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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2190

  • date_rangeDatum: 6. Februar 1957

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    2. Deutscher Bundestag — 190. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Februar 1957 10809 190. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. Februar 1957. Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Dr. h. c. Erhard und Dr. Blank (Oberhausen) 10811 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 317, 318 und 319 (Drucksachen 3092, 3165; 3103, 3161; 3119, 3160) 10811 C Mitteilung über Abweisung der Anträge der Bayernpartei und der Gesamtdeutschen Volkspartei durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts in dem Verfassungsstreit betr. Gültigkeit des § 6 Abs. 4 des Bundeswahlgesetzes (Drucksachen 3169 und 3170) 10811 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, FVP, DP betr. Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Vermittlungsausschusses (Drucksache 3147) 10811 C Beschlußfassung 10811 C Beratung des Ersten Berichts des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (35. Ausschuß) auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 30. Mai 1956 bei der Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP betr. Entwicklungen in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksachen 3030, 2364, Umdruck 609) 10811 D Wehner (SPD), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 10862 A Freiherr Riederer von Paar (CDU/ CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 10862 B Frau Hütter (FDP), Berichterstatterin (Schriftlicher Bericht) 10864 C Brandt (Berlin) (SPD), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) . 10867 B Beschlußfassung 10811 D Beratung des Berichts des Haushaltsausschusses gemäß § 96 (neu) der Geschäftsordnung (Drucksache 3129) in Verbindung mit der Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (Drucksachen 3116, zu 3116, Umdrucke 938, 931) über den Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betr. Hauptstadt Berlin (Drucksache 2998) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Vorbereitung hauptstädtischer Funktionen Berlins (Drucksache 3167) . 10812 A Klingelhöfer (SPD), Berichterstatter 10812 A Dr. Bucerius (CDU/CSU) als Berichterstatter 10812 D Schriftlicher Bericht 10868 C als Abgeordneter . . . . 10826 A, 10833 B Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 10813 A, 10820 A, 10825 D, 10834 A Brandt (Berlin) (SPD) . . 10814 A, 10830 C, 10834 C Frau Dr. Maxsein (CDU/CSU) . . . 10820 B Dr. Reif (FDP) 10823 A, 10834 D Dr. Strosche (GB/BHE) 10828 D Neumann (SPD) . . . . 10832 A, 10833 B, C Rasner (CDU/CSU) 10835 B Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP) . 10835 D Spies (Emmenhausen) (CDU/CSU) (Schriftliche Erklärung zur Abstimmung) 10870 D Beschlußfassung über die Ausschußanträge Drucksachen 3129 und 3116 . . 10836 B Überweisung der Anträge Drucksache 3167 und Umdruck 931 an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen 10836 B Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betr. Stimmberechtigung der im Lande Berlin gewählten Abgeordneten des Bundestages (Drucksache 3125) 10836 C Dr. Mommer (SPD), Antragsteller . 10836 C Dr. Friedensburg (CDU/CSU) . . 10840 C, 10842 A, 10843 A, D, 10844 C, 10848 D, 10850 C Frau Wolff (Berlin) (SPD) 10843 D Neumann (SPD) 10844 C Dr. Strosche (GB/BHE) 10845 A Dr. Will (Berlin) (FDP) 10846 A Dr. Arndt (SPD) 10847 B Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 10848 B, 10850 B Brandt (Berlin) (SPD) 10849 A Überweisung an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten 10850 C Erste Beratung der Entwürfe eines Wehrstrafgesetzes und eines Einführungsgesetzes zum Wehrstrafgesetz (Drucksache 3040) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes (Drucksache 3039) und mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der -CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Fünften Strafrechtsänderungsgesetzes (Drucksache 3067) 10850 D Dr. von Merkatz, Bundesminister der Justiz 10850 D Frau Dr. Schwarzhaupt (CDU/CSU), Antragstellerin 10856 A Vizepräsident Dr. Becker 10851 A, 10856 A, D Wittrock (SPD) 10857 B Haasler (CDU/CSU) 10858 D Überweisung der Gesetzentwürfe Drucksache 3040 an den Ausschuß für Rechtswesen 10859 D Weiterberatung der Gesetzentwürfe Drucksachen 3039 und 3067 vertagt . . 10859 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten (Drucksache 3108) 10860 A Überweisung an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens 10860 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung des Berufs der medizinisch-technischen Assistentin (Drucksache 3106) 10860 A Überweisung an den Ausschuß für Fra- gen des Gesundheitswesens 10860 A Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP und des Abg. Stegner eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Artikel 74 und 75 des Grundgesetzes (Drucksache 3158) . . . 10860 A Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und an den Sonderausschuß für Wasserrecht 10860 B Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (GAL) (Drucksache 3118) . . 10860 B Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 10860 B Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Art. 87 des Grundgesetzes (Drucksache 2955) . . . . 10860 B Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen . . . . 10860 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Beisitzer bei den Gerichten (Drucksache 3099) 10860 C Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht . . 10860 C Erste Beratung des von den Abg. Matthes, Richarts, Kriedemann, Mauk, Elsner, Dr. Preiß u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes (Drucksache 3114) 10860 C Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 10860 C Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Neufassung der siedlungsrechtlichen Begriffsbestimmungen und Vereinfachung der Siedlungsfinanzierung (Drucksachen 3096, 2053) 10860 D Knobloch (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) . . . 10871 A Beschlußfassung 10860 D Beratung der Übersicht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 3089) . 10860 D Beschlußfassung 10861 A Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Deutschen Bundestages zur Veräußerung eines Teilstücks von 13 000 qm mit Aufbauten des reichseigenen Grundstücks in Berlin-Reinickendorf (Borsigwalde), Wittestraße 47/48, an die Berliner Maschinenbau AG vormals L. Schwartzkopff (Drucksache 3077) 10861 A Überweisung an den Haushaltsausschuß 10861 A Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Grundstückstausch mit Stadt Bonn; hier: Bundeseigene Grundstücke an der Walter -Flex-Straße gegen städtische Grundstücke an der Görres -Siebengebirgsstraße (Drucksache 3081) 10861 Überweisung an den Haushaltsausschuß 10861 Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 932) 10861 C Beschlußfassung 10861 C Nächste Sitzung 10861 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 10861 B Anlage 2: Erster Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen betr. Entwicklungen in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 3030) . . . . 10862 A Anlage 3: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen über den Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betr. Hauptstadt Berlin (zu Drucksache 3116) 10868 C Anlage 4: Antrag der Fraktion der SPD zum Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betr. Hauptstadt Berlin (Umdruck 938) 10870 B Anlage 5: Entschließungsantrag der FDP zum Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betr. Hauptstadt Berlin (Umdruck 931) 10870 C Anlage 6: Schriftliche Erklärung des Abg. Spies (Emmenhausen) zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen betr. Hauptstadt Berlin (Drucksache 3116) 10870 D Anlage 7: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Neufassung der siedlungsrechtlichen Begriffsbestimmungen und Vereinbarungen der Siedlungsfinanzierung (Drucksache 3096) 10871 A Anlage 8: Interfraktioneller Antrag betr Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 932) 10871 C Die Sitzung wird um 14 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    *) Siehe Anlage 8. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschl. a) Beurlaubungen Arnholz 15. 2. Dr. Atzenroth 7. 2. Dr. Bärsch 8. 2. von Bodelschwingh 6. 2. Böhm (Düsseldorf) 9. 2. Frau Brauksiepe 16. 2. Dr. Brühler 8. 2. Cillien 2. 3. Dr. Dehler 28. 2. Diedrichsen 9. 2. Dopatka 6. 2. Eberhard 28. 2. Euler 6. 2. Dr. Furler 7. 2. Gibbert 9. 2. Gockeln 2. 3. Dr. Gülich 9. 2. Hansing (Bremen) 6. 2. Häussler 6. 2. Dr. Graf Henckel 6. 2. Höfler 28. 2. Frau Kettig 6. 2. Dr. Köhler 2. 3. Könen (Düsseldorf) 6. 2. Dr. Kreyssig 8. 2. Kühn (Bonn) 6. 2. Ladebeck 6. 2. Lücker (München) 6. 2. Ludwig 6. 2. Dr. Mende 6. 2. Meyer-Ronnenberg 23. 2. Dr. Miessner 13. 2. Dr. Mocker 6. 2. Frau Nadig 6. 2. Neuburger 8. 2. Neumayer 16. 3. Odenthal 15. 2. Oetzel 6. 2. Onnen 6. 2. Rasch 6. 2. Reitzner 8. 2. Dr. Röder 8. 2. Dr. Schild (Düsseldorf) 7. 2. Schloß 6.2. Dr. Schmid (Frankfurt) 2. 3. Schneider (Hamburg) 6. 2. Frau Schroeder (Berlin) 31. 5. Seuffert 7. 2. Solke 6. 2. Spörl 8. 2. Stauch 6. 2. Struve 8. 2. Teriete 7. 2. Walz 6. 2. Frau Welter (Aachen) 6. 2. Dr. Willeke 9. 2. b) Urlaubsanträge Abgeordnete (r) bis einschließlich Frau Ackermann 16. 2. Bals 4. 3. Frau Korspeter 2. 3. Dr. Weber (Koblenz) 23. 2. Anlage 2 Drucksache 3030 (Vgl. S. 10811 D) Erster Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (35. Ausschuß) auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 30. Mai 1956 bei der Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betreffend Entwicklungen in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 2364, Umdruck 609). A. Vorbemerkungen Die Fraktionen des Deutschen Bundestages legten unter dem Datum vom 5. Mai 1956 gemeinsam eine Große Anfrage vor - Drucksache 2364 -, durch die die Bundesregierung ersucht wurde, Auskunft über die Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands zu erteilen. Diese Große Anfrage wurde in der 146. Sitzung des Deutschen Bundestages am Mittwoch, dem 30. Mai 1956, für die Bundesregierung durch den Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen in den Einzelheiten beantwortet. Die Bundesregierung formulierte mit ihren Feststellungen bestimmte Vorschläge zum weiteren Abbau von Schwierigkeiten und Hemmnissen in der Verbindung zwischen den beiden deutschen Landesteilen, die an die Verantwortlichen in der sowjetischen Besatzungszone gerichtet waren. Durch einen formellen Beschluß in der erwähnten Sitzung des Deutschen Bundestages wurde der Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen beauftragt, die Aufgaben, die sich aus der Großen Anfrage und ihrer Beantwortung ergeben, laufend zu verfolgen und zu gegebener Zeit dem Bundestag Bericht zu erstatten. Ein Unterausschuß unter dem Vorsitz des Abg. Brookmann (Kiel) hat die Verhältnisse auf den in der Großen Anfrage vom 5. Mai umrissenen Sachgebieten verfolgt. Aus seinen Ermittlungen und Diskussionen entstand der vorliegende Bericht. Er gliedert sich in Teil I Entwicklung der Rechtslage in der sowjetisch besetzten Zone und Berlin (Ost) seit der Bundestagsdebatte vom 30. Mai 1956 Berichterstatter Abgeordneter Freiherr Riederer von Paar, Teil II t Entwicklung der Verbindungsmöglichkeiten zwischen den beiden Teilen Deutschlands seit der Bundestagsdebatte vom 30. Mai 1956 Berichterstatterin Abgeordnete Frau Hütter, Teil III Entwicklung in Berlin seit der Bundestagsdebatte vom 30. Mai 1956 Berichterstatter Abgeordneter Brandt (Berlin). Die Abschnitte dieser Berichte sind in Anlehnung an die einzelnen Fragen der Drucksache 2364 unterteilt. Nach einmütiger Auffassung des Ausschusses hat sich diese Berichterstattung in einem umfassenden Überblick darauf zu beschränken, festzustellen, welche Entwicklungen seit der Berichterstattung der Bundesregierung im Mai dieses Jahres in den Lebensverhältnissen der Menschen im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands eingetreten sind und wie es im gegenwärtigen Zeitpunkt mit den Möglichkeiten zu engerer Verbindungnahme zwischen den beiden deutschen Landesteilen steht. Der Versuch einer solchen Bestandsaufnahme traf hierbei nach wie vor auf die Schwierigkeit, daß in vielerlei Hinsicht - insbesondere sei auf die Rechtslage und die Angaben im Bereich der sowjetzonalen Strafjustiz verwiesen - von amtlicher sowjetzonaler Seite keinerlei oder nur un-verläßliche Zahlenangaben veröffentlicht worden sind, weshalb z. T. auf andere Quellen oder auf Berechnungen und Schätzungen zurückgegriffen werden mußte. Mit den Feststellungen dieses Berichtes, mit der Darlegung dessen, was seit dem 30. Mai 1956 geschehen oder nicht geschehen ist, versucht der Ausschuß, sowohl eine reale Basis für die objektive Beurteilung der bestehenden Verhältnisse als auch die notwendige Grundlage für die weiteren Bemühungen zu geben, wie sie um eine Erleichterung des Schicksals der Menschen in der SBZ und für eine engere Verbindung zwischen den Teilen unseres Vaterlandes unablässig und unermüdlich unternommen werden müssen. Bonn, den 12. Dezember 1956 Der Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen Wehner Vorsitzender B. Berichterstattung I. Bericht zur Entwicklung der Rechtslage in der sowjetisch besetzten Zone und Berlin (Ost) seit der Bundestagsdebatte vom 30. Mai 1956 Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr Riederer von Paar 1. Sind der Bundesregierung Tatsachen bekanntgeworden, die auf eine Hinwendung zu allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien in der Sowjetzone schließen lassen könnten? Für die Anbahnung einer rechtsstaatlichen Entwicklung in der sowjetisch besetzten Zone bestehen auch jetzt noch keine Anhaltspunkte. Für Handlun- (Freiherr Riederer von Paar) gen, die das Regime als für sich gefährlich betrachtet, werden nach wie vor schwere Strafen verhängt. Insbesondere gilt dies für die auf Grund des Artikels 6 der Verfassung ausgesprochenen Abwerbungsurteile. Auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht haben sich keine nennenswerten Veränderungen ergeben. Nach wie vor werden die Angeklagten veranlaßt, auf die Bestellung eines Wahlverteidigers zu verzichten. Die Anklageschrift wird dem Verhafteten zwar zur Kenntnis gebracht, aber nach kurzer Zeit wieder fortgenommen. Ostberliner, für die Artikel 6 der Verfassung nicht gilt, werden in die Zone verbracht und dort angeklagt. In einem Aufsatz in der „Neuen Justiz" vom 5. September 1956 formuliert Hilde Benjamin die Aufgaben der neu gewählten Schöffen: „Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit und Durchsetzung der Parteilichkeit in der Rechtsprechung". 2. Wieviel politische Gefangene sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten Monaten freigelassen worden? Der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen hat am 30. Mai 1956 vor dem Bundestag die Zahl der seit Januar 1954 entlassenen politischen Häftlinge mit 13 428 angegeben. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit sind vom Juni bis Ende November 1956 weitere 5759 Häftlinge entlassen worden, so daß also, vom Ausgangspunkt der Entlassungsaktionen im Juni 1954 an gerechnet, bis heute 19 187 politische Häftlinge entlassen wurden. Die Entlassungen politischer Häftlinge gehen weiter. Jedoch sind in den Monaten Oktober und November dieses Jahres wesentlich weniger Häftlinge entlassen worden als in den Vormonaten. 3. Wie groß ist die Zahl der aus politischen Gründen in der Sowjetzone noch immer Verurteilten bzw. Verhafteten? In welchen Gefängnissen und Zuchthäusern befinden sie sich? Da seit Juni 1956 5759 politische Häftlinge entlassen worden sind und damals 18 900 Fälle politischer Verurteilungen bekannt waren, ist heute davon auszugehen, daß noch 13 141 politische Häftlinge von ursprünglich 18 900 sich in sowjetzonaler Haft befinden. Hinzu kommt aber die Zahl der politischen Häftlinge, die seit Anfang Juni d. J. verurteilt worden sind. Man kann also sagen, daß sich die erschreckenden Verhältnisse auf dem Gebiet der sowjetzonalen politischen Strafjustiz nicht wesentlich geändert haben. Unter den Haftanstalten, in denen die Häftlinge einsitzen, befindet sich Waldheim, BrandenburgGörden, Bautzen, Bützow-Dreibergen, Torgau, Cottbus, Berlin, Halle, Luckau, Magdeburg, Untermaßfeld, Hoheneck, Görlitz, Coswig, Naumburg, Altenburg, Gräfentonna, Zwickau, NeustrelitzStrelitz, Leipzig, Greifswald, Quedlinburg, Halberstadt. Weitere Häftlinge befinden sich in kleineren Strafvollzugsanstalten, Haftarbeitslagern und Haftkrankenhäusern. 4. Unter welchen Bedingungen leben diese Gefangenen? Seit wann dürfen ihnen keine Pakete mehr geschickt werden? Seit der Sitzung des Deutschen Bundestages am 30. Mai 1956 hat sich die Behandlung der Inhaftierten in den sowjetzonalen Strafanstalten in einigen Punkten etwas verbessert. Den Besuchern wurden größere Freiheiten gewährt; das Wachpersonal befleißigt sich größerer Korrektheit gegenüber den Inhaftierten. Die Zellen sind durch Entlassungen und Verlegungen nicht mehr so stark belegt. Dagegen ist die Verpflegung, die für Gesundheit und Leben der Inhaftierten ausschlaggebend ist, gleich, d. h. unzureichend, weil einseitig geblieben. Dadurch ist auch im allgemeinen in dem Gesundheitszustand der Inhaftierten keine Änderung gegenüber dem Frühjahr d. J. eingetreten. Von der unzureichenden Ernährung werden besonders hart getroffen die nicht arbeitsfähigen Inhaftierten, das sind insbesondere die langfristig Verurteilten und die Personen, die in Einzelhaft gehalten werden. Einen Eindruck davon, wie schlecht der Gesundheitszustand der aus politischen Gründen Inhaftierten ist, vermittelt der Betrag von 1,6 Millionen DM (Stichtag: 31. Oktober 1956), der im ersten Halbjahr des Rechnungsjahres 1956 aus dem Bundeshaushalt für die gesundheitliche Versorgung der unter das Häftlingshilfegesetz fallenden Personen, worunter sich überwiegend Haftentlassene aus der sowjetischen Besatzungszone befinden, gezahlt werden mußte. Wenn irgend möglich, werden die Inhaftierten zur Arbeit herangezogen, so daß 65 v. H. bis 80 v. H. der Insassen in den Haftanstalten im Arbeitseinsatz stehen. Die sowjetzonalen Behörden haben den Verdacht nicht entkräften können, daß sie neben anderen Gründen auch wegen ihres Interesses an diesem Arbeitseinsatz die Betreuung der Inhaftierten durch ihre Angehörigen mit Paketen und Geld weitgehend unterbunden haben. Die Häftlinge durften bis zum Oktober 1956 keine Pakete mehr empfangen. Am 17. Oktober 1956 hat der Vorsitzende des Zentralausschusses des DRK der sowjetischen Besatzungszone an den Präsidenten des DRK in der Bundesrepublik mitgeteilt, daß ab sofort die Inhaftierten anläßlich ihres Geburtstages ein Paket von ihren Angehörigen empfangen dürfen. Dieses Ergebnis von Verhandlungen des DRK der Bundesrepublik mit dem sowjetzonalen DRK wird noch ergänzt durch eine Vereinbarung, die von dem DRK der Bundesrepublik mit dem sowjetzonalen DRK über Geldsendungen an Inhaftierte in den Strafanstalten im September 1956 getroffen wurde. Durch diese Vereinbarung ist erreicht worden, daß sich die Inhaftierten, deren Angehörige sich in der Bundesrepublik befinden, im Monat bis zu 10 DM empfangen dürfen. Damit ist die unterschiedliche Behandlung der Inhaftierten, die die Bundesregierung in ihrem Bericht kritisiert hatte, beseitigt worden. Die Feststellung der Bundesregierung vom Mai 1956 trifft aber auch noch heute zu, daß die finanzielle Unterstützung keinen angemessenen Ersatz für die seit dem 1. November 1955 ausgefallenen Monatspakete darstellt und auch weiterhin die ernste Gefahr besteht, daß sich der Gesundheitszustand der politischen Gefangenen verschlechtert, zumal befürchtet werden muß, daß die Verpflegung bei der angespannten Versorgungslage in der Zone nicht besser, sondern schlechter werden wird. 5. Auf Grund welcher Bestimmungen sind diese Gefangenen verurteilt worden? Die Mehrzahl der Urteile aus neuerer Zeit, insbesondere wegen Abwerbung, Spionage und Boykotthetze, stützt sich auf Artikel 6 der Verfassung der sogenannten „DDR". (Freiherr Riederer von Paar) 6. Wie groß ist jetzt noch die Zahl der Gefangenen, die der Sowjetzonenverwaltung durch die sowjetischen Besatzungsbehörden zur Verurteilung bzw. zum Strafvollzug der durch Militärtribunale verhängten Strafen übergeben wurden? Die Zahl der noch in Haft befindlichen SMT- Häftlinge wird vom Ministerium für gesamtdeutsche Fragen mit rund 500 angegeben. 7. Befinden sich noch Verurteilte des 17. Juni 1953 in den Strafanstalten der sowjetisch besetzten Zone? Am 30. Mai d. J. befanden sich nach Mitteilung des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen noch 600 von etwa 800 zu Freiheitsstrafen Verurteilten des 17. Juni in Haft. Nach den neuesten Schätzungen sind inzwischen 100 bis 150 JuniHäftlinge entlassen worden, so daß sich noch etwa 450 bis 500 in Haft befinden dürften. 8. Liegen der Bundesregierung Unterlagen dafür vor, daß die angekündigten neuen Methoden auf dem Gebiete des Arbeitsrechts zu tatsächlichen Veränderungen geführt haben? Bisher ist es im wesentlichen bei Ankündigung von Verbesserungen der Lage der Werktätigen geblieben. Als tatsächliche Veränderung ist der Wegfall der Ortsklassen C und D sowie der Länderklassen in der sogenannten „sozialistischen Wirtschaft" einschließlich der Verwaltung zu nennen, obwohl hiermit vor allem auch die Fluktuation von Arbeitskräften innerhalb der „sozialistischen Wirtschaft unterbunden werden sollte. Nach einer ADN-Meldung soll sich hierdurch der Verdienst von 1 Million Arbeitnehmern um etwa 250 Millionen DM-Ost im Jahr erhöhen. Ferner wurde mit Verordnung vom 23. August 1956 die gesamte politische, organisatorische und finanzielle Leitung der Sozialversicherung für Arbeiter und Angestellte auf den FDGB übertragen. Die Sozialversicherung der Bauern, Handwerker und sonstigen Erwerbstätigen ist dagegen rückwirkend vom 1. Januar 1956 ab auf die Deutsche Versicherungsanstalt übertragen worden. Diese Maßnahme hat eine Beitragserhöhung bei gleichen Leistungen zur Folge. Die Durchführung einer Rentenreform und einer Arbeitszeitverkürzung auf 45 Stunden ist angekündigt, jedoch mit dem Vorbehalt, daß diese Erfolge erst durch die Leistungen der Werktätigen in der Erfüllung des zweiten Fünfjahresplanes erwirtschaftet werden müßten. 9. Trifft es zu, daß seit Anfang dieses Jahres durch die Bildung von „Produktionsgemeinschaften" der Druck auf das Handwerk verschärft worden ist? Der Druck auf das Handwerk und den Einzelhandel verstärkt sich immer mehr. Durch verschärfte Maßnahmen in der Steuerbeitreibung und verringerte Materialzuteilung wird versucht, den selbständigen Handwerker zum Eintritt in eine Handwerkerproduktionsgenossenschaft zu veranlassen. Als Anreiz zum Eintritt wurden durch Verordnung vom 6. September 1956 umfangreiche Steuerermäßigungen für Produktionsgenossenschaften verfügt. Durch Umwandlung von Privatbetrieben in Kommanditgesellschaften mit staatlicher Beteiligung soll die Selbständigkeit der privaten Unternehmer eingeengt werden. Die Anträge auf Staatsbeteiligung bei Privatunternehmern haben bis zum 10. September 1956 bereits die Zahl von rund 600 erreicht. lo. Wieviel Prozesse wegen sogenannter Abwerbung haben in den letzten Monaten in der Sowjetzone stattgefunden? Dauern solche Verfahren noch an? Seit dem 27. Januar 1956, an dem das Oberste Gericht die bekannten 4 Urteile wegen sogenannter Abwerbung verhängte, sind insgesamt 83 „Abwerbungsurteile" erlassen worden. Die Strafen liegen im Durchschnitt zwischen 2 bis 8 Jahren. Bonn, den 12. Dezember 1956 Freiherr Riederer von Paar Berichterstatter II. Bericht über die Entwicklung der Verbindungsmöglichkeiten zwischen den beiden Teilen Deutschlands seit der Bundestagsdebatte vom 30. Mai 1956 Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Hütter 11. Was ist in den letzten Monaten a) seitens der Bundesrepublik, b) seitens der Verwaltung der Sowjetzone geschehen, um den Verkehr der Menschen zwischen den beiden Teilen Deutschlands zu erleichtern? Reiseverkehr Was die amtlichen Ausweise, die für Reisen über die Zonengrenze benötigt werden, angeht, so können von der Verwaltung des Bundesgebietes keinerlei Maßnahmen veranlaßt werden, da die Behörden der Bundesrepublik für das Überschreiten der Zonengrenze in beiden Richtungen keine Reiseausweise verlangen; vielmehr genügt es, daß sich der Reisende durch einen Personalausweis als Deutscher ausweisen kann. Die von dem sowjetzonalen Innenminister im Mai 1956 angekündigten Erleichterungen sind von den sowjetzonalen Behörden im allgemeinen durchgeführt worden; die Zahl der in den Monaten Juli bis November 1956 in das Bundesgebiet Eingereisten ist gegenüber der gleichen Zahl des Vorjahres um 26 v. H. gestiegen. Die Bundesregierung hat die Reisehilfe für Besucher aus der sowjetisch besetzten Zone fortgeführt; Besucher des Bundesgebietes können für diE Rückfahrt einen Gutschein für die Lösung eine] Fahrkarte bis zur ersten Eisenbahnstation jenseits der Zonengrenze erhalten. Die hierfür erlassener Richtlinien sind inzwischen so abgeändert worden daß sich der Kreis der für diese Hilfsmaßnahmer in Frage kommenden Besucher erweitern wird. Besucher, die im Bundesgebiet erkranken, erhalten auf Kosten des Bundes Krankenhilfe. Außerdem werden den Besuchern seit 15. November 1956 10 DM in bar durch die Verwaltunger der Landkreise und kreisfreien Städte ausgezahlt Daneben können sie Beihilfen zu den Kosten er halten, die ihnen während der Einreise, insbesondere durch die Benutzung von Privatbahnen oder sonstigen Verkehrsmitteln, entstehen; diese Auf (Frau Hütter) gabe wird von den auf den Bahnhöfen vorhandenen örtlichen Stellen (z. B. Bahnhofsmission usw.) der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege erledigt. Ferner sind die kommunalen Spitzenverbände erneut gebeten worden, die ihnen angeschlossenen Gemeinden nochmals anzuregen, den Besuchern Vergünstigungen bei der Benutzung kommunaler Einrichtungen (Theater, Museen, Straßenbahnen usw.) zu gewähren. Im Eisenbahnverkehr hat die sowjetzonale Reichsbahn den Anträgen der Deutschen Bundesbahn auf Gestellung von Sonderzügen (z. B. für die Beförderung Westberliner Ferienkinder in die Bundesrepublik, der Teilnehmer an den beiden Kirchentagen in Frankfurt a. M. und Köln usw.) angemessen entsprochen. Mit dem Inkrafttreten des Winterfahrplans (am 30. September 1956) sind die Kontrollen an der Zonengrenze durch Kontrollen im fahrenden Zug ersetzt worden, so daß die Aufenthaltszeiten an der Grenze auf das betriebstechnisch notwendige Maß herabgesetzt werden konnten. Zwischen Deutscher Bundesbahn und sowjetzonaler Reichsbahn wurde im November 1956 außerdem vereinbart, den Interzonenreiseverkehr im Fahrplanjahr 1957/58 zu verstärken. Die Zahl der täglich verkehrenden Züge soll von 13 auf 16 Zugpaare, die Zahl der Entlastungszüge von 12 auf 16 Zugpaare erhöht werden. Darüber hinaus hat sich die sowjetzonale Reichsbahn erneut bereit erklärt, bei starkem Verkehrsanfall die Übernahme einzelner zusätzlicher Züge von Fall zu Fall zu prüfen. Dagegen ist in den bisherigen Verhandlungen über die Einführung von Schnelltriebwagen- verbindungen zwischen Berlin und den wichtigsten Städten des Bundesgebietes kein Fortschritt zu erzielen gewesen. Straßenverkehr Im Straßenverkehr sind gewisse Erleichterungen festzustellen. Im Personenwagenverkehr ist keine Anderung eingetreten, zumal nach wie vor bei Reisen in die sowjetisch besetzte Zone eine besondere Erlaubnis für die Mitnahme eines Kraftfahrzeugs verlangt wird, die von der Behörde des Aufenthaltsortes in der Sowjetzone erteilt und in der far die Person geltenden Aufenthaltsgenehmigung besonders vermerkt und mit einem besonderen Dienstsiegel versehen wird. Als eine Maßnahme der Erleichterung des Straßenverkehrs ist der Abschluß eines Abkommens zwischen dem westdeutschen Verband der Haftpflicht-, Unfall- und Kraftverkehrsversicherer (HUK-Verband) und der sowjetzonalen „Deutschen Versicherungsanstalt" über die Regulierung von Schadensersatzansprüchen, die aus dem Betrieb von Kraftfahrzeugen herrühren, anzusehen; auf diese Weise wird vermieden, daß die sowjetzonalen Grenzbehörden beim Grenzübertritt jeweils den Abschluß einer Haftpflichtversicherung für jede einzelne Fahrt verlangen. Verkehrskontrollen Der Verkehr zwischen Westberlin und der Bundesrepublik geht sowohl auf der Autobahn wie auf der Eisenbahn reibungslos vor sich. Die Kontrolle wird sehr entgegenkommend gehandhabt, die Fahrgäste brauchen nicht mehr auszusteigen. Infolgedessen sind sowohl im Eisenbahnverkehr, wie im Omnibusverkehr die Fahrzeiten verkürzt worden. Bei den Reiseomnibussen beträgt die Verkürzung im Durchschnitt 1/2 Stunde, sie soll noch weiter verkürzt werden. Kontrolle von Geldmitteln Hinsichtlich der Kontrolle von Geldmitteln ist im Omnibusverkehr eine Vereinfachung eingetreten. Die Fahrer der Reiseomnibusse müssen drei Listen ausfüllen, wobei auf einer die Höhe der Geldmittel aller Passagiere angegeben wird. Auf diese Weise wird die Einzelkontrolle vermieden. Verkehrsstrafen Die Verkehrsstrafen sind nicht erhöht worden und bewegen sich in angemessener Höhe. Wiederherstellung und Wiederaufbau von Verkehrswegen Die in der Presse propagierte Verlegung der demontierten zweiten Gleise auf den Hauptstrecken ist bisher nicht in Angriff genommen worden. Am 13. August hat eine Konferenz im sowjetzonalen Verkehrsministerium den Plan erörtert, zunächst einmal die Interzonen -Verkehrsstrecke BerlinMarienborn vollständig zweigleisig auszubauen. Die Bundesbahn hat der sowjetzonalen Eisenbahnverwaltung die erforderlichen Schienen und das Signalmaterial angeboten. Aus politischen Gründen ist dieses Angebot bisher nicht angenommen worden. Im Rahmen der hierüber geführten Gespräche wurde darüber verhandelt, ob der Güterzugverkehr, der bisher nur über den Kontrollpunkt Marienborn läuft, in Zukunft nicht auch über andere Grenzkontrollpunkte geleitet werden sollte. Ergebnisse sind noch nicht mitzuteilen. Eine nennenswerte Wiederherstellung der Verkehrswege oder zerstörter Brücken ist nicht zu verzeichnen. Die Elbe -Brücke ist im vergangenen Jahr fertiggestellt und die Nuthe -Brücke wird zur Zeit gebaut, es ist mit ihrer baldigen Fertigstellung zu rechnen. Umzugsgenehmigungen Bekanntlich erschweren seit jeher die zuständigen Volkspolizeistellen in Sektor und Zone auf Anordnung der Hauptverwaltung DVP die Umzugsgenehmigungen (Ausreisegenehmigungen). Diese Ausreisegenehmigungen, die die Voraussetzung für die Erteilung von Warenbegleitpapieren, mit denen das Umzugsgut versehen sein muß, darstellen, werden grundsätzlich nur Rentnern, Invaliden usw., d. h. arbeitsunfähigen Personen bewilligt. Arbeitsfähigen Personen hingegen wird die Ausreisegenehmigung unabhängig davon, ob sie wirtschaftliche Schlüsselkräfte sind oder nicht, generell verweigert. Obgleich nach Mitteilung des Berliner Zolls die Umzüge nach Berlin (West) bzw. dem Bundesgebiet in den letzten Monaten zugenommen haben, kann zur Zeit nicht gesagt werden, ob diese ansteigende Tendenz tatsächlich auf eine Lockerung der sowjetzonalen Ausreisebestimmungen — ggf. in der vorerwähnten Richtung — zurückgeführt werden kann. Schiffsverkehr Der Schiffsverkehr auf der Elbe hatte im Sommer einen Höchststand mit einem Tagesdurchschnitt bis zu 68 Schiffen zu verzeichnen. (Frau Hütter) 12. Trifft es zu, daß die Behörden der sowjetisch besetzten Zone die Genehmigung zu Besuchen von Verwandten in der Bundesrepublik weiter eingeschränkt haben? Besuche von Verwandten Besuche von Verwandten im Bundesgebiet sind jetzt wieder leichter möglich. Die sowjetzonale Verwaltung macht die Genehmigung jedoch nach wie vor abhängig von der Ausstellung einer Personalbescheinigung, wie umgekehrt Bewohner des Bundesgebietes zur Einreise in die sowjetische Besatzungszone einer sowjetzonalen Aufenthaltsgenehmigung bedürfen. Am 3. September 1956 hat der sowjetzonale Minister des Innern eine Ergänzungsanordnung zu der Anordnung über die Regelung des InterzonenReiseverkehrs vom 21. November 1953 erlassen, in der ausdrücklich bestimmt wird, daß die Aufenthaltsgenehmigung für Reisende aus der Bundesrepublik, die beabsichtigen, „Angehörige oder Bekannte aufzusuchen bzw. Dienst- oder Geschäftsreisen zu machen", verweigert werden kann, wenn „durch den Einreisenden die Gewähr nicht gegeben ist, daß die Grundsätze der Verfassung der DDR und die demokratische Gesetzlichkeit eingehalten werden". 13. Welche weiteren Schritte empfiehlt die Bundesregierung, um die innerdeutschen Beziehungen zu fördern? Am 30. Mai 1956 wurden im Deutschen Bundestag vom Herrn Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen eine Reihe von Vorschlägen der Bundesregierung zur Förderung der innerdeutschen Beziehungen vorgelegt. Hierbei war zunächst die Abschaffung aller Sonderausweise, die die Sowjetzonenverwaltung im Personenverkehr noch verlangt, empfohlen worden. Bis zur Vorlage dieses Zwischenberichts konnte keine Änderung festgestellt werden. Dann wurde die Wiedereröffnung der zahlreichen Grenzübergänge, die seit 1945 gesperrt sind, und insbesondere der seit Mai 1952 gesperrten Übergänge vorgeschlagen. Auch hier wurde bisher kein Fortschritt erzielt. Dasselbe gilt für die Aufhebung der Sperrzone längs der Sowjetzonengrenze. Ferner sollte nach der Empfehlung der Bundesregierung der Versuch unternommen werden, die Kontrollen durch die sowjetzonalen Grenzorgane noch weiter einzuschränken. Die gegebene Lage wurde an anderen Stellen dieses Berichtes dargestellt. Mit seinen Vorschlägen hatte der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen eine Erweiterung des Interzonenhandels empfohlen. Nach Mitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft hat sich jedoch bisher auch hier keine Veränderung ergeben. Die Empfehlungen der Bundesregierung im Zusammenhang mit ihrer Antwort auf die interfraktionelle Große Anfrage haben schließlich folgende konstruktive Vorschläge zur Erleichterung der innerdeutschen Beziehungen umfaßt: a) Wiederherstellung und Verbesserung der Verkehrswege, Wiederaufbau von Eisenbahnstrekken und Wiedereinbau der zweiten Gleise auf den Hauptstrecken. Förderung des Straßenverkehrs durch Wiederherstellung der noch zerstörten Brücken im Zuge wichtiger Durchgangsstraßen. Gemeinsame Planung des Straßenausbaues, um ein einheitliches deutsches Verkehrsnetz zu erzielen. Zulassung neuer Kraftfahrlinien. Befreiung des Verkehrs mit Personenwagen von besonderen Erlaubnissen oder von besonderen Eintragungen in Reisepapiere usw. b) Verhandlungen zwischen den Eisenbahnverwaltungen über die Vermehrung der Zahl der Reise- und Güterzüge. c) Technische Verbesserungen im Fernsprech-, Fernschreib- und Telegrammverkehr, Abschaffung der Zensur im Postverkehr. d) Beseitigung der sowjetzonalen Bestimmungen über die Einschränkung des Paket- und Päckchenverkehrs, um den Versand von Liebesgaben und damit die Beziehungen von Mensch zu Mensch zu fördern. Zu den Vorschlägen unter a) und b) wurden, wie zu erinnern ist, an anderer Stelle des Berichts gewisse Fortschritte vermerkt. Hinsichtlich der Forderungen unter c) und d) blieben die Verhältnisse unverändert. 14. Welche Schritte könnten insbesondere erfolgen, um den geistigen und kulturellen Zusammenhalt zwischen den beiden Teilen Deutschlands zu pflegen? Richtlinien für diese Tätigkeit sind in der Entschließung der Kultusministerkonferenz vom 4. März 1955 für Bund und Länder festgelegt worden. Innerhalb dieser Richtlinien werden besonders befürwortet: Verbindung mit der Bevölkerung Den Besuchern aus der sowjetich besetzten Zone soll insbesondere Gelegenheit geboten werden, am kulturellen Leben Westdeutschlands in voller Freiheit teilzunehmen. Die menschliche Begegnung auf Kongressen, Tagungen, Festspielen, Sportveranstaltungen sowie die Beschickung von Kunst-Ausstellungen mit Werken deutscher Meister aus den Museumsschätzen der Bundesrepublik. In den letzten Monaten fanden an die zweihundert Kulturtagungen statt, zu denen Teilnehmer aus der sowjetisch besetzten Zone erschienen waren, darunter ca. 40 wissenschaftliche Tagungen. Des weiteren fanden Gastvorlesungen westdeutscher Professoren an mitteldeutschen Hochschulen statt; die Humboldt -Universität in Ost-Berlin allein führte im Sommersemester 1956 37 Gastvorlesungen durch. Gering ist die Zahl der in der sowjetisch besetzten Zone durchgeführten Gastspiele von westdeutschen Theatern, Orchestern und Konzertvereinigungen. Allein in der Unterschiedlichkeit der Währungen und in den bestehenden Verhältnissen im Zahlungsverkehr dürften wesentliche Ursachen hierfür zu suchen sein. Noch reichen außerdem die finanziellen Unterstützungen aus öffentlicher Hand —insbesondere durch die Großstädte und durch die Länderkultusverwaltungen — für die Intensivierung dieser wertvollen Verbindung zu den kulturell aufgeschlossenen Teilen der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone nicht aus. (Frau Hütter) In weit größerem Umfange als bisher werden auch finanzielle Zuschüsse für Studienreisen benötigt. Allerdings werden die Bemühungen der Bundesregierung durch das Ministerium für Kultur der SBZ erschwert, das davor warnt, westdeutsche Kulturschaffende ohne Einvernehmen mit den zuständigen Stellen in die SBZ einzuladen, weil die Eingeladenen „Spionage betreiben oder Abwerbungsversuche unternehmen könnten". Freier Austausch von Zeitungen und Zeitschriften Der freie Bezug aller Druckerzeugnisse unterliegt nach wie vor einer Einschränkung durch das Monopol der Postzeitungsliste in der sowjetisch besetzten Zone. Ebenso verhält es sich mit dem Bezug wisenschaftlicher Zeitungen und Zeitschriften, während sowjetzonale wissenschaftliche Druckerzeunise in der Bundesrepublik ungehindert bezogen werden können. An diesem Zustand kann — wie die Bundesregierung erklärt — nichts geändert werden, solange nicht die Gegenseitigkeit durch Einführung der Pressefreiheit in der sowjetisch besetzten Zone gewährleistet ist. Rundfunk Nach wie vor wird der Empfang westdeutscher Rundfunksendungen in der sowjetisch besetzten Zone durch eine Unzahl Störsender unterbunden, während die Sendungen des Rundfunks in der Sowjetzone im Gebiet der Bundesrepublik ungestört gehört werden können. 15. Welche Vereinbarungen der vier Kontrollmächte, die nach allen bekannten Verträgen die Verantwortung für ganz Deutschland behalten haben, untereinander oder mit deren Einverständnis zwischen deutschen Verwaltungsstellen wären geeignet, die innerdeutschen Verbindungen und damit die Wiedervereinigung Deutschlands zu erleichtern? Im Augenblick sind keine neuen Wege zur Erleichterung der innerdeutschen Verbindungen sichtbar. Bonn, den 12. Dezember 1956 Frau Hütter Berichterstatterin III. Bericht über die Entwicklung in Berlin seit der Bundestagsdebatte vom 30. Mai 1956 Berichterstatter: Abgeordneter Brandt (Berlin) 16. Wie beurteilt die Bundesregierung die erwähnten Erklärungen, und welche Möglichkeiten sieht sie für eine Erleichterung des Verkehrs von und nach Berlin? Die Ausführungen des Bundesministers Kaiser vom 30. Mai 1956 über den Verkehr zwischen der Bundesrepublik und Berlin sind immer noch zutreffend. Die Personen- und Gepäckkontrollen an den Demarkationslinien rund um Berlin und in den Verkehrsmitteln bei der Fahrt nach Berlin haben nicht aufgehört, sondern unterliegen nur gewissen Schwankungen nach der positiven wie nach der negativen Seite hin. Im Augenblick sind die Kontrollen rund um Berlin ebenso wie die an den Zonengrenzen etwas konzilianter. Das Hin- und Herschwingen des Pendels zeigt sich etwa am Beispiel der Westberliner Exklave Steinstücken. Hatte man vor einiger Zeit die Reparatur eines Kühlschrankes eines Lebensmittelhändlers zum Schaden der Einwohner Steinstückens verhindert und hatte man dem Regierenden Bürgermeister von Berlin und dem Bürgermeister des zuständigen Verwaltungsbezirks Zehlendorf den Zugang zu diesem Westberliner Gebiet ohne Passierschein verwehrt, so war vorübergehend eine starke Lockerung der Passierscheinpflicht für Handwerker, Feuerwehr, Schornsteinfeger usw. festzustellen. Für Ärzte und Kohlenhändler wurde der Passierscheinzwang gänzlich aufgehoben. Schon wieder aber haben sich die Verhältnisse verschlechtert und die Bedingungen erschwert. Abgesehen hiervon ist zu registrieren, daß in letzter Zeit einzelne Straßensperren an den Sektorengrenzen beseitigt worden sind, wozu der gar zu offensichtliche Widerspruch zwischen diesen Barrikaden einerseits und den Transparenten gegen die „Spalter" andererseits beigetragen haben mag. 17. Welche technischen Kontakte zwischen den beiden Teilen Berlins bestehen noch und welche — z. B. Straßenbahn, Telefon — könnten nach Kenntnis der Bundesregierung unverzüglich wiederhergestellt werden, wenn es die östliche Verwaltung zuließe? Die Antwort des Bundesministers für gesamtdeutsche Frag en enthielt den Satz: „Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß sich bei gutem Willen der Ostberliner Stadtverwaltung diese Kontakte wesentlich erweitern ließen." Der Berliner Senat hat in der Zwischenzeit diesen „guten Willen" erneut auf die Probe gestellt und einen Senatsrat für technische Gespräche benannt, durch die Erleichterungen im Interesse der Berliner Bevölkerung ermöglicht werden könnten. Die damit gebotene Möglichkeit, etwas für die Bevölkerung in beiden Teilen der Stadt zu tun, ist von den Machthabern des Ostsektors ausgeschlagen worden. Sie haben solche technischen Gespräche abgelehnt und Verhandlungen darüber auf „höherer Ebene", d. h. unter politischen Vorzeichen, gefordert. Besprechungen des Senats mit sowjetischen Stellen haben zur Rückgabe des Rundfunkhauses in der Masurenallee geführt. 18. Wie beurteilt die Bundesregierung die serienmäßige Verhängung von Geldstrafen gegen Bewohner des Ostsektors, die in Westberlin arbeiten oder deren Kinder Westberliner Schulen besuchen? Hierzu ist im Augenblick — mit dem Hinweis, daß erfahrungsgemäß plötzlich wieder Veränderungen eintreten können — die Tatsache festzustellen, daß der Besuch von Westberliner Schulen nicht mehr nennenswert gestört wird. Bei Erlaß einer neuen Verordnung der Pankower Machthaber, wonach Westberliner Einnahmen aus Arbeitsverhältnissen auf Westberliner Konten nicht mehr der Anbietungspflicht und damit der Beschlagnahme im Osten unterliegen, tauchte die Hoffnung auf, daß damit auch der große Kreis derjenigen eine Erleichterung ihrer Lebensmöglichkeiten erfahren würde, der Alters- (Brandt [Berlin]) pensionen entweder vom Lande Berlin oder von Westberliner Unternehmungen bezieht. Diese Hoffnung hat getrogen. Nach sowjetzonaler Terminologie gehören die Einnahmen aus einem seit Jahrzehnten bestandenen früheren Arbeitsverhältnis nicht zu den Einnahmen aus Arbeitsverhältnissen. Eine Erleichterung bedeutet diese Verordnung in Wirklichkeit nur für einen zahlenmäßig unbedeutenden Kreis von freiberuflich Tätigen, von Künstlern, Wissenschaftlern und vielleicht auch von Handelsvertretern. 79. Sind noch in der letzten Zeit Fälle vorgekommen, in denen sich Angehörige Ostberliner Betriebe oder Verwaltungen schriftlich verpflichten mußten, Westberliner Boden nicht zu betreten? Es ist keine Veränderung etwa im Sinne einer Aufhebung dieser Beschränkungen festzustellen. Jedoch sind neue derartige Verpflichtungen nicht bekanntgeworden. 20. Wieviel Fälle von Menschenraub aus Westberlin sind nach Kenntnis der Bundesregierung in der letzten Zeit vorgekommen? Hierzu ist zu berichten, daß in der Zeit vom 9. Mai bis 12. Dezember 1956 drei vollendete Fälle von Menschenraub durch List vorgekommen sind und vier versuchte Menschenraubfälle, davon zwei durch List und zwei durch Gewalt. Insgesamt sind seit 1949 bis heute 186 Fälle von Menschenraub und 77 Fälle von versuchten Entführungen durch List oder Gewalt zu verzeichnen. 21. Wie hoch ist die Zahl der Westberliner Siedler und Kleingärtner, denen seit Verhängung der Sperrmaßnahmen im Jahre 1952 die Nutzung ihrer Grundstücke in den Randgebieten der Sowjetzone verwehrt wird? Hier ist keine Verbesserung festzustellen. Betroffen sind ca. 40 000 Westberliner Kleingärtner und Grundstücksbesitzer. 22. Werden die Westberliner noch immer daran gehindert, die in den Randgebieten der Stadt gelegenen Friedhöfe zu besuchen? In dieser Frage ist eine neue Situation eingetreten, die zwar längst nicht den berechtigten Wünschen entspricht, aber immerhin einen Fortschritt darstellt. Westberliner Bürger, deren nächste Angehörige — Eltern, Geschwister, Ehegatten, Großeltern und Kinder — auf diesen Friedhöfen bestattet sind, können danach einen Dauerpassierschein zum Besuch des betreffenden Friedhofs erhalten, der für ein Jahr Gültigkeit hat und eine Westmark kostet. Daneben werden Passierscheine an besonderen Feiertagen unabhängig vom Grad der Verwandtschaft ausgestellt. 23. Wie beurteilt die Bundesregierung das Mißverhältnis zwischen den Rechten und Pflichten, die die Vier Mächte für Berlin übernommen haben, und der Tatsache, daß im Ostsektor bewaffnete „Kampfgruppen" und Formationen der sowjetzonalen Streitkräfte aufmarschieren? Es ist keine grundsätzliche Änderung festzustellen. In der Praxis scheint sich eine rückläufige Entwicklung zu zeigen. Bei den „Kampfgruppen" im Ostsektor Berlins ruht vielfach der Ausbildungsbetrieb, weil sich die Mitglieder unter Hinweis auf die erhöhten Normen weigern, ihre geringe Freizeit weiter einschränken zu lassen. Auch in der Zone ist die Kampfgruppentätigkeit durch die Unlust der Mitglieder vielfach eingeschlafen. Andererseits ist ein starker Druck auf die Meister und Brigadiere, vor allem in den großen VE-Betrieben, festzustellen. Nach neuesten Meldungen soll an den Schulen Unterricht im Schießen und in Geländeübungen erteilt werden. Bonn, den 12. Dezember 1956 Brandt (Berlin) Berichterstatter Anlage 3 zu Drucksache 3116 (Vgl. S. 10812 D) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (35. Ausschuß) über den Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betreffend Hauptstadt Berlin (Drucksache 2998). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Bucerius Das Ziel des vorliegenden Antrags der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE wurde von den Antragstellern in den Beratungen des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen mit der Feststellung umrissen, der Antrag wolle die Bundesregierung nicht zu einem überstürzten vollständigen Umzug nach Berlin veranlassen, er wolle aber erreichen, daß a) Berlin schon jetzt — noch während der Spaltung Deutschlands — durch Verlegung von Behörden, soweit das nur möglich sei, den ihm zukommenden hauptstädtischen Charakter und echte hauptstädtische Funktionen erhalte und b) darüber hinaus unverzüglich die praktische Vorbereitung der Hauptstadt für den Tag der Wiedervereinigung beginne. In Nr. 1 dieses Antrags wird grundsätzlich festgestellt: Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands. Im Ausschuß wurde von den Antragstellern an den formellen Beschluß erinnert, mit dem sich der 1. Bundestag am 30. September 1949 zu Berlin als Bestandteil und Hauptstadt der Bundesrepublik und als Vorposten der westlichen Freiheit bekannte. Wenn dieser Antrag nun dem Hause Anlaß gebe, darüber zu beraten, was praktisch zu tun ist, hielte man es für richtig, das Bekenntnis, das im Jahre 1949 abgelegt sei, mit diesem Satze erneut nachdrücklich zu bekräftigen. Der Ausschuß ist diesem Vorschlag einmütig gefolgt. Um Nr. 2 des Antrags, die Frage nämlich, ob, in welcher Weise und wo in Berlin ein Parlamentsgebäude zu errichten ist, werden seit 1950 lebhafte Diskussionen geführt, die vor allen Dingen darum gingen, ob das alte Reichstagsgebäude zu diesem Zweck wiederherzustellen sei oder ob ein neuer moderner Bau errichtet werden solle. Im Laufe dieser Debatten hat der Bundestag vor zwei Jahren im Bundeshaushalt den Ansatz von Mitteln ge- (Dr. Bucerius) nehmigt, die der Finanzierung eines architektonischen Wettbewerbs für die Wiederherstellung des Reichstagsgebäudes galten. Die Antragsteller stellten vor dem Ausschuß fest, daß ihr Vorschlag allgemein darauf zielt, die baldige Errichtung eines Parlamentsgebäudes in Berlin zu veranlassen, ohne die in der Folge bei der Durchführung des Baues notwendigen politischen, technischen und ästhetischen Entscheidungen belasten zu wollen. Zwischen den Berliner Vertretern im Ausschuß bestand keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß dieses Gebäude nur am Platz der Republik — dem früheren Königsplatz — errichtet werden kann, wie das der Vorschlag des Antrags ausdrücklich bestimmt wissen wollte. Ein Teil der Ausschußmitglieder war jedoch der Ansicht, daß es besser sei, im gegenwärtigen Stadium der Planungen insbesondere auch den Vorschlägen der ausgeschriebenen Wettbewerbe nicht mit einer Standortbestimmung vorzugreifen. Die Antragsteller beharrten auf der zunächst vorgeschlagenen Formulierung nicht, und so wurde einstimmig beschlossen, daß dem Bundestag zu empfehlen sei, sich mit einer grundsätzlichen Feststellung, daß die Planung und Durchführung des Baus eines Parlamentsgebäudes in Berlin unverzüglich zu beginnen ist, zu begnügen. Mit Nr. 3 tritt der Antrag in die praktischen Vorschläge ein, mit denen nach der Absicht der Antragsteller versucht werden soll, das politische Ziel — die völlige Wiederherstellung der hauptstädtischen Funktionen — zu verwirklichen. In den Buchstaben d bis f werden ein Baustopp für die Einrichtungen der Bundesregierung in Bonn und bestimmte bauliche Maßnahmen des Bundes in Berlin gefordert. Der unter Nr. 3 Buchstabe f angesetzte Betrag von 20 Millionen DM beruht nach Angaben der Antragsteller auf Unterlagen der Bundesvermögensverwaltung Berlin. Der Ausbau der im Antrag genannten bundeseigenen Gebäude, vor allem die Wiederherstellung des Europahauses, des noch nicht aufgebauten Teils des Reichspatentamtes sowie des Bendlerblocks, würde — wie die Antragsteller darlegten — die Aufnahme eines beträchtlichen Teils der von den Bundesressorts benötigten Büroräume ermöglichen und die Bildung eines Regierungsviertels für die Zeit nach der Wiedervereinigung vorbereiten. Solange die Bundesregierung nicht in der Lage sei, den damit zur Verfügung stehenden Raum in vollem Maße auszunutzen, bestehe für eine anderweitige Belegung ohne Zweifel keine große Schwierigkeit. Durch die Empfehlungen der Nr. 3 Buchstaben a bis c wird mit der Forderung auf möglichst weitgehende Verlegung von Bundesbehörden und Bundesministerium nach Berlin für die vorgeschlagenen baulichen Maßnahmen der eigentliche Anlaß erbracht. Die Bundesregierung soll unverzüglich die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen für die Verlegung von Bundesministerien sowie anderen Dienststellen und Institutionen nach Berlin schaffen und bei neu zu errichtenden Bundesbehörden vorsehen, daß sie von vornherein in Berlin zu errichten sind; insbesondere Bauten, die für oberste Bundesbehörden zukünftig erforderlich werden, sollen in Berlin zu errichten sein. Bei der Beratung dieser Vorschläge ging es dem Ausschuß vor allen Dingen darum, klar darüber zu werden, ob solche Tendenzen den bestehenden rechtlichen und politischen Verhältnissen nach möglich und vom Organisatorischen her gesehen zweckmäßig sind. Die Antragsteller haben zur rechtlichen und politischen Frage auf die bereits in der Vergangenheit erfolgte Verlegung verschiedener Bundesverwaltungen nach Berlin verwiesen und hierbei insbesondere auf die Errichtung des Bundesverwaltungsgerichts. Der besondere Status Berlins könne die ordnungsmäßige Arbeit von Bundesbehörden in Berlin nicht hindern. Bisher seien von seiten der westlichen Alliierten noch nie Eingriffe in Angelegenheiten der bereits dort arbeitenden Bundesbehörden erfolgt; es sei eine noch völlig unbegründete Vermutung, daß sich das in Zukunft ändern werde. Im übrigen wurde darauf hingewiesen, daß auch die Regierung der sogenannten DDR ihren Sitz in Ostberlin genommen hat. Allen möglichen Einwänden gegenüber muß nach Meinung der Antragsteller hervorgehoben werden, daß der Ausbau Berlins als hauptstädtisches Zentrum in den Bemühungen um die Wiedervereinigung entscheidende Bedeutung hat. Dieser Auffassung wurde im Ausschuß grundsätzlich nicht widersprochen. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes erklärte, es stehe außer Frage, daß eine Verlegung von Bundesbehörden vom außenpolitischen Standpunkt durchaus zu begrüßen sei: der gesamtdeutsche Anspruch der Bundesrepublik könne von Berlin aus eindringlicher und wirkungsvoller geltend gemacht werden. Wenn aber eine wesentliche Verlegung von Bundesbehörden -- geschweige eine Verlegung aller Bundesbehörden — dazu führe, den Charakter des Viermächtestatus der Stadt Berlin zu verändern, müsse zu seiner Aufrechterhaltung, über deren Notwendigkeit es wohl keine Meinungsverschiedenheiten gebe, ohne Zweifel mit dem Einspruch der Alliierten gerechnet werden. An eine solche umfassende Verlegung haben die Antragsteller — wie sie auf diese Feststellung hin ausdrücklich versicherten — mit den Empfehlungen ihres Antrags im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gedacht. So war die Differenz, die sich in den Auffassungen der Ausschußmitglieder hinsichtlich der Verlegung von Bundesbehörden ergab, mehr mit der Frage des Rahmens verbunden, in dem Planungen solcher Art technisch möglich und organisatorisch zweckmäßig sind. Von einem beträchtlichen Teil der Ausschußmitglieder wurden vor allem Bedenken geäußert, daß eine sofortige weitgehendere Übersiedlung von Bundesministerien die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung in starkem Maße beeinträchtigen muß. Von diesem Teil des Ausschusses wurde es vor allem für erforderlich gehalten, daß die wesentlichen Regierungsstellen für den einzelnen Staatsbürger mühelos zu erreichen sind. Da der Antrag seine Vorschläge jedoch nicht auf die Frage des Wieviel und die Reihenfolge des Wann erstreckte und in der Absicht Einigkeit bestand, entschied der Ausschuß mit großer Mehrheit, daß es richtig sei, es auch in der Form bei den vorgeschlagenen Empfehlungen zu belassen. Allerdings kam man überein, die Eingangsformel der Nr. 3, die von einem Ersuchen an die Bundesregierung sprach, ausdrücklich in eine Empfehlung abzuändern, da auch im Ausschuß kein Zweifel bestand, daß die Bundesregierung kraft ihrer Organi- (Dr. Bucerius) sationsgewalt verfassungsrechtlich in der Entscheidung über die Unterbringung ihrer Behörden frei und ungebunden ist. Der Wunsch der Antragsteller, daß die Bundesregierung dem Bundestag über das Veranlaßte und technisch weiterhin Mögliche berichten möge, wurde sinnentsprechend abgetrennt und in einem Ersuchen der Nr. 4 des Ausschußantrags gesondert vorgelegt. Die Maßnahmen, die im Antrag der Drucksache 2998 für die Hochschulen Berlins gefordert waren, wurden vom Ausschuß vollinhaltlich und einstimmig übernommen. Schon während früherer Beratungen hatte der Ausschuß gegenüber Vertretern der Bundesregierung den Wunsch zum Ausdruck gebracht, soweit nur möglich Bedenken im Hinblick auf die gegebenen Kompetenzen angesichts der eminenten politischen Bedeutung dieser Fragen bei Hilfsmaßnahmen für die Berliner Hochschulen und ihre Studentenschaft zurücktreten zu lassen. Die Einführung des numerus clausus z. B. an der Berliner Freien Universität trifft Studierende, die aus der sowjetisch besetzten Zone und dem Ostsektor Berlins kommen, in besonderem Maß. Hier durch tatkräftige finanzielle Hilfe Möglichkeiten zur Abhilfe zu schaffen, wird vom Ausschuß durchaus als eine politische Aufgabe im gesamtdeutschen Interesse betrachtet. Wegen der Empfehlung unter Nr. 3 Buchstabe f, die Bundesregierung um den Einsatz von 20 Millionen DM in den Bundeshaushaltsplan für die Wiederherstellung verschiedener bundeseigener Gebäude zu ersuchen, wurde — gemäß § 96 (neu) der Geschäftsordnung — der Haushaltsausschuß federführend mit dem Antrag der Drucksache 2998 befaßt. Durch seinen Berichterstatter, Abg. Klingelhöfer, stellt dieser Ausschuß nunmehr unter Drucksache 3129 jedoch fest, daß nach der Sachlage für ihn keine Veranlassung bestehe, wegen der Beeinflussung der Haushaltslage für das Rechnungsjahr 1956 gemäß § 96 (neu) der Geschäftsordnung zu berichten. Es ist wohl folgerichtig, daß aus diesem Grunde die im Antrag des Haushaltsausschusses enthaltene Feststellung, Entscheidungen über die erforderlichen Mittel im Rahmen des Bundeshaushaltsplans 1957 seien erst möglich, nachdem die Bundesregierung mit Zahlen belegte Vorschläge gemacht habe, die in diesem Zusammenhang vom Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen vorgelegten Empfehlungen nicht berühren kann. Bonn, den 29. Januar 1957 Dr. Bucerius Berichterstatter Anlage 4 Umdruck 938 (Vgl. S. 10818 C, 10834 C) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (35. Ausschuß) über den Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE betreffend Hauptstadt Berlin (Drucksachen 3116, zu 3116, 2998). Der Bundestag wolle beschließen: Dem Antrag des Ausschusses — Drucksache 3116 — wird folgende neue Nr. 5 angefügt: 5. Zur Durchführung von Nr. 3 und 4 wird aus Mitgliedern des Haushaltsausschusses, des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen des Bundestages ein ständiger Unterausschuß gebildet, der gemeinsam mit Beauftragten der Bundesregierung prüft, welche Bundesorgane, Bundesbehörden, Bundesanstalten, vom Bund geförderte Einrichtungen, Bundesunternehmungen, Sonderverwaltungen und Teile von ihnen zur sofortigen oder alsbaldigen Verlegung nach Berlin geeignet sind, um die Vorbereitung Berlins als gesamtdeutsche Hauptstadt zu fördern. Der Unterausschuß hat dem Bundestag vierteljährlich zu berichten. Bonn, den 5. Februar 1957 Ollenhauer und Fraktion Anlage 5 Umdruck 931 (Vgl. S. 10835 B, 10836 B) Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (35. Ausschuß) betreffend Hauptstadt Berlin (Drucksachen 3116, zu 3116, 2998). Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag erwartet, daß 1. der Bundestagspräsident den 3. Deutschen Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung nach Berlin einberuft; 2. ebenfalls die Wahl des Bundeskanzlers und die Vereidigung des Bundeskanzlers und der Bundesminister in Berlin stattfindet. Bonn, den 31. Januar 1957 Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Dr. Reif Dr. Will (Berlin) Dr. Becker (Hersfeld) und Fraktion Anlage 6 (Vgl. S. 10836 B) Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Spies (Emmenhausen) zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen betreffend Hauptstadt Berlin (Drucksache 3116): Ich gebe zu Protokoll, daß ich den Antrag Bundestagsdrucksache 3116 ablehne, weil ich die Voraussetzungen für die in der Drucksache niedergelegten Maßnahmen nicht für gegeben halte. Bonn, den 6. Februar 1957 Josef Spies Anlage 7 Drucksache 3096 (Vgl. S. 10860 D) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (26. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Neufassung der siedlungsrechtlichen Begriffsbestimmungen und Vereinfachung der Siedlungsfinanzierung (Drucksache 2053). Berichterstatter: Abgeordneter Knobloch Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich in seiner Sitzung am 6. Dezember 1956 mit dem vorliegenden Antrag befaßt und beschlossen, der Nr. 1 des Antrags folgenden Wortlaut zu geben: „1. darauf hinzuwirken, daß die Länder bei der Auslegung des Begriffs der Siedlung im Sinne des Reichssiedlungsgesetzes sich in den Grundsätzen aufeinander abstimmen,". Zu den Fragen der Vereinheitlichung der siedlungsrechtlichen Bestimmungen und der Vereinfachung der Siedlungsfinanzierung vertrat der Ausschuß folgende Auffassung: Vereinheitlichung der siedlungsrechtlichen Bestimmungen Der Begriff der Siedlung ist nur in großen Zügen im Reichssiedlungsgesetz (RSG) festgelegt worden. Die Länder sind nach dem RSG ermächtigt, den Begriff je nach der Struktur ihres Landes näher zu bestimmen. Von dieser Ermächtigung haben die Länder auch Gebrauch gemacht, haben hierbei aber zum Teil zum Nachteil der betroffenen Siedler voneinander abweichende Vorschriften getroffen. Dies wirkt sich vor allem auf steuerlichem Gebiet zuungunsten des Siedlers aus. Es ist deshalb erforderlich, daß die Bundesregierung zur Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung auf eine in den Grundzügen einheitliche Regelung des Begriffs der Siedlung und damit auch der Steuer- und Gebührenvergünstigung durch die Länder hinwirkt. 3. Vereinfachung der Siedlungsfinanzierung Die Siedlung wird aus Mitteln des Bundes (Bundeshaushalt, ERP-Sondervermögen usw.), aus Mitteln des Ausgleichsfonds und der Länder finanziert. Dabei sind im Laufe der Zeit eine große Zahl von verschiedenen Fonds, Haushaltstiteln usw. zur Gewährung öffentlicher Finanzierungshilfen (Darlehen, Zuschüsse usw.) zugunsten der Siedlung herangezogen worden. Hieraus hat sich zwangsläufig auch eine Vielzahl von unterschiedlichen Kreditbedingungen ergeben, die nunmehr bei dem einzelnen Siedler als dem letzten Kreditnehmer in Form von einzelnen Hypotheken, Grundschulden usw. in Erscheinung treten. Die Bundesregierung ist seit längerer Zeit bemüht, der hierdurch verursachten Erschwerung des Verfahrens, insbesondere der verwaltungsmäßigen Belastung der Verfahrensträger und des Siedlers selbst, abzuhelfen. Es ist in Aussicht genommen, den Siedler durch eine einheitliche Schuldurkunde zu verpflichten und die verschiedenen Finanzierungshilfen möglichst bei einem einzigen Kreditinstitut zusammenfließen zu lassen. Dies erfordert ein Zusammenwirken aller beteiligten Stellen, insbesondere des Bundes und der Länder. Namens des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bitte ich, den vorliegenden Antrag, dem der Ausschuß einmütig zugestimmt hat, anzunehmen. Bonn, den 10. Januar 1957 Knobloch Berichterstatter Anlage 8 Umdruck 932 (Vgl. S. 10861 C) Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse: Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden gemäß § 99 Abs. 1 GO ohne Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen: 1. Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Beleuchtungskontrolle bei Kraftfahrzeugen und Fahrrädern (Drucksache 3075) an den Ausschuß für Verkehrswesen; 2. Antrag der Fraktion der DP betreffend Hergabe zweckgebundener Bundesmittel ohne die Verpflichtung zur gleichzeitigen Aufbringung von Landesmitteln (Drucksache 3090) an den Haushaltsausschuß (federführend), an den Ausschuß für Grenzlandfragen, an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen. Bonn, den 5. Februar 1957 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Becker (Hersfeld) und Fraktion Feller und Fraktion Dr. Brühler und Fraktion Dr. Schneider (Lollar) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Mommer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich könnte an die Diskussion anknüpfen, die soeben hier über die Zusammenberufung des nächsten Bundestages in Berlin stattgefunden hat, und unseren Antrag, den ich begründen muß, dadurch charakterisieren, daß ich sage: es kommt nicht so sehr darauf an, daß der nächste Bundeskanzler in Berlin gewählt wird, als vielmehr darauf, daß die Berliner ihn mitwählen,

    (Beifall bei der SPD)

    weil er auch ihr Bundeskanzler ist. Es kommt darauf an, daß wir nicht warten, bis der nächste Bundestag in Berlin zusammentritt und dort den Bundeskanzler wählt, sondern daß wir jetzt und hier schon in diesem Bundestag mit dem unerträglichen Zustand aufräumen, daß die Vertreter Berlins in diesem Hause nur eine Statistenrolle spielen und daß sie, wenn über Gesetze abgestimmt wird, die auch in ihrem Lande Berlin gelten, zwar Spielkarten abgeben, daß aber ihre Karten, ihre Stimmen nicht gewogen werden, daß sie in der gesetzlichen Entscheidung nicht zählen. Das ist ein Zustand, den wir in diesem Hause nicht mehr dulden dürfen, das ja doch den gesamten freien Teil Deutschlands vertreten will. Wir sollten es in einem solchen Hause nicht mehr dulden, daß es Abgeordnete minderen Rechtes gibt.
    Ich will nicht weit ausholen, um historisch darzustellen, wie es zu dieser Position minderen Rechtes unserer Berliner Kollegen gekommen ist. Ich muß aber jenes Schreiben vom 12. Mai 1949 an den Parlamentarischen Rat ins Gedächtnis zurückrufen, in dem die drei alliierten Mächte die Geltung des Grundgesetzes in drei Punkten einschränken: erstens sollte Berlin keine abstimmungsberechtigte Mitgliedschaft in den gesetzgebenden Körperschaften, im Bundestag und Bundesrat, haben; zweitens sollte Berlin nicht durch den Bund regiert werden; drittens sollte nur eine beschränkte Anzahl von Vertretern Berlins zur Teilnahme an den Sitzungen der beiden gesetzgebenden Körperschaften entsandt werden können. Diese drei Punkte waren damals die Unterscheidungsmerkmale, die es den drei Mächten erlaubten, der vierten Macht gegenüber die Beachtung des Viermächtestatus, des Sonderstatus von Berlin zu beweisen.
    Ehe ich in die Analyse dieser Vorbehalte eintrete, möchte ich gleich Mißverständnisse zerstreuen und wiederholen, was in der vorausgegangenen Debatte schon gesagt worden ist: daß nämlich jene Einschränkungen. durch die der Sonderstatus Berlins charakterisiert wird, von uns niemals als von fremden Mächten auferlegte Einschränkungen empfunden worden sind, sondern daß wir uns immer mit ihnen abgefunden haben,


    (Dr. Mommer)

    weil wir einsehen mußten, daß sie im Interesse Berlins, daß sie auch in unserem eigenen Interesse lagen. Was ich da sage, gilt auch heute noch, und ich wiederhole nur, was mein Freund Brandt gesagt hat. Wir sind an der Erhaltung des Sonderstatus von Berlin im Interesse der Sicherheit Berlins auch weiter interessiert. Wir haben weiterhin mit den drei Westmächten hier ein gemeinsames Interesse zu vertreten.
    Unser Antrag will deswegen auch keineswegs den Sonderstatus Berlins beseitigen oder auch nur antasten. Am allerwenigsten wollen wir Sozialdemokraten gegenüber der vierten Macht irgend etwas Provokatorisches tun. Wir müssen uns ja vergegenwärtigen, daß diese vierte Macht der eigentliche Grund für jede Einschränkung der Geltung des Grundgesetzes in Berlin ist.
    Wenn wir über den Sonderstatus Berlins sprechen und vorhaben, bestimmte Dinge darin anders zu gestalten, müssen wir uns vor Augen halten, wie wohl diese vierte Macht auf so etwas reagieren könnte. Unser Antrag beginnt deswegen auch mit dieser Feststellung:
    Der Bundestag stellt fest, daß die gegenwärtige internationale Lage das Fortbestehen der Sonderstellung Berlins im Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland weiterhin notwendig macht.
    Wir sind uns alle darin einig, daß das so sein muß.
    Aber worin besteht denn heute der Sonderstatus, über den schon in der vorausgegangenen Debatte gesprochen wurde? Wenn man sich die drei Punkte des Vorbehalts von 1949 vor Augen hält, dann stellt man fest. daß der dritte Punkt inzwischen gänzlich entfallen ist, nämlich daß nur eine beschränkte Anzahl von Vertretern Berlins an den Arbeiten der gesetzgebenden Körperschaften soll teilnehmen können. Der Punkt 2, daß Berlin nicht durch den Bund regiert werden soll, ist völlig und bis auf eine juristische Form ausgehöhlt worden. Es sieht heute in Wirklichkeit ganz anders aus, wie ich noch dartun werde. Der erste Punkt, daß Berlin keine abstimmungsberechtigte Mitgliedschaft in den gesetzgebenden Körperschaften haben soll, ist, wie ich zeigen werde, auch ganz wesentlich durch die Entwicklung verändert worden. Heute besteht der Sonderstatus Berlins in etwas ganz anderem als 1949.
    Es sind, wie ich eben schon sagte, bestimmte Dinge entfallen. Durch die politische Entwicklung sind aber neue Unterscheidungsmerkmale hinzugekommen, ohne daß jemals jemand sie ausdrücklich als Sonderstatus von Berlin definiert hätte. Wir nennen sie in unserem Antrag. Da steht unter a:
    Die Drei Mächte üben im Lande Berlin weiterhin die oberste Gewalt aus.
    Gewiß taten sie das auch schon 1949. Aber 1949 übten sie auch hier im übrigen Bundesgebiet die oberste Gewalt aus, während sie heute die oberste Gewalt nur im Lande Berlin ausüben.
    Dann ist ein weiterer, ganz besonders wichtiger Punkt hinzugekommen, der in unserem Antrag unter 1 c genannt ist:
    Die Rechtsvorschriften über die militärische Verteidigung der Bundesrepublik in Erfüllung der Verpflichtungen aus ihrer Mitgliedschaft im Nordatlantikpakt gelten im Lande Berlin nicht.
    Das ist auch etwas Neues, was erst durch die politische Entwicklung entstanden ist. Es ist inzwischen sogar der wichtigste Punkt von allen geworden.
    Geblieben ist von damals ein besonderes Verfahren, durch das das Recht der Bundesrepublik in Berlin in Kraft gesetzt wird. Aber nur der Form nach wird Berlin vom Bunde nicht regiert. In Wirklichkeit gilt das Recht der Bundesrepublik fast ausnahmslos auch im Lande Berlin. Im Dritten Überleitungsgesetz vom 4. Januar 1952 wird Berlin sogar zur Übernahme unseres Finanz- und Wirtschaftsrechtes verpflichtet, und wenn es es nicht täte, würde es nach diesem Gesetz der Unterstützungen verlustig gehen, die ihm in Aussicht gestellt werden. Ich bemerke auch, daß die Bundesrepublik Berlin nach außen vertritt. In dem besonderen Verfahren ist nur festgehalten worden, daß durch dieses Verfahren die Drei Mächte eine Einspruchsmöglichkeit haben und Recht der Bundesrepublik suspendieren, in Berlin nicht zur Geltung kommen lassen können. Damit ist der Form nach — und nur der Form nach — der Vorbehalt Punkt 2 von 1949 gewahrt worden. Aber ich bin sicher, daß sich die Alliierten 1949 das nicht so vorgestellt haben, daß Berlin „vom Bund nicht regiert" werden soll, wie es dann Wirklichkeit geworden ist, daß nämlich durchgängig, fast ohne Ausnahme alles Recht der Bundesrepublik, alle Gesetze, die wir in diesem Hause beschließen, in Berlin in Kraft gesetzt werden, ohne daß ein Komma geändert wird.
    Ich muß auch bemerken, daß es unter den Merkmalen des Sonderstatus eine Gewichts-, eine Akzentverlagerung gegeben hat. Was es 1949 noch gar nicht gab, ist inzwischen das Wichtigste geworden, nämlich daß alles Recht, das die Wiederbewaffnung betrifft, nicht auf Berlin ausgedehnt wird.
    Wir wissen, daß die vierte Macht in diesem Punkte allerdings ganz empfindlich ist. Es hat keine russische Reaktion auf das Verschwinden von Punkt 3, den ich nannte, gegeben. Es hat keine russische Reaktion darauf gegeben, daß sich die Dinge tatsächlich so entwickelt haben, daß Berlin von hier aus regiert wird. Es hat keine russische Reaktion darauf gegeben, daß die Mitglieder dieses Hauses, die aus Berlin kommen, ihre Position in diesem Bundestag, wie ich noch zeigen werde, wesentlich verbessert haben. Aber als kürzlich eine kleine Panne in den Propagandastellen unseres Verteidigungsministeriums passierte und in den Berliner Zeitungen in Form von Annoncen Freiwilligenwerbung zur Bundeswehr erschien, da gab es eine Reaktion bei der vierten Macht; sie hat ihre Proteste schnurstracks zu den drei Mächten gebracht. Sie sehen daran, wohin durch die politische Entwicklung eigentlich das Wesentliche des Sonderstatus Berlins verlagert worden ist.
    Jetzt wollen wir einmal genau untersuchen, was aus dem spezifischen Vorbehalt geworden ist, der uns heute bei dem Antrag auf Stimmberechtigung der im Lande Berlin gewählten Abgeordneten interessiert. Was ist da geschehen?
    Ursprünglich hieß es in jenem berühmten Schreiben vom Mai 1949, daß eine beschränkte Anzahl Vertreter Berlins zur Teilnahme an den Sitzungen des Bundestages und des Bundesrates benannt werden dürften. Wir müssen heute folgendes fest-


    (Dr. Mommer)

    stellen. Erstens: Im Bundesrat ist diesem Punkt „beschränkte Anzahl" von vornherein nicht Rechnung getragen worden. Berlin hat gleich mit der vollen Anzahl der ihm zustehenden Vertreter im Bundesrat gesessen. Zweitens: Am 28. Mai 1949 protestierten die Militärgouverneure gegen die Absicht, 15 Vertreter Berlins in den Bundestag zu schicken. Sie teilten mit, daß sie höchstens 8 gestatten würden. So wurde es dann auch in dem ersten Wahlgesetz, nach welchem der 1. Bundestag gewählt wurde, gemacht. Aber dieser 1. Bundestag änderte am 15. Januar 1952 das Wahlgesetz dahin, daß Berlin nicht mehr nur 8, sondern 19 Vertreter für den Bundestag benennen durfte. Im Wahlgesetz 1953 wurden aus den 19 Vertretern 22, d. h. soviel, wie Berlin nach dem allgemeinen Schlüssel auf Grund seiner Bevölkerung zustehen. Damit war Punkt 3 des Vorbehalts von 1949 — was die beschränkte Anzahl betrifft — völlig verschwunden. Das haben die drei Mächte stillschweigend geduldet und damit legalisiert, und — ich wiederhole es — das hat die vierte Macht stillschweigend geduldet und damit legalisiert.
    Wie war es mit der nur beratenden Teilnahme, die den Vertretern Berlins gestattet werden sollte? In Wirklichkeit sind unsere Berliner Kollegen keineswegs nur beratende Abgeordnete in diesem Hause, sondern sie haben eine ganze Anzahl von Rechten, die höchst wesentlich sind,

    (Abg. Dr. Friedensburg: Ich denke, wir sind Statisten! Das haben Sie doch gerade gesagt!)

    aber es fehlt ihnen ein Entscheidendes, Herr Friedensburg, und ich hoffe, daß Sie uns helfen, für sie zu erreichen, daß sie bei allen Gesetzen, wenn abgestimmt wird, mitstimmen können und mit beeinflussen können, wie die Gesetze aussehen, die dann in Berlin Geltung bekommen.

    (Abg. Dr. Friedensburg: Reine Statisten sind wir also nicht mehr!)

    — Gut, ich will Ihnen konzedieren, daß sie etwas mehr sind.
    Ich will jetzt aufzählen, welche Rechte die Berliner Abgeordneten haben. Sie haben eine Reihe von Rechten. Nur das entscheidende und nach außen sichtbarste haben sie nicht. Sie haben das Initiativrecht. 15 Berliner Abgeordnete können wie 15 andere Abgeordnete z. B. Gesetzentwürfe in diesem Hause einbringen. Sie haben das Stimmrecht in den Ausschüssen. Wir haben es erlebt, daß im Wahlmännerausschuß für das Bundesverfassungsgericht ein Berliner Abgeordneter saß. Im Richterwahlausschuß sitzen zwei stimmberechtigte Berliner Abgeordnete. Wir haben bei der Wahl des Bundespräsidenten in Berlin vom 17. Juli 1954 die Stimmen unserer Berliner Kollegen nicht nur gezählt, sondern mitgezählt und in der Waagschale mitwiegen lassen. Wir haben gesehen, wie ein Berliner Mitglied dieses Hauses unangefochten für die Präsidentschaft des Bundestages kandidieren konnte. Wir haben vor uns einen Berliner Abgeordneten als Vorsitzenden der größten Fraktion.

    (Abg. Dr. Friedensburg: Also doch keine Statisten!)

    Und wir haben es kürzlich erlebt, daß sich hier ein Abgeordneter von den niederen Bänken, auf denen nur legiferiert wird, auf die höhere Bank emporgeschwungen hat, auf der regiert wird.
    Meine Damen und Herren, das alles ist möglich gewesen, ohne daß es eine Reaktion von seiten der vierten Macht, natürlich auch ohne daß es eine Reaktion der drei Mächte gegeben hätte. Wir verstehen deshalb nicht die Logik, welche sagt: das alles ist möglich. Ein Berliner Abgeordneter kann Mitglied eines Kabinetts werden, von dem der Bundeskanzler mit Recht sagt, daß das ein sehr politischer Klub sei. Aber diese Berliner Abgeordneten sollen das Stimmrecht in diesem Hause bei der Verabschiedung von Gesetzen im Plenum und bei der Wahl des Bundeskanzlers angeblich nicht bekommen können, ohne daß ein Malheur passiert, ohne daß es Reaktionen — ich weiß nicht, welche — der vierten Besatzungsmacht geben würde, um eine Veränderung im Status Berlins zu verhindern.
    Wenn man sich nüchtern überlegt, wie sich diese Dinge in der Entwicklung befunden haben und wieviel anders als 1949 die Merkmale des Sonderstatus Berlins heute aussehen, dann kann man doch nur zu dem Schluß kommen, daß das Stimmrecht der Berliner Abgeordneten für den Sonderstatus eine quantité négligeable ist, etwas ist, was überhaupt nicht mehr ins Gewicht fällt, nicht mehr ins Gewicht fällt für den Sonderstatus, aber von entscheidender Bedeutung ist für die Berliner selbst, da sie durch die Veränderung, die wir vorschlagen, zu voll- und gleichberechtigten Mitgliedern dieses Hauses würden. Diese Veränderung wäre auch für den Bundestag nicht gleichgültig, denn er würde dadurch zu einer einheitlichen Körperschaft mit Abgeordneten von nur einer Art mit nur einer Art von Rechten und Pflichten und nicht wie jetzt mit zweierlei Abgeordneten, von denen ein Teil nicht die vollen Rechte und, wenn über Gesetze abgestimmt wird und entscheidende Wahlen, wie z. B. die Wahl des Bundeskanzlers, stattfinden, kein Stimmrecht haben.
    Die Veränderung, die wir vorschlagen, ist auch von Bedeutung für die gesamtdeutsche Politik, denn damit wären wir wieder einmal in der Wiedervereinigung unseres Landes einen Schritt vorwärtsgekommen.
    Die Logik, die besagt, daß das Stimmrecht der Abgeordneten im Sonderstatus von Berlin eine quantité négligeable geworden ist, gilt auch für den Wahlmodus in Berlin. Ob indirekte oder direkte Wahlen in Berlin, auch das ist für die Gesamtheit der Merkmale des Sonderstatus von völlig untergeordneter Bedeutung geworden. Ich freue mich, da in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundeskanzler zu sein, der schon am 16. Januar 1953 dieser Meinung war und sie in einem Brief an unseren Kollegen Ollenhauer zum Ausdruck brachte, in dem er erklärte, daß er die Beziehung dieser Sache zu dem Status von Berlin sehr gering einschätze. Es heißt dort:
    Eine unmittelbare Beteiligung von Westberlin an der Wahl
    — von 1953 nämlich —
    ist nach meiner Auffassung nicht erwünscht. Ich würde zwar mit Ihnen darin keine grundsätzliche Änderung der Situation in bezug auf das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und Berlin erblicken ...
    Darin kommt zum Ausdruck, daß schon damals der
    Herr Bundeskanzler in der direkten Wahl der Ber-


    (Dr. Mommer)

    liner Abgeordneten keine wesentliche Veränderung
    in der Stellung Berlins im Bunde gesehen hätte.

    (Abg. Dr. Friedensburg: Gerade das haben Sie aber nicht beantragt!)

    — Das haben wir im Augenblick nicht gefordert, Herr Friedensburg. Wir warten darauf, daß Sie es fordern, und dann werden wir Ihnen mit größtem Beifall zustimmen.

    (Abg. Pelster: Dann werden Sie es ablehnen!)

    — Es ist darüber ein Mißverständnis in der Öffentlichkeit entstanden. Wir haben einen Gesetzentwurf zur Änderung des Wahlgesetzes vorgelegt. Darin wird im Augenblick nicht gefordert, daß in Berlin direkte Wahlen stattfinden. Es wäre logisch, es zu fordern; aber wir sind überzeugt, daß wir vor allem die drei Mächte in diesem Moment nicht überfordern dürfen und daß wir zunächst einmal in der Frage des Stimmrechts von der Stelle kommen sollten. Aber, Herr Kollege Friedensburg, ich glaube, Sie werden das Wort ergreifen. Wenn Sie über die Möglichkeiten des Durchsetzens anderer Meinung sein sollten, dann können Sie sicher sein, daß Sie unsere begeisterte Zustimmung finden werden.
    Man kann nur schließen, daß der gesamte Vorbehalt betreffs der Stellung der Vertreter Berlins in den gesetzgebenden Körperschaften überholt ist. Was denkt sich denn der, der das nicht glaubt, welches die Reaktion der vierten Macht sein könnte? Was würden die Russen tun, wenn wir den Berliner Abgeordneten hier die volle Gleichstellung mit den anderen geben würden? Ich glaube, daß wir alle es gut ertrügen, wenn die Reaktion käme, die logisch wäre, daß nämlich den Vertretern Ostberlins in der Volkskammer das volle Stimmrecht gegeben würde.

    (Abg. Mattick: Das wäre ja nur volles Zustimmrecht, nicht Stimmrecht!)

    — Eben deswegen würden wir es besonders gut ertragen.
    Aber glaubt denn jemand, daß die vierte Macht wegen des Stimmrechts der Berliner Abgeordneten ernsthaft Zwangsmaßnahmen irgendwelcher Art ins Auge fassen würde? Und warum dann bei dieser Entwicklung? Warum hat diese Macht nicht reagiert, als wir früher in anderen Punkten, die ich aufgezählt habe, den Status Berlins so wesentlich modifizierten?
    Was nach unserer Überzeugung also durchaus politisch möglich ist, ohne im geringsten die Sicherheit Berlins zu gefährden, weil es auf der Linie einer jetzt schon achtjährigen Entwicklung liegt und diese Linie nur ein wenig fortsetzt, — was da möglich ist, das ist außerdem eine unausweichliche politische Notwendigkeit, eine Notwendigkeit der gesamtdeutschen Politik geworden. Wir sollten uns doch darin einig sein, daß das Bundesrecht in Berlin und die Rechte Berlins im Bund nicht mehr eingeschränkt werden, als strikt erforderlich ist, um den Sonderstatus Berlins aufrechtzuerhalten.
    Wir glauben weiter, daß es ein Gebot der Demokratie ist, den Berliner Abgeordneten hier das volle Stimmrecht zu geben. Für zweieinhalb Millionen Deutsche im Lande Berlin werden hier Gesetze gemacht, ohne daß bei den entscheidenden Abstimmungen hier im Plenum die Vertreter dieser zweieinhalb Millionen mitsprechen können. Wir haben es bei den Rentengesetzen in den letzten
    Wochen erlebt, daß z. B. die Altersgrenze für Frauen in Berlin heraufgesetzt wurde. Auf der einen Seite der Straße an der Sektorengrenze, auf der westlichen Seite, ist das Rentenalter jetzt auf 65 Jahre heraufgesetzt worden, während auf der anderen Seite der Straße als Altersgrenze weiterhin das 60. Lebensjahr gilt. Die Entscheidung wurde gefällt, ohne daß die Vertreter Berlins in diesem Hause die Entscheidung mit ihrer Stimme hätten beeinflussen können.

    (Abg. Pelster: Ihr Redner war doch Schellenberg! — Abg. Dr. Seffrin: Sie haben doch mitgesprochen!)

    — Mitgesprochen, aber nicht mitgestimmt! Es geht darum, diese Ungleichheit jetzt zu beseitigen. Sie sollen nicht nur mitsprechen, sondern auch mitstimmen.
    Schließlich ist in diesem Hause eine veränderte Situation eingetreten, als wir jetzt im Januar die Freude hatten, zehn Kollegen von der Saar hier begrüßen zu können. Trotz Sonderstatus des Saarlandes und trotz der indirekten Wahl — man beachte sehr! — dieser zehn Vertreter des Saarlandes haben Sie, mit unserer vollen Billigung selbstverständlich, hier volles Stimmrecht.
    Nachdem dieser Zustand eingetreten ist, sollten wir uns doch alle entschließen, zu sagen: Wir wollen hier nur noch eine Art von Abgeordneten, alle mit gleichen Rechten und Pflichten. Das für die Berliner Abgeordneten ein klein wenig demütigende Spiel, daß sie zu der Sonderurne gehen müssen, wenn namentliche Abstimmungen sind, und den Arm nicht heben dürfen, wenn abgestimmt wird, sollte jetzt endlich beendet werden.
    Ich will nicht schließen, ohne einige Einwände, mit deren Kommen ich rechne, vorweggenommen zu haben.
    Man sagt, die Berliner Abgeordneten seien nicht direkt gewählt. Ich sagte schon: wir sind bereit, diesen Mangel zu beheben. Wollen wir gemeinsam dafür sorgen, daß diese direkte Wahl schon im September möglich wird! Ich stelle dem Einwand weiter entgegen, daß die Abgeordneten der Saar ebenfalls indirekt gewählt sind, ebenfalls der „höheren Weihe" des Abgeordneten entbehren, und trotzdem voll stimmberechtigt sind, auch bei denjenigen Gesetzen, die im Saarland selbst keine Geltung bekommen. Und schließlich glaube ich, daß es nicht die Absicht des Grundgesetzgebers war — auch im Text steht es nicht so —, die Rechte Berlins mehr einzuschränken, als es durch die Zwangslage, in der sich der Grundgesetzgeber befand, notwendig war.

    (Vizepräsident Dr. Becker übernimmt den Vorsitz.)

    Es wird auch mit der Idee gespielt, den Berliner Abgeordneten hier zwar etwas mehr an Rechten zu geben, sie bei Gesetzen, die auch in Berlin Gültigkeit bekommen, also die Berlin -Klausel haben, mitstimmen zu lassen, ihnen aber weiterhin das Stimmrecht vorzuenthalten bei anderen Gesetzen, die in Berlin nicht in Kraft gesetzt werden sollen. Ich glaube, das wäre gegen die Logik des gesamten Vorschlags. Wenn nämlich das Stimmrecht der Berliner Abgeordneten für den Sonderstatus von Berlin belanglos ist — und wir sind dieser Überzeugung —, dann sollte man jetzt nicht Angst vor seinem eigenen Mut bekommen, sollte also nicht sagen: Ja, aber sie dürfen nicht mitstimmen, wenn die Gesetze in Berlin nicht gelten. Auch das Beispiel der Saarabgeordneten muß uns ja den Mut


    (Dr. Mommer)

    geben, den Berliner Kollegen Stimmrecht für Gesetze zu geben, die in dem Lande, aus dem diese Abgeordneten kommen, keine Geltung erlangen. Machen wir also ganze Arbeit, wenn wir schon einmal dabei sind, und geben wir den Berliner Abgeordneten das volle Stimmrecht!
    Ein weiterer, politisch ganz besonders erheblicher Gesichtspunkt ist folgender. Man macht uns Sozialdemokraten den Vorwurf, wir kämen mit einem solchen Antrag aus parteipolitischen, aus wahlpolitischen Gründen, deswegen, weil die parteipolitische, die fraktionsmäßige Zusammensetzung der Abgeordnetengruppe, die aus Berlin kommt, anders, und zwar für uns günstiger ist als die Zusammensetzung dieses Hauses im übrigen. In der Tat, aus Berlin kommen bei insgesamt 22 Abgeordneten 11 Sozialdemokraten; 14 gehören gegenwärtig der Opposition an, und nur 8 gehören zu den Mehrheitsparteien. Aber ich glaube, uns Sozialdemokraten kann man so nicht verdächtigen. Kein Mitglied dieses Hauses wird mir widersprechen, wenn ich sage, daß wir uns im Kampfe für die Heimkehr der Saar von niemand haben übertreffen lassen. Und dabei waren wir uns immer im klaren darüber, daß die Heimkehr der Saar uns eine Anzahl von Abgeordneten aus dem Saarland einbringen würde, deren fraktionsmäßige Zusammensetzung keineswegs für die Sozialdemokratie günstig sein würde. Wir haben uns trotzdem mit aller Kraft und überall dafür eingesetzt, daß das deutsche Saarland so schnell wie möglich wieder ganz und voll zu Deutschland gehöre. Die gleiche demokratische Gesinnung und das gleiche gesamtdeutsche Streben, das uns da veranlaßt hat zu kämpfen, macht uns auch jetzt zum Anwalt Berlins und der Wiedervereinigung. Was uns angeht, können wir 1 jenen Vorwurf der Parteipolitik leicht entkräften. Ich muß es dem CDU-Redner überlassen, den entgegengesetzten Vorwurf hier zu parieren — der ja in der Öffentlichkeit erhoben wird —, daß die spezielle Zusamensetzung der Berliner Delegation
    — wenn ich mal so sagen darf — dazu führe, daß man den Eindruck gewinne, man müsse die Mehrheitsparteien dieses Hauses „zum Jagen tragen", wenn es darum geht, den Berliner Abgeordneten hier die volle Gleichberechtigung zu verschaffen.

    (Zuruf des Abgeordneten Pelster.)

    — Herr Kollege, Sie wissen ja, daß das vermutet wird, und es ist Ihre Sache, das zu widerlegen. Die einfachste Art, es voll und ganz zu widerlegen, ist, sich jetzt mit aller Kraft dafür einzusetzen, daß das Ziel des Antrags erreicht wird.
    Schließlich, meine Damen und Herren, noch ein Wort über die Drei Mächte. Wir glauben, man sollte sich hier nicht wie in der Angelegenheit Bundeshauptstadt Berlin hinter den Drei Mächten verstecken.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir wollen erst einmal wissen, was w i r hier wollen, w i r in diesem Hause. Halten w i r das Stimmrecht für die Berliner Abgeordneten für notwendig? Halten w i r dieses Stimmrecht bei dem besonderen Status von Berlin für entbehrlich? Glauben w i r , daß die Beseitigung dieser Ungleichheit hier im Hause zu schlimmeren Reaktionen der vierten Macht führen könnte? Und die Frage ist, ob wir gewillt sind, alle Gründe, die für die Gleichstellung unserer Berliner Kollegen sprechen, mit Nachdruck bei den Drei Mächten zu vertreten. Wenn wir uns darin einig sind, daß das alles notwendig ist, und wenn wir gemeinsam bei den Drei Mächten diesen Standpunkt vertreten und darauf hinweisen, daß ihr Status in Berlin, an dem wir genau so interessiert sind wie sie selbst, nicht berührt wird, dann wird sich im ernsten Gespräch mit den Vertretern dieser Drei Mächte zeigen, daß der Optimismus unseres Antrags nicht übertrieben ist, der in seinem letzten Punkt sagt: Der Bundestag vertraut darauf, daß die Drei Mächte keine Einwendungen erheben.

    (Beifall bei der SPD und dem GB/BHE.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Friedensburg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ferdinand Friedensburg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wohl niemand im Hause, der nicht ein offenes Ohr und ein warmes Herz für das Anliegen hätte, das vom Kollegen Mommer hier so eindrucksvoll vertreten worden ist. Selbstverständlich wären wir schlechte deutsche Abgeordnete und wären insbesondere wir Berliner besonders schlechte Berliner Abgeordnete, wenn wir es nicht auf das herzlichste begrüßen sollten, falls es gelänge, die Berliner in diesem nicht ganz unwichtigen Punkt den Kollegen aus dem Bundesgebiet völlig gleichzustellen. Das darf ich vorausschicken, und Sie dürfen deshalb von vornherein gewiß sein, daß die drei Fraktionen, in deren Namen ich hier spreche — meine politischen Freunde von der CDU/CSU, meine Kollegen und Freunde von der Deutschen Partei und der Freien Volkspartei —, den Antrag mit großer Gewissenhaftigkeit prüfen und gern bereit sein werden, sich im Ausschuß noch einmal mit Ihnen darüber zu unterhalten.
    Meine Damen und Herren, ich möchte darüber hinaus auch noch sagen — und auch das spreche ich im Namen meiner politischen Freunde aus —, daß wir es besonders gern sehen würden, wenn wir in einer Frage von einiger nationaler Bedeutung — als solche erkennen wir das Anliegen an — mit Ihnen durchaus an einem Strang ziehen könnten. Ich glaube, Herr Kollege Mommer, es bedarf nicht der Versicherung, wie sehr es mich freuen würde, wenn ich auch heute mit Ihnen in diesem Punkt wieder übereinstimmen könnte. Das zu sagen, bin ich Ihnen, glaube ich, schuldig, und ich glaube, wenn ich das gesagt habe, habe ich es nicht nötig, hier noch auf den Vorwurf eines gewissen parteipolitischen Egoismus einzugehen. Es ist unser wohl nicht würdig, daß wir uns gegen solche Vorwürfe verteidigen.

    (Sehr gut! und Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir haben Ihnen das nicht vorgehalten und werden es nicht tun, obwohl dies sehr viel näher läge, weil Sie die Initiative gehabt haben. Ich bitte Sie, auch uns mit einer solchen Unterstellung zu verschonen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Es sind sehr ernste, schwerwiegende und wohlerwogene Bedenken, die ich Ihnen vorzutragen habe.

    (Abg. Dr. Mommer: Uns sind Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers zu Ohren gekommen!)

    Natürlich wären wir froh — und gerade ich spreche hier als Berliner Abgeordneter —, wenn wir in allem und jedem gleichberechtigt in diesem Hause wären. Ich glaube aber, daß wir es sowohl dem Präsidium wie der Kollegenschaft in diesem


    (Dr. Friedensburg)

    Hause schuldig sind, anzuerkennen, daß man uns bisher in keiner Weise irgendwie als Kollegen minderen Rechts behandelt hat.

    (Zustimmung in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Das ist doch selbstverständlich!)

    — Das ist gar nicht so selbstverständlich! Meine Damen und Herren, wenn Sie mit solchen Minderwertigkeitskomplexen behaftet sind und es schon als eine Zumutung ansehen, nach vorn zu gehen, dann kann man überhaupt nicht diskutieren.

    (Beifall in der Mitte.)

    Jedenfalls glaube ich, daß es geradezu eine gewisse Undankbarkeit wäre, wenn wir nicht sagen wollten, daß wir Berliner Abgeordneten hier immer mit der Achtung und mit der Ebenbürtigkeit behandelt worden sind, auf die wir nach unserer Tradition und unserer besonderen Stellung Anspruch zu haben glauben. Ja, ich bin, als ich vor fünf Jahren zum erstenmal die Ehre hatte, diesen Raum zu betreten, fast ein wenig gerührt gewesen, daß wir Berliner, wenn überhaupt, dann einen Unterschied zu unseren Gunsten spüren konnten. Ich habe den Eindruck, daß ein Berliner an dieser Stelle eher Gehör und eher Verständnis findet in Anerkennung unserer besonderen Lage als ein anderer.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das bei dieser Gelegenheit nicht auszusprechen, würde ich in der Tat als eine ungehörige Unterlassung ansehen.
    Ich glaube auch, daß es nicht berlinerische Art ist, sich zurückgesetzt zu fühlen. Das ist eine Sache, die uns im allgemeinen nicht nachgesagt worden ist und die auch der besonderen Struktur unserer Menschen durchaus nicht angepaßt ist. Es ist auch nicht die Art, in der wir unsere Berliner Interessen mit rechtem Erfolg vertreten können. Wir haben im allgemeinen den guten Ruf — ich höre das gerade auch im Ausland —, daß man in Berlin am wenigsten die deutsche Neigung spürt, sich irgendwo zurückgesetzt und schlechter behandelt zu fühlen. Ich glaube nicht, daß wir gut beraten sind, wenn wir von dieser alten Haltung abweichen wollten.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Darum geht es doch gar nicht, Herr Friedensburg! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    — Ich möchte es auch Ihnen sagen, —

    (Abg. Neubauer: Sie reden um die ganzen Dinge herum! — Weiterer Zuruf von der SPD: Zur Sache!)

    — Ich komme auf alles. Ich kann doch nicht alles auf einmal sagen.

    (Zuruf von der SPD: Das hätten Sie gar nicht sagen sollen!)

    — Warten Sie doch ab! Ich gehöre nicht zu den Leuten, die hier auf das Podium gehen, um dem Andersdenkenden irgend etwas um die Ohren zu schlagen. Ich versuche, Sie zu überzeugen. Bitte, hören Sie mich in Ruhe an. Ich glaube, es könnte auch Ihnen nicht schaden.
    Ich möchte zunächst einmal an die besondere preußisch-deutsche Struktur Berlins erinnern. Die Wiedererringung der Hauptstadt-Eigenschaft ist ja nicht ein formaler Anspruch unserer Stadt. Es ist doch nicht ewiglich mit der Tradition zu begründen, nicht damit, was früher einmal gewesen ist, sondern es wird von uns, soweit wir über diese Dinge ernsthaft nachdenken, damit begründet, daß wir glauben, unsere besondere Art, zu denken und zu handeln, sollte im neuen Deutschland stärker als bisher zur Geltung kommen, nämlich in der Form, daß Berlin wieder die Hauptstadtfunktionen ausübt. Das ist nun einmal nicht bloß eine Frage der monarchischen Überlieferung, nicht eine Frage des kaiserlichen Berlin, das ist genauso eine Frage der Haltung des republikanischen Berlins unter Otto Braun und Carl Severing gewesen. Das ist das preußisch-deutsche Ethos der selbstlosen Pflichterfüllung, des Nicht-mehr-sein-Wollens, des „Mehr sein als scheinen",

    (Abg. Frau Wolff [Berlin] : Aber Kinder!)

    das ist das Ethos der Unterordnung des engen Sondervorteils zugunsten des allgemeinen Wohls. Ich bitte unsere süddeutschen und westdeutschen Freunde, aus meinen Worten nicht den Versuch zu hören, irgendeine hervorgehobene Stellung der Berliner zu behaupten, sondern es scheint mir notwendig, das einmal zu sagen, nachdem diese preußische Tradition durch den Federstrich der Siegermächte ausgelöscht, beseitigt worden ist. Diese Auslöschung ist territorial und staatsrechtlich vollzogen worden und wahrscheinlich nicht so leicht wiedergutzumachen. Aber was die ethische, die moralische Haltung angeht, — ich glaube, da wäre es ganz gut, wir erinnerten uns gelegentlich dieser großen Tradition und brächten sie auch im neuen Deutschland zur Geltung. Die Art, sich immer zu beschweren und immer zurückgesetzt zu fühlen, entspricht, glaube ich, nicht dieser alten, stolzen Tradition.

    (Beifall in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

    Zu unserer Haltung hier möchte ich auch noch folgendes sagen. Das Recht der Berliner, hier zu sprechen, entspricht der eigentlichen Funktion des Parlaments. Es heißt doch „Parlament". Es ist ein Haus, wo gesprochen wird. Es heißt nicht „Resolutionament", sondern es heißt „Parlament", das Haus, in dem gesprochen wird. Das eigentliche Wesen, das entscheidende Wesen des Parlaments beruht auf dieser Funktion des Sprechens, an der wir Berliner Abgeordnete, glaube ich, bisher in keiner Weise gehindert warden sind.

    (Abg. Meitmann: Nicht die Entscheidung über Gesetze? — Abg. Dr. Arndt: Das erinnert schon an Brentanos Bemerkung von der „perversen Genugtuung", was Sie hier sagen!)

    Meine Damen und Herren, welche Begründung geben Sie? Ich habe den Antrag gelesen.

    (Abg. Meitmann: Sie degradieren das Parlament zur bloßen Sprechbude! Das Parlament hat doch die Aufgabe, Politik zu machen, die Regierung zu kontrollieren und über Gesetze abzustimmen! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    — Meine Damen und Herren, seien Sie doch mal vernünftig! Sie müssen sich doch mal eine andere Meinung anhören können, lieber Kollege Meitmann!