westdeutscher Rundfunksendungen in der sowjetisch besetzten Zone durch eine Unzahl Störsender unterbunden, während die Sendungen des Rundfunks in der Sowjetzone im Gebiet der Bundesrepublik ungestört gehört werden können. 15. Welche Vereinbarungen der vier Kontrollmächte, die nach allen bekannten Verträgen die Verantwortung für ganz Deutschland behalten haben, untereinander oder mit deren Einverständnis zwischen deutschen Verwaltungsstellen wären geeignet, die innerdeutschen Verbindungen und damit die Wiedervereinigung Deutschlands zu erleichtern? Im Augenblick sind keine neuen Wege zur Erleichterung der innerdeutschen Verbindungen sichtbar. Bonn, den 12. Dezember 1956 Frau Hütter Berichterstatterin III. Bericht über die Entwicklung in Berlin seit der Bundestagsdebatte vom 30. Mai 1956 Berichterstatter: Abgeordneter Brandt (Berlin) 16. Wie beurteilt die Bundesregierung die erwähnten Erklärungen, und welche Möglichkeiten sieht sie für eine Erleichterung des Verkehrs von und nach Berlin? Die Ausführungen des Bundesministers Kaiser vom 30. Mai 1956 über den Verkehr zwischen der Bundesrepublik und Berlin sind immer noch zutreffend. Die Personen- und Gepäckkontrollen an den Demarkationslinien rund um Berlin und in den Verkehrsmitteln bei der Fahrt nach Berlin haben nicht aufgehört, sondern unterliegen nur gewissen Schwankungen nach der positiven wie nach der negativen Seite hin. Im Augenblick sind die Kontrollen rund um Berlin ebenso wie die an den Zonengrenzen etwas konzilianter. Das Hin- und Herschwingen des Pendels zeigt sich etwa am Beispiel der Westberliner Exklave Steinstücken. Hatte man vor einiger Zeit die Reparatur eines Kühlschrankes eines Lebensmittelhändlers zum Schaden der Einwohner Steinstückens verhindert und hatte man dem Regierenden Bürgermeister von Berlin und dem Bürgermeister des zuständigen Verwaltungsbezirks Zehlendorf den Zugang zu diesem Westberliner Gebiet ohne Passierschein verwehrt, so war vorübergehend eine starke Lockerung der Passierscheinpflicht für Handwerker, Feuerwehr, Schornsteinfeger usw. festzustellen. Für Ärzte und Kohlenhändler wurde der Passierscheinzwang gänzlich aufgehoben. Schon wieder aber haben sich die Verhältnisse verschlechtert und die Bedingungen erschwert. Abgesehen hiervon ist zu registrieren, daß in letzter Zeit einzelne Straßensperren an den Sektorengrenzen beseitigt worden sind, wozu der gar zu offensichtliche Widerspruch zwischen diesen Barrikaden einerseits und den Transparenten gegen die „Spalter" andererseits beigetragen haben mag. 17. Welche technischen Kontakte zwischen den beiden Teilen Berlins bestehen noch und welche — z. B. Straßenbahn, Telefon — könnten nach Kenntnis der Bundesregierung unverzüglich wiederhergestellt werden, wenn es die östliche Verwaltung zuließe? Die Antwort des Bundesministers für gesamtdeutsche Frag en enthielt den Satz: „Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß sich bei gutem Willen der Ostberliner Stadtverwaltung diese Kontakte wesentlich erweitern ließen." Der Berliner Senat hat in der Zwischenzeit diesen „guten Willen" erneut auf die Probe gestellt und einen Senatsrat für technische Gespräche benannt, durch die Erleichterungen im Interesse der Berliner Bevölkerung ermöglicht werden könnten. Die damit gebotene Möglichkeit, etwas für die Bevölkerung in beiden Teilen der Stadt zu tun, ist von den Machthabern des Ostsektors ausgeschlagen worden. Sie haben solche technischen Gespräche abgelehnt und Verhandlungen darüber auf „höherer Ebene", d. h. unter politischen Vorzeichen, gefordert. Besprechungen des Senats mit sowjetischen Stellen haben zur Rückgabe des Rundfunkhauses in der Masurenallee geführt. 18. Wie beurteilt die Bundesregierung die serienmäßige Verhängung von Geldstrafen gegen Bewohner des Ostsektors, die in Westberlin arbeiten oder deren Kinder Westberliner Schulen besuchen? Hierzu ist im Augenblick — mit dem Hinweis, daß erfahrungsgemäß plötzlich wieder Veränderungen eintreten können — die Tatsache festzustellen, daß der Besuch von Westberliner Schulen nicht mehr nennenswert gestört wird. Bei Erlaß einer neuen Verordnung der Pankower Machthaber, wonach Westberliner Einnahmen aus Arbeitsverhältnissen auf Westberliner Konten nicht mehr der Anbietungspflicht und damit der Beschlagnahme im Osten unterliegen, tauchte die Hoffnung auf, daß damit auch der große Kreis derjenigen eine Erleichterung ihrer Lebensmöglichkeiten erfahren würde, der Alters- (Brandt [Berlin]) pensionen entweder vom Lande Berlin oder von Westberliner Unternehmungen bezieht. Diese Hoffnung hat getrogen. Nach sowjetzonaler Terminologie gehören die Einnahmen aus einem seit Jahrzehnten bestandenen früheren Arbeitsverhältnis nicht zu den Einnahmen aus Arbeitsverhältnissen. Eine Erleichterung bedeutet diese Verordnung in Wirklichkeit nur für einen zahlenmäßig unbedeutenden Kreis von freiberuflich Tätigen, von Künstlern, Wissenschaftlern und vielleicht auch von Handelsvertretern. 79. Sind noch in der letzten Zeit Fälle vorgekommen, in denen sich Angehörige Ostberliner Betriebe oder Verwaltungen schriftlich verpflichten mußten, Westberliner Boden nicht zu betreten? Es ist keine Veränderung etwa im Sinne einer Aufhebung dieser Beschränkungen festzustellen. Jedoch sind neue derartige Verpflichtungen nicht bekanntgeworden. 20. Wieviel Fälle von Menschenraub aus Westberlin sind nach Kenntnis der Bundesregierung in der letzten Zeit vorgekommen? Hierzu ist zu berichten, daß in der Zeit vom 9. Mai bis 12. Dezember 1956 drei vollendete Fälle von Menschenraub durch List vorgekommen sind und vier versuchte Menschenraubfälle, davon zwei durch List und zwei durch Gewalt. Insgesamt sind seit 1949 bis heute 186 Fälle von Menschenraub und 77 Fälle von versuchten Entführungen durch List oder Gewalt zu verzeichnen. 21. Wie hoch ist die Zahl der Westberliner Siedler und Kleingärtner, denen seit Verhängung der Sperrmaßnahmen im Jahre 1952 die Nutzung ihrer Grundstücke in den Randgebieten der Sowjetzone verwehrt wird? Hier ist keine Verbesserung festzustellen. Betroffen sind ca. 40 000 Westberliner Kleingärtner und Grundstücksbesitzer. 22. Werden die Westberliner noch immer daran gehindert, die in den Randgebieten der Stadt gelegenen Friedhöfe zu besuchen? In dieser Frage ist eine neue Situation eingetreten, die zwar längst nicht den berechtigten Wünschen entspricht, aber immerhin einen Fortschritt darstellt. Westberliner Bürger, deren nächste Angehörige — Eltern, Geschwister, Ehegatten, Großeltern und Kinder — auf diesen Friedhöfen bestattet sind, können danach einen Dauerpassierschein zum Besuch des betreffenden Friedhofs erhalten, der für ein Jahr Gültigkeit hat und eine Westmark kostet. Daneben werden Passierscheine an besonderen Feiertagen unabhängig vom Grad der Verwandtschaft ausgestellt. 23. Wie beurteilt die Bundesregierung das Mißverhältnis zwischen den Rechten und Pflichten, die die Vier Mächte für Berlin übernommen haben, und der Tatsache, daß im Ostsektor bewaffnete „Kampfgruppen" und Formationen der sowjetzonalen Streitkräfte aufmarschieren? Es ist keine grundsätzliche Änderung festzustellen. In der Praxis scheint sich eine rückläufige Entwicklung zu zeigen. Bei den „Kampfgruppen" im Ostsektor Berlins ruht vielfach der Ausbildungsbetrieb, weil sich die Mitglieder unter Hinweis auf die erhöhten Normen weigern, ihre geringe Freizeit weiter einschränken zu lassen. Auch in der Zone ist die Kampfgruppentätigkeit durch die Unlust der Mitglieder vielfach eingeschlafen. Andererseits ist ein starker Druck auf die Meister und Brigadiere, vor allem in den großen VE-Betrieben, festzustellen. Nach neuesten Meldungen soll an den Schulen Unterricht im Schießen und in Geländeübungen erteilt werden. Bonn, den 12. Dezember 1956 Brandt (Berlin) Berichterstatter Anlage 3 zu Drucksache 3116 (Vgl. S. 10812 D) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (35. Ausschuß) über den Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betreffend Hauptstadt Berlin (Drucksache 2998). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Bucerius Das Ziel des vorliegenden Antrags der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE wurde von den Antragstellern in den Beratungen des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen mit der Feststellung umrissen, der Antrag wolle die Bundesregierung nicht zu einem überstürzten vollständigen Umzug nach Berlin veranlassen, er wolle aber erreichen, daß a) Berlin schon jetzt — noch während der Spaltung Deutschlands — durch Verlegung von Behörden, soweit das nur möglich sei, den ihm zukommenden hauptstädtischen Charakter und echte hauptstädtische Funktionen erhalte und b) darüber hinaus unverzüglich die praktische Vorbereitung der Hauptstadt für den Tag der Wiedervereinigung beginne. In Nr. 1 dieses Antrags wird grundsätzlich festgestellt: Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands. Im Ausschuß wurde von den Antragstellern an den formellen Beschluß erinnert, mit dem sich der 1. Bundestag am 30. September 1949 zu Berlin als Bestandteil und Hauptstadt der Bundesrepublik und als Vorposten der westlichen Freiheit bekannte. Wenn dieser Antrag nun dem Hause Anlaß gebe, darüber zu beraten, was praktisch zu tun ist, hielte man es für richtig, das Bekenntnis, das im Jahre 1949 abgelegt sei, mit diesem Satze erneut nachdrücklich zu bekräftigen. Der Ausschuß ist diesem Vorschlag einmütig gefolgt. Um Nr. 2 des Antrags, die Frage nämlich, ob, in welcher Weise und wo in Berlin ein Parlamentsgebäude zu errichten ist, werden seit 1950 lebhafte Diskussionen geführt, die vor allen Dingen darum gingen, ob das alte Reichstagsgebäude zu diesem Zweck wiederherzustellen sei oder ob ein neuer moderner Bau errichtet werden solle. Im Laufe dieser Debatten hat der Bundestag vor zwei Jahren im Bundeshaushalt den Ansatz von Mitteln ge- (Dr. Bucerius) nehmigt, die der Finanzierung eines architektonischen Wettbewerbs für die Wiederherstellung des Reichstagsgebäudes galten. Die Antragsteller stellten vor dem Ausschuß fest, daß ihr Vorschlag allgemein darauf zielt, die baldige Errichtung eines Parlamentsgebäudes in Berlin zu veranlassen, ohne die in der Folge bei der Durchführung des Baues notwendigen politischen, technischen und ästhetischen Entscheidungen belasten zu wollen. Zwischen den Berliner Vertretern im Ausschuß bestand keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß dieses Gebäude nur am Platz der Republik — dem früheren Königsplatz — errichtet werden kann, wie das der Vorschlag des Antrags ausdrücklich bestimmt wissen wollte. Ein Teil der Ausschußmitglieder war jedoch der Ansicht, daß es besser sei, im gegenwärtigen Stadium der Planungen insbesondere auch den Vorschlägen der ausgeschriebenen Wettbewerbe nicht mit einer Standortbestimmung vorzugreifen. Die Antragsteller beharrten auf der zunächst vorgeschlagenen Formulierung nicht, und so wurde einstimmig beschlossen, daß dem Bundestag zu empfehlen sei, sich mit einer grundsätzlichen Feststellung, daß die Planung und Durchführung des Baus eines Parlamentsgebäudes in Berlin unverzüglich zu beginnen ist, zu begnügen. Mit Nr. 3 tritt der Antrag in die praktischen Vorschläge ein, mit denen nach der Absicht der Antragsteller versucht werden soll, das politische Ziel — die völlige Wiederherstellung der hauptstädtischen Funktionen — zu verwirklichen. In den Buchstaben d bis f werden ein Baustopp für die Einrichtungen der Bundesregierung in Bonn und bestimmte bauliche Maßnahmen des Bundes in Berlin gefordert. Der unter Nr. 3 Buchstabe f angesetzte Betrag von 20 Millionen DM beruht nach Angaben der Antragsteller auf Unterlagen der Bundesvermögensverwaltung Berlin. Der Ausbau der im Antrag genannten bundeseigenen Gebäude, vor allem die Wiederherstellung des Europahauses, des noch nicht aufgebauten Teils des Reichspatentamtes sowie des Bendlerblocks, würde — wie die Antragsteller darlegten — die Aufnahme eines beträchtlichen Teils der von den Bundesressorts benötigten Büroräume ermöglichen und die Bildung eines Regierungsviertels für die Zeit nach der Wiedervereinigung vorbereiten. Solange die Bundesregierung nicht in der Lage sei, den damit zur Verfügung stehenden Raum in vollem Maße auszunutzen, bestehe für eine anderweitige Belegung ohne Zweifel keine große Schwierigkeit. Durch die Empfehlungen der Nr. 3 Buchstaben a bis c wird mit der Forderung auf möglichst weitgehende Verlegung von Bundesbehörden und Bundesministerium nach Berlin für die vorgeschlagenen baulichen Maßnahmen der eigentliche Anlaß erbracht. Die Bundesregierung soll unverzüglich die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen für die Verlegung von Bundesministerien sowie anderen Dienststellen und Institutionen nach Berlin schaffen und bei neu zu errichtenden Bundesbehörden vorsehen, daß sie von vornherein in Berlin zu errichten sind; insbesondere Bauten, die für oberste Bundesbehörden zukünftig erforderlich werden, sollen in Berlin zu errichten sein. Bei der Beratung dieser Vorschläge ging es dem Ausschuß vor allen Dingen darum, klar darüber zu werden, ob solche Tendenzen den bestehenden rechtlichen und politischen Verhältnissen nach möglich und vom Organisatorischen her gesehen zweckmäßig sind. Die Antragsteller haben zur rechtlichen und politischen Frage auf die bereits in der Vergangenheit erfolgte Verlegung verschiedener Bundesverwaltungen nach Berlin verwiesen und hierbei insbesondere auf die Errichtung des Bundesverwaltungsgerichts. Der besondere Status Berlins könne die ordnungsmäßige Arbeit von Bundesbehörden in Berlin nicht hindern. Bisher seien von seiten der westlichen Alliierten noch nie Eingriffe in Angelegenheiten der bereits dort arbeitenden Bundesbehörden erfolgt; es sei eine noch völlig unbegründete Vermutung, daß sich das in Zukunft ändern werde. Im übrigen wurde darauf hingewiesen, daß auch die Regierung der sogenannten DDR ihren Sitz in Ostberlin genommen hat. Allen möglichen Einwänden gegenüber muß nach Meinung der Antragsteller hervorgehoben werden, daß der Ausbau Berlins als hauptstädtisches Zentrum in den Bemühungen um die Wiedervereinigung entscheidende Bedeutung hat. Dieser Auffassung wurde im Ausschuß grundsätzlich nicht widersprochen. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes erklärte, es stehe außer Frage, daß eine Verlegung von Bundesbehörden vom außenpolitischen Standpunkt durchaus zu begrüßen sei: der gesamtdeutsche Anspruch der Bundesrepublik könne von Berlin aus eindringlicher und wirkungsvoller geltend gemacht werden. Wenn aber eine wesentliche Verlegung von Bundesbehörden -- geschweige eine Verlegung aller Bundesbehörden — dazu führe, den Charakter des Viermächtestatus der Stadt Berlin zu verändern, müsse zu seiner Aufrechterhaltung, über deren Notwendigkeit es wohl keine Meinungsverschiedenheiten gebe, ohne Zweifel mit dem Einspruch der Alliierten gerechnet werden. An eine solche umfassende Verlegung haben die Antragsteller — wie sie auf diese Feststellung hin ausdrücklich versicherten — mit den Empfehlungen ihres Antrags im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gedacht. So war die Differenz, die sich in den Auffassungen der Ausschußmitglieder hinsichtlich der Verlegung von Bundesbehörden ergab, mehr mit der Frage des Rahmens verbunden, in dem Planungen solcher Art technisch möglich und organisatorisch zweckmäßig sind. Von einem beträchtlichen Teil der Ausschußmitglieder wurden vor allem Bedenken geäußert, daß eine sofortige weitgehendere Übersiedlung von Bundesministerien die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung in starkem Maße beeinträchtigen muß. Von diesem Teil des Ausschusses wurde es vor allem für erforderlich gehalten, daß die wesentlichen Regierungsstellen für den einzelnen Staatsbürger mühelos zu erreichen sind. Da der Antrag seine Vorschläge jedoch nicht auf die Frage des Wieviel und die Reihenfolge des Wann erstreckte und in der Absicht Einigkeit bestand, entschied der Ausschuß mit großer Mehrheit, daß es richtig sei, es auch in der Form bei den vorgeschlagenen Empfehlungen zu belassen. Allerdings kam man überein, die Eingangsformel der Nr. 3, die von einem Ersuchen an die Bundesregierung sprach, ausdrücklich in eine Empfehlung abzuändern, da auch im Ausschuß kein Zweifel bestand, daß die Bundesregierung kraft ihrer Organi- (Dr. Bucerius) sationsgewalt verfassungsrechtlich in der Entscheidung über die Unterbringung ihrer Behörden frei und ungebunden ist. Der Wunsch der Antragsteller, daß die Bundesregierung dem Bundestag über das Veranlaßte und technisch weiterhin Mögliche berichten möge, wurde sinnentsprechend abgetrennt und in einem Ersuchen der Nr. 4 des Ausschußantrags gesondert vorgelegt. Die Maßnahmen, die im Antrag der Drucksache 2998 für die Hochschulen Berlins gefordert waren, wurden vom Ausschuß vollinhaltlich und einstimmig übernommen. Schon während früherer Beratungen hatte der Ausschuß gegenüber Vertretern der Bundesregierung den Wunsch zum Ausdruck gebracht, soweit nur möglich Bedenken im Hinblick auf die gegebenen Kompetenzen angesichts der eminenten politischen Bedeutung dieser Fragen bei Hilfsmaßnahmen für die Berliner Hochschulen und ihre Studentenschaft zurücktreten zu lassen. Die Einführung des numerus clausus z. B. an der Berliner Freien Universität trifft Studierende, die aus der sowjetisch besetzten Zone und dem Ostsektor Berlins kommen, in besonderem Maß. Hier durch tatkräftige finanzielle Hilfe Möglichkeiten zur Abhilfe zu schaffen, wird vom Ausschuß durchaus als eine politische Aufgabe im gesamtdeutschen Interesse betrachtet. Wegen der Empfehlung unter Nr. 3 Buchstabe f, die Bundesregierung um den Einsatz von 20 Millionen DM in den Bundeshaushaltsplan für die Wiederherstellung verschiedener bundeseigener Gebäude zu ersuchen, wurde — gemäß § 96 (neu) der Geschäftsordnung — der Haushaltsausschuß federführend mit dem Antrag der Drucksache 2998 befaßt. Durch seinen Berichterstatter, Abg. Klingelhöfer, stellt dieser Ausschuß nunmehr unter Drucksache 3129 jedoch fest, daß nach der Sachlage für ihn keine Veranlassung bestehe, wegen der Beeinflussung der Haushaltslage für das Rechnungsjahr 1956 gemäß § 96 (neu) der Geschäftsordnung zu berichten. Es ist wohl folgerichtig, daß aus diesem Grunde die im Antrag des Haushaltsausschusses enthaltene Feststellung, Entscheidungen über die erforderlichen Mittel im Rahmen des Bundeshaushaltsplans 1957 seien erst möglich, nachdem die Bundesregierung mit Zahlen belegte Vorschläge gemacht habe, die in diesem Zusammenhang vom Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen vorgelegten Empfehlungen nicht berühren kann. Bonn, den 29. Januar 1957 Dr. Bucerius Berichterstatter Anlage 4 Umdruck 938 (Vgl. S. 10818 C, 10834 C) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (35. Ausschuß) über den Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betreffend Hauptstadt Berlin (Drucksachen 3116, zu 3116, 2998). Der Bundestag wolle beschließen: Dem Antrag des Ausschusses — Drucksache 3116 — wird folgende neue Nr. 5 angefügt: 5. Zur Durchführung von Nr. 3 und 4 wird aus Mitgliedern des Haushaltsausschusses, des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen des Bundestages ein ständiger Unterausschuß gebildet, der gemeinsam mit Beauftragten der Bundesregierung prüft, welche Bundesorgane, Bundesbehörden, Bundesanstalten, vom Bund geförderte Einrichtungen, Bundesunternehmungen, Sonderverwaltungen und Teile von ihnen zur sofortigen oder alsbaldigen Verlegung nach Berlin geeignet sind, um die Vorbereitung Berlins als gesamtdeutsche Hauptstadt zu fördern. Der Unterausschuß hat dem Bundestag vierteljährlich zu berichten. Bonn, den 5. Februar 1957 Ollenhauer und Fraktion Anlage 5 Umdruck 931 (Vgl. S. 10835 B, 10836 B) Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (35. Ausschuß) betreffend Hauptstadt Berlin (Drucksachen 3116, zu 3116, 2998). Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag erwartet, daß 1. der Bundestagspräsident den 3. Deutschen Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung nach Berlin einberuft; 2. ebenfalls die Wahl des Bundeskanzlers und die Vereidigung des Bundeskanzlers und der Bundesminister in Berlin stattfindet. Bonn, den 31. Januar 1957 Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Dr. Reif Dr. Will (Berlin) Dr. Becker (Hersfeld) und Fraktion Anlage 6 (Vgl. S. 10836 B) Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Spies (Emmenhausen) zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen betreffend Hauptstadt Berlin (Drucksache 3116): Ich gebe zu Protokoll, daß ich den Antrag Bundestagsdrucksache 3116 ablehne, weil ich die Voraussetzungen für die in der Drucksache niedergelegten Maßnahmen nicht für gegeben halte. Bonn, den 6. Februar 1957 Josef Spies Anlage 7 Drucksache 3096 (Vgl. S. 10860 D) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (26. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Neufassung der siedlungsrechtlichen Begriffsbestimmungen und Vereinfachung der Siedlungsfinanzierung (Drucksache 2053). Berichterstatter: Abgeordneter Knobloch Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich in seiner Sitzung am 6. Dezember 1956 mit dem vorliegenden Antrag befaßt und beschlossen, der Nr. 1 des Antrags folgenden Wortlaut zu geben: „1. darauf hinzuwirken, daß die Länder bei der Auslegung des Begriffs der Siedlung im Sinne des Reichssiedlungsgesetzes sich in den Grundsätzen aufeinander abstimmen,". Zu den Fragen der Vereinheitlichung der siedlungsrechtlichen Bestimmungen und der Vereinfachung der Siedlungsfinanzierung vertrat der Ausschuß folgende Auffassung: Vereinheitlichung der siedlungsrechtlichen Bestimmungen Der Begriff der Siedlung ist nur in großen Zügen im Reichssiedlungsgesetz (RSG) festgelegt worden. Die Länder sind nach dem RSG ermächtigt, den Begriff je nach der Struktur ihres Landes näher zu bestimmen. Von dieser Ermächtigung haben die Länder auch Gebrauch gemacht, haben hierbei aber zum Teil zum Nachteil der betroffenen Siedler voneinander abweichende Vorschriften getroffen. Dies wirkt sich vor allem auf steuerlichem Gebiet zuungunsten des Siedlers aus. Es ist deshalb erforderlich, daß die Bundesregierung zur Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung auf eine in den Grundzügen einheitliche Regelung des Begriffs der Siedlung und damit auch der Steuer- und Gebührenvergünstigung durch die Länder hinwirkt. 3. Vereinfachung der Siedlungsfinanzierung Die Siedlung wird aus Mitteln des Bundes (Bundeshaushalt, ERP-Sondervermögen usw.), aus Mitteln des Ausgleichsfonds und der Länder finanziert. Dabei sind im Laufe der Zeit eine große Zahl von verschiedenen Fonds, Haushaltstiteln usw. zur Gewährung öffentlicher Finanzierungshilfen (Darlehen, Zuschüsse usw.) zugunsten der Siedlung herangezogen worden. Hieraus hat sich zwangsläufig auch eine Vielzahl von unterschiedlichen Kreditbedingungen ergeben, die nunmehr bei dem einzelnen Siedler als dem letzten Kreditnehmer in Form von einzelnen Hypotheken, Grundschulden usw. in Erscheinung treten. Die Bundesregierung ist seit längerer Zeit bemüht, der hierdurch verursachten Erschwerung des Verfahrens, insbesondere der verwaltungsmäßigen Belastung der Verfahrensträger und des Siedlers selbst, abzuhelfen. Es ist in Aussicht genommen, den Siedler durch eine einheitliche Schuldurkunde zu verpflichten und die verschiedenen Finanzierungshilfen möglichst bei einem einzigen Kreditinstitut zusammenfließen zu lassen. Dies erfordert ein Zusammenwirken aller beteiligten Stellen, insbesondere des Bundes und der Länder. Namens des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bitte ich, den vorliegenden Antrag, dem der Ausschuß einmütig zugestimmt hat, anzunehmen. Bonn, den 10. Januar 1957 Knobloch Berichterstatter Anlage 8 Umdruck 932 (Vgl. S. 10861 C) Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse: Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden gemäß § 99 Abs. 1 GO ohne Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen: 1. Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Beleuchtungskontrolle bei Kraftfahrzeugen und Fahrrädern (Drucksache 3075) an den Ausschuß für Verkehrswesen; 2. Antrag der Fraktion der DP betreffend Hergabe zweckgebundener Bundesmittel ohne die Verpflichtung zur gleichzeitigen Aufbringung von Landesmitteln (Drucksache 3090) an den Haushaltsausschuß (federführend), an den Ausschuß für Grenzlandfragen, an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen. Bonn, den 5. Februar 1957 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Becker (Hersfeld) und Fraktion Feller und Fraktion Dr. Brühler und Fraktion Dr. Schneider (Lollar) und Fraktion
Gesamtes Protokol
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219000000
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich Herrn Bundesminister Professor Dr. Dr. h. c. Erhard und Herrn Abgeordneten Dr. Blank (Oberhausen) die Glückwünsche des Hauses zum 60. Geburtstag aussprechen.

(Beifall.)

Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 1. Februar 1957 die Kleine Anfrage 317 der Fraktion der FDP betreffend Altsparerregelung für Reichs- und gleichgestellte Anleihen (Drucksache 3092) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3165 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 1. Februar 1957 die Kleine Anfrage 318 der Fraktion der DP betreffend Hebung der Verkehrssicherheit durch Ausbau der Bundesstraßen mit Leuchtlinien und Strahlkörpern (Drucksache 3103) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3161 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 1. Februar 1957 die Kleine Anfrage 319 der Fraktion der DP betreffend Anpassung des Berliner Sozialversicherungsrechts an das der Bundesrepublik (Drucksache 3119) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3160 verteilt.
In dem Verfassungsrechtsstreit betreffend die Gültigkeit des § 6 Abs. 4 des, Bundeswahlgesetzes hat das Bundesverfassungsgericht am 23. Januar 1957 den Antrag der Bayernpartei, München, und den Antrag der Gesamtdeutschen Volkspartei, Essen, abgewiesen. Je eine Ausfertigung der Urteile sind unter dem 30. Januar 1957 dem Bundestag als Antragsgegner zugestellt worden und werden als Drucksache 3169 und 3170 verteilt.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zu Punkt 1 der Tagesordnung. Ich rufe auf
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, FVP, DP betreffend Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Vermittlungsausschusses (Drucksache 3147).
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich komme zu Punkt 2 und rufe zunächst Punkt 2 a auf:
Beratung des Ersten Berichts *) des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (35. Ausschuß) auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 30. Mai 1956 bei der Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP betreffend Entwicklungen in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksachen 3030, 2364, Umdruck 609).
Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr Biederer von Paar, Abgeordnete Frau Hütter, Abgeordneter Brandt (Berlin).
Ich frage, ob einer der Berichterstatter das Wort dazu wünscht. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich eröffne die Beratung. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Meine Damen und Herren, der Antrag des Ausschusses findet sich auf Seite 9 der Drucksache 3030. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 2 b auf: Beratung des
aa) Berichts des Haushaltsausschusses (18. Ausschuß) gemäß § 96 (neu) der Geschäftsordnung (Drucksache 3129),
1 Siehe Anlage 2.


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

bb) Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (35. Ausschuß) (Drucksachen 3116, zu 3116) über den Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betreffend Hauptstadt Berlin (Drucksache 2998).
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? — Als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Klingelhöfer das Wort.

Gustav Klingelhöfer (SPD):
Rede ID: ID0219000100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wegen der Bedeutsamkeit des Gegenstandes bitte ich Sie, mir zu gestatten, den Wortlaut des Berichts und unseres Antrags mit Ihnen kurz durchzugehen.
Der Bericht lautet: Der Haushaltsausschuß stellt fest, daß für ihn nach der Sachlage keine Veranlassung besteht, wegen der Beeinflussung der Haushaltslage für das Haushaltsjahr 1956 gemäß § 96 (neu) der Geschäftsordnung zu berichten. Zu Nr. 2 des Antrags kann der Haushaltsausschuß in bezug auf die Kosten für die Planung und die Durchführung des Baues eines Parlamentsgebäudes erst Stellung nehmen, wenn eine Entscheidung des Bundestages darüber getroffen worden ist, ob das alte Reichstagsgebäude wiederhergestellt oder ein neues Parlamentsgebäude in Berlin errichtet werden soll. Sobald die Entscheidung vorliegt, wird der Haushaltsausschuß einen Vorschlag für die Bereitstellung der Mittel für die Planung und Durchführung des Bauvorhabens im Bundeshaushaltsplan 1957 dem Plenum unterbreiten.
Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest,
1. daß für das Haushaltsjahr 1956 die Bereitstellung von Haushaltsmitteln nicht mehr in Frage kommt;
2. daß die Entscheidung über die zur Durchführung des Antrages erforderlichen Mittel im Rahmen der Beratungen des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1957 erfolgt, nachdem die Bundesregierung mit Zahlen belegte Vorschläge gemacht hat.
Dazu einige Ausführungen, weil sowohl Bericht wie Antrag reichlich nüchtern, fast puritanisch erscheinen. Es werden darin keine finanziellen Vorschläge gemacht zum Aufbau von Bellevue, zur Planung und zum Aufbaubeginn des Parlamentsgebäudes und zu dem gewünschten Ausbau des Patentamtes, des Bendlerblocks und des Europa-Hauses. Das sind die fünf Punkte. zu denen finanzielle Bewilligungen notwendig wären.
Dazu ist ein Wort der Erklärung geboten. Zugrunde liegt der Antrag Drucksache 2998 in der Formulierung des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen, Drucksache 3116. Nun ist die Überweisung an den Haushaltsausschuß nach § 96 (neu) der Geschäftsordnung erfolgt. Der Sinn des § 96 (neu) der Geschäftsordnung besteht darin, daß dann, wenn durch einen Antrag Ausgabenerhöhungen oder Einnahmenminderungen entstehen, sowohl Bundesregierung als auch dieses Haus für die Deckung zu sorgen haben. Unter diesem Gesichtspunkt war der Antrag Drucksache 2998 bzw. Drucksache 3116 zu prüfen.
Als Berichterstatter hatte ich zunächst das finanziell Erforderliche geprüft und auch die entsprechenden Vorschläge gemacht. Dabei stellte sich heraus, daß für Schloß Bellevue kein neuer Ansatz erforderlich sein wird, weil der Bau von Schloß Bellevue 1957 endfinanziert ist. Für Bendlerblock und Patentamt stellte sich dasselbe heraus. Spätestens 1958 können diese beiden Objekte zu Ende finanziert sein. Es blieben danach das Parlamentsgebäude und das Europa-Haus. Auch dazu hatte ich laut Protokoll Vorschläge gemacht. Hinsichtlich des Parlamentsgebäudes liegt jedoch noch keine Entscheidung darüber vor, ob, wie es im Bericht heißt, das alte Reichstagsgebäude wiederverwendet oder ein neues Parlamentsgebäude errichtet werden soll. Für das Europa-Haus ist ein Grundstückskauf noch nicht abgeschlossen. Der Abschluß soll demnächst erfolgen.
Danach ergab sich, daß Ausgaben für das Jahr 1956 — also für das laufende Rechnungsjahr —, die nach § 96 (neu) eine Deckung erfordert hätten, nicht stattfinden werden.
Nun ist natürlich 1956 nicht das Jahr 1957 und nicht die folgenden Jahre 1958 und 1959. Der Haushaltsausschuß weiß und wußte von dem hohen Rang der Fragen, um die es bei diesem Antrag auf Drucksache 3116 geht. Der Haushaltsausschuß wartet auf die Beschlüsse des Hauses, von denen er in seinem Bericht und in seinem Antrag spricht, und erwartet auch die Vorschläge der Bundesregierung, um tätig zu werden.
Nachrichtlich darf ich abschließend noch mitteilen, daß der Haushaltsausschuß dem Hause empfiehlt, für das Europahaus für 1957 eine erste Rate zu einer Anfangsplanung einzusetzen. Außerdem liegt dem Haushaltsausschuß eine Vorlage des Bundesfinanzministeriums vor, nach der für das alte Reichstagsgebäude für die Trümmerfreimachung 300 000 DM und für den Bestandsschutz 2,2 Millionen DM vorgesehen werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219000200
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich schlage dem Hause vor, daß wir zunächst erst den anderen Bericht hören und dann die Diskussion zu dem Tagesordnungspunkt 2 b geschlossen durchführen.
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Bucerius.

Dr. Gerd Bucerius (CDU):
Rede ID: ID0219000300
Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Bericht**) des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen ist mit Rücksicht auf die Bedeutung der Sache sehr ausführlich. Ich habe ihm in meiner Eigenschaft als Berichterstatter nur wenige Worte hinzuzufügen.
Sie werden erkannt haben, daß die Hauptbedeutung des Antrags in den Ziffern 3 c und 3 d liegt. In Ziffer 3 c wird das Verlangen ausgesprochen, daß in Zukunft oberste Bundesbehörden nur in Berlin errichtet werden; in Ziffer 3 d wird — dementsprechend—ein Baustopp in der vorläufigen Bundeshauptstadt Bonn empfohlen. Über diese beiden Punkte ist im Ausschuß ausführlich diskutiert worden. Es wurde von vornherein festgestellt, daß die hier aufgestellten Grundsätze natürlich nicht ohne Ausnahme gelten könnten. Ich darf Ihnen aus dem vom Ausschußassistenten gefertigten und vom Vorsitzenden unterzeichneten Bericht den einen Satz vorlesen, der sich hierauf bezieht. Die Verlesung soll den Zweck haben, den vorgelesenen Satz zum
**) Siehe Anlage 3.


(Dr. Bucerius)

Inhalt des Berichts und des von Ihnen zu fassenden Beschlusses zu machen. Der Satz lautet:
In Ziffer 3 c und d wird noch einmal ausdrücklich festgestellt, daß nach dem Willen der Antragsteller die gewählte Formulierung notwendige Ausnahmen nicht ausschließen solle; von einer entsprechenden Umformulierung wird jedoch abgesehen, dagegen der Berichterstatter, Abgeordneter Dr. Bucerius, beauftragt, diese Interpretation in seinem mündlichen Bericht zum Ausdruck zu bringen.
Was hiermit geschehen ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219000400
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ehe ich die Beratung eröffne, gebe ich das Wort zu einer Erklärung dem Herrn Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (CDU):
Rede ID: ID0219000500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag, der dem Hohen Hause von dem Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen wegen Berlin vorgelegt worden ist und zu dem Herr Kollege Bucerius gerade gesprochen hat, nehme ich namens der Bundesregierung wie folgt Stellung:
Erstens. Die Bundesregierung hat sich schon mehrfach und ausdrücklich zu Berlin als der Hauptstadt eines freien wiedervereinigten Deutschlands bekannt. Ich erinnere an das Schreiben des Herrn Bundeskanzlers vom 23. Oktober 1954 in dem Schriftwechsel zum Deutschlandvertrag. Dort wird der Erklärung der Bundesregierung folgende Präambel vorausgeschickt:
Im Bewußtsein der Verbundenheit der Bundesregierung mit Berlin als der vorgesehenen Hauptstadt eines freien wiedervereinigten Deutschlands, . . .
Vor allem verweise ich auf den Beschluß der Bundesregierung vom 28. November 1956. In diesem Beschluß erklärt die Bundesregierung ausdrücklich, sie sei nach wie vor der Auffassung, daß Berlin die Hauptstadt eines wiedervereinigten Deutschlands sei. Die Bundesregierung glaubt sich in diesem Sinne mit dem Antrag einig.
Zweitens. Mit den Arbeiten für die Planung und Durchführung des Baus eines Parlamentsgebäudes in Berlin kann begonnen werden, wenn der Bundestag darüber entschieden hat, ob das alte Reichstagsgebäude wiederhergestellt oder ein neues Parlamentsgebäude errichtet werden soll. Ich verweise dazu auf den Bericht des Haushaltsausschusses vom 23. Januar 1957, zu dem Herr Kollege Klingelhöfer gerade gesprochen hat. Die Bundesregierung wird die notwendigen Maßnahmen einleiten, sobald die Entscheidung des Bundestages in dieser Frage gefallen ist.
Drittens. Eine Verlegung von Bundesministerien nach Berlin kommt im gegenwärtigen Zeitpunkt leider noch nicht in Betracht. Die Bundesregierung muß ihren Sitz so legen, daß sie ihre verfassungsrechtlichen Pflichten und Rechte, insbesondere gegenüber Bundestag und Bundesrat, jederzeit wahrnehmen kann. Auch die Verlegung einzelner Bundesministerien würde die Tätigkeit der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit beeinträchtigen. Alle Bundesministerien sind auf eine ständige enge Fühlungnahme mit den gesetzgebenden Körperschaften, mit dem Bundeskanzleramt und untereinander, im übrigen auch mit den Landesregierungen und Spitzenorganisationen aller Art angewiesen. Diese Bedingungen lassen sich in Berlin zur Zeit leider nicht verwirklichen.
Viertens. Die Bundesregierung stimmt aber mit dem vorliegenden Antrag darin überein, daß andere Dienststellen und Institutionen des Bundes, soweit irgend möglich, nach Berlin verlegt oder gegebenenfalls auch neu errichtet werden sollen. Nach diesem Grundsatz haben wir schon bisher gehandelt. In diesem Zusammenhang darf ich auf die eingehenden Ausführungen des Bundesbevollmächtigten für Berlin vom 14. Dezember 1956 verweisen. Die vollständige Liste der in Berlin befindlichen Bundesdienststellen ist im Bulletin Nr. 3 veröffentlicht. Aus dieser Aufstellung ergibt sich, daß sich zur Zeit die Bundesbediensteten in Berlin und Bonn rein zahlenmäßig etwa die Waage halten. Inzwischen hat das Bundeskabinett auch die Verlegung des zu meinem Ressort gehörigen Bundesgesundheitsamts von Koblenz nach Berlin beschlossen. Ferner ist von der Bundesregierung beschlossen worden, diejenigen Referate des Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, die ohne besondere Erschwerung der Verwaltung verlegt werden können, nach Berlin zu legen. Dabei handelt es sich um etwa 15 % der gesamten Beschäftigten des Vertriebenenministeriums. Es ist weiter eine Entscheidung dahin ergangen, daß die Bundesschuldenverwaltung in Bad Homburg nicht mehr erweitert werden soll. Nach Verabschiedung des Kriegsfolgenschlußgesetzes werden die mit seiner Durchführung zu betrauenden Teile der Bundesschuldenverwaltung ihre Tätigkeit sofort in Berlin aufnehmen. Dabei wird es sich voraussichtlich um mehr als 500 Kräfte des öffentlichen Dienstes handeln. Die Verlegung der gesamten Bundesschuldenverwaltung mit ihren zur Zeit 280 bis 300 Bediensteten nach Berlin ist im übrigen ins Auge gefaßt, sobald einige organisatorische Fragen gelöst sind.
Fünftens. Was Bauten in Bonn angeht, beziehe ich mich auf den Bundestagsbeschluß vom 3. Oktober 1956. Von der Bundesregierung wird hiernach verfahren.
Sechstens. Der Empfehlung des Ausschusses, die Bundesregierung möge für die beschleunigte Wiederherstellung des Schlosses Bellevue sorgen, ist schon Rechnung getragen worden. Die Arbeiten sind bereits im Gange. Die Gesamtbaukosten betragen 5,1 Millionen DM. Bis einschließlich Rechnungsjahr 1956 sind 2,6 Millionen DM bereitgestellt. Im Haushalt 1957 sind 1,9 Millionen DM als weitere Baurate vorgesehen.
Siebtens. Zur Wiederherstellung des Europahauses, des Reichspatentamts sowie des Bendlerblocks sind insgesamt rund 30 Millionen DM nötig. Bis einschließlich Rechnungsjahr 1956 sind hierfür 8,7 Millionen DM bereitgestellt. Im Haushaltsvoranschlag 1957 sind weitere 3 Millionen DM vorgesehen. Die übrigen Mittel werden folgen. Zur Unterbringung von Bundesdienststellen eignen sich ferner das Dienstgebäude Lützow-Ufer 5-8 und die ehemalige Reichsschuldenverwaltung. Die erforderlichen Baukosten betragen zusammen rund 10 Millionen DM und sollen je nach Bedarf und Baumöglichkeit in die kommenden Haushalte aufgenommen werden. In diesen Tagen ist außerdem das Columbia-Haus in Tempelhof zurückgegeben worden. Schließlich möchte ich auch auf den von der Bundesregierung mit der Stadt Berlin veranstalteten Wettbewerb „Hauptstadt Berlin" hinweisen.


(Bundesinnenminister Dr. Schröder)

Dieser Wettbewerb soll alle mit der Unterbringung der Regierung in Berlin zusammenhängenden Fragen klären.
Achtens. Die Freie Universität, die Technische Universität und die sonstigen Ausbildungsstätten und kulturellen Institutionen Berlins sind bereits in dem Plan „Bundeshilfe Berlin" im Haushaltsanschlag 1956 mit folgenden Beträgen berücksichtigt — ich darf die Beträge abrunden — Freie Universität 2,3 Millionen DM, Technische Universität 5 Millionen DM, Institut für Zuckerindustrie 0,4 Millionen DM, Studentenwohnheime 3 Millionen DM, Oper 1,5 Millionen DM, Philharmonie 3 Millionen DM, Charlottenburger Schloß 3 Millionen DM, Schnellstraßenring 7 Millionen DM, Grunderwerb für Zwecke des Aufbauplans 11 Millionen DM; ein Gesamtbetrag von 36 Millionen DM. Über die Bewilligung weiterer Mittel sind Verhandlungen mit dem Senat Berlin im Gange.
Ich schließe mit folgender Bemerkung. Die Bundesregierung hat alles getan und wird alles tun, um Berlin seine alte Bedeutung zurückzugeben. Sie ist der Überzeugung, daß der sicherste Weg dazu die unbeirrbare Fortsetzung der von der Mehrheit dieses Hauses getragenen Politik ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219000600
Wir treten in die allgemeine Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Brandt (Berlin).

Willy Brandt (SPD):
Rede ID: ID0219000700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich befinde mich in einer etwas schwierigen Lage. Der Antrag der Fraktionen der SPD, der FDP und des GB/BHE, Drucksache 2998, ist auf Grund einer irrtümlichen Auslegung unserer Geschäftsordnung den Ausschüssen vorweg überwiesen worden. Die Antragsteller kommen nun erst zu Beginn der Aussprache dazu, dem Hause darzulegen, was sie sich bei diesem Antrag gedacht haben. Das Hohe Haus soll heute sein Wort zu einer Debatte über das Thema der Hauptstadt Deutschlands sagen, die in den letzten Monaten des vergangenen Jahres in Gang gekommen ist. Diese Debatte ist nicht in Berlin entfacht worden, sondern im deutschen Westen entstanden. Es handelte sich um die Frage, ob man auf dem Hintergrund einer sich wandelnden politischen Landschaft etwas tun kann und, wenn ja, was man tun kann, um am Beispiel der Hauptstadt nachzuweisen, wie ernst wir es meinen, wenn wir von der Wiederherstellung der staatlichen Einheit als einem oder dem vorrangigen Ziel deutscher Politik sprechen.
Angesehene Zeitungen, Mitglieder dieses Hohen Hauses, die Präsidenten von Bundestag und Bundesrat, das Kuratorium Unteilbares Deutschland, der Königsteiner Kreis, der Deutsche Städtetag, der schleswig-holsteinische Landtag, um nur einige zu nennen, haben in dieser Debatte das Wort ergriffen. Und ich glaube, sie alle verdienen, ernst genommen und nicht als Phantasten abgetan zu werden. Die meisten, die sich in dieser Debatte zu Wort gemeldet hatten, haben sich leiten lassen durch jene Unruhe und Ungeduld in Fragen der Wiedervereinigung, vor denen in der außenpolitischen Debatte der vorigen Woche gewarnt wurde. In jener Debatte der vorigen Woche meinte einer unserer Kollegen, die Ungeduld weiter Kreise unseres Volkes habe zu 1933 geführt. Ihm hätte entgegnet werden können, daß es auch die Tatenlosigkeit der Regierenden war, die damals in die Katastrophe führte.
Selbstverständlich müssen politische Entscheidungen klar durchdacht sein, und man muß sich davor hüten, daß das Herz mit dem Verstand durchgeht. Trotzdem muß ich bei dieser Gelegenheit sagen dürfen, daß sich manches an den Ufern des Rheins unbeschwerter aussprechen läßt, als wenn man den Menschen aus dem anderen Teil Deutschlands Auge in Auge gegenübersteht.

(Sehr richtig! bei der SPD und beim GB/BHE.)

Das tun wir in der Stadt der zehntausendfachen täglichen Begegnung der Menschen aus Ost und West. Da reicht — nehmen Sie mir die Feststellung nicht übel — die Warnung vor Unruhe und Ungeduld nicht aus. Denn dort empfinden wir stärker, daß die deutsche Wirklichkeit dieser Zeit eben die der widernatürlichen Zerklüftung ist.
Was ich hier zu sagen habe, verdient in aller Ruhe angehört zu werden, weil niemand zu befürchten braucht, daß es heute um Wählerstimmen geht. Das Thema der Hauptstadt ist kein Wahlschlager. Insoweit geht es um weniger. Aber es geht doch zugleich auch um etwas mehr. Alles, was wir hier im Bundestag und im deutschen Westen tun, mag wichtig sein, und es ist zweifellos wichtig. Und dennoch haftet all unserem Tun hier in Bonn irgendwo auch etwas Unwirkliches an. Wir sind stolz auf die Ziffern der Produktion und des Exports, und wir dürfen vielleicht auch stolz sein auf die Ergebnisse gemeinsamer Arbeit.

(Zuruf von der CDU/CSU: Auch in Berlin!)

Wir haben im deutschen Westen vielleicht eine reichlich starke Konzentration aufs Geldverdienen erreicht, und die geistig-moralischen Faktoren mögen dabei zu kurz gekommen sein.

(Sehr wahr! beim GB/BHE.)

Aber das Entscheidende wird, auch wenn wir uns immer wieder anstrengen, es nicht zu vergessen, doch zu leicht vergessen: daß nämlich draußen der Bruder steht und an die Tür pocht, daß wir das Pochen wohl auch hören, daß es aber eben doch sehr weit ist bis Bonn.
Weil das so ist, sollten wir bei einer solchen Gelegenheit ernsthaft darüber nachdenken, ob es nicht gut wäre, wenn der Deutsche Bundestag häufiger und für längere Zeiträume in die Stadt der unmittelbaren Begegnung der Menschen aus Ost und West ginge, wenn sich ein ins Gewicht fallender Teil der Bundesbehörden in Berlin befände, wenn die Bewegung „zurück nach Berlin" sinnvoll vorbereitet und eingeleitet würde, mit anderen Worten, wenn der Bund klarer, deutlicher, eindeutiger als bisher zu erkennen gäbe, daß er nach Berlin gehen will. Er, der Bund, Sie, die heutige Mehrheit, wir, — wer immer den Bund vertreten mag, würde dort unter einem Druck stehen, das ist wahr; aber nicht unter dem Druck der sibirischen Atmosphäre, wie manche noch vor einigen Jahren vermuteten, sondern unter dem Druck der Menschen in der Berlin umgebenden Zone, jener Bevölkerung, die die Wiederherstellung der staatlichen Einheit ganz und rasch wollen muß, weil sie leben will und weil sie dort stehen will, wohin sie gehört. Ohne Gegengewicht gegen Trägheit und Selbstgenügsamkeit wird es nicht möglich sein, die Glaubwürdigkeit des Anspruchs auf das ganze Deutschland nachzuweisen und vor aller Welt zu demonstrieren, wie widersinnig unsere Lage zwölf Jahre nach dem Krieg ist mit einer gespaltenen


(Brandt [Berlin])

Hauptstadt im geteilten Lande, mit einer nicht nur gespaltenen, sondern auch umkämpften Hauptstadt und mit einer gewählten Regierung — zum Unterschied von einer anderen —, von der wir fordern, daß sie unablässig bemüht bleibt, ihren Teil der gesamtdeutschen Positionen vorzuverschieben. Darum geht es heute, wenn wir von Berlin sprechen.
Der Kollege Bucerius hat sich, wie wir damals aus der Presse entnehmen konnten, Ende Oktober dafür eingesetzt, nach den Neuwahlen zum Bundestag mit dem Umzug der Bundesorgane zu beginnen und diesen Umzug im Laufe von zwei, drei Jahren abzuschließen. In den gleichen Tagen im Oktober konnte man in der Presse lesen, daß die Fraktion der CDU/CSU auf Vorschlag eines Kreises um Dr. Bucerius beschlossen habe, dem Bundestag zu empfehlen, er solle feststellen, daß Berlin die Hauptstadt Deutschlands und daher auch die Hauptstadt der Bundesrepublik sei; mit dem Wiederaufbau eines Parlamentsgebäudes solle sogleich begonnen werden. Die Mittel sollten in den Haushaltsplan eingesetzt werden. Über diesen Antrag erfuhr die Öffentlichkeit dann nur noch Mitte November durch den Geschäftsführer der Mehrheitsfraktion dieses Hauses, den Kollegen Rasner, der erklärte, dieser Antrag sei im gegenwärtigen Augenblick nicht aktuell.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Dabei blieb es für den Außenstehenden unklar, ob der Antrag wirklich beschlossen worden war, warum er nicht eingebracht, ob er auf Eis gelegt wurde oder ob er in den Papierkorb gewandert war. Der Außenstehende mußte sich auch fragen, was nun für nicht aktuell gehalten wurde; doch sicherlich nicht die Feststellung — wir haben sie ja heute in der Regierungserklärung gehört —, daß Berlin die Hauptstadt Deutschlands ist, nicht irgendeine vorgesehene, sondern — wie es im Text heißt — die Hauptstadt Deutschlands. Das soll ganz nüchtern noch einmal festgestellt werden. Übrigens hatte der 1. Bundestag am 30. September 1949 mit überwältigender Mehrheit vor aller Welt festgestellt, daß Berlin nach dem Willen des deutschen Volkes Bestandteil der Bundesrepublik 'Deutschland und ihre Hauptstadt sein solle.
Wir wissen alle — und wir sollten es wissen — um die psychologischen Belastungen, denen das Hauptstadtproblem zur Kaiserzeit und auch noch zur Weimarer Zeit ausgesetzt war. Wir wissen aber auch, daß sich nach dem letzten Krieg in weiten Kreisen unseres Volkes eine Klärung der Begriffe vollzagen hat, weil in Berlin besonders hart um die Grundwerte der Selbstbestimmung und der Eigenverantwortung gerungen werden mußte, weil es zum Schild wurde, hinter dem sich der staatliche Neubau im deutschen Westen vollziehen konnte, und zur Insel für die bedrängten Landsleute aus der Zone. Aus diesen Ursachen ist die Stellung der Hauptstadt neu begründet worden.
Aktuell ist aber auch der andere Punkt, der sich auf das Parlamentsgebäude bezieht. Der Gesamtdeutsche Ausschuß hat eine begrüßenswerte Präzisierung vorgenommen, indem er zur Beschlußfassung vorschlägt, daß mit mit der Planung und Durchführung des Baus eines solchen Parlamentsgebäudes unverzüglich zu beginnen sei.

(I Tagungsstätte zu schaffen, nicht mehr auf die lange Bank schieben. Die Antragsteller und der Gesamtdeutsche Ausschuß haben den Vorschlag, ein modernes Parlamentsgebäude zu errichten, nicht mit der bisher ergebnislosen Diskussion über die Reichstagsruine belasten wollen. Nationalpolitische Gründe, die meines Erachtens schwer wiegen, sind in den vergangenen Jahren dafür ins Feld geführt worden, daß das alte Reichstagsgebäude, wenn auch für einen anderen Zweck, wieder errichtet werden sollte. Auf der anderen Seite sind auch beachtliche Stimmen gegen eine Konservierung des Wallot-Baues laut geworden. Demnächst wird nun endlich jener begrenzte Wettbewerb ausgeschrieben, für den wir hier im Bundestag im Oktober 1955 die Mittel bewilligt haben und der es uns dann hoffentlich leichter macht, zu einer vernünftigen Entscheidung zu gelangen. Unabhängig davon sollten wir uns aber dazu entschließen, daß im Bundeshaushalt 1957 ein erster Betrag für die Planung und Errichtung eines neuen Parlamentsgebäudes eingesetzt wird. Soweit ich feststellen konnte, hat bisher niemand in der öffentlichen Debatte, auf die ich Bezug nahm, vorgeschlagen, daß die Bundesregierung Hals über Kopf von Bonn nach Berlin übersiedeln solle. In der Hauptstadt-Debatte der letzten Monate haben sich manche für eine grundsätzliche Verlegung und für bestimmte terminliche Festlegungen für die erstrebte Übersiedlung ausgesprochen. Andere, wie z. B. das Kuratorium „Unteilbares Deutschland", haben stärkeres Gewicht darauf gelegt, daß Berlin in die Lage versetzt werden sollte, sich so gut wie möglich auf den Tag der Wiedervereinigung vorzubereiten, und daß in der Zwischenzeit rascher und umfassender als bisher Bundesbehörden und andere hauptstädtische Verwaltungen zurückverlegt werden sollten. Die Reaktion des offiziellen Bonn bis zur Regierungserklärung, die wir heute mittag hier gehört haben, war enttäuschend. Der Kollege Kiesinger als prominentes Mitglied der Mehrheitspartei dieses Hauses erklärte im vergangenen Herbst, nachdem das Kuratorium in Berlin getagt hatte, vor der Presse, es müsse geprüft werden, ob die vom Kuratorium „Unteilbares Deutschland" geforderte baldige Verlegung von Bundesorganen nicht etwa der Wiedervereinigung einen schweren Schaden zufügen könne. Er verwies auch auf die zwischen Berlin und dem westlichen Bundesgebiet stehenden russischen Divisionen, die unter Umständen, wie er sagte, einen höchst unangenehmen Druck auf Bundesorgane in Berlin ausüben könnten. Eine nicht unbekannte rheinische Wochenzeitung ging noch ein bißchen weiter; sie warf einigen Kollegen der CDU sogar vor, sie wollten die Regierung an einen Ort verlegen, wohin die sowjetischen Divisionen wie auf Budapest einen Sternmarsch veranstalten könnten. Eine solche Argumentation ist nicht nur nicht gut, sie ist überdies auch nicht realistisch. Sie diente lediglich dazu, daß der Ostberliner SED-Chef Alfred Neumann im unmittelbaren Anschluß daran uns einigermaßen kraftmeierisch daran erinnern zu sollen glaubte, daß es von der Berlin umgebenden Zone mit dem Flugzeug nur 15 Minuten zu jedem beliebigen Punkte in Westberlin dauern würde. Aber die Rechnung hat doch ein Loch, meine Da men und Herren. Wir jedenfalls vertrauen fest auf die Garantieerklärungen der alliierten Mächte für Berlin. Wir schlafen in Berlin ebenso ruhig wie unsere Landsleute in Hamburg, in Frankfurt oder in München. (Beifall bei der SPD, beim GB/BHE und bei der FDP.)


(Hört! Hört! links.)


(Brandt [Berlin])

Aber wir sind — und ich hoffe, daß ich das für alle sagen kann — niemals geneigt zu schlafen, weder in Berlin, noch in Hamburg, noch in Frankfurt oder in München, wenn es um die Frage geht, ob wir in der Richtung auf die Wiederherstellung der ;staatlichen Einheit einen Schritt weiterkommen können, wenn dieser Schritt heute auch nur darin besteht, gewisse innerdeutsche Voraussetzungen der Wiedervereinigung zu überprüfen und zu verbessern.

(Beifall bei der SPD, dem GB/BHE und der FDP.)

In den gleichen Novembertagen des vergangenen Jahres waren auch Pressemeldungen darüber zu finden, daß sich alliierte Stellen in Bonn gegen die Verlegung hauptstädtischer Funktionen nach Berlin ausgesprochen hätten. Diese Meldungen waren falsch,

(Hört! Hört! bei der SPD)

und sie waren nicht von alliierter Seite in die Presse gebracht worden.

(Hört! Hört! bei der SPD und beim GB/BHE.)

Sie bezogen sich übrigens durchweg auf die Forderung einer Gesamtübersiedlung, die ernsthaft überhaupt nicht erhoben worden war. Aber es darf bei dieser Gelegenheit vielleicht einmal gesagt werden, daß mit alliierten Einwänden in Berlin-Fragen nicht gearbeitet werden darf, wenn sie nicht wirklich vorliegen,

(Beifall bei der SPD, beim GB/BHE und bei der FDP)

und daß sie vor allem nicht angefordert oder herausgefordert werden dürfen,

(Beifall bei der SPD — Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

zumal da niemand daran denkt, jedenfalls nicht auf seiten der Antragsteller, die Stellung der Alliierten in Berlin anzutasten.
Erinnern wir uns einen Augenblick der Diskussion im Frühsommer 1954. Wie eifrig wurde damals kolportiert, daß die Alliierten es nicht zulassen würden, daß der Bundespräsident in Berlin gewählt würde! Als dann Hermann Ehlers gegen manche Widerstände die Bundesversammlung doch nach Berlin einberufen hatte, da stellten sich plötzlich alle Vorwarnungen als gegenstandslos heraus, und einige der alliierten Stellen sprachen der Presse gegenüber noch so etwas wie einen Glückwunsch zu dieser Entscheidung aus.
Am 28. November vergangenen Jahres hat dann die Bundesregierung offiziell verlauten lassen, im gegenwärtigen Augenblick könne sie — und das deckt sich in etwa mit dem, was der Herr Bundesinnenminister uns vorhin gesagt hat — die Verlegung der Regierungstätigkeit nach Berlin nicht verantworten, da, wie es in der Verlautbarung vom 28. November heißt, diese Stadt — Berlin — im Interesse ihrer eigenen Sicherheit unter Viermächtestatus stehe. Die Bundesregierung — so hieß es weiter — könne ihre Arbeit nur in einer Stadt ausüben, in der ihre Souveränität ohne Einschränkung gewährleistet sei.
Eine gute Woche später, am 7. Dezember, erklärte der Herr Bundeskanzler vor der Pressekonferenz in diesem Hause, man solle gerade diese Sache, die Hauptstadtfrage, jetzt nicht hochspielen, wie er es nannte. Die Entwicklung im Ostblock einschließlich der deutschen Sowjetzone sollte möglichst nicht gestört werden, und wir müßten — ich zitiere — alles tun, damit auch die Bevölkerung in der Sowjetzone nicht den Mut verliert, aber ruhig bleibt.
Zu diesen vom Kabinett und vom Bundeskanzler vorgetragenen Argumenten könnte man eine ganze Menge sagen. Ich möchte mich auf drei Gesichtspunkte beschränken.
Erstens will es fraglich erscheinen, ob es in der gegenwärtigen Situation ausreicht, die Zonenbevölkerung aufzufordern, sie solle ruhig bleiben. Wir können — das ist wahr — alle miteinander nur wünschen, daß es zu keinem Zusammenprall zwischen unseren Landsleuten dort und den Panzern der Fremden kommt. Aber wir wissen doch auch, mit welcher Hartnäckigkeit unsere Landsleute in den Betrieben und an den Hochschulen darum ringen, jeden halbwegs legalen Ansatzpunkt zu nutzen, um ihrem eigentlichen Wollen Ausdruck zu verleihen. Und ich meine, desperate Reaktionen in der Zone werden um so leichter zu vermeiden sein, je konkreter wir darzustellen vermögen, was wir selbst tun wollen, um auf dem Wege zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit voranzukommen.

(Abg. Dr. Strosche: Sehr richtig!)

Das können wir heute nirgends deutlicher zeigen als am Beispiel Berlin.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

Zweitens sollte endlich einmal der Versuch gemacht werden, genau zu definieren, was man denn nun mit dem Viermächtestatus von Berlin meint. In dem Antrag zum Stimmrecht der Berliner Abgeordneten, auf den wir nachher noch zu sprechen kommen, ist klar und deutlich von der Sonderstellung Berlins in der Rechtsordnung des Bundes die Rede. Es wird darin ausgeführt, wie die Rechte der Alliierten aufzufassen sind und daß Berlin durch den militärischen Teil der Pariser Verträge nicht erfaßt wird. Mit dem Schlagwort vom Viermächtestatus, unter dem sich fast jeder etwas anderes vorstellt,

(Sehr wahr! bei der SPD — Zuruf von der Mitte: Das ist doch kein Schlagwort!)

ist doch schon viel Unklarheit geschaffen worden. Es ist bei passenden und bei unpassenden Gelegenheiten hervorgeholt worden und hat gelegentlich schon als Feigenblatt für ganz andere Zwecke und Interessen herhalten müssen.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn man damit die Sonderstellung Berlins gegenüber den drei alliierten Mächten meint, die ihrerseits in einem bestimmten Verhältnis zur vierten Macht stehen, so ist es klar, daß diese Sonderstellung anerkannt wird und daß sie gewahrt bleiben muß. Aber in den innerdeutschen Beziehungen ist Berlin ein Land der Bundesrepublik. Mir lag


(Brandt [Berlin])

daran, das festzustellen, nachdem es Mode zu werden scheint, vom Saargebiet als dem 10. Land zu sprechen

(Sehr gut! links)

und Berlin in der Eile zu vergessen. (Beifall bei der SPD.)

Unsere Freunde von der Saar werden wissen, daß diese kritische Bemerkung alles andere als gegen sie gerichtet ist.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Drittens erscheint es mir nicht richtig, den Gesichtspunkt der Souveränität ins Feld zu führen, wenn es sich darum handelt, ob hauptstädtische Funktionen in stärkerem Maße als bisher von Berlin aus wahrgenommen werden sollen. Darin nämlich, in einem Sichversteifen auf den Gesichtspunkt der Souveränität, würde sich ein unbilliges Mißtrauen gegen die mit der Bundesrepublik verbündeten Mächte ausdrücken. Entscheidend ist die Frage, ob es politisch sinnvoll und praktisch möglich ist, rascher als bisher nach Berlin zu gehen. Anstatt diese Fragen zu stellen, hat das offizielle Bonn in den vergangenen Monaten Argumente vorgebracht, die der Sache und der Situation nicht gerecht geworden sind. Berlin selbst ist durch eine überwiegend negative Reaktion enttäuscht worden. Das war nicht nötig und war auch nicht gerecht; denn die Berliner hatten diese Debatte nicht eröffnet. Sie hatten keinen Streit gesucht, aber sie haben ein brennendes Interesse daran, daß eine reichlich verunglückte Diskussion nun einigermaßen wieder zurechtgerückt wird. Das kann nur geschehen, indem der Bundestag positive Antworten gibt und klare Aufträge erteilt.

(Beifall bei der SPD.)

Was also soll geschehen? Nach der Meinung der Antragsteller — diese Meinung ist in etwa durch den Gesamtdeutschen Ausschuß aufgenommen worden — sollen neben dem Parlamentsgebäude eine Reihe baulicher Voraussetzungen dafür getroffen werden, daß Berlin am Tag X die Bundesbehörden aufnehmen kann, aber auch vorher schon in größerer Zahl als jetzt zentrale Bundesbehörden beherbergen kann. Da scheint es keine Meinungsverschiedenheit zu geben; denn die drei konkreten Objekte, die im Antrag genannt sind, kehren in der Regierungserklärung wieder, und wir dürfen darum bitten, daß auch die im Antrag erbetene weitere Übersicht über den Bundesbesitz in Berlin und die Pläne für seinen Ausbau uns noch unterbreitet werden.
Die antragstellenden Fraktionen sind der Meinung, daß unabhängig von den Einzelheiten, unabhängig von diesem oder jenem Bau — EuropaHaus, Bendlerblock und was es sein mag — alles darauf ankommt, daß in bezug auf den Bundesbesitz in Berlin solche Dispositionen getroffen werden, die es deutlich machen, daß im Sinne der Wiedervereinigung an praktischen Maßnahmen alles das geschieht, was auf dieser Ebene heute im Bereich des praktisch Möglichen liegt.
Wir wünschen weiter, daß mit einem Baustopp für Bonn ein noch stärkerer Ausbau Berlins eingeleitet wird, wobei wir nicht gerade an den Generalstab denken. Aber es gibt ja sonst noch das eine und das andere, was neu errichtet werden soll, z. B. die eine oder andere Aufsichtsbehörde, die ebensogut gleich nach Berlin kommen könnte,
anstatt erst hier irgendwo im westlichen Bundesgebiet errichtet zu werden.
Das Thema der Verlegung von Bundesbehörden hat schon den 1. Bundestag wiederholt beschäftigt. Damals haben wir schon im Oktober 1949 beschlossen gehabt, daß dem Bundestag jedes Vierteljahr über die erfolgten Maßnahmen zu berichten sei.

(Abg. Dr. Reif: Sehr richtig!)

Eine solche Berichterstattung hat dann einmal im Frühjahr 1950 stattgefunden.

(Abg. Mellies: Hört! Hört!)

Wir wollen gar nicht verkleinern, was dann doch gegen beträchtliche Widerstände durchgesetzt worden ist. Wogegen wir uns allerdings wenden, Herr Bundesminister des Innern, das sind Rechnungen, durch die veränderte Türschilder und Außenstellen mit tatsächlichen Bundesoberbehörden in einen Topf geworfen werden. Die Aufstellung des Herrn Bundesbevollmächtigten vom 14. Dezember, auf die der Herr Bundesminister Bezug nahm und die im Bulletin Nr. 3 wiedergegeben ist, ist keine reelle Rechnung.

(Abg. Dr. Reif: Sehr richtig!)

Da werden miteinander nicht vergleichbare Dinge zusammengezählt. Sehen Sie, Herr Minister, wenn in Berlin die Bundesbahn eine Anzahl von Beschäftigten hat, um bestimmte Dinge für die Eisenbahner dort zu regeln, dann erscheinen diese bei Herrn Dr. Vockel mit in seiner Aufstellung der Bundesbeamten in Berlin. Aber in Ihrer Aufstellung für Bonn erscheinen doch auch nicht die Eisenbahner vom Bonner Bahnhof unter den Bediensteten der Bundesregierung in Bonn!
So könnte ich Ihnen eine ganze Reihe ähnlicher Beispiele nennen. Wir müssen das doch mal auseinanderpulen. Der Bund hat — was erfreulich ist! — im Laufe der Jahre eine Reihe von Instituten und Institutionen übernommen: Bundesdruckerei, wissenschaftliche Institute, ursprünglich Institute des Reiches und Preußens, die Berlin durchgeschleppt hatte und für die dann der Bund — was wir dankbar anerkannt haben — die Verantwortung übernommen hat. Es ist ein neues Türschild angebracht worden, und die Stellen erscheinen jetzt in dem richtigen Haushalt, nämlich dem des Bundes. Und dann haben die Bundesministerien bei Herrn Vockel im Rahmen der Großgesandschaft des Bundes in Berlin ihre Außenstellen, die in Berlin und zum Teil für den Kontakt mit der Zone bestimmte Aufgaben wahrnehmen. Aber mit wirklichen Bundesbehörden in Berlin meinen wir doch etwas anderes, meine Damen und Herren; damit meinen wir Behörden, die von Berlin aus für den gesamten Geltungsbereich des Grundgesetzes tätig sind, so wie das Bundesverwaltungsgericht, das Aufsichtsamt für Versicherungswesen, das Bundesversicherungsamt und die Bundesanstalt für Angestelltenversicherung. Auf diesem Wege, glaube ich, können wir noch einige weitere Schritte tun.
Die Antragsteller — ich glaube, ich darf das auch für die beiden anderen antragstellenden Fraktionen sagen — anerkennen durchaus, daß der Gesamtzusammenhang der Regierungstätigkeit gewahrt bleiben muß. Aber sie wissen auch, daß die Verwaltungen des Bundes von Flensburg bis München sehr weit gestreut sind und daß es sinnvoll sein könnte, neben Bonn als dem provisorischen


(Brandt [Berlin])

Bundessitz ein zweites Zentrum der administrativen Tätigkeit entstehen zu lassen. Darum die entsprechende Formulierung im Antrag und darum der Hinweis darauf, bei neu zu errichtenden Bundesbehörden, etwa beim Aufsichtsamt für das Kreditwesen, Berlin von vornherein als Sitz in Aussicht zu nehmen.
Der Bundesminister des Innern hat uns jetzt gesagt, daß die administrative Spitze des Bundesgesundheitsamtes nach Berlin kommen soll, daß ein Teil des Vertriebenenministeriums kommen soll und Teile der Bundesschuldenverwaltung, später vielleicht die Bundesschuldenverwaltung insgesamt. Ich darf — um noch ein paar andere Hinweise zu geben — sagen: man sollte sich unter diesem Gesichtspunkt auch das Bundesausgleichsamt noch einmal ansehen, man sollte sich die technischen Nebenbehörden des Postministeriums ansehen. Dann gibt es die Warenzeichenabteilung des Patentamtes. Des weiteren gibt es einige Bundesunternehmungen, die ihren Sitz ebensogut in Berlin wie anderswo haben könnten.
Vielleicht sollten wir überhaupt einmal, Herr Bundesminister, eine Liste derjenigen Behörden aufstellen, die nicht nach Berlin verlegt werden können — mit den Begründungen, warum das nicht möglich ist —, anstatt immer nur die andere Liste aufzustellen.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219000800
Ministerien kommen für die Übersiedlung nach Berlin nicht in Betracht, weil die Regierung sonst ihre verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten nicht wahrnehmen könnte und auch die Übersiedlung einzelner Ministerien die Tätigkeit des Kabinetts beeinträchtigen würde. Nun, diese Frage hat in der Diskussion eine besondere Rolle gespielt. Niemand wird bestreiten wollen, daß es die Ministerien sind, an die man in erster Linie denkt, wenn man von der Regierungstätigkeit spricht, und niemand wird bestreiten wollen, daß es besonders eindrucksvoll wäre, wenn ein nennenswerter Teil der Regierung selbst seine Tätigkeit von Berlin aus ausübte. Hier ergibt sich die Frage: Geht das, oder geht das nicht? Mir will scheinen, daß die Stellungnahme der Regierung, so wie sie hier eben vorgetragen worden ist, noch nicht das letzte Wort sein kann.
Im Antrag des Ausschusses heißt es, der Regierung sei zu empfehlen, unverzüglich die organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Bundesministerien nach Berlin verlegt werden. Was soll damit gesagt sein? Einmal, daß im Hinblick auf den Tag der Wiedervereinigung ein vernünftiger Arbeits- und Organisationsplan vorzubereiten ist. Zum andern ist gemeint, daß in der nächsten Zeit ein Teil der Regierungstätigkeit nach Berlin verlegt werden sollte, und zwar nicht nur auf die Weise, daß das Bundeskabinett von Zeit zu Zeit in Berlin zusammentritt, was ja bisher auch nur ein einziges Mal, im Oktober vergangenen Jahres, geschehen ist. Nein, es ist an eine permanente Vertretung der Bundesregierung in Berlin gedacht, an mehr, als jetzt da ist, an mehr also als einen Bundesbevollmächtigten mit der Abteilung II des Gesamtdeutschen Ministeriums und dem Ministerbüro von Herrn Lemmer.
Von den Antragstellern wird anerkannt, daß der Gesamtzusammenhang der Regierungstätigkeit — ich sagte es schon — gewahrt bleiben muß. Natürlich sind wir uns auch alle darüber im klaren, daß beispielsweise das Verteidigungsministerium und große Teile des Auswärtigen Amts nicht nach Berlin gehen können. Aber es wäre jedenfalls denkbar, daß etwa der Minister für gesamtdeutsche Fragen seinen eigentlichen Amtssitz in Berlin hätte. Es wäre weiterhin denkbar, daß ein paar der mehr technischen Ministerien nach Berlin verlegt würden; und man könnte sich vorstellen, daß die mit Berlin besonders verbundenen Minister sich auch in besonderem Maße um die laufende Bearbeitung der gesamtdeutschen Fragen kümmerten. Sie könnten sehr wohl mit einiger Regelmäßigkeit an den Beratungen des Kabinetts und an den sonstigen Sitzungen in Bonn teilnehmen. Das, was ich hier andeute, ist keine Patentlösung, sondern eine Anregung, ein Hinweis darauf, daß sich positive Lösungen finden lassen, wenn man sie finden will. Aber darauf eben kommt es an, daß man sie finden will.
Ich darf in diesem Zusammenhang Ihre Aufmerksamkeit auf den Umdruck 938*) lenken, der Ihnen vorliegt. Die Überschrift „Änderungsantrag" wollen Sie bitte in „Antrag" abändern. Dieser Antrag sieht vor, daß zur Durchführung der Punkte 3 und 4 in der Beschlußempfehlung des Gesamtdeutschen Ausschusses ein ständiger Unterausschuß des Haushaltsausschusses, des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen eingesetzt wird, um mit den Vertretern der Bundesregierung laufend zu prüfen, was auf den hier erwähnten Gebieten geschieht und geschehen kann, und darüber mit einiger Regelmäßigkeit dem Hohen Hause zu berichten.
Ich wende mich schließlich noch einigen Einwänden zu, die gegen die verstärkte Verlegung von Bundeseinrichtungen nach Berlin ins Feld geführt worden sind. Was die rechtliche Seite der Sache angeht, so hat der Bundestag schon vor Jahr und Tag entschieden, daß oberste Bundesbehörden und Gerichte sehr wohl von Berlin aus für das westliche Bundesgebiet tätig sein können. Was für eine Behörde möglich war, kann nicht plötzlich für fünf oder zehn Behörden unmöglich sein. Falls man, wie es an einer Stelle geschehen ist, sich auf die Hegelsche Theorie vom Umschlagen der Quantität in die Qualität beruft, so wäre doch wohl zu sagen, daß wir vom möglichen Zeitpunkt einer solchen Qualitätsveränderung noch weit entfernt sind.
Im übrigen darf ich mich auf den Schriftlichen Bericht des Ausschusses berufen, den Kollege Bucerius unterbreitet hat und in dem es heißt:
Der Vertreter des Auswärtigen Amtes erklärte, es stehe außer Frage, daß eine Verlegung von Bundesbehörden vom außenpolitischen Standpunkt durchaus zu begrüßen sei; der gesamtdeutsche Anspruch der Bundesrepublik
— so heißt es weiter —
könne von Berlin aus eindringlicher und wirkungsvoller geltend gemacht werden.
Politisch kann also kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß so gut wie alles dafür spricht, die Rolle Berlins als der eigentlichen Hauptstadt zu unterstreichen. Die Wirkung auf das eigene Volk und nicht nur auf die Bevölkerung in der Zone würde nicht ausbleiben. Das Ausland aber, das ohnehin in starkem Maße mit Berlin als der deutschen Hauptstadt rechnet, würde eine positive, wenn auch
*) Siehe Anlage 4.


(Brandt [Berlin])

zunächst begrenzte Entscheidung des Bundes bestimmt richtig zu werten wissen.
Bleiben die Einwände praktisch-technischer Art. Hier darf daran erinnert werden, daß es die Bundesregierung war, die schon im Februar 1950 sagte, daß die Errichtung maßgebender Bundesbehörden in Berlin ohne Rücksicht auf zeitbedingte Erschwernisse des Verkehrs erfolgen sollte.

(Abg. Mellies: Hört! Hört!)

Inzwischen hat sich nun die Lage Gott sei Dank weitgehend normalisiert. Die Interzonenpässe sind weggefallen. Die Abfertigung an den Kontrollpunkten auf der Autobahn und auf der Eisenbahn geht verhältnismäßig rasch vonstatten. Der Flugverkehr, der gegebenenfalls verstärkt werden kann, steht denen zur Verfügung, die nicht mit dem Wagen oder mit der Bahn fahren wollen oder können oder die es besonders eilig haben. Viele von uns erinnern sich noch an die Einwände, die vorgebracht wurden, als das Bundesverwaltungsgericht oder das Bundesaufsichtsamt nach Berlin kommen sollte. Damals hat man gesagt, da könne man ohne Gefahr nicht hinreisen; der Rechtsschutz des Publikums sei nicht genügend gewährleistet, und das Ganze sei zu kostspielig. Inzwischen ist diese ganze Kritik verstummt, und alles geht sehr viel besser, als es viele vermutet hatten.
In den letzten Wochen haben wir nun wieder erlebt, daß einige der Beamten lebhaft gegen das protestiert haben, was sich ihnen als eine drohende Deportation darstellte.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Nun, Mitbestimmung in allen Ehren,aber wir sind uns hoffentlich alle darüber einig, daß den Betroffenen die eingebildeten Gefahren auszureden sind

(Sehr gut! beim GB/BHE)

und daß im übrigen die Bequemlichkeit einzelner Bediensteter des Bundes und bürokratisches Beharrungsvermögen nicht zur Richtschnur bundesdeutscher Politik gemacht werden können.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

Schließlich haben wir gehört — insoweit in Übereinstimmung mit dem Antrag und dem Beschlußentwurf des Ausschusses —, daß der Bund, was die baulichen Maßnahmen angeht, unsere beiden Universitäten und die anderen kulturellen Einrichtungen und Ausbildungsstätten in Berlin weiter fördern will. Das ist gut, aber es wird nicht ganz dem gerecht, was der Antrag in diesem Punkt erreichen möchte. Solange der Schwerpunkt der Regierungstätigkeit noch nicht in Berlin liegen kann, müssen nämlich über das Bisherige hinaus zusätzliche Anstrengungen gemacht werden, um diese unsere Stadt in ihrer Rolle als geistiger Mittelpunkt, als wissenschaftliches Zentrum und als Metropole des kulturellen Lebens zu fördern und zu stärken. Die beiden Universitäten, die Freie und die Technische, haben in den letzten Jahren eine erfreuliche Entwicklung genommen. Aber nicht nur, weil die Zuschüsse des Berliner Haushalts nicht mehr ausreichten, sondern auch weil die räumlichen und personellen Kapazitäten erschöpft waren, mußte im vergangenen Herbst eine Begrenzung der Studentenzahlen auf 9500 an der Freien und auf 6000 an der Technischen Universität beschlossen werden. Das bedeutet, daß auch Oststudenten, Studenten aus der sowjetischen Besatzungszone, an unseren Universitäten gegenwärtig nur noch in dem Maße
Aufnahme finden können, in dem Abgänge zu verzeichnen sind. Nun ist es gewiß erfreulich, wenn einige von ihnen auch an die westdeutschen Hochschulen kommen. Aber man muß, glaube ich, begreifen, daß diese jungen Menschen lieber dort bleiben, wo sie den Kontakt mit ihrer Familie halten können.
Was also erforderlich ist, das sind über das Bauliche hinausgehende Maßnahmen, um erstens den zusätzlichen Zuschußbedarf dieser Universitäten für das nächste Rechnungsjahr in Höhe von gut 2 Millionen DM aus dem Gezerre um den Bundeszuschuß zum Berliner Landeshaushalt herauszunehmen, und zweitens ernsthaft zu prüfen, wie der Bund für die Oststudenten im allgemeinen und für die Berliner Hochschulen im besonderen tätig werden kann, ohne daß dadurch unerquickliche Verfassungsdiskussionen heraufbeschworen werden.
Ich darf in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen, daß sich Berlin seit geraumer Zeit um zusätzliche Mittel bemüht und daß es diese Mittel dringend braucht, um unseren Mitbürgern aus dem Ostsektor und aus der Zone die Möglichkeit zu geben, an unserem geistigen und kulturellen Leben teilzunehmen und dafür mit dem Geld zu bezahlen, das sie mindestens so hart erarbeiten wie wir das unsere; aber die Differenz muß gedeckt werden, und hier könnte wirklich etwas geleistet werden, um den geistigen Gleichklang zwischen den Menschen in Ost und West zu bewahren.
Das, was wir wollen, sind also keine unzumutbaren Forderungen, und es sind keine unrealisierbaren Vorschläge.
Lassen Sie mich aber mit aller Deutlichkeit sagen: es geht hier nicht, wie man zum Teil vermutet hat, um eine der vielen Fragen, die zum Komplex der Bundeshilfe für Berlin gehören. Die Einrichtung, der Aufbau der Hauptstadt sind Aufgaben nicht allein derer, die dort zufällig wohnen. Sie sind kein lokales Problem. Vielleicht sollten wir nicht ganz übersehen, daß ein Volk dadurch, wie es sich zu seiner Hauptstadt verhält, auch etwas über sich selbst aussagt.

(Beifall bei der SPD.)

Hüten wir uns davor, zu den Fehlentscheidungen, von denen die Hauptstadt Berlin in den vergangenen Jahren betroffen wurde, neue hinzuzufügen! Eine solche Fehlentscheidung wurde im Jahre 1949 getroffen, indem man den Trennungsstrich zwischen dem westlichen Bundesgebiet und Berlin schärfer zog, als es durch die internationale Lage geboten war. Eine weitere Fehlentscheidung bahnte sich an, als man sich des Wortes vom provisorischen Charakter des westdeutschen Staatswesens nicht genügend bewußt blieb.
Hart, manchmal ,allzu hart haben wir in den hinter uns liegenden Jahren um unseren Platz am bundesrepublikanischen Tisch ringen müssen. Aber wir haben niemals den Gedanken aufgegeben, daß politische Entscheidungen im innerdeutschen Bereich den Lauf der Dinge etwas mit beeinflussen können. Manche Chance mag da schon ungenutzt geblieben sein. Jetzt geht es uns um nichts anderes als um den Versuch, ein paar kleine Schritte voranzukommen, erstens durch das in der Praxis zu bestätigende Bekenntnis zur deutschen Hauptstadt Berlin und zweitens — das ist der Punkt, zu dem wir nachher kommen — durch die Gewährung des Stimmrechts an die Berliner Abgeordneten. Es geht darum, den Bund stärker, eindeutiger nach Berlin


(Brandt [Berlin])

zu bringen, weil wir glauben, daß wir auf diese Weise einen Beitrag, wenn auch nur einen begrenzten Beitrag leisten können zur Wiederherstellung unserer staatlichen Einheit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219000900
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (CDU):
Rede ID: ID0219001000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Brandt hat gesagt, daß dies kein Gegenstand zum Polemisieren sei, und ich stimme ihm darin zu. Ich tue das um so lieber, als ich selbst ja in seiner — wenn ich so sagen darf — Ehrenliste einen ziemlich vorderen Platz einnehme; er hat ja Bundesverwaltungsgericht, Bundesdisziplinarhof usw. hier besonders rühmend erwähnt. Trotzdem wird er der Liste, die ich erwähnt habe, nicht gerecht. Ich habe die Liste hier nicht vorgelesen, um das Hohe Haus nicht mit Zahlendetails zu befassen, die man doch beim ersten Anhören nicht richtig plastisch vor sich sieht. Ich habe die herzliche Bitte an Sie alle, doch tatsächlich diese Nr. 3 des Bulletin noch einmal zu studieren. Dann werden Sie sehen, daß das, was ich gesagt habe, richtig ist. Ich habe hier nicht etwa Äpfel und Birnen zu addieren versucht, sondern ich habe von einem rein zahlenmäßigen Sichdie -Waage-Halten von Bundesbediensteten in Bonn und Berlin gesprochen. Aber das, was Herr Kollege Brandt vorgeschlagen hat, daß wir nämlich die Bundesbahnbeamten auf dem Bonner Bahnhof dazu zählen sollten, kann ich leider nicht für richtig halten. Das ist auch hinsichtlich Berlins in vergleichbarer Weise nicht geschehen. Dieser Teil seiner Ausführungen ist also nicht ganz gerecht gewesen, wie mir scheint.

(Abg. Neumann: Die 3000 Arbeitsvermittler!)

— Herr Kollege Neumann, ich bin gerne bereit, diese Liste — wirklich, das Hohe Haus wird es etwas überanstrengen, fürchte ich — Punkt für Punkt zu diskutieren. Ich bin allerdings der Überzeugung, daß, wenn man die Liste ansieht, die Feststellung, die ich zu dem rein zahlenmäßigen Sich-die-Waage-Halten getroffen habe, unwiderleglich ist.
Ich möchte eine zweite Bemerkung machen. Die Bundesregierung — und das habe ich sehr mit Bedacht gesagt, was hinsichtlich der Verlegung von Ministerien gesagt worden ist — ist etwas — und ich glaube, das ganze Hohe Haus sollte in diesem Punkte übereinstimmen —, was man die verantwortlichste und empfindlichste Führungszentrale in ganz Deutschland nennen kann. Eine solche Führungszentrale bedarf bestimmter Arbeitsbedingungen, wie man, glaube ich, weder in unserem Vaterland noch irgendwoanders in der Welt bezweifeln wird. Wir bedauern alle herzlich, daß diese Arbeitsbedingungen derzeit in Berlin nicht gegeben sind, und wir freuen uns sehr auf den Tag, an dem das anders sein wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219001100
Das Wort hat Frau Abgeordnete Maxsein.

Dr. Agnes Katharina Maxsein (CDU):
Rede ID: ID0219001200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich als Berlinerin zunächst ein Wort sagen, das durch den
Tenor der Rede des Herrn Kollegen Brandt veranlaßt oder sogar herausgefordert ist. Es ist selbstverständlich und natürlich, daß der Bund Berlin unterstützt. Der Bund tut es gern. Wir wissen — ich brauche nur auf den im Jahre 1955 in Berlin beschlossenen Aufbauplan hinzuweisen —, daß seit dem Anlaufen dieses Plans Millionen nach Berlin geflossen sind und fließen. Damit ist meine Behauptung gerechtfertigt und bekräftigt. Ich vermißte in den Ausführungen des Herrn Kollegen Brandt ein einziges Wort des Dankes.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Ich bin der Meinung, daß auch die Blutsbande durchaus kein Freibrief für Undankbarkeit und Ungerechtigkeit sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

In Berlin ist ein Aufbau zu verzeichnen, der nicht seinesgleichen hat. Darüber freuen wir uns, und darüber freuen sich unsere Kollegen im Bundestag und die Bevölkerung Westdeutschlands mit uns. Wenn die Zunge nicht über diese Wahrheit redet, dann werden in Berlin die Steine reden. Ich verweise auf das Untergrundbahnnetz, ich verweise auf die Schnellbahn, ich verweise auf die Hochbauten, auf die Verwaltungsgebäude, die schon entstanden oder im Entstehen begriffen sind, und ich verweise darauf, daß mit den Mitteln des Bundes jene Gebäude errichtet werden, die Berlin in die Lage versetzen, am Tage X sofort das Parlament, die Nationalversammlung, und die Bundesregierung in ihren Mauern aufzunehmen. Lassen Sie mich an dieser Stelle also das Wort des Dankes aus Berliner Mund ergänzend hinzufügen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es ist erfreulich, festzustellen, daß in diesem Antrag unser gemeinsamer Wunsch zum Ausdruck kommt, Berlin solle seine natürlichen, im Augenblick nur ruhenden Hauptstadtfunktionen sobald wie möglich wieder aufnehmen können. Der Antrag enthält im ersten Punkt die Erklärung: Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands. Meine Damen und Herren, auch ohne diese Deklaration in dem Antrag ist für uns Berlin immer die Hauptstadt Deutschlands geblieben, und sie ist es auch in Zukunft.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Sie ist es im Bewußtsein der Bevölkerung, und sie ist es im Bewußtsein der Regierung. Deswegen begrüße ich es, daß der Herr Minister in seiner Regierungserklärung gerade diese Feststellung heute noch einmal eindeutig getroffen hat,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und zwar unter Berufung auf ein amtliches Dokument, auf die Erklärung im Rahmen des Hilfeleistungsversprechens für Berlin im Zusammenhang mit dem revidierten Deutschlandvertrag. Berlin hat als der vorgeschobene Posten der Freiheit nach dem kommunistischen, sowjetischen Machtbereich hin eine Führungsrolle von eminenter politischer Bedeutsamkeit übernommen und eine echte Hauptstadtfunktion entwickelt, die von keiner anderen deutschen Stadt hätte wahrgenommen werden können.

(Zustimmung bei der CDU/CSU. — Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Na also, ziehen Sie doch die Konsequenzen!)

Berlin hat moralisch für alle Zukunft seinen natürlichen Anspruch, deutsche Hauptstadt zu sein, ge-


(Frau Dr. Maxsein)

rechtfertigt und bekräftigt; das müssen wir ruhig hier feststellen. Wir brauchten gar nicht darüber abzustimmen.

(Zustimmung in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

Lassen Sie mich aber in diesem Zusammenhang auf ein Wort des Herrn Kollegen Brandt eingehen, das meiner Ansicht nach gefährlich ist.

(Lachen bei der SPD.)

— Sie scheinen den ganzen Ernst und die Tragweite noch nicht begriffen zu haben, sonst würden Sie anders reagieren. Aber diese Reaktion liegt in der Richtung des Schlagwortes. — Er hat von dem Viermächtestatus als einem Schlagwort gesprochen, das ein Feigenblatt für bestimmte politische Intentionen oder politische Tendenzen darstelle.

(Widerspruch bei der SPD.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Berlin hätte seine bedeutsame politische Rolle nicht spielen können — und könnte sie auch in Zukunft nicht spielen — ohne die Freundschaft der freien Völker

(Abg. Schüttler: Sehr gut!)

und ohne den Schutz der Besatzungsmächte, der in dem Viermächtestatus garantiert ist.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Die Tatsache, daß in Berlin Truppen stationiert sind, und das Recht, daß man hier Truppen stationieren kann, leiten sich einzig und allein aus dem Viermächtestatus ab. Wir haben gar kein Interesse, irgend etwas zu tun, was unsere Westalliierten Mächte auch nur um Haaresbreite aus
der Verantwortung entlassen könnte.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Es kommt, Herr Kollege Brandt, nicht darauf an, ob irgendeine westliche alliierte Besatzungsmacht mehr oder weniger großzügig in der Handhabung und in der Beurteilung des Viermächtestatus ist. Es ist nun einmal ein Viermächtestatus, und es ist gar nicht unbedingt abzusehen, ob und wo eine vierte Besatzungsmacht eventuell feststellen könnte, daß in irgendeinem Punkte der Viermächtestatus berührt sei und sie sich dadurch veranlaßt sähe, auch in dem anderen Bereich Berlins sich so zu verhalten, wie sie es im eigenen Machtbereich gewohnt ist.

(Zurufe von der SPD. — Abg. Neubauer: Sie provozieren das!)

— Es ist gar nicht dramatisiert. Aber wenn — wie der Herr Kollege Brandt sagt — das, was der Rheinische Merkur vom Sternmarsch schreibt. irreal und unangebracht ist. dann hätte ich mich gar nicht darauf berufen: denn das fordert doch eine Auseinandersetzung über diese Frage heraus.
Es ist gar nicht unzeitgemäß, in diesem Zusammenhang auf bestimmte Vorgänge im europäischen Raum hinzuweisen. Wir sind der Meinung, daß der Viermächtestatus mit allen seinen Konsequenzen für uns von höchstem nationalen Interesse ist und daß wir nichts tun sollten, was die Besatzungsmächte veranlassen könnte. ihre Schutztruppen über Helmstedt abziehen zu lassen.

(Abg. Neubauer: Die Rede wiederholen Sie mal in Berlin! — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Die Berliner haben für diesen Tenor sehr viel mehr Verständnis als für den Tenor der Ausführungen des Herrn Brandt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Lassen Sie mich das ruhig einmal sagen.
Nun zu der Verlegung von Ministerien. Daß Bundesbehörden und alle möglichen Verbände in der größtmöglichen Zahl oder gar geschlossen nach Berlin gehen, dafür treten wir alle ein. Aber Sie haben sich zur Verlegung der Ministerien sehr widerspruchsvoll ausgesprochen: zunächst sagten Sie, Sie seien gar nicht der Meinung, daß sie kommen sollten, dann aber ließen Sie wieder durchklingen, die Bundesregierung sei im Grunde genommen nicht willens, dorthin zu ziehen, und verantwortliche politische Gremien seien der Meinung, daß dies im Interesse der Wiedervereinigung längst hätte geschehen können oder sollen. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß der Königsteiner Kreis erklärt hat, er halte es im Augenblick im Interesse der Wiedervereinigung nicht für geraten, nach Berlin zu gehen.

(Zurufe von der SPD.)

— Vielleicht haben Sie die Unterlagen und prüfen es einmal nach!

(Abg. Dr. Greve: Wer soll das erklärt haben, Frau Maxsein?)

— Ich habe die Unterlagen hier; ich kann sie Ihnen nachher unterbreiten.

(Lachen bei der SPD. — Abg. Dr. Greve: Das stimmt nicht! Eine derartige Verlautbarung des Königsteiner Kreises gibt es nicht!)


August Berlin (SPD):
Rede ID: ID0219001300
Fördert eine solche Maßnahme die Wiedervereinigung? Glauben Sie wirklich, daß wir, nachdem wir eine gespaltene Stadt in einem gespaltenen Deutschland haben, nun mit einer dritten Teilung, mit der Teilung des Kabinetts, die Wiedervereinigung auch nur symbolisch fördern?

(Lachen bei der SPD.)

— Ja, wenn man etwas als peinlich empfindet, weiß man meist keinen anderen Ausweg als den, den Sie wählen. Dafür habe ich durchaus Verständnis.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

— Herr Neumann, daß Sie als alter Berliner und als ein Mann, der seit 1945 den Leidensweg in der Entwicklung dieser Stadt in führender politischer Position maßgeblich und verantwortlich mitgegangen ist, diesen Standpunkt vertreten, nehme ich Ihnen einfach nicht ab.

(Erneutes Lachen bei der SPD. — Zuruf des Abg. Neumann.)

In der Opposition gibt es — darüber bin ich im übrigen orientiert — in dieser Frage durchaus keine einhellige Meinung. Es gibt da Stimmen, die sehr, sehr konform mit der Auffassung von CDU- Vertretern gehen.

(Zuruf von der SPD: Welche denn?)

— Warum soll ich das Geheimnis lüften? (Lachen bei der SPD.)



(Frau Dr. Maxsein)

— Warum soll ich Ihnen verraten, was Sie wissen und nur von mir erfahren möchten?

(Erneute Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich täte weder der Sache noch den Personen einen besonderen Gefallen, und es geht uns ja um die Sache.

(Abg. Dr. Greve: Die frische Luft!)

— Die frische Luft fehlt manchmal leider auch den Berlinern hier — das ist sehr bedauerlich —, und sie nehmen einen Standpunkt ein, der sich manchmal nur aus dem Bonner Klima erklären läßt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

In Berlin kommen Sie mit den Argumenten nicht hin.

(Abg. Dr. Greve: Also schnell nach Berlin und weg von Bonn!)

— Ja, aber bei Ihnen habe ich keine Hoffnung mehr,

(Heiterkeit in der Mitte)

denn Sie sind nicht einmal den gesunden Argumenten, die wir aus Berlin mitbringen, zugänglich. Worauf soll man sich dann noch stützen?

(Erneute Heiterkeit und Beifall in der Mitte. — Abg. Neubauer: Sie sind Gott sei Dank nicht Berlin! — Gegenruf von der CDU/CSU: Sie auch nicht!)

— Ich bin nicht Berlin! Ich glaube, die Berliner, die so recht für die Interessen Berlins in dieser gesunden Luft argumentieren, sind eigentlich meistens aus allen anderen Gegenden Deutschlands;
manche kommen sogar aus dem Ausland.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Wir unterstreichen alle Bemühungen, die Berlin in seinem inneren und äußeren Wiederaufbau stützen und kräftigen. Wir unterstreichen auch die Forderungen nach den Millionen, die hier angemeldet worden sind. Ich hoffe, daß der Herr Bundesfinanzminister wie in der Vergangenheit auch in Zukunft sein Berliner Herz offenbart.

(Lachen und Zurufe von der SPD.)

— Ich werde das noch etwas einschränken. (Fortgesetzte Zurufe von der SPD.)

— Jedenfalls kann der Herr Bundesfinanzminister eine ganz schöne Liste über die Hilfe für Berlin aufstellen.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Mattick: Das ist grauenhaft, was Sie alles sagen!)

Der Herr Bundesfinanzminister ist der Mann gewesen, der im Berliner Abgeordnetenhaus

(Zuruf von der SPD: Viel versprochen hat!)

— ich weiß nicht, in welchem Jahre: 1953 oder 1954
— eine Rede gehalten hat, die von allen Berlinern so berlinerisch empfunden wurde, daß man erklärte — ich glaube, der Herr Regierende Bürgermeister war es —: Nie hat jemand in diesem Hause einen solchen Applaus gefunden wie der Herr Bundesfinanzminister.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Aber gezahlt hat er trotzdem nicht!)

— Dann weiß ich nicht, wovon wir in Berlin bauen, wenn er nicht gezahlt hat.

(Erneuter Beifall in der Mitte.)

Ganz entscheidenden Wert lege ich auf den letzten Punkt — nun spreche ich auch wieder als Berlinerin —, daß großzügige Hilfe erwartet wird für die Förderung der Freien Universität, der Technischen Universität und der ständigen Ausbildungsstätten und großen kulturellen Institutionen Berlins, damit sie ihre gesamtdeutschen Aufgaben erfüllen können.
Hier knüpfen wir wirklich an eine große Berliner Tradition an. Ich erinnere an Namen wie Max Planck, Otto Hahn und daran, daß die Entwicklung der Atomforschung in Berlin ihren Anfang genommen hat und von Berlin aus buchstäblich ein neues Zeitalter, das Atomzeitalter mit allen seinen segensreichen und schrecklichen Möglichkeiten, eingeleitet wurde.
In diesem Zusammenhang will ich auf folgendes hinweisen. Jetzt mögen einmal meine Berliner Freunde, die noch in innigem Kontakt mit dem Regierenden Bürgermeister und mit dem Abgeordnetenhaus stehen, herhören. Darauf ist nämlich bei allen Forderungen nicht hingewiesen worden. Die freie Forschung und Lehre ist in Berlin beeinträchtigt, weil ihr die wissenschaftlichen Hilfsmittel fehlen. Es gibt Professoren, die einem Ruf nach Berlin einfach nicht nachkommen, weil Berlin — sagen wir es mit dem Namen -- keine wissenschaftliche Bibliothek hat. Berlin verfügte über die Staatsbibliothek. Über ihren Rang brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Es geht nun die Kunde um, daß man in Westdeutschland — der Name der Stadt ist schon genannt worden, und zwar habe ich ihn aus der Presse entnommen sowie im Hessischen Rundfunk gehört — ein Bibliotheksgebäude errichten will, das unter anderem dann auch die nach Berlin gehörigen ausgelagerten Bestände der Preufischen Staatsbibliothek aufnehmen soll. Das ist eine Frage, die den Aufbau der Substanz angeht. Wenn ein Gebäude für eine Staatsbibliothek errichtet werden soll, dann kann das nur in Berlin geschehen.

(Beifall in der Mitte.)

Ich möchte meine Kollegen aus Berlin bitten: ein Ritt gen Bonn ist vergnüglicher als eine Auseinandersetzung mit den Bruderländern. Man soll nicht an den Schwierigkeiten ersticken, wenn man die Hürde gen Bonn im Sprung nehmen kann. Ich würde doch sehr bitten, Einfluß darauf zu nehmen, daß das Bibliotheksgebäude nicht im Bund, sondern dort, wo es hingehört, nämlich in Berlin, errichtet wird.
Wegen eines anderen aktuellen Problems muß ich jetzt den Herrn Bundesfinanzminister noch einmal persönlich ansprechen. Sie haben mir anläßlich der dritten Beratung des Haushaltsgesetzes im vorigen Jahr versprochen, die Lappalie von einigen tausend Mark für das Radio-Sinfonieorchester zu bewilligen. Das ist bis heute noch nicht geschehen. Ein Mann, ein Wort! Und das Wort eines Finanzministers ist Geld.

(Heiterkeit.)

Ich möchte den Herrn Finanzminister bitten, dieses Versprechen zu erfüllen. Es handelt sich wirklich um eine gesamtdeutsche kulturelle Aufgabe. Dieses Orchester ist von hohem Rang. Es gibt seine Konzerte auch in der Zone.


(Frau Dr. Maxsein)

Die Förderung aller Institutionen, die die geistige Freiheit pflegen, die eine unabdingbare Voraussetzung für eine demokratische Entwicklung ist, liegt in unserem nationalen Interesse. Wir drücken in dieser Aussprache über den Antrag, dem wir zustimmen, noch einmal unseren Wunsch aus, die Bundesregierung möge so, wie sie es bisher getan hat — das leitet keine neue Berliner Ara ein, sondern ist nur eine Fortsetzung, allerdings mit verstärktem Akzent —, dafür sorgen, daß Berlin am Tage X, der , wenn die Politik der Bundesregierung weiterhin so realistisch und zielbewußt bleibt, nicht in nebelhafter Ferne liegt, in der Lage ist, Nationalparlament und Regierung in seine Mauern aufzunehmen.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219001400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reif.

Dr. Hans Reif (FDP):
Rede ID: ID0219001500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin beim Präsidium wegen meiner Wortmeldung Rückfrage gehalten und — durchaus mit Recht — den Bescheid bekommen, daß der Präsident das Wort nach seinem Ermessen erteile. Ich kritisiere das nicht, möchte aber ausdrücklich feststellen, daß ich den starken Eindruck habe, dem Hause wäre, wenn die Reihenfolge der Redner eine andere gewesen wäre, etwas erspart geblieben.
Meine Damen und Herren, wir haben im 1. und im 2. Bundestag Berlin-Debatten gehabt. Wir Berliner haben bei den Verhandlungen über finanzielle Zuschüsse, über Entwicklungsgelder, über
3) die Verlegung von Behörden oder, was ich auch sagen muß, wenn es darum ging, daß Behörden, die in Berlin sind, wegsollten, sehr häufig unsere Zuflucht zum Plenum des Bundestages genommen in dem Vertrauen, daß der Deutsche Bundestag zu jeder Zeit Verständnis für die nationale Bedeutung der Berlin-Frage hat

(Sehr richtig! in der Mitte)

und sich nicht die vielfachen bürokratischen Vorbehalte zu eigen macht, die nun einmal aufkommen, und zwar nicht nur von den Herren Ministern selbst, sondern von den manchmal sehr eifrigen Sachbearbeitern in den Ministerien, wenn es um Berlin geht. Wir haben da eine reiche Erfahrung. Ich möchte diese Erfahrung nicht hier vor Ihnen ausbreiten, meine Damen und Herren; denn ich täte dem Parlament damit keinen guten Dienst. Vielleicht ist es mir mal vergönnt, ,in meinen Lebenserinnerungen einiges davon festzuhalten, was ein Berliner Abgeordneter in diesen Jahren hier erlebt hat. Immer wieder war es das Plenum des Bundestages, in dem wir uns gut aufgehoben fühlten, von dem wir wußten: hier hat man Verständnis.
Es ist eben schon von Frau Maxsein darauf hingewiesen worden: das Thema hat sich gewandelt. Es hat eine Zeit gegeben, da war Berlin als ehemalige Reichshauptstadt zerbombt, von seinem Hinterland abgeschlossen, belastet mit seiner Vergangenheit, auch materiell belastet. Es brauchte Hilfe. Das war sozusagen die erste Epoche. Ich sage das, Frau Maxsein, weil Sie sagten, es gebe keine neue Epoche. Es gibt sie doch. Als wir uns später, nachdem das dritte Finanzüberleitungsgesetz in Kraft getreten war und wirkte, eines
Tages in diesem Hause und im Plenum über eine ganz andere Berlin-Aktion unterhielten, nämlich über die Steuerpräferenzen, da habe ich mir erlaubt zu sagen: Mit diesem Gesetzgebungswerk rückt die Berlinhilfe sozusagen in ein neues Stadium. Es ist nicht mehr Berlinhilfe, sondern es ist jetzt ein konstruktiver Beitrag zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen Integration dieser außergewöhnlich stark industriell entwickelten Stadt in die gesamte Volkswirtschaft.
Wir haben diese Linie weiter fortgesetzt. Heute diskutieren wir aber etwas ganz anderes, wobei ich nicht sagen will, daß diese Diskussion erst heute anfängt; sie klang schon immer an. Heute diskutieren wir zunächst einmal die vorsorglichen Maßnahmen, die der Bund in Berlin ergreifen sollte, damit Berlin eines Tages seine Hauptstadtfunktionen ausüben kann. Wer die Diskussion in der vorigen Woche hier gehört hat, der konnte allerdings gerade auf Grund der Ausführungen der Sprecher der größten Regierungspartei etwas pessimistisch werden. Es war nicht nur die Warnung vor der Ungeduld, sondern es klang doch so etwas resigniert hindurch, daß wir wahrscheinlich noch sehr lange würden Geduld haben müssen.
Um so erfreulicher ist es nun, daß der Herr Bundeskanzler anläßlich seines Besuches in Berlin — ich habe es allerdings nur in der Zeitung gelesen; ich will daher auch nicht wörtlich zitieren — dem Sinne nach gesagt hat, die Chancen für die Wiedervereinigung seien viel besser als je zuvor; so ungefähr hat er es gesagt. Meine Damen und Herren, an einem Kanzlerwort soll man bekanntlich nicht deuteln und drehen. Ich will das auch nicht tun. Ich will auch nicht sagen, daß ich etwa annehme, das sei ein Wahlschlager. Im Gegenteil, ich weiß, der Regierungschef ist besser informiert als das Parlament, ja sogar besser informiert als seine Minister, und vielleicht weiß er etwas, was wir nicht wissen. Wenn er aber sagt, die Stunde der Wiedervereinigung sei vielleicht näher, als manche glauben, ja, dann unterstreicht er doch die Dringlichkeit dessen, was wir hier vorbingen,

(Abg. Dr. Strosche: Sehr gut!)

wie man es stärker überhaupt nicht unterstreichen kann.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim GB/BHE.)

Denn wenn der Herr Bundeskanzler recht behält, meine Damen und Herren, dann müssen wir uns doch geradezu beeilen, alles zu tun, um nicht etwa überrascht zu werden.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim GB/BHE. — Zuruf von der SPD: Also doch Wahlschlager!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219001600
Das alles werden wir durchführen, das alles soll kommen — so ungefähr —, wenn die Gesamtlinie der Politik der


(Dr. Reif)

Mehrheit dieses Hauses fortgesetzt wird, — ja, meine Damen und Herren, so bedeutet das — wenn ich einmal davon absehen will, daß es mit Rücksicht auf die kommenden Wahlen gesagt ist — eine Aufforderung an uns, zu versichern: wir werden das auch tun. Und wer wollte daran eigentlich zweifeln? Es ist ja nicht die Regierung gewesen, die diesen Antrag eingebracht hat!

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim GB/BHE.)

Es waren nicht die Regierungsparteien, sondern es war die Opposition! Und die Opposition kann für sich in Anspruch nehmen, daß, wenn die Linie der Gesamtpolitik dieser Mehrheit nicht in allen Teilen fortgesetzt wird, dann auch und dann erst recht für Berlin alles getan wird.

(Lebhafter Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim GB/BHE.)

Man komme uns doch nicht in Regierungserklärungen mit solchen Redensarten, die selbst von einem Abgeordneten schwer zu ertragen sind, nun gar in einer amtlichen Regierungserklärung!

(Bundesinnenminister Dr. Schröder: Ich werden Ihnen gleich den richtigen Text vorlesen!)

— Ja, bitte schön!
Ich möchte Ihnen da gleich noch etwas sagen, Herr Minister, da wir gerade im Gespräch sind: Auch der Hinweis auf das Bulletin und auf die Liste des Herrn Dr. Vockel ist nicht befriedigend. Es stehen in dieser Liste — das ist hier mit Recht gesagt worden — eine Reihe von Unternehmungen, Behörden usw. des Bundes, die unter diesem oder einem anderen Namen schon immer in Berlin waren, und ich möchte nun wirklich bitten: sollen wir das als eine ganz besondere Leistung ansehen, daß man uns das nicht ebenso weggenommen hat wie seinerzeit der Reichspatentamt?

(Sehr gut! bei der SPD.)

Ich erinnere mich noch, wie ich zusammen mit dem verstorbenen Kollegen Tillmanns mit einem der Herren Staatssekretäre über diese Angelegenheit sprach, daß diese Unterhaltung von Herrn Kollegen Tillmanns abgebrochen wurde mit einer Bemerkung, die ich nur deshalb nicht zitieren möchte, weil er leider verstorben ist und mich dazu nicht ermächtigen kann. Es lag aber in dieser Bemerkung die ganze Verbitterung über den Ton, in dem man dieses Berliner Anliegen damals behandelt hat.
Nun, ich gebe zu, das ist besser geworden. Wir haben in der Frage der Verlegung von Behörden nach Berlin einige Erfolge gehabt, darüber ist gar kein Zweifel. Aber von dem Grundsatz, sich von Anfang an — was hier gelegentlich auch ausgesprochen wurde — auf den Standpunkt zu stellen, was nicht unbedingt in Bonn sein muß , gehört nach Berlin, von diesem Grundsatz war in der Praxis keine Rede.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Ich erinnere mich noch aus einer Konferenz im Zimmer des früheren Herrn Ministers für die Angelegenheiten des Bundesrates, des Herrn Ministers Hellwege, der vom Herrn Bundeskanzler den Auftrag hatte, die Frage der Behördensitze zu behandeln, daß auf Einwände, die wir Berliner brachten, Herr Hellwege sagte: Ja, da bin ich nicht die richtige Adresse; denn ich habe ja nicht den Auftrag, zu verhandeln über das, was hier bleibt und was nach Berlin kommt, sondern ich habe den Auftrag bekommen, mit den Ländern darüber zu verhandeln, welche Bundesbehörden in den Ländern untergebracht werden! — Das, meine Damen und Herren, ist also eine völlige Abweichung gewesen von der ursprünglichen, hier im Hause und auch von der Regierung akzeptierten Grundlinie. Man hat sozusagen aus der Zuteilung der Sitze von Bundesbehörden, sagen wir mal vorsichtig: ein Politikum, ein Instrument, ein Werkzeug, ich will nicht sagen: ein Zahlungsmittel der inneren Politik gemacht. Das war, im Sinne des Ganzen gesehen, nicht schön.
Meine Damen und Herren! Nun ist seit einiger Zeit — das hat der Kollege Brandt in seiner Begründung unserer gemeinsamen Vorlage schon ausgeführt — durch die Aktion, die ich einmal als „Aktion Bucerius" bezeichnen möchte, eine Diskussion in Gang gekommen, als deren mittelbares Produkt auch diese heutige Diskussion angesehen werden kann.
Ich bin seinerzeit, als in ,der Presse sehr viel über diese Forderungen des Herrn Kollegen Bucerius stand, dessen Verdienste um Berlin wir alle hoch anerkennen, von einer Zeitung interpelliert worden: Was sagen Sie zu diesem Programm? — Ich habe daraufhin gesagt: Dazu kann ich gar nichts sagen, denn dieses Programm ist ja noch gar nicht da; ich warte auf den Antrag. Ich habe allerdings gleich gesagt, daß ich ein wenig skeptisch bin, ob es überhaupt zu diesem Antrag kommt.
Meine Skepsis hat leider recht behalten. Es ist dann auf der Tagung des Kuratoriums „Unteilbares Deutschland" in Berlin, wo ja alles Mögliche — dort und hier — sich ereignet hat, was Sie alle kennen, zu einer Art Unterstützung für die Forderungen des Herrn Bucerius gekommen. Aber auch das hat nicht ausgereicht, diesen Antrag, den man der deutschen Öffentlichkeit lange vorher annonciert hatte, als Antrag Realität werden zu lassen.
Nun noch ein Wort zu einer Bemerkung der Frau Kollegin Maxsein. Daß das Kuratorium „Unteilbares Deutschland" in dieser Frage eine eindeutige Haltung eingenommen hat, das wissen wir. Nun hat die Frau Kollegin Maxsein gesagt — ich hoffe, daß ich Sie jetzt richtig zitiere —, daß der Königsteiner Kreis vor einer Verlegung, wie hatten Sie gesagt: der Bundesregierung oder von Bundesbehörden?

(Abg. Frau Dr. Maxsein: Behörden sind nicht Regierung!)

— Ich möchte ganz sicher gehen und möchte Ihnen kein Unrecht tun. Sie haben dem Sinn nach ungefähr gesagt: Der Königsteiner Kreis hat gewarnt. Das Wort „gewarnt" haben Sie, glaube ich, ausgesprochen.

(Zustimmung bei der SPD.)

Ich möchte als ein Vorstandsmitglied des Königsteiner Kreises sagen, daß das so nicht stimmt.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Der Königsteiner Kreis hat nicht gewarnt. Der Königsteiner Kreis macht überhaupt keine Politik, und er gibt keine politischen Erklärungen ab, sondern im Rahmen der Arbeiten des Verfassungsausschusses des Königsteiner Kreises ist auch diese Frage behandelt worden. Aus der Diskussion ist


(Dr. Reif)

eine Art Resolution entstanden. Ich möchte Ihnen diese Resolution jetzt nicht vorlesen, weil ich Ihre Zeit nicht zu lange in Anspruch nehmen will; aber sie steht zur Verfügung. Frau Maxsein hat sie, und andere haben sie auch. Wenn Sie sie durchlesen, werden Sie feststellen, daß da von einer Warnung keine Rede ist. Es steht ausdrücklich drin — wenn ich das mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten kurz sagen darf —:
Es liegt im Sinne dieser Aufgabe, die Position von Berlin als Hauptstadt Deutschlands noch weiter zu verstärken. Hierzu gehören wesentlich die Begründung eines zweiten Amtssitzes des Bundespräsidenten in Berlin und die Bestimmung Berlins zum zweiten Tagungsort für Bundestag und Bundesrat. Ferner sollte Berlin mehr .als bisher zum Sitz von Bundesbehörden und -gerichten bestimmt werden.
Dann kommt der Satz, den Frau Maxsein meint:
Von der Verlegung ganzer Bundesministerien nach Berlin würde allerdings gegenwärtig keine entscheidende Förderung der Wiedervereinigung zu erwarten sein.
Meine Damen und Herren, darüber kann man verschiedener Meinung sein, aber eine Warnung vor einer solchen Aktion ist das doch nicht.

(Abg. Neumann: Sehr wahr!)

Nun ein Weiteres. In diesem Zusammenhang ist von dem Viermächtestatus gesprochen worden. Herr Kollege Brandt hat hier ein Wort in einem ganz bestimmten Anwendungssinn gebraucht, nämlich daß der Viermächtestatus Berlins manchem als Vorwand dient.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Er hat gesagt: Feigenblatt! Er hat nicht gesagt, daß es ein Schlagwort sei. Er hat nicht gesagt, daß es ein Vorwand für alles mögliche sei; es wird so benutzt. Nun, meine Damen und Herren, da muß ich wirklich eines sagen. Ich selber habe ja doch die Erfahrung gemacht, daß damals der Antrag auf Abhaltung der Bundesversammlung in Berlin, ehe er hier behandelt wurde, in Regierungskreisen bis hinauf in die Räume ,des Herrn Bundespräsidenten diskutiert wurde.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Da weiß ich doch, was die Herren Regierungsvertreter alles vorgebracht haben, meine Damen und Herren. Da ist doch auch behauptet worden, es hätten Besatzungsmächte Einspruch erhoben. Ich bin zu den Besatzungsmächten hingegangen und habe gefragt. Es hat nicht gestimmt.

(Lebhafte Rufe von der SPD: Hört! Hört! — Abg. Dr. Strosche: So wird's gemacht!)

Das nämlich ist es, was der Herr Kollege Brandt
gemeint hat, wenn er sagte, der Viermächtestatus
diene häufig als Vorwand.
Darüber, Frau Maxsein, daß Berlins Sicherheit auf der Anwesenheit der Alliierten beruht, ist ja gar kein Zweifel, das bestreitet kein Berliner, das bestreitet kein Mensch hier im Hause. Aber daß durch Verlegung von Bundesbehörden der Vertrag, auf dem der Viermächtestatus beruht, verletzt werde, meine Damen und Herren, das kann doch niemand ernstlich glauben. Wenn es nämlich so wäre, dann hätte ja die Verletzung schon vor Jahren Realität sein müssen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Da wäre schon vor Jahren etwas erfolgt. Ich erinnere mich noch ganz genau, daß auch damals, als wir das Dritte Überleitungsgesetz in der Vorbereitung hier starteten, gesagt wurde: „Der Petersberg wird Einspruch erheben." Wir haben das Gesetz seit Jahren — es ist kein Einspruch gekommen, es funktioniert. Wir können doch hier nicht etwa die Formel gebrauchen wollen, daß Quantität von einer bestimmten Behördenzahl ab in Qualität umschlage. Ich weiß nicht, ob vielleicht die sowjetische Besatzungsmacht auf Grund ihrer dialektisch-materialistischen Einstellung solche Argumente gebrauchen würde. Ich kann es mir nicht recht vorstellen.
Meine Damen und Herren, es ist bedauerlich — wirklich sehr bedauerlich! —, daß wir im Gegensatz zu früher in diesem Kreise überhaupt über die Dinge reden müssen, daß wir herausgefordert werden, daß Selbstverständlichkeiten so gesagt werden, als müsse man sie uns vorhalten, Dinge, über die sich früher ,der Bundestag restlos einig war, über die gar nicht gesprochen wurde.

(Abg. Dr. Friedensburg: Das sind wir doch noch immer!)

— Ja, das sind wir noch immer. Aber dann, Herr Kollege Friedensburg, schicken Sie andere Redner vor! Dann lassen Sie zu diesen Dingen so reden, Herr Kollege Friedensburg, wie wir im 1. Bundestag gesprochen haben.

(Beifall bei der FDP und beim GB/BHE.)

Sie werden mir doch zugeben: im 1. Bundestag war die Berlin-Frage — vielleicht mit Ausnahme der anwesenden Kommunisten — jederzeit frei von parteipolitischer Einstellung. Dahin, meine Damen und Herren, müssen wir auch wieder kommen. Aber das geht natürlich überhaupt nicht, wenn es schon in der Regierungserklärung so anfängt.
Deshalb möchte ich damit schließen: Im Gegensatz zum Herrn Bundesinnenminister bin ich der Meinung — ich wiederhole das —: Nur wenn sich die Politik gegenüber derjenigen, die bisher in diesem Bundestag von der Mehrheit geführt worden ist, auch in der parlamentarischen Behandlung der Dinge, ändert, bessert, nur dann werden wir die gesamtdeutsche Frage so behandeln, wie sich das eigentlich für das Parlament eines Volkes, das in dieser Lage ist, gehört.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem GB/BHE.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219001700
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (CDU):
Rede ID: ID0219001800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß Herr Kollege Reif doch polemisiert hat; aber darauf muß ich dann ja eingehen.
Ich tue es in zwei Punkten.
Das eine ist seine Behauptung, wir hätten, um eine günstigere Statistik zu erlangen, kurzerhand eine Umfirmierung bestimmter Stellen vorgenommen, die jetzt als Bundesstellen ausgewiesen seien, während sie sonst Berliner Stellen gewesen seien. Meine Damen und Herren, ich könnte nur wünschen, wir hätten, von den Ereignissen etwas mehr begünstigt, als wir es waren, eine Umfirmierung für viel mehr Stellen, möglichst auch die Ministerien selbst, in Berlin vornehmen können. Dann würde


(Bundesinnenminister Dr. Schröder)

die ganze Debatte heute sowieso ein anderes Gesicht haben, im übrigen gar nicht in diesem Saale
stattfinden. Das ist das eine, was ich sagen möchte.
Das Zweite ist eine Kleinigkeit ernster. Herr Kollege Reif, Sie haben uns mit Ihrer Absicht bekanntgemacht, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Ihre Memoiren auch über die Vorgeschichte dieser Sache zu schreiben. Ich möchte Sie davor bewahren, daß in Ihre Memoiren ein falsches Zitat eingeht, und deswegen darf ich Ihnen noch einmal vorlesen, was ich wirklich gesagt habe. Ich habe gesagt:
Die Bundesregierung hat alles getan und wird alles tun, um Berlin seine alte Bedeutung zurückzugeben. Sie ist der Überzeugung, daß der sicherste Weg dazu (nämlich Berlin voll und ganz seine alte Bedeutung zurückzugeben) die unbeirrbare Fortsetzung der von der Mehrheit dieses Hauses getragenen Politik ist.
Herr Kollege Reif, die Bundesregierung nimmt für diese ihre Überzeugung den Schutz der Meinungsfreiheit in Anspruch.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FVP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219001900
Das Wort hat Herr Dr. Bucerius.

Dr. Gerd Bucerius (CDU):
Rede ID: ID0219002000
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin über den Verlauf dieser Debatte ein ganz klein wenig niedergeschlagen. Die Schärfe, mit der über diese uns alle angehende Frage diskutiert worden ist, ist nach meiner Auffassung der Sache, die wir vertreten, auf deren wirksame Erfüllung es für das ganze deutsche Volk so sehr ankommt, nach meiner Auffassung nicht immer dienlich. Es ist nach meiner Auffassung in Wunden gewühlt worden, die vernarbt sind. Beispiel: die Frage des Bundespatentamts. Sie ist gar nicht in diesem Hause entschieden worden — dieser Eindruck ist hier wohl entstanden —, sondern sie war eine Entscheidung des Wirtschaftsrates. Ich habe die Protokolle noch einmal nachgelesen. Dort ist zu lesen, daß damals ein Abgeordneter dieses Parlaments die, wie wir heute wissen, falsche Auffassung vertreten hat, es sei nicht damit zu rechnen, daß Berlin in absehbarer Zeit wieder in seine alte Stellung als Bundeshauptstadt würde zurückkehren können; deshalb sei ein Verbleiben des Bundespatentamts in Berlin nicht möglich. Er schlug als sozialdemokratischer Abgeordneter seine Heimatstadt Darmstadt vor. Das Bundespatentamt ist dann durch einen Mehrheitsbeschluß nach München verlegt worden. Berlin hat damals leider überhaupt nicht zur Debatte gestanden. Wir wissen heute: wäre die Entscheidung jetzt und in diesem Hause zu treffen, so würde sie anders ausfallen.
Ich finde es auch nicht sinnvoll, heute mit dem Bundesfinanzminister darüber zu rechten, ob er wirklich genügend für die Stadt Berlin getan hat. Ich bin immerhin nun durch zehn Jahre Zeuge der Auseinandersetzung zwischen dem Lande Berlin und dem Finanzministerium gewesen. Sicherlich, Schäffer ist ein harter Rechner. Er ist es aber nicht nur mit Berlin, sondern mit einem jeden von uns, und das ist halt seine Aufgabe, die er auf Grund der Verfassung und zum Schutz des Steuerzahlers zu erfüllen hat und natürlich auch der Stadt Berlin gegenüber erfüllen muß.

(Abg. Dr. Friedensburg: Sehr richtig!)

Sein Herz, seine Großherzigkeit für Berlin in dieser Stunde zu bezweifeln, halte ich nicht für opportun, nicht weil daraus Folgen für die Zukunft erwachsen könnten — wir können ihn ja zwingen, die Wege zu gehen, die wir für richtig halten —, aber weil es auch für Berlin darauf ankommt, daß das, was getan wird, ohne großes Geschrei, jedoch aus vollem Herzen anerkannt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Deshalb, glaube ich, sollten wir versuchen, die vergangenen Wunden zu vergessen. Immerhin, meine Damen und Herren, es ist doch etwas sehr Schönes geschehen. Die Oppositionsparteien haben einen Antrag gestellt. Er hat gewissermaßen den Schlußpunkt unter eine Debatte von mehreren Monaten gesetzt, eine Debatte, die nicht den Verlauf genommen hat, den ich persönlich und eine Reihe von meinen Freunden aus der CDU-Fraktion sowie der größere Teil der SPD-Fraktion sicherlich gewünscht haben. Aber man hat .sich nun einmal geeinigt. Die Oppositionsparteien haben einen Antrag gestellt. Dieser ist in den Ausschuß gekommen und dort fast einstimmig angenommen worden; und ich habe das Gefühl, daß er heute vom ganzen Hause angenommen werden wird. Das ist ein Positivum. Wir sollten feststellen, daß hier eine gemeinsame Arbeit zu einem gemeinsamen Erfolg geführt hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der SPD.)

Das wollen wir als gutes Ergebnis für die Zukunft mitnehmen, auch wenn wir der Meinung sind, daß nicht alle Blütenträume gereift sind.
Es ist ja kein Geheimnis, daß der Beschluß, den wir heute fassen werden, weit hinter den Vorstellungen zurückbleibt, die eine namhafte Gruppe dieses Hauses gehabt hat. Selbstverständlich hat in keinem Augenblick irgend jemand von uns die Vorstellung gehabt, daß man die Bundeshauptstadt von heute auf morgen mit dem gesamten technischen Apparat nach Berlin verlegen könne. Zehn Jahre Wiederaufbau unseres zerstörten Landes haben zwangsläufig einen Apparat entstehen lassen, der einen den großen Aufgaben und den großen Erfolgen entsprechenden Umfang angenommen hat. Diesen Apparat von heute auf morgen an eine andere Stelle zu verlegen, ist unmöglich, auch wenn es sich um eine Verlegung nach Berlin handelt, eine Stadt mit 2 Millionen Einwohnern, die eine entsprechende Kapazität und Aufnahmebereitschaft zu bieten vermag. Unser Ziel im November vorigen Jahres war es, durch jetzt zu fassende Beschlüsse Vorsorge dafür zu treffen, daß später, nämlich vom Zusammentritt des nächsten Bundestages an, die provisorische Hauptstadt beginnen sollte, ihre Funktionen an die endgültige Hauptstadt abzugeben. In weiteren ein bis zwei Jahren, so hofften wir, sollten dann alle Bundesministerien um das in Berlin residierende Parlament versammelt sein, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstünden.
Wir hofften also, daß das große Ziel in zwei bis drei Jahren erreicht sein würde, natürlich immer vorbehaltlich der weltpolitischen Entwicklungen. Diese sind uns entgegengelaufen. Es ist zuzugeben: die gewaltsame Niederschlagung des ungarischen Aufstandes durch die Sowjets hat eine scharfe Zäsur in die von uns geplanten Entwicklungen gebracht. Es war richtig, angesichts des drohenden Ausbruchs großer Verwicklungen unser Vorhaben zunächst zurückzustellen. In dieser Pause hat sich


(Dr. Bucerius)

die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik, aber auch in Berlin und in diesem Hause in gewissem Umfang gegen uns gewandt. Die kritischen Stimmen haben sich — das wollen wir ruhig zugeben — vermehrt. Es waren viele darunter, auf die wir kein Gewicht zu legen brauchen, weil von vornherein klar erkennbar war, daß es ihnen nicht um die Sache, sondern darum ging, verwurzelte Vorurteile zu behüten. Wir haben es mit Gleichmut hingenommen und werden es auch in Zukunft tun, wenn man uns vorhält, man müsse die Dinge nicht nur mit dem Herzen, sondern auch mit dem Verstande betrachten, eine „reale Betrachtung" der Lage sei erforderlich. Als ob wir es gewesen wären, die das Bedrohliche des gegenwärtigen Zustandes unterschätzt hätten! Die Gefahr wird nach unserer Auffassung von denen unterschätzt, die glauben, ihr immer nur mit den alten Methoden Herr werden zu können. Wir wissen heute, daß sich die Lage in der Welt geändert hat. Was in Zeiten des scharfen politischen Frostes richtig war, muß nicht mehr richtig sein in Zeiten der Schneeschmelze; sonst kann die in der Schneeschmelze entstehende Flut uns ertränken.
In dieser Frage wird mit Ernst und Leidenschaft, aber auch mit gutem Gewissen gerungen. Wenn wir dieses gute Gewissen für uns in Anspruch nehmen, so billigen wir es ohne Einschränkung auch all denen zu, die wie die Antragsteller anderer Meinung sind. Wir alle zusammen gehen eben wie bei einer Bergwanderung im Schneesturm auf einem schmalen Grat. Der Fehltritt eines von uns kann uns alle in den Abgrund stürzen; denn wir sind angeseilt an ein gemeinsames Schicksal, von dem sich keiner ausschließen kann. Weil wir wissen, daß dem so ist, fügen wir uns in dieser Stunde trotz unserer weitergehenden Vorstellung der großen Mehrheit dieses Hauses, der Bürger in der Bundesrepublik und der Stadt Berlin, welche glauben, daß der gegenwärtige Beschluß ein Optimum bedeutet.
Aber wir werden unser Ziel nicht aus den Augen verlieren. Wir werden unsere Aufgabe weiter darin sehen, die öffentliche Meinung in unserem Sinne zu beeinflussen. Diesen Vorbehalt müssen wir machen, wenn wir uns loyal mit dem zu fassenden Beschluß abfinden.
Lassen Sie mich noch kurz einige der gegen uns geltend gemachten Gründe erörtern. Man sagt, der Viermächtestatus verbiete die Verlegung der obersten Bundesorgane nach Berlin. Noch in diesen Tagen habe ich in der Presse Westdeutschlands und zu meiner Verblüffung sogar in einer Berliner Zeitung diesen Einwand gelesen. Er ist unbeachtlich, nachdem eine dieser vier Mächte in Ostberlin einen Regierungsapparat aufgebaut hat, der den Anspruch darauf erhebt, einen Staat, die sogenannte DDR, zu repräsentieren. Wenn wir Jahre später ein Gleiches tun, kann uns eine Verletzung nicht wohl vorgeworfen werden.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

In Wirklichkeit meinen diese Einwände auch wohl etwas anderes, nämlich die Bestimmungen des Pariser Abkommens, insbesondere des Art. 2, der durch eine Vereinbarung vom 23. November 1954 neu gefaßt ist. Sie wissen alle, worum es sich handelt. In der Tat haben die drei Mächte, nicht die vier, die Garantie des Status der Stadt Berlin übernommen. Hieraus ergeben sich Einschränkungen. Ich muß zugeben: hätten die drei Mächte gegen den von uns geplanten Schritt Einspruch erhoben mit der Begründung, Parlament und Bundesregierung in Berlin seien ein Hemmnis und nicht eine Unterstützung für ihre Aufgabe, nicht eine aktive Hilfe für die Wiedervereinigung, so hätten wir in der Tat einem solchen Einspruch nachgeben müssen. Es gibt einstweilen — das müssen wir offen festsellen — keinen Anhaltspunkt dafür, daß wir mit einem solchen Einspruch hätten rechnen müssen. Es ist möglich, daß die Alliierten den gefaßten Beschluß und die Vorbereitungen hierzu gebilligt und die weitere Entwicklung abgewartet hätten. Denn — nicht wahr — wir wollten ja die Hauptstadt nicht sofort verlegen, sondern die Vorbereitungszeit hätte ein bis zwei Jahre gedauert, und was in dieser Zeit hätte geschehen können, das können weder wir noch die Alliierten wissen. Ich wiederhole: es ist möglich. Sicherheit hätten wir erst nach einer förmlichen Anfrage bei unseren drei Verbündeten erhalten können. Mir selbst war eine solche Anfrage verständlicherweise verwehrt. Ihnen über die Gespräche zu berichten, die ich mit einzelnen Vertretern der verbündeten Mächte gehabt habe, hätte daher wenig Sinn. Ich habe aber das Empfinden, daß zumindest bei unseren amerikanischen Freunden eine Erinnerung an die Pionierzeit ihres eigenen Landes aufkam, eine Erinnerung an die große Zeit der amerikanischen Geschichte, wenn wir von unseren Berlin-Plänen sprachen. Die Amerikaner, die damals ein neues Land erobert haben, haben gewiß Verständnis dafür, wenn wir durch unsere Bewegung nach Berlin die Verbindung mit unseren 18 Millionen Mitbürgern in der Zone zurückgewinnen wollten.

(Beifall in der Mitte und links.)

Die Verkehrsverbindungen nach Berlin seien gefährdet. Man gebe den Russen — das ist der nächste Einwand —, unseren erklärten Gegnern im Kalten Kriege, eine gefährliche Waffe in die Hand, wenn man versuche, den Bund von Berlin aus zu regieren. Hier liegen die eigentlichen, die echten und in der Diskussion berechtigten Einwände. Die Gefahr wird zugegeben, das Risiko eingestanden. Aber welche Politik wäre ohne Risiken? Entscheidend ist die Abwägung. Ich weiß es, die Mehrheit dieses Hauses, die große Mehrheit dieses Hauses, die Mehrheit der Bürger der Bundesrepublik und viele Bürger der Stadt Berlin halten das Risiko eines Beschlusses, Berlin zur Bundeshauptstadt zu erklären, heute für zu groß.
Aber deutlicher noch, als es im November vorigen Jahres zu sehen war, zeichnen sich heute Entwicklungslinien im Sowjetblock, vor allem aber auch in der sowjetisch besetzten Zone ab, die uns meiner Überzeugung nach viel schneller, als wir es gestern noch geglaubt haben, zum Handeln zwingen. Ich berufe mich dabei auf den Herrn Bundeskanzler, der vor wenigen Tagen in Berlin — ja, in Berlin! — die Feststellung traf, daß jene Entwicklung uns zu großen Hoffnungen berechtige. Ja, er hat sich noch positiver ausgesprochen, so positiv, daß vielleicht nicht jedermann bereit ist, ihm in dieser neuen, in Berlin gewonnenen Erkenntnis zu folgen.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

— Ja, meine Damen und Herren, dieser Beifall war offenbar wieder sehr ironisch gemeint. Das halte ich nun wieder nicht für berechtigt. Wir sollten uns doch freuen — —

(Zurufe links.)



(Dr. Bucerius)

— Nein, wirklich und in allem Ernst. Es ist nun einmal so, das ist meine Überzeugung: Einer der Gründe, weshalb wir dafür eingetreten sind, die Hauptstadt nicht mehr in Bonn zu haben, sondern eines Tages — und zwar recht bald — nach Berlin zu legen, ist der, daß von dieser Stadt aus eben doch auch eine andere Politik gemacht werden kann, als es notwendigerweise von einer kleinen Stadt geschehen kann.

(Beifall bei der SPD.)

Aber wenn sich dann daraus Konsequenzen ergeben, sollten wir sie mit Freude und Nachdruck und ohne eine Kritik entgegennehmen.
Unabhängig von dem Unterschied in der Bewertung der Entwicklung im Sowjetblock: vor kurzem — das steht fest — hatten wir es in der sowjetisch besetzten Zone noch mit einer starren, selbstsicheren und ihres Erfolgs gewissen Diktatur zu tun, der eine unterworfene Masse grau und hoffnungslos gegenüberstand. Heute wissen wir, daß unter der winterlichen Decke Triebe gekeimt haben, die zum Durchbruch gekommen sind. Wir hören zu unserem Staunen von geistigen Auseinandersetzungen ersten Ranges. Freiheitsrechte und Menschenwürde werden heute wieder in der Sowjetzone laut geltend gemacht. Die Diktatoren, immer noch im Besitz der Gewalt, sind heute moralisch in die Defensive gedrängt. Verärgert zunächst, besorgt jetzt, versuchen sie, Rede und Antwort zu stehen, versuchen, ihr vom Osten entlehntes System einer freiheitsgewohnten Bevölkerung aufzureden. Sie werden damit keinen Erfolg haben.

(Beifall.)

Man kann mit Recht bezweifeln, ob diese Ent) jemals entstanden wäre, wüßten unsere Mitbürger in der sowjetisch besetzten Zone nicht um die Freiheit in diesem Teil Deutschlands, in der Bundesrepublik, wüßten sie nicht, daß bedeutende Staatsmänner und Politiker in diesem Teil Deutschlands aus Ruinen eine Welt geschaffen haben, in der sich leben läßt, eine Welt, an deren wirtschaftlicher Blüte jedermann teilhaben kann, in der geistige Freiheit genießt, wer immer sie in Anspruch nehmen will. Die Sicherheit, daß die Bundesrepublik im Rahmen des überhaupt Möglichen immer für die Mitbürger in der sowjetisch besetzten Zone da sein wird, diese Sicherheit gibt und wird ihnen den Rückhalt in jener großen Auseinandersetzung mit den östlichen Machthabern in der sowjetisch besetzten Zone geben, sei es auch nur die Sicherheit, im Falle der Not zu uns, in das Land der Freiheit, fliehen zu können.
Ja, große geistige Umwälzungen sind im Gange. Lassen Sie mich sagen, daß mich die Ereignisse dort ein wenig mit Neid erfüllen. Es ist so bequem, in diesem Teil Deutschlands zu leben.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Der Kampf um die Freiheit ist hier gewonnen. Man mag zweifeln, ob unser Volk den richtigen Gebrauch davon macht. Drüben aber, dort wird gekämpft, dort wird gestritten und gelitten. Wen erfüllt es nicht mit Sehnsucht, dabei zu sein?

(Unruhe und Zurufe.)

Das Recht, dieses auch nur zu wünschen, muß aber durch Leistung erworben werden. Meine Vorstellung war es, daß gerade die mit der Bundeshauptstadt Berlin verbundene Gefahr uns eine zusätzliche Legitimation geben würde. Denn eines kann nicht bestritten werden: Jene Mitbürger in der sowjetisch besetzten Zone würden einen solchen Schritt jubelnd begrüßen. Tapfere Kämpfer würden in ihrer Gewißheit gestärkt, zaghafte Herzen mitgerissen werden. Wie schön wäre es, wenn der Mann, der die Fundamente für die Wiederherstellung Deutschlands in der Bundesrepublik gelegt hat, Richtfest in Berlin feiern könnte. Welcher Glanz würde von dieser Handlung ausgehen!
Ich weiß es wohl: Das große Ziel ist hier und jetzt nicht erreichbar. Ich verarge niemandem seine andere Meinung. Ich habe nicht das Recht, das gewissenhafte Urteil jener herabzusetzen, die durch ihre Erfolge in den vergangenen Jahren Beweis für ihre Leistung erbracht haben. Mag sein, daß ich mich irre; mag sein, daß sich die anderen morgen zu meiner Ansicht bekennen werden. Einstweilen aber wollen wir uns — und zwar freudig und zuversichtlich — mit dem abfinden, was wir mit dem Beschluß des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen errungen haben. Wieder einmal wird festgestellt — und heute mit dem Gefühl der wiedergewonnenen Stärke —, daß Berlin die Hauptstadt Deutschlands ist! .
Mit dem Bau eines Parlamentsgebäudes, dem sichtbaren Zeichen der Herrschaft in einem demokratischen System, soll in Berlin alsbald begonnen werden! Dieses Haus ist sich darüber einig, daß, was immer an hoheitlicher Tätigkeit in Berlin in Zukunft ausgeübt werden kann, ab heute dort ausgeübt werden soll, wobei wir die notwendigen Einschränkungen gern in Kauf nehmen.
Das, meine Damen und Herren, ist, glaube ich, ein gutes Stück des Weges. Wir wollen ihn loyal mit den anderen gehen, uns der Mehrheit fügen, wie die Demokratie es gebietet. Vergönnen Sie mir, auszusprechen, daß es vielleicht doch unsere Aktion war, durch die die Sache der echten Bundeshauptstadt in den Augen aller, auch derer, die nicht ganz unserer Meinung sind, an Stärke und Glanz gewonnen hat. Nicht wahr, in unser aller Herzen keimt die Hoffnung, daß es bald, recht bald möglich sein wird, die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes in Berlin feierlich zu begehen.

(Beifall bei der CDU/CSU, beim GB/BHE und bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219002100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Strosche.

Dr. Johannes-Helmut Strosche (GB/BHE):
Rede ID: ID0219002200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte einleitend namens meiner politischen Freunde unser Befremden und Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, daß die heutige Berlin-Debatte, die übrigens letzten Endes in engem Zusammenhang auch mit dem dem Hause vorgelegten Feststellungsberichte steht, zeitlich wie inhaltlich von der Debatte am vergangenen Donnerstag losgetrennt wurde. Wir haben leider oftmals erfahren müssen, daß Anträgen oder Beschlüssen von Ausschüssen dieses Hohen Hauses Regierungserklärungen aufgepfropft wurden, die dann die Gefahr in sich bargen — und so war es wiederum —, daß die eigentlichen, aus der Initiative des Hauses erwachsenen Anträge und Beschlüsse zeitlich und inhaltlich abgehängt und dadurch zwangsläufig auch in den Schatten gerückt werden mußten. Wir glauben, das sagen zu müssen, um diese Methode in der Zukunft vielleicht doch etwas eindämmen zu helfen.


(Dr. Strosche)

Es wäre vielleicht richtig gewesen — jedenfalls ist das meine und meiner politischen Freunde Auffassung —, wenn wir auch über den so mühsam und fleißig erarbeiteten Sachstand und Tatsachenbericht hätten sprechen können, jenen Bericht, der uns allen den Gesamteindruck vermittelt, daß in der Zone zwar gewisse erfreuliche Verbesserungen eingetreten sind, daß aber überwiegend doch der Status quo, sogar mit einzelnen Verschlimmerungen, feststellbar ist. Dieser Tatsachenbericht führt uns wiederum das triste Spiegelbild unseres geteilten Vaterlandes vor Augen. In diesem Berichte sind viele Probleme angeschnitten, die wohl demnächst hier erörtert werden müssen: das Problem einer politischen Amnestie, das sich bei der Lektüre und dem Studium dieses Berichts zwangsläufig aufdrängt, ferner die Frage, ob man nicht rechtlich klären sollte, ob technische Kontakte und Verhandlungen zwischen höheren als mittleren Verwaltungsstellen zwangsläufig eine rechtliche Anerkennung der Regierung drüben und des dortigen Regimes bedeuten müssen. Es sind Fragen vor allem auch der geistig-kulturellen Kontakte, und es sind ferner Einzelfragen, die um Berlin kreisen und die das tragische deutsche Gesamtproblem gerade in Berlin widerspiegeln.
Heute jedoch haben wir es in der Debatte mit dem aktuellen Antrag der Oppositionsparteien vom 11. Dezember des vergangenen Jahres betreffend Hauptstadt Berlin zu tun. Es ist schon angedeutet worden, was dieser Antrag wollte: Er wollte fern allem, ich möchte fast sagen: üblich gewordenen Berlin-Rummel der allerletzten Zeit und hinausgreifend über so kleine Beruhigungsbonbons in Richtung Kanzlerwahl in Berlin im Herbst dieses Jahres usw. noch einmal klar feststellen, daß Berlin die Hauptstadt Deutschlands ist und nicht etwa Bonn. Zweitens wollte er die Errichtung eines Parlamentsgebäudes in der Hauptstadt Deutschlands aktivieren. Ursprünglich sollte durch ihn die Bundesregierung ersucht werden, die als erste Stufe einer Realisierung des Anliegens „Hauptstadt Berlin" unabdingbaren Voraussetzungen rascher, zügiger und umfassender zu schaffen.
Wir alle in diesem Hause sind wohl befriedigt, daß in Erneuerung des Bekenntnisses des 1. Bundestages vom 30. September 1949 die grundsätzliche Feststellung getroffen wurde: Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands! Die leidige Diskussion über ein Berliner Parlamentsgebäude, die seit etwa 6 Jahren im Schwange ist, ist nun auf etwas praktischere und richtigere Gleise gelenkt worden. Der Ausschuß hat sich herausgehalten aus der immer verwirrteren Diskussion: wo Neubau und wo nicht, und zwar im Hinblick auf den architektonischen Wettbewerb zur Wiederherstellung des Reichstags, auf die Planungen und den Wettbewerb für das sogenannte Diplomatenviertel usw.
Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn wir bei dieser Gelegenheit an einen Antrag erinnern, den die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/ BHE vor geraumer Zeit eingebracht hat und der, soviel ich sehe, irgendwo schlummert oder zurückgestellt ist. Wir hatten es damals für ratsam erachtet, zu beantragen, ,einen Aufruf zu einer mahnenden und verpflichtenden Volksspende zu erlassen, der die finanzielle Basis für die Wiederherstellung, aber keineswegs museal-kopierende Restauration des alten Reichstagsgebäudes schaffen sollte. Ebenso wie zu der in begrüßenswertem und bedeutsamem Umfang erfolgten Hilfe für die Ungarn Flüchtlinge hätten wir auch zu dieser symbolischen Handlung des ganzen Volkes aufrufen sollen,

(Sehr wahr! beim GB/BHE)

um dem deutschen Volk die Beweismöglichkeit zu geben, daß dieses Gebäude und damit Berlin als Mittelpunkt und Hauptstadt dieses Landes nicht aus dem lebendigen Bewußtsein des deutschen Volkes entschwunden ist.

(Beifall beim GB/BHE.)

Im Zwange einer nunmehr notwendigen Klärung über das Wie und Wo sind wir heute nach wie vor der Auffassung, daß das Reichstagsgebäude nach modernen architektonischen Gesichtspunkten modifiziert, wiederhergestellt werden sollte, und zwar als ein vielleicht künstlerisch fragwürdiges — das gestehen wir zu —, aber nationalhistorisch ehrwürdiges Symbol, das in alt-neuer Form, so möchte ich sagen, entweder einem verwandten Gegenwartszweck — denken Sie an ein Bundesratshaus — oder einem anderen repräsentativen Zweck besonderer nationaler Bedeutung zugeführt werden 'sollte.
Daneben halten wir die baldige Errichtung eines neuen Parlamentsgebäudes in Berlin, d. h. die Planung und Durchführung eines derartigen Baues, für notwendig und wünschenswert. Im Hinblick auf den Standort — den Platz der Republik, den ehemaligen Königsplatz — sind wir, um im gegenwärtigen Planungs- und Wettbewerbsdurcheinander die städtebaulichen, architektonischen, technischen und ästhetischen Entscheidungen nicht übermäßig zu belasten, mit dem Wegfall der Platzfixierung im Ausschuß -Beschluß — Punkt 2 — durchaus einverstanden.
Weiter hat sich, wie heute bereits betont, dieser Antrag zur Aufgabe gesetzt, praktische Vorschläge zur Wiederherstellung der hauptstädtischen Funktion Berlins, und zwar durch Baumaßnahmen des Bundes in Berlin und durch einen Bonner Baustopp, zu fördern und daran die Forderung zu knüpfen, in weitestmöglichem Umfang Bundesbehörden und -ministerien nach Berlin zu verlegen, was, wie heute mehrfach angedeutet wurde, nicht nur rechtlich im Hinblick auf den Status Berlins, sondern erst recht politisch durchaus möglich und unseres Erachtens höchst wünschenswert wäre. Wir halten Bedenken, die in den Vorverhandlungen hinsichtlich des zu erwartenden Einspruchs der Alliierten und wegen des Viermächtestatus geäußert wurden, für abwegig. Es ist mit Recht — ich glaube, von dem Kollegen Dr. Bucerius — darauf hingewiesen worden, daß die sogenannte DDR diese Statusbedenken durch die Praxis weitestgehend überwunden hat.

(Abg. Frau Dr. Maxsein: Der Vergleich hinkt!)

Verzeihen Sie bei dieser 'Gelegenheit das offene Wort: Wir haben oft den Eindruck, daß es ein wenig an eigener Courage oder am Mut zur eigenen Courage fehlt und daß manchmal Hinweise auf funktionelle Schwierigkeiten im 20. Jahrhundert — einer Zeit der technischen Vervollkommnung — Bequemlichkeitsargumente oder Hinweise auf Bereiche des verfassungsrechtlichen Ermessens oder gar organisatorische Subtilitäten usw. mehr Feigenblätter für einen, ich möchte sagen, mangelnden Willen und eine mangelnde innere Neigung sind, nach Berlin zu gehen.

(Sehr gut! beim GB/BHE.)



(Dr. Strosche)

.) Ganz grob, vielleicht übergrob gesagt, sind wir der Auffassung, die Parole sollte und müßte in diesem Hause heißen: weg von Bonn und hin nach Berlin an die Wiedervereinigungsfront, und zwar mit der Mehrzahl der legislativen und exekutiven Spitzen unseres Staates und ihrer Apparaturen; heraus aus der, sagen wir mal, Bonner Etappe und hinein in das spannungsreichere, risikogeladenere Berliner Feld. Wir sind der Meinung, daß Regierung, Ministerien und oberste Bundesbehörden und das gesamte politische Leben der Bundesrepublik, vor allem jedoch der nächste Deutsche Bundestag aus dem rheinischen Hinterland heraus — und in diesen Brückenkopfraum der Freiheit, an diese Naht- und Berührungsstelle zwischen West und Ost, in diesen echten politischen Raum hineingehören.

(Sehr gut! beim GB/BHE.)

Ich bitte, auch folgendes Argument zu bedenken. Wir empfangen hier und da Staatsoberhäupter und berühmte und politisch gewichtige Persönlichkeiten des Auslandes hier in Bonn. Meinen Sie nicht, daß der Eindruck all dieser Staatsoberhäupter und politischen gern gesehenen Gäste der Bundesrepublik in Berlin an der Herzenswunde unseres deutschen Leides, unserer deutschen Not viel eindrucksvoller wäre als in der Krähwinkelei von Bonn und Bad Godesberg etwa?

(Beifall beim GB/BHE, bei der SPD und bei der FDP.)

Hier würde auch jedem Außenpolitiker und Staatsmann, schon allein durch manche Umweltserscheinungen und Erlebnisse, ganz deutlich gemacht werden, welches unser deutsches Problem Nr. 1 ist. Ich glaube, im Hinblick auf diesen politischen Effekt sollten technische Schwierigkeiten oder finanzielle Mehrkosten oder sonstige zaghafte Überlegungen nicht als so gewichtig in die Waagschale fallen.
Zu all dem bedarf es, glaube ich, eines gewissen Mutes und auch der Überwindung mancher Ressentiments. Ich Jas neulich einmal in einer bayerischen Zeitung Ausführungen über den berlinisch-preußischen Geist, der es einem im Süden lebenden und wirkenden Menschen nicht zumutbar mache, sich dort in Berlin wohlzufühlen. Das sind vielleicht unbedeutende Randerscheinungen, gewiß! Ich glaube aber, sie beleuchten blitzartig manche innere Abneigung gegen diesen zweifellos risikogeladenen, aber notwendigen Schritt, weg von Bonn, von der Wirtschaftswunderhinterlandsetappe und hin an ,die Wiedervereinigungsfront nach Berlin!

(Beifall beim GB/BHE.)

Im übrigen sind wir mit der Regelung, die in Ziffer 4 c des Ausschußantrags, Ziffer 3g des Fraktionsantrages, vorgeschlagen ist, zufrieden. Ich möchte die Meinung unterstützen, die hier geäußert wurde, daß über die Förderung der Technischen Universität und der Freien Universität Berlin hinaus weitere Maßnahmen ergriffen werden und zusätzlich finanzielle, aber auch geistig-kulturelle Kräfte einströmen müssen, damit diese Stadt vor allem ihrer Aufgabe gerecht werden kann, erster Brückenkopf kultureller Begegnung zu sein.
Wir sind weiter darüber erfreut, daß in Ziffer 3 f des Fraktionsantrags, Ziffer 4 b des Ausschußantrags, eine Lösung angedeutet ist, die uns wohl einen Schritt in den östlichen Raum, hinein an die Wiedervereinigungsfront führen wird.
Dem SPD-Antrag auf Etablierung eines permanenten Unterausschusses mit der Pflicht, vierteljährlich Bericht zu erstatten, stimmen wir zu.
Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen. Es ist hier von Dankesschuld gesprochen worden. Frau Kollegin Dr. Maxsein hat es unangenehm berührt, daß Herr Kollege Brandt nicht ein Wort des Dankes gegenüber der Bundesregierung gesagt hat. Ich glaube, jeder, der in den etwas sichereren und ruhigeren Gefilden der westlichen Bundesrepublik lebt, sollte nie aufhören, in erster Linie immerdar der Berliner Bevölkerung zu danken.

(Sehr gut! bei dem GB/BHE und der SPD.)

Die Pflicht zu diesem unserem Dank ist fraglos die vordringlichere. Wir sollten angesichts der optimistischen — manche meinen: verwunderlichen — Prognose des Herr Bundeskanzlers sagen: Die Zeit drängt! Wir sollten mit dem Zögern Schluß machen und energischere, umfassendere und mutigere Maßnahmen ergreifen, als sie z. B. auch aus der Regierungserklärung zu diesem Tagesordnungspunkt sichtbar wurden, um nach Berlin, an die Front der Wiedervereinigung, zu gehen.

(Beifall beim GB/BHE, bei der SPD und bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219002300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brandt (Berlin).

Willy Brandt (SPD):
Rede ID: ID0219002400
Meine Damen und Herren! Ich möchte die kleine Kontroverse mit dem Herrn Bundesminister des Innern nicht an dieser Stelle fortsetzen; denn ich glaube, das ist eine ganz nützliche Aufgabe für den vorgesehenen Unterausschuß.
Ich möchte nur eins klarstellen. Es ist der Wunsch ausgedrückt worden, das, was da ist, ein bißchen auseinanderzuhalten. Man braucht aber deswegen die verschiedenen Maßnahmen, wenn sie auch ganz sinnvoll gewesen sein mögen, noch nicht für ausreichend zu halten. Ich habe ja selbst gesagt, daß es gut war, daß der Bund eine Reihe von Institutionen übernommen hat, die Berlin in der Zwischenzeit betreut hatte. Diese Institutionen bilden eine Gruppe. Die zweite Gruppe sind Außen- und Zweigstellen. Von den 34 Dienststellen im Verzeichnis von Herrn Dr. Vockel sind 24 zur Kategorie der Zweig- und Außenstellen zu rechnen. Es bleibt die dritte Gruppe übrig. Das ist die Gruppe der von Berlin aus für den ganzen Geltungsbereich des Grundgesetzes tätigen Behörden. An diesem entscheidenden Punkt möchten wir ansetzen und die Dinge weiterentwickeln. Ich glaube aber, es ist viel sinnvoller, sich die Liste mal im Ausschuß anzugucken und dort im einzelnen darüber zu sprechen.
Dem Herrn Bundesminister des Innern wird niemand das Recht auf eigene Meinung streitig machen wollen und können, das er für sich und die Bundesregierung in Anspruch genommen hat. Er hat gesagt, es sei die Meinung der Regierung und der Mehrheit, daß die unbeirrbare Fortsetzung ihrer Politik zur Erreichung der Ziele führt, die uns — wir haben da etwas unterschiedliche Vorstellungen — vorschweben. Andererseits darf aber jemand, der nicht zu dieser Mehrheit gehört, darauf hinweisen, daß diese Betrachtungsweise eben nur für diesen Teil des Hauses gilt. Außerdem ist die Bemerkung, daß bisher alles geschehen sei, was zur Erreichung der uns vorschwebenden Ziele möglich gewesen wäre, nicht unumstritten. Man kann sehr wohl der Meinung sein — und wir


(Brandt [Berlin])

haben darüber wiederholt unsere Meinungen ausgetauscht —, daß mehr hätte geschehen können.

(Abg. Dr. Strosche: Sehr richtig!)

Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Wort an die Adresse der Frau Kollegin D r. Maxsein richten. Sie hat es übel vermerkt, daß ich der Bundesregierung nicht gedankt hätte. Wo sind wir denn hier eigentlich? Was ist denn eigentlich das Thema der Debatte? Auf der Tagesordnung steht nicht die Bundeshilfe für Berlin, Frau Kollegin Maxsein. Darüber sprechen wir bei anderen Gelegenheiten, und ich habe bei solchen Gelegenheiten nie versäumt, dem westdeutschen Steuerzahler all die Anerkennung zu zollen, die er verdient für das, was in diesen Jahren geleistet worden ist,

(Beifall bei der SPD)

so wie wir es niemals versäumt haben, unseren alliierten Freunden und insbesondere den Amerikanern, die in den ersten, schweren Jahren so Entscheidendes für den Wirtschaftsaufbau Berlins getan haben, dafür zu danken.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Aber das ist doch nicht das Thema der heutigen Diskussion.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Zu dem, was auf der Tagesordnung steht, sollte doch nicht Süßholz geraspelt werden.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

Da sollten doch praktische, konkrete Fragen behandelt werden, die in dem Antrag enthalten sind und über die man sich dann auch äußern durfte. Das, was auf der Tagesordnung steht, ist nicht ein karitatives Problem, es ist ein nationalpolitisches Problem.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

Dazu muß man sich äußern können in Offenheit und ohne all die unnötigen Verzierungen und das Schnörkelwerk, das bei anderer Gelegenheit angebracht sein mag.

(Beifall bei der SPD.)

Im übrigen bedaure ich sehr, daß die beiden anderen Haupteinwände, die Frau Kollegin Dr. Maxsein vorgebracht hat, allein damit zu erklären sind, daß es ihr in der Eile offensichtlich nicht möglich gewesen ist, meine Ausführungen zu den beiden Punkten, um die es hier geht, ganz mitzubekommen. Ich habe das Protokoll meiner Ausführungen zur Hand. Frau Kollegin Maxsein hat gesagt, in der Frage der Verlegung von Bundesministerien hätte ich erst gesagt, das sei nicht möglich, und dann die Regierung angegriffen, daß sie es nicht wolle. Ich habe das nicht gesagt, sondern ich habe gesagt: Auch die Antragsteller anerkennen den Gesichtspunkt von der Notwendigkeit des Gesamtzusammenhangs der Regierungstätigkeit, habe dann aber versucht, zu entwickeln, daß es selbst bei Anerkennung dieses Gesichtspunktes unserer Meinung nach möglich sein müßte, einen noch näher zu bestimmenden Teil von Regierungstätigkeit noch im Zeitpunkt der Spaltung Deutschlands nach Berlin zu verlegen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Und, verehrte Frau Kollegin Dr. Maxsein, wenn
ich mich in diesem Zusammenhang mit einigen Gesichtspunkten beschäftigt habe, die sonst in der
letzten Zeit in der deutschen Debatte eine Rolle
gespielt haben, dann müssen Sie sich, wenn Sie damit unzufrieden sind, nicht an mich wenden, sondern an diejenigen Ihrer Parteifreunde, die diesen Teil der Debatte bestritten haben. Ich habe doch den Versuch gemacht, wie ich sagte, eine verunglückte Debatte, die zum großen Teil dadurch verunglückt war, daß maßgebende Sprecher der Bundesregierung mit für meine Begriffe übers Ziel hinausschießenden Argumenten gegen Ideen aufgetreten sind, von denen ich glaube, daß sie im Grundgehalt doch gut und richtig waren und weitergeführt werden sollten, wieder zurechtzurücken; das muß doch einem Mitglied dieses Hauses erlaubt sein.

(Vizepräsident D r. Schneider übernimmt den Vorsitz.)

Bleibt der andere Punkt, und das ist der ernstere. Frau Kollegin Dr. Maxsein hat gesagt, wir müssen uns zum Viermächtestatus mit allen seinen Konsequenzen bekennen. Verehrte Frau Kollegin, was soll das heißen? Wir haben uns zum Viermächtestatus mit allen seinen Konsequenzen, als die Blockade Berlins einsetzte, ausgesprochenermaßen nicht bekannt. Wir haben uns ausgesprochenermaßen nicht bekannt zu solchen Konsequenzen, die eine der vier Mächte aus diesem Status, so wie sie ihn auffaßte, ableiten wollte.
Zweitens. Gerade nach Ihren Darlegungen zu diesem Thema drängt sich mir noch mehr die Frage auf: Was meinen denn eigentlich die Beteiligten mit dem Viermächtestatus, wenn sie sich auf ihn berufen? Wir haben uns im Auswärtigen Ausschuß im 1. Bundestag den Mund fußlig geredet, um mal die Dokumente in die Hand zu bekommen, auf die sich die Beteiligten stützen. Uns ist gesagt worden: Es gibt keine deutsche Stelle, die im Besitz dieser Dokumente ist, jener Dokumente, die Aufschluß geben über die Verabredungen, die die vier Mächte bei der gemeinsamen Besetzung Berlins getroffen haben. Das ist also zunächst mal ein unklarer, ein unsicherer Punkt, der dazu führt, daß mancher in den Viermächtestatus etwas hineindichtet, was tatsächlich gar nicht in ihm drin ist.
Ich muß mich aber in aller Form und mit allem Nachdruck verwahren gegen die Unterstellung, meine Bemerkung zum Thema des Viermächtestatus habe irgend etwas damit zu tun, daß ich nicht um die Rolle, die Rechte und die Pflichten der alliierten Mächte in Berlin wüßte, nicht darum, daß sie dort ihre Truppen haben, und darum, daß wir mit ihnen vertrauensvoll zusammenwirken. Das war doch alles unumstritten, und ich darf wirklich Frau Kollegin Maxsein bitten, sich das Protokoll zu diesem Punkt anzusehen. Es liegt hier vor, ohne daß ein Wort und ein Komma darin verändert worden ist. Ich habe mich gegen das Schlagwort vom Viermächtestatus gewandt, unter dem sich verschiedene Leute verschiedenes vorstellen und das — und das wiederhole ich — häufig zu ganz anderen Zwecken und Interessen gebraucht und mißbraucht worden ist.

(Beifall bei der SPD.)

Und das wollen wir nicht. Was wir wollen, ist für die Dauer der Spaltung Deutschlands die klare Anerkennung der Sonderstellung mit den Rechten der Alliierten in Berlin, der drei, mit denen wir es zu tun haben, im Wissen um die Verzahnung, die darin besteht, daß diese drei mit einer vierten Macht bestimmte Abreden eingegangen sind, be-


(Brandt [Berlin])

stimmte Verpflichtungen übernommen haben,woraus sich für unsere Verhaltensweise wieder Konsequenzen ergeben. Aber was wir nicht wollen, ist, daß, ohne daß diese Dinge ernsthaft geprüft und dort, wo es sinnvoll ist, modifiziert und aufgelockert werden, neue Vorschläge, neue Ideen, Anregungen gleich mit dem Knüppel eines angeblichen Viermächtestatus behandelt werden. Ich habe mich hier auf die Kabinettserklärung vom 28. November bezogen, die sich ja nicht gegen mich richtete, sondern gegen Herrn Dr. Bucerius und noch mehr gegen das Kuratorium Unteilbares Deutschland, und da stand drin: Bestimmte Dinge, die hier vorgeschlagen werden, gehen nicht, weil Berlin im Interesse seiner eigenen Sicherheit unter ,dem Viermächtestatus steht. — Ich wiederhole, hier ist der Viermächtestatus in verallgemeinernder, vergröberter Form ins Feld geführt worden, ohne ihn auf seinen eigentlichen materiellen Inhalt zu untersuchen. Das ist nicht sinnvoll, und ich möchte darum gebeten haben, daß wir uns für die Zukunft zu dies e m Thema überflüssige Kontroversen ersparen.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219002500
Das Wort hat der Abgeordnete Neumann, Berlin.

Franz Neumann (SPD):
Rede ID: ID0219002600
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frau Kollegin Maxsein hat den Anschein erweckt, als wenn zwischen uns Berliner Sozialdemokraten oder zwischen den Sozialdemokraten überhaupt Meinungsverschiedenheiten in der Frage des jetzt zur Diskussion stehenden Antrags vorhanden seien. Ich muß Ihnen eine Enttäuschung bereiten: das ist nicht der Fall. Dieser Antrag ist einmütig aus der politischen Arbeit der Vergangenheit entstanden.
Kollegin Maxsein, Sie haben dem Kollegen Brandt gesagt, Sie seien mit dem Tenor seiner Ausführungen nicht einverstanden gewesen. Ich muß Ihnen heute leider das gleiche zurückgeben. Ich bin — ich sage es mit Bedauern — auch mit dem Tenor Ihrer Ausführungen nicht einverstanden gewesen. Ich habe aber nicht ,die Absicht, irgendwie gegen Sie zu polemisieren. Ich bin der Auffassung, daß Sie, wenn Sie Ihre Ausführungen nachlesen werden, selber damit nicht zufrieden sein werden.
Ich möchte, bevor ich mich einem anderen Fragenkomplex zuwende, nur noch eines zum Kollegen Schröder sagen — nein, zum Minister Schröder, nicht zum Kollegen! Sie sprachen von der Umfirmierung und wollten gegen den Kollegen Brandt polemisieren. Sie sind in einer schlechten Situation, wenn Sie hier die Ansicht vertreten, daß die Aufstellung des Herrn Bundesbevollmächtigten Dr. Vockel richtig ist. Wir haben in den Jahren seit 1945 vieles wieder neu aufgebaut. Das, was wir errichtet haben, ist nachher einfach durch das Auswechseln des Firmenschildes des Landes Berlin in das des Bundes als Bundesbehörde bezeichnet worden. Dagegen wehren wir uns. Ich glaube kaum, daß Sie etwa in dem Land Niedersachsen, Hessen oder Bayern die Landesarbeitsämter für sich reklamieren würden. In den Aufstellungen aber ist hiervon ein großer Posten vorhanden. Zum Beispiel ist aus der Landesdruckerei Berlin die Bundesdruckerei geworden. Wenn man nach dem System Vockel vorginge, könnte man die Zahl der in Berlin tätigen Bundesbeamten oder -bediensteten sofort um 100 °/o erhöhen, indem man noch die 15 000 Lemmer-Leute mit einsetzt!

(Heiterkeit.)

— Ja, aus der Landespost ist die Bundespost geworden.
Sie müssen doch zugeben, daß es oftmals nur durch unsere gemeinsame Arbeit möglich war, überhaupt diesen Fortschritt in Berlin zu erzielen. Niemand von uns Berlinern leugnet die Hilfe des Bundes. Der Kollege Brandt hat vorhin von der Hilfe der freien Welt gesprochen. Diese Fakten zusammengenommen und dazu der Fleiß der Berliner Männer und Frauen haben zu unserem Berliner Erfolg geführt, und dieses Ergebnis soll nun noch durch die Verwirklichung des vorliegenden Antrags gefördert werden.
Bei den Ausführungen des Kollegen Bucerius war so ein kleiner Anklang zu hören, als wenn es die Sozialdemokraten gewesen seien, die für die Verlegung des Patentamtes nach München gesorgt hätten.

(Abg. Dr. Bucerius: Nein, nein! Das war nicht gemeint!)

— Dann habe ich das zu stark empfunden, als Sie von dem Antrag eines Sozialdemokraten sprachen, der Darmstadt haben wollte.

(Abg. Dr. Bucerius: Einstimmiger Beschluß im Wirtschaftsrat!)

Ich stelle fest: Am 13. August 1949 — unmittelbar vor Errichtung der Bundesrepublik — ist im Gesetzblatt verkündet worden — angenommen mit 43 gegen 40 Stimmen —, daß München der neue Sitz des Patentamts sein soll.

(Abg. Dr. Bucerius: 40 für Darmstadt und 43 für München!)

Die Sozialdemokratie war in der Abstimmung fast geschlossen. Wir geben zu, daß im Zeitpunkt der Abstimmung in Berlin einiges noch nicht so weit war. Aber unmittelbar darauf, nach wenigen Wochen wäre die Möglichkeit gewesen, hier eine Korrektur des Beschlusses des Wirtschaftsrates vorzunehmen. Das Patentamt ist in Berlin erst demontiert worden, Herr Minister, als die Bundesrepublik bereits bestand.
Frau Kollegin Maxsein, da komme ich zu dem Tenor. Der Tenor der CDU 1949 war viel freundlicher in Berlin und für Berlin als der, den wir heute aus Ihren Ausführungen hörten. Ich habe hier ein beinahe schon vergilbtes Blatt. Es ist das Blatt der Berliner CDU „Der Tag" vom 19. Oktober 1949. Da wird in einem Artikel, der überschrieben ist: „Probefall Patentamt", festgestellt, daß das Patentamt seit 1877 seinen Sitz in Berlin hatte, daß es bei einem Ausgabenetat von 15 Millionen DM einen jährlichen Überschuß von etwa 8 Millionen DM erbrachte, daß insgesamt 15 000 Berliner durch dieses Patentamt Arbeit und Brot hatten. Es heißt dann in diesem Artikel:
Da diese Räume,
— die neuen Münchener Räume —
wenn der Patentamtsbetrieb voll läuft, zu klein sind, würde ein neues Gebäude für 25 bis 30 Millionen DM errichtet werden müssen. In Berlin steht aber das alte Gebäude des Reichspatentamtes fast vollständig erhalten da.


(Neumann)

Ich darf Ihnen sagen, daß fleißige Männer, die vorher im Reichspatentamt tätig waren, alles in Ordnung hatten, als dann die Demontage nach München begann, wobei es nur einem sehr nachdrücklichen Einspruch des damaligen Oberbürgermeisters Reuter zu verdanken war, daß nicht restlos alles aus Berlin gebracht wurde. — Weiter können Sie in diesem Artikel des Organs der Berliner CDU lesen:
Die Zurückverlegung des Patentamtes nach Berlin
Frau Kollegin Maxsein! —
wird der Prüfstein für den ehrlichen Willen sein, Berlin nicht im Stiche zu lassen.
Lang, lang ist's her! — Darum geht es uns: um das ehrliche Bemühen, für dieses Berlin mehr zu tun, Frau Kollegin Maxsein.
Im Jahre 1949 konnten wir das im „Tag" lesen. Im Jahre 1957 aber finden wir im Haushaltsentwurf der Bundesregierung:
Es muß daher vom Bund durch Erweiterung des Neubaues in München ein ,Gebäude zur Aufnahme der Gesamtbehörde errichtet werden. Die Gesamtkosten des Bauvorhabens werden einschließlich der in Höhe von rund 3,35 Millionen DM vom Bund abgelösten Baukosten des vom Freistaat Bayern errichteten Neubaues — Bauabschnitt I — nach dem Stande des Bauindex und der Planung vom 1. Januar 1956 auf 26,5 Millionen DM geschätzt.
Meine Damen und Herren, 26,5 Millionen DM, die wir ersparen könnten, wenn die zur Verfügung stehenden Gebäude des alten Reichspatentamtes in Berlin wirklich wieder vom Bundespatentamt genutzt würden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219002700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?

Franz Neumann (SPD):
Rede ID: ID0219002800
Bitte schön!

Dr. Gerd Bucerius (CDU):
Rede ID: ID0219002900
Herr Kollege Neumann, sind Sie nicht der Meinung, daß wir in der Frage des Bundespatentamtes allzumal Sünder sind, und wird diese Meinung nicht bestätigt, wenn ich Ihnen noch einmal ganz kurz — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — vorlesen darf, was damals im Wirtschaftsrat gesagt worden ist? Es heißt in dem Protokoll, das ich herausgesucht habe: — —

Franz Neumann (SPD):
Rede ID: ID0219003000
Frage! Frage! Ich kann ja nur eine Frage beantworten.

Dr. Gerd Bucerius (CDU):
Rede ID: ID0219003100
Ja, die Frage können Sie beantworten. Ich möchte gern wissen, ob Sie angesichts ,des Zitats nicht der Meinung sind, daß wir allzumal Sünder sind. Das Zitat lautet wie folgt:
In der anschließenden Diskussion gab der Abgeordnete Strahringer Bedenken gegen die Wiedererrichtung des Patentamtes in Berlin Ausdruck. Es sei zweifelhaft, ob sich die Verkehrslage nach dort bessern und ob tatsächlich die Wirtschaft von der Möglichkeit, nach dort ihre Anmeldungsunterlagen zu senden, Gebrauch machen würde.
Er setzte sich für Darmstadt als Sitz des neuen Patentamtes ein.
Sind Sie nicht der Meinung, daß dieser grundlegende Irrtum, den wir leider damals alle — alle mit Ausnahme der Berliner — geteilt haben, maßgebend gewesen ist für die Fehlentscheidung, für die wir alle gemeinsam verantwortlich sind?

Franz Neumann (SPD):
Rede ID: ID0219003200
Ich kann Ihnen leider nicht den Gefallen tun, Herr Kollege Dr. Bucerius. Meine Meinung ist bekannt; ich möchte daher mit der Meinung der Berliner CDU aus dem Jahre 1949 aufwarten. Da heißt es nämlich:
Man kann nicht mehr gut von Verkehrsschwierigkeiten sprechen wie vor einem Jahr, als das Frankfurter Gesetz beschlossen wurde. Wenn heute westdeutsche Geschäftsleute nach Berlin reisen, um dort Geschäfte zu machen, dann kann man auch nach Berlin zum Patentamt und anderen Bundesbehörden reisen.
Hoffentlich sind Sie mit dieser Antwort der CDU aus dem Jahre 1949 zufrieden.
Nachdem Sie weiter die Frage gestellt haben, ob wir nicht allesamt Sünder sind, möchte ich Ihnen noch einmal das Zitat vortragen, das da heißt: „Die Zurückverlegung des Patentamtes wird der Prüfstein für den ehrlichen Willen sein, Berlin nicht im Stiche zu lassen". Damals, entweder im Herbst 1949 oder im Frühjahr 1950, habe ich zur Frage des Patentamtes das gleiche ausgeführt, was ich heute wiederholt habe. Damals hätten Sie die Möglichkeit gehabt — die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat die Berliner Auffassung ja einmütig unterstützt —, das Patentamt nach Berlin zurückzuholen.
Aber ich will diesen Streit jetzt nicht in dieser Form fortführen,

(Abg. Dr. Bucerius: Sehr richtig!)

sondern möchte Herrn Minister Schröder nur noch eine einzige Antwort geben. Er hat darauf hingewiesen, wie schwer es ist, Ministerämter nach Berlin zu verlegen. Nun, Herr Kollege Schröder, der an Dienstzeit jüngste Minister hat ein gutes Beispiel gegeben. Wenn ein witziger Berliner auch wegen der heutigen Größe der Nebenstelle des Bundespostministers nur vom „Lemmerschwänzchen" spricht,

(Heiterkeit)

so wären wir doch froh, wenn es auch andere gäbe, die mit einem solchen kleinen Schwänzchen in Berlin anfingen.

(Erneute Heiterkeit.)

Das würde wirklich den Willen der Bundesregierung dokumentieren, mehr für Berlin zu tun als nur in schönen Reden Bekenntnisse abzulegen.

(Beifall bei der SPD und dem GB/BHE.)

Der Kollege Strosche hat all das schon gesagt; ich will es nicht wiederholen.
Herr Minister Schröder, der Bundeskanzler hat vor uns allen, die wir Berliner sind, am Sonntag erklärt, er möchte feststellen, daß das Geld, das von Bundes wegen — er hat sich nur auf den Bund festgelegt — nach Berlin gegangen ist, wirklich gut angelegt worden ist. Davon hat er sich überzeugen müssen. Meine Damen und Herren, wenn die Arbeit, die wir nun beinahe schon acht Jahre


(Neumann)

gemeinsam hier durchführen, den großen Sinn wirklich erfüllt, dann muß doch das wahr werden, was das Beispiel des dienstjüngsten Ministers, der in Berlin eine Filiale aufgemacht hat, hoffen läßt: Diese Filialen sollen verstärkt werden. Man soll obere Bundesbehörden nach Berlin legen. Wir alle reden soviel von unserem Willen zur deutschen, Einheit. Heute ist die Stelle, die der Herr Postminister Lemmer in Berlin hat, eine Nebenstelle. Wenn hier in der Koblenzer Straße an seinem Ministerium — und ich glaube, daß das sein Bemühen sein wird — einmal das Schild „Nebenstelle Bonn" angebracht ist, dann hat unser Antrag betreffend Hauptstadt Berlin seinen Sinn erfüllt, und im Interesse Deutschlands sollten wir uns alle bemühen, dahin zu kommen.

(Beifall bei der SPD, beim GB/BHE und bei der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219003300
Das Wort hat der Herr Bundesminister Schröder.

Dr. Gerhard Schröder (CDU):
Rede ID: ID0219003400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin natürlich nicht berufen, das Lob, daß Sie zugunsten meines Kabinettskollegen Lemmer, der ja anwesend ist, gesungen haben, irgendwie dankend zu quittieren. Das wird er sicherlich selbst tun. Aber Herr Kollege Neumann, ich darf Ihnen im Vertrauen auf Ihre Verschwiegenheit

(Heiterkeit)

etwas sagen: Mir ein Büro am Kurfürstendamm einzurichten als einen Berliner Ansatz, der besser ist als das, was wir derzeit schon in der Kaiserallee haben, dagegen — —

(Abg. Neumann: Nein, das heißt „Bundesallee"!)

— Entschuldigen Sie!

(Abg. Neumann: Das haben wir umgetauft!)

— Sie sehen also, daß ich noch in den alten schönen Berliner Zeiten von der Kaiserallee lebe. Ich korrigiere also: Bundesallee. — Aber im Ernst gesprochen, Herr Kollege Neumann: Sie wissen ja, daß die anderen Ministerien zum Teil sehr beträchtliche Teile gerade in der Bundesallee versammelt haben und daß sie davon auch Gebrauch machen. Ich möchte nun nicht polemisieren, gerade weil heute hier zum Ausdruck kommen soll, wie sehr wir alle an Berlin hängen. Ich glaube, es dient Berlin mehr, daß wir alle gemeinsam nicht nur unsere Rückkehrwilligkeit, sondern auch unsere Sympathie für Berlin aussprechen.
Trotzdem tun Sie dem Bundesbevollmächtigten Vockel doch Unrecht, wenn Sie an der nun schon wiederholt erwähnten Liste im Bulletin Nr. 3 diese Kritik üben. Das, was ich darauf gesagt habe, Herr Kollege Neumann, haben Sie offenbar nicht ganz richtig aufgefaßt. Ich habe gesagt: Wie schön wäre es, wenn in Berlin noch mehr Berliner, in Klammern: frühere Reichs-, dann Berlin-, jetzt Bundesstellen wären, die wir einfach durch Umfirmierung verwandeln könnten. Das wäre doch etwas, was uns alle freuen sollte, und deswegen sollte man die vollzogene Umfirmierung nicht abwerten, sondern sie im Gegenteil aufwerten. Ich möchte ein konkretes Beispiel nennen: Es ist eben ein Unterschied, ob es dort eine Landesdruckerei Berlin gibt oder ob es eine Bundesdruckerei Berlin gibt; denn einmal arbeitet sie für das Land Berlin, und jetzt arbeitet sie für den Bund.
Ich bin aber sehr gern bereit, auf die Einzeldiskussion dieser Liste, die Sie erwähnt haben, in irgendeinem Ausschuß einzugehen. Trotzdem sollte man — und ich glaube, das schulden wir der deutschen Öffentlichkeit — durchaus anerkennen — und man sollte gar nichts davon herunterreden —, daß tatsächlich unmittelbar in Bundesdienststellen ebensoviel Menschen in Berlin beschäftigt sind wie in Bonn. Daß wir den Wunsch haben, die Zahl der in Berlin Beschäftigten zu vermehren, haben wir alle ausgesprochen. Ich hoffe — und so habe ich auch die Erklärung für die Bundesregierung geschlossen —, daß die Fortsetzung dieses Weges uns tatsächlich, wie wir alle erwarten, diesem Ziel näherbringt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219003500
Herr Abgeordneter Brandt!

Willy Brandt (SPD):
Rede ID: ID0219003600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur Ihre Aufmerksamkeit auf die jetzt verteilte Drucksache 3167 lenken. Sie ist inhaltsgleich mit dem vorher verteilten Umdruck 938. In diesem Antrag wird dem Bundestag empfohlen, aus Mitgliedern der vorhin erwähnten drei Ausschüsse für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen, Haushalt und Angelegenheiten der inneren Verwaltung einen ständigen Unterausschuß zu bilden, der gemeinsam mit Beauftragten der Bundesregierung prüft, welche Bundesorgane, Bundesbehörden, Bundesanstalten, vom Bund geförderten Einrichtungen, Bundesunternehmungen, Sonderverwaltungen und Teile von ihnen zur sofortigen oder alsbaldigen Verlegung nach Berlin geeignet sind, um die Vorbereitung Berlins als Hauptstadt zu fördern. Der Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen soll nach unserem Antrag dem Bundestag vierteljährlich zu berichten haben.
Meine politischen Freunde wären sehr dankbar, wenn dieser Antrag heute mitbehandelt würde. Uns ist mitgeteilt worden, daß die Kollegen von der CDU/CSU diesen Antrag gern im Ausschuß besprochen haben möchten. Damit sind wir natürlich einverstanden. Ich würde dann also vorschlagen, so zu verfahren, Herr Präsident, daß dieser Antrag dem Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen überwiesen wird.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219003700
Wird zu dieser Drucksache 3167 noch das Wort gewünscht?

(Abg. Rasner: Einverstanden! — Abg. Dr. Friedensburg: Überweisung!)

Widerspruch gegen die Behandlung erfolgt aus dem Hause nicht. Ich stelle das ausdrücklich fest; denn der Antrag wird ja jetzt erst auf die Tagesordnung gesetzt.
Ich erteile jetzt dem Abgeordneten Dr. Reif das Wort zur Begründung des Entschließungsantrags auf Umdruck 931.

Dr. Hans Reif (FDP):
Rede ID: ID0219003800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist kaum noch notwendig, den Antrag Umdruck 931 zu begründen, und zwar nicht nur deshalb, weil die Vorschläge, die von uns gemacht werden, in der Linie dessen liegen, was wir eben besprochen haben, sondern weil


(Dr. Reif)

wir auch inzwischen in den Zeitungen gelesen haben, daß dieser Wunsch mit aller Wahrscheinlichkeit auch ohne unser Zutun erfüllt wird.
Ich bin allerdings von meinen Parteifreunden gebeten worden, auf einige Umstände hinzuweisen, die uns nicht gefallen. Wir haben am Anfang der vorigen Woche diese Entschließung als Antrag eingebracht. Am Ende der Woche haben wir diesen Antrag vom Büro mit der Bitte zurückerhalten, ihn in eine Entschließung umzuwandeln, und wir lesen heute in den Zeitungen, daß der Herr Präsident sich bei Herrn Bucerius in einem Schreiben für diese Anregung bedankt hat und verspricht, ihr zu entsprechen. Das gehört mit zu den Dingen, von denen ich vorhin sagte: Unsere Berlin-Debatten sind nicht besser geworden, sondern schlechter. Die ganze Art, wie man die Dinge behandelt, ist leider so parteipolitisch geworden, wie wir es uns früher nie hätten vorstellen können. Wir sind sehr dankbar, wenn das, was wir wünschen, auch ohne daß das Haus darüber beschließt, erfüllt wird. Aber da das Haus sich ja schließlich nicht auf Zeitungsmeldungen allein verlassen kann — wir wissen ja, wie oft sie in die Irre führen — und in den Zeitungsmeldungen ja auch keine präzise Formulierung vorliegt, muß ich doch im Auftrag meiner Fraktion bitten, diesen Entschließungsantrag so zu behandeln, wie Entschließungsanträge hier behandelt werden. Das heißt, ich bitte um Zustimmung.

(Beifall bei der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219003900
Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0219004000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen dem Entschließungsantrag der Fraktion der FDP an sich aufgeschlossen gegenüber. Aber ich muß zunächst einmal, verehrter Herr Kollege Reif, hier einen Irrtum beseitigen. Es handelt sich nicht um eine Handlungsweise nach Einbringung Ihres Antrags, sondern am 8. Januar hat der Kollege Dr. Bucerius den Präsidenten gebeten, doch darüber nachzudenken und, wenn es geht, einen Beschluß darüber herbeizuführen, daß der neue Bundestag zu seiner ersten, zu seiner konstituierenden Sitzung nach Berlin einberufen werden soll. Das geschah am 8. Januar, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Anträge Ihrer Fraktion noch gar nicht in der Diskussion waren. Der Präsident hat dann im Anschluß an das Gespräch vom 8. Januar dem Kollegen Bucerius geantwortet — —

(Abg. Dr. Bucher: Drei Wochen! — Abg. Dr. Reif: Am Ende der letzten Woche!)

Der Präsident hat dann geantwortet, daß er im Anschluß an unsere Unterhaltung vom 8. Januar die Bestimmungen über den Zusammentritt des im Herbst neu zusammentretenden Bundestags geprüft habe, und hat festgestellt, daß nach § 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages der Bundestag zu seiner ersten Sitzung von dem bisher amtierenden Präsidenten des Bundestages einzuberufen ist.
Und nun zu Ihrem Entschließungsantrag selber! Es ist ein in diesem Hause ungewöhnlicher Vorgang, daß das Haus -- wie es in Ziffer 1 Ihres Antrages geschieht — einen Antrag an seinen Präsidenten richtet.

(Abg. Dr. Bucher: Eine Erwartung!)

Allein der Präsident — und zwar der Präsident dieses Bundestages — hat nach der Geschäftsordnung — wir haben das früher schon einmal exerziert, bei der Bundesversammlung, wo dann Hermann Ehlers entschieden hat — das Recht, den Zeitpunkt und den Ort des ersten Zusammentretens des nächsten Bundestages zu bestimmen.

(Abg. Dr. Bucher: Unbestritten!)

Es ist ein ungewöhnliches Vorgehen, im Plenum einen Antrag zu stellen, der eine Bitte an den Präsidenten dieses Hauses enthält. Aber ich lasse das einmal dahingestellt. Das ist, wenn es auch ungewöhnlich ist, sicherlich durch die Geschäftsordnung nicht ausgeschlossen.
Durch die Geschäftsordnung des Bundestages — und auch auf deren Innehaltung müssen wir bedacht sein — ist es allerdings ausgeschlossen, daß dieser Bundestag den nächsten Bundestag bindet. Es gibt keine Kontinuität zwischen den einzelnen Bundestagen.

(Abg. Dr. Seffrin: Sehr richtig!)

Die Entscheidung darüber, wo der Bundestag nach seiner konstituierenden Sitzung tagen will, steht dem neuen Bundestag bzw. dem neuen Präsidenten des Bundestages zu.
Damit, Herr Kollege Reif, habe ich nichts gegen Ihr Petitum gesagt, sondern nur etwas zum tatsächlichen geschäftsordnungsmäßigen Stand der Dinge, und ich habe das gesagt, weil wir, weil dieses Haus auch seine eigene Geschäftsordnung innezuhalten verpflichtet ist. Ich wiederhole, daß. wir Ihrem Petitum aufgeschlossen gegenüberstehen, und bitte, mit diesem Entschließungsantrag so zu verfahren, daß wir ihn an den Gesamtdeutschen Ausschuß und den Geschäftsordnungsausschuß überweisen, damit wir in beiden Ausschüssen eine Regelung für diese Frage finden, die der Geschäftsordnung des Hauses Rechnung trägt.

(Sehr gut! in der Mitte.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219004100
Wird dazu noch das Wort gewünscht? — Bitte, Frau Dr. Lüders.

Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0219004200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Rasner, ich glaube. daß wir auch in unserer Fraktion über die geschäftsordnungsmäßigen Vorgänge ziemlich genau orientiert sind, und Sie wissen, glaube ich, so gut wie wir, daß es sich hier in keiner Weise um eine Bindung handelt. Kein Mensch wird darauf kommen, den jetzigen Bundestagspräsidenten oder den nächsten über diesen binden zu wollen. Das Ganze ist ein von uns ausgesprochener Wunsch und eine Hoffnung, und ich bin sehr erfreut, daß Sie diese Hoffnung teilen. Ich wäre aber noch viel mehr erfreut gewesen. wenn sich das nicht in einem Briefe niedergeschlagen hätte. sondern wenn man dann mit uns darüber gesprochen hätte. Wir können ja die Daten genau nachprüfen. Aber hier ist nicht der Ort über solche Kleinigkeiten zu streiten und sich an Formalien anzuhängen, sondern man kann es auch anders machen, — wenn man nämlich will!

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Nun möchte ich noch ein Wort zu dem Tenor der heutigen Debatte überhaupt sagen. Ich habe viele Debatten in meinem Leben mitgemacht; die Kollegen, die mit mir in anderen Gremien, im Reichstag oder im Senat von Berlin oder im Abgeord-


(Frau Dr. Dr. h. c. Lüders)

netenhaus zusammen gewesen sind, wissen das. Aber ich muß sagen: mich haben doch die Form, der Tenor und die Art, in der gerade in dieser Angelegenheit hier von mancher Seite gesprochen worden ist, etwas peinlich berührt. Man sollte die Berlin-Angelegenheit weder in der Form noch in der Sache zu Auseinandersetzungen benutzen, die an der Sache vorbeigehen und die nur geführt werden, um den Gegenstand partei- oder wahlpolitisch beleuchten zu können.

(Zuruf von der Mitte: Wer tut denn das?)

Sie wissen sehr gut und Sie haben dem dankenswerterweise auch Ausdruck gegeben, daß man die Dinge aus der wahlpolitischen Betrachtung herausnehmen sollte. Bei keiner Frage, Herr Kollege Rasner und meine anderen Kollegen, ist es so notwendig, sie aus diesem höchst prekären Bereich, der mit Sentiments und mit Ressentiments gespickt, mit freundlichen und mit weniger freundlichen Gefühlen belastet ist, herauszunehmen wie gerade bei der Frage Berlin.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Denn die Frage Berlin ist etwas so Allgemeines, sie ist nicht nur etwas Berlinisches, sie ist nicht nur etwas Deutsches, sondern sie ist darüber hinaus etwas so ungeheuer Allgemeinpolitiches, ja weltpolitisch Bedeutsames, daß wir alle zusammen denselben Anlaß und dasselbe Interesse daran haben, alle Schärfen und alle Emotionen, die hier zum Teil recht stark zum Ausdruck gekommen sind, aus der Debatte zu lassen und nicht mit Gefühlen zu operieren und mit Gesten und Aufmachungen, die dieser Sache ganz bestimmt nicht dienlich sind. — Ich bin erfreut, Herr Kollege Rasner, aus Ihrem Nicken zu ersehen, daß gerade Sie mit diesen Ausführungen einverstanden sind, da es wesentlich ja auch auf Ihren Einfluß unter Ihren Freunden ankommen wird.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Rasner: Das ist eine Überschätzung, verehrte Frau Kollegin!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219004300
Weitere Wortmeldungen zu Punkt 2 b der heutigen Tagesordnung liegen mir nicht mehr vor. Ich schließe die Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zuerst über den Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache 3129 abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich lasse nunmehr über den Antrag Drucksache 3116 — Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen — abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen bitte. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei vier Gegenstimmen angenommen.
Der Antrag Drucksache 3167 soll im allgemeinen Einverständnis dem Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen überwiesen werden. — Das Haus ist damit einverstanden. Dann ist so beschlossen.
Ferner liegt ein Entschließungsantrag auf Umdruck 931*) vor. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen — federführend — und an den Ausschuß für Ge-
*) Siehe Anlage 5. schäftsordnung — mitberatend — beantragt. — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Nunmehr rufe ich Punkt 2 c auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betreffend Stimmberechtigung der im Lande Berlin gewählten Abgeordneten des Bundestages (Drucksache 3125).
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0219004400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich könnte an die Diskussion anknüpfen, die soeben hier über die Zusammenberufung des nächsten Bundestages in Berlin stattgefunden hat, und unseren Antrag, den ich begründen muß, dadurch charakterisieren, daß ich sage: es kommt nicht so sehr darauf an, daß der nächste Bundeskanzler in Berlin gewählt wird, als vielmehr darauf, daß die Berliner ihn mitwählen,

(Beifall bei der SPD)

weil er auch ihr Bundeskanzler ist. Es kommt darauf an, daß wir nicht warten, bis der nächste Bundestag in Berlin zusammentritt und dort den Bundeskanzler wählt, sondern daß wir jetzt und hier schon in diesem Bundestag mit dem unerträglichen Zustand aufräumen, daß die Vertreter Berlins in diesem Hause nur eine Statistenrolle spielen und daß sie, wenn über Gesetze abgestimmt wird, die auch in ihrem Lande Berlin gelten, zwar Spielkarten abgeben, daß aber ihre Karten, ihre Stimmen nicht gewogen werden, daß sie in der gesetzlichen Entscheidung nicht zählen. Das ist ein Zustand, den wir in diesem Hause nicht mehr dulden dürfen, das ja doch den gesamten freien Teil Deutschlands vertreten will. Wir sollten es in einem solchen Hause nicht mehr dulden, daß es Abgeordnete minderen Rechtes gibt.
Ich will nicht weit ausholen, um historisch darzustellen, wie es zu dieser Position minderen Rechtes unserer Berliner Kollegen gekommen ist. Ich muß aber jenes Schreiben vom 12. Mai 1949 an den Parlamentarischen Rat ins Gedächtnis zurückrufen, in dem die drei alliierten Mächte die Geltung des Grundgesetzes in drei Punkten einschränken: erstens sollte Berlin keine abstimmungsberechtigte Mitgliedschaft in den gesetzgebenden Körperschaften, im Bundestag und Bundesrat, haben; zweitens sollte Berlin nicht durch den Bund regiert werden; drittens sollte nur eine beschränkte Anzahl von Vertretern Berlins zur Teilnahme an den Sitzungen der beiden gesetzgebenden Körperschaften entsandt werden können. Diese drei Punkte waren damals die Unterscheidungsmerkmale, die es den drei Mächten erlaubten, der vierten Macht gegenüber die Beachtung des Viermächtestatus, des Sonderstatus von Berlin zu beweisen.
Ehe ich in die Analyse dieser Vorbehalte eintrete, möchte ich gleich Mißverständnisse zerstreuen und wiederholen, was in der vorausgegangenen Debatte schon gesagt worden ist: daß nämlich jene Einschränkungen. durch die der Sonderstatus Berlins charakterisiert wird, von uns niemals als von fremden Mächten auferlegte Einschränkungen empfunden worden sind, sondern daß wir uns immer mit ihnen abgefunden haben,


(Dr. Mommer)

weil wir einsehen mußten, daß sie im Interesse Berlins, daß sie auch in unserem eigenen Interesse lagen. Was ich da sage, gilt auch heute noch, und ich wiederhole nur, was mein Freund Brandt gesagt hat. Wir sind an der Erhaltung des Sonderstatus von Berlin im Interesse der Sicherheit Berlins auch weiter interessiert. Wir haben weiterhin mit den drei Westmächten hier ein gemeinsames Interesse zu vertreten.
Unser Antrag will deswegen auch keineswegs den Sonderstatus Berlins beseitigen oder auch nur antasten. Am allerwenigsten wollen wir Sozialdemokraten gegenüber der vierten Macht irgend etwas Provokatorisches tun. Wir müssen uns ja vergegenwärtigen, daß diese vierte Macht der eigentliche Grund für jede Einschränkung der Geltung des Grundgesetzes in Berlin ist.
Wenn wir über den Sonderstatus Berlins sprechen und vorhaben, bestimmte Dinge darin anders zu gestalten, müssen wir uns vor Augen halten, wie wohl diese vierte Macht auf so etwas reagieren könnte. Unser Antrag beginnt deswegen auch mit dieser Feststellung:
Der Bundestag stellt fest, daß die gegenwärtige internationale Lage das Fortbestehen der Sonderstellung Berlins im Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland weiterhin notwendig macht.
Wir sind uns alle darin einig, daß das so sein muß.
Aber worin besteht denn heute der Sonderstatus, über den schon in der vorausgegangenen Debatte gesprochen wurde? Wenn man sich die drei Punkte des Vorbehalts von 1949 vor Augen hält, dann stellt man fest. daß der dritte Punkt inzwischen gänzlich entfallen ist, nämlich daß nur eine beschränkte Anzahl von Vertretern Berlins an den Arbeiten der gesetzgebenden Körperschaften soll teilnehmen können. Der Punkt 2, daß Berlin nicht durch den Bund regiert werden soll, ist völlig und bis auf eine juristische Form ausgehöhlt worden. Es sieht heute in Wirklichkeit ganz anders aus, wie ich noch dartun werde. Der erste Punkt, daß Berlin keine abstimmungsberechtigte Mitgliedschaft in den gesetzgebenden Körperschaften haben soll, ist, wie ich zeigen werde, auch ganz wesentlich durch die Entwicklung verändert worden. Heute besteht der Sonderstatus Berlins in etwas ganz anderem als 1949.
Es sind, wie ich eben schon sagte, bestimmte Dinge entfallen. Durch die politische Entwicklung sind aber neue Unterscheidungsmerkmale hinzugekommen, ohne daß jemals jemand sie ausdrücklich als Sonderstatus von Berlin definiert hätte. Wir nennen sie in unserem Antrag. Da steht unter a:
Die Drei Mächte üben im Lande Berlin weiterhin die oberste Gewalt aus.
Gewiß taten sie das auch schon 1949. Aber 1949 übten sie auch hier im übrigen Bundesgebiet die oberste Gewalt aus, während sie heute die oberste Gewalt nur im Lande Berlin ausüben.
Dann ist ein weiterer, ganz besonders wichtiger Punkt hinzugekommen, der in unserem Antrag unter 1 c genannt ist:
Die Rechtsvorschriften über die militärische Verteidigung der Bundesrepublik in Erfüllung der Verpflichtungen aus ihrer Mitgliedschaft im Nordatlantikpakt gelten im Lande Berlin nicht.
Das ist auch etwas Neues, was erst durch die politische Entwicklung entstanden ist. Es ist inzwischen sogar der wichtigste Punkt von allen geworden.
Geblieben ist von damals ein besonderes Verfahren, durch das das Recht der Bundesrepublik in Berlin in Kraft gesetzt wird. Aber nur der Form nach wird Berlin vom Bunde nicht regiert. In Wirklichkeit gilt das Recht der Bundesrepublik fast ausnahmslos auch im Lande Berlin. Im Dritten Überleitungsgesetz vom 4. Januar 1952 wird Berlin sogar zur Übernahme unseres Finanz- und Wirtschaftsrechtes verpflichtet, und wenn es es nicht täte, würde es nach diesem Gesetz der Unterstützungen verlustig gehen, die ihm in Aussicht gestellt werden. Ich bemerke auch, daß die Bundesrepublik Berlin nach außen vertritt. In dem besonderen Verfahren ist nur festgehalten worden, daß durch dieses Verfahren die Drei Mächte eine Einspruchsmöglichkeit haben und Recht der Bundesrepublik suspendieren, in Berlin nicht zur Geltung kommen lassen können. Damit ist der Form nach — und nur der Form nach — der Vorbehalt Punkt 2 von 1949 gewahrt worden. Aber ich bin sicher, daß sich die Alliierten 1949 das nicht so vorgestellt haben, daß Berlin „vom Bund nicht regiert" werden soll, wie es dann Wirklichkeit geworden ist, daß nämlich durchgängig, fast ohne Ausnahme alles Recht der Bundesrepublik, alle Gesetze, die wir in diesem Hause beschließen, in Berlin in Kraft gesetzt werden, ohne daß ein Komma geändert wird.
Ich muß auch bemerken, daß es unter den Merkmalen des Sonderstatus eine Gewichts-, eine Akzentverlagerung gegeben hat. Was es 1949 noch gar nicht gab, ist inzwischen das Wichtigste geworden, nämlich daß alles Recht, das die Wiederbewaffnung betrifft, nicht auf Berlin ausgedehnt wird.
Wir wissen, daß die vierte Macht in diesem Punkte allerdings ganz empfindlich ist. Es hat keine russische Reaktion auf das Verschwinden von Punkt 3, den ich nannte, gegeben. Es hat keine russische Reaktion darauf gegeben, daß sich die Dinge tatsächlich so entwickelt haben, daß Berlin von hier aus regiert wird. Es hat keine russische Reaktion darauf gegeben, daß die Mitglieder dieses Hauses, die aus Berlin kommen, ihre Position in diesem Bundestag, wie ich noch zeigen werde, wesentlich verbessert haben. Aber als kürzlich eine kleine Panne in den Propagandastellen unseres Verteidigungsministeriums passierte und in den Berliner Zeitungen in Form von Annoncen Freiwilligenwerbung zur Bundeswehr erschien, da gab es eine Reaktion bei der vierten Macht; sie hat ihre Proteste schnurstracks zu den drei Mächten gebracht. Sie sehen daran, wohin durch die politische Entwicklung eigentlich das Wesentliche des Sonderstatus Berlins verlagert worden ist.
Jetzt wollen wir einmal genau untersuchen, was aus dem spezifischen Vorbehalt geworden ist, der uns heute bei dem Antrag auf Stimmberechtigung der im Lande Berlin gewählten Abgeordneten interessiert. Was ist da geschehen?
Ursprünglich hieß es in jenem berühmten Schreiben vom Mai 1949, daß eine beschränkte Anzahl Vertreter Berlins zur Teilnahme an den Sitzungen des Bundestages und des Bundesrates benannt werden dürften. Wir müssen heute folgendes fest-


(Dr. Mommer)

stellen. Erstens: Im Bundesrat ist diesem Punkt „beschränkte Anzahl" von vornherein nicht Rechnung getragen worden. Berlin hat gleich mit der vollen Anzahl der ihm zustehenden Vertreter im Bundesrat gesessen. Zweitens: Am 28. Mai 1949 protestierten die Militärgouverneure gegen die Absicht, 15 Vertreter Berlins in den Bundestag zu schicken. Sie teilten mit, daß sie höchstens 8 gestatten würden. So wurde es dann auch in dem ersten Wahlgesetz, nach welchem der 1. Bundestag gewählt wurde, gemacht. Aber dieser 1. Bundestag änderte am 15. Januar 1952 das Wahlgesetz dahin, daß Berlin nicht mehr nur 8, sondern 19 Vertreter für den Bundestag benennen durfte. Im Wahlgesetz 1953 wurden aus den 19 Vertretern 22, d. h. soviel, wie Berlin nach dem allgemeinen Schlüssel auf Grund seiner Bevölkerung zustehen. Damit war Punkt 3 des Vorbehalts von 1949 — was die beschränkte Anzahl betrifft — völlig verschwunden. Das haben die drei Mächte stillschweigend geduldet und damit legalisiert, und — ich wiederhole es — das hat die vierte Macht stillschweigend geduldet und damit legalisiert.
Wie war es mit der nur beratenden Teilnahme, die den Vertretern Berlins gestattet werden sollte? In Wirklichkeit sind unsere Berliner Kollegen keineswegs nur beratende Abgeordnete in diesem Hause, sondern sie haben eine ganze Anzahl von Rechten, die höchst wesentlich sind,

(Abg. Dr. Friedensburg: Ich denke, wir sind Statisten! Das haben Sie doch gerade gesagt!)

aber es fehlt ihnen ein Entscheidendes, Herr Friedensburg, und ich hoffe, daß Sie uns helfen, für sie zu erreichen, daß sie bei allen Gesetzen, wenn abgestimmt wird, mitstimmen können und mit beeinflussen können, wie die Gesetze aussehen, die dann in Berlin Geltung bekommen.

(Abg. Dr. Friedensburg: Reine Statisten sind wir also nicht mehr!)

— Gut, ich will Ihnen konzedieren, daß sie etwas mehr sind.
Ich will jetzt aufzählen, welche Rechte die Berliner Abgeordneten haben. Sie haben eine Reihe von Rechten. Nur das entscheidende und nach außen sichtbarste haben sie nicht. Sie haben das Initiativrecht. 15 Berliner Abgeordnete können wie 15 andere Abgeordnete z. B. Gesetzentwürfe in diesem Hause einbringen. Sie haben das Stimmrecht in den Ausschüssen. Wir haben es erlebt, daß im Wahlmännerausschuß für das Bundesverfassungsgericht ein Berliner Abgeordneter saß. Im Richterwahlausschuß sitzen zwei stimmberechtigte Berliner Abgeordnete. Wir haben bei der Wahl des Bundespräsidenten in Berlin vom 17. Juli 1954 die Stimmen unserer Berliner Kollegen nicht nur gezählt, sondern mitgezählt und in der Waagschale mitwiegen lassen. Wir haben gesehen, wie ein Berliner Mitglied dieses Hauses unangefochten für die Präsidentschaft des Bundestages kandidieren konnte. Wir haben vor uns einen Berliner Abgeordneten als Vorsitzenden der größten Fraktion.

(Abg. Dr. Friedensburg: Also doch keine Statisten!)

Und wir haben es kürzlich erlebt, daß sich hier ein Abgeordneter von den niederen Bänken, auf denen nur legiferiert wird, auf die höhere Bank emporgeschwungen hat, auf der regiert wird.
Meine Damen und Herren, das alles ist möglich gewesen, ohne daß es eine Reaktion von seiten der vierten Macht, natürlich auch ohne daß es eine Reaktion der drei Mächte gegeben hätte. Wir verstehen deshalb nicht die Logik, welche sagt: das alles ist möglich. Ein Berliner Abgeordneter kann Mitglied eines Kabinetts werden, von dem der Bundeskanzler mit Recht sagt, daß das ein sehr politischer Klub sei. Aber diese Berliner Abgeordneten sollen das Stimmrecht in diesem Hause bei der Verabschiedung von Gesetzen im Plenum und bei der Wahl des Bundeskanzlers angeblich nicht bekommen können, ohne daß ein Malheur passiert, ohne daß es Reaktionen — ich weiß nicht, welche — der vierten Besatzungsmacht geben würde, um eine Veränderung im Status Berlins zu verhindern.
Wenn man sich nüchtern überlegt, wie sich diese Dinge in der Entwicklung befunden haben und wieviel anders als 1949 die Merkmale des Sonderstatus Berlins heute aussehen, dann kann man doch nur zu dem Schluß kommen, daß das Stimmrecht der Berliner Abgeordneten für den Sonderstatus eine quantité négligeable ist, etwas ist, was überhaupt nicht mehr ins Gewicht fällt, nicht mehr ins Gewicht fällt für den Sonderstatus, aber von entscheidender Bedeutung ist für die Berliner selbst, da sie durch die Veränderung, die wir vorschlagen, zu voll- und gleichberechtigten Mitgliedern dieses Hauses würden. Diese Veränderung wäre auch für den Bundestag nicht gleichgültig, denn er würde dadurch zu einer einheitlichen Körperschaft mit Abgeordneten von nur einer Art mit nur einer Art von Rechten und Pflichten und nicht wie jetzt mit zweierlei Abgeordneten, von denen ein Teil nicht die vollen Rechte und, wenn über Gesetze abgestimmt wird und entscheidende Wahlen, wie z. B. die Wahl des Bundeskanzlers, stattfinden, kein Stimmrecht haben.
Die Veränderung, die wir vorschlagen, ist auch von Bedeutung für die gesamtdeutsche Politik, denn damit wären wir wieder einmal in der Wiedervereinigung unseres Landes einen Schritt vorwärtsgekommen.
Die Logik, die besagt, daß das Stimmrecht der Abgeordneten im Sonderstatus von Berlin eine quantité négligeable geworden ist, gilt auch für den Wahlmodus in Berlin. Ob indirekte oder direkte Wahlen in Berlin, auch das ist für die Gesamtheit der Merkmale des Sonderstatus von völlig untergeordneter Bedeutung geworden. Ich freue mich, da in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundeskanzler zu sein, der schon am 16. Januar 1953 dieser Meinung war und sie in einem Brief an unseren Kollegen Ollenhauer zum Ausdruck brachte, in dem er erklärte, daß er die Beziehung dieser Sache zu dem Status von Berlin sehr gering einschätze. Es heißt dort:
Eine unmittelbare Beteiligung von Westberlin an der Wahl
— von 1953 nämlich —
ist nach meiner Auffassung nicht erwünscht. Ich würde zwar mit Ihnen darin keine grundsätzliche Änderung der Situation in bezug auf das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und Berlin erblicken ...
Darin kommt zum Ausdruck, daß schon damals der
Herr Bundeskanzler in der direkten Wahl der Ber-


(Dr. Mommer)

liner Abgeordneten keine wesentliche Veränderung
in der Stellung Berlins im Bunde gesehen hätte.

(Abg. Dr. Friedensburg: Gerade das haben Sie aber nicht beantragt!)

— Das haben wir im Augenblick nicht gefordert, Herr Friedensburg. Wir warten darauf, daß Sie es fordern, und dann werden wir Ihnen mit größtem Beifall zustimmen.

(Abg. Pelster: Dann werden Sie es ablehnen!)

— Es ist darüber ein Mißverständnis in der Öffentlichkeit entstanden. Wir haben einen Gesetzentwurf zur Änderung des Wahlgesetzes vorgelegt. Darin wird im Augenblick nicht gefordert, daß in Berlin direkte Wahlen stattfinden. Es wäre logisch, es zu fordern; aber wir sind überzeugt, daß wir vor allem die drei Mächte in diesem Moment nicht überfordern dürfen und daß wir zunächst einmal in der Frage des Stimmrechts von der Stelle kommen sollten. Aber, Herr Kollege Friedensburg, ich glaube, Sie werden das Wort ergreifen. Wenn Sie über die Möglichkeiten des Durchsetzens anderer Meinung sein sollten, dann können Sie sicher sein, daß Sie unsere begeisterte Zustimmung finden werden.
Man kann nur schließen, daß der gesamte Vorbehalt betreffs der Stellung der Vertreter Berlins in den gesetzgebenden Körperschaften überholt ist. Was denkt sich denn der, der das nicht glaubt, welches die Reaktion der vierten Macht sein könnte? Was würden die Russen tun, wenn wir den Berliner Abgeordneten hier die volle Gleichstellung mit den anderen geben würden? Ich glaube, daß wir alle es gut ertrügen, wenn die Reaktion käme, die logisch wäre, daß nämlich den Vertretern Ostberlins in der Volkskammer das volle Stimmrecht gegeben würde.

(Abg. Mattick: Das wäre ja nur volles Zustimmrecht, nicht Stimmrecht!)

— Eben deswegen würden wir es besonders gut ertragen.
Aber glaubt denn jemand, daß die vierte Macht wegen des Stimmrechts der Berliner Abgeordneten ernsthaft Zwangsmaßnahmen irgendwelcher Art ins Auge fassen würde? Und warum dann bei dieser Entwicklung? Warum hat diese Macht nicht reagiert, als wir früher in anderen Punkten, die ich aufgezählt habe, den Status Berlins so wesentlich modifizierten?
Was nach unserer Überzeugung also durchaus politisch möglich ist, ohne im geringsten die Sicherheit Berlins zu gefährden, weil es auf der Linie einer jetzt schon achtjährigen Entwicklung liegt und diese Linie nur ein wenig fortsetzt, — was da möglich ist, das ist außerdem eine unausweichliche politische Notwendigkeit, eine Notwendigkeit der gesamtdeutschen Politik geworden. Wir sollten uns doch darin einig sein, daß das Bundesrecht in Berlin und die Rechte Berlins im Bund nicht mehr eingeschränkt werden, als strikt erforderlich ist, um den Sonderstatus Berlins aufrechtzuerhalten.
Wir glauben weiter, daß es ein Gebot der Demokratie ist, den Berliner Abgeordneten hier das volle Stimmrecht zu geben. Für zweieinhalb Millionen Deutsche im Lande Berlin werden hier Gesetze gemacht, ohne daß bei den entscheidenden Abstimmungen hier im Plenum die Vertreter dieser zweieinhalb Millionen mitsprechen können. Wir haben es bei den Rentengesetzen in den letzten
Wochen erlebt, daß z. B. die Altersgrenze für Frauen in Berlin heraufgesetzt wurde. Auf der einen Seite der Straße an der Sektorengrenze, auf der westlichen Seite, ist das Rentenalter jetzt auf 65 Jahre heraufgesetzt worden, während auf der anderen Seite der Straße als Altersgrenze weiterhin das 60. Lebensjahr gilt. Die Entscheidung wurde gefällt, ohne daß die Vertreter Berlins in diesem Hause die Entscheidung mit ihrer Stimme hätten beeinflussen können.

(Abg. Pelster: Ihr Redner war doch Schellenberg! — Abg. Dr. Seffrin: Sie haben doch mitgesprochen!)

— Mitgesprochen, aber nicht mitgestimmt! Es geht darum, diese Ungleichheit jetzt zu beseitigen. Sie sollen nicht nur mitsprechen, sondern auch mitstimmen.
Schließlich ist in diesem Hause eine veränderte Situation eingetreten, als wir jetzt im Januar die Freude hatten, zehn Kollegen von der Saar hier begrüßen zu können. Trotz Sonderstatus des Saarlandes und trotz der indirekten Wahl — man beachte sehr! — dieser zehn Vertreter des Saarlandes haben Sie, mit unserer vollen Billigung selbstverständlich, hier volles Stimmrecht.
Nachdem dieser Zustand eingetreten ist, sollten wir uns doch alle entschließen, zu sagen: Wir wollen hier nur noch eine Art von Abgeordneten, alle mit gleichen Rechten und Pflichten. Das für die Berliner Abgeordneten ein klein wenig demütigende Spiel, daß sie zu der Sonderurne gehen müssen, wenn namentliche Abstimmungen sind, und den Arm nicht heben dürfen, wenn abgestimmt wird, sollte jetzt endlich beendet werden.
Ich will nicht schließen, ohne einige Einwände, mit deren Kommen ich rechne, vorweggenommen zu haben.
Man sagt, die Berliner Abgeordneten seien nicht direkt gewählt. Ich sagte schon: wir sind bereit, diesen Mangel zu beheben. Wollen wir gemeinsam dafür sorgen, daß diese direkte Wahl schon im September möglich wird! Ich stelle dem Einwand weiter entgegen, daß die Abgeordneten der Saar ebenfalls indirekt gewählt sind, ebenfalls der „höheren Weihe" des Abgeordneten entbehren, und trotzdem voll stimmberechtigt sind, auch bei denjenigen Gesetzen, die im Saarland selbst keine Geltung bekommen. Und schließlich glaube ich, daß es nicht die Absicht des Grundgesetzgebers war — auch im Text steht es nicht so —, die Rechte Berlins mehr einzuschränken, als es durch die Zwangslage, in der sich der Grundgesetzgeber befand, notwendig war.

(Vizepräsident Dr. Becker übernimmt den Vorsitz.)

Es wird auch mit der Idee gespielt, den Berliner Abgeordneten hier zwar etwas mehr an Rechten zu geben, sie bei Gesetzen, die auch in Berlin Gültigkeit bekommen, also die Berlin -Klausel haben, mitstimmen zu lassen, ihnen aber weiterhin das Stimmrecht vorzuenthalten bei anderen Gesetzen, die in Berlin nicht in Kraft gesetzt werden sollen. Ich glaube, das wäre gegen die Logik des gesamten Vorschlags. Wenn nämlich das Stimmrecht der Berliner Abgeordneten für den Sonderstatus von Berlin belanglos ist — und wir sind dieser Überzeugung —, dann sollte man jetzt nicht Angst vor seinem eigenen Mut bekommen, sollte also nicht sagen: Ja, aber sie dürfen nicht mitstimmen, wenn die Gesetze in Berlin nicht gelten. Auch das Beispiel der Saarabgeordneten muß uns ja den Mut


(Dr. Mommer)

geben, den Berliner Kollegen Stimmrecht für Gesetze zu geben, die in dem Lande, aus dem diese Abgeordneten kommen, keine Geltung erlangen. Machen wir also ganze Arbeit, wenn wir schon einmal dabei sind, und geben wir den Berliner Abgeordneten das volle Stimmrecht!
Ein weiterer, politisch ganz besonders erheblicher Gesichtspunkt ist folgender. Man macht uns Sozialdemokraten den Vorwurf, wir kämen mit einem solchen Antrag aus parteipolitischen, aus wahlpolitischen Gründen, deswegen, weil die parteipolitische, die fraktionsmäßige Zusammensetzung der Abgeordnetengruppe, die aus Berlin kommt, anders, und zwar für uns günstiger ist als die Zusammensetzung dieses Hauses im übrigen. In der Tat, aus Berlin kommen bei insgesamt 22 Abgeordneten 11 Sozialdemokraten; 14 gehören gegenwärtig der Opposition an, und nur 8 gehören zu den Mehrheitsparteien. Aber ich glaube, uns Sozialdemokraten kann man so nicht verdächtigen. Kein Mitglied dieses Hauses wird mir widersprechen, wenn ich sage, daß wir uns im Kampfe für die Heimkehr der Saar von niemand haben übertreffen lassen. Und dabei waren wir uns immer im klaren darüber, daß die Heimkehr der Saar uns eine Anzahl von Abgeordneten aus dem Saarland einbringen würde, deren fraktionsmäßige Zusammensetzung keineswegs für die Sozialdemokratie günstig sein würde. Wir haben uns trotzdem mit aller Kraft und überall dafür eingesetzt, daß das deutsche Saarland so schnell wie möglich wieder ganz und voll zu Deutschland gehöre. Die gleiche demokratische Gesinnung und das gleiche gesamtdeutsche Streben, das uns da veranlaßt hat zu kämpfen, macht uns auch jetzt zum Anwalt Berlins und der Wiedervereinigung. Was uns angeht, können wir 1 jenen Vorwurf der Parteipolitik leicht entkräften. Ich muß es dem CDU-Redner überlassen, den entgegengesetzten Vorwurf hier zu parieren — der ja in der Öffentlichkeit erhoben wird —, daß die spezielle Zusamensetzung der Berliner Delegation
— wenn ich mal so sagen darf — dazu führe, daß man den Eindruck gewinne, man müsse die Mehrheitsparteien dieses Hauses „zum Jagen tragen", wenn es darum geht, den Berliner Abgeordneten hier die volle Gleichberechtigung zu verschaffen.

(Zuruf des Abgeordneten Pelster.)

— Herr Kollege, Sie wissen ja, daß das vermutet wird, und es ist Ihre Sache, das zu widerlegen. Die einfachste Art, es voll und ganz zu widerlegen, ist, sich jetzt mit aller Kraft dafür einzusetzen, daß das Ziel des Antrags erreicht wird.
Schließlich, meine Damen und Herren, noch ein Wort über die Drei Mächte. Wir glauben, man sollte sich hier nicht wie in der Angelegenheit Bundeshauptstadt Berlin hinter den Drei Mächten verstecken.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Wir wollen erst einmal wissen, was w i r hier wollen, w i r in diesem Hause. Halten w i r das Stimmrecht für die Berliner Abgeordneten für notwendig? Halten w i r dieses Stimmrecht bei dem besonderen Status von Berlin für entbehrlich? Glauben w i r , daß die Beseitigung dieser Ungleichheit hier im Hause zu schlimmeren Reaktionen der vierten Macht führen könnte? Und die Frage ist, ob wir gewillt sind, alle Gründe, die für die Gleichstellung unserer Berliner Kollegen sprechen, mit Nachdruck bei den Drei Mächten zu vertreten. Wenn wir uns darin einig sind, daß das alles notwendig ist, und wenn wir gemeinsam bei den Drei Mächten diesen Standpunkt vertreten und darauf hinweisen, daß ihr Status in Berlin, an dem wir genau so interessiert sind wie sie selbst, nicht berührt wird, dann wird sich im ernsten Gespräch mit den Vertretern dieser Drei Mächte zeigen, daß der Optimismus unseres Antrags nicht übertrieben ist, der in seinem letzten Punkt sagt: Der Bundestag vertraut darauf, daß die Drei Mächte keine Einwendungen erheben.

(Beifall bei der SPD und dem GB/BHE.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219004500
Das Wort hat der Abgeordnete Friedensburg.

Dr. Ferdinand Friedensburg (CDU):
Rede ID: ID0219004600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wohl niemand im Hause, der nicht ein offenes Ohr und ein warmes Herz für das Anliegen hätte, das vom Kollegen Mommer hier so eindrucksvoll vertreten worden ist. Selbstverständlich wären wir schlechte deutsche Abgeordnete und wären insbesondere wir Berliner besonders schlechte Berliner Abgeordnete, wenn wir es nicht auf das herzlichste begrüßen sollten, falls es gelänge, die Berliner in diesem nicht ganz unwichtigen Punkt den Kollegen aus dem Bundesgebiet völlig gleichzustellen. Das darf ich vorausschicken, und Sie dürfen deshalb von vornherein gewiß sein, daß die drei Fraktionen, in deren Namen ich hier spreche — meine politischen Freunde von der CDU/CSU, meine Kollegen und Freunde von der Deutschen Partei und der Freien Volkspartei —, den Antrag mit großer Gewissenhaftigkeit prüfen und gern bereit sein werden, sich im Ausschuß noch einmal mit Ihnen darüber zu unterhalten.
Meine Damen und Herren, ich möchte darüber hinaus auch noch sagen — und auch das spreche ich im Namen meiner politischen Freunde aus —, daß wir es besonders gern sehen würden, wenn wir in einer Frage von einiger nationaler Bedeutung — als solche erkennen wir das Anliegen an — mit Ihnen durchaus an einem Strang ziehen könnten. Ich glaube, Herr Kollege Mommer, es bedarf nicht der Versicherung, wie sehr es mich freuen würde, wenn ich auch heute mit Ihnen in diesem Punkt wieder übereinstimmen könnte. Das zu sagen, bin ich Ihnen, glaube ich, schuldig, und ich glaube, wenn ich das gesagt habe, habe ich es nicht nötig, hier noch auf den Vorwurf eines gewissen parteipolitischen Egoismus einzugehen. Es ist unser wohl nicht würdig, daß wir uns gegen solche Vorwürfe verteidigen.

(Sehr gut! und Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Wir haben Ihnen das nicht vorgehalten und werden es nicht tun, obwohl dies sehr viel näher läge, weil Sie die Initiative gehabt haben. Ich bitte Sie, auch uns mit einer solchen Unterstellung zu verschonen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Es sind sehr ernste, schwerwiegende und wohlerwogene Bedenken, die ich Ihnen vorzutragen habe.

(Abg. Dr. Mommer: Uns sind Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers zu Ohren gekommen!)

Natürlich wären wir froh — und gerade ich spreche hier als Berliner Abgeordneter —, wenn wir in allem und jedem gleichberechtigt in diesem Hause wären. Ich glaube aber, daß wir es sowohl dem Präsidium wie der Kollegenschaft in diesem


(Dr. Friedensburg)

Hause schuldig sind, anzuerkennen, daß man uns bisher in keiner Weise irgendwie als Kollegen minderen Rechts behandelt hat.

(Zustimmung in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Das ist doch selbstverständlich!)

— Das ist gar nicht so selbstverständlich! Meine Damen und Herren, wenn Sie mit solchen Minderwertigkeitskomplexen behaftet sind und es schon als eine Zumutung ansehen, nach vorn zu gehen, dann kann man überhaupt nicht diskutieren.

(Beifall in der Mitte.)

Jedenfalls glaube ich, daß es geradezu eine gewisse Undankbarkeit wäre, wenn wir nicht sagen wollten, daß wir Berliner Abgeordneten hier immer mit der Achtung und mit der Ebenbürtigkeit behandelt worden sind, auf die wir nach unserer Tradition und unserer besonderen Stellung Anspruch zu haben glauben. Ja, ich bin, als ich vor fünf Jahren zum erstenmal die Ehre hatte, diesen Raum zu betreten, fast ein wenig gerührt gewesen, daß wir Berliner, wenn überhaupt, dann einen Unterschied zu unseren Gunsten spüren konnten. Ich habe den Eindruck, daß ein Berliner an dieser Stelle eher Gehör und eher Verständnis findet in Anerkennung unserer besonderen Lage als ein anderer.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das bei dieser Gelegenheit nicht auszusprechen, würde ich in der Tat als eine ungehörige Unterlassung ansehen.
Ich glaube auch, daß es nicht berlinerische Art ist, sich zurückgesetzt zu fühlen. Das ist eine Sache, die uns im allgemeinen nicht nachgesagt worden ist und die auch der besonderen Struktur unserer Menschen durchaus nicht angepaßt ist. Es ist auch nicht die Art, in der wir unsere Berliner Interessen mit rechtem Erfolg vertreten können. Wir haben im allgemeinen den guten Ruf — ich höre das gerade auch im Ausland —, daß man in Berlin am wenigsten die deutsche Neigung spürt, sich irgendwo zurückgesetzt und schlechter behandelt zu fühlen. Ich glaube nicht, daß wir gut beraten sind, wenn wir von dieser alten Haltung abweichen wollten.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Darum geht es doch gar nicht, Herr Friedensburg! — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Ich möchte es auch Ihnen sagen, —

(Abg. Neubauer: Sie reden um die ganzen Dinge herum! — Weiterer Zuruf von der SPD: Zur Sache!)

— Ich komme auf alles. Ich kann doch nicht alles auf einmal sagen.

(Zuruf von der SPD: Das hätten Sie gar nicht sagen sollen!)

— Warten Sie doch ab! Ich gehöre nicht zu den Leuten, die hier auf das Podium gehen, um dem Andersdenkenden irgend etwas um die Ohren zu schlagen. Ich versuche, Sie zu überzeugen. Bitte, hören Sie mich in Ruhe an. Ich glaube, es könnte auch Ihnen nicht schaden.
Ich möchte zunächst einmal an die besondere preußisch-deutsche Struktur Berlins erinnern. Die Wiedererringung der Hauptstadt-Eigenschaft ist ja nicht ein formaler Anspruch unserer Stadt. Es ist doch nicht ewiglich mit der Tradition zu begründen, nicht damit, was früher einmal gewesen ist, sondern es wird von uns, soweit wir über diese Dinge ernsthaft nachdenken, damit begründet, daß wir glauben, unsere besondere Art, zu denken und zu handeln, sollte im neuen Deutschland stärker als bisher zur Geltung kommen, nämlich in der Form, daß Berlin wieder die Hauptstadtfunktionen ausübt. Das ist nun einmal nicht bloß eine Frage der monarchischen Überlieferung, nicht eine Frage des kaiserlichen Berlin, das ist genauso eine Frage der Haltung des republikanischen Berlins unter Otto Braun und Carl Severing gewesen. Das ist das preußisch-deutsche Ethos der selbstlosen Pflichterfüllung, des Nicht-mehr-sein-Wollens, des „Mehr sein als scheinen",

(Abg. Frau Wolff [Berlin] : Aber Kinder!)

das ist das Ethos der Unterordnung des engen Sondervorteils zugunsten des allgemeinen Wohls. Ich bitte unsere süddeutschen und westdeutschen Freunde, aus meinen Worten nicht den Versuch zu hören, irgendeine hervorgehobene Stellung der Berliner zu behaupten, sondern es scheint mir notwendig, das einmal zu sagen, nachdem diese preußische Tradition durch den Federstrich der Siegermächte ausgelöscht, beseitigt worden ist. Diese Auslöschung ist territorial und staatsrechtlich vollzogen worden und wahrscheinlich nicht so leicht wiedergutzumachen. Aber was die ethische, die moralische Haltung angeht, — ich glaube, da wäre es ganz gut, wir erinnerten uns gelegentlich dieser großen Tradition und brächten sie auch im neuen Deutschland zur Geltung. Die Art, sich immer zu beschweren und immer zurückgesetzt zu fühlen, entspricht, glaube ich, nicht dieser alten, stolzen Tradition.

(Beifall in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

Zu unserer Haltung hier möchte ich auch noch folgendes sagen. Das Recht der Berliner, hier zu sprechen, entspricht der eigentlichen Funktion des Parlaments. Es heißt doch „Parlament". Es ist ein Haus, wo gesprochen wird. Es heißt nicht „Resolutionament", sondern es heißt „Parlament", das Haus, in dem gesprochen wird. Das eigentliche Wesen, das entscheidende Wesen des Parlaments beruht auf dieser Funktion des Sprechens, an der wir Berliner Abgeordnete, glaube ich, bisher in keiner Weise gehindert warden sind.

(Abg. Meitmann: Nicht die Entscheidung über Gesetze? — Abg. Dr. Arndt: Das erinnert schon an Brentanos Bemerkung von der „perversen Genugtuung", was Sie hier sagen!)

Meine Damen und Herren, welche Begründung geben Sie? Ich habe den Antrag gelesen.

(Abg. Meitmann: Sie degradieren das Parlament zur bloßen Sprechbude! Das Parlament hat doch die Aufgabe, Politik zu machen, die Regierung zu kontrollieren und über Gesetze abzustimmen! — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Meine Damen und Herren, seien Sie doch mal vernünftig! Sie müssen sich doch mal eine andere Meinung anhören können, lieber Kollege Meitmann!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219004700
Verehrter Herr Kollege, ich habe so das Gefühl, daß noch weitere


(Vizepräsident Dr. Becker)

Redner kommen, die dann schon antworten werden.

(Abg. Dr. Greve: Sprechen Sie mal zum Stimmrecht!)


Dr. Ferdinand Friedensburg (CDU):
Rede ID: ID0219004800
Meine Damen und Herren, wer die Entstehung des Parlaments kennt, der wundert sich nicht über diesen Namen, und ich habe mir erlaubt, mich auf diesen Namen zu beziehen und zu sagen, daß wir als Berliner bisher an dieser ursprünglichen und wesenhaften Funktion des Hauses vollen Anteil haben.

(Zurufe von der SPD.)

— Ich weiß nicht, was Sie daran auszusetzen haben.

(Abg. Dr. Greve: Vom Stimmrecht ist in erster Linie die Rede!)

Sie haben Ihrem Antrag dann einige Begründungen hinzugefügt, mit denen wir uns auseinandersetzen wollen. Sie behaupten — und Kollege Mommer hat sich große Mühe gegeben, das im einzelnen nachzuweisen —, daß die bisherige Entwicklung unschädlich gewesen sei, daß sie sich habe vollziehen können, ohne daß deshalb ernste Konsequenzen eingetreten wären. Ich will darüber mit Ihnen nicht rechten. Das ist wohl zutreffend. Aber, Kollege Mommer, ich kann Ihrer Logik, von der Sie wiederholt gesprochen haben, nicht folgen, wenn Sie meinen, deshalb könne man nun noch einen Schritt weitergehen. Es ist doch durchaus nicht gesagt, daß wir, wenn die bisherigen, für die staatsrechtliche Struktur Berlins verhältnismäßig bedeutungslosen Schritte keinen Schaden angerichtet haben, noch einen Schritt weiter tun dürften, der die staatsrechtliche Stellung Berlins in der Tat in unseren eigenen Augen, aber auch draußen doch erheblich verändern würde. Wenn Sie da in der Begründung Ihres Antrages sagen „daher", so scheint mir das eine etwas naive Logik zu sein, Herr Kollege Mommer; bitte nehmen Sie mir das nicht übel. Und wenn wir die Ausschußberatung zu keinem anderen Zweck beantragen, so deshalb, um diese etwas merkwürdige Logik aus dem Antrag herauszubringen. Es ist doch keine Logik: Deshalb, weil ich im Wald Zigaretten rauchen kann, deshalb darf ich auch ein Feuer anstecken. Das ist doch wirklich keine echte Schlußfolgerung.

(Abg. Mattick: Armselig ist das, was sie hier sagen! — Anhaltende Zurufe links.)

Sie meinen dann, daß wir das Vertrauen auf die Zustimmung der Alliierten haben könnten. Es ist ein etwas mißliches Unterfangen, wenn wir uns hier darüber unterhalten, ob die Besatzungsmächte
— in Berlin sind es noch Besatzungsmächte — mit unseren Wünschen wohl übereinstimmen. Das einzige, was wir offiziell dazu wissen, ist eine Stellungnahme, die vor einem Jahr abgegeben worden ist, wo sie festgestellt haben, daß die Voraussetzungen, die zu den Vorbehalten geführt haben, noch unverändert andauern und daß deshalb diese Vorbehalte von ihrer Seite noch beibehalten werden müßten. — Ich habe sehr viel in der Zwischenzeit darüber gehört. Ich habe hier und da ein Für und Wider gehört. Aber ich darf Ihnen ganz offen sagen: Das Vertrauen auf die Zustimmung der Alliierten. das Sie hier mit einer gewissen Sicherheit verkünden. können wir nicht teilen, und wir halten es auch nicht für gut, meine Damen und Herren,

(Zuruf vor. der SPD: Anzufragen!) daß wir als deutsches Parlament in einer Sache an die Alliierten herantreten, von denen wir von vornherein wissen können, daß sie, wenn sie die Zustimmung geben, sie jedenfalls nicht gerne geben; denn diese Vorbehalte -- —


(Lebhafte Zurufe von der SPD. — Abg. Dr. Greve: Sie wollen nur nicht, daß die Berliner mitstimmen, weil dort die Verhältnisse andere sind! Dann gibt es „leider" mehr sozialdemokratische Stimmen! So sieht's aus! Das ist das Entscheidende!)

— Herr Greve, ich glaube wirklich, ich bin über die Stimmung in den Berliner alliierten Kreisen etwas besser unterrichtet als Sie. Ich glaube, Sie sind sehr gewaltig im Irrtum. Ihre Unterstellung ist einfach falsch.

(Abg. Dr. Greve: Dann müssen Sie anders reden!)

— Wenn Sie alle auf einmal reden, kann ich beim besten Willen keinen Zwischenruf verstehen.

(Zuruf von der SPD: Das ist zuviel!)

Ich würde doch dringend bitten, daß Sie mich anhören; Sie können es ja nachher widerlegen. Ich versuche ja, Ihnen das im Ganzen und vernünftig darzulegen, und Sie können ja von mir voraussetzen, daß ich das nicht tue, um Sie zu ärgern oder um Sie zu reizen, sondern daß es wirklich ernste und gewichtige Bedenken sind, die mich hier an diese Stelle geführt haben.

(Abg. Dr. Greve: Sie reden für eine schlechte Sache! — Weitere Zurufe von der SPD.)

Wir wollen uns doch auch überlegen, daß diese Vorbehalte der Mächte nicht auf irgendeiner Willkür oder darauf beruhen, daß man uns nicht wohlwill, sondern sie beruhen auf einer Sorge, die auch wir teilen. Die Alliierten wollen den Fußpunkt, den sie in Berlin haben, in keiner Weise gelockert oder eingeschränkt sehen, und ich glaube, wir haben genau das gleiche Interesse. Deswegen möchte ich sie gar nicht unter den moralischen Druck setzen, den ein Begehren dieses Hauses darstellen würde, und sie zu etwas veranlassen, von dem ich von vornherein weiß, daß sie es nicht 'gerne tun würden und auch gar nicht gern tun können.

(Abg. Dr. Greve: Das ist würdelos, was Sie jetzt sagen, ja, ganz würdelos!)

-- Aber verehrter Herr 'Greve, weshalb sind denn die Alliierten in Berlin?

(Abg. Dr. Greve: Das geht uns doch nichts an, was die gerne tun!)

— Das geht uns sehr viel an.

(Abg. Dr. Greve: Für das Stimmrecht geht uns das gar nichts an!)

— Das geht uns sehr stark — —

(Abg. Dr. Greve: Das Stimmrecht für unsere Abgeordneten hier wollen wir haben! Das hat mit der Anwesenheit der Alliierten in Berlin gar nichts zu tun!)

— Das hat sich jetzt allmählich herumgesprochen, daß Sie das Stimmrecht haben wollen. Das brauchen Sie nicht mit solchem Stimmaufwand hier zu vertreten! Hören Sie doch lieber einmal an, was ich zu sagen habe.

(Abg. Dr. Greve: Reden Sie von Mineralien! Davon verstehen Sie vielleicht mehr! — Anhaltende Zurufe von der SPD.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219004900
Ich mache darauf aufmerksam, daß Aufregung zu später Stunde sehr ungesund ist.

(Heiterkeit und Beifall. — Abg. Dr. Greve: Es ist noch nicht spät genug!)


Dr. Ferdinand Friedensburg (CDU):
Rede ID: ID0219005000
Meine Damen und Herren, jedenfalls haben wir — und das möchte ich gerade als Berliner sagen, und wer die Ereignisse der letzten Jahre mitgemacht hat, der wird das besonders empfinden — von unserer Seite keinen Anlaß, den Alliierten einen Schritt oder eine Zustimmung nahezulegen, die auch nur im geringsten ihre Stellung dort für die nächsten Jahre vielleicht mit einem Risiko belastet oder irgendwie lockerer oder unsicherer erscheinen lassen könnte.

(Zuruf von der SPD: Ein Eiertanz ist das!)

Der Kollege Mommer hat angeführt, daß die Saar gewissermaßen eine neue Lage geschaffen habe, daß nun ein Präzedenzfall geschaffen sei, auf den wir uns beziehen könnten. Ich glaube, Kollege Mommer, ich brauche auf die tiefgreifenden Unterschiede nicht hinzuweisen, die zwischen der Saar und Berlin bestehen. Bei der Saar konnte eine solche Regelung nirgends auf Widerspruch stoßen. Sie konnte keinerlei Risiko irgendwelcher Art heraufbeschwören. Ich glaube deshalb, man sollte diesen Vergleich nicht ziehen, der zwischen Saar und Berlin — leider Gottes für uns Berliner, glücklicherweise für die Saar — nicht am Platze ist.

(Zurufe von der SPD.)

Die Verantwortung liegt bei uns. Wir haben uns ein Urteil zu bilden, ob es im deutschen Interesse, im Berliner Interesse liegt, die Änderung des Stimmrechts herbeizuführen, und wir haben da nicht irgendeine imaginäre Zustimmung der Alliierten vertrauensvoll vorauszusetzen.
Was könnte denn uns selbst zu einer solchen Maßnahme bestimmen? Wir haben in diesem Hause gegenüber Berlin drei große Aufgaben: wir müssen die wirtschaftliche Position Berlins aufrechterhalten, wir müssen für die Sicherheit Berlins Sorge tragen, und wir müssen uns bemühen, daß Berlins Funktion im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung nicht beeinträchtigt wird.

(Zuruf von der SPD: Dieses Gerede! — Weitere Zurufe links.)

Zum ersten Punkt! Die wirtschaftliche Lage Berlins wird nicht maßgeblich davon beeinflußt, ob die Berliner das Stimmrecht haben oder nicht. Wir wollen von unserer Bundesregierung nicht so klein denken, daß es des Stimmrechts der Berliner bedürfe, um von der Bundesregierung die Zustimmung zu irgendeinem Berliner Anliegen zu erreichen. Das haben wir bisher jedenfalls nicht nötig gehabt. Ich glaube auch, daß wir gar nicht gut handeln, wenn wir unser Verhältnis zur Bundesregierung — ich habe das vorhin schon angedeutet — so auffassen, als wenn wir uns immer bemühen müßten, um das eine oder andere unter Mühen und Schwierigkeiten zu erlangen.
Sie, Herr Brandt, haben gesagt: Hart, manchmal sehr hart haben wird um unseren Platz am bundesrepublikanischen Mittagstisch ringen müssen. — Du lieber Gott! Daß man sich über Finanzen unterhalten muß und daß diese Unterhaltungen nicht immer leicht sind, ist selbstverständlich. Ich glaube, wir tun wirklich nicht gut, Herr Kollege
Brandt, wenn wir der Neigung, die eine frühere Stadtverwaltung gehabt hat, folgen, sich gewissermaßen als Märtyrer zu fühlen, weil sie immer nach Bonn fahren mußte, um hier etwas für Berlin herauszuholen. Ich glaube, wir haben allen Anlaß, mit unseren Freunden aus West- und Süddeutschland gerade auf diesem Gebiet übereinzustimmen und ihnen dankbar zu sein. Ich habe mehr Scheu davor, sie durch eine allzu ungeschickte und taktlose Art des Vertretens unseres Anliegens einmal zu ermüden. Wir sollten es bei ihrer sehr schönen und treuen Handlungsweise belassen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Zu dem zweiten Punkt — der Sicherheit — zu sprechen, ist nicht ganz leicht. Wir wollen hier nicht Risiken ausmalen, über deren Entstehen und über deren Ausmaß niemand von uns sich ein rechtes Bild machen kann. Aber, Kollege Mommer, so leicht, wie Sie es getan haben, wird man es sich doch wohl nicht machen können. Wenn ich eine Reaktion auslöse, weiß ich tatsächlich nicht, wo die Reaktion enden wird. Ich glaube, es ist niemand in diesem Saale, der den Mut hat, zu sagen: Es ist ausgeschlossen, daß von der vierten Besatzungsmacht her irgendeine uns unerwünschte Reaktion erfolgen kann. Das ist nämlich der entscheidende Punkt. Wir können das Verhalten, die Handlungsweise dieser vierten Besatzungsmacht auch bei angestrengtestem Scharfsinn und bei angestrengtester Phantasie nicht voraussagen.

(Zustimmung bei ,der CDU/CSU.)

Deshalb sollten wir auch das bloße Risiko sehr ernsthaft ins Auge fassen.

(Lebhafte Zurufe von der SPD. — Abg. Neubauer: Sagen Sie: Der Kanzler will nicht! Dann ist es in Ordnung! — Abg. Dr. Mommer: Warum haben Sie das nicht bei der Aufrüstung gesagt?)

— Ich kann kein Wort verstehen!

(Glocke des Präsidenten.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219005100
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Ferdinand Friedensburg (CDU):
Rede ID: ID0219005200
Gern!

Jeanette Wolff (SPD):
Rede ID: ID0219005300
Glauben Sie, Herr Kollege Friedensburg, daß die CDU oder die Regierungsparteien den Berliner Abgeordneten einen guten Dienst erwiesen haben, wenn sie gerade zwei CDU-Abgeordnete von Berlin in dieser Weise über das Berlin-Projekt sprechen lassen?

(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist keine Frage!)

— Das ist eine Frage! Ich habe habe gesagt: Glauben Sie,

(Lachen bei der CDU/CSU)

glauben Sie, Herr Friedensburg, daß das eine gute Sache war, daß gerade zwei Berliner Abgeordnete in dieser Weise über die Berlin-Frage hier gesprochen haben?

(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist keine Frage!)


Dr. Ferdinand Friedensburg (CDU):
Rede ID: ID0219005400
Ich glaube, Frau Kollegin Wolff, Sie würden es nur dann als eine gute Sache ansehen, wenn die CDU einen Abge-


(Dr. Friedensburg)

ordneten fände, der Ihren Standpunkt vertritt. Da das leider nicht der Fall ist, müssen Sie sich damit abfinden, daß andere Abgeordnete für die CDU sprechen. Wir vertreten nämlich unsere Sache und nicht Ihre Sache.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Bei der Frage der Sicherheit, die wir gar nicht übertreiben wollen, handelt es sich um Unwägbarkeiten, über die niemandem von uns eine klare Einsicht gegeben ist. Es handelt sich um Unwägbarkeiten, die wir aber gerade deshalb, weil wir die letzten Auswirkungen niemals übersehen können, auch nicht unter den Tisch fallenlassen dürfen, die wir sehr sorgfältig und verantwortungsbewußt zu prüfen haben.
Das Entscheidende, das Wichtigste an unseren Bedenken liegt doch auf dem Gebiet der Stellung Berlins im Rahmen einer aktiven Wiedervereinigungspolitik. Kollege Mommer hat bereits angedeutet, es bestehe die Möglichkeit, daß man im Ostteil der Stadt gewissermaßen mit unseren Maßnahmen gleichziehe. Ich möchte, da ja vielen von Ihnen nicht recht bekannt ist, wie die Lage ist, Ihnen einige Mitteilungen darüber machen. Das Wahlgesetz der sogenannten DDR vom 9. August 1950 bestimmt in seinem § 49, daß Ostberlin 66, nun nicht „Abgeordnete" sondern „Vertreter mit beratender Stimme" in die Volkskammer entsendet. Dort ist also diese Sonderstellung gesetzlich festgelegt. Es heißt dann weiter in dem Wahlgesetz, das für die Volkskammerwahl am 17. Oktober 1954 erlassen worden ist, in § 2, daß für die Volkskammer 400 Abgeordnete gewählt werden und daß Berlin berechtigt ist, 66 Vertreter in die Volkskammer zu entsenden.

(Abg. Frau Heise: Soll uns das Vorbild sein?)

Sie sehen also, wie streng auch dort die Sonderstellung Berlins durchgeführt ist. Das gleiche gilt für die Länderkammer. Es heißt in Art. 71 der Verfassung, daß die Länderkammer die Vertretung der deutschen Länder, nicht der Stadt Berlin ist, von der in der Verfassung nicht die Rede ist. Es heißt im Wahlgesetz vom 8. November 1950, daß die Hauptstadt Berlin (in die Länderkammer 13 Vertreter mit beratender Stimme entsendet.

(Abg. Dr. Greve: Was soll das heißen?)

— Es soll heißen, daß man auch von der DDR her den Ostteil Berlins als einen Sonderfall auffaßt, und es heißt dann für uns die Schlußfolgerung zu ziehen, daß es jedenfalls nicht in unserem Interesse läge

(Zuruf von der SPD.)

— entschuldigen Sie, wir sind vorangegangen, Herr Kollege; seien Sie nicht so geistreich! —, wenn wir eine Gleichstellung zwischen den beiden Teilen Berlins herbeiführten.

(Abg. Neumann meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Ich weiß nicht, ob alle Kollegen in diesem Hause sich über die besondere Lage Berlins klar sind: daß Ostberlin nicht zur Zone gehört und daß deshalb die ganze Grenzkontrolle sich an dem Umkreis von Berlin vollzieht und daß wir innerhalb Berlins gerade wegen der Sonderstellung unseres Gebiets eine freie Verkehrsmöglichkeit besitzen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219005500
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?

Dr. Ferdinand Friedensburg (CDU):
Rede ID: ID0219005600
Bitte!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219005700
Darf ich darauf aufmerksam machen, daß wir wirkliche Fragen stellen wollen und nicht nur rhetorische.

Franz Neumann (SPD):
Rede ID: ID0219005800
Herr Kollege Friedensburg, ist Ihnen bekannt, daß die sogenannte DDR den Ostteil Berlins als ihre Hauptstadt bezeichnet?

Dr. Ferdinand Friedensburg (CDU):
Rede ID: ID0219005900
Das ist mir natürlich bekannt. Ich bin gern bereit, Kollege Neumann, den Westteil Berlins, ja sogar das ganze Berlin als Hauptstadt Deutschlands zu bezeichnen. Ich wüßte nicht, was dem entgegenstünde.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Ich habe es — ich glaube mich auf meine Haltung in den Zeiten meiner Berliner Tätigkeit berufen zu dürfen — immer als eine große Gefahr angesehen, an der Sonderstellung Berlins zu rütteln, von der für die Funktion Berlins als Verbindungsstück, als Brücke zwischen den beiden Teilen Deutschlands unendlich viel abhängt. Der ganze Verkehr in Berlin, die Tatsache, die Kollege Brandt angeführt hat, daß täglich zehntausendfache Begegnungen von Ost und West auf Berliner Boden stattfinden — Kollege Brandt, Sie haben durchaus recht —, beruht doch alles auf dem Umstand, daß Ostberlin nicht zur Zone gehört. Ich weiß — das werden Sie, Herr Kollege Brandt, genauso wissen —, daß das den Zonenbehörden ein höchst peinlicher Zustand ist. Ich habe gar keine Lust, ihnen den Vorwand zu liefern, an diesem für uns so segensreichen, ja beinahe lebensnotwendigen Zustand auch nur das geringste zu ändern.

(Beifall in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

Denn wenn es vielleicht auch nur ein Vorwand ist, aber wenn sie etwas tun wollen, dann wäre es von unserer Seite aus — gestatten Sie den Ausdruck —sehr wenig überlegt, wenn wir ihnen die Brücke für eine solche für uns so gefährliche Maßnahme zur Verfügung stellten.

(Beifall in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

Aus diesen zwingenden Gründen können sich meine Freunde von der CDU/CSU und die Kollegen von den beiden anderen Koalitionsparteien nicht entschließen, diesem Antrag vorbehaltslos zuzustimmen.

(Zuruf von der SPD: Pfui!)

Wir sind bereit, Ihnen zu helfen, die Sache im Ausschuß noch einmal zu beraten. Wir können ja dort über manche Dinge deutlicher und offener sprechen.

(Zuruf von der SPD.)

— Ja, wenn Sie darauf verzichten, ist mir das auch recht. Wir legen jedenfalls Wert darauf, uns mit Ihnen vernünftig und kollegial darüber zu unterhalten.

(Abg. Dr. Greve: Dem Volk noch mehr Sand in die Augen streuen!)

Ich verkenne auch nicht — ich will Ihnen noch eine Konzession machen —,

(Zurufe von der SPD)

daß Ihr Antrag ein Ausdruck jener Unruhe und Ungeduld ,ist, die in weiten Teilen unseres Landes


(Dr. Friedensburg)

über den langsamen Fortgang der Wiedervereinigungspolitik verbreitet ist.

(Erneute Zurufe von der SPD.)

Sie wissen, daß ich diese Ungeduld und diese Unruhe in gewissem Umfange teile

(fortgesetzte Zurufe von der SPD)

und daß ich dieser Ungeduld und Unruhe oft genug Ausdruck gegeben habe. Um so mehr bin ich berechtigt, ja ich möchte sagen, um so mehr bin ich verpflichtet, dort, wo diese Unruhe und Ungeduld zu unbedachten Konsequenzen führen könnte, davor zu warnen.

(Beifall in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

Wir dienen der Sache Berlins und der Sache der Wiedervereinigung nicht durch übereilte Maßnahmen mit unabsehbaren Risiken, sondern wir dienen der Sache Berlins und der Wiedervereinigung mit Besonnenheit und mit Klarheit und mit vernünftiger politischer Überlegung.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Greve: Mit Vernebelung! Von wegen Klarheit!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219006000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Strosche.

Dr. Johannes-Helmut Strosche (GB/BHE):
Rede ID: ID0219006100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß wir dem Herrn Kollegen Dr. Mommer für die unseres Erachtens logisch einwandfreie Beweisführung dankbar sein müssen, die darlegen sollte, aus welchen Gesichtspunkten und aus welchen Überlegungen heraus die Antragsteller zu diesem Antrag gekommen sind. Daß dabei aus der logischen Beweisführung heraus, sehr verehrter Herr Kollege Dr. Friedensburg, natürlich auch ein gewisser Schritt zu einem politischen Mut, einem politischen Vertrauenstest, auf dessen positives Resultat wir im übrigen vertrauen, notwendig ist, wird keiner bestreiten.
Aber wenn hier schon von Risiken gesprochen wurde, so möchte ich sagen, daß wir in dieser Richtung ganz andere Risiken eingegangen sind,

(Beifall beim GB/BHE und bei der SPD)

als wir uns entschlossen haben — und meine politischen Freunde und ich haben dazu ja gesagt —, dem Einbau der Bundesrepublik in die NATO das Wort zu reden.

(Zurufe von der Mitte.)

Damit waren Risiken verbunden, die unserer Auffassung nach zweifellos größer waren, als sie sind, wenn wir den Berliner Abgeordneten durch die Gewährung der Stimmberechtigung ihr volles Gewicht in diesem Hause geben.

(Beifall bei dem GB/BHE und der SPD.)

Ich muß sagen, die Ausführungen des Kollegen Dr. Friedensburg waren in mancher Hinsicht mehr denn befremdend. Ich meine, daß dieses Parlament eben nicht nur dazu da ist, zu „parler" und zu diskutieren. Für jeden, der die Struktur des Parlaments und die Akzente der politischen Entscheidung in diesem Hause kennt, ist natürlich das Stimmrecht des Abgeordneten das Entscheidende.

(Beifall bei dem GB/BHE und der SPD. — Zuruf von der Mitte: Das wissen wir doch alle!)

Hierin liegt das Gewicht des Parlaments und des Parlamentariers und nicht nur in der beratenden,
mitarbeitenden und mitgestaltenden Rolle. Ich habe mich über dieses Übermaß von Bescheidenheit des Herrn Kollegen Dr. Friedensburg gewundert, und ich möchte fast sagen, daß das falsche Bescheidenheit ist.

(Anhaltende Zurufe. — Große Unruhe.)

Auch mit dem verehrlichen preußischen Grundsatz ich dien, so glaube ich, hat diese Einstellung nicht viel zu tun.
Es sollte vielmehr eine Selbstverständlichkeit sein, daß wir den immerhin beschämenden Zustand, daß unsere Berliner Kollegen nicht mitstimmen und -entscheiden können, beenden.

(Beifall bei dem GB/BHE und der SPD.)

Sie können zumindest dem Gesamtdeutschen Block/ BHE nicht unterstellen, daß für ihn bei diesem Antrag Erwägungen über eine Verteilung des Stimmgewichts in diesem Hause mitbestimmend gewesen seien. Ich habe aber umgekehrt das Gefühl, daß auf einer Seite des Hauses die bange Sorge besteht, das Verhältnis von Koalition und Opposition könne sich bei voller Stimmberechtigung der Berliner Abgeordneten verändern.

(Erneuter Beifall links.)

Wir haben es ja in diesem Hause schon sehr oft erlebt, daß manche Gesetze nicht Wirklichkeit geworden wären, wenn die Berliner Stimmen gezählt hätten.

(Beifall links. — Zurufe von der Mitte.)

Ich nenne als Beispiel nur das Kindergeldgesetz, dieses musterhaft stümperhafte Gesetz.

(Zuruf von der Mitte: Das sind Schlagworte!)

— Das sind keine Schlagworte, Herr Kollege, sondern ich gebe hier Gefühle wieder, die bei den Ausführungen des Kollegen Friedensburg nicht bloß in mir lebendig geworden sind.

(Zurufe von der Mitte. — Gegenrufe links. — Große Unruhe.)

Meine Damen und Herren, es bleibt wohl nicht mehr viel zu sagen,

(anhaltende Auseinandersetzungen zwischen Abgeordneten der Mitte und links — Abg. Dr. Mommer: Da haben wir den wundesten Punkt getroffen!)

weil der Herr Kollege Dr. Mommer die Ausgangsposition unseres Antrags so deutlich dargelegt hat. Er hält es — und das möchte ich herausstreichen — für durchaus möglich, gegenüber den drei verbündeten Alliierten diesen Vertrauenstest zu wagen.
Der Herr Kollege Dr. Friedensburg hat die hier anstehende Frage in Beziehung zu den 66 Volkskammerabgeordneten gebracht. Ich glaube nicht, daß man hier eine Parallele im Sinne des Herrn Dr. Friedensburg ziehen kann. Diese Dinge sind nicht in diesem Sinne zu werten. Ich halte es aber gerade im Hinblick auf unsere saarländischen Kollegen für wünschenswert, in diesem Punkte gleichzuziehen. Meine politschen Freunde und ich meinen, daß wir, kurz gesagt, im Vertrauen auf die bisherige Entwicklung diesen Schritt wagen sollten. Wir glauben, gerade aus dem Geiste, von dem die Notgemeinschaft zwischen der Berliner Bevölkerung und den Alliierten bei der Einrichtung der Luftbrücke getragen war, auf eine positive Resonanz bei den westlichen Alliierten hoffen zu können.


(Dr. Strosche)

Auf jeden Fall sollte im zukünftigen Bundestag jeder Abgeordnete, auch der von Berlin, die gleiche, volle politische Funktion ausüben können wie wir anderen auch.

(Beifall beim GB/BHE und bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219006200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Will.

Dr. Rudolf Will (FDP):
Rede ID: ID0219006300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema des Antrags Drucksache 3125 ist durchaus geeignet, einige politische Leidenschaften zu wecken. Ich würde es für gut halten, wenn wir die Dinge auf das nüchterne Niveau zurückführen würden, das eine solche Sache bei der Beratung verdient.
An sich ist der Antrag, der ja auch von der Fraktion der Freien Demokraten gestellt wurde, in seinem Inhalt sehr gemäßigt, weil die Frage der direkten Wahl der Berliner Vertreter darin gar nicht berührt ist. Es handelt sich nur darum, ob die schon gewählten und hier vertretenen Berliner voll stimmberechtigt sein sollen oder nicht. Dazu darf ich sagen, daß ich mich jedenfalls in den fünf Jahren, in denen ich diesem Hause anzugehören die Ehre habe, niemals als Statist oder Edelkomparse gefühlt habe. Ich habe durchaus den gegenteiligen Eindruck: die Berliner kommen vielleicht mit einer größeren Verantwortung, als es bei manch anderen der Fall ist, gerade weil sie so sehr an der Front tätig sind und über gewisse Informationen verfügen und damit eine Verantwortung haben, die den anderen Abgeordneten nicht ohne weiteres auferlegt wird.
Die Vorredner haben das Wesentliche eigentlich schon vorweggenommen, ich will mich infolgedessen etwas kürzer fassen. Wir alle waren uns darüber einig, daß an der Stellung der Alliierten in Berlin natürlich nicht gerüttelt werden darf. Das ist von den Rednern aller Fraktionen immer wieder mit Recht betont worden. Es bedarf keiner Hervorhebung, daß die Sicherheit Berlins eben auf den besonderen Vereinbarungen beruht, die auf diesem Gebiet nun einmal bestehen. Es ist aber die Frage, ob die Sicherheit und der Status Berlins in der Tat dadurch berührt werden, daß dieser Deutsche Bundestag ein Souveränitätsrecht ausübt, indem er von sich aus bestimmt, wer hier abzustimmen hat und wer nicht. Da bin ich allerdings der Meinung, daß es ausschließlich eine Angelegenheit des Deutschen Bundestages ist, darüber zu verfügen, wer hier voll stimmberechtigt ist und wer nicht. Ich verstehe durchaus die Bedenken, die Herr Kollege Friedensburg vorgebracht hat: Wir werden uns hier hüten müssen, einen Vorwand zu liefern, der die Stellung Berlins etwa gefährden könnte. Das ist zweifellos richtig. Aber hier liegt ein sehr geringes Risiko. Ich möchte das Wort Risiko schon beinahe nicht mehr gebrauchen,

(Abg. Dr. Strosche: Richtig!)

da es in Berlin schwer verstanden werden wird, wenn ein Berliner Vertreter — insofern beneide ich Sie nicht, Herr Kollege Friedensburg — hier die Bedenken in so starker Form zum Ausdruck bringen mußte, wie es von Ihrer Seite geschehen ist.
Ich kann mir denken, daß es dabei schwierige Dinge zu lösen gibt. Etwa die direkte Wahl in Berlinwürde eine einschneidende Maßnahme sein, wenn sie auch von vielen Seiten gewünscht wird. Ich selbst würde es auch außerordentlich begrüßen, wenn das möglich wäre, und ich sehne den Tag herbei, wo wir in Berlin zum Bundestag direkt wählen können. Ich verhehle aber nicht, daß hier Argumente vorhanden sind, die unter Umständen, jedenfalls im gegenwärtigen Zeitpunkt, diese Maßnahme als noch nicht angezeigt erscheinen lassen. Aber hier den Berliner Abgeordneten die Ausübung des Souveränitätsrechts — ich erinnere an das Beispiel der Vertreter des Saarlandes, die wir mit Freude begrüßt haben; das ist doch der eigentliche Anlaß — vorzuenthalten, läßt sich auf die Dauer nicht aufrechterhalten. Ich glaube, die Befürchtungen sind insoweit wohl nicht mehr berechtigt.
Nun ist es hier wie bei allen Dingen und wie überhaupt in der Politik so, daß man alles nach dem Erfolg beurteilen muß. Ob eine solche Maßnahme ein Akt des Mutes oder des Leichtsinns war, stellt sich immer erst hinterher heraus. Deshalb ist es schon angebracht, hier mit einer gewissen Vorsicht zu taktieren, also nicht Dinge zu verlangen, bei denen man annehmen muß, daß sie schädlich sein können. Das aber ist bei dieser Bestimmung nicht anzunehmen.
Nun heißt es in der Ziffer 4 des Antrages Drucksache 3125, der Bundestag vertraue darauf, daß die drei Mächte keine Einwände erheben würden. Da muß ich sagen: das müßte uns doch die Regierung beantworten können, ob die drei Mächte im gegebenen Augenblick Bedenken dagegen haben, ob dieser Antrag nun angenommen wird oder nicht. Wozu haben wir schließlich die Botschafter? Wozu haben wir die engen freundschaftlichen Beziehungen, wenn wir nicht eine authentische Auskunft bekommen und diese Stellen uns sagen können: Dagegen haben wir gar nichts, daß die 22 Berliner Abgeordneten im Bundestag den Arm heben dürfen bei Gesetzen, die sie dann doch übernehmen müssen!

(Abg. Dr. Greve: Die Regierung fragt nicht, weil sie Angst hat, daß es ihr erlaubt werden könnte! Das ist doch das Entscheidende!)

— Ich bin zufällig davon unterrichtet, daß ein Mitglied der Bundesregierung gleich das Wort ergreifen wird, und ich hege noch die leise Hoffnung, daß dann zu dieser entscheidenden Frage etwas gesagt wird.
Es ist dies natürlich nicht — und das ist wieder richtig, Herr Kollege Friedensburg — die letzte Entscheidung, denn es kommt ja auch auf die vierte Macht an, die in dem Antrag nicht angesprochen ist. Deshalb ist es wohl auch richtig, mit einer gewissen Vorsicht zu taktieren; auch ich bin der Meinung, daß man das tun sollte. Aber in dieser Frage — deshalb ist ja der Antrag bewußt nur auf diesen ersten vorsichtigen Schritt abgestellt, mehr ist es doch nicht — kann das nicht gelten. Deshalb halte ich es für angezeigt, daß wir diesen Antrag annehmen.
Es sind in der Debatte eine Reihe von anderen Dingen erwähnt worden. Insbesondere ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß in der Volkskammer drüben die gleiche Maßnahme getroffen ist, d. h. daß auch dort die Berliner Abgeordneten nicht stimmberechtigt sind. Aber wir haben Grund, anzunehmen, daß sie es deshalb


(Dr. Will [Berlin])

nicht sind, weil auch die Berliner Abgeordneten im Deutschen Bundestag nicht stimmberechtigt sind. Ich möchte also annehmen: wenn wir mit dieser Maßnahme hier vorangehen, wird drüben dann gleichgezogen werden, was uns aber gar nicht weiter berührt. Mögen die ihr Stimmrecht drüben ausüben, das ist nur von geringer Bedeutung. Aber ich glaube nicht, daß wir unsere Bedenken daran aufhängen und den Berliner Abgeordneten hier das Stimmrecht verweigern sollten.
Es ließe sich natürlich zu diesem Antrag und zu der heutigen Debatte noch sehr viel mehr sagen. Ich möchte das im Augenblick aber nicht tun, weil das Wesentliche schon gesagt ist. Auch meine Fraktion hat das Problem sorgfältig und nüchtern durchdacht; wir haben das, was dafür, und das, was dagegen spricht, genau abgewogen und sind schließlich zu der Auffassung gekommen, daß dieser erste vorsichtige Schritt getan werden sollte, uns Berliner Abgeordneten das volle Stimmrecht zu gewähren, nachdem wir nun schon fünf Jahre hier sitzen, uns, wie wir hoffen, einigermaßen bewährt haben und Bedenken aus dem Hause nicht bestehen. Wir sollten daher den Antrag, wie er hier vorliegt, zustimmen, immerhin in der Hoffnung, daß später vielleicht auch der zweite Schritt, nämlich die Angleichung Berlins an das Bundesgebiet, möglich ist. Ich bin also der Meinung, das Haus sollte diesem Antrag Drucksache 3125 heute zustimmen.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim GB/BHE.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219006400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0219006500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst, daß ich den Versuch unternehme, die Rede zu halten, von der ich glaube, daß der Herr Kollege Friedensburg sie hätte halten sollen. Der Herr Kollege Friedensburg hätte sagen können, auch er und seine Fraktion, seine Freunde, teilten den Wunsch und das Bestreben, daß die aus Berlin entsandten Bundestagsabgeordneten möglichst bald, so ehe wie möglich, hier im Deutschen Bundestage stimmberechtigt sein sollten. Und Herr Kollege Friedensburg hätte dann hinzufügen können, er könne sich aber nicht ganz der Sorge erwehren, daß von den Alliierten hiergegen Bedenken erhoben werden könnten; er wisse das nicht, ob Bedenken erhoben würden. Er hätte weiter sagen können, es würde aber sicherlich dazu beitragen, alliierte Bedenken abzuschwächen und möglicherweise zu überwinden, wenn der ganze Deutsche Bundestag einheitlich den Wunsch zum Ausdruck brächte. daß die Berliner Abgeordneten das Stimmrecht haben sollten.

(Beifall bei der SPD.)

Das hätten Sie sagen können und sollen, Herr Kollege Friedensburg. Ich habe leider vermißt, daß Sie das gesagt haben. Sie hätten dann — wenn ich mir jetzt Ihre Rede überdenke, wie Sie als Abgeordneter der größten Regierungspartei in diesem Hause eigentlich hätten sprechen müssen — hinzufügen können, Sie hätten das Vertrauen zu den Alliierten, daß sie eine ablehnende Entscheidung nicht fällen würden, ohne sich mit uns darüber zu verständigen und uns Gründe anzugeben, die auch uns einsichtig wären und von denen wir uns überzeugen dürften, daß sie im gesamtdeutschen Interesse und im Interesse des freien Westens lägen. Wenn Sie das gesagt hätten, wäre wirklich nichts dagegen einzuwenden gewesen. Das wäre eine würdige und dem deutschen Parlament zuträgliche Rede gewesen.
Was haben Sie statt dessen getan? Sie haben ein ganz merkwürdiges Wort gesagt, nämlich daß Sie das Vertrauen zu den Alliierten nicht teilen könnten. Es wäre immerhin ganz angebracht, wenn Sie diese Äußerung noch näher interpretieren wollten.
Ich darf noch auf einen Fehler hinweisen, den Sie, wie ich sagen muß, begangen haben und den ich schon andeutete, aber wiederholen muß. Die Gefahr Ihrer Ausführungen liegt darin, daß Sie ein Ausweichen der Alliierten ermöglichen mit der Begründung, die Deutschen seien ja nicht einmal untereinander einig, wie das schon so oft in der Geschichte der Fall gewesen sei.

(Beifall bei der SPD und dem GB/BHE.)

Sie haben statt dessen, was Sie hätten sagen können und müssen, hinzugefügt, es sei nicht gut, daß wir an die Alliierten heranträten in einer Sache, von der wir wüßten, daß sie es „nicht gern" tun.

(Lachen bei der SPD.)

Was verstehen Sie eigentlich unter „gern tun"? Geht es hier um „gern tun", oder geht es hier um vitale deutsche Lebensinteressen in dieser Frage?!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und dem GB/BHE.)

Sie haben statt dessen hier Ausführungen gemacht über das Wesen des Parlaments. Sie haben die der Fremdsprache nicht kundigen Mitglieder dieses Hohen Hauses darüber unterrichtet, daß „Parlament" von „sprechen" kommt, und haben gesagt, die eigentliche Tätigkeit des Abgeordneten liege ja im Reden. Damit haben Sie dem Gedanken der parlamentarischen Demokratie keinen Dienst getan, denn das Parlament ist dazu da, zu entscheiden, und nicht, zu reden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP und des GB/BHE.)

Also wozu ein solches Drumherum um das, worum es geht!
Nun darf ich Sie noch auf eines hinweisen. Sie sind ja auch in Berlin als Abgeordneter und im Senat tätig gewesen. Es dürfte Ihnen nicht unbekannt sein, daß der von Ihrer Partei mitgetragene und mitgebildete Senat des Landes Berlin in der vierten Sitzung des Abgeordnetenhauses am 3. Februar 1955 durch den Regierenden Bürgermeister eine Regierungserklärung abgegeben hat, in der es heißt, es gelte, die Stellung Berlins im Bund neu zu festigen. Es geht dann weiter:
Die neuen Vereinbarungen über die Selbständigkeit der Bundesrepublik sollten vielmehr Anlaß bieten, das Verhältnis des Bundes zu Berlin erneut zu überprüfen. Das Stimmrecht der Berliner Mitglieder des Bundestages und Bundesrates ist anzustreben.
Erst in der vorigen Woche haben Senat und Ausschuß für Bundesangelegenheiten einstimmig die Richtlinien des Regierenden Bürgermeisters


(Dr. Arndt)

vom 3. Februar 1955 bekräftigt. Sie können doch
also in Berlin wohl nicht anders reden als hier!

(Lebhafte Zurufe von der SPD: Das tun sie doch!)

Wenn aber in Berlin Ihre Stellungnahme ist, daß das Stimmrecht der Berliner Abgeordneten anzustreben sei, dann sollten Sie es auch hier vertreten.
Aber ich will mich damit gar nicht lange aufhalten. Ein letztes Wort zu dem einzigen, worüber man in dieser Frage wirklich diskutieren könnte, nämlich zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Friedensburg, man solle an der Sonderstellung Berlins nicht rütteln. Was ist darauf zu antworten?
Meine Damen und Herren! Dieser Bundestag und weitgehend auch schon der 1. Bundestag haben einen sehr wesentlichen Schritt getan, nämlich beschlossen, daß Gesetze des Bundestages in Berlin gelten, mit der Vorschaltung, daß sie vom Berliner Abgeordnetenhaus pro forma noch einmal zu bestätigen sind, aber mit der Pflicht Berlins — und gerade diese Pflicht Berlins haben Sie oft genug betont, z. B., als es um die Mieterhöhung ging —,

(Zustimmung bei der SPD)

sich von Bonn aus regieren zu lassen. Das war ja der wirkliche materielle Schritt, daß Bonn Berlin mitregiert und daß die nicht in Berlin gewählten Abgeordneten bestimmen, was in Berlin Rechtens und Gesetz sein soll. Glauben Sie doch nicht, daß sich das irgendwo in der Welt nicht herumgesprochen hätte. Das ist doch das Entscheidende, daß hier dieser Schritt getan wurde: Regierung — in einem angelsächsischen Sinne, Regierung in den wesentlichen Fragen der Gesetzgebung — ausgeklammert der Rüstungskomplex und anderes mehr
— von Bonn nach Berlin. Das hat einfach zwingend zur Folge — wenn die Berliner Abgeordneten sich nicht selber entwerten und entwürdigen wollen —, daß die Bonner Gesetzgebung für Berlin nicht geschehen kann ohne Mitbestimmung Berlins selber durch die von Berlin entsandten Abgeordneten.

(Beifall bei der SPD, beim GB/BHE und bei der FDP.)

Meine Damen und Herren, leider werden alle Reden, die hier gehalten werden, in die Annalen des Bundestages eingehen.

(Abg. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Leider!)

— Ja, leider, verehrte Frau Kollegin Dr. Lüders!
— Ich weiß nicht — oder: ich fürchte es zu wissen! —, wie man einmal, vielleicht schon in der kommenden Generation, über die Rede denken wird, die Herr Kollege Friedensburg heute hier gehalten hat. Ich glaube, es sollte alles geschehen und unser gemeinsames Bemühen sein, dazu beizutragen, dies e Rede, die Sie gehalten haben, Herr Friedensburg, aus den Annalen des Bundestages zu löschen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, beim GB/BHE und bei der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219006600
Das Wort hat der Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (CDU):
Rede ID: ID0219006700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Drucksache 3125 wirft eine Reihe schwieriger Fragen auf, zu denen die Bundesregierung sich im einzelnen in den zuständigen Ausschüssen ausführlicher äußern wird. Ich möchte jetzt nur ein Argument aufgreifen, das mir in der Rede des Herrn Kollegen Mommer aufgefallen ist. Ich weiß nicht, ob es in anderen Reden ebenfalls enthalten war. Das ist der Vergleich mit der Situation an der Saar, oder — um es genauer zu sagen — der Hinweis darauf, daß von Anfang Januar bis zum Schluß dieser Legislaturperiode das Saarland in diesem Hause nicht durch direkt gewählte Abgeordnete, sondern durch von dem Parlament des Saarlandes gewählte Vertreter vertreten sein wird.
Wir haben uns, als wir dem Hohen Haus seinerzeit eine solche Regelung vorgeschlagen haben, sehr sorgfältig überlegt, ob diese Regelung in Übereinstimmung mit Artikel 38 des Grundgesetzes stehe und vertretbar sei. Wir sind — ich glaube, auch durchaus unterstützt vom Hohen Hause — zu der Auffassung gekommen, daß ein Abweichen von dem Grundsatz der direkten Wahl für einen so kurzen Zeitraum wie den eben genannten vertretbar sei. Aber der kurze Zeitraum ist eigentlich nicht einmal unser Hauptargument gewesen; unser Hauptargument war, daß durch Artikel 23, letzter Satz, eine Regelung, wie sie für die Abgeordneten aus dem Saarland getroffen worden ist, rechtlich haltbar und zulässig sei. Ich würde dankbar sein, wenn man diesen Unterschied, den es zwischen Saarbrücken und Berlin nun einmal gibt, auch bei den künftigen Beratungen nicht aus dem Auge verlieren wollte.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219006800
Das Wort hat der Abgeordnete Friedensburg.

Dr. Ferdinand Friedensburg (CDU):
Rede ID: ID0219006900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es Herrn Abgeordneten Arndt nicht verdenken, daß er wünscht, ich sollte eine Rede halten, wie er sie mir entwirft. Vielleicht werde ich mich beim nächstenmal seines liebenswürdigen Angebotes bedienen. Sie werden aber gestatten, daß ich mir dann immer noch überlege, ob die Rede in meine Linie paßt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte zwei Punkte richtigstellen. Herr Abgeordneter Arndt hat gemeint, ich hätte nicht das Vertrauen zu den Alliierten. Ich glaube, Kollege Arndt, bei Ihrer juristischen Bildung sollten Sie sich eine solche Verdrehung wirklich nicht leisten.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Sie haben gerade in dem Antrag gesagt: Der Bundestag hat das Vertrauen, daß die Alliierten zustimmen. Ich sage: ich habe das Vertrauen nicht. Daraus können Sie doch unmöglich ohne schlechten Willen zur Verdrehung sagen, ich hätte kein Vertrauen zu den Alliierten. Das ist doch geradezu unglaublich!

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Lücke: Unerhörte Unterstellung! — Zurufe von der SPD.)

Dann haben Sie gemeint, ich müßte dafür sorgen, daß diese Rede nicht in die Annalen des Bundestages übergeht. Ich muß sagen, ich wäre gar nicht unglücklich, wenn diese Rede nach einigen Jahren gegenstandslos werden würde; denn in dem Anliegen selber sind wir uns ja einig.

(Abg. Dr. Greve: Das ist wieder etwas anderes!)



(Dr. Friedensburg)

Aber ich ziehe es als Mann von ernstem Verantwortungsgefühl entschieden vor, rechtzeitig gewarnt zu haben, als leichtfertig Konsequenzen auszulösen, die keiner von uns übersehen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Greve: Das ist Doppelzüngigkeit, Herr Friedensburg!)

Wenn es nämlich zu diesen Konsequenzen kommen sollte,

(Abg. Dr. Mommer: Welche?)

von denen niemand von Ihnen sagen kann, daß sie unmöglich sind

(Abg. Dr. Greve: Welche?)

— daß der Ostsektor der Stadt zum Teil der Zone gemacht wird und wir den freien Verkehr innerhalb Berlins verlieren, daß die Zonengrenze künftig am Brandenburger Tor verläuft; denn das ist etwas, was wir unter allen Umständen ausschließen müssen —, meine Damen und Herren, wenn das eintreten sollte, dann würde es nicht genügen, daß Sie wieder einmal flammenden Protest gegen das neue Unrecht erheben und dann den Punkt suchen, wo Sie die Bundesregierung für dieses neue nationale Unglück verantwortlich machen können, sondern dann würde es zu spät sein, und es würde schwer sein, das wiedergutzumachen. Unter diesen Umständen bin ich froh, daß ich rechtzeitig gewarnt habe.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219007000
Das Wort hat der Abgeordnete Brandt.

Willy Brandt (SPD):
Rede ID: ID0219007100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst dem Herrn Bundesinnenminister sagen, daß sicherlich Unterschiede zwischen Saarbrücken und Berlin bestehenbleiben.

(Abg. Dr. Strosche: Hat keiner geleugnet!)

Aber bisher ist unter anderem gesagt worden, nur direkt gewählte Abgeordnete könnten das Stimmrecht erhalten. Im Falle der Saar ist man zu dem Ergebnis gekommen, daß unbeschadet gewisser rechtlicher Einwände, die von verschiedenen Seiten vorgetragen worden sind, wie wir alle wissen, auch den von dort entsandten, indirekt gewählten Abgeordneten volles Stimmrecht gewährt worden ist, und zwar auch für Gesetze, die nicht an der Saar gelten. Unsere Saar-Kollegen stimmen mit über Gesetze ab, die bei uns in Berlin gelten, auch dann, wenn sie bei ihnen an der Saar nicht gelten.

(Zustimmung bei der SPD.)

Nun kann man meiner Meinung nach — ich bin kein Jurist — nicht sagen: Man kann indirekt gewählten Abgeordneten für neun Monate das Stimmrecht geben, aber man kann es ihnen nicht geben, wenn man, wie bei den Berlinern, noch nicht genau weiß, wann diese Übergangszeit zu Ende sein wird. Dies scheint mir rechtlich schwer vertretbar zu sein.

(Abg. Dr. Greve: Und unlogisch!)

Aber darüber wird sicherlich noch im Ausschuß gesprochen werden.
Ich möchte noch als Berliner Abgeordneter ein paar Worte zu den Argumenten sagen, die Herr Kollege Dr. Friedensburg hier vorgetragen hat.

(Abg. Dr. Greve: Sind das Argumente?)

Herr Kollege Dr. Friedensburg, Sie haben vorhin bei einer Zwischenbemerkung gemeint, man könne doch unmöglich etwas dagegen einzuwenden haben, daß man sich hier nach vorn bewegen und bei den namentlichen Abstimmungen die Stimmkarte in einen gesonderten Kasten legen müsse. Das ist doch nicht der Fall. Das ist vielmehr auf die Dauer ein unerträglicher Zustand. Ich für meine Person müßte es in Zukunft, wenn das Stimmrecht jetzt nicht erreicht wird, ablehnen, mich an dieser Komödie zu beteiligen,

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der Mitte: Na, na!)

die darin besteht, daß man zwar eine Stimmkarte abgibt, diese dann auch mit ausgezählt wird, dann aber wieder abgezogen wird. Wenn wie neulich bei der Rentengesetzgebung — Gesetze, die bei uns genauso gelten wie bei Ihnen — in drei Fällen die Stimmen ganz knapp aneinanderliegen, dann wird das getrennt aufgeschrieben, aber immer dann, wenn das den Ausschlag geben könnte, wird nicht mitgezählt. Das geht nicht. Dann sollten wir lieber auch diese Geste, diese Demonstration, diese wertlose Symbolik fallenlassen

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE)

und statt dessen saubere Verhältnisse schaffen und sagen: die einen stimmen, die anderen stimmen nicht.

(Abg. Dr. Mommer: Herr Friedensburg geht in Zukunft allein! — Weitere Zurufe von der SPD.)

Die Situation war vor einigen Jahren anders. Wir haben ursprünglich alle nicht damit gerechnet — darin liegt jetzt kein Vorwurf an irgend jemand —, daß die Übergangszeit so lange dauern werde. Aber sie dauert jetzt schon lange, und es ist auf die Dauer nicht erträglich, daß ein Gebiet, das zum Rechts-, Währungs- und Wirtschaftssystem des Bundes gehört, in dem die Bundesgesetze gelten, bei der Abstimmung über diese Gesetze nicht mitwirken kann. Das ist auf die Dauer ein Zustand, um dessen Beseitigung wir uns jedenfalls bemühen müssen.
Nun noch ein Wort zur Haltung der Alliierten und den möglichen Reaktionen der Sowjets. Herr Kollege Friedensburg meint, die Alliierten würden nicht gern zustimmen. Das glaube ich auch. Bei denen ist es wie bei allen, die mit solchen Dingen zu tun haben: sie halten sich zunächst einmal an das Gewohnte. Es wird nie gern gesehen, bei den Bürokratien der Alliierten ebensowenig wie bei unseren, daß Dinge geändert werden sollen. Da übernimmt der eine Berliner Referent der Alliierten das Aktenbündel von seinem Vorgänger. Das setzt sich fort, und man steigt eigentlich nie in eine 'ernste Prüfung ein, ob sich die Lage nicht geändert hat.
Was aber die Reaktion der Sowjets angeht, Herr Kollege Friedensburg, so glaube ich: die Sowjets haben Sinn für bestimmte Realitäten.

(Zurufe von der CDU/CSU: Ja, ja!)

Realität ist, daß die Bundesgesetzgebung in West-Berlin gilt. Das haben die Russen — wenn ich jetzt einmal Ihre Argumentation aufgreifen darf — hingenommen. Die Sowjets haben sich damit abgefunden, daß West-Berlin zum Währungs-, Wirtschafts- und Rechtssystem des Bundes gehört. Und jetzt soll für sie die Tatsache, daß am Zustandekommen dieser Gesetze Berliner beteiligt sind, indem sie


(Brandt [Berlin])

die Hand mit hochheben, die Veränderung des Status von Berlin bedeuten? Alle Vermutung spricht gegen diese Annahme.

(Widerspruch in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

Der Vergleich mit dem Osten ist falsch. Man kann nicht Parlament mit Nicht-Parlament vergleichen. Der Fall der Abstimmung in der Volkskammer ist noch nicht aufgetreten.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Die haben alle gemeinsam dem zugestimmt, was dort bisher vorlag, und zwar sowohl diejenigen, die aus Berlin kamen, wie die anderen. Wesentlich aber erscheint mir doch, daß Herr Kollege Dr. Friedensburg auf die frühere Stadtverwaltung von Berlin Bezug genommen hat. Wir wissen alle, daß er auch schon in früheren Jahren ernste Sorge gehabt hat und daß er — das müssen wir alle respektieren --- Warnungen gegen Dinge ausgesprochen hat, die den Schnitt Lieferziehen könnten. Aber, Kollege Friedensburg, das ändert doch nichts daran, daß wir uns trotz solcher Bedenken und Warnungen dafür entschieden haben, daß dieses Berlin nur bestehen kann, wenn es ein Teil dieser Rechtsordnung und dieses Systems ist. Daraus muß man jetzt die Konsequenz ziehen, daß es dann auch muß mitwirken können, daß wir uns jedenfalls ernsthaft bemühen müssen, durch unsere Entscheidung die Voraussetzungen zu schaffen in der Annahme, daß ein Einspruch der Allierten dagegen nicht erfolgt.
Ich kann nur dringend wünschen, daß unter Berücksichtigung der vorgetragenen Argumente die größte Fraktion dieses Hauses ihre Position bis zu den Ausschußberatungen noch einmal überprüft.

(Beifall bei der SPD, beim GB/BHE und bei der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219007200
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (CDU):
Rede ID: ID0219007300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren, ich sagte schon, ich bin durchaus der Überzeugung, daß über diese Sache noch lange in den Ausschüssen gesprochen wird und daß es ,also noch mehr Gelegenheit geben wird, die Argumente auszubreiten.
Ich nehme zum zweiten Male das Wort, weil ich doch vermeiden möchte, daß das, was hinsichtlich der Saar gilt, in irgendeiner Weise falsch aufgefaßt wird. Ich darf wiederholen, worum es sich sich dabei handelt. Wir standen am 1. Januar vor der Frage, ob wir neun Monate vor den Bundestagswahlen das Saarland zum dritten oder vierten Male innerhalb recht kurzer Zeit zu den Wahlurnen rufen wollten oder nicht. Ich selbst habe dazu geneigt, diese Frage zu bejahen, gerade im Hinblick auf Art. 38 des Grundgesetzes. Wenn wir uns schließlich mit der Zustimmung des Hohen Hauses anders entschieden haben, so war die Erwägung maßgebend, daß in demselben Gesetzesakt sowohl die diesmalige Vertretung des Saarlandes für die Übergangszeit von neun Monaten geregelt wie auch gleich die Modalitäten bestimmt wurden, zu denen die Saar mit uns wahrscheinlich im September dieses Jahres wählen wird. Wir fanden die Legitimation für ein solches Vorgehen darin, daß der Art. 23 des Grundgesetzes in seinem letzten Satz sagt, daß das Grundgesetz in anderen Teilen Deutschlands nach deren Beitritt in Kraft zu setzen ist. Wir glaubten, in diesem Gesetzgebungsakt für die Übergangszeit eine abweichende Regelung treffen zu können.
Es würde mir leid tun, wenn durch die Argumentation hin und her hier etwa die Legitimität der Stimmabgabe der Vertreter der Saar in diesem Hause in Zweifel gezogen würde.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Mommer: Von niemandem beabsichtigt!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219007400
Herr Abgeordneter Friedensburg hat das Wort.

Dr. Ferdinand Friedensburg (CDU):
Rede ID: ID0219007500
Kollege Brandt, Sie haben den Wunsch ausgesprochen, daß die größte Fraktion sich bis zur Ausschußberatung eines Besseren besinnt.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich habe von mir aus den herzlichen Wunsch, daß die zweitgrößte Fraktion bis zu dieser Ausschußberatung lernt, sachlich zu verhandeln.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von ,der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219007600
Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.
Es ist im Ältestenrat Überweisung an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen — federführend —, zugleich aber auch an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten vorgesehen. — Widerspruch erhebt sich nicht. Ich darf annehmen, daß Sie damit einverstanden sind. — Dann ist so beschlossen. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.
Nunmehr rufe ich Punkt 4 a und b der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des aa) Entwurfs eines Wehrstrafgesetzes
bb) Entwurfs eines Einführungsgesetzes zum Wehrstrafgesetz

(Drucksache 3040);


(Drucksache 3039)

Dazu gehört weiter:
c) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Fünften Strafrechtsänderungsgesetzes (Drucksache 3067).
Es ist vorgesehen, über die Punkte 4 a und b gemeinsam zu debattieren.
Das Wort zur Begründung des Wehrstrafgesetzes hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0219007700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Bundesregierung habe ich die Ehre, dem Hohen Hause die Entwürfe eines Wehrstrafgesetzes, eines Einführungsgesetzes dazu sowie eines Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes — Bundestagsdrucksachen 3039 und 3040 — vorzulegen.

(Anhaltende Unruhe.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219007800
Meine Damen und Herren, ich bitte doch, Platz zu nehmen und außerdem dem Redner Gehör zu schenken. Es ist für den Redner sehr schwierig, zu sprechen, wenn er überzeugt sein muß, daß ihm niemand zuhören will. Ich glaube, es ist ein Gebot der Höflichkeit, sich so zu verhalten, wie wir wünschen, daß, wenn wir sprechen, auch uns gegenüber gehandelt wird.

(Beifall.)


Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0219007900
Ich weiß, daß es für das Hohe Haus nach einer langen Debatte immer eine gewisse Beanspruchung ist, eine juristische Materie, deren Motive dargestellt werden müssen, noch ertragen zu müssen. Aber es ist meine Pflicht als Bundesminister der Justiz, die Motive dieses Gesetzes so darzulegen, daß sie für die Rechtsprechung und für die Praxis gebraucht werden können.
Ich tue das zugleich im Namen des Herrn Bundesministers für Verteidigung, dessen Haus an den drei Entwürfen maßgeblich beteiligt ist und den ersten Rohentwurf des Wehrstrafgesetzes erarbeitet hatte.
Die Entwürfe stehen in einem engen inneren Zusammenhang. Sie ziehen aus dem Aufbau der Bundeswehr die Konsequenzen, die sich für das Strafrecht ergeben. Jeder Staat, der Streitkräfte unterhält, braucht für sie auch Strafrecht, einmal zum Schutz gegen Angriffe von außen. Dieses Strafrecht, das sich an alle Staatsbürger wendet, finden Sie im Entwurf des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes. Zum andern ist Strafrecht aber auch zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und Disziplin erforderlich. Dieses Strafrecht, das für die Soldaten selbst gilt, finden Sie im Entwurf des Wehrstrafgesetzes.
In beiden Richtungen war das frühere deutsche Strafrecht durch die Kontrollratsgesetze Nrn. 11 und 34 aufgehoben worden. Wir müssen also neues Recht schaffen. Wir wollen und brauchen aber auch ganz unabhängig davon ein neues Recht; denn gerade das Strafrecht spiegelt wie kaum ein anderes den geistigen, ethischen und kulturellen Stand eines Volkes wider. Wir können uns daher nicht mit Lösungen aus einer versunkenen Zeit begnügen. Wir müssen ein Recht schaffen, das unserer Zeit, unserem Volk und unserem Staat entspricht. So ist vor allem der Entwurf des Wehrstrafgesetzes — auch wenn es sich durchaus nicht scheut, dort an die Tradition anzuknüpfen, wo sie uns gesund und lebendig erscheint — ein neues Werk mit einem ausgeprägten, eigenen Gesicht.
Der Entwurf ist in fünf grundsätzlichen Richtungen um eine Lösung der oft schwierigen Probleme bemüht: sie soll rechtsstaatlich und demokratisch, sie soll der Sache gemäß, maßvoll und nicht zuletzt einfach sein. Erlauben Sie mir, Ihnen an Hand dieser fünf Grundsätze einen Querschnitt durch den Entwurf zu geben.
Er will eine demokratische Lösung. Der Soldat ist ein Staatsbürger, und zwar nicht nur der einfache Soldat, sondern ebenso der Offizier. Den Pflichten der Untergebenen entsprechen Pflichten der Vorgesetzten, die der Entwurf ebenso ernst nimmt wie die Pflichten der Mannschaften. Wenn wir eine demokratische Bundeswehr aufbauen, die unter dem Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht steht, so bedeutet das nicht zuletzt, daß es für die
Vorgesetzten, denen der Wehrpflichtige anvertraut wird, keine unbegründeten Privilegien mehr geben darf. Der Entwurf hat daraus die Konsequenz gezogen, daß es für Offiziere und Mannschaften in den Strafarten keinen Unterschied mehr gibt. Früher war z. ,B. verschärfter Arrest nur gegenüber Mannschaften und den unteren Gruppen der Unteroffiziere möglich. Nach dem Entwurf kann der Arrest auch für die Offiziere verschärft werden.
Welchen Wert der Entwurf auf die gesteigerte Verantwortung des Vorgesetzten legt, sehen Sie in dem ausgedehnten Abschnitt über Straftaten gegen die Pflichten der Vorgesetzten im dritten Abschnitt des Entwurfs. Hier wird jeder schwerwiegende Mißbrauch der Vorgesetztenstellung unter Strafe gestellt, so der Mißbrauch der Befehlsbefugnis zu dienstfremden Zwecken, die Verleitung Untergebener zu Straftaten, das Unterdrücken von Beschwerden sowie Mißbräuche innerhalb der Mitwirkung an Straf- rund Disziplinarverfahren. Ich darf Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, daß der Vorgesetzte, der einen Untergebenen durch einen verbrecherischen Befehl eine Straftat ausführen läßt, nach dem Entwurf schwerer bestraft wird als ein Täter oder Anstifter nach allgemeinem Strafrecht. Abweichend vom früheren Militärstrafrecht stellt der Entwurf Offiziere und Unteroffiziere in strafrechtlicher Hinsicht den Beamten in beträchtlichem Umfang gleich, so daß eine Reihe der entsprechenden Bestimmungen des Strafgesetzbuches auf sie Anwendung findet, z. B. über Körperverletzung und Hausfriedensbruch im Amt, Aussageerpressung, Verfolgung Unschuldiger, Begünstigung im Amt und ,anderes mehr. Mit besonderem Nachdruck hat der Entwurf die Tatbestände der Mißhandlung und der entwürdigenden Behandlung von Untergebenen ausgestaltet. Seelische Mißhandlung — wenn ich es so nennen darf — kann den Untergebenen oft viel schwerer treffen als eine körperliche Mißhandlung. Darum sieht der Entwurf eine besondere Vorschrift dafür vor. Die beiden Vorschriften gehören auch zu den wenigen, in denen der Entwurf unter besonderen Voraussetzungen die Zuchthausstrafe androht. Mit diesen Beispielen habe ich nur die wichtigsten herausgegriffen, an denen sich das demokratische Prinzip zeigt. Es durchzieht darüber hinaus den gesamten Entwurf.
Das zweite tragende Prinzip, um das es geht, ist das der Rechtssicherheit und das der Rechtsklarheit. Lassen Sie mich versuchen, das an einem einzigen Komplex zu zeigen, dem unsere besondere Aufmerksamkeit gegolten hat und der von grundsätzlicher Bedeutung ist. Ich meine die Fragen, die um Befehl und Gehorsam kreisen, vor allem die Frage nach der Verantwortlichkeit des Untergebenen für einen verbrecherischen Befehl, die eine Schicksalsfrage nicht nur des Wehrstrafrechts, sondern allen Soldatentums überhaupt ist. Ich bin mir bewußt, daß es sich dabei um eine kaum lösbare Problematik handelt, die bis an die Grenze des rechtlich Faßbaren führt. Dennoch glaubten wir, im Entwurf hier eine klare Stellung beziehen und eine bis in die Einzelheiten gehende Regelung geben zu müssen. Das Hohe Haus hat hierzu bereits in § 11 des Soldatengesetzes eine Vorentscheidung von großer Tragweite gefällt. Sie zieht die Folgerungen aus den schmerzlichen Erfahrungen vor allem ,des zweiten Weltkrieges, wo noch der § 47 des alten Militärstrafgesetzbuches galt, eine Vorschrift, die es dem Untergebenen


(Bundesjustizminister Dr. von Merkatz)

weitgehend ermöglichte, hinter dem Befehl des Vorgesetzten Deckung zu finden. § 11 des Soldatengesetzes versucht demgegenüber, zwischen den Extremen des sklavischen Gehorsams und der sogenannten denkenden Bajonette eine ausgewogene Lösung zu finden, die den Untergebenen stärker in die Verantwortung stellt, ohne ihm eine Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Befehls aufzubürden.
Der Entwurf des Wehrstrafgesetzes übernimmt diese Regelung, und er ergänzt sie dahin, daß der Untergebene, sofern er für die Ausführung eines verbrecherischen Befehls strafrechtlich verantwortlich ist, milder bestraft werden kann, wenn seine Schuld wegen der besonderen Lage, in der er sich bei der Ausführung des Befehls befand, gering ist. Der Entwurf geht im Gegensatz zu ausländischen Rechten nicht so weit, den Richter zu ermächtigen, in derartigen Fällen von Strafe überhaupt abzusehen. Doch hält er die Möglichkeit einer Strafmilderung unter den genannten Voraussetzungen für angezeigt.
Leichter zu lösen war die Frage, inwieweit Ungehorsam gegen verbindliche Befehle strafbar sein und inwieweit er nur disziplinarisch verfolgt werden soll.
Probleme von großer Schwierigkeit ergaben sich aber in den Irrtumsfällen, d. h. dann, wenn der Untergebene einen unverbindlichen Befehl nicht befolgt, den er irrig für verbindlich hält, und umgekehrt, wenn er einen verbindlichen Befehl nicht befolgt, weil er ihn irrig für unverbindlich hält. Im ersten Falle schlägt der Entwurf vor, den Untergebenen straflos zu lassen. Im zweiten Falle hingegen erscheint in der Regel Strafe erforderlich. Der Soldat muß grundsätzlich gehorchen. Das ist das erste Gebot militärischer Disziplin, ohne das keine Armee zusammenzuhalten ist. Verweigert der Soldat den Gehorsam, weil er glaubt, ein Befehl sei unverbindlich, so muß das Risiko grundsätzlich zu seinen Lasten gehen. In diesem Sinne hat das Hohe Haus ebenfalls bereits eine wegweisende Vorentscheidung in § 11 des Soldatengesetzes gefällt. Eine Ausnahme ist hier allerdings notwendig: Glaubt der Soldat, er dürfe den Befehl nicht ausführen, weil dadurch ein Verbrechen oder Vergehen begangen würde, und ist ihm dieser Irrtum nicht zum Vorwurf zu machen, so muß er straflos ausgehen.
Ich bin mir bewußt, daß die gesamte Problematik von großer Tragweite ist und auch die Rechtsprechung in manchen Fällen vor schwierige Aufgaben stellen wird. Es lassen sich Beispiele denken, die von tiefer menschlicher Tragik sind. Das Bemühen des Entwurfs konnte hier nur sein, grundsätzliche Entscheidungen zu treffen so klar wie möglich, so rechtsstaatlich wie möglich. Man sollte die Problematik nicht der Rechtsprechung allein überlassen. Die inzwischen berühmt gewordene Judikatur des Bundesgerichtshofs zum Verbotsirrtum würde hier der Sachlage nicht entsprechen.
Damit komme ich zum dritten Grundsatz, von dem wir uns leiten ließen: Die Lösungen sollten der Sache gemäß sein, der besonderen Lage, in der sich der Soldat befindet und handelt. Aus dieser besonderen Lage erklärt sich auch das von mir schon gestreifte, vom allgemeinen Strafrecht abweichende Strafensystem des Entwurfs. Er sieht an Freiheitsstrafen außer Zuchthaus und Gefängnis die der früheren Festungshaft entsprechende, allerdings nur bis zum Höchstmaß von 5 Jahren reichende Einschließung und den Arrest vor, der nach dem Vorschlag des Bundesrats zur Unterscheidung vom disziplinarischen Arrest „Strafarrest" heißen soll. Im Bereich des allgemeinen Strafrechts kommt die Einschließung kaum noch vor. Im Wehrstrafrecht erscheint eine solche nicht entehrende Freiheitsstrafe unentbehrlich. Hier ist es vielfach notwendig, um der Disziplin willen Handlungen unter Strafe zu stellen, die nicht aus ehrenrührigen, ja, wie z. B. gewisse Befehlsverweigerungen, sogar aus durchaus ehrenvollen Beweggründen begangen werden können. Auch im unteren Bereich erscheint uns alter militärischer Tradition entsprechend eine Freiheitsstrafe erforderlich, der die mit dem Gefängnis verbundene Abstempelung fehlt; es soll der Arrest sein. Schon aus praktischen Gründen schlägt der Entwurf vor, bis zur Grenze von einem Monat überhaupt nur eine einzige Freiheitsstrafe, nämlich den Arrest, vorzusehen, der auch nur bis zu dieser Grenze von einem Monat geschärft werden kann.
Die Bundesregierung möchte daher dem die Dinge unnötig komplizierenden Vorschlag des Bundesrates nicht folgen, die Einschließung schon bei einem Tag beginnen zu lassen. Erst über der Grenze von einem Monat ergeben sich dann je nach den einzelnen Tatbeständen Wahlmöglichkeiten zwischen Gefängnis, Einschließung und Arrest, bei denen der Richter aber in rechtsstaatlicher Weise die Wahlregeln des § 11 des Entwurfs zu beachten hat.
Der Vielfalt an Freiheitsstrafen steht eine betonte Zurückhaltung des Entwurfs hinsichtlich anderer Strafarten gegenüber. Nach dem alten Wort: „Der Soldat hat kein Geld" soll es Geldstrafen bei den sogenannten militärischen Straftaten überhaupt nicht und bei nichtmilitärischen nur in beschränktem Umfange geben. Auch Ehrenstrafen kennt der Entwurf nicht. Sie sollen der Disziplinargerichtsbarkeit überlassen bleiben.
Schon dieses Strafensystem, das Wert auf nicht entehrende oder wenigstens nicht diskriminierende Strafen legt, zeigt Ihnen, daß der Entwurf bemüht ist, maßvoll zu sein. Er ist maßvoll in dem Bestreben, das, was nicht wirklich strafwürdig erscheint, in den Bereich des Disziplinarrechts zu verweisen. Er ist maßvoll vor allem auch in den einzelnen Strafandrohungen. Ich habe schon erwähnt, daß mit der Androhung von Zuchthaus sparsam verfahren worden ist. Außer in den schon erwähnten Fällen ist Zuchthaus gegenüber Urhebern und Rädelsführern einer Meuterei zugelassen und in besonders schweren Fällen einiger Straftaten angedroht. Bei einer Reihe von Delikten ist im Gegensatz zum früheren Militärstrafrecht Zuchthaus nicht mehr vorgesehen. Das gilt vor allem für die Fahnenflucht. Auch im übrigen sind die Strafdrohungen des Entwurfs maßvoll. Nur selten werden Mindeststrafen angedroht, die das gesetzliche Mindestmaß übersteigen. Die Strafrahmen sind rechtsstaatlichen Forderungen entsprechend möglichst eng gehalten. Vielfach wird Gefängnis nicht bis zum gesetzlichen Höchstmaß von fünf Jahren, sondern nur bis zu einer Grenze von zwei oder drei Jahren angedroht. Ganz allgemein ist versucht worden, mit verhältnismäßig wenigen Typen von Strafrahmen auszukommen.
Damit bin ich bei dem Grundsatz, um dessen Einhaltung sich der Entwurf schließlich, aber nicht zuletzt bemüht hat. Er hat versucht, einfach zu sein


(Bundesjustizminister Dr. von Merkatz)

und an Stelle früherer, oft komplizierter, unübersichtlicher Vorschriften eine klare und übersichtliche Regelung zu bringen. Daß dieser Versuch nicht ohne Erfolg geblieben ist, sehen Sie schon am Umfang des Entwurfs. Während das Militärstrafgesetzbuch von 1872 166 und das von 1940 noch 116 Paragraphen aufwies, kommt der Entwurf mit 48, zum Teil sehr kurzen Paragraphen aus, die sich knapp und durchsichtig gliedern. Ich ,darf allerdings nicht verhehlen, daß die Kürze des Entwurfs zu einem gewissen Teil eine Folge davon ist, daß er nur die für den Frieden notwendigen Bestimmungen enthält. Aber auch eine Ergänzung um die für den Verteidigungsfall erforderlichen Vorschriften, die in absehbarer Zeit vorgelegt werden können, würde den Umfang nicht wesentlich erhöhen.
Ich komme nun zu der zweiten Gesetzesvorlage. Nach dem Wehrstrafgesetz darf ich mich nunmehr dem Entwurf eines Einführungsgesetzes hierfür zuwenden. Er enthält die erforderlichen Ergänzungs-
und Überleitungsvorschriften.
Zunächst bringt er in Art. 1 eine Ergänzung des Strafgesetzbuches, indem er die durch Zivilisten begangene Verstümmelung und Wehrpflichtentziehung tatbestandlich erfaßt und unter Strafe stellt. Hierauf komme ich im Zusammenhang mit der Behandlung des Entwurfs eines Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes zurück, in den die Bestimmungen über die Verstümmelung und Wehrpflichtentziehung aufgenommen sind.
Im Mittelpunkt des Einführungsgesetzes steht eine Ergänzung des Jugendgerichtsgesetzes, die das Ergebnis eingehender Erwägungen der beteiligten Ressorts ist. Es ist zu berücksichtigen, daß die Bundeswehr zu einem großen Teil aus 20jährigen und noch jüngeren Soldaten, also aus Heranwachsenden im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes, gebildet wird. Nach § 105 des Jugendgerichtsgesetzes werden die Heranwachsenden je nach ihrer Reife und der Art der Tat entweder nach Jugendstrafrecht oder nach Erwachsenenstrafrecht behandelt. Demgegenüber erfordert das militärische Leben grundsätzlich die gleichmäßige Behandlung aller Soldaten.
Eine Lösung, die diesen beiden Gesichtspunkten für die Behandlung der straffälligen heranwachsenden Soldaten in gleicher Weise Rechnung trägt, gibt es nicht. Es kann sich also nur darum handeln, die Lösung mit den wenigsten Mängeln zu finden.
Da bietet sich zunächst der Gedanke an, den § 105 des Jugendgerichtsgesetzes für heranwachsende Soldaten auszuschließen, also diese Soldaten stets nach Erwachsenenstrafrecht zu behandeln. Die praktischen Vorzüge einer solchen Gleichstellung würden hier erkauft mit einem Verzicht auf die Erkenntnisse der Jugendpsychologie und auf die Grundsätze des modernen Jugendstrafrechts. Wir halten das nicht für tragbar.
Andererseits müssen wir anerkennen, daß die im Jugendstrafrecht vorgesehenen Erziehungsmaßregeln der Schutzaufsicht und der Fürsorgeerziehung für den Soldaten nicht passen. Gerade diese Maßregeln sind es aber vor allem, die der Ausfüllung der Lücke dienen, die im Jugendstrafrecht zwischen dem auf höchstens vier Wochen begrenzten Zuchtmittel des Jugendarrests und der auf mindestens 6 Monate bestimmten Jugendstrafe besteht. Wir müssen also diese Lücke für Soldaten auf andere Weise ausfüllen.
Nachdem wir hierfür verschiedene andere Lösungen erwogen und verworfen haben, schlagen wir als neue Erziehungsmaßregel, die der Jugendrichter anordnet, die Überweisung an eine Einheit der Bundeswehr vor. Damit sind nicht etwa besondere Erziehungseinheiten gemeint, die ausschließlich für straffällige Soldaten bestimmt sind. Schon die Fassung des Gesetzesvorschlags schließt eine Verwechslung mit Bewährungs- oder Strafeinheiten alten Stils, die es gerade nicht geben soll, aus. Die Überweisungseinheiten sollen vielmehr vorwiegend aus Soldaten, die keine Straftat begangen haben, bestehen und durch die Qualität ihrer besonders ausgewählten Offiziere und Unteroffiziere, wie es in dem Entwurf heißt, für die Durchführung der erforderlichen erzieherischen Maßnahmen besondere Gewähr bieten. Wir glauben, daß sich das schwierige Problem der Behandlung straffälliger heranwachsender Soldaten auf diese Weise sachdienlich lösen läßt.
Im übrigen bringt das Einführungsgesetz neben Anpassungsvorschriften geringeren Gewichts noch Grundsätze für den Vollzug des Strafarrests. Hierfür wird die Zuständigkeit der Bundeswehr begründet, damit der Arrest für die militärische Erziehung und Ausbildung nutzbar gemacht werden kann. Allerdings muß die Bundeswehr erst die entsprechenden Vollzugseinrichtungen schaffen. Bis dahin bewendet es bei der Zuständigkeit der allgemeinen Vollzugsbehörden.
Gestatten Sie mir nun, daß ich zu dem letzten der drei Gesetzentwürfe, zu dem Entwurf eines Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes übergehe. Während ich mich bisher mit dem Strafrecht der Soldaten zu befassen hatte, bringt dieser Entwurf, wie ich am Anfang meiner Ausführungen bereits angedeutet habe, die erforderlichen Ergänzungen im zivilen Bereich. Er verfolgt den Zweck, den allgemeinen strafrechtlichen Schutz der deutschen Landesverteidigung und der Bundeswehr wiederherzustellen, der als Folge des Zusammenbruchs gegenstandslos geworden war. Darüber hinaus soll der Entwurf zugleich den auf deutschem Boden stehenden Truppen der Vertragsstaaten des Nordatlantikpaktes einen angemessenen Strafschutz gewähren, der bisher durch wesentlich strengere Vorschriften in dem sogenannten Anhang A zum Truppenvertrag geregelt ist.
Der noch von meinem Amtsvorgänger, Herrn Minister Neumayer, vorgelegte Entwurf hat zu lebhaften Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt. In der Presse sind harte Worte wie „Maulkorbgesetz" und „Wehrkraftzersetzung unseligen Angedenkens" gefallen. Schaut man aber näher zu, so zeigt sich, daß sich die ganze Pressekampagne im wesentlichen gegen drei Vorschriften des Entwurfs richtet, die sowohl nach ihrem sachlichen Gehalt wie auch nach ihrer politischen Bedeutung nur einen verhältnismäßig geringfügigen Teil der Vorlage ausmachen. Sieht der unvoreingenommene Beurteiler von diesen Bestimmungen, zu denen ich noch gesondert Stellung nehmen werde, zunächst einmal ab, so wird er zugeben müssen, daß sich die Bundesregierung auch im Bereich des allgemeinen strafrechtlichen Schutzes der Bundeswehr größte Zurückhaltung auferlegt hat. Sie hat auch hier die Grundsätze verwirklicht, die ich im Zusammenhang mit dem Entwurf zum Wehrstrafgesetz vorzutragen die Ehre hatte. Es handelt sich im wesentlichen um die Wiederherstellung traditionellen deutschen Strafrechts zum


(Bundesjustizminister Dr. von Merkatz)

Schutz der Landesverteidigung, dessen kriminalpolitische Notwendigkeit von keinem einsichtigen Staatsbürger in Zweifel gezogen werden kann. Es darf nur an die Tatbestände der Verleitung zum Ungehorsam und zur Fahnenflucht, der Selbstverstümmelung, der Wehrdienstentziehung durch Täuschung, der Sabotage und des Photographierens von bedeutsamen militärischen Einrichtungen erinnert werden, die durchweg schärfer herausgearbeitet und mit maßvollen Strafdrohungen versehen worden sind. Vor allem aber möchte ich darauf aufmerksam machen, daß auch auf manchen ehrwürdigen Tatbestand des früheren deutschen Strafrechts verzichtet worden ist, weil ein zwingendes Bedürfnis, ihn auch zum Schutze der Bundeswehr vorzusehen, nicht anzuerkennen war.
Auch der zweite wichtige Komplex des Gesetzentwurfs, der sich mit dem Schutz der Vertragsstaaten des Nordatlantikpakts befaßt, ist durch das Bestreben gekennzeichnet, kein lückenloses Netz von Strafvorschriften aufzubauen. Allerdings muß hier berücksichtigt werden, daß nach geltendem Recht die militärischen Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens, Frankreichs und anderer Entsendestaaten auf deutschem Boden durch eine völkerrechtliche Vereinbarung, den Anhang A zum Truppenvertrag, einen weitreichenden strafrechtlichen Schutz genießen. Die Ablösung dieser zwischenstaatlichen Regelung, die der Verfügung des deutschen Gesetzgebers entzogen ist, durch innerstaatliches Strafrecht erscheint dringend wünschenswert. Eine Möglichkeit dazu ist durch die zur Zeit schwebenden Verhandlungen in der Bonner Truppenvertragskonferenz gegeben. Leider bin ich aus Zeitgründen nicht in der Lage, dem Hohen Hause die politischen und rechtlichen Voraussetzungen im einzelnen darzulegen, unter denen eine solche Ablösung vollzogen werden kann. Darüber wird in den Ausschüssen noch ausführlich zu sprechen sein.
Jedoch werden Sie Verständnis dafür haben, daß die Verhandlungen mit den beteiligten Mächten nur dann Aussicht auf Erfolg versprechen, wenn von deutscher Seite ein angemessener strafrechtlicher Schutz der im Bundesgebiet stationierten Truppen angeboten und gewährleistet wird. Der Entwurf folgt deshalb dem allgemeinen Grundsatz, daß den Truppen der Entsendestaaten im wesentlichen der gleiche Strafschutz gewährt werden soll, der für die deutsche Landesverteidigung und die Bundeswehr vorgesehen ist. Diese Gleichstellung ist auch aus außenpolitischen Gründen unerläßlich. Sie entspricht auch den eigenen Interessen der Bundesrepublik am besten und ermöglicht es vor allem, ein nach einheitlichen Grundsätzen aufgebautes Gesetzgebungswerk zu schaffen, das keinen unbegründeten Unterschied im Strafschutz der Streitkräfte verschiedener Herkunft macht, die durch die Aufgabe der gemeinsamen Verteidigung des Westens auf deutschem Boden verbunden sind.
Obwohl ich bisher nur die allgemeinen Grundlinien der drei Gesetzentwürfe dargestellt und mich einer Behandlung von Einzelfragen bewußt enthalten habe, möchte ich für den Entwurf des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes eine Ausnahme machen. Das Hohe Haus wird mit Recht von mir erwarten, daß ich wenigstens auf die §§ 91, 96 und 109 b des Entwurfs näher eingehe, die zu den erwähnten schweren Angriffen in der Öffentlichkeit geführt haben. Einige Kritiker des Entwurfs haben es für richtig gehalten, gegen über diesen Vorschriften des aus der Zeit des nationalsozialistischen Regimes stammende Schlagwort „Wehrkraftzersetzung" zu bemühen. Damit wurde damals der berüchtigte § 5 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung bezeichnet, der u. a. denjenigen mit Todesstrafe oder schwerster Freiheitsstrafe bedrohte, der öffentlich den Willen des deutschen Volkes oder eines verbündeten Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung zu lähmen oder zu zersetzen suchte. Mit Hilfe einer willfährigen Rechtsprechung ist diese Generalklausel zu einer brutalen Waffe gegen jede Meinungsäußerung gemacht worden, die dem Interesse der damals in Partei und Staat herrschenden Kreise zuwiderlief.
Ich möchte von vornherein betonen, daß der Inhalt des Gesetzentwurfs mit diesem Begriff der Wehrkraftzersetzung nicht das geringste gemein hat und es tief bedauerlich ist, daß dieser Begriff auch von verantwortlichen Politikern als ein billiges Schlagwort wieder ausgegraben worden ist. Bitte, vergegenwärtigen wir uns doch, worum es in den drei Vorschriften wirklich geht.
§ 91 des Strafgesetzbuches befaßt sich mit der Untergrabung der Dienstbereitschaft von bestimmten Pflichtträgern des Staates. Die Vorschrift ist durch das erste Strafrechtsänderungsgesetz im Jahre 1951 dem Strafgesetzbuch eingefügt worden. Ihre Fassung ist in den ersten Beratungen des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht entstanden. Sie war damals in keinem Zeitpunkt Gegenstand irgendeiner politischen Auseinandersetzung. Von den Abgeordneten aller staatstragenden Parteien ist ihre Notwendigkeit in den Ausschußberatungen ausdrücklich anerkannt worden.
Nun machen Sie sich bitte eines klar: Diese Vorschrift schützt die Angehörigen der Bundeswehr schon heute gegen Angriffe auf ihre pflichtgemäße Bereitschaft zum Dienst für die Landesverteidigung. Irgendein sachliches Bedürfnis, ihre Anwendbarkeit zugunsten der Bundeswehr erst zu begründen, bestand also nicht. Wenn die Bundesregierung in dem Entwurf gleichwohl eine Fassungsänderung vorschlägt, so geht es ihr nur darum, dem Staatsbürger die Tragweite der Vorschrift, insbesondere ihre Anwendbarkeit auch auf Angriffe gegen die Bundeswehr, deutlicher zu machen. Der Staatsbürger soll nicht gezwungen sein, aus dem Begriff des öffentlichen Sicherheitsorgans darauf zu schließen, daß damit auch die Bundeswehr gemeint ist. Irgendeine ins Gewicht fallende sachliche Änderung der Rechtslage wird also durch die Neufassung überhaupt nicht bewirkt.
Auch die Behauptung, § 91 in der Fassung des Entwurfs beeinträchtige das Recht der Kriegsdienstverweigerung, ist nicht stichhaltig. Mit Strafe bedroht wird nur der Angriff auf die pflichtgemäße — ich unterstreiche: pflichtgemäße — Bereitschaft zum Dienst für die Landesverteidigung. Durch den ausdrücklichen Hinweis auf die Pflichtgemäßheit dürfte rechtlich völlig klar sein, daß eine Einwirkung auf Soldaten mit dem Ziel, sie zu der verfassungsrechtlich vorgesehenen Kriegsdienstverweigerung zu veranlassen, nicht rechtswidrig ist; denn die pflichtgemäße Bereitschaft des Soldaten hat ihre Grenze an seinem Recht der Kriegsdienstverweigerung, auf das er sich jederzeit, ohne Rücksicht darauf, daß er Soldat ist, berufen darf. Sollte jemand glauben, daß dieses juristisch unbestreitbare Ergebnis durch den Wortlaut des Entwurfs nicht völlig sichergestellt sei,


(Bundesjustizminister Dr. von Merkatz)

so hat die Bundesregierung gegen eine weitere Verdeutlichung der Gesetzesfassung keine Einwendungen.
Die gegen § 109 b des Entwurfs erhobenen Bedenken beruhen auf der unzutreffenden Vorstellung, daß der Tatbestand eine Einschränkung des Rechts der freien Meinungsäußerung anstrebe. Das wird vor allem deutlich aus den Beispielen, die als Anwendungsfälle dieses sogenannten „Maulkorbgesetzes" aufgeführt worden sind. Ich darf hier aber mit allem Nachdruck feststellen, daß kein einziges der Beispiele, die in den mir vorgelegten Presseberichten näher behandelt worden sind, überhaupt von der Vorschrift erfaßt wird. Bewußt oder unbewußt ist in der Kritik übersehen worden, daß sich diese Vorschrift nur auf unwahre oder gröblich entstellte Behauptungen über Tatsachen — ich unterstreiche: Tatsachen — bezieht, also auf einen Bereich, in dem nicht Werturteile oder Meinungen geäußert werden, sondern in dem die Wahrheit gesagt oder gelogen wird.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß unter den heutigen politischen Verhältnissen eine Strafvorschrift unentbehrlich ist, die lügnerischer Propaganda gegen die Bemühungen um eine wirksame Landesverteidigung entgegentritt. Noch nie in der Vergangenheit haben in solchem Umfang, wie das heute der Fall ist, planmäßig aufgebaute und vom Ausland gesteuerte Organisationen eine Agententätigkeit entfaltet, die vor allem zwei Aufgaben zu erfüllen hat: die Beschaffung von Nachrichten sowie die geistige und materielle Schwächung.
Ich darf nur an den Fall erinnern, den die Presse in den letzten Wochen ausführlich behandelt hat: die Versendung von gefälschten Freistellungsbescheiden an junge Wehrpflichtige im ganzen Bundesgebiet. Dieser offensichtlich von Stellen außerhalb der Bundesrepublik gesteuerte Vorgang wäre ein typischer Anwendungsfall der neuen Vorschrift. Daß er außerdem unter dem Gesichtspunkt der Urkundenfälschung erfaßt werden kann, ist ein reiner Zufall, der bei den bisher bekannten Methoden geistiger Sabotage in der Regel nicht zutrifft.
Dieser unbestreitbaren Tatsache der Bedrohung von außen her hat sich der Bundestag schon einmal anläßlich der Arbeiten an dem Entwurf zum Ersten Strafrechtsänderungsgesetz gegenübergesehen und in einer eindrucksvollen Einmütigkeit die erforderlichen Konsequenzen gezogen. Bitte wenden Sie nicht ein, daß sich die Verhältnisse seit dem Inkrafttreten der Staatsschutznovelle grundlegend geändert hätten. Die weltpolitischen Ereignisse des vergangenen Jahres dürften auch dem letzten Zweifler klargemacht haben, daß jedenfalls zur Zeit kein Anhaltspunkt für die Annahme besteht, die dem Aufbau der Landesverteidigung von außen drohenden Gefahren seien nun nicht mehr ernst zu nehmen.
Wenn Sie einmal dem § 100 d Abs. 3 des Strafgesetzbuchs, der durch das Erste Strafrechtsänderungsgesetz — ebenfalls mit Zustimmung aller staatstragenden Parteien — eingeführt worden ist, den neuen Tatbestand gegenüberstellen, werden Sie einräumen müssen, daß die sachliche Struktur beider Bestimmungen völlig übereinstimmt und daß die gegen den Entwurf vorgebrachten Bedenken in gleicher Weise auch für den bereits in Kraft befindlichen Tatbestand gelten. § 109 b ist deshalb nichts als eine konsequente Fortsetzung der vom 1. Deutschen Bundestag eingeschlagenen Linie des Staatsschutzes. Wenn von ihr abgewichen werden soll, bedarf es zunächst des Nachweises, daß die dem Staat von außen drohenden Gefahren kleiner geworden oder gar beseitigt sind. Die allgemeine Lage in der Welt scheint mir das Gegenteil zu beweisen.
Was schließlich den § 96 des Entwurfs betrifft, wird aus den soeben dargelegten Gründen mit schweren beleidigenden Angriffen auf die Bundeswehr zu rechnen sein, die möglicherweise den Aufbau einer wirksamen Landesverteidigung erschweren. Gerade die Beschimpfung und das böswillige Verächtlichmachen der Streitkräfte sind ein erprobtes und auch wirksames Mittel der Schwächung, das von verfassungsfeindlichen Organisationen und Einrichtungen in den meisten Ländern des Westens planmäßig eingesetzt wird. Es wäre ein bedenkliches Versäumnis, wenn der Staat seine Truppe gegenüber solchen, in der Regel zentral gesteuerten Methoden schutzlos stellen würde.
Das vom Bundesrat erhobene Bedenken, der besondere Ehrenschutz des § 96 bedeute eine Privilegierung einer einzelnen Institution der Exekutive, trifft wohl nur bei formaler Beurteilung der Rechtslage zu. Die Bundeswehr ist in erster Linie nicht ein Instrument der vollziehenden Gewalt, sondern eine Einrichtung des gesamten deutschen Volkes, an der jeder wehrpflichtige Mann durch Ableistung seines Wehrdienstes unmittelbaren Anteil hat.
Ich komme damit zum Schluß. Ich will nicht verschweigen, daß die beiden letzten Vorschriften, die §§ 96 und 109 b des Entwurfs, eine schwerwiegende rechtliche und politische Problematik in sich schließen. Sie sind grundsätzlich sowohl vom Standpunkt des einzelnen Staatsbürgers wie auch der Allgemeinheit unerwünscht, weil mit ihnen eine Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit aller unvermeidlich verbunden ist. Wenn man aber an eine sachentsprechende Regelung des strafrechtlichen Staatsschutzes herangeht, kommt es immer auf eine sorgfältige Abwägung der dem Staat drohenden Gefahr seiner gewaltsamen oder gewaltlosen Zerstörung auf der einen und der drohenden Einbuße für verzichtbare Freiheiten seiner Bürger auf der anderen Seite an. Auch die Demokratien können es sich in dieser Zeit des noch immer fortdauernden kalten Krieges nicht leisten, auf jeglichen Staatsschutz zu verzichten, um das Versäumnis vielleicht später mit dem vollen Verlust der Freiheit zu bezahlen.
Die Bundesregierung hat sich für verpflichtet gehalten, dem Hohen Hause einzelne Vorschriften zur Bekämpfung der geistigen Unterhöhlung der Bundeswehr zu unterbreiten. Sie hat damit ein Problem in die Diskussion gebracht, das die meisten Staaten des Westens stark beschäftigt und dessen richtige Lösung — nicht nur im strafrechtlichen, sondern vor allem auch im politischen Bereich — von erheblicher Bedeutung für den Fortbestand der Demokratie überhaupt werden kann. Es wird der Beratung in den Ausschüssen vorbehalten sein, durch sorgsame Abwägung alles Für und Wider die Lösung zu finden, die den besten Ausgleich der widerstreitenden Interessen bietet. Über einen Punkt möchte ich allerdings keinen Zweifel lassen: Wenn es dem Entwurf darum ginge, der die Grundsätze der Demokratie bejahenden


(Bundesjustizminister Dr. von Merkatz)

Presse einen Maulkorb umzuhängen, hätte er im Justizressort des Bundes keinen Fürsprecher und Förderer gefunden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219008000
Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich persönlich meinem lebhaften Bedauern Ausdruck geben, daß so ausgezeichnete, auch in ihrem inneren Gehalt ausgezeichnete Reden — ich spreche von der Rede des Herrn Ministers, aber ich glaube, ich kann das auch auf die Reden beziehen, die noch kommen werden —, vor so leerem Hause und in so später Abendstunde stattfinden.
Um Ihnen, bevor ich Frau Kollegin Schwarzhaupt das Wort zur Begründung des Entwurfs eines Fünften Strafrechtsänderungsgesetzes erteile, eine vorläufige Übersicht zu geben: Für die Debatte liegen schon Wortmeldungen mit einer angekündigten Rededauer von insgesamt mindestens fünfviertel bis eindreiviertel Stunden vor.
Dass Wort hat die Frau Abgeordnete Schwarzhaupt.
Frau Dr. Schwarzhaupt (CDU/CSU), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf, den die Fraktion der CDU/CSU vorlegt, verfolgt Gedanken, die schon in dem Entwurf zu einem Ersten Strafrechtsänderungsgesetz von 1950 enthalten waren. Es handelt sich um den strafrechtlichen Schutz des öffentlichen Friedens, der über den § 130 des Strafgesetzbuches hinaus erweitert werden soll.
Der § 130 in seiner jetzigen Fassung stellt die Aufreizung zum Klassenhaß, zur Auseinandersetzung der Klassen unter Gewaltanwendung unter Strafe. Die Erweiterung, die hier vorgesehen ist, geht in doppelter Richtung. Es genügt nicht mehr, daß nur das Gegeneinanderhetzen der Klassen in unserem Volke unter Strafe gestellt wird; die Bestimmung muß auch auf andere Volksgruppen ausgedehnt werden. Zweitens genügt es nicht, nur die Aufreizung zur Gewaltanwendung unter Strafe zu stellen; denn in unserem demokratischen Leben hat sich die Lüge, die Entstellung von Tatsachen, die Beschimpfung und die Hetze ,als ebensoschwere Gefahr für den inneren Frieden erwiesen. Wir alle stehen noch unter dem Eindruck der Erfahrung, wie verhängnisvoll die Aufreizung zum Haß gegen die Mitbürger jüdischer Herkunft war, — die demagogischen Lügen über das jüdische Volk, die ganze Hetze, die zu einer Haltung führte, die Dinge möglich machte, die nachher das Licht der Öffentlichkeit scheuten. Das alles wird sich so nicht wiederholen. Aber unser Volk hat die Vergangenheit der letzten 20 Jahre noch nicht wirklich von innen hier bewältigt. Das gilt von den Erfahrungen der Zeit des Nationalsozialismus; es gilt aber auch von der Nachkriegszeit, von der Erfahrung des Unrechts, das da geschehen ist.
Wären wir schon ganz damit fertig geworden, dann wären diese Strafbestimmungen vielleicht nicht nötig. Ich bin fest davon überzeugt, daß die eigentliche innere Bewältigung der unseligen Epoche des Nationalsozialismus und ebenfalls der durch neue unselige Erfahrungen gekennzeichneten Nachkriegszeit woanders vor sich geht als vor dem Strafgericht. Sie geht vor sich in der Erziehung der Lehrer und der Schüler, in Lehrerseminaren, Schulen und Universitäten, in den Verbänden, die sich mit der Volksbildung und der Meinungsbildung befassen, und sie geht nicht zuletzt in den Familien vor. Aber Aufgabe des Staates ist es, das öffentliche Leben von Hetze und von Entgleisungen frei zu halten. Aufgabe des Staates ist es, darauf hinzuwirken, daß das öffentliche Leben ein Bild von der Haltung der überwiegenden und verantwortlichen Kreise unseres Volkes gibt, die sich um eine Überwindung der Vergangenheit bemühen. Deshalb ist heute ein doppelter Schutz nötig, ein erweiterter Schutz. Über den § 130 hinaus sollen Gruppen geschützt werden, die durch Abstammung, Herkunft und Glauben verbunden sind. Das sind nicht nur die Juden. Es sind auch deutsche Volksgruppen. Es sind die Flüchtlinge; es sind die Konfessionen. Nicht geschützt werden politische Gruppen, Parteien, da die politische Auseinandersetzung nicht durch diesen Sonderschutz eingeschränkt werden soll. In allen Fällen ist die Volksverhetzung nur strafbar, wenn sie so grob ist, daß der innere Frieden gefährdet wird.
Zwei weitere Bestimmungen, § 130 a und § 189 Abs. 3, gelten ,dem Schutz derjenigen Persönlichkeiten, die 'es auf sich genommen haben, getreu ihrer inneren Überzeugung und unter einem großen Einsatz von Stellung, Gesundheit und Leben gegen den nationalsozialistischen Staat aufzustehen. Wir können es nicht dulden, daß einzelne — und seilen sie ,an Zahl auch noch so gering — die Erinnerung an diese Menschen in der Öffentlichkeit beschmutzen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Diese Vorschrift war schon in dem Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes von 1950 enthalten. Damals bezog sie sich nur auf die Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus. Wir meinen, daß man sie auf alle Widerstandskämpfer erstrecken soll, die sich gegen eine Gewaltherrschaft und Willkürherrschaft aufgelehnt haben. Von dem gleichen Grundgedanken, daß hier eine besondere Achtung und ein besonderer Ehrenschutz 'erforderlich ist, ist die Änderung des § 189 geleitet. Hier handelt es sich um die Verstorbenen, um diejenigen, die wegen ihrer Abstammung, ihres Glaubens oder wegen ihres Widerstandes ihr Leben verloren haben.
Bei der heutigen ersten Lesung geht es nur darum, diesen Entwurf ,an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Ob die eine oder andere Formulierung dieses Vorschlags enger, weiter oder anders zu fassen ist, wird die Einzelberatung im Ausschuß ergeben. Was wir heute von dem Hohen Hause erbitten, ist nur die Zustimmung dazu, daß die Grundgedanken dieses Entwurfs weiterverfolgt werden, indem er zur Grundlage der Ausschußberatung gemacht wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219008100
Meine Damen und Herren, ich glaube, der Augenblick ist gekommen, uns darüber schlüssig zu werden, wie wir weiter verhandeln. Das wird eine Art Quadratur des Zirkels sein; denn erstens müssen wir mit unserer Arbeit fertig werden, zweitens haben wir auf die Arbeitnehmer in diesem Hause eine gewisse Rücksicht zu nehmen, und drittens darf ich auch an uns denken. Wenn wir morgen und übermorgen arbeitsfähig sein wollen, können wir heute nicht endlos tagen.
Die Rednerliste, die bis jetzt vorliegt, weist fünf Redner auf, die nach ihren Angaben gut zwei Stunden sprechen werden. Soeben ist noch eine Meldung ohne Zeitangabe gekommen, und es werden


(Vizepräsident Dr. Becker)

noch einige Meldungen hinzukommen. Das würde also bedeuten, daß wir um 22.30 Uhr mit dieser Debatte fertig werden. Es wäre sehr schade, wenn Reden von Gehalt — und ich bin überzeugt, daß Reden von Gehalt kommen werden — in dieser vorgerückten Stunde vor so leerem Hause gehalten würden.
Ich bitte zu überlegen, ob es nicht richtiger ist, daß wir, nachdem wir die Begründungen gehört haben, die Debatte und die Abstimmung — es handelt sich nur um die Verweisung an die Ausschüsse
— auf morgen verlegen, und zwar als zweiten Punkt der Tagesordnung, also nach der Fragestunde, und daß wir jetzt, um die Zeit, die uns noch verblieben ist, auszunutzen, alles erledigen, was sonst noch auf der Tagesordnung steht, also bis Punkt 28. Dafür ist schließlich keine große Aufmerksamkeit mehr nötig. Wir hätten dann morgen nur noch zwei oder drei große Posten, Personenstandsgesetz usw., zu erledigen. Ich bitte, sich darüber schlüssig zu werden. Unter Rücksichtnahme auf die Arbeitnehmer dieses Hauses und auch Rücksichtnahme auf uns selbst werde ich die Debatte zum gegebenen Zeitpunkt abbrechen. Ich bitte, sich zu äußern.

(Abg. Wittrock: Ist es vielleicht möglich, das Wehrstrafgesetz heute noch zu erledigen?)

— Ja, wenn sich die Debatte auf das Wehrstrafgesetz beschränkt, können wir diesen Gesetzentwurf noch an den Ausschuß überweisen. Darf ich fragen, welche Redner nur zum Punkt 4 a — Wehrstrafgesetz — zu sprechen wünschen? — Herr Wittrock, Herr Bucher, Herr Haasler. Herr Arndt?

(Abg. Dr. Arndt: Nein, nur zum Vierten Strafrechtsänderungsgesetz!)

Und Herr Platner?

(Abg. Schneider [Bremerhaven] : Zum Fünften Strafrechtsänderungsgesetz!)

Dann darf ich vorschlagen, daß wir jetzt nur über den Punkt 4 .a - Wehrstrafgesetz — debattieren. Sind Sie damit einverstanden?

(Zustimmung.)

— Dann können wir wenigstens diesen Punkt erledigen: Wehrstrafgesetz. Ich eröffne die Debatte. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wittrock.

Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0219008200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, längere Ausführungen zu machen. Es ist der Wunsch der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, daß nur einige grundsätzliche Bemerkungen zu dem vorliegenden Entwurf vorgetragen werden.
Gestatten Sie mir zunächst eine positive Bernerkung. Es ist anzuerkennen, daß sich der vorliegende Entwurf in gesetzestechnischer Hinsicht .durchaus vorteilhaft von den entsprechenden Gesetzen unterscheidet, die es in der Vergangenheit in Deutschland gegeben hat. Auch bezüglich einzelner Tatbestände kann ein durchaus positives Urteil über den vorliegenden Entwurf abgegeben werden. Es ist z. B. durchaus zu begrüßen, daß nach diesem Gesetzentwurf Eingriffe in das Petitionsrecht einer strafrechtlichen Sanktion unterworfen werden sollen.
Aber es ist hier nicht meine Aufgabe, Lorbeeren zu verteilen, sondern es kommt mir nur darauf an, einige kritische Gedanken vorzubringen, die für die Ausschußberatungen vielleicht von Interesse sein können. Das Wehrstrafgesetz gehört zum Gebiet des Sonderstrafrechts. Gerade dann, wenn ein besonderes Gebiet unseres Strafrechts, hier das Wehrstrafrecht, geschaffen wird, hat der demokratische Gesetzgeber eine besondere Prüfungspflicht, und die zuständigen Ausschüsse des Bundestages müssen diese Prüfungspflicht des demokratischen Gesetzgebers ohne irgendeinen zeitlichen Druck erfüllen können. Das sei hier schon in aller Form und in aller Deutlichkeit gesagt. Bei der Wichtigkeit der Materie ist eine Beratung unter Zeitdruck nicht angebracht.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Rasner-Tempo!)

Der Gesetzentwurf will die Ahndung kriminellen Unrechts regeln und sagt nicht bloß, was als Disziplinarverstoß, sondern eben auch, was als kriminelles Unrecht anzusehen ist. Die Tatbestände müssen glasklar und übersichtlich sein und einwandfrei ausgelegt werden können. Gerade auf diesem Gebiet des Strafrechts darf es so etwas wie Gummiparagraphen nicht geben. Ich denke hier — ich darf ein Beispiel anführen — insbesondere an den § 20 des Gesetzentwurfs, nach dem eine Gehorsamsverweigerung als kriminelles Unrecht gewertet werden kann. Es heißt da, daß mit Gefängnis usw. bestraft wird, wer sich durch Wort oder Tat weigert, einen Befehl zu befolgen. Das ist eine Vorschrift, die nicht unseren Vorstellungen von der glasklaren Fassung einer strafgesetzlichen Bestimmung entspricht.
Bitte, denken Sie dabei an folgendes. Es entsteht nicht nur für den Richter die Schwierigkeit, eine solche dehnbare Vorschrift im konkreten Falle anzuwenden; auch der Truppenvorgesetzte hat sich mit diesen Bestimmungen auseinanderzusetzen. Der Disziplinarvorgesetzte ist auf Grund der Wehrdisziplinarordnung verpflichtet, Verstöße gegen ein Strafgesetz den Strafverfolgungsbehörden zur Anzeige zu bringen. Für den Truppenvorgesetzten besteht ein Verfolgungszwang. Die Truppenvorgesetzten werden in großem Umfang juristisch nicht vorgebildet sein. Gerade im Hinblick darauf ist es nach unserer Auffassung nicht möglich, den Tatbestand derartig elastisch, so gummiartig zu fassen, wie es hier bei § 20 des Entwurfs der Fall ist. Vielmehr muß er so klar sein, daß sich die Anwendbarkeit der Vorschrift zwingend ergibt.
Ich habe gesagt, daß es sich hier um Ahndung kriminellen Unrechts handelt. Im zuständigen Ausschuß, also im Rechtsausschuß, werden sich natürlich Fragen etwa nach dem Strafzweck und nach dem Strafensystem ergeben. Es wird uns auf diesem Gebiet unseres künftigen Strafrechts daran gelegen sein — ich glaube, daß wir in diesem Punkte mit den Kollegen der anderen Fraktionen übereinstimmen —, daß eine sorgsame Anpassung an Erkenntnisse erfolgt, die wir von einem modernen Strafrecht haben. Dabei wird auch zu überprüfen sein, welche besonderen Maßnahmen da eingeführt werden müssen. Ich denke hier an bestimmte Regelungen, die der Gesetzentwurf vorsieht, die aber eigentlich mehr typisch sind für das Gebiet des Disziplinarrechts. Ich halte es z. B. für durchaus problematisch, wenn in dem Gesetzentwurf als eine besondere Maßnahme des Gerichts in einem Strafprozeß die Verhängung von Strafarrest vorgesehen ist, und zwar der sogenannte geschärfte Arrest mit Kostschmälerung und dergleichen. Es heißt im Entwurf, daß Arrest bis zu einem Monat mit hartem Lager und Kostschmälerung vorgesehen werden kann, wenn das erforderlich ist, um den


(Wittrock)

Täter zur Wahrung der Disziplin zu führen. — Wir können uns schlechterdings nicht vorstellen, wieso das Höherhängen des Brotkorbs — darauf läuft es ja hier hinaus — geeignet ist, den einzelnen zur Disziplin zu bringen.

(Zustimmung bei der SPD.)

Hierbei handelt es sich also, wie gesagt, um Grundsatzfragen, die im Ausschuß durchdacht und erörtert werden müssen.
Im ganzen gesehen legen wir Wert darauf, daß dieses besondere Gebiet unseres Strafrechtes organisch in das Gesamtgebiet unseres Strafrechts eingepaßt wird. Wir werden dabei auch die Erkenntnisse über die Gestaltung eines modernen Strafrechtes zu berücksichtigen haben, wie sie sicherlich durch die Tätigkeit der großen Strafrechtskommission erarbeitet worden sind. Alles das wird eine sorgfältige Behandlung und eine Beratung insbesondere im Rechtsausschuß erforderlich machen.
Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß es um der Menschen willen, um die es hierbei geht, und um des Schutzes ihrer Rechte willen — das steht doch alles im Hintergrund — erforderlich ist, sich nicht irgendeinem Zeitdruck zu unterwerfen. Dazu ist dieses Gebiet viel zu heikel, viel zu ernst und viel zu bedeutsam.
Ein weiterer grundsätzlicher Gedanke: Die Bundeswehr ist eine der Institutionen unseres Staates, und .es stellt sich immer die Frage, wieweit einzelne Institutionen des Staates privilegiert sein, also durch das Strafgesetz besonders geschützt werden sollen. Sie wissen, das ist durchaus problematisch, und ich will die Problematik hier gar nicht weiter aufzeigen.
Es ist zuzugeben, daß es Gründe für einen beson- deren Schutz gibt; sie ergeben sich aus der inneren Ordnung der Bundeswehr, und sicherlich braucht die Bundeswehr eine innere Ordnung. Die Notwendigkeit, diese innere Ordnung der Bundeswehr zu schaffen und zu wahren, wird von niemandem bestritten, ,auch nicht von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, das sei hier in aller Form und in aller Eindeutigkeit gesagt.
Aus der inneren Ordnung und der Notwendigkeit der Erhaltung dieser inneren Ordnung sind also besondere strafrechtliche Vorschriften zum Schutz dieser inneren Ordnung erforderlich. Aber es entsteht natürlich immer das rechtspolitische Problem, wie weit man bei einer Privilegierung zu gehen hat, wie weit sie eben rechtspolitisch geboten ist. Diese Frage wird selbstverständlich auch vom Verteidigungsausschuß zu überprüfen sein; denn ob aus Gründen der inneren Ordnung Strafvorschriften nötig sind, ist in erster Linie von dem Bundestagsausschuß für Verteidigung zu überprüfen. Wir beantragen deshalb, daß der Gesetzentwurf dem Verteidigungsausschuß als mitberatendem Ausschuß überwiesen wird.
Ich möchte abschließend noch auf zwei kleine Punkte hinweisen, denen gleichwohl grundsätzliche Bedeutung zukommt und die deshalb in der ersten Beratung erwähnt werden müssen. In dem Entwurf des Einführungsgesetzes sind Vorschriften über Anwendung des Jugendstrafrechts und über den Vollzug von Arreststrafen enthalten. Da geht es um den berühmten und in der Öffentlichkeit in einem gewissen Maße umstrittenen § 112 des Jugendgerichtsgesetzes. In der Öffentlichkeit ist die Besorgnis entstanden, ob hier nicht vielleicht besondere Erziehungseinheiten — Strafbataillone,
Schleifkompanien — geschaffen werden sollen. Diese Befürchtungen sind in der Öffentlichkeit ausgesprochen worden. Der Herr Bundesminister der Justiz hat sich hier von Erwägungen, etwas Derartiges zu schaffen, ausdrücklich distanziert, und ich darf sagen, daß wir das mit Befriedigung festgestellt haben. Aber immerhin haben wir es hier mit dem Wortlaut einer Vorschrift zu tun, und ich will nicht verschweigen, daß die vorliegende Bestimmung nicht ganz zweifelsfrei ist. Der Herr Bundesminister der Justiz weiß, daß diese Bestimmung auch Anlaß zu Erörterungen im Bundesrat gewesen ist. Es wird entscheidend darauf ankommen, wie diese Einheiten, in die Jugendliche überwiesen werden können, im einzelnen aussehen.
Es ist vorgesehen, daß das Nähere über die Ausgestaltung dieser Einheiten durch eine Rechtsverordnung geregelt werden soll, die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen wird. Ich glaube, diese so wichtige Regelung sollte nicht der Rechtsverordnung überlassen bleiben, sondern das Parlament selber sollte sich das Recht vorbehalten, zu bestimmen, wie diese Einheiten im einzelnen aussehen sollen. Wir haben also Bedenken dagegen, der Bundesregierung eine derartige Ermächtigung zum Erlaß einer solchen Rechtsverordnung zu geben. Wir, das Parlament, wollen — und sollten! — von Anfang an und in jedem Stadium die Entwicklung überschauen und durch unsere Entscheidung dahingehend beeinflussen, daß sich nichts bilden kann, was irgendwie mit Strafkompanien, Bewährungsbataillonen oder Schleifeinheiten vergleichbar wäre.

(Zustimmung bei der SPD.)

Auch Art. 8 des Einführungsgesetzes — hier geht es um den Arrestvollzug — sieht vor, daß die Bundesregierung das Nähere durch Rechtsverordnung regelt. Im einzelnen wird dann noch der Rahmen für die Rechtsverordnung abgesteckt. Wir meinen, daß sich das Parlament das Entscheidungsrecht auch über die Ausgestaltung des Vollzugs einer solchen Freiheitsstrafe ausdrücklich vorbehalten sollte. Wir halten eine derartige Ermächtigung für die Bundesregierung, eine solche Rechtsverordnung zu erlassen, für problematisch. Wir werden unsere Bedenken hierzu im Ausschuß vortragen und eine entsprechende Änderung durchzusetzen versuchen.
Das sind einige der grundsätzlichen Gedanken, die wir hierzu vorzutragen haben. Bei diesen grundsätzlichen Erwägungen sind wir von dem Wunsch getragen, bei der Schaffung eines neuen Wehrstrafrechts möge das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit so weit wie möglich gewahrt werden, um damit die Rechtssicherheit für den einzelnen so weit wie möglich zu gewährleisten. Wir tun damit nur das, was ,die sozialdemokratische Bundestagsfraktion in diesem Hause immer erstrebt hat und was bei allen derartigen Gesetzen das Anliegen unserer Fraktion war: jeden Staatsbürger, also auch den Staatsbürger bei der Bundeswehr, so weit wie möglich zu schützen.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219008300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haasler zum Entwurf eines Wehrstrafgesetzes und zum Entwurf eines Einführungsgesetzes dazu.

Horst Haasler (CDU):
Rede ID: ID0219008400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem bereits mein Herr Vorredner dem Herrn Justizminister seine Anerkennung — jedenfalls weitgehend — für den vorge-


(Haasler)

A) legten Entwurf ausgesprochen hat, kann ich mich namens der Parteien der Regierungskoalition in dieser Beziehung etwas kürzer fassen. Ich möchte trotzdem betonen, daß uns der vorgelegte Entwurf in mehreren Beziehungen einen äußerst angenehmen Eindruck vermittelt hat. Er ist vielleicht angenehmer durch das, was nicht in ihm steht, als durch das, was er enthält. Gegenüber den früheren Strafbestimmungen, insbesondere dem Militärstrafgesetzbuch von 1926, ist er um mehr ,als die Hälfte kleiner. Wir finden in ihm sehr viele Straftatbestände nicht mehr, die früher sozusagen zum täglichen Brot der Militärjustiz gehörten. Ich erinnere nur an damals bestehende Bestimmungen über „Verletzung von Manneszucht", „Erregung von Mißvergnügen" und dergleichen mehr. Das aber, was der Entwurf enthält und unter Strafe stellt, ist im Sinne einer sehr modernen Handhabung des Strafrechts geregelt. Man hat die Strafandrohungen fast überall gegenüber den früheren Regelungen wesentlich herabgesetzt, allerdings auf dem Gebiet der Pflichtverletzungen bei Vorgesetzten nicht. Hier entspricht das aber durchaus der Tendenz, die wir sicher alle befolgt sehen wollen, der Tendenz, den Wehrpflichtigen zu schützen.
Eines enthält der Entwurf nicht, und das ist der Kriegsteil des Militärstrafrechts. Man hat uns versichert, daß dieser Teil in nicht allzu ferner Zeit folgen wird. Ich möchte hier ausdrücklich hervorheben, daß wir die Einlösung dieses Versprechens erwarten. Wir erkennen durchaus an, daß der Kriegsteil des Militärstrafrechts im Augenblick weder aktuell noch notwendig bei der Behandlung dieses im Hinblick auf den näherrückenden Termin der Einziehung des ersten Jahrgangs auch eiligen
B) Gesetzes ist. Wir halten aber auch den Kriegsteil des Militärstrafgesetzes nicht für einen Gegenstand, den man im Ernstfall nachher durch eine Notgesetzgebung regeln sollte. Das Parlament soll durchaus in der üblichen Form seiner Arbeit und mit der ihm eigenen Genauigkeit über die Kriegsbestimmungen zu entscheiden haben. Wir möchten in dieser Richtung, Herr Minister, nicht ad calendas graecas vertröstet werden.
Es wurde hier von meinem Herrn Vorredner angedeutet, man hätte eine organischere Einfügung gewisser Bestimmungen lieber gesehen. Ich vermag meinem Vorredner da nicht zuzustimmen. Das Gesetz ist übersichtlich, es ist auch systematisch. Ich glaube meinen Vorredner nicht etwa dahin verstehen zu müssen, ,daß er es lieber gesehen hätte, wenn wir die Bestimmungen des Wehrstrafgesetzes in das allgemeine Strafgesetzbuch eingearbeitet hätten. Das hätte nur zu einer unübersichtlicheren Regelung geführt.
Die hier vorgebrachten Beanstandungen scheinen mir in ihren Argumenten ebenfalls nicht zwingend. Wenn z. B. gegenüber dem § 20 behauptet wird, er sei zu elastisch, er sei ein Gummiparagraph, dann werden wir hoffentlich im Ausschuß die Erklärung dafür bekommen, aus welcher Tatsache heraus dieser doch an sich sehr gut lesbare und mit bekannten Begriffen arbeitende Paragraph ein Gummiparagraph sein soll. Er spricht von der Nichtbefolgung von Befehlen. Den Begriff eines Befehls werden wir als bekannt und auch als genügend umrissen voraussetzen dürfen. Ich finde im Gegenteil, daß gerade dieser Paragraph sich durch Einfachheit und Klarheit auszeichnet und für die militärische Handhabung geeigneter ist als mancher der anderen komplizierten.
Weiter sind zwei Probleme angesprochen worden, die es sicherlich wert sind, neben anderen im Ausschuß ausführlich behandelt zu werden. Ich denke dabei an den geschärften Arrest, der nach § 9 Abs. 3 zulässig sein soll, bei dem es sehr viele Gründe für und gegen gibt und über dessen Notwendigkeit wahrscheinlich auch in den einzelnen Fraktionen dieses Hauses verschiedene Ansichten verbreitet sind. Lassen wir uns in den folgenden Ausschußberatungen gerade über diesen Punkt das Für und Wider genau vortragen. Wir sollten dann zu einer Regelung kommen, die schließlich — und das ist gerade bei dem vorliegenden Gesetz zu hoffen — auch die Opposition befriedigen wird.
Es wurde hier schließlich die Befürchtung ausgesprochen, man könne auf dem Umweg über den § 112 a des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Entwurfs eines Einführungsgesetzes zu etwas Ähnlichem wie einem Aufleben von Strafkompanien für Jugendliche, die irgendwelche Verfehlungen begangen hätten, kommen. Der Herr Justizminister hat bereits sehr deutlich erklärt, daß das nicht beabsichtigt sei, sondern daß man im Gegenteil Jugendliche, die bei der Ableistung ihres Wehrdienstes oder kurz vor Antritt ihres Wehrdienstes straffällig wurden und vorher nicht abgeurteilt sind, in besonders für ihre Erziehung — nicht etwa ihre Bestrafung — geeignete Einheiten eingliedern will, die man mit sorgfältig ausgewählten Erziehern im Offiziers- und Unteroffiziersstab auszurüsten gedenkt.
Es wurde geltend gemacht, das sollte man nicht einer Rechtsverordnung überlassen, sondern vielleicht in irgendeiner Form in das Gesetz bringen. Ich möchte mich diesem Anliegen weitgehend anschließen. Es soll auch nicht entfernt der Verdacht erweckt werden, daß hier etwas anderes eingeführt werden soll, als in Wirklichkeit angestrebt wird.
Wir haben noch manche Anliegen bezüglich des vorgelegten Entwurfs. Aber es ist wohl heute erbend in der ersten Lesung noch nicht der richtige Zeitpunkt, diese Anliegen genauer zu schildern und Bedenken, die hier und dort durchaus noch bestehen, breit vorzutragen. Wir werden bei dem allseitigen Willen zur Zusammenarbeit in den Ausschüssen zweifellos die heute noch fehlenden letzten Aufschlüsse erlangen. Hoffen wir, daß wir mit dem Wehrstrafgesetz, für das der vorgelegte Entwurf sehr weitgehend eine brauchbare Grundlage ist, etwas schaffen, was uns letzten Endes alle befriedigt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219008500
Wird zu dem Punkt 4 a — Wehrstrafgesetz — noch das Wort gewünscht? — Darf ich bitten, zu der Frage Stellung zu nehmen, welcher Ausschuß der federführende Ausschuß sein soll. Der Herr Kollege Wittrock hat beantragt, die Vorlage an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Verteidigung zur Mitberatung zu überweisen. Sind die Damen und Herren damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; dann darf ich annehmen, daß so beschlossen ist. Die Debatte über das Wehrstrafgesetz und das Einführungsgesetz ist geschlossen. Beide Vorlagen sind hiermit an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht — federführend — und an den Ausschuß für Verteidigung — mitberatend — überwiesen.
Die weitere Debatte zu Punkt 4 der Tagesordnung wird abgebrochen und auf morgen verscho-


(Vizepräsident Dr. Becker)

ben. Die Rednerliste — bisher liegen Wortmeldungen der Kollegen Bucher, Arndt, Haasler und Platner vor — bleibt bestehen.
Damit sind wir aber heute noch nicht fertig, sondern nunmehr bitte ich, die Tagesordnung zur Hand zu nehmen. Jetzt fangen wir bei Punkt 15 an.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten (Drucksache 3108).
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Wird ,das Wort gewünscht? — Ich sehe keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache. Es ist beantragt, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens zu überweisen. — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung des Berufs der medizinisch-technischen Assistentin (Drucksache 3106).
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe ,die Aussprache. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens beantragt. — Widerspruch höre ich nicht; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP und dem Abgeordneten Stegner eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Artikel 74 und 75 des Grundgesetzes (Drucksache 3158).
Das Wort zur Begründung wird anscheinend nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. —Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht — federführend — und an den Sonderausschuß für Wasser beantragt. — Widerspruch höre ich nicht; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (GAL) (Drucksache 3118).
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantragt. — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Artikels 87 des Grundgesetzes (Drucksache 2955).
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die
Aussprache. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht — federführend — und an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen zur Mitberatung beantragt.
— Widerspruch erhebt sich nicht; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Beisitzer bei den Gerichten (Drucksache 3099).
Das Wort zur Begründung ist nicht verlangt. Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beantragt. — Widerspruch höre ich nicht; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung Ides von den Abgeordneten Matthes, Richarts, Kriedemann, Mauk, Elsner, Dr. Preiß und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes (Drucksache 3114).
Das Wort zur Begründung ist nicht verlangt. Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen — federführend —, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — beantragt. — Widerspruch höre ich nicht; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 24 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts*) des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (26. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Neufassung der siedlungsrechtlichen Begriffsbestimmungen und Vereinfachung der Siedlungsfinanzierung (Drucksachen 3096, 2053).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Knobloch. Wünscht der Herr Berichterstatter ,das Wort?
— Das ist nicht der Fall.
Der Antrag lautet:
Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht,
1. darauf hinzuwirken, daß die Länder bei der Auslegung des Begriffs der Siedlung im Sinne des Reichssiedlungsgesetzes sich in den Grundsätzen aufeinander abstimmen,
— frommer Wunsch! — (Heiterkeit)

2. dem Bundestag Vorschläge zur Vereinfachung der Siedlungsfinanzierung zu unterbreiten.
Ich eröffne die Debatte. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; ich schließe die Debatte. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! -- Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen. Auch Punkt 24 ist damit erledigt.
Ich rufe auf Punkt 25 der Tagesordnung:
Beratung der Übersicht des Ausschusses für

(16. Aus*)



(Vizepräsident Dr. Becker)

schuß) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 3089).
Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen,
von einer Äußerung zu den nachstehend aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen.
Ich eröffne die Debatte - Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Debatte. Wer diesem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Wir kommen zu Punkt 26 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Deutschen Bundestages zur Veräußerung eines Teilstücks von 13 000 qm mit Aufbauten des reichseigenen Grundstücks in Berlin-Reinikkendorf (Borsigwalde), Wittestraße 47/48, an die Berliner Maschinenbau AG vormals L. Schwartzkopff (Drucksache 3077).
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Debatte. - Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Debatte. Vorgeschlagen ist Überweisung dieses Antrags an den Haushaltsausschuß. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe auf Punkt 27 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags des Bundesministers
der Finanzen betreffend Grundstücktausch
mit Stadt Bonn; hier: Bundeseigene Grundstücke an der Walter-Flex-Straße gegen
städtische Grundstücke an der Görres-Siebengebirgsstraße (Drucksache 3081).
Das Wort zur Begründung des Antrags wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Debatte. -- Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Debatte. Überweisung an den Haushaltsausschuß ist vorgeschlagen. Widerspruch höre ich nicht. Ich darf annehmen, daß so beschlossen ist. - Ich stelle das hiermit fest.
Punkt 28 der Tagesordnung:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 932).
Es wird vorgeschlagen, wie auf Umdruck 932*) vorgesehen, zu Punkt 1 Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen, zu Punkt 2 Überweisung an den Haushaltsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Grenzlandfragen und den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen. Ich eröffne die Debatte. - Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Debatte. Es wird beantragt, diese Überweisung zu beschließen. - Widerspruch höre ich nicht; dann ist so beschlossen.
Da nun 9 Uhr noch nicht erreicht ist, haben wir noch etwas Zeit. Ich frage an, ob der Punkt 6 der Tagesordnung - Nordseefischerei -, zu dem ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vorliegt, noch erledigt werden kann? - Es wird nicht gewünscht. Sind sonst noch Wünsche auf Erledigung einzelner Punkte? - Das ist nicht der Fall.
Dann berufe ich hiermit die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen nachmittag, 14 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.