Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Es ist interfraktionell vereinbart — so wurde mir wenigstens eben zutelephoniert —, daß jetzt, ohne daß wir in eine Geschäftsordnungsdebatte einzutreten brauchen, in der Tagesordnung wie folgt verfahren werden soll. Als erster Punkt soll die zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gewährung einer Sonderzulage für den Monat Dezember 1956 in den gesetzlichen Rentenversicherungen behandelt werden, als zweiter Punkt die heute als Punkt 1 auf der Tagesordnung stehende zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Naegel, Stücklen, Dr. Atzenroth, Dr. Elbrächter und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Industrie- und Handelskammern. Als dritter Punkt soll die gestern abend abgebrochene Jugenddebatte — wenn ich diesen Punkt so zu-
sammenfassen darf — weiter behandelt werden, wobei ich mir vorstelle, daß nur noch die Sprecher der Fraktionen das Wort ergreifen, die gestern noch nicht gesprochen haben. Dann sollen die gestern nicht erledigten Punkte 5, 6, 7 und 8 weiter behandelt werden; sie sind ja alle ohne Debatte vorgesehen. Ich muß das erwähnen, weil formell, als gestern abend der Beschluß gefaßt wurde, daß so verfahren werden sollte, das Haus beschluß-unfähig war und infolgedessen auch keine Tagesordnung gültig festsetzen konnte. Schließlich soll die Tagesordnung so abgewickelt werden, wie sie für heute bestimmt war. — Ich höre keinen Widerspruch; das Haus ist damit einverstanden.
Damit trete ich in die Tagesordnung ein und rufe Punkt 1 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gewährung einer Sonderzulage für den Monat Dezember 1956 in den gesetzlichen Rentenversicherungen (Drucksache 2784);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 2811, Umdrucke 790, 792, 793).
Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Bals.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sozialpolitische Ausschuß hat am 24. Oktober vom Plenum den Auftrag bekommen, den Antrag der FDP betreffend den Entwurf eines Zweiten Gesetzes über die Gewährung von Sonderzulagen in der gesetzlichen Rentenversicherung, Drucksache 2727, den Antrag der SPD betreffend den Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung eines Abschlages auf die Nachzahlungen nach der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen, Drucksache 2766, und den Antrag der CDU/CSU, Drucksache 2784, zu beraten.
Die Anträge wurden am 25. Oktober vom Sozialpolitischen Ausschuß behandelt. Der Versuch, eine gemeinsame Vorlage zu erarbeiten, scheiterte. Nach dem Antrag der CDU/CSU ergeben sich Ausgaben von 220 bis 240 Millionen DM, nach dem ,der SPD ergeben sich Ausgaben von zirka 640 Millionen DM. Ein Vermittlungsvorschlag der FDP, eine Sonderzulage in Höhe des vierfachen Mehrbetrages zu gewähren, wurde bei mehreren Stimmenthaltungen abgelehnt. Die Vertreter der Regierungsparteien erklärten, sie könnten über den 75-Millionen-Zuschuß des Bundesfinanzministeriums nicht hinausgehen. Daraufhin erklärte ein Sprecher der SPD-Fraktion, das sei durchaus nicht nötig, die finanzielle Auswirkung der Zulage könne von den Rentenversicherungsträgern getragen werden. Auch dieser Vorschlag wurde von der Mehrheit des Ausschusses abgelehnt.
Der Ausschuß beantragt, die Anträge der FDP und der SPD abzulehnen und den Antrag der CDU/CSU anzunehmen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten ein in die Einzelberatung der zweiten Lesung. Ich rufe auf § 1 und dazu den Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Umdruck 790*), sowie einen Änderungsantrag der Fraktion der SPD**), der mir soeben schriftlich zugegangen ist und noch nicht im Umdruck vorliegt. Ich nehme an, daß ihn der Sprecher der SPD im einzelnen begründen wird. Der Antrag der SPD ist auch der weitergehende. — Herr Professor Schellenberg, bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD beantragt zu § 1 Abs. 1 einen Text, der im sozialpolitischen Inhalt dem § 1 des SPD-Gesetzentwurfs entspricht, nach dem eine Zahlung in Höhe einer Monatsrente im Monat November gewährt werden soll. Der Änderungsantrag meiner Fraktion ist notwendig, weil die Mehrheit des Ausschusses und insbesondere die Kollegen ,der CDU nicht bereit waren, mit den anderen Parteien eine Verständigung über die Höhe der Sonderzulage, die über ihre Mindestbeträge in Höhe von 14 DM, 21 DM und 10 DM hinausging, herbeizuführen. Das kann ich nicht nur im Namen meiner politischen Freunde sagen, sondern das war, glaube ich, auch der Eindruck bei allen anderen Fraktionen. Auch der Hinweis, den wir bei den Beratungen machten, daß die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder mit Zustimmung des Herrn Bundesfinanzministers wenigstens eine einmalige Zahlung in Höhe von zwei Dritteln einer Rente gewährt hat, blieb auf die Mehrheit des Ausschusses ohne Eindruck.
Der sozialdemokratische Änderungsantrag zu Abs. 1 des § 1 ist aus folgenden drei Gründen gerechtfertigt.
Erstens. Die Rentner haben seit Ende Mai keine Sonderzahlung erhalten, und sie benötigen noch vor Eintritt des Winters eine wirksame Hilfe.
Zweitens. Von der Mehrheit wird erklärt, diese Überbrückungszahlung dürfe die Rentenreform nicht präjudizieren. Dann darf aber nicht in dieser Form ein veränderter Mehrbetrag mit neuen Mindestbeträgen eingeführt werden, sondern dann ist es das Gegebene, sich an die bisherige Rentengestaltung zu halten, also von der bisherigen Rente auszugehen.
Drittens. Der Einnahmeüberschuß der Träger der Rentenversicherung wird in diesem Jahre 2 Milliarden DM betragen, die zu den schon vorhandenen 8 Milliarden DM hinzutreten. Bei dieser Sachlage ist nach Auffassung meiner politischen Freunde die Diskrepanz zwischen einem Zuwachs von 2 Milliarden DM und einer Zulage in Höhe des Beschlusses der Mehrheit des Ausschusses unerträglich. Wir müssen auch bei dieser Übergangsregelung die Leistung so gestalten, daß sie in einem sinnvollen Verhältnis zu den Einnahmeüberschüssen steht. Deshalb beantragen meine politischen Freunde, den § 1 Abs. 1. dergestalt zu ändern, daß als einmalige Zahlung der Betrag einer Monatsrente gewährt wird.
*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 3.
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Der Text des SPD-Antrages lautet folgendermaßen:
§ 1 Abs. 1 erhält folgende Fassung:
Im Monat November 1956 wird in der Rentenversicherung der Arbeiter, der Rentenversicherung der Angestellten und der knappschaftlichen Rentenversicherung zusätzlich eine Sonderzulage in Höhe einer Monatsrente einschließlich Kinderzuschuß gewährt. Die Sonderzulage wird den Rentnern gewährt, die für den Monat November 1956 Anspruch auf Rente haben.
Dieser Antrag stellt eine vollständige Fassung des § 1 dar. Was sonst noch zusätzlich geregelt werden sollte, könnte, wenn der Änderungsantrag angenommen wird, fortfallen.
Ich erteile nunmehr das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Jentzsch zur Begründung des FDP-Antrags auf Umdruck 790*), der ebenfalls den § 1 betrifft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anläßlich der vorgestrigen ersten Beratung der drei Gesetzentwürfe habe ich im Namen meiner politischen Freunde erklärt, daß wir bereit sind, unter Verzicht auf Prioritäts- und Prestigeansprüche, lediglich um der Sache willen, jeden nur möglichen Weg zu beschreiten, der geeignet ist, hier tatsächlich eine Abhilfe zu schaffen. Aus diesem Grunde haben wir auch davon Abstand genommen, unseren ursprünglichen Antrag von vorgestern erneut vorzulegen.
Während der Beratungen des Sozialpolitischen Ausschusses haben wir unsere ursprünglichen Ansprüche weitgehend ermäßigt. Wir haben versucht, eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Auffassungen der Kollegen der CDU/CSU und denen der SPD zu schlagen. Es ist tatsächlich aber auch fast kein Mittel ungenutzt geblieben, um eine Verständigung zu erlangen.
Um so größer und schmerzlicher ist unsere Enttäuschung, daß jeder gute Wille an einer — entschuldigen Sie den Ausdruck — fast intransigent zu nennenden Haltung der tragenden Regierungspartei gescheitert ist.
Wir haben uns — und nun alle Fraktionen mit Ausnahme der FVP — geschlossen der CDU/CSU gegenübergesehen.
Um nun dennoch die nach unserer Auffassung ungenügenden Leistungen, die die CDU/CSU für die Rentner vorsieht, zu ändern, haben wir Ihnen heute diesen Änderungsantrag vorgelegt, in dem wir das Fünffache des Mehrbetrages fordern, in dem wir weiterhin einen Teil aus den Forderungen unseres ersten Antrages vom Mittwoch — die einheitliche Zubilligung eines Mindestbetrages von 25 Deutschen Mark für die in Frage kommenden Versichertenkreise — wiederaufnehmen. Wir sind der Meinung, daß mit diesen schon gegenüber den Forderungen der SPD, den ursprünglichen Forderungen der FDP und den Forderungen, die vom BHE geltend gemacht worden sind, sehr weit zurückgeschraubten Wünschen eine Möglichkeit gegeben ist, die von der Mehrheit dieses Hauses wahrgenommen werden sollte. Wir empfehlen Ihnen die Annahme unseres Änderungsantrags.
*) Siehe Anlage 2.
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Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner politischen Freunde bitte ich Sie, die beiden eben begründeten Anträge abzulehnen. Lassen Sie mich an den Anfang meiner Ausführungen ein Wort zu dem stellen, was Herr Dr. Jentzsch gesagt hat, und das möchte ich ihm mit Nachdruck vorführen. Ich verwahre mich sehr dagegen, daß Sie unsere Haltung von gestern als intransigent bezeichnen.
Meine Damen und Herren, es ist sowohl Ihnen, Herr Professor Schellenberg, wie auch Ihnen, Herr Dr. Jentzsch, bekannt, daß wir bei den gestrigen Beratungen Ihre Vorschläge, die Sie brachten, durchaus immer wieder eingehend geprüft haben und daß uns lediglich unsere Verantwortung vor dem Ganzen dazu gebracht hat, Ihre Anträge abzulehnen.
Ich verwahre mich auch dagegen, Herr Professor Schellenberg, daß Sie betonen, wir seien überhaupt nicht bereit, auf Ihre Vorschläge einzugehen. Sie wissen selbst, daß wir die Sitzung unterbrochen hatten, um in der Zwischenzeit zu beraten, und daß lediglich die genaue Prüfung Ihrer Anträge uns veranlaßt hat, auf unserem Antrag zu beharren.
Sie haben wiederum, Herr Professor Schellenberg, vorhin bei der Begründung Ihres Antrags wie
gestern im Ausschuß darauf Bezug genommen, daß die Zusatzversorgungsanstalt. des Bundes und der Länder eine Zweidrittelrente an die Bezieher von Renten aus der Zusatzversorgungsanstalt gewährt habe. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß die Renten der Zusatzversorgungsanstalt ganz anderen Bedingungen unterliegen als die Renten in den Rentenversicherungsanstalten, daß außerdem in der Zusatzversorgungsanstalt die Rentenaufbesserungen bei weitem nicht das Maß erreichen, das wir bei den sonstigen Sozialrenten bisher an Aufbesserungen gewährt haben.
Wir haben schon bei der ersten Beratung dieser Gesetzentwürfe mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß wir der Gewährung einer 13. Monatsrente oder auch eines pauschalierten Betrages an die Rentner nicht zustimmen können. Wir wissen auch — und wir haben es gesagt —, daß wir mit dem 1. Januar 1957 eine Neuordnung des Rentenwesens Gesetz werden lassen wollen und daß diese Neuordnung dann auch entsprechende Belastungen der Rentenversicherungsträger und des Bundes bringt.
Sie haben darauf hingewiesen, Herr Professor Schellenberg, daß ein Einnahmeüberschuß bei den Rentenversicherungsträgern besteht. Sie wissen genauso wie ich, daß die Planung, die wir insgesamt beachten müssen, diese Überschüsse angreifen wird und daß im übrigen auch die Flüssigmachung ad hoc nicht immer gegeben ist. Sie wissen, daß außerhalb dieses Hauses gegenüber der geplanten Rentenreform immer wieder darauf hingewiesen wird, daß die Berechnungen nicht stimmten und daß die Mittel sowieso nicht ausreichten. Unsere Verantwortung gegenüber der Neuordnung der Renten und gegenüber den sonstigen Belastun-
gen des Bundeshaushalts hat dazu geführt, daß wir bitten, beide Anträge abzulehnen. Ich darf dabei bemerken, daß Ihr Antrag etwa 700 Millionen DM erfordern dürfte und die Durchführung des FDP-Antrags — soweit er auf das Fünffache des Mehrbetrages hin geprüft worden ist, nicht so ganz geprüft auf die 25 Mark, die Sie allen anderen gewähren wollen — ungefähr die Belastung von 350 Millionen DM bringen würde. Wir können aus diesen Überlegungen heraus Ihren Anträgen nicht zustimmen und bitten das Hohe Haus, sie abzulehnen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Stingl, Sie haben sich im Namen Ihrer Freunde gegen das, was ich gesagt habe, verwahrt.
Sie haben anscheinend nicht genau zugehört. Ich habe vorhin nämlich gesagt: „in einer f a s t an Intransigenz grenzenden Art".
Sie werden mir doch wohl nicht absprechen wollen, Herr Stingl und Ihre Freunde, daß ich bislang im Ausschuß sowohl Loyalität als auch Konzilianz und Vermittlungsbereitschaft — die manches Mal wegen der Materie und auch wegen der Eigenwilligkeit einzelner unserer Kollegen im Ausschuß notwendig ist — gezeigt haßt Bisher hat mir noch keiner vorgeworfen, daß ich in irgendeiner Phase den Boden der Sachlichkeit verlassen hätte. Das möchte ich hier einmal feststellen; das ist sehr notwendig.
Sie haben sich dadurch, daß Sie es von vornherein abgelehnt haben, bei diesen Dingen auch nur um ein Jota von Ihren Forderungen abzugehen,
der Gefahr ausgesetzt, so angesehen zu werden, wie ich es vorhin charakterisiert habe.
Im übrigen bitte ich aber eines zu bedenken. Sie haben gerade eben bei der Berechnung der Kosten der einzelnen Vorschläge unseres Entwurfs die Summe von 350 Millionen DM genannt, die in etwa stimmt. Überlegen Sie bitte folgendes! Nach Ihren und nach unseren Wünschen soll das Gesetzeswerk ja zum 1. Januar 1957 in Kraft treten. Es ist also ein Monat zu überbrücken, das ist der Monat Dezember mit dem Weihnachtsfest. Bedenken Sie dazu die Situation der Rentner! Ich glaube, der Spanne zwischen 240 Millionen und 320 Millionen ist nicht das Gewicht beizumessen, das Sie ihr beilegen. Es ist durchaus ein Gebot der politischen und vor allem der sozialpolitischen Verantwortung, hier die Zustimmung zu geben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer wie ich seit sieben Jahren in diesem Hohen Hause gerade mit der Lösung sozialpolitischer Probleme, mit sozialen Anliegen befaßt ist, der weiß, daß die größten Schwierigkeiten bei der Erfüllung sozialer Aufgaben bisher immer von der FDP gemacht worden sind.
Diese Tatsache möchte ich in aller Deutlichkeit feststellen.
Als ich Sie, Herr Dr. Jentzsch, soeben hier hörte, da dachte ich an das nette alte Volkslied „rechter Hand, linker Hand, alles vertauscht"!
Die Situation ist doch: Wenn man hier ernsthaft um das Mögliche ringt, haben Sie kein Recht, solche Vorwürfe zu machen. Sie können dieses Recht nicht mit Ihren bisherigen sozialpolitischen Leistungen begründen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Jentzsch, Sie haben sich dagegen verwahrt, daß ich Ihren Vorwurf der Intransigenz so scharf zurückgewiesen habe. Wir werden es im Protokoll lesen, daß Sie ihn trotzdem gegen uns gerichtet haben, wenn auch in der abgemilderten Form, es hätte beinahe an Intransigenz gegrenzt.
Ich kann zu unserer Haltung nur eins sagen. Es ist doch kein Geheimnis, daß die Überlegungen, die vorher wegen der Gesamtbelastung angestellt wurden, überhaupt nur auf den zweifachen Rentenmehrbetrag gingen. Wir haben nach eingehender Prüfung diesen Standpunkt geändert. Wenn Sie sagen, daß wir von der ursprünglichen Haltung nicht abgehen wollten, müssen Sie das auch anerkennen. Wir haben das nicht nach außen plakatiert, wie es andere mit jeder Leistung tun, die sie angeblich zum sozialen Wohl vorschlagen.
Herr Dr. Jentzsch, lassen Sie mich zu Ihrem Antrag von vorgestern noch etwas sagen. Sie haben dort den zehnfachen Rentenmehrbetrag beantragt, weil Sie damals überhaupt der Meinung waren, daß das Rentenneuordnungsgesetz am 1. Januar nicht in Kraft treten sollte.
Wir sind aber der Meinung, daß es am 1. Januar in Kraft treten soll.
Deshalb haben wir das Dreifache eines monatlichen Rentenmehrbetrags für den Dezember ausgeworfen. Wenn Sie jetzt mit dem Fünffachen kommen, dann ist das eben ein Nachkarten und nicht ein von vornherein bestehendes sozialpolitisches Konzept in dieser Angelegenheit. Es tut mir sehr leid: ich anerkenne, daß wir bisher immer in Sachlichkeit miteinander gesprochen haben; ich muß aber bemerken, daß diese Sachlichkeit heute von Ihnen verlassen wurde.
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Das Wort hat der Abgeordnete Jentzsch.
— Ja, meine Damen und Herren, ich gehe nach der
Wortmeldung, entschuldigen Sie! Der rechte Beisitzer ist mein Zeuge. — Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Herren Kollegen Sabel und Stingl haben es für nötig befunden, mich in einer sehr weit in den Bereich des Persönlichen hineingehenden Form anzugreifen. Herr Sabel, ich darf Ihnen zunächst einmal folgendes sagen. Sie haben global für einen Zeitraum von sieben Jahren — das ist, glaube ich, auch die Zeitspanne, seit der Sie diesem Hohen Hause angehören — Kritik an der sozialpolitischen Einstellung der Freien Demokraten geübt. Herr Sabel, Sie haben anscheinend vergessen, daß Sie von diesen sieben Jahren immerhin sechs Jahre lang gemeinsam mit diesen von Ihnen angegriffenen Freien Demokraten in einer Koalition gesessen haben
und daß Sie dabei ja weitestgehend eine Übereinstimmung in den sozialpolitischen Auffassungen dieser Partner gewonnen haben.
Das nur einmal zum Tatsächlichen.
Herr Kollege Stingl, Sie haben wiederum auf den 1. Januar abgehoben. Ich frage Sie: Wie kommen Sie dazu, zu behaupten, daß unser Abgehen vom zehnfachen Mehrbetrag keine sozialpolitische Konzeption sei? Wenn Sie unseren Antrag aufmerksam gelesen hätten, hätten Sie feststellen können, daß darin keinerlei Begrenzung gelassen ist, und es wäre durchaus möglich gewesen, eine Limitierung oder eine Erneuerung zu dem Zeitpunkt zu beantragen, wo es notwendig wäre. Die Unterstellung, daß sich aus unserem Antrag ein geringerer Betrag ergebe als der, den Sie auswerfen, ist beim besten Willen nicht angebracht,
sondern im Gegenteil. Das haben Sie erkannt, und das war wohl auch den Äußerungen zu entnehmen, die ich am Mittwoch gemacht habe.
Nun darf ich noch etwas zu den Äußerungen sagen, die gerade Sie gestern im Ausschuß gemacht haben: daß nicht geringe Zweifel vorhanden seien, ob der 1. Januar eingehalten werden könne. Ich glaube, Sie wären etwas leichter über diese Klippe hinweggekommen, wenn Sie unserem ersten Antrag von vorgestern die Zustimmung gegeben hätten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Herr Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein Wort zu dem, was Herr Kollege Stingl gesagt hat. Es war ein sehr schlechtes und ein böses Wort, Herr Stingl. Sie haben von der Verantwortung gegenüber den Finanzen gesprochen, und Sie haben nichts gesagt von der Verantwortung gegenüber den Menschen, denen wir heute helfen wollen.
Meine Damen und Herren, noch eins: Sie verweisen immer auf das große Wunder, das am 1. Januar Wirklichkeit werden soll.
— Ich glaube, ein solcher Zwischenruf entspricht nicht der Würde des Hauses. Ich nehme an, daß Ihre eigene Fraktion Ihnen das sagen wird.
Meine Damen und Herren, es ist doch ein erstaunlicher Widerspruch, wenn auf der einen Seite erklärt wird, am 1. Januar komme die große Reform mit einem erheblichen finanziellen Mehraufwand, und wenn Sie sich auf der andern Seite heute, da eine Überbrückungsregelung geschaffen werden soll, dahinter zurückziehen, daß ein Ministerialrat aus dem Bundesfinanzministerium erklärt, eine höhere Zulage gehe finanziell nicht. Dieses Argument haben wir hinweggenommen, indem wir in unserem Antrag fordern:
Die Mittel für die Überbrückung sind von den
Trägern der Rentenversicherung aufzubringen.
Sie können also nicht mit dem Argument kommen, es gebe etatrechtliche Schwierigkeiten. Das ist finanzwirtschaftlich entscheidend. Es kommt darauf an — und das sei mein letztes Wort in dieser Sache —, den Menschen heute praktisch zu helfen und sie nicht auf morgen zu vertrösten.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist unverkennbar — das kommt auch heute wieder zum Ausdruck, und das haben wir in den letzten Sitzungen des Sozialpolitischen Ausschusses erlebt —, daß die CDU/ CSU-Fraktion meint, sie allein habe ein Verantwortungsgefühl und all die anderen Fraktionen, auch meine politischen Freunde nicht. Ich möchte hier einmal sehr deutlich zum Ausdruck bringen, daß wir uns in unserem Verantwortungsgefühl von Ihnen, meine Damen und Herren in der CDU/CSU-Fraktion, nicht übertreffen lassen.
Ich darf darauf hinweisen — und das wird mir jedes Mitglied des Ausschusses wohl bescheinigen können —, daß es mein persönliches Bemühen gewesen ist, zwischen den verschiedenen Vorschlägen und Anträgen zu dem Anliegen, das heute zur Debatte steht, eine Brücke zu schlagen.
Aber warum sind wir denn in diese Situation gekommen? Beantworten wir uns doch die Frage! Weil der Regierungsentwurf leider erst im September vorgelegt worden ist und wir nun diese Gesetzeslücke für den Monat Dezember haben. Das müssen auch Sie sich einmal vorhalten; denn Sie sind doch die stärkste Regierungsfraktion.
Zum anderen sind hier Worte gefallen, daß es Ausschußmitglieder und Fraktionsvertreter gebe, die dieses Gesetz verhindern wollten. Ich meine, das hat mit einer parlamentarischen Gesittung und
mit einer Kollegialität, die unter Parlamentariern über alle Fraktionen hinweg gepflegt werden sollte, nichts mehr zu tun. Wir haben uns alle bemüht, daß diese Frage etwas weniger leidenschaftlich debattiert wird.
Wir haben uns bemüht, zu einem gemeinsamen Vorschlag zu kommen, aber unsere Bemühungen sind wieder einmal daran gescheitert, daß die CDU/ CSU-Fraktion nicht bereit war, einen Mittelweg zu gehen. Sie können uns nicht weismachen, daß die Sache etwa an 75 oder 100 Millionen gescheitert sei. Hier sind verschiedene finanzpolitische Vorschläge gemacht worden.
Auch mit dem von Ihnen vorgeschlagenen dreifachen Rentenmehrbetrag wird der sozialen Lage der Rentner in keiner Weise Rechnung getragen. Angesichts des geringen Umfangs der in diesem Gesetz vorgesehenen Leistungen können Sie in den Rentnerkreisen und darüber hinaus in der Öffentlichkeit keinen allzu freudigen Optimismus bezüglich der zukünftigen Rentenreform erwarten.
Es wird immer behauptet, dieses Gesetz werde bis zum 1. Januar verabschiedet. Hierzu möchte ich nur an gewisse Ausführungen von Kollegen der CDU/CSU-Fraktion gerade in der gestrigen Ausschußsitzung erinnern. Herr Bundesarbeitsminister, bitte, beantworten Sie doch folgende Frage: Glauben Sie daran, daß die Rentengesetze für Arbeiter und Angestellte noch bis zum 1. Januar verabschiedet werden, oder meinen Sie, daß sie erst später und dann mit Rückwirkung vom 1. Januar verabschiedet werden? Darin besteht nämlich ein wesentlicher Unterschied.
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Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wundere mich etwas über die große Leidenschaft, die sich hier heute morgen entwickelt hat. Aber, Frau Finselberger, ich bin gern bereit, Ihnen die eben gestellte Frage ganz klar zu beantworten. Die Zusammenarbeit der Parteien im Sozialpolitischen Ausschuß auch mit den Leuten meines Hauses hat mir die Gewißheit gegeben, daß bei allseitig gutem Willen im Sozialpolitischen Ausschuß und dann hier im Plenum die Verabschiedung des Rentenneugestaltungsgesetzes noch im Laufe dieses Jahres möglich ist, so daß es mit dem 1. Januar 1957 wirksam werden kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schüttler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, es ist das gute Recht der Opposition, mehr zu verlangen als die Regierungsparteien, die es nachher zu verantworten haben.
Das nehme ich Ihnen nicht übel. Ich nehme es sogar der FDP nicht übel, nachdem sie jetzt ebenfalls in der Opposition steht. Denn ich kann mich noch recht gut an einen Ausspruch ihres Parteichefs hier in diesem Hause entsinnen — er gehörte damals noch der Regierung an —, der damals gesagt hat: 30 °/o aller Rentner beziehen ihre Rente zu Unrecht.
Jawohl, meine Damen und Herren, das möchte ich Ihnen doch heute morgen sagen und auch Ihnen (zur SPD); Sie haben soeben zugejubelt. Sie werden mir recht geben, wenn ich daran erinnere, welche sozialpolitischen Auseinandersetzungen wir und Sie gemeinsam damals gehabt haben, als die FDP noch mit in der Regierung saß. Und wenn Sie noch so gejubelt haben, die Behauptung, wir sähen nur die fiskalischen Dinge und nicht den Menschen, den Armen und den Rentner, darf nicht im Raume stehenbleiben. Meine Damen und Herren, alles was wir vorgeschlagen haben, alles, was wir getan haben und was wir tun wollen, steht nicht allein unter der fiskalischen, sondern vor allem unter der großen menschlichen Verantwortung denen gegenüber, denen nun geholfen werden soll.
Sie werden das nicht verkleinern können, wenn Sie heute auch aus Opposition die Dinge für den Monat Dezember in überspitzter Form vortragen. Wir sind auf jeden Fall gewillt, am 1. Januar die große Reform wirksam werden zu lassen.
Auch wenn das Gesetz einen Monat später in Kraft tritt, wirksam wird es ab 1. Januar. Das haben wir Ihnen im Ausschuß und das hat der Herr Minister hier vor dem Hause soeben noch einmal deutlich gemacht. Wir glauben Sie in der gleichen Linie zu haben, wenn wir zusammen daran arbeiten, das Reformgesetz nun wirklich auf den 1. Januar zu bringen.
Und nun zur Wirklichkeit! Wir haben den Monat Dezember zu überbrücken. Wir wollen ihn damit überbrücken, daß wir den Rentnern das Dreifache von dem geben, was sie bisher für die vergangenen Monate hatten. Da kann man doch nicht von einer unsozialen Maßnahme sprechen. Wenn dann noch Mindestbeträge von 21 DM und Höchstbeträge von 90 DM gegeben werden, so daß die Rentner für einen Monat zusammen 240 Millionen DM bekommen, dann kann man doch nicht so tun, als wenn das gar nichts wäre, als wenn man es unterlassen hätte, hier Sozialempfinden an den Tag zu legen.
Das ist die Wirklichkeit, und so müssen wir das gesamte Gesetz sehen.
Wir wollen, daß dieses Gesetz schon am 1. Dezember bzw. Ende November wirksam wird, damit unsere Freunde noch rechtzeitig in den Genuß des Geldes kommen. Ich bin der felsenfesten Oberzeugung, daß das Gesetz begrüßt wird. Die Opposition sagt: Wir hätten ihnen gern das Doppelte, das Dreifache gegeben. Es ist ganz klar, daß die Rentner das lieber nehmen würden. Aber wir haben letztlich auch die Verantwortung.
Man kann nicht einfach sagen: Dann nehmt es doch aus der Rentenversicherung, dort sind ja wie-
der 2 Milliarden Überschuß vorhanden! Wenn wir das Gesetz in dieser Form am 1. Januar in Kraft setzen, dann wird es unserer ganzen Aufmerksamkeit und Kraft bedürfen, es auch für die nächsten Jahrzehnte durchzuhalten.
Denn die Leistungen, die wir gewähren wollen, sind wahrlich keine Kleinigkeit, sondern es bedarf unserer gesamten Kraft, dahinterzustehen, eine geordnete finanzielle und eine gute Wirtschaft zu behalten, damit wir dieses große Versprechen auch wirklich erfüllen können. Es geht nicht um den Augenblick, es geht hier um die Zukunft. Hinter diesen 240 Millionen DM stehen ja keine Neueinnahmen. Die Neueinnahmen erwachsen erst ab 1. Januar aus den erhöhten Leistungen. Man kann nicht einfach ins Blaue hinein Gesetze machen, sondern man muß auch die Umstände und die Realitäten bedenken.
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Weitere Wortmeldungen? — Abgeordneter Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß sich die Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion in einer sie reichlich bedrückenden Situation befinden;
denn sonst würden sie nicht fortgesetzt zu Mitteln persönlicher Art greifen.
Es ist nur die Anspielung des Kollegen Schüttler auf meinen Freund Thomas Dehler, die mich dazu bewogen hat, hier noch einmal das Wort zu nehmen. Ich erkläre Ihnen allerdings: wenn das so weitergeht, habe ich keine Veranlassung und keine Lust, hier heraufzukommen und auf persönliche Anwürfe zu antworten. Es würde allerdings, glaube ich, auch der Würde des Hauses entsprechen, wenn man sich an ,die Sachlichkeit als solche hielte. Herr Schüttler, Sie wissen, daß die Äußerungen meines Freundes Dehler, die eine ganze Zeit zurückliegen,
des öfteren schon richtiggestellt worden sind. Die Ausführungen hinsichtlich dieser 30 % sind bereits früher verschiedentlich richtiggestellt worden. Worum es sich dabei handelt, lieber Herr Schüttler, das wissen Sie im Grunde genauso wie ich. Es handelt sich dabei nicht um eine unsoziale Einstellung von Thomas Dehler, wie Sie es darzustellen beliebten, sondern um eine Kritik, die er an der Verteilung der Rentenmittel übte. Es gibt einen ganzen Kreis — das wissen die Kollegen aus dem Sozialpolitischen Ausschuß genauso gut wie Sie und ich —, der mit seinen Rentenbezügen Mittel wegnimmt, die an anderer Stelle wesentlich dringender sind. Diesen Umstand hatte Thomas Dehler damals kritisiert.
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Weitere Wortmeldungen zu § 1 liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Meine Damen und Herren, es ist interfraktionell vereinbart, Abstimmungen erst ab 11 Uhr vorzunehmen. Deshalb kann ich jetzt nicht über die Anträge abstimmen lassen. Wir müssen aber in der Lesung des G setzes fortfahren. Ich rufe deshalb den weiteren sozialdemokratischen Änderungsantrag auf der noch zwei Ziffern hat, die ich zusammen zu begründen bitte. Es ist nämlich der Antrag, einen § 1 a einzuschieben, und schließlich, die Überschrift des Gesetzes zu ändern. Ich unterstelle, daß der Abgeordnete Professor Schellenberg auch diese Anträge begründet.
— Erübrigt sich? — Ich habe eine Frage, Herr Professor Schellenberg, ich kann das materiell nicht ganz übersehen, ich muß das für die Abstimmung wissen. Nehmen wir einmal an, Ihr Änderungsantrag würde abgelehnt — ich nehme das als Hypothese —, würde dann der § 1 a überhaupt noch notwendig sein?
— Aha, dann habe ich also doch richtig gesehen; dann erübrigt sich das, wahrscheinlich auch die Änderung der Überschrift des Gesetzes?
— Gut, danke schön; das wollte ich noch wissen.
Ich muß also den beantragten § 1 a, damit er hier allen bekannt ist, vorlesen. Er geht dahin, hinter § 1 folgenden § 1 a einzuschieben:
Die durch die Zahlung der Sonderzulage entstehenden Aufwendungen werden von den Trägern der Rentenversicherung getragen.
Schließlich eine weitere Ziffer, unter der beantragt wird:
Das Gesetz erhält folgende Überschrift:
Entwurf eines Gesetzes über Gewährung einer Sonderzulage in den gesetzlichen Rentenversicherungen.
Wie Sie eben gehört haben, meine Damen und Herren, hängt das eng mit der Konstruktion des ersten Änderungsantrages zusammen; diese beiden Anträge entfallen, wenn der erste Änderungsantrag zu § 1 abgelehnt werden sollte.
Ich rufe in der Einzelberatung der zweiten Lesung § 2 und § 3 auf. Wird das Wort gewünscht?
— Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Einzelberatung. Ich rufe schließlich noch Einleitung und Überschrift auf. — Damit, meine Damen und Herren, wären wir vorläufig am Ende der Beratung dieses Gesetzes, denn wir können logischerweise nicht in die dritte Beratung eintreten, bevor wir durch Abstimmung die zweite abgeschlossen haben.
Nunmehr verfahre ich weiter nach der heute morgen verkündeten interfraktionellen Vereinbarung und rufe auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Naegel, Stücklen, Dr. Atzenroth, Dr. Elbrächter und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Industrie-
und Handelskammern ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (21. Ausschuß) (Drucksachen 2380, zu 2380, Umdrucke 675, 717, 763 [neu], 787, 788, 791)
.
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneten Leonhard.
— Meine Damen und Herren, der Herr Berichterstatter scheint nicht anwesend zu sein. Es liegt ja ein Schriftlicher Bericht*) vor, wie ich sehe. Verzichtet das Haus auf eine mündliche Berichterstattung? — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist das der Fall.
Meine Damen und Herren, dann treten wir in die Einzelberatung des Gesetzes ein. Ich muß gleich ganz vorne anfangen, nämlich hier liegt auf Umdruck 791**) ein Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion vor, schon die Überschrift zu ändern. Soll er begründet werden? — Bitte, Herr Abgeordneter Schmücker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie aus unserem Antrag hervorgeht, wollen wir mit der Änderung der Überschrift die Vorläufigkeit dieses Gesetzes betonen und die Frage der überbetrieblichen Mitbestimmung ausgeklammert wissen. Was sofort erledigt werden muß, ist im § 7 a beantragt, und das ist die Mitwirkung der Arbeitnehmer bei der Berufsausbildung. Ich bitte also, der geänderten Überschrift, so wie wir sie Ihnen vorschlagen, zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Antrags gehört. Ich fahre nun fort und rufe auf den Antrag Umdruck 787***) Nr. 1, weil auch er eine Materie berührt, die, wie aus dem Änderungsantrag der SPD hervorgeht, vor dem § 1 eingeschoben werden soll.
Ich erteile das Wort zur Begründung dem Abgeordneten Hansen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat Ihnen mit Umdruck 787 Nr. 1 einen Ergänzungsantrag zu § 1 des Gesetzentwurfs eingereicht. Wenn dieser Antrag angenommen wird, wird dieser Absatz an die Stelle des ersten Absatzes Ihres Entwurfs kommen.
Die sozialdemokratische Fraktion hat sich zu diesem Antrag entschlossen, weil sie den jetzt vorliegenden Entwurf für unzureichend hält. Selbst wenn man die Rechtsunsicherheit beseitigen wollte, was berechtigt sein mag. hätte sich jetzt die Gelegenheit ergeben, neues Recht zu setzen. Statt dessen ist man mit dem Gesetzentwurf — auch wie er aus den Ausschußberatungen hervorgegangen ist — praktisch auf das alte preußische Kammerrecht zurückgegangen. Zwar ist der Gesetzentwurf infolge des Antrags der CDU und in den Ausschußberatungen sozusagen mit dem Entschuldigungszettel eines vorläufigen Gesetzes versehen worden. Aber gerade solche sogenannten vorläufigen Regelungen haben es oft in sich, daß sie Dauerlösungen werden. Ich darf Sie gerade bei der Behandlung dieser Materie darauf hinweisen, daß es auch in der Weimarer Republik eine „vorläufige" Einrichtung gegeben hat, die über den Zustand der Vorläufigkeit niemals hinausgekommen ist.
Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf sind die Industrie- und Handelskammern reine Interessenvertretungen der Unternehmer und werden es auch bleiben. Trotzdem soll ihnen der öffentlich-rechtliche Status einschließlich Zwangsmitgliedschaft gegeben werden. Ein so bekannter Kammervertre-
*) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 11. ***) Siehe Anlage 9. ter wie Professor Most, der von 1932 bis 1944 Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer in Duisburg war, erklärte bereits in seinem 1927 herausgegebenen Buch „Die Selbstverwaltung der Wirtschaft und der Industrie- und Handelskammern", daß die Handelskammern ihrem Wesen und ihren Aufgaben nach Vertretungen der Unternehmungen sein sollen. Zu den Unternehmungen gehören aber nicht nur die Unternehmer, sondern auch die Arbeitnehmer. Ich darf Sie auch daran erinnern, meine Damen und Herren, daß Herr Dr. Wilden, der damals Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Düsseldorf war, im Jahre 1945 gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Karl Arnold, einen Gesetzentwurf für die Bildung von Wirtschaftskammern ausarbeitete. In ihm hieß es zur Begründung der paritätischen Besetzung der Kammern mit Arbeitnehmervertretern, daß sie — die Kammern — nicht mehr ausschließlich die Interessenvertretung der Produktion bzw. der Unternehmer, sondern Vertretungen der Gesamtwirtschaft seien. Wir haben in unserem Hause einen Kollegen, der gleichfalls Kammerfachmann ist. Ich meine Herrn Dr. Dresbach. Herr Dr. Dresbach hat stets die Auffassung vertreten, daß mit dem Rechtskleid der Körperschaft des öffentlichen Rechts für berufsständische Organisationen der Einbezug der Arbeitnehmer zwangsläufig verbunden ist.
Meine Damen und Herren! Dieser einmal so selbstverständliche Grundsatz der paritätischen Beteiligung der Arbeitnehmerschaft an der wirtschaftlichen Selbstverwaltung ist bei dem vorliegenden Gesetzentwurf wieder in Vergessenheit geraten. Gerade Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, müßten, wenn Sie Ihr eigenes Kind nicht verleugnen wollen, eigentlich sogar Mitunterzeichner des sozialdemokratischen Antrags sein.
Um das zu begründen, brauche ich nicht auf das Ahlener Programm zurückzugreifen, das man bei Ihnen ja nun offenbar zum Museumsstück werden lassen will. Ich möchte darauf hinweisen, daß noch während des Parteitages der CDU in Karlsruhe im Jahre 1951 der Herr Bundeskanzler und Vorsitzende der CDU als Auffassung der CDU erklärte, daß paritätisch zusammengesetzte Kammern nicht ihrer Hoheit entkleidet werden müßten.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf beabsichtigt aber, eine Institution der wirtschaftlichen Selbstverwaltung zu schaffen, in der einer reinen Unternehmervertretung das Recht einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Hoheitsfunktion gegeben werden soll.
In diesem Gesetzentwurf ist auch vergessen worden, daß sich im Jahre 1950 in Hattenheim die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften darüber verständigten, daß beim Neuaufbau der wirtschaftlichen Selbstverwaltung der Grundsatz der paritätischen Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft anerkannt werden sollte, und offenbar hat man auch vergessen, daß bei den Industrie- und Handelskammern den Arbeitnehmern das verweigert werden soll, was dieses Haus in den für die Handwerkskammern und Landwirtschaftskammern verabschiedeten Gesetzen anerkannte, nämlich wenigstens den Grundsatz der Beteiligung der Arbeitnehmerschaft.
Versuchen Sie also nicht den Vorwand, daß Sie eine vorläufige Regelung wollen, und versuchen
Sie nicht, unter diesem Vorwand altes und überholtes Recht zu zementieren! Meine Damen und Herren, wenn Sie eine Neuregelung wirklich wünschen, nehmen Sie sie hier und jetzt vor!
Wir sollten die Selbstverwaltung da schaffen, wo sie möglich ist, auch auf dem Gebiete der Wirtschaft. Die Selbstverwaltung darf aber nicht einseitig von der Unternehmerschaft und ihren Geschäftsführern ausgeübt werden; sie bedarf, wenn sie eine echte Selbstverwaltung sein soll, der Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Ohne die Beteiligung der Arbeitnehmer steht diese wirtschaftliche Selbstverwaltung sozusagen auf einem Bein.
Nehmen Sie daher unseren Antrag an und tragen Sie mit dazu bei, daß die Industrie- und Handelskammern als Institutionen wirtschaftlicher Selbstverwaltung auf zwei gesunde Beine zu stehen kommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hoffmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der soeben von Herrn Kollegen Hansen begründete Antrag würde, wenn er von dem Hohen Hause angenommen würde, die Struktur der Industrie- und Handelskammern ändern. Das ist sein Zweck; das hat Herr Hansen hier ausgeführt. Es wird dabei aber verkannt, welche sehr begrenzte Absicht demgegenüber die Initiatoren des Gesetzentwurfs gehabt haben. Es ist uns, die wir den Initiativgesetzentwurf unterzeichnet haben, lediglich darauf angekommen, Mißstände zu beseitigen, die sich aus der unterschiedlichen Rechtsentwicklung für die Industrie- und Handelskammern in den einzelnen Ländern der Bundesrepublik ergeben haben. Insofern hat der Initiativgesetzentwurf immer nur eine vorläufige Regelung ins Auge gefaßt, obwohl der Ausdruck „vorläufig" erst nachträglich eingefügt wurde. Ich bin der letzte — einige von Ihnen wissen das auch —, der etwa leugnen wollte, daß bei einer endgültigen Neuordnung der Selbstverwaltung der gewerblichen Wirtschaft gesellschaftspolitische Wandlungen und Entwicklungen zu berücksichtigen sind. Aber die Frage ist doch, ob der jetzige Zeitpunkt geeignet ist, eine Neuordnung der Selbstverwaltung der gewerblichen Wirtschaft in Angriff zu nehmen. Es erschien uns richtig, in diesem Augenblick lediglich das Vordringlichste zu tun, nämlich offenkundige Mißstände zu beseitigen, die die Arbeit der Industrie- und Handelskammern erheblich erschweren.
Sie kennen diese Mißstände. Sie wissen, daß den Industrie- und Handelskammern in der ehemaligen amerikanischen Besatzungszone der öffentlich-rechtliche Charakter fehlt. Sie geraten dadurch in die peinliche Lage, daß sie von Interessentengruppen sehr abhängig werden, etwas, was Sie genau so wenig wollen und wollen können wie wir. Man kann die Unabhängigkeit der Handelskammern zur wirklichen Wahrung und Vertretung allgemein wirtschaftlicher Interessen eben nur dadurch erreichen, daß man ihnen den Charakter öffentlicher Körperschaften und damit das Recht der Zwangsmitgliedschaft wiedergibt. aber diese Dinge wird ja an anderer Stelle vielleicht noch etwas zu sagen sein.
Ich möchte noch einmal betonen, daß mir und sicher auch den anderen Unterzeichnern des Gesetzentwurfs in keiner Weise vorgeschwebt hat, spätere Entwicklungen im Rahmen der Neuordnung des Selbstverwaltungsrechts ,der gewerblichen Wirtschaft zu präjudizieren. Aber wenn wir das vermeiden wollen, wenn wir nur eine vorläufige Ordnung zur Beseitigung von Mißständen machen wollen, dann müssen wir das Präjudiz nach beiden Seiten vermeiden, und deswegen bitte ich, den Änderungsantrag abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Bürkel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 787 wird das Problem des überbetrieblichen Mitbestimmungsrechts in die Debatte hereingetragen. Das sollte durch die Änderung unserer Überschrift gerade vermieden werden. Das Problem der überbetrieblichen Mitbestimmung ist unseres Erachtens noch nicht derart ausdiskutiert und ausgereift, daß es bereits seinen gesetzlichen Niederschlag finden könnte. Daher sind wir der Ansicht, daß dieses Problem zunächst auch aus dem Gesetz herausbleiben sollte.
Auf der anderen Seite kann eine Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern nach unserer Ansicht nicht weiter hinausgeschoben werden. Infolge der Entwicklung ist, wie eben schon ausgeführt wurde, das Recht der Industrie- und Handelskammern im Bundesgebiet derart zersplittert, daß es einheitlich geregelt werden muß. Eine einheitliche Regelung ist deshalb erforderlich, weil die Industrie- und Handelskammern im Wirtschaftsleben wieder die Stellung eingenommen haben, die sie früher hatten, nämlich eine Stellung als unparteiischer und objektiver Gutachter in Fragen der Wirtschaft. Das kommt, wie ebenfalls schon ausgeführt worden ist, insbesondere darin zum Ausdruck, daß die Industrie- und Handelskammern in einigen Ländern und Bezirken Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, während sie in anderen Bezirken Vereine des bürgerlichen Rechts sind.
Die Diskrepanzen, die sich dadurch ergeben haben, werden Ihnen sofort klar, wenn ich ein Beispiel anführe. In einem bestimmten Einzelfall war die Frage zu entscheiden, ob ein Betrieb der Handwerkskammer oder der Industrie- und Handelskammer angehört. Das Gericht, das diese Frage zu entscheiden hatte, forderte von der Industrie- und Handelskammer und von der Handwerkskammer Gutachten ein. Beide Gutachten lagen vor. Das Gericht erklärte dann aber, daß es sich bloß auf das Gutachten der Handwerkskammer stützen könne, da diese eine Institution öffentlichen Rechts sei, die Industrie- und Handelskammer dagegen nur Verein. Wir glauben deshalb, daß man die Frage der Rechtsform ausklammern muß.
Wenn über die Frage des überbetrieblichen Mitbestimmungsrechts im Wege des Gesetzes entschieden wird, kann und muß durchaus die Frage geprüft werden, ob die Industrie- und Handelskammern eine geeignete Institution sind, das unterste Organ der wirtschaftspolitischen Organisation zu werden, d. h. oben der Bundeswirtschaftsrat, in der Mitte der Landwirtschaftsrat und unten die Wirtschaftskammern, die die Organisation der jetzigen Industrie- und Handelskammern hätten. Ich glaube, diese Frage muß man später prüfen; wir sollten jetzt, wenn wir den augenblicklichen Rechtszu-
stand vereinheitlichen, diesen Dingen in keiner Weise vorgreifen. Im übrigen kann die vorläufige Regelung, wie hier befürchtet wird, nur dann perpetuiert werden, wenn der Gesetzgeber — also Sie, meine Damen und Herren — keine Initiative ergreift, um diesen Zustand zu ändern. Nach meiner Auffassung müssen wir auf die von der Fraktion der SPD vorgeschlagenen Änderungen verzichten. Ich beantrage deshalb, diesen Änderungsantrag abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag liegen nicht mehr vor. Ich schließe deshalb die Beratung.
Ich rufe nunmehr auf den § 1 des Gesetzes und dazu den Umdruck 791 Ziffer 2 und den Umdruck 787 Ziffer 2. Wer begründet Umdruck 791 Ziffer 2*)? — Herr Abgeordneter Schmücker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung der Ausschußdrucksache in unserer Fraktion wurde der Wunsch geäußert, die Frage der Einschaltung der Handwerkskammern textlich anders zu regeln. Wir schlagen Ihnen vor, bereits im ersten Absatz das eigene Recht der Handwerkskammern zu erwähnen. Dafür — das müßte eine Ergänzung zu unserem Antrag Umdruck 791 sein — könnte dann allerdings die Ziffer 5 entfallen. Eine weitere Begründung ist nicht nötig. Sie ergibt sich aus dem Text des Antrags. Ich bitte, dem Antrag zuzustimmen, und darf vielleicht noch erwähnen, daß unsere Formulierungen auf Umdruck 791 die Zustimmung aller Beteiligten gefunden haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich erteile das Wort zur Begründung des Umdrucks 787 Ziffer 2**) Herrn Abgeordneten Klingelhöfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ein unzulängliches Gesetz gemacht werden soll, dann soll es wenigstens nicht noch unzulänglicher sein, als es sein könnte. Das betrifft den Antrag, den ich für meine Fraktion zu vertreten habe. Sie sehen in § 1 Abs. 2 — auch im Vorschlag des Ausschusses — die Formulierung: „Die Industrie- und Handelskammern können ..." — und dann geht es unten weiter — „Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der kaufmännischen und gewerblichen Berufsausbildung treffen." Wir schlagen unsererseits vor, daß vor dem Wort „treffen" die Worte eingefügt werden: „unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften". Sie könnten sagen — und wahrscheinlich wird das auch geschehen —: Aber das ist doch entbehrlich, das versteht sich doch von selbst! Leider ist es nicht entbehrlich. Wenn man sich nämlich die Vollmacht, die in § 1 Abs. 2 gegeben wird, ansieht, stellt man fest, daß es sich um eine sehr weitgehende Vollmacht, um eine Generalklausel handelt, die nach keiner Seite hin begrenzt ist. Die Situation wird dadurch noch schwieriger, daß in § 10 Abs. 3 ausdrücklich gesagt wird, daß entgegenstehende Vorschriften aufgehoben werden. Welche entgegenstehenden Vorschriften werden aufgehoben? Kein Mensch weiß das! Hier ist eine Lücke, die geschlossen werden muß. Es muß im Gesetz gesagt werden, daß bei der Vollmacht gesetzliche Vorschriften, die für die Regelung der Berufsausbildung bestehen, beachtet werden müssen. Wenn
*) Siehe Anlage 11. **) Siehe Anlage 9.
es nicht im Gesetz gesagt wird, dann entsteht die Gefahr ernstester Auslegungsschwierigkeiten und eine außerordentlich große Rechtsunsicherkeit. Man soll doch nicht übersehen, daß bei der Berufsausbildung Dutzende von rechtlichen Bestimmungen, besonders auch von Länderbestimmungen, beachtet werden müssen. Dieser Gefahr soll der Antrag meiner Fraktion begegnen. Die Lücke muß ausgefüllt werden. Ich glaube, hier handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit, der sich das Haus nicht entziehen sollte. Ich bitte das Haus um einstimmige Annahme dieses Vorschlags.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort zu § 1 weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Beratung zu § 1.
Ich rufe § 2 auf. Dazu liegen Änderungsanträge auf Umdruck 791 Ziffer 3 und Umdruck 717 vor. Wer begründet den Änderungsantrag auf Umdruck 791*) Ziffer 3? — Herr Abgeordneter Horlacher!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich bei dem Änderungsantrag um rein sachlich-technische Ergänzungen des vorliegenden Entwurfs. In § 2 Abs. 3 geht es um Abgrenzungen gegenüber dem Handwerk und in § 2 Abs. 2 um Abgrenzungen gegenüber der Landwirtschaft; Abgrenzungen werden auch in Abs. 4 unter den Buchstaben a, b und c vorgenommen. Ich darf die Damen und Herren darauf hinweisen, daß diese Dinge in fachmännischen Beratungen mit den zuständigen Stellen, mit dem Industrie- und Handelstag, entstanden sind und daß hier nur nach Formulierungen gesucht wurde, um klare Abgrenzungen vorzunehmen. Auch in den früheren Industrie- und Handelskammergesetzen war diese Abgrenzung vorhanden. Wir wollen nicht mehr ausklammern, als notwendig ist; das möchte ich ausdrücklich betonen. Denn uns kommt es nicht darauf an, die Zuständigkeit der Industrie- und Handelskammern durch zu weitgehende Beschränkungen zu schmälern. Uns kommt es vielmehr darauf an, alles das herauszulassen, was zu anderen Interessenkreisen gehört. Das trifft beim Handwerk und bei der Landwirtschaft zu.
Die Vorschriften sind mit dem Industrie- und Handelstag so abgefaßt, daß keine Widerstände mehr zu erwarten sind. Nur eines möchte ich noch hervorheben. Der Kreis der landwirtschaftlichen Genossenschaften umfaßt nur die Zweige, die nach der Verkehrsauffassung im Bereich der Landwirtschaft liegen. Hier ist eine genaue Abgrenzung gegeben.
Bei den ländlichen Kreditgenossenschaften ist die Regelung so aufzufassen, daß sie dann nicht zur Industrie- und Handelskammer herangezogen werden sollen, wenn ihre Mitglieder überwiegend aus Landwirten bestehen. Das heißt mit anderen Worten, daß beispielsweise die Raiffeisenkassen, bei denen auch das Gewerbe eine Rolle spielt und bel denen die Mischung eine andere ist, nicht unter diesen Kreis zu fallen brauchen. Die Sache ist also auf die in der Regel überwiegend landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften begrenzt.
Nach Abs. 5 soll der Abs. 1 nicht gelten für Gemeinden und Gemeindeverbände, die Eigenbetriebe
*) Siehe Anlage 11.
unterhalten. Sie können aber insoweit der Industrie- und Handelskammer beitreten. Ich glaube, das ist eine Abgrenzung, die im Interesse der Allgemeinheit notwendig ist.
Ich bitte Sie, den Änderungsanträgen Ihre Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe weiter den Umdruck 717 aufgerufen. Herr Abgeordneter Samwer, ich habe soeben festgestellt, daß der Änderungsantrag auf Umdruck 717 *), den Sie gestellt haben, mit dem Änderungsantrag auf Umdruck 791 Ziffer 6 identisch ist.
Herr Präsident, was Sie eben dargestellt haben, ist richtig.
Meine Damen und Herren, ich hätte den Antrag auf Umdruck 717 zurückgezogen, wenn ihn nicht Kollegen anderer Fraktionen mit gestellt hätten. Es handelt sich dabei um Mitglieder der FDP, der DP und der FVP. Inhaltlich ist es genau dasselbe, was jetzt der von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachte Umdruck 791 in § 2 Abs. 6 bringt.
Zur Sache darf ich folgendes darstellen. Der Gesetzentwurf Drucksache 1964 sah als Kriterium für die Kammermitgliedschaft vor, daß Kammermitgliedschaft dann gegeben sei, wenn die als Mitglieder in Frage kommenden Personen zur Gewerbesteuer veranlagt seien. Damals wurde angenommen, daß diejenigen Personen, die nach dem Gesetz Gewerbesteuerfreiheit genießen, überhaupt nicht veranlagt würden.
Inzwischen hat sich herausgestellt, daß im Regelfall eine Veranlagung — nämlich auch dann, wenn Gewerbesteuerfreiheit gegeben ist, mit Null — erfolgt. Damit wären praktisch alle — auch diejenigen, die überhaupt keine richtigen Kaufleute sind — ohne weiteres der Kammermitgliedschaft unterworfen; es kann nicht der Sinn der Kammerarbeit sein, solchen Ballast mitzuschleppen.
Ferner ist in § 17 a des Gewerbesteuergesetzes vom Dezember 1954 eine Vorschrift enthalten, wonach die Gemeinden auch Personen, die im Grunde gewerbesteuerfrei sind, zu einer Mindeststeuer heranziehen können. Auch hier handelt es sich also um Personen, die im Grunde nicht Kaufleute sind und die deshalb auch nicht als Kammermitglieder geeignet sind.
Um die Begrenzung der Kammermitgliedschaft völlig klarzustellen, haben wir jetzt also in Umdruck 791 Ziffer 6 die entsprechende Klärung gebracht. Sie entspricht genau der vorgeschlagenen Regelung in Umdruck 717. Ich bitte nur darum, daß auch in Umdruck 717 statt Abs. 3 Abs. 6 gesetzt wird. Dann sind die Anträge völlig identisch.
Ich bitte um Annahme dieses klärenden, vernünftigen Vorschlages.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort zu dem aufgerufenen § 2 des Gesetzes weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung zu § 2.
Ich rufe § 3 des Gesetzes und dazu Umdruck 763 *) auf. Zur Begründung erteile ich dem Abgeordneten Geiger das Wort.
*) Siehe Anlage 7.
*) Siehe Anlage 8.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der Sachverhalt bei diesem Antrag ist sehr einfach. Es handelt sich um die Frage einer Beitragszahlung. Ich darf darauf hinweisen, daß bei den Beratungen bezüglich der Beitragszahlungen die Mitglieder der Handwerkskammern ausdrücklich aus diesem Gesetz herausgenommen wurden. Die Mitglieder der Handwerkskammern sind nicht beitragspflichtig.
Bei den Beratungen ist übersehen worden, daß noch ein Parallelfall existiert, nämlich der Mitglieder von Apothekerkammern. Hierauf bezieht sich nun dieser Antrag.
Meine Damen und Herren, es gibt die landesgesetzlichen Apothekerkammern, bei denen die Mitglieder verpflichtet sind, Umlagen an die Apothekerkammern zu entrichten. Bei den Verhandlungen, die zwischen dem Industrie- und Handelstag und der Arbeitsgemeinschaft der Berufsvertretungen deutscher Apotheker geführt worden sind, ist vereinbart worden, daß man sich der Regelung anschließen will, die bereits in BadenWürttemberg gemäß dem Württembergischen Apothekerkammergesetz vom 27. Oktober 1953 besteht und die darauf hinausläuft, daß die Mitglieder der Apothekerkammern neben dem Grundbeitrag mit einem Viertel der Umlage zum Beitrag für die Industrie- und Handelskammer herangezogen werden. Wenn es sich um Zahlungen handelt, dann sind immer die Vereinbarungen die besten, bei denen sowohl Geber wie Nehmer zufriedengestellt sind. Hier ist ein solcher Fall gegeben. Es sind keine Widerstände vorhanden. Die beteiligten Parteien sind sich völlig einig, sowohl die Industrie- und Handelskammern als auch die Apothekerkammern. Ich bitte deshalb, diesem Antrag, der in Umdruck 763 niedergelegt ist, die Zustimmung zu geben. Er ist von Mitgliedern sämtlicher Parteien eingebracht worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird zu dem § 3 weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich in der zweiten Lesung § 4, — § 5, — § 6, – § 7 in der Ausschußfassung auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung der aufgerufenen Paragraphen.
Ich rufe nunmehr Umdruck 791 Ziffer 4 auf, in der beantragt ist, einen neuen § 7 a einzuführen. Zur Begründung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Bürkel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Industrie- und Handelskammern bestehen für gewisse Aufgabengebiete schon jetzt paritätisch besetzte Ausschüsse. Es wurde befürchtet, wenn ich so sagen darf, daß durch die Neuregelung des Gesetzes die Industrie- und Handelskammern veranlaßt werden könnten, diese jetzt paritätisch besetzten Ausschüsse wieder abzuschaffen. Wir sind aber der Ansicht, daß der augenblickliche Zustand der Industrie- und Handelskammern erhalten bleiben soll. Der Industrie- und Handelstag hat hierzu erklärt, daß diese Ausschüsse auch nach wie vor paritätisch besetzt bleiben sollten, weil diese Regelung sich durchaus bewährt habe. Es handelt sich hier vor allen Dingen um die Berufsausbildungsausschüsse. Der Industrie- und Handelstag hat sich auch mit der von
uns vorgeschlagenen Formulierung des § 7 a einverstanden erklärt. Er hat darauf hingewiesen, daß schon jetzt für sämtliche Industrie- und Handelskammern im Bundesgebiet einheitliche Richtlinien für diese Arbeiten aufgestellt worden sind, die auch weiterhin befolgt werden sollen.
Durch den § 7 a soll nunmehr die bisher bestehende gesetzliche Regelung aufrechterhalten werden. Für den Aufgabenbereich der Berufsausbildung gemäß § 1 Abs. 2 werden Ausschüsse gebildet, die aus dem Präsidenten oder einem von ihm zu bestellenden Mitglied der Vollversammlung als Vorsitzendem sowie einer in der Satzung zu bestimmenden Anzahl von Mitgliedern bestehen. Die Hälfte der Mitglieder wird aus Vertretern der bei kammerzugehörigen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer gebildet, welche durch die nach Landesrecht zuständige Stelle auf Vorschlag der im Bezirk der Kammer bestehenden Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung bestellt werden. Das ist die Aufrechterhaltung der Parität. Damit ist den Wünschen der Arbeitnehmerschaft bei der Zusammensetzung der Berufsausbildungsausschüsse Rechnung getragen.
— Zunächst!
Ich bitte, hier eine Ergänzung machen zu dürfen, und beantrage, den Abs. 2 dadurch zu ergänzen, daß in der vorletzten Zeile vor „Vereinigungen" das Wort „selbständigen" eingesetzt wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann müßte es also lauten — damit es keinen Irrtum gibt —:
... der ... Gewerkschaften und selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern . . .
Diese Änderung erscheint zweckmäßig, weil sowohl im Arbeitsgerichtsgesetz als auch im Sozialgerichtsgesetz derselbe Wortlaut gewählt ist. Wir wollen also die Formulierung den beiden anderen Gesetzen angleichen.
Im übrigen waren bisher schon bei den Industrie- und Handelskammern Fachausschüsse gebildet, an denen Sachverständige teilnahmen, die von den Industrie- und Handelskammern benannt waren. Diese Sachverständigen waren teilweise Prokuristen und Angestellte der Betriebe, also keine Kammermitglieder. Auch diese Regelung soll aufrechterhalten werden. Das soll durch den Abs. 4 erreicht werden, der lautet:
Werden bei den Industrie- und Handelskammern zur Durchführung anderer als der in Absatz 1 erwähnten, ihnen gemäß § 1 dieses Gesetzes obliegenden Aufgaben Ausschüsse gebildet, so kann die Satzung bestimmen, daß in diese Ausschüsse auch Personen berufen werden, die nach § 5 Abs. 2 nicht wählbar sind.
Im übrigen darf ich schon sagen, daß der § 10 a infolge dieser Regelung durch eine Nr. 9 ergänzt werden muß. Denn es soll durch Landesrecht bestimmt werden, in welcher Form die Ausschußmitglieder, die durch die Gewerkschaften und durch die selbständigen Vereinigungen benannt werden, gewählt werden. Die in § 10 a anzufügende Nr. 9 ergibt sich aus Ziffer 5 des Antrags Umdruck 791.
Grundsätzlich wäre zu dieser Regelung noch zu sagen, daß wir den jetzt bestehenden Zustand, der sich bewährt hat, aufrechterhalten wissen wollen.
Der Ausschuß soll insbesondere eingesetzt werden für Maßnahmen, die der Förderung und Durchführung der kaufmännischen und gewerblichen Berufsausbildung dienen. Es ist unseres Erachtens nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Industrie- und Handelskammern nunmehr die gesamte Berufsausbildung an sich ziehen. Denn die Berufsausbildung ist in erster Linie Sache der Lehrbetriebe der gewerblichen Wirtschaft, für die die Lehrbetriebe die Selbstverantwortung übernommen haben. Sie haben im Lehrvertrag die Pflicht übernommen, die Lehrlinge auszubilden, und diese Verantwortung kann ihnen nicht genommen werden. Hierfür sind in den Betrieben nach dem Betriebsverfassungsgesetz auch die Betriebsräte zuständig; sie wirken hierbei mit. Meines Erachtens sollte doch diese gesetzliche Regelung nicht zum Anlaß genommen werden, daß die Industrie-und Handelskammern Einfluß auf die Auswahl und die Auslese der Lehrstellenbewerber nehmen, weil ja auch hier der Betriebsrat mitwirkt. Sie sollten weiterhin keinen Einfluß auf die Auswahl und die Ausbildung der betrieblichen Ausbilder, auf die Ausgestaltung der betrieblichen Anleitung, Betreuung und Erziehung der Jugendlichen nehmen. Hier hat in erster Linie die Verantwortung des Lehrbetriebs und seines Betriebsrats einzutreten.
Wohl dagegen müssen diese neu zu bildenden Ausschüsse sich befassen mit der Führung von Lehrlingsrollen, mit Gutachten über Eignung von Lehrstellen, mit der Trägerschaft und Organisation der Facharbeiter- und Gehilfenprüfung, mit der Mitwirkung bei berufsordnenden Maßnahmen wie Anerkennung, Streichung und Änderung von Berufsbildern und von Berufsordnungsmitteln. Sie sollen außerdem die Zusammenarbeit mit den Berufsschulen sicherstellen, und zwar einschließlich der Abstimmung der Lehrpläne mit den Berufsschulen und mit den anerkannten Berufsausbildungsplänen. Mit anderen Worten: Berufsausbildung im Sinne dieser Neuregelung ist zu verstehen im Sinne von Berufsausbildungsordnung. In diesem Sinne bitte ich die Änderungen unter den Ziffern 4 und 5 auszulegen.
Ich bitte, dem Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Ich rufe auf § 8 des Gesetzentwurfs in der Ausschußfassung und eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Ich rufe nunmehr auf den Antrag Umdruck 787 Ziffer 3. Wer begründet? — Herr Abgeordneter Ludwig!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ziffer 3 unserer Anträge Umdruck 787 *) zu begründen, wonach verfassungsrechtliche Bestimmungen der Länder von diesem Gesetz unberührt bleiben sollen. Für den Fall, daß Ziffer 1 unseres Antrags Umdruck 787 abgelehnt wird, erhebt sich die Frage: Wollen oder können wir uns durch das vorliegende Gesetz über eine verfassungsrechtliche Länderregelung dieser Angelegenheit einfach hinwegsetzen?
*) Siehe Anlage 9.
Art. 69 der Verfassung von Rheinland-Pfalz sieht z. B. die gleichberechtigte Beteiligung der Arbeitnehmer in den Organen der Industrie- und Handelskammern vor. Es heißt hier wörtlich:
In den Kammern wirken Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen. Das Ausmaß der Beteiligung der Arbeitnehmer richtet sich nach Art und Aufgabengebiet der einzelnen Kammern. In den Industrie- und Handelskammern sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichberechtigt vertreten. Das Nähere regelt das Gesetz.
Für die Handwerker- und Landwirtschaftskammern — das ist schon erwähnt worden — wurde bei uns eine gesetzliche Regelung mit Arbeitnehmerbeteiligung geschaffen, und wir haben ja auch eine bundesrechtliche Regelung in diesem Sinn. Die Hauptwirtschaftskammer von Rheinland-Pfalz wirkt seit Jahren in paritätischer Besetzung erfolgreich, und man kann sich nicht vorstellen, daß hier ein Rückschlag eintreten könnte. Unser Landesgesetz über die Industrie- und Handelskammern befindet sich im Stadium der Ausschußberatungen. Die Verabschiedung wurde immer wieder vertagt unter Hinweis auf das kommende Bundesgesetz. Dabei hielt man es aber für selbstverständlich, daß der Wunsch einiger Länder auf Einbeziehung der Arbeitnehmer berücksichtigt wird. Bei Anerkennung des föderalistischen Staatsaufbaues sollten Bestimmungen der Länderverfassungen nicht einfach ignoriert werden.
Maßgebende Unternehmer von Rheinland-Pfalz haben sich grundsätzlich mit der Einbeziehung einverstanden erklärt. Meinungsverschiedenheiten bestanden nur über das Ausmaß, und darüber ist es möglich, sich zu verständigen oder Beschluß zu fassen.
Der Vollzug des hier zu beschließenden Gesetzes wird in Rheinland-Pfalz keine Schwierigkeiten verursachen, weil die Industrie- und Handelskammern bereits nach dieser Rechtsform arbeiten. Wenn unser Antrag angenommen wird, kann die Ergänzung nach Art. 69 der Verfassung rasch durchgeführt werden. Es wird dann kein großer Schritt sein zur bundesgesetzlichen Rechtseinheit auch in diesem Punkt der Einbeziehung der Arbeitnehmer, insbesondere dann, wenn Sie selbst sagen, daß dieses Gesetz nur ein Provisorium sein soll.
Niemand kann wünschen, daß die Arbeitnehmer des Handwerks und der Landwirtschaft gegenüber denen von Industrie und Handel bevorzugt behandelt werden. Die Schöpfer unserer Verfassung, unter denen sich auch Professor Süsterhenn als hervorragender Mitarbeiter befindet, gingen davon aus, daß Gewerkschaften und Unternehmerverbände als Interessenvertreter und die Kammern als Organ der Gesamtwirtschaft unter Mitwirkung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu betrachten sind. Damit sollte anerkannt werden, daß die langjährige Wirksamkeit der Betriebsräte und Aufsichtsräte dazu geführt hat, daß sich viele Arbeitnehmer nicht nur betriebswirtschaftliche Kenntnisse, sondern auch wertvolle Erfahrungen über die nationalen und internationalen Konkurrenzverhältnisse angeeignet haben. Dadurch scheinen uns die Voraussetzungen für ein fruchtbares Zusammenwirken durchaus gegeben zu sein.
Wenn in der Bundesgesetzgebung noch keine Mehrheit für eine solche Regelung zu erreichen ist, sollten wenigstens die verfassungsrechtlichen Länderregelungen respektiert werden. Bundesrecht bricht zwar Landesrecht in der Gesetzgebung. Aber durch Bundesgesetz können den Ländern Befugnisse und Rechte übertragen werden, wie Sie es ja auch in § 10 a dieses Gesetzes vorsehen. Das erscheint uns in diesem Fall, wo es nicht um ein einfaches Gesetz, sondern um eine Landesverfassung geht, möglich und notwendig.
Ich möchte Sie deshalb dringend bitten, mein Anliegen sehr ernst zu nehmen und unseren Antrag anzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich Herr Hansen gewesen wäre, hätte ich auch Herrn Dresbach zitiert. Ich bin persönlich der Meinung, daß der Himmel über der Bundesrepublik nicht einstürzt, wenn Arbeitnehmer in die Industrie- und Handeskammern einbezogen würden. Aber ich bin persönlich weiterhin der Meinung. daß das Arbeitsgebiet der Industrie- und Handelskammern in der gegenwärtigen Form gar nicht attraktiv ist. Ich glaube, Herr Hansen. Sie würden sich dort wahrscheinlich sehr langweilen. Ich habe es teilweise auch getan und bin deshalb ia auch frühzeitig in den Ruhestand versetzt worden.
— Nein, weil ich zu eifrig im Bundestag tätig war.
Ich melde aber gegen den Antrag auf Einfügung eines § 8 a besonders verfassungsrechtliche Bedenken an. Ich glaube. es ist unzuträglich, daß ein einzelnes Land auf einem Gebiete, auf dem der Art. 72 Abs. 2 Ziffer 3 des Grundgesetzes die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes zuleitet, Sonderrechte behält.
Herr Lange. ich will Ihnen noch einen weiteren Beweis zu liefern versuchen. Hier könnte ein sehr schwieriges Präjudiz für die demnächstige Ausdehnung der Bundesgesetzgebung auf die mitteldeutschen Länder. d. h. auf die sowjetische Besatzungszone. geschaffen werden. Ich kann mir nicht vorstellen. daß in diesen Gebieten demnächst auf Grund der dortigen Ländergesetzgebung besonderes Gewerberecht. besonderes Berufsordnungsrecht, oder was es auch sein mag, herrschen könnte. Bundesrecht bricht Landesrecht. Wie man auch zu der Frage des Einbezuges der Arbeitnehmer stehen mac. ich halte es für verfassungsrechtlich sehr bedenklich. Her für ein einzelnes Land Sonderrecht auf einem Gebiet zu schaffen. wo. wie gesagt, die Notwendigkeit der Wahrung der Wirtschafts- und Rechtseinheit geradezu ins Auge springt. Ich bitte deshalb, diesen Antrag auf Schaffung eines § 8 a abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte nur eine Bemerkung zu der Aussage von Herrn Dr. Dresbach machen. Ich bin kein Jurist, ich bin auch kein Verfassungsjurist. Bundesrecht bricht Landesrecht, so
heißt es. Landes recht! Die Frage ist hier — und die müßte im Grunde verfassungsrechtlich geklärt werden —, ob ein Bundesgesetz Landesverfassungen außer Kraft setzen kann. Nur dies ist doch die Frage, die sich hier stellt. Daß das Grundgesetz gegebenenfalls entsprechende entgegenstehende Bestimmungen der Landesverfassungen außer Kraft setzt, das leuchtet auch mir als einem Laien ein. Wie sieht es aber hier aus? Wir machen ein Bundesgesetz und versuchen damit verfassungsrechtliche Bestimmungen der Länder zu überspringen, die in keiner Weise durch irgendwie geartete verfassungsrechtliche Bestimmungen des Bundes eliminiert worden sind. Das ist der einzige Grund, der uns dazu veranlaßt hat, diese Frage hier aufzuwerfen. Diese Frage müßte im Prinzip einmal durch die Verfassungsjuristen, gegebenenfalls durch das dafür zuständige Organ, geklärt werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiter das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Professor Böhm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die verfassungsrechtliche Situation war ja die, daß die Länder vor dem Bunde entstanden sind und damals in ungeheuer wichtigen verfassungsrechtlichen Fragen, wie gerade z. B. auf dem Gebiete des Mitbestimmungsrechts, sehr tiefgreifende Bestimmungen getroffen haben. Nun kam der Bund mit einer einheitlichen Wirtschaftsordnung zustande. Aber in den einzelnen Länderverfassungen befanden sich noch Bestimmungen, die die prinzipiellen Fragen anders lösten. Auch in Hessen war z. B. eine andere Art der Mitbestimmung in der Verfassung vorgesehen, als wir sie nachher in unser Betriebsverfassungsgesetz hineingenommen haben, und das hessische Mitbestimmungsgesetz, das auf Grund der hessischen Verfassung damals erlassen worden ist, ist in seiner Wirkung durch unser Betriebsverfassungsgesetz beseitigt worden. Das wäre ein Beispiel dafür, daß Bundesrecht Landesrecht gebrochen hat, auch da, wo Landesverfassungsrecht durch die Bundesverfassung, die wir haben, sozusagen überholt worden ist.
Ich bin der Meinung, daß dies nicht so sehr eine Frage ist, die wir in unserem Gesetz regeln sollten, sondern eine solche, die, wie es vorher Herr Lange gesagt hat, einmal gerichtlich entschieden werden könnte. Es ist eigentlich eine Rechtsfrage. Soweit wir hier die politische Frage zu lösen haben, vertrete ich eigentlich den Standpunkt, daß eine so ungemein wichtige und in die gesamte Staatsverfassung eingreifende Angelegenheit wie das betriebliche und überbetriebliche Mitbestimmungsrecht im ganzen weder so gelöst werden sollte, daß wir in Einzelgesetzen wie z. B. hier in dem Kammergesetz vorpreschen, noch so, daß wir in einzelnen Ländern vorpreschen. Das Mitbestimmungsrecht in seiner ganzen verfassungsrechtlichen Bedeutung sollten wir in diesem Hause einmal im Zusammenhang mit einem wirklich groß konzipierten Gesamtentwurf beraten. Wir können es nicht so vorwärtstreiben, daß wir in dem Handelskammergesetz oder in Rheinland-Pfalz, sagen wir einmal, eine Bastion nach vorwärts oder nach rückwärts haben. Das wollten wir ja gerade vermeiden. Wir wollten die Sache auf der Basis des Status quo.
Aus diesem Grunde schlage ich vor, den Antrag der SPD bezüglich des § 8 abzulehnen und die Regelung dieser Frage einem etwaigen gerichtlichen Verfahren zu überlassen.
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Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Beratung.
Ich fahre in der zweiten Beratung des Gesetzes fort und rufe in der Einzelberatung die §§ 9 und 10 auf. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache.
Ich rufe § 10 a des Gesetzes auf, dazu Umdruck 791 Ziffer 5 und Umdruck 788. Der Antrag auf Umdruck 791 Ziffer 5 geht inhaltlich vor. Wer begründet?
— Ist schon geschehen.
Zur Begründung des Antrags auf Umdruck 788*) Herr Dr. Berg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Änderungsantrag ist aus einer gewissen Sorge vor dem „grünen Tisch" der Behörden entstanden. Ein Kammerbezirk kann entweder zu groß sein, dann ist er für den Verwaltungsapparat unübersichtlich; oder er kann zu klein sein, dann ist der Verwaltungskopf zu groß und zu kostspielig. Außerdem kann der Bezirk Wirtschaftsgebiete umfassen, die man nicht gerne zusammenfaßt, sondern von seiten der Beteiligten lieber in anderen Kammerbezirken sähe. Um solche Pannen und Mißstände zu vermeiden, die sich bei der jetzigen Formulierung des § 10 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 durch Behörden ergeben könnten, die die Verhältnisse nicht genau übersehen —so was soll es bekanntlich geben —, sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, daß ein Gespräch zwischen denen, die Kammermitglieder werden sollen oder bereits sind, und den Behörden stattfindet. Dies und nur dies soll mit dem Änderungsantrag sichergestellt werden.
Nun ist, nachdem der Änderungsantrag auf dem Umdruck vorlag, das Wort „Personen" beanstandet worden; dieser Ausdruck umfasse nicht den ganzen Kreis derer, die in Frage kämen. Ich schließe mich dem aus Kreisen des Hauses gemachten Vorschlag an, das Wort „Personen" durch „Kammerzugehörigen" zu ersetzen, und stelle den entsprechenden Antrag. In unserem Änderungsantrag würde es dann statt „sind die Personen gemäß § 2 Abs. 1 zu hören" heißen: „sind die Kammerzugehörigen gemäß § 2 Abs. 1 zu hören".
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Meine Damen und Herren! Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache.
Ich rufe weiter auf: § 11, — § 12, — § 13 des Gesetzes in der Ausschußfassung, — Einleitung und Überschrift. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort zu den aufgerufenen Paragraphen gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Beratung.
Bevor ich feststelle, daß wir damit am Schluß der zweiten Beratung sind, erteile ich dem Abgeordneten Lange das Wort zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich befinde mich in einer etwas schwierigen Lage. Wir haben einen Antrag auf Einfügung einer Bestimmung vor § 1 betreffend wirtschaftliche Selbstverwaltung und paritä-
*) Siehe Anlage 10.
tische Zusammensetzung der Kammern gestellt. Es wäre sinnvoll — und ich bitte um das Verständnis des Hauses, wenn ich hier eine Bitte ausspreche —, zuerst die Abstimmungen in der vereinbarten Weise vorzunehmen und uns dann, je nachdem, wie die Entscheidung zu diesem Antrag ausgefallen ist, Gelegenheit zu geben, einen Änderungsantrag einzubringen und zu begründen; er hängt nämlich in der Tat von der Entscheidung über die Ziffer 1 des Umdrucks 787 ab. Ich bitte das Hohe Haus, für unsere Bitte Verständnis zu haben, weil wir infolge der Vereinbarung über die Abstimmungen in Schwierigkeiten hinsichtlich der Begründung kommen. Wir können erst begründen, wenn über Ziffer 1 entschieden ist. Wir haben kein Interesse daran, ins Blaue hinein zu begründen.
— Nein, das ist ja kein Eventualantrag, sondern es handelt sich um einen selbständigen Antrag, der aber von dem Schicksal der Ziffer 1 des Umdrucks 787 abhängt. Ich bitte also, dafür Verständnis zu haben. Meine Bitte geht dahin, das nachher zu ermöglichen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann unterstelle ich, daß das Haus damit einverstanden ist, daß ich ausnahmsweise mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse des heutigen Tages hier einmal so verfahren darf.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der zweiten Beratung dieses Gesetzes. Es ist aber immer noch nicht 11 Uhr, oder Gott sei Dank noch nicht, wie Sie wollen.
Die Frage ist: Soll ich jetzt die Jugenddebatte eröffnen, so wie es das Haus heute morgen beschlossen hat? Ich meine, es wäre nicht sehr sinnvoll, für 10 Minuten noch damit zu beginnen.
— Gut, ich unterbreche im allgemeinen Einverständnis des Hauses bis 11 Uhr. Dann beginnen wir mit den Abstimmungen.
Die Sitzung wird um 11 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich rufe also zur Abstimmung auf das Gesetz zur Gewährung einer Sonderzulage für den Monat Dezember 1956 in den gesetzlichen Rentenversicherungen , Drucksachen 2811, 2784. Zu dem aufgerufenen § 1 rufe ich gleichzeitig die beiden Änderungsanträge auf, die Sie auf Umdruck 792 Ziffern 1 und 2 und auf Umdruck 790 finden.
Ich komme zuerst zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 792*) Ziffer 1, der da lautet:
*) Siehe Anlage 3. Das Gesetz erhält folgende Überschrift:
Entwurf eines Gesetzes über Gewährung einer Sonderzulage in den gesetzlichen Rentenversicherungen.
Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe
das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag Umdruck 792 Ziffer 2 auf. Ich komme zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen ? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag der FDP Umdruck 790**) auf. Sie haben ihn alle vor sich liegen, meine Damen und Herren. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 790 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? – Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über § 1 in der Ausschußfassung. Wer dem § 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen ? — Bei vielen Enthaltungen angenommen.
Wenn ich vorhin richtig verstanden habe — ich will mich aber noch einmal vergewissern —, ist nach diesem Abstimmungsergebnis, Herr Professor Schellenberg, der Umdruck 792 Ziffer 3 gegenstandslos geworden.
— Danke sehr!
Ich rufe auf § 2, — § 3, — Einleitung und Überschrift.. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei vielen Enthaltungen angenommen.
Damit sind wir am Ende der zweiten Beratung. Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Anträge zur dritten Beratung liegen nicht vor.
— Entschuldigen Sie, das ist mir jetzt überreicht worden. Ich kann ja auch nicht sehen, was hinter mir vorgeht.
Es liegt also doch ein Änderungsantrag zur dritten Lesung vor, und wenn ich richtig sehe, ist damit der Antrag, den die FDP zur zweiten Lesung eingereicht hatte, etwas variiert.
– Einen Augenblick, Herr Jentzsch. Es geht hier heute morgen etwas turbulent zu. Ich kann mich auch einmal irren.
Mir ist ein Irrtum unterlaufen. Ich muß ja zur dritten Beratung erst die allgemeine Aussprache eröffnen. Das tue ich hiermit. Wird in der allgemeinen Aussprache zur dritten Lesung das Wort gewünscht? — Frau Abgeordnete Kalinke!
**) Siehe Anlage 2.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die heutige zweite Lesung über ein Überbrückungsgesetz für Sonderzulagen aus der Rentenversicherung findet wieder in einer Atmosphäre und einem Stil statt, vor dem wir in diesem Hause so oft gewarnt haben. Weder Kommunalwahlen noch bevorstehende Bundestagswahlen noch die Schatten, die sie werfen, sollten veranlassen,
daß man die Probleme der Sozialpolitik in dieser Form diskutiert. Herr Kollege Menzel, über die Probleme der Sozialpolitik und die Not der Rentner werden wir mit Ihnen sprechen, und ich hoffe, in der gebührenden sachlichen, besonnenen und ruhigen Form, die die Rentner beanspruchen können.
Den Rentnern ist sehr wenig gedient, wenn ihnen in Flugblättern, Reden und Zeitungsartikeln Dinge versprochen werden, die Sie nicht verwirklichen können. Die Rentner werden nachher sehr enttäuscht sein, wenn sie Ihre Versprechungen nicht erfüllt bekommen.
Deshalb glaube ich, daß das der Sache sehr wenig dient — und das gilt nicht nur für die Flugblätter und Reden der Opposition, das gilt auch für die Ministerbank, die bei der Beratung eines solch wichtigen Gesetzes wieder nicht besetzt ist,
das gilt für unseren Herrn Arbeitsminister, für unseren Herrn Wirtschaftsminister und für unseren Herrn Finanzminister gleichermaßen —, mit Reden und Flugschriften weitere Unruhe zu stiften.
— So, ist er da! Ich freue mich, daß er wiederkommt.
Ich glaube, daß es der Sache nicht dient, wenn in der Öffentlichkeit von Tag zu Tag andere ungeklärte und nicht abgestimmte Meinungen verkündet werden. Wir glauben, daß es den Beratungen und den Beschlüssen nicht dient, wenn wir tagtäglich —
— Ich meine alle, die so etwas tun, und nehme die Herren Minister nicht aus, Frau Kollegin Korspeter. — Wir glauben, daß es der Sache, der Zusammenarbeit nicht dient, wenn nicht endlich mit dieser Methode Schluß gemacht wird, die die Entscheidungen, die wir hier im Parlament zu treffen haben, außerordentlich belastet. Ich hoffe, daß wir uns darin durch alle Fraktionen hindurch einig sind.
Wir sollten aber auch Schluß mit der Verabschiedung von Gesetzen machen, die widerspruchsvolle Begründungen enthalten, die nachher in den Paragraphen und in der Verwirklichung etwas anderes bringen als das, was man vorher in Reden und Begründungen zu Problemen der Sozialreform und zur Übergangslösung verkündet hat. Wir sollten auch aus der Kritik lernen, die an der Durchführung schlechter Gesetze geübt wird, und sollten bei unseren Beschlüssen darauf wirklich Rücksicht nehmen. Man sollte nicht unterstellen — da spreche ich die Kollegen von der SPD an, die auch zuhören sollten, wenn nicht Ihre Meinung vorgetragen wird —, daß derjenige am sozialsten ist, der am meisten verspricht.
In der Regel ist der am sozialsten, der sieh Gedanken darüber macht, w i e die Mittel aufzubringen sind und wem sie gegeben werden, Herr Kollege Menzel.
Wir sollten bei den Gesprächen, die wir in diesem Hause heute und in den nächsten Monaten leider unter dem Schatten des Wahlkampfes führen müssen, auch den Mut haben, über die Dinge zu sprechen, bei denen wir nicht einig sind. Das sollte aber in sachlicher Form geschehen.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat wieder von Gewißheiten gesprochen. Er sollte — ich rate ihm das in aller Freundschaft — sehr vorsichtig sein mit seiner Gewißheit und seinen Hoffnungen. Hoffnungen und Wünsche sind nicht immer mit dem zu identifizieren, was in der mühevollen Tagesarbeit des Parlaments realisiert werden kann. Es ist das besondere Anliegen der Fraktion der Deutschen Partei, daß endlich Schluß gemacht wird mit solchen Versprechungen, seien es zeitliche oder seien es Versprechungen in bezug auf die Höhe der Leistungen, wenn nicht geichzeitig garantiert werden kann, daß sie eingehalten werden.
Ich habe in der Debatte zum Renten-Mehrbetrags-Gesetz in Berlin davor gewarnt, Triumphe über eine sozialpolitische Schnellarbeit zu feiern. Eine sozialpolitische Schnellarbeit, die innerhalb von drei Tagen ein Gesetz zustande bringt, führt immer zu Schwierigkeiten, wie sie heute morgen in der Debatte zum Ausdruck gekommen sind.
Ich habe sehr bedauert, daß das, was von dem Herrn Kollegen Jentzsch hier gesagt worden ist und was im Ausschuß — das muß ich sagen — mit großer Sachlichkeit von den Freien Demokraten vorgetragen wurde, dazu geführt hat, die Dinge noch zu verschärfen. Ich will dem Kollegen Sabel nicht sagen, daß er hier — obwohl er gar nicht bei den Besprechungen dabei war — etwas getan hat, was er mir unlängst in einer vollkommen anderen Situation vorgeworfen hat.
Wir sollten in den Fragen der Sozialpolitik nicht im Hinblick auf Stimmungen und Augenblickslösungen, nicht im Hinblick auf das Wahljahr Entscheidungen treffen, sondern immer davon ausgehen, daß jedes konstruktive Versprechen, das wir geben, dann, wenn es einmal in einem Gesetz steht, psychologisch weitere sozialpolitische Wünsche auslöst und politisch zu oppositionellen Forderungen von allen Seiten anreizt, die nicht der Sache und nicht den Rentnern dienen. Darum hat die Fraktion der Deutschen Partei und darum habe auch ich als Sprecherin meiner Fraktion Bedenken gegen die Konstruktion des Renten-Mehrbetragsgesetzes, die ich heute, wie in der Vergangenheit, sehr deutlich zum Ausdruck bringen muß.
Wir haben in der zweiten Lesung keine Änderungsanträge gestellt. Das unterblieb deshalb — das erkläre ich hier ausdrücklich —, weil wir wollen, daß dieses unter so schwerem Zeitdruck zustande gekommene Gesetz eben um der Rentner willen heute in dritter Lesung verabschiedet wird.
Wir bedauern außerordentlich, daß es nicht zu einer einheitlichen Lösung in diesem Hause gekom-
men ist. Ich bedaure, daß dem Herrn Arbeitsminister nicht Besseres eingefallen ist, als in seiner Kabinettsvorlage — die ja die Grundlage des CDU/CSU-Entwurfs ist — nun wiederum Mindestzuschläge zu empfehlen, obwohl er doch selber immer wieder verkündet hat, daß wir zum Versicherungsprinzip zurückkehren wollen, und obwohl er selber immer wieder darauf hingewiesen hat — und mit ihm viele seiner Kollegen —, wo die Grenzen der staatlichen Fürsorge und die Grenzen der Rechtsansprüche aus Versicherungsbeiträgen sind. Das Problem der Auffüllung kleiner und unzulänglicher Renten wird weder mit einem Überbrückungsgesetz noch mit der Reform der Rentenversicherung allein gelöst werden können. Wir werden uns in den nächsten Wochen sehr ernste Gedanken darüber machen müssen, und wir sollten nichts mit einem solchen Gesetz präjudizieren.
Nun werden Sie mir in der Debatte sicher entgegenhalten: Wir haben ja ausdrücklich betont, daß diese Regelung nur für den Monat Dezember gilt, daß sie nur einmal angewendet werden soll und daß sie nicht fröhliche Urständ in weiteren Vorschlägen des/Herrn Arbeitsministers feiern wird. Der Herr Minister möge mir aber nicht böse sein: Die Fraktion der Deutschen Partei kann solche Prophezeiungen sehr schlecht glauben, wenn wir immer wieder hören, daß gleiche Gedanken und Vorschläge trotzdem erstaunlich schnell wieder auftauchen, nachdem kurz vorher gegenteilige Versicherungen abgegeben worden sind.
Deshalb wiederhole ich hier: Wenn wir in der zweiten Lesung dieser Konstruktion trotz unserer großen Bedenken zugestimmt haben, dann haben wir das getan, um keine weiteren sozialen Enttäuschungen bei den Rentnern zu erzeugen, denen nun schon wieder tagelang in Rundfunk und Presse versprochen ist, daß sie diese Zulagen im Dezember erhalten. Ich knüpfe daran aber die ernste und verantwortungsbewußte Bitte, daß endlich mit solchen Reden Schluß sein möge,
Schluß sein möge aber auch mit den dauernden Schwierigkeiten, in die uns die Regierung bringt, wenn wir Beschlüsse, die im Parlament verantwortet werden müssen, präjudiziert bekommen.
In der Aussprache ist von dem Herrn Kollegen Schellenberg wiederholt — in der ersten Lesung und heute — auf die — wie er sagt — Einnahmenüberschüsse der Sozialversicherungsträger hingewiesen worden. In recht demagogischer Form
ist gesagt worden: Haben Sie Verantwortung gegenüber den Menschen oder für die Finanzen? — Sie haben es mir nicht gesagt, Herr Kollege Schellenberg, aber ich gehöre der Regierungskoalition an,
und wir fühlen uns auch dann, wenn wir nicht in allen Fragen mit der CDU einig sind, absolut verantwortlich für die Fragen der Finanzierung, in denen es darum geht, daß die Steuern und Beiträge von den Menschen aufgebracht werden müssen, die morgen Rentner sein werden.
Deshalb glaube ich nicht, Herr Kollege Schellenberg, daß man es sich mit den Problemen so einfach machen kann und sagen kann: da sind die Bestände, die bei den Versicherungsträgern vorhanden sind. Der Arbeitsminister würde sagen — er hat das oft gesagt, und ich nehme ihn immer wieder beim Wort —: Die Beiträge sind Eigentum der Versicherten. Ich weiß nicht, was der Deutsche Gewerkschaftsbund und was die Gewerkschaften dazu sagen würden — in allen Organen der Selbstverwaltung —, wenn Sie über die Beiträge und das Eigentum der Versicherten so hinweggingen, als könnten Sie damit machen, was immer Sie wollten, ohne zu überlegen, daß diese Beiträge für diejenigen angesammelt werden müssen, die morgen das bekommen sollen, was Sie ihnen heute versprechen.
Von den Wundern, sei es das vom 1. Januar oder seien es spätere Wahlgeschenke, wollen wir bei so realen Betrachtungen besser nicht sprechen. Die Rentenversicherungsträger haben bis zur Stunde ihren Währungsschaden nicht erstattet bekommen. Sie haben nicht das Recht, einfach von sich aus ein Umlagesystem zu präjudizieren. Das aber würden Sie, Herr Dr. Schellenberg, erzwingen, wenn Sie die totale Umlage heraufbeschwörten, weil Sie alle Beiträge, wenn sie eingenommen sind, unverzüglich auszugeben anstreben.
Wir haben schon im Wirtschaftsrat in Frankfurt gegen das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz gestimmt. Ich habe zuletzt in Berlin und dazwischen viele Male daran erinnern müssen, daß wir mit der Auseinandersetzung über Prinzipien, die wir nachher nicht einhalten, endlich Schluß machen sollten.
Ich möchte auch etwas Positives sagen. Mit dem Renten-Mehrbetragsgesetz ist tatsächlich versucht worden, zum Versicherungsprinzip zurückzukommen. Wir bedauern nur, daß man diesen Versuch immer wieder unterbricht, indem man mit mangelnder Klarheit im zweiten Akt zu Entschließungen kommt, die genau das wieder rückgängig machen, was man im ersten Akt getan hat.
Wir freuen uns, daß in diesem Gesetz die in der Kritik am Ersten Rentenmehrbetragsgesetz mit Recht festgestellten Ausfälle — für diejenigen, die vor 1924 Renten empfangen haben, und für die Waisen — nun nicht mehr enthalten sind. Wir begrüßen auch, daß bei der Anrechnung der Rentenzulagen die Lücke des letzten Gesetzes hinsichtlich der Arbeitslosenversicherung geschlossen wird. Wir geben uns keinen Täuschungen darüber hin, daß dieses Gesetz, wenn es in Kraft treten wird, weitere Hoffnungen hinsichtlich Mindestzulagen und weitere Forderungen hinsichtlich Mindestrenten konsequent bringen wird.
Wir meinen, unter die Sonderzulagengesetze sollte heute nun wirklich ein Schlußstrich gezogen werden, unter die Praxis all der verschiedenen Rentenmehrbetragsgesetze, die seit dem SVAG und nun seit 1954 bzw. 1955 Übergangsregelungen bis zur Reform sein sollten. Geben Sie dem Parlament und den Parlamentariern, die sich darum bemühen, ein tragbares, zu verwirklichendes und sozial gerechtes Rentenreformgesetz zu machen, endlich die Möglichkeit, das zu tun, was sie vor ihrem Gewissen verantworten wollen, ohne unter fortgesetztem Zeitdruck und mit fortgesetzten Präjudizierungen durch Versprechungen arbeiten zu müssen.
Wir freuen uns der Einmütigkeit, die in diesem Hause besteht, allen Rentnern schnell helfen zu wollen. Wir haben das Beispiel gegeben, daß man trotz innerer fester Überzeugung, daß das, was hier getan wird, nicht vollkommen ist, um der Rentner willen etwas tun kann, was staatspolitisch wahrscheinlich vernünftiger ist, als den Wahlkampf ins Parlament zu tragen.
Nachdem der Haushaltsausschuß gestern seinen Beschluß gefaßt hat, wird die Fraktion der Deutschen Partei trotz der von mir klar dargelegten Bedenken dem Gesetzentwurf der CDU/CSU zustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Rahmen der allgemeinen Aussprache zur dritten Lesung erteile ich dem Abgeordneten Dr. Jentzsch das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in der ersten Lesung, wir haben in der Ausschußberatung, wir haben in der zweiten Lesung versucht, eine Brücke zu bauen, zu einem Kompromiß zu kommen. Wir haben dabei sehr vieles von den nach unserer Auffassung notwendigen und berechtigten Forderungen zurückgestellt. Wir haben, auch das möchte ich noch einmal mit Nachdruck betonen, die Forderungen in der ersten Lesung und die Wünsche, die wir im Ausschuß geäußert haben, nicht etwa aus dem Gefühl heraus vorgebracht, daß es uns, da nicht in der Regierungsverantwortung befindlich, nicht darauf ankomme, woher die Mittel aufgebracht werden. Es ist zu billig, wenn man das unterstellen will, und ich nehme auch nicht an, daß ein derartiger Vorwurf erhoben wird; nur der Vorsicht halber sei es gesagt.
Auch wir würden es begrüßen — und ich kann darin den Äußerungen der Frau Kollegin Kalinke nur beipflichten —, wenn endlich einmal die Vorlagen so rechtzeitig kämen, daß uns die Möglichkeit gegeben ist, sie bis ins letzte erschöpfend zu behandeln und zu durchdenken, so daß Überbrükkungsmaßnahmen, Sonderzulagen, und wie die sonstigen Hilfsmittel heißen, nicht notwendig sind.
Es ist unser Wunsch, daß es möglich sein wird, das große Rentenreformgesetz zum 1. Januar zu erlassen.
Vergessen wir eines nicht: das, mit dem wir uns jetzt im Augenblick zu befassen haben, ist im Grunde genommen nichts anderes als ein Zwischenakt in den Beratungen um die Rentenversicherung. Es könnte einem bange werden, wenn man den Verlauf der heutigen Beratungen als Maßstab nehmen müßte für das, was uns nachher erwartet, wenn es um noch viel grundsätzlichere und wichtigere Dinge geht.
Wir haben, um zu beweisen, wie weit unsere Kompromißbereitschaft geht, noch einen Änderungsantrag für die dritte Lesung eingebracht. Er ist inzwischen verteilt worden und liegt Ihnen vor. Ich werde, wenn der Paragraph aufgerufen ist, noch Gelegenheit nehmen, unseren Antrag im einzelnen zu begründen. Ich glaube, er bietet noch einmal die Möglichkeit, der Öffentlichkeit gegenüber zu dokumentieren, daß in der Frage der Überbrückungshilfe für die Rentner tatsächlich eine einheitliche, von der breiten Mehrheit des Hauses getragene Auffassung besteht.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren, ich werde Ihre Zeit nicht unnötig lange in Anspruch nehmen, möchte aber bei dieser Generalaussprache dritter Lesung namens meiner politischen Freunde noch ein paar Gedanken äußern.
Wir haben aus den bisherigen Beratungen über die Rentenreform im Sozialpolitischen Ausschuß durchaus die Überzeugung gewonnen, daß es gemeinsame Ansicht aller Fraktionen ist, es müsse in energischem Bemühen alles getan werden, die Verabschiedung der Vorlage so zu gewährleisten, daß sie ab 1. Januar 1957 wirksam werden kann. Im Ausschuß ist in dieser Beziehung keinerlei Meinungsverschiedenheit vorhanden gewesen, und ich bin der Überzeugung, daß wir an dieser Einstellung auch weiterhin gemeinsam festhalten werden.
Es ist heute morgen hier einige Male so durchgeklungen, es könne vielleicht doch nicht gelingen. Dabei ist gleichzeitig gesagt worden — und das möchte ich mir auch zu eigen machen —, daß, selbst wenn eine Schwierigkeit eintreten sollte, das Inkrafttreten mit dem 1. Januar 1957 trotzdem gewährleistet werden muß. Ich glaube, auch darin sind sich die Fraktionen im Sozialpolitischen Ausschuß und, wie ich meine, auch im Hause überhaupt einig. Mehr möchte ich zu dem Punkte nicht sagen.
Meine Damen und Herren, ich will mich nicht im einzelnen mit dem beschäftigen, was die verehrte Frau Kollegin Kalinke hier vorgetragen hat. Sie hat aber der Sorge Ausdruck gegeben, daß dieses Gesetz, das wir heute hier verabschieden, eine irgendwie geartete Präjudizierung der Dinge bedeuten könnte, über die wir bei der endgültigen Reformgestaltung zu entscheiden haben. Dazu möchte ich die Ansicht meiner Freunde dahin aussprechen, daß die heutige Vorlage in der Tat nur auf den Monat Dezember abgestellt ist. Wir sehen darin kein Präjudiz für die endgültige Reform. Wir haben auch nicht die Meinung, daß das eine Festlegung im vorweg auf die Mindestrente sein könnte. Unsere Stellungnahme zur Frage der Mindestrente, so wie sie im sozialdemokratischen Gesetzentwurf vorgesehen ist, ist oft genug ausgesprochen worden. Ich brauche sie heute hier im einzelnen nicht zu wiederholen.
Zur Sache selber will ich in keiner Weise wiederholen, was meine Freunde bei der Debatte in der zweiten Lesung zu den Änderungsanträgen im einzelnen ausgeführt haben. Ich darf mich darauf beziehen und auch für die Entscheidung in der dritten Lesung sagen, daß für uns die sehr gewichtigen Beweggründe, 'die uns veranlaßt haben, die Änderungsanträge in zweiter Lesung abzulehnen, auch für die dritte Lesung bestehenbleiben. Wir sehen insbesondere hier schon die Verbindung zu den großen Entscheidungen und glauben, daß die gesamtfinanzpolitischen Erwägungen, auf die heute morgen sowohl der Kollege Stingl als auch der Kollege Schüttler hingewiesen haben, auch jetzt bei der Entscheidung dritter Lesung berücksichtigt
werden müssen. Aus diesem Grunde kann ich schon im Vorwege sagen, noch bevor der Änderungsantrag zur dritten Lesung begründet ist, daß wir uns zu unserem Bedauern wegen dieser Gesamtzusammenhänge nicht in der Lage sehen, diesem — meinethalben gutgemeinten — Kompromißvorschlag unsere Zustimmung zu geben.
Meine verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir nun, daß ich mit ein paar Sätzen auf die erste Lesung zurückkomme, weil wir eine Debatte im einzelnen nicht geführt haben; es sind ja lediglich die Anträge begründet worden, und damit hatte es im wesentlichen sein Bewenden. Ich möchte zunächst einmal mit ein paar Sätzen auf die Ausführungen zurückkommen, die Herr Kollege Professor Dr. Schellenberg bei der Begründung des sozialdemokratischen Antrages gemacht hat. Der Herr Kollege Schellenberg hat es für angebracht gehalten, in einer Seitenbemerkung über die endgültige Gesetzesvorlage u. a. zu sagen: Wie mangelhaft die Regierungsvorlage ist, das sehen Sie u. a. aus der Tatsache, daß die Regierungsparteien zu den ersten fünf Paragraphen bereits 24 Änderungsanträge eingebracht haben. — Die Absicht, aus der diese Bemerkung gemacht wurde, ist für uns durchaus klar und eindeutig. Sie ist auch an jenem Tag der Beratung des Sozialpolitischen Ausschusses wieder zum Ausdruck gekommen, an dem es der sozialdemokratische Pressedienst für angebracht gehalten hat, dieselbe Behauptung auch der Öffentlichkeit kundzutun.
Der Herr Kollege Schellenberg hat es in dieser Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses aus derselben propagandistischen Absicht — ich weiß es nicht, aber beinahe muß ich den Eindruck haben — auch zuwege gebracht, daß in einem Augenblick, in dem der Materialnachschub für ein paar Minuten aussetzte, beschlossen wurde, die Sitzung abzubrechen. Auch dieser Hinweis befindet sich in jener Pressemeldung des sozialdemokratischen Pressedienstes vom gleichen Tage.
Wenn Herr Schellenberg die Dinge wirklich zutreffend hätte darstellen wollen, dann hätte er sagen müssen, daß wir uns in der ersten Lesung im Ausschuß bei der gemeinsamen Durchsprache der Vorlage in einer ganzen Reihe von Fällen darüber einig gewesen sind, gewisse Vorschläge des Bundesrats zu übernehmen, und daß wir uns ebenso in einer Reihe von Fragen darüber klar waren, daß wir gewisse Änderungswünsche beteiligter Verbände, etwa des Verbandes der Rentenversicherungsträger, übernehmen wollten.
Diese gemeinsame Auffassung in der ersten Lesung im Ausschuß hat — jedenfalls in der Hauptsache — ihren Niederschlag in den Änderungsanträgen gefunden, die wir dann formgerecht, weil ja ein Antrag vorliegen muß, im Sozialpolitischen Ausschuß eingebracht haben.
Meine Damen und Herren, das ist der Tatbestand. Ich möchte die Bemerkungen des Herrn Kollegen Schellenberg in dieser Beziehung hier richtiggestellt haben.
Die sozialdemokratische Opposition muß es mir nun gestatten, hier noch auf eine weitere Sache einzugehen, weil ich eine andere Möglichkeit dazu nicht mehr habe. Die Sozialdemokratische Partei hat es wie bei früheren Anlässen so auch in diesem Kommunalwahlkampf für angezeigt und richtig gehalten, sich in Flugblättern und Briefen an die „Lieben Rentnerinnen und Rentner" zu wenden. Mir liegt die Fotokopie eines solchen Flugblattes vor, das vom SPD-Unterbezirk Gelsenkirchen herausgegeben ist. Nur an dieses Flugblatt möchte ich mich halten. Ich fühle mich dazu deshalb verpflichtet, weil es sich ausschließlich mit der angeblich unsozialen Haltung der Christlich-Demokratischen Union in Sachen Rentenreform beschäftigt.
Meine Damen und Herren, hier wird in einer mir unbegreiflichen Art und Weise versucht, auf die Wähler im Kommunalwahlkampf Einfluß zu nehmen.
Das Flugblatt spricht die Wählerschaft in einer Art und Weise an, daß ich sagen muß: das ist schon Spekulation auf irgendeine besondere Einstellung oder Auffassung der Wähler, hier der Kategorie der Rentner. Mir fehlt der parlamentarische Ausdruck, meine Damen und Herren,
um die ganze Primitivität eines derartigen Flugblattes zu kennzeichnen.
Ich muß mit aller Entschiedenheit auch dagegen protestieren, daß sich hier unter anderem ein Satz findet, den wir in ähnlicher Formulierung in früheren Rentnerbriefen schon haben lesen können. Dort heißt es:
Man muß sich fragen: ist der Geist des Dritten Reiches noch nicht überwunden?
In dieser dunklen Periode unserer Geschichte galt ja auch der alte Mensch nichts und ist oft vergast worden, wenn er in Heimen war.
Meine Damen und Herren, gegen diese Unterstellung, daß auch bei uns der alte Mensch nichts gelte, und gegen den Versuch, mit dieser Unterstellung den Menschen draußen zu beeinflussen, muß ich von dieser Stelle aus mit aller Entschiedenheit und in aller Form protestieren.
Meine Damen und Herren, ich bin noch nicht fertig, ich habe Ihnen noch etwas zu sagen. Da schließt sich gleich der Satz an:
Euch ist nicht mit schönen Festreden von Menschlichkeit gedient,
Ihr wartet seit vielen Jahren auf Taten.
Aber die kommen nicht,
weil viele von Euch sich betören ließen und CDU wählten.
Die Dinge werden noch toller!
Da steht, nachdem sich die SPD selber mit der Gloriole umwunden hat, als ob nur sie diejenige sei, welche, unter anderem der Satz:
Die CDU-Mehrheit hat stets, wenn von der Sozialdemokratie Verbesserungen verlangt wurden, „nein" gesagt,
hat kleine Verbesserungen der sozialen Gesetzgebung abgelehnt.
— Herr Schellenberg, toller und ungeheuerlicher kann die Wahrheit wirklich nicht auf den Kopf gestellt werden, als es mit diesem Satz geschehen ist.
Meine Damen und Herren, das sage ich jetzt aber ebenso klar und deutlich: Sie können die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß wir für den Gesamtkomplex der sozialen Gesetzgebung für die Zeit seit Anfang des Jahres 1955 bis Mitte 1956 einen zusätzlichen Leistungsaufwand von insgesamt rund 5 Milliarden DM beschlossen haben.
Nehmen Sie nur die gesetzlichen Rentenversicherungen. Da sind, angefangen vom Renten-Mehrbetrags-Gesetz, über die Korrektur im Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz bezüglich der Witwenrente bis zum Sonderzulagengesetz immerhin Leistungssteigerungen von insgesamt über 1,7 Milliarden DM zu verzeichnen.
Wenn Sie dem noch die Verbesserungen, die heute beschlossen werden sollen, in Höhe von rund 240 bis 250 Millionen DM hinzufügen, dann ergibt sich für diese beiden letzten Jahre allein auf dem Gebiete der gesetzlichen Rentenversicherungen eine Leistungsverbesserung, die mit unseren Stimmen beschlossen und zum wesentlichen auch unserer Initiative mit entsprungen ist,
von rund 2 Milliarden DM.
Wie man sich nun in einem sozialdemokratischen Wahlflugblatt in Form eines Briefes an die Rentner herausnehmen kann, zu behaupten, die CDU-Mehrheit habe stets nein gesagt, wenn es sich um kleine Verbesserungen gehandelt habe, das mögen Sie selber, meine Damen und Herren von der SPD, vor der Öffentlichkeit und den Rentnern draußen verantworten.
Zum Schluß noch die eine Bemerkung: es heißt schon sehr an die Dummheit der Wählerschaft appellieren, wenn man Wahlpropaganda in solcher Form macht. Wir haben von der Verfassung und dem klaren Urteil der Rentner draußen eine andere, eine höhere Meinung.
Wir sind der Überzeugung, daß die Menschen wirklich ansprechbar sind für das, was aus verantwortungsbewußter Entscheidung in diesem Hause gemacht wird und was ihnen sicherstellt, daß sie im Monat Dezember, wo an sich die Lücke einträte, nun auf Grund dieser Gesetzgebung eine derartige Sonderzahlung in die Hand bekommen.
Meine Damen und Herren, es wird so getan, als ob man die Gesetzgebung auf der Ebene des Bundes beeinflussen könne, wenn man auf der kommunalen Ebene sozialdemokratischen Kandidaten die Stimme gibt. Da wird also die Bundespolitik in dieser abwegigen Form mit der Kommunalpolitik vermengt.
Meine Damen und Herren, wenn man auf dieser Ebene keine besseren, keine kommunalpolitisch durchschlagenden Argumente hat,
Argumente, die die Wählerschaft zur Stimmabgabe für die SPD begeistern sollen, tun mir die Erfinder einer solchen Art der Wahlpropaganda wahrhaftig leid.
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Mitteilungen des Herrn Kollegen Horn über ein Flugblatt aus Gelsenkirchen kann ich mich nicht äußern, weil ich das Flugblatt nicht gesehen habe.
Ich habe das Flugblatt nicht gesehen. Ich muß es deshalb in seinem Gesamtzusammenhang lesen und bin dann gerne bereit, dazu eine Stellungnahme abzugeben.
— Ich will es nachher lesen, gern.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß Herr Kollege Horn mit dem Flugblatt von dem, was hier zur Beratung steht, ablenken will,
nämlich von der Entscheidung, die wir heute zu treffen haben. Kollege Horn hat aus diesem Flugblatt etwas zitiert, was richtig ist. Im Flugblatt steht u. a., die CDU würde sich auch gegen geringfügige Leistungsverbesserungen aussprechen. Dafür haben wir heute wieder einen Beweis erhalten.
Und nun, meine Damen und Herren, zu dem, was Herr Kollege Horn über die Praxis des Sozialpolitischen Ausschusses berichtet hat, zu der ich mich allein materiell hier äußern kann. Herr Kollege, Sie haben durch Ihr Dementi bestätigt, was ich erklärt habe. Sie haben nämlich nicht be-
stritten, daß von Ihrer Fraktion zu den ersten fünf Paragraphen tatsächlich 24 Änderungsanträge gestellt worden sind.
— Darf ich weiter sagen: Sie haben ferner erklärt, durch mein Eingreifen habe sich der Sozialpolitische Ausschuß vertagt, weil der Nachschub an Anträgen nicht vorgelegen habe. Das war, Herr Kollege Horn, eine gemeinsame Auffassung des Sozialpolitischen Ausschusses.
Wie ist denn die Situation? Sie ist doch mehr als peinlich,
um nicht zu sagen skandalös.
— Aber, meine Damen und Herren, wir sind in der Abstimmung im Ausschuß und erhalten dann ganze Packen von Änderungsanträgen, die weder wir noch Ihre eigenen Fraktionskollegen gelesen haben. So waren die Tatbestände!
Da haben wir gemeinsam gesagt: Wir wollen die Beratung jetzt aussetzen, um erst einmal die Anträge durchzulesen. Ich meine, das ist ein notwendiges Verfahren, weil wir ein Gesetz schaffen wollen, das in seiner Gestaltung den Anforderungen entspricht, die dieses Haus und die Öffentlichkeit an ein Gesetz stellen. .
Der Sozialpolitische Ausschuß hat damit lediglich seine Pflicht erfüllt. Es ist das Versäumnis der Regierungsparteien, daß sie uns erst während der Beratung diese Stöße von Anträgen unterbreitet haben.
Soviel zu dieser Sache.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Herr Kollege Schellenberg, warum gehen Sie denn nicht auf meine Korrektur wenigstens insofern ein, daß Sie zugeben, daß die von Ihnen erwähnten 24 Anträge im wesentlichen der Absprache in der ersten Lesung und den Erkenntnissen aus der ersten Lesung, zu denen wir zum erheblichen Teil gemeinsam kamen, entsprachen und daß sie nur eingebracht werden mußten, um dem Ausschuß eine schriftliche Unterlage, einen ordnungsmäßigen Antrag für seine Abstimmungen zu geben?
Herr Kollege Horn, ich habe zu Anträgen erst eine Meinung abzugeben, wenn ich sie gelesen habe.
In Ihren Anträgen waren auch bedenkliche Verschlechterungen gegenüber dem Inhalt Ihres eigenen Regierungsentwurfs enthalten,
und das wollen wir vorher lesen.
Nun zurück zu der Sache, die wir jetzt zu beraten haben, zu der Entscheidung, die wir zu treffen haben.
Ich habe namens der sozialdemokratischen Fraktion zur dritten Lesung folgende Erklärung abzugeben.
Erstens. Die Mehrheit des Hauses hat alle Anträge auf Verbesserung von Sonderzulagen abgelehnt, und Herr Kollege Horn hat namens seiner Fraktion erklärt, den Antrag der FDP auf den vierfachen Mehrbetrag abzulehnen. Das bedeutet, daß Sie eine Regelung beschließen wollen, die für drei Millionen Menschen nur eine Sonderzahlung von 21 DM, von 14 DM für Witwen und 10 DM für Waisen bringt. Für 3 Millionen Menschen nur diese Sätze!
Das ist das Entscheidende für uns. Das ist im Hinblick auf den bevorstehenden Winter keine wirksame Hilfe,
sondern bedeutet, daß den vielen Enttäuschungen,
die den sozial Schwachen schon bisher bereitet
wurden, eine neue Enttäuschung hinzugefügt wird.
Zweitens. Nachdem jedoch die sozialdemokratische Bundestagsfraktion durch ihren Gesetzentwurf über die Überbrückungszulage einen entscheidenden Anstoß dafür gegeben hat, daß überhaupt noch in diesem Jahr eine Überbrückungszahlung erfolgt, wird die sozialdemokratische Fraktion der hier vorliegenden unzulänglichen Regelung zustimmen, damit die Rentner überhaupt vor Weihnachten noch irgendeine Zusatzzahlung bekommen.
Drittens. Bei der Verabschiedung des Gesetzes über diese Überbrückungszahlung betont die SPD nochmals: sie wird unbedingt darauf bestehen, daß die umfassende Rentenreform nicht nur mit Wirkung vom 1. Januar 1957 nachträglich in Kraft gesetzt, sondern noch in diesem Jahre das Gesetz verabschiedet wird, damit die Rentner am Ende dieses Jahres wissen, auf was sie am 1. Januar Anspruch haben.
Meine Damen und Herren, an unserer intensiven Mitarbeit hat es wohl wirklich nicht gefehlt und wird es nicht fehlen.
Viertens. Im Zusammenhang mit der Verabschiedung der Überbrückungszulage verwahrt sich die sozialdemokratische Bundestagsfraktion gegen die Erklärung, die der Herr Bundeswirtschaftsminister gestern in Köln abgegeben hat.
Nach diesen Erklärungen des Bundeswirtschaftsministers sollen die Renten nicht zu hoch sein, sondern nur ein Existenzminimum sichern.
Die SPD stellt fest, daß diese empörende Erklärung des Bundeswirtschaftsministers im Gegensatz zu den von der Bundesregierung gemachten Versprechungen über eine entscheidende Verbesserung — so heißt es im Beschluß des Sozialkabinetts — steht und daß sie eine Brüskierung nicht nur der Rentner, sondern aller Arbeiter und Angestellten, die auf eine umfassende Rentenreform warten, bedeutet.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich will auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Horn hier nicht weiter eingehen, möchte jedoch einmal einen Grundsatz herausstellen, der wohl für alle Sozialpolitiker eine bindende Verpflichtung sein sollte. Es wird allmählich zur Übung, die Dinge in der Öffentlichkeit immer so darzustellen, als seien wir nur Finanzpolitiker und hätten den Aufwand an sozialpolitischen Leistungen global zu betrachten. Ich glaube, daß das sehr einseitig ist. Der Sozialpolitiker hat auch die andere Seite zu sehen, nämlich wie sich die Globalaufwendungen für den Rentenempfänger auswirken.
Das ist in den Ausführungen von Herrn Kollegen Horn wie auch in früheren Ausführungen zu sozialpolitischen Gesetzen und Anliegen sehr wenig oder überhaupt nicht zum Ausdruck gekommen.
Meine politischen Freunde und ich sind durchaus der Auffassung, daß das Gesetz über die Dezemberzahlung, das heute über die Bühne gehen soll, keinesfalls ausreicht.
Da aber keine Hoffnung besteht, die Mehrheit in diesem Hause für ein verbessertes Gesetz zusammenzubringen, werden wir dem Gesetz zustimmen. Im nächsten Bundestag, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, wird es anders aussehen,
und dann werden Sie einmal von uns zu lernen haben,
was Toleranz bedeutet.
Ich möchte Ihnen also sagen, daß wir nur aus dieser Notwendigkeit, damit überhaupt etwas geschieht, dem Gesetz trotz größter Bedenken unsere Zustimmung geben werden.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Professors Schellenberg über die angeblichen Ausführungen des Herrn Kollegen Erhard zwingen mich, dem Hohen Hause zu sagen, daß das Kabinett nach wie vor seinen Vorschlag, der in der Gesetzesvorlage enthalten ist, als für sich bindend ansieht,
so daß das, was heute über Ausführungen von Herrn Wirtschaftsminister Erhard in der Zeitung gestanden hat, nur von ihm zu vertreten ist.
Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache liegen nicht vor; ich schließe die allgemeine Aussprache.
Meine Damen und Herren, bevor wir zur Abstimmung kommen, gebe ich das Wort zur Begründung eines .Änderungsantrags auf Umdruck 793 *) Herrn Abgeordneten Dr. Jentzsch.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem während der Generaldebatte zur dritten Lesung recht weitgespannte Ausflüge in das Gebiet des Wahlkampfes unternommen wurden, so daß man versucht war, anzunehmen, man befände sich irgendwo in einem Versammlungssaal und es gälte nun für den Redner, die Zuhörer zu einer bestimmten Auffassung zu führen, möchte ich nunmehr zum Thema zurückkehren. Man hat offenbar vergessen, daß es sich hier um die Beratung eines Gesetzentwurfs handelt und daß die hier zitierten Flugblätter usw. nicht aus dem Hause stammen; denn wären sie aus diesem Hause gekommen, dann hätten wir uns unmittelbar damit zu befassen. So aber kann man die Erwiderung darauf draußen an der Stelle geben, wo sie präsentiert werden. Das ist die Auffassung, die meine politischen Freunde und ich in diesen Dingen haben.
Ich habe schon in der Generaldebatte gesagt, daß wir ein außerordentliches Maß an Kompromißbereitschaft gezeigt haben, und ich bedaure die Äußerungen des Herrn Kollegen Horn außerordentlich, der sofort verkündete, daß er und seine Freunde nicht geneigt seien, den Änderungsantrag anzunehmen, und das noch bevor dieser Änderungsantrag vorlag, bevor er überhaupt begründet und bevor dazu ein Wort gesagt wurde.
— Das ist nicht ständige Übung. Herr Kollege Horn, ich darf doch einmal daran erinnern, daß der Ihnen vorgelegte Änderungsantrag mit dem vierfachen Mehrbetrag dem Vorschlag entspricht, den ich im Namen meiner Freunde schon im Sozialpolitischen Ausschuß gemacht habe. Wir greifen also nur unseren alten Vorschlag wieder auf, und es schien eine Zeitlang so, meine Damen und Herren von der CDU, als ob sich gerade auch in Ihren Reihen eine ganze Reihe von Kollegen dadurch beeindrucken ließen und meinten, es wäre schon richtig, dem vierfachen Mehrbetrag als einem Kompromiß zwischen Ihrer Auffassung und dem
*) Siehe Anlage 4.
13. Rentenbetrag, den die SPD geben wollte, zuzustimmen.
Wir haben den vierfachen Rentenmehrbetrag eingesetzt. Wir haben eine gewisse Erhöhung der Geldbeträge vorgenommen, die Sie in der CDU-Vorlage nach unserer Meinung unzureichend bemessen haben, die aber unter den Geldbeträgen liegen, die wir zur zweiten Lesung beantragt haben. Jetzt ist, Herr Kollege Stingl, die Spanne zwischen dem Aufwand, den der unveränderte CDU-Entwurf bedeutet, und dem Aufwand, der sich aus dem neuerlichen Kompromißvorschlag der FDP ergibt, noch geringer,
als sie in der zweiten Lesung war.
Ich kann nur wiederholen: es handelt sich um eine Überbrückungshilfe für den Monat Dezember. Das Weihnachtsfest macht aus sozialpolitischen Gründen eine andere Behandlung einer solchen Überbrückungshilfe notwendig, als es in irgendeinem anderen Monat der Fall wäre. Das ist aber auch das letzte, was man an Kompromißbereitschaft zeigen kann. Ich appelliere noch einmal an die Einsicht und an die Bereitwilligkeit auch gerade der Kollegen von der CDU/CSU und bitte, dem Änderungsantrag der FDP zuzustimmen.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 793*). Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Weitere Änderungsanträge liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über das ganze Gesetz. Wer dem Gesetz in der Vorlage des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir haben noch die beiden Initiativgesetzentwürfe Drucksachen 2727 und 2766 zu erledigen. Zunächst in zweiter Lesung den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Entwurf eines Zweiten Gesetzes über die Gewährung von Sonderzulagen in der gesetzlichen Rentenversicherung, Drucksache 2727. Ich rufe auf §§ 1, — 2, — 3, — 4, — Einleitung und Überschrift. Wer diesem Entwurf zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Entwurf ist abgelehnt.
Dann rufe ich zur zweiten Beratung den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 2766 betreffend den Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung eines Abschlages auf die Nachzahlungen nach der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen auf. Das Haus ist damit einverstanden, daß ich die Abstimmung über die §§ 1, 2, 3, 4, 5 und, über Einleitung und Überschrift verbinde.
Wer dem Entwurf zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Entwurf ist abgelehnt. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.
*) Siehe Anlage 4. Ich komme zurück zu den
Abstimmungen in der zweiten Beratung zum Entwurf eines Gesetzes über die Industrie- und Handelskammern.
Hier liegen eine Reihe von Änderungsanträgen vor. Die Änderungsanträge sind begründet, die Aussprache darüber ist geschlossen. Wir werden vermutlich nur noch an einem Punkt eine Wortmeldung haben.
Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 787 *), vor § 1 einen neuen Paragraphen einzusetzen. Es handelt sich um einen Änderungsantrag der Fraktion der SPD. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 787 Ziffer 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrhat, der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 787 Ziffer 2 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag unter Ziffer 2 des Umdruck 787 ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag auf Umdruck 791**) Ziffer 2 auf. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 791 Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Änderungsantrag auf Umdruck 791 Ziffer 2, der sich auf § 1 Abs. 1 des vorliegenden Gesetzentwurfes bezieht, angenommen.
Ich komme weiter zu dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 791 Ziffer 3.1
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt hier ein Ausschußentwurf vor, der sich auf die Initiative einiger Kollegen gründet, die Industrie- und Handelskammern zu öffentlich-rechtlichen Körperschaften mit dem Merkmal der Zwangsmitgliedschaft zu machen. Mein Freund Werner Hansen hat in diesem Zusammenhang unseren Antrag, die wirtschaftliche Selbstverwaltung in Gestalt einer paritätisch zusammengesetzten Körperschaft zu billigen, begründet. Sie haben diesen Antrag abgelehnt.
In den Auslassungen verschiedener Kollegen hier ist immer wieder betont worden: Wir wollen diese Frage nicht präjudizieren, gleichgültig wie die Lösung einmal aussehen wird.
— Ein Moment, ich komme auf das Vereinheitlichen, Herr Stücklen. Man kann das Vereinheitlichen so machen, wie Sie es verstehen; man kann es aber auch anders herum machen.
Daß eine Rechtsvereinheitlichung wünschenswert
ist, ist völlig klar. Daß man aber mit dieser Rechtsvereinheitlichung einen Tatbestand schafft, den wir
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 11.
bei anderen Gelegenheiten gemeinsam abgelehnt haben, ist mir unverständlich. Ich darf darauf hinweisen, daß wir die wirtschaftliche Selbstverwaltung in der Handwerksordnung in der von uns vorgeschlagenen Form, nämlich unter Beteiligung der Selbständigen und der Unselbständigen, geregelt haben. Wenn wir also wirtschaftliche Selbstverwaltung für den übrigen Teil der Wirtschaft wollen, dann müssen wir das machen. Wenn man aber nicht präjudizieren will — ich nehme das den Kollegen, die sich so geäußert haben, ab —, dann kann man unmöglich Unternehmer- oder Unternehmensorganisationen oder -zusammenschlüssen öffentlich-rechtlichen Charakter geben und die ansonsten auch an der Wirtschaft Beteiligten dabei einfach ausschließen, weil nämlich die Verleihung öffentlich-rechtlicher Eigenschaft die Übertragung von staatlichen Hoheitsfunktionen bedeutet. Insoweit sind wir also der Meinung, daß man jetzt den anderen Wege gehen soll, um eine Rechtsvereinheitlichung zu erreichen, und den Unternehmer- oder Unternehmungs- oder Unternehmenszusammenschlüssen den Charakter eines privatrechtlichen Vereins geben muß.
Deshalb beantragen wir, wie wir das auch schon im Ausschuß getan haben, daß der § 2 entsprechend geändert wird. Wir legen Ihnen jetzt folgende Formulierung vor:
Zur Industrie- und Handelskammer können, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere nicht rechtsfähige Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der Industrie- und Handelskammer entweder eine gewerbliche Niederlassung oder eine Betriebsstätte oder eine Verkaufsstelle unterhalten , gehören.
Das heißt also, daß statt der Zwangsmitgliedschaft die Kann-Bestimmung „können gehören" in § 2 hineinkommt. Damit ist nach unserer Meinung einem von uns im Ausschuß geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken entsprochen, das, nebenbei gesagt, im Bericht nicht seinen Niederschlag gefunden hat. Insoweit muß ich den Berichterstatter rügen.
Aus ,diesem Vorschlag ergibt sich dann zwangsläufig eine Änderung in Abs. 4 des § 1. Es ergibt sich zwangsläufig der Wegfall von Abs. 3, und ebenso ergibt sich zwangsläufig das Wegfallen der §§ 10 und 10 a — allerdings nur dann, wenn der § 2 in der von uns vorgeschlagenen Form angenommen worden sein sollte.
Ich darf also dem Herrn Präsidenten diesen Antrag unterbreiten und bitte alle diejenigen, die nur von der Vorläufigkeit einer Regelung sprechen, ihren guten Willen dadurch zu beweisen, daß sie diesem unserem Antrag zustimmen.
Meine Damen und Herren, bevor wir in der Abstimmung fortfahren, hole ich die Abstimmung über die Überschrift nach, wie sie in Ziffer 1 des Änderungsantrags Umdruck 791*) beantragt wird. Es handelt sich um einen Antrag der Fraktion der CDU/ CSU, nach dem die Überschrift des Gesetzes lauten soll: Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern. Wer dieser Neufassung der Überschrift zustimmen will,
s) Siehe Anlage 11. den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich mache noch darauf aufmerksam, daß der Abs. 5 in § 1 als gegenstandslos entfällt.
Wer dem § 1 in der geänderten Fassung — d. h. in der sich durch die Annahme des Änderungsantrags auf Umdruck 791 Ziffer 2 ergebenden Formulierung — zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Nun fahren wir fort in der Debatte über den Antrag, den der Herr Abgeordnete Lange soeben vorgetragen hat. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hoffmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Lange das Problem der Rechte als öffentliche Körperschaft im Zusammenhang mit der Frage der Beteiligung der Arbeitnehmer sieht, so ist das von seinem Standpunkt aus durchaus logisch. Aber das ist das Problem, das in dem großen Zusammenhang erörtert werden muß, in dem wir die ganze Frage der Neuordnung des Selbstverwaltungsrechts der gewerblichen Wirtschaft behandeln werden.
Aber hier ist doch nicht zu übersehen, daß der ganze Gesetzentwurf ja sinnlos wäre, wenn wir etwa auf die Wiederherstellung der Zwangsmitgliedschaft zu den Industrie- und Handelskammern in dem Bereich verzichteten, in dem sie durch Besatzungsrecht vorübergehend aufgehoben ist. Wenn wir gar statt dessen auch in den Bereichen, wo die Körperschaftsrechte mit Zwangsmitgliedschaft bestehengeblieben sind, Ihrem Antrag folgend aus den Industrie- und Handelskammern private Vereine machten, dann brauchten wir das Gesetz nicht zu machen.
Es geht ja immer um dasselbe. Wir wollen hier nur eine rein organisatorische Frage regeln. Wir wollen Mißstände beseitigen. Wir wollen in diesem Augenblick die grundsätzlichen Probleme nicht behandeln.
— Nein! — Sie dagegen denken an eine spätere Regelung, die wir durchaus mit Ihnen zusammen erarbeiten wollen, die aber mit dieser vorläufigen Regelung gar nichts zu tun hat. Es geht uns im Augenblick lediglich darum, befriedigende Rechtsverhältnisse für alle Industrie- und Handelskammern im gesamten Bereich der Bundesrepublik zu schaffen. Deswegen bedaure ich, auch diesem Antrag nicht zustimmen zu können.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der von dem Herrn Abgeordneten Lange begründet worden ist. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Lange ist abgelehnt.
Ich komme zu dem Änderungsantrag Umdruck 791*) Ziffer 3 der CDU/CSU. In diesem Änderungsantrag ist der Änderungsantrag Umdruck 717**) als Abs. 6 des § 2 enthalten. Wer diesem
*) Siehe Anlage 11. **) Siehe Anlage 7.
Änderungsantrag auf Umdruck 791 Ziffer 3 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltung ist der Änderungsantrag Umdruck 791 Ziffer 3 angenommen.
Dann lasse ich über § 2 in der durch die Annahme der Änderungsanträge geänderten Fassung im ganzen abstimmen. Wer dem § 2 in der so geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — § 2 ist in der geänderten Fassung angenommen.
Ich komme zu § 3 und rufe zunächst den Änderungsantrag Umdruck 763 ***) auf. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Ist erledigt! Wer dem Änderungsantrag Umdruck 763 (neu) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag auf Umdruck 763 ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über § 3 in der so geänderten Fassung im ganzen. Wer dem so geänderten Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Bei einigen Neinstimmen angenommen.
Ich rufe die §§ 4, — 5, — 6, — 7 auf. — Hier sind keine Änderungen beantragt. Wer diesen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die Paragraphen sind angenommen.
Nun liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 791 Ziffer 4 vor. Es soll ein § 7 a eingefügt werden. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag auf Einfügung eines § 7 a ist angenommen.
— Die Enthaltungen? Bitte sehr! Wer will sich bei diesem Änderungsantrag der Stimme enthalten?
— Ja, meine Damen und Herren, das ist sehr schwierig; es gibt Kollegen, die offenbar unentschlossen sind, ob sie sich enthalten sollen. — Bei zahlreichen Enthaltungen ist dieser Änderungsantrag angenommen.
Nun § 7 im ganzen mit § 7 a! Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Lange!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt einige für den Inhalt dieses Gesetzes wesentliche Änderungsanträge angenommen. Mit dem zuletzt angenommenen Änderungsantrag taucht gleichzeitig eine Reihe von Fragen auf, die von der Seite der Berufsausbildung und in einem gewissen Umfang auch von der arbeitsrechtlichen Seite von erheblicher Bedeutung ist. Wir wissen jetzt nicht — so schnell ist das nicht zu überprüfen —, wie sich die Probleme im einzelnen ineinander verzahnen. Ich stelle deshalb nach § 82 der Geschäftsordnung den Antrag, diese Vorlage insgesamt an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zurückzuverweisen und als mitberatenden Ausschuß den Ausschuß für Arbeit einzusetzen.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Schmücker.
***) Siehe Anlage 8.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir waren uns klar darüber, daß Sie die Fristeinrede machen würden. Also können in der Zeit zwischen zweiter und dritter Le- sung alle die Überlegungen angestellt werden, die Herr Kollege Lange mit Recht wünscht. Ich meine, wir sollten uns damit begnügen, daß wir heute die zweite Lesung durchführen, und in der Zeit bis zur dritten Lesung jene gewünschten Überlegungen anstellen. Ich bitte also um Durchführung der zweiten Lesung; die dritte Lesung kann dann später stattfinden. Den Antrag des Herrn Kollegen Lange bitte ich abzulehnen.
Herr Abgeordneter Lange!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmücker, Sie wissen wie ich, daß um 14 Uhr normalerweise dieser zweiwöchige Turnus zu Ende ist und daß dann eine sitzungsfreie Woche folgt. Wenn kein Auftrag gegeben ist und wenn es nur bei interfraktionellen Besprechungen bleibt, so wie Sie jetzt meinen, dann kann das Problem geklärt werden, es kann aber auch nicht geklärt werden. Deshalb dieser Antrag, der ja die Beratung im Ausschuß im Gefolge hätte. Ausschüsse können sich normalerweise in diesem Zeitpunkt nicht mit einer solchen Frage befassen. Daher bitte ich Sie, unserem Antrag zu entsprechen.
Herr Abgeordneter, habe ich Sie recht verstanden: Sie meinen, daß jetzt sofort abgebrochen werden sollte?
— Meine Damen und Herren, wollen Sie die zweite Lesung weiterführen?
— Dann muß ich abstimmen lassen. Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Lange gehört.
— Selbstverständlich. Wenn Sie einverstanden sind, daß die zweite Lesung durchgeführt wird, würde ich darnach fragen, ob die Beratung abgebrochen und die Vorlage an den Ausschuß zurückverwiesen werden soll.
— Wenn Sie damit einverstanden sind, brauche ich nicht abstimmen zu lassen, und wir fahren in der zweiten Lesung fort. Ich komme nachher auf den Antrag Lange zurück.
Nun kommen wir zu § 8. Hier liegen Änderungsanträge nicht vor. Ich rufe gleichzeitig auf § 8 a, der nach dem Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 787*) Ziffer 3 eingeschoben werden soll. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Dies ist die Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck 787 Ziffer 3 ist abgelehnt.
Nunmehr lasse ich über § 8 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Bei zahlreichen Nein-Stimmen angenommen.
*) Siehe Anlage 9.
Ich rufe die §§ 9 und 10 zur gemeinsamen Abstimmung auf. Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die §§ 9 und 10 sind angenommen.
Wir kommen zu § 10 a. Hier liegt zunächst ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 791 unter Ziffer 5 vor. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Bei zahlreichen Nein-Stimmen angenommen.
Es liegt ein weiterer Änderungsantrag auf Umdruck 788**) vor. Meine Damen und Herren, ich
muß noch einmal darauf aufmerksam machen, daß hier eine offenbar redaktionelle Änderung vorgenommen worden ist.
— Statt „Personen" soll es heißen: „Kammerzugehörigen". Das Haus kennt diese Änderung. Ich stelle sie so mit zur Abstimmung.
Wer dem Änderungsantrag der Fraktionen der DP, FVP auf Umdruck 788 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Dieser Änderungsantrag ist angenommen.
Nun rufe ich auf den § 10 a mit den soeben angenommenen Änderungen. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
§§ 11, — 12, — 13 unverändert! — Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Die Paragraphen sind angenommen.
Über Einleitung und Überschrift haben wir abgestimmt.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Schluß der zweiten Lesung.
Nunmehr stelle ich zur Abstimmung den Antrag des Herrn Abgeordneten Lange, die ganze Vorlage an den Ausschuß zurückzuverweisen. Herr Abgeordneter, korrigieren Sie mich, falls ich es falsch sage: Sie haben beantragt, an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Arbeit als mitberatenden Ausschuß.
Dem Hause ist also vorgeschlagen, die Rückverweisung in dieser Form nach § 82 der Geschäftsordnung vorzunehmen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit.
— Bitte sehr, Herr Abgeordneter Lange!
Nach § 84 der Geschäftsordnung soll das Beratungsergebnis der zweiten Lesung in einer Drucksache zusammengestellt werden. Nach § 85 findet die dritte Lesung frühestens 48 Stunden
— oder zwei Tage; ich will es formal richtig sagen, Herr Atzenroth, damit nachher nichts Gegenteiliges behauptet werden kann — nach der Verteilung der Drucksache statt.
**) Siehe Anlage 10.
Wir erheben hiermit Fristeinrede, widersprechen also der dritten Lesung.
Herr Abgeordneter Lange, Sie sprechen für Ihre Fraktion?
— Dann sind Sie ausreichend unterstützt. Das muß das Haus zur Kenntnis nehmen; darüber gibt es keine Abstimmung.
Meine Damen und Herren, damit ist diese Sache für heute abgesetzt.
Wir kommen zurück zur Jugenddebatte. Ich rufe wieder auf:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der arbeitenden Jugend (Drucksache 2429);
b) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit ;
d) Beratung des Antrages der Abgeordneten Dr. Graf , Frau Pitz, Wolf (Stuttgart), Dr. Seffrin, Dr. Czaja betreffend Berufliche und gesellschaftliche Eingliederung spätausgesiedelter und ehemals zwangsverschleppter deutscher Kinder und Jugendlicher (Drucksache 2752);
e) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen über den Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betreffend Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksachen 2790, 2364, Umdruck 610);
f) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP betreffend Umgestaltung des Bundesjugendplans .
Das Wort in der Debatte hat der Herr Abgeordnete Priebe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, für die sozialdemokratische Fraktion zu der Novelle Stellung zu nehmen, die die CDU gestern zum Jugendschutzgesetz eingebracht und begründet hat.
Wir zweifeln nicht daran, daß die Antragsteller von dem besten Willen beseelt waren, das Jugendschutzgesetz, so wie es bisher in Gültigkeit war, zu bessern. Wir zweifeln nicht daran, daß die Antragsteller etwas Gutes für die Jugend herausholen wollten. Je intensiver man sich jedoch mit dieser Vorlage beschäftigt, um so größer müssen die dagegen auszusprechenden Bedenken werden.
Einige Bestimmungen der Vorlage sind geeignet, das geltende Gesetz zu verschlechtern. Das Wesentliche aber ist, daß diese Vorlage den Zweck hat, ganz allgemein alle Bestimmungen des Jugend-
schutzgesetzes, soweit sie bisher nur für Jugendliche im Alter bis zu 16 Jahren gelten, auch auf die 16- bis 18jährigen anzuwenden. Dagegen müssen wir Einspruch einlegen. Wir sehen keine Veranlassung, das Gesetz so weit auszudehnen. Der Herr Bundesinnenminister hat gestern u. a. gesagt: Die Jugend in ihrer Gesamtheit ist intakt; sie steht der Jugend früherer Zeiten nicht nach. — Das Bundeskriminalamt hat festgestellt, daß die Kriminalität der Jugend unter 18 Jahren in der letzten Zeit nicht zu-, sondern eher abgenommen hat. Professor Dr. Baumgartner aus Stuttgart hat erklärt:
In den ersten vier Jahren nach dem Kriege sind 60 bis 70 % der Jugendlichen ohne ausreichenden Wohnraum, 30 bis 50 % ohne geordnete Familienverhältnisse, 20 bis 30 % ohne Vater aufgewachsen.
Dennoch stellen wir fest, daß unsere Jugend das in sie gesetzte Vertrauen bisher nicht enttäuscht hat; dennoch können wir immer wieder lobende und anerkennende Worte hören.
Nun frage ich mich: Wäre es psychologisch richtig, einerseits das Verhalten unserer Jugend anzuerkennen, ihr aber auf der anderen Seite durch Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen indirekt zu sagen: „Wir haben doch kein Vertrauen zu euch"? Wir finden es nicht richtig, die in jeder gesunden Jugend vorhandene Oppositionslust, den Oppositionsgeist unnötig zu reizen. Wir meinen weiter, daß es angesichts der Leistungen unserer Jugend beim Berufswettkampf, beim Sport und auf anderen Gebieten nicht richtig ist, wegen eines geringen Prozentsatzes — es handelt sich vielleicht um 0,2 oder 0,3 % — von Rüpeln, von Jugendlichen, die die öffentliche Ordnung stören, die sich zusammenrotten, die große Masse der Jugendlichen gewissermaßen bestrafen zu wollen, indem man jetzt die 16- bis 18jährigen den Bestimmungen unterwirft, die bisher nur für diejenigen bis zu 16 Jahren galten.
In diesem Zusammenhang möchte ich eine interessante Feststellung erwähnen. In der Zeit der Zusammenrottungen hat man, wie uns auf dem 10. Deutschen Jugendgerichtstag berichtet wurde, Oberschüler, die sich bis dahin noch nicht an den Zusammenrottungen beteiligt hatten, gewarnt. Der Erfolg war, daß sie nun gerade neugierig wurden und sich an diesen Szenen beteiligten. Dies nur als Hinweis auf den Oppositionsgeist, der in einer echten Jugend stecken soll.
Es wäre richtiger, wir setzten die Jugendämter in den Stand, ihren Aufgaben tatsächlich nachkommen zu können. Es wäre richtiger, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was man tun kann, um die Rüpel, um die Haltlosen vor einem weiteren Absinken zu bewahren. Es ist aber nicht richtig, die gesunde Jugend schärfer anzufassen.
Ich sprach vorhin von einer Verschlechterung des geltenden Gesetzes, die unserer Auffassung nach bei Annahme des Antrages eintreten würde. Es genügt da ein Hinweis. Nach dem Antrag soll der § 1 des Jugendschutzgesetzes dahingehend geändert werden, daß Kinder und Jugendliche, die sich an Orten aufhalten, an denen ihnen eine sittliche Gefahr oder Verwahrlosung droht, dem Erziehungsberechtigten und dem Jugendamt zu melden sind. Bisher heißt es im Gesetz, daß diese Jugendlichen zum Verlassen eines Ortes anzuhalten sind, wenn ihnen dort eine Gefahr droht, und daß sie, wenn nötig, dem Erziehungsberechtigten zugeführt oder in die Obhut des Jugendamtes gebracht werden.
Wir glauben, daß die bisher geltende Bestimmung
wesentlich besser ist als die beantragte Änderung.
Über den Paragraphen, der die Verabreichung alkoholischer Getränke an Kinder betrifft, hat mein Kollege Prinz zu Löwenstein gestern schon gesprochen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur ein Wort zitieren, das der weit bekannte Pastor Dannemann vorgestern in der gemeinsamen Sitzung des Jugendaktionsausschusses und des Jugendausschusses gesprochen hat. Pastor Dannemann sagte: Was nützt das schönste Jugendschutzgesetz, wenn Jugendliche auf dem Lande im Dorfgasthaus sitzen müssen, und zwar dann, wenn sie dort von ihrer Organisation oder von ihrem Sportverein usw. zusammengetrommelt werden! Sie haben einfach keinen anderen Platz, wo sie hingehen können. Sollte man sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, wie man den Jugendlichen durch die Einrichtung von Gemeinschaftshäusern etwa nach hessischem Vorbild die Möglichkeit geben könnte, an Orten zusammenzukommen, wo sie mit dem Alkoholausschank nicht in so naher Berührung sind?
Punkt 3 der Vorlage beschäftigt sich mit Varieté-, Kabarett- und Revueveranstaltungen usw. Es hieß bisher schon in dem alten Gesetz, daß Jugendliche bis zum Alter von 16 Jahren an solchen Veranstaltungen nur dann teilnehmen dürfen, wenn diese als geeignet zur Vorführung vor Jugendlichen anerkannt sind. Jetzt soll der Besuch von Revueveranstaltungen grundsätzlich verboten werden. Warum? Ist z. B. eine Eisrevue nicht eine Veranstaltung, zu der man Jugendliche gern schickt, damit sie sich für diesen Sport begeistern können? Warum will man ein generelles Verbot einführen? Genügt nicht die alte Vorschrift, daß geeignete Veranstaltungen durchaus erlaubt sein sollen?
Weiter wird verlangt, daß Veranstaltungen, die einen verrohenden Einfluß ausüben, für die Jugendlichen verboten sein sollen. Prinz zu Löwenstein sprach gestern schon darüber. Ich habe ihm eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Nur noch eine lästernde Bemerkung: Was ist eine verrohende Veranstaltung? Darüber läßt sich streiten. Ich bin überzeugt, daß ein ganz streng denkender Vegetarier die Möglichkeit einer Verrohung sehen würde, wenn ein Jugendlicher im Zoo bei der Fütterung von Raubtieren zuguckt oder wenn ein Junge als Metzgerlehrling in eine Metzgerei hineinkommt. Darüber läßt sich also streiten. Schlimmer aber als derartige Veranstaltungen und gefährlicher, meine ich, sind Abbildungen oder Beschreibungen von Grausamkeiten und Greueltaten in Illustrierten und Zeitungen.
Über den Film hat sich gestern die Frau Berichterstatterin sehr ausführlich ausgelassen, und die Frau Kollegin Friese-Korn hat ebenfalls darüber gesprochen. In der Tat müßte dieser ganze Fragenkomplex gründlich durchdiskutiert werden. Auch wir sind der Meinung, daß Kinder bis zu 6 Jahren im Kino nichts zu suchen haben. Aber daß die Zusammenfassung der Altersgruppen, wie sie jetzt vorgeschlagen wird, und zwar von 6 bis 14 Jahren und von 14 bis 18 Jahren, besser ist als die bisherige Einteilung 6 bis 10 Jahre und 10 bis 16 Jahre, das wage ich noch zu bezweifeln. Ich glaube, daß es überhaupt eine Überforderung ist, von dem
Besitzer des Lichtspieltheaters zu verlangen, daß er den Siebzehnjährigen von dem Neunzehn- oder Zwanzigjährigen immer richtig unterscheidet. Ich glaube, daß dieses Problem nicht allein mit der Filmselbstkontrolle zu lösen ist und nicht nur unter den Mitgliedern unseres Ausschusses für Presse, Rundfunk und Film, sondern mit vielen Experten gründlich durchdiskutiert werden muß.
Im übrigen möchte ich folgendes bemerken. EMNID hat festgestellt, daß die Beeinflussung der Jugendlichen durch den Film im allgemeinen überschätzt wird. Nur 7 % der Jugendlichen interessieren sich für Abenteurer- und Wildwestfilme. Gegenüber der Behauptung, durch den Film würden sexuelle und erotische Triebe in den Jugendlichen wachgerufen oder ausgelöst und die Neigung zu Sittlichkeitsvergehen und -verbrechen gefördert, ist zu sagen: Professor Baumgarten hat festgestellt, daß die Zahl der jugendlichen Sittlichkeitsverbrecher — sie liegt bei 0,03 bis 0,04 % —nicht angestiegen ist, sondern unter dem Stande vom Jahre 1900 liegt.
Auch das ist, glaube ich, eine beachtenswerte Feststellung.
Und nun wieder zu einer Verschlechterung, die die Vorlage bringen würde. Bisher durften 14- bis 16jährige nur an Kinovorstellungen teilnehmen, die um 22 Uhr beendet waren. Jetzt sollen 14- bis 18jährige an Vorstellungen teilnehmen dürfen, die bis 23 Uhr dauern. Ich frage mich nun, ob es gerade für junge Mädchen nicht bedeutend gefährlicher ist, wenn sie zwischen 11 und 1/2 12 Uhr nachts nach Hause gehen, als wenn sie in der Zeit zwischen 10 und 1/2 11 Uhr diesen Weg machen.
Der vorgeschlagene Abs. 3 des Paragraphen, der Filme verbieten will, die die sittliche, geistige oder gesundheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gefährden, ist, fürchte ich, eine Kautschukbestimmung. Es wird selbst bei Zuhilfenahme von Expertengutachten ungemein schwer sein, festzustellen, welche Filme die sittliche, geistige oder gesundheitliche Entwicklung gefährden können. Immerhin, man sollte den Versuch machen
— vielleicht durch gründliche Aussprachen —, hier eine Klarheit herbeizuführen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, darf ich darauf aufmerksam machen, daß bei der ersten Beratung eigentlich nur allgemeine Gesichtspunkte erörtert werden, aber nicht Paragraph für Paragraph behandelt werden soll.
Ich werde sofort auf die allgemeinen Gesichtspunkte zurückkommen.
Die Nr. 5 befaßt sich mit den Spielräumen. Es gibt kaum noch ein Gasthaus, in dem nicht ein Spielautomat vorhanden ist. Wenn Sie nun bestimmen, daß Jugendlichen der Zutritt zu Räumen, in denen mit mechanischer Vorrichtung ausgestattete Spielgeräte aufgestellt sind, nicht zu gestatten ist, verbieten Sie damit den Jugendlichen den Zutritt zum Gasthaus fast allgemein.
— Sicher, wir sind damit einverstanden, bringen Sie eine entsprechende Vorlage ein. Im übrigen glaube ich, die 16-, 17jährigen sind durch die Automaten gar nicht so gefährdet wie die 18-, 19-,
20jährigen. Nach meinen Beobachtungen zeigen die
sehr viel mehr Interesse für diese Einrichtungen.
Zusammenfassend — der Herr Präsident hat mich eben gemahnt — möchte ich sagen: Sie haben die löbliche Absicht, 16- bis 18jährige vor Schaden zu bewahren, Sie wollen ihr Abgleiten möglichst verhindern, Sie wollen die Öffentlichkeit vor Belästigungen schützen, Sie wollen vermeiden, daß die Ordnung und die Ruhe gestört werden. Aber ob das auf diesem Wege und mit Hilfe dieser Vorlage möglich ist, bezweifle ich, und ob es zweckmäßig ist, die Jugend bis zum 18. Lebensjahr in Watte zu packen und sie dann, sobald sie 18 Jahre alt ist, in die harte Luft der rauhen Wirklichkeit
— sprich: Kasernenhof — hinauszulassen, das erscheint mir doch sehr fraglich.
— Nun, ich glaube, die von uns vorgeschlagenen Bestimmungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes sehen ein solches In-Watte-Packen wohl doch nicht vor.
— Aber die Bestimmungen, die die Jugendlichen bis zu 18 Jahren betreffen, gehen zu weit.
— Ja, und der liegt darin — ich habe ihn vorhin schon gemacht —, daß wir unsere Jugendämter besser ausstatten und sie in den Stand setzen, wirklich das Notwendige zu tun, und daß wir auf dem Lande durch die Schaffung von Gemeinschaftshäusern der Jugend Orte geben, wo sie ungefährdet zusammenkommen kann. Das meine ich, sind positive Vorschläge.
Im übrigen aber gestatten Sie mir, noch einige Worte hier zu wiederholen, die ich beim Jugendgerichtstag gehört habe und die mich sehr nachdenklich gemacht haben. Professor Sieverts aus Hamburg sagte: Wenn wir über Jugendliche sprechen, dann sollten wir die eigene Jugendkriminalität nicht vergessen. Waren wir denn alle Engel, als wir in dem Alter der Jugendlichen waren? Mit Ausnahme der Damen haben doch auch wir sicher immer wieder Neigung gezeigt, gegen den Stachel zu löcken. Ich glaube, gerade Verbote waren es, die uns am allermeisten gereizt haben und die wir zu übertreten versuchten.
Warum sollte man durch die Vermehrung der Verbote die Neigung zum Übertreten der Bestimmungen fördern und damit den Respekt vor dem Gesetz zum Schwinden bringen oder schwächen? Auch diejenigen, die damals als Jugendliche nicht immer die Bravsten waren, die damals aufbegehrten und in der Opposition zu den Erwachsenen standen, sind im Laufe der Zeit doch zu mehr oder weniger brauchbaren Staatsbürgern geworden. Deswegen schließe ich mich der Auffassung an, die Prinz zu Löwenstein gestern äußerte: Wir wollen unseren deutschen Perfektionismus nicht gerade bei dieser Gelegenheit besonders praktizieren. Wir wollen
auch ein klein wenig hinausschauen, wie man es im Ausland mit den Jugendlichen hält, und von den dort gemachten Erfahrungen lernen.
Aber nun zum Abschluß. Der Herr Bundesinnenminister sagte gestern, daß die Sensationssucht der Presse einen gewissen Nihilismus fördere und auch die Geschehnisse, die von den Jugendlichen in einigen Großstädten ausgelöst wurden, gewaltig aufgebauscht habe. Ich möchte bedauern, daß er nicht auch von der Sensationsgier der Leser gesprochen hat, die die Presse mit veranlaßt, Sensationsmeldungen zu suchen.
Ich möchte ferner darauf hinweisen, daß auch Blätter, die ernst genommen werden wollen, oft unverständliche und unmögliche Äußerungen über die Jugendlichen bringen. Ein solches Zitat darf ich Ihnen einmal vorlesen. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitiere ich auszugsweise:
Die Halbstarken von heute, das ist die HJ des Wirtschaftswunderlandes oder — wenn es umgekehrt besser klingen sollte — die HJ von heute sind die Halbstarken. Sie terrorisieren uns, weil wir nicht mehr so viel Mark in den Knochen haben, daß wir dem moralischen Nihilismus ein Gran Autorität und eine feste Hand zu zeigen wagen.
Der nächste Schritt dieser HJ führt weiter. Bald werden Priester am Altar erschlagen werden wie in jenem ,fortschrittlichen und freiheitlichen Staat, den uns die SPD aus Anlaß unseres Tributvertrags mit ihm als Ausbund eben dieser Tugenden vorgestellt hat.
So zu lesen in der „Deutschen Tagespost" vom 12./13. Oktober. Ich halte eine derartige Äußerung für einfach unmöglich. Sie wird all das Gute, das wir für die Jugend tun wollen, immer wieder zweifelhaft erscheinen lassen.
Demgegenüber möchte ich noch einmal zitieren, was ich seinerzeit als Berichterstatter vor der Verabschiedung des geltenden Jugendschutzgesetzes gesagt habe. Damals verlangte ich, daß der Jugend in erster Linie durch positive Leistungen geholfen werde. Damals erklärte ich, durch Maßnahmen, die von Einsicht, Menschlichkeit und Fürsorge zeugen, sollte gerade bei den Jugendlichen, deren Glaube an das Gute zu schwinden drohe, dieser Glaube wieder aufgerichtet werden. Das ist auch noch heute unsere Auffassung; und so werden wir bei den Ausschußberatungen versuchen, unsere Bedenken zur Geltung zu bringen und eine entsprechende Änderung der Vorlage herbeizuführen.
Wir schließen uns dem Antrag an, diese Vorlage nicht nur an den Ausschuß für Jugendfragen, sondern auch an den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films sowie an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Hübner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, einiges zu dem SPD-Entwurf eines Jugendarbeitsschutzgesetzes auszuführen. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht seine Hauptaufgabe wohl in einer Herabsetzung der Arbeitszeit für die Jugendlichen. Meine Freunde in der Deutschen Partei und der Freien Volkspartei stehen einem solchen Bemühen aufgeschlossen gegenüber.
Aber wir sehen
doch die Möglichkeit ihrer Durchführung erschwert und erkennen da andere Grenzen.
Es scheint mir zunächst einmal wichtig, darauf hinzuweisen, daß man der Jugend keinen Dienst erweist, wenn man sie in die Auffassung hineinführt, daß es ausschließlich oder im wesentlichen darum gehen müsse, eine Freizeitvermehrung zu erreichen. Wir glauben deshalb, daß in diesen Überlegungen doch einige bisher nicht genügend zum Ausdruck gekommene Maßstäbe hervorgehoben werden müssen.
Meine Damen und Herren, die Frage der Freizeit der Jugendlichen steht unter einem ganz anderen Richtmaß als die Frage der Freizeit der erwachsenen Beschäftigten. Bei den Jugendlichen steht sowohl die Arbeitszeit als auch die Freizeit unter der übergeordneten Aufgabe, der Ausbildung zum beruflichen Leben die besten Voraussetzungen zu bieten. Die Notwendigkeit dieser vorgeordneten Aufgabe ergibt sich aus der Überlegung, daß im Durchschnitt der künftige Lebenserfolg aller Jugendlichen weit mehr von dem Ausbildungseffekt in der Jugendzeit als von allen späteren Bemühungen bestimmt wird. Es darf sich also nicht etwa darum handeln, den Freizeiteffekt auf Kosten des in der Arbeitszeit ruhenden Ausbildungseffekts zu steigern, sondern es muß ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden gefunden werden. Wie wichtig dies ist, das zeigen doch die besorgten Hinweise von Lehrmeistern, die schon jetzt bei einer dreijährigen Lehrzeit mit der zur Verfügung stehenden Stundenzahl für die praktische Ausbildung nicht mehr auskommen.
— Herr Kollege Lange, ich wollte gerade auf Ihre gestrigen Bemerkungen eingehen. Sie haben allerdings die Lösung nur gestreift. Sie haben nämlich gesagt, man müsse zu einer Konzentrierung und schließlich zu einer Rationalisierung der Ausbildung kommen. Nun, Herr Kollege Lange, worin sehen Sie die Möglichkeit einer generellen Rationalisierung der Ausbildung? Ich kann Ihnen sagen: ich sehe sie überhaupt nur in einer Möglichkeit, nämlich in der Möglichkeit einer besseren Koordinierung der theoretischen Ausbildung durch die Berufsschulen mit der praktischen Ausbildung. Aber auch diese Aufgabe ist ungeheuer schwierig. Sie ist allenfalls noch bei den Großbetrieben durchführbar; aber bei den Mittel- und Kleinbetrieben ist sie kaum durchzuführen.
Nicht zuletzt deswegen möchte ich Ihnen sagen, daß der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf offenbar überhaupt nur auf Großbetriebe zugeschnitten ist, um es konkret zu sagen: auf Jugendliche in Großbetrieben, insbesondere auf Industrielehrlinge. Herr Kollege Lange, ich frage Sie nur: Wie denken Sie sich denn eine Ausbildung in mittelständischen
oder Kleinbetrieben, die in der Zeit derart eingeengt ist, wie es Ihre Bestimmungen hier vorsehen? Es ist für einen Lehrherrn heute schon sehr schwierig, die Kontinuität der Ausbildung seines Lehrlings sicherzustellen, wenn er den Einschnitt, den der Besuch der Berufsschule nun einmal darstellt, ausgleichen soll.
Nun schaffen Sie noch weitere Einschränkungen dadurch, daß Sie beispielsweise eine Ausbildung an Samstagnachmittagen verbieten wollen. Wie denken Sie sich eine solche Ausbildung beispielsweise in Tankstellen oder in Reparaturwerkstätten für Kraftfahrzeuge, wo gerade an Samstagnachmittagen die Arbeit anfällt und damit den Lehrlingen die Ausbildungsobjekte geboten werden können? In der Landwirtschaft ist es ähnlich.
Wenn Sie diese Beschränkungen durchführen wollen, dann, meine Damen und Herren, müssen Sie sich darüber klar sein, daß Sie die mittelständischen Betriebe und die Kleinbetriebe zwingen, auf eine Lehrlingsausbildung zu verzichten. Es ist doch letzten Endes für diese Betriebe auch eine materielle Frage; denn eine Lehrlingsausbildung — das wissen Sie — kostet viel Geld, und da spielt dieser Faktor immerhin auch eine Rolle.
Vergessen Sie bitte auch nicht, daß Sie eine Einschränkung der Ausbildungszeit wünschen — darauf kommt es doch hinaus —, während die Ansprüche an die Ausbildung immer mehr gesteigert werden. Die heutige Lehrlingsausbildung verlangt doch einen Kenntnisstand — das sehen Sie bei den Lehrabschlußprüfungen —, der weit über den vor 30 oder 50 Jahren hinausgeht. Dafür spricht auch die Tatsache, daß man in Erwägung zieht, ein neuntes Schuljahr einzuführen, um eben den Bedürfnissen gerecht zu werden. Das alles soll nun mit einer von Ihnen vorgeschlagenen verminderten Arbeitszeit erreicht werden. Dazu ist schließlich noch zu bedenken, daß der mangelhafte Kenntnisstand der Schulabgänger zum großen Teil in den Betrieben korrigiert werden muß. Meine Damen und Herren, auf Mittel- und Kleinbetriebe bezogen, ist Ihr Gesetzentwurf einfach unrealistisch.
Ich sehe aber auch einen Widerspruch in Ihrer Bestimmung, mit der Sie Überstunden zulassen wollen. Meine Damen und Herren, einerseits wollen Sie eine Begrenzung der Arbeitszeit vornehmen, andererseits lassen Sie Überstunden zu, allerdings auf Grund tarifvertraglicher Regelungen. Sie denken hierbei wohl daran, daß damit natürlich eine Überstundenbezahlung eintritt. Ich sehe nun wirklich nicht mehr, was Ihnen das wichtigste Anliegen in diesem Gesetz ist.
— Sie haben in § 11 nichts von außergewöhnlichen Notständen gesagt, sondern haben dort eine allgemeine Überstundenregelung festgelegt!
— Aber ich lese doch hier genau Ihren Text!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich vorschlagen, meine Damen und Herren, die Diskussion im Ausschuß zu führen,
denn das kommt nach der Beratung erst noch in den Ausschuß. Wir wollen uns also heute nicht allzusehr in Einzelheiten verlieren.
Ich folge dem Vorschlag des Herrn Präsidenten und komme zum Schluß. Ich wollte ohnehin nicht so lange reden wie mein Herr Vorredner. Eine Lösung der Fragen, die Sie hier aufwerfen, ist nur durch unterschiedliche Regelungen denkbar, die auf die Eigenheit und Eigenart der Betriebsformen Rücksicht nehmen. Wir haben gegen die von Ihnen vorgeschlagene Schematisierung sehr ernste Bedenken und möchten mit diesen Bedenken nur die Hoffnung verbinden, daß in der Ausschußberatung die Auffassung von Lehrmeistern gehört und ernstlich berücksichtigt wird zum Wohle der Zukunft der Jugendlichen selbst.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Kutschera.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sehr schwierig, zur jetzigen Stunde und bei leerem Saal auf die uns bewegenden Fragen noch einmal zurückzukommen, aber es ist doch notwendig, einige grundsätzliche Gedanken zum Jugendarbeitsschutzgesetz und zum Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit darzulegen. Ich beabsichtige nicht, auf die einzelnen Paragraphen des Jugendarbeitsschutzgesetzes einzugehen, sondern möchte überhaupt zu dem Gedanken des Jugendschutzes Stellung nehmen. Voraussetzung ist dabei, daß wir uns nur davon leiten lassen, ob dieses Gesetz dem Schutz der Jugend dient und eine gesunde Eingliederung in das Berufsleben garantiert. Das sollte bei all diesen Gesetzen der Grundgedanke sein; die materiellen und wirtschaftlichen Fragen müssen zweitrangig sein. Sicherlich war auch die Redewendung des Herrn Kollegen Hübner nicht anders zu verstehen, als er sagte, daß die Ausbildung dem Betrieb Geld koste. Natürlich kostet die Ausbildung Geld. Aber entscheidend ist doch, daß der junge Mensch, wenn er die Ausbildung abgeschlossen hat, unter beiderseitigem Opfer wiederum ein wertvolles Glied für die ganze Gemeinschaft darstellt. Wir müssen daran denken, daß wir einen gesunden Übergang von der Schule zum Berufsleben brauchen. In den Ländern ist die Regelung eingeführt worden — ich weiß, daß wir hier keine Möglichkeit haben, das gesetzlich zu regeln —, daß man ein sogenanntes berufsfindendes Schuljahr an die Grundausbildung ansetzt, das sogenannte 9. Schuljahr. Dieser Übergang, diese Berufsfindung ist nach unserer Auffassung dringend notwendig. Sie ergänzt gleichzeitig die Berufsberatung, die uns an vielen Stellen noch sehr mangelhaft erscheint. Wenn das 9. Schuljahr allgemein gilt, wird die Berufsberatung automatisch ansetzen bzw. schon im Schuljahr beginnen, und wir werden uns ein Bild über den gesamten jungen Menschen machen können.
Weiter gehört dazu die ärztliche Betreuung. Ich bin mir auch hier im klaren, daß wir uns nicht mit dem Grundgesetz anlegen können, aber wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir die ärztliche Betreuung in einer strengeren Form
durchführen können. Es genügt nicht, daß der junge Mensch beim Abgang aus der Schule untersucht, nachher für den Beruf für tauglich befunden und in einem Jahr vielleicht noch einmal gebeten wird, zu erscheinen, sondern der junge Mensch muß gerade nach dem ersten halben Jahr der Berufstätigkeit noch einmal nachuntersucht werden, weil dann die ersten Ansätze der Schäden auftreten, wenn der junge Mensch falsch angesetzt worden ist.
Man wird sich auch einmal Gedanken über die Definition des Begriffes „Arbeit" machen müssen, damit man sich generell zum Verbot der Kinderarbeit bekennen kann. Das Verbot der Kinderarbeit ist nach unserer Auffassung einfach unumgänglich. Die Ausnahmemöglichkeiten, die auch im vorliegenden Gesetzentwurf .angedeutet werden, sollten außerordentlich beschränkt werden. Ich möchte sagen: Vorsicht bei allen Ausnahmen.
Bei den Film- und kulturellen Veranstaltungen, meine sehr verehrten restlichen Zuhörer, geht es doch um folgendes: Bei den Kulturveranstaltungen sehe ich immer den Titel „Der Wilderer und sein letztes Kind". Das Kind ist also die Figur, die unbedingt erscheinen muß, weil sonst die ganze Kulturveranstaltung nicht wirkt. Hier sollten wir sehr kritisch sein und sollten unsere Kinder nicht für solche „Kulturveranstaltungen" mißbrauchen lassen.
— Artisten, Varietés, Kabaretts und Werbeveranstaltungen in der Nacht sind also sehr unter die Lupe zu nehmen.
Besonders ist nach unserer Auffassung ein absolutes Verbot der Fließband- und Akkordarbeit für
junge Menschen notwendig. Gerade für den jungen Menschen bedeutet es nicht nur eine körperliche, sondern auch eine seelische Belastung, wenn er Tage und Monate am Fließband steht und nur zu einer rein mechanischen Arbeit verpflichtet wird. Der Schaden wird so groß, daß der Verdienst der Arbeit nicht lohnt. Wir bekommen, wenn wir uns gegen die Akkordarbeit der jungen Menschen wenden, immer den Vorwurf: Aber die jungen Menschen müssen, weil sie sozial bedrängt sind, Geld verdienen. Ich glaube, hier muß man, selbst wenn man dabei unpopulär wirkt, sagen: Das Geldverdienen kann nicht den Vorrang haben, wenn es dauernde gesundheitliche, körperliche und seelische Schädigungen mit sich bringt.
Eine besondere Sorgfalt müssen wir uns bei all den Fragen auferlegen, die mit der arbeitenden weiblichen Jugend zusammenhängen. Ich denke hier insbesondere an den sozialpflegerischen Nachwuchs. Wir dürfen die Dinge nicht weiter schleifen lassen. Es ist nicht möglich, daß man einen Menschen, der sich aus Idealismus einer sozialpflegerischen Aufgabe zuwendet, dafür bestraft und ihn zusätzlich einsetzt und ausnutzt. Auch hier müssen wir sehr vorsichtig sein.
Die Arbeitszeit sollte im normalen Rahmen bleiben. Es sind hier 40 Stunden genannt worden. Darüber kann man sich unterhalten. Wichtig ist, daß die Ruhezeit und die Urlaubszeit eingehalten wird und vor allen Dingen dafür zu sorgen, daß der junge Mensch eine genügende Nachtruhe zur Verfügung hat. Hierher gehört auch — mit einigen Ausnahmen — die Sonn- und Feiertagsruhe. Es ist klar, daß in der Landwirtschaft, im Haushalt, in der Krankenpflege usw. Ausnahmen notwendig sind. Sonst sollte man aber die Sonn- und Feiertagsruhe als geheiligt anerkennen und unumstößlich an ihr festhalten. Auch eine Ersatzruhezeit ist kein Ersatz für einen Sonntag. Der Sonntag kann nach unserer Auffassung nicht ersetzt werden; das geht nicht.
Noch ein paar kurze Worte — immer mit dem Blick auf die Uhr — zur Freizeit. Zur Frage der Freizeitgestaltung ist zu sagen: Der junge Mensch wird — das ist unsere Überzeugung — mit seiner Freizeit schon recht gut fertig werden. Wir müssen ihm nur ein klein wenig helfen, indem wir ihm mehr als bisher Erholungsmöglichkeiten, Sportmöglichkeiten, Aufenthaltsräume usw. zur Verfügung stellen. Es ist heute schon von den Heimen auf dem Land gesprochen worden. Man hat gesagt: wenn wir die jungen Menschen zwingen, in ihrer Freizeit ins Gasthaus zu gehen, dann sind wir für ihre Gefährdung mitverantwortlich. Wenn wir ihnen aber die Möglichkeit geben, sich in Heimen aufzuhalten, dann sind sie tatsächlich weniger gefährdet und werden sich erholen können.
Die Fortbildung spielt auch eine entscheidende Rolle. Wir wissen, daß eine ganz erhebliche Zahl j unger Menschen neben ihrer Berufsausbildung noch Fortbildungskurse mitmachen, weil sie sich fortbilden wollen. Diese Absicht kann durch die zunehmende Freizeit nur noch gefördert werden.
Zu den Bedenken des Handwerks! Die Bedenken der Mittel- und Kleinbetriebe sind uns bekannt. Ich selber komme ja aus dem Handwerkerstand und weiß, wie schwierig die Fragen gerade auf diesem Gebiete sind. Ich meine aber auch, wir müssen erwarten, daß der Berufsstand — Mittelstand, Handwerk — auch von sich aus ein Stück entgegenkommt und einmal von sich aus bindende Vorschläge ausarbeitet
und genau ausarbeitet, damit man sich präzise darüber unterhalten kann.
Eines Umstellung in der Berufsausbildung wird erfolgen müssen. Auf keinen Fall darf der Ausbildungsstand, die Leistung, leiden, und die Bedeutung ides Meisters darf in unserem Volk nicht sinken. Sie muß nach wie vor der Bedeutung und der Aufgabe des Handwerks entsprechen. Wir unterschätzen diese Bedeutung auf keinen Fall.
Wir meinen aber nicht, daß mit diesem Gesetz oder kommenden Gesetzen dem jungen Menschen Glacéhandschuhe angezogen werden sollen, so daß er nicht mehr brauchbar wird. Man kann auch nicht sagen — wie in einer Zeitung zu lesen war —, daß nur noch eine gesetzliche Verfügung fehlt, wonach der junge Mensch mit „Herr" angesprochen wird. So weit ist es nun wirklich nicht! Es handelt sich hier nur um Maßnahmen, die noch tragbar sind.
Das Thema der Kontrolle oder Überprüfung überspringe ich. Man muß sich überlegen, wie man mit Jugendarbeitsschutzausschüssen oder -gremien eine solche Kontrolle vornehmen kann. Man muß sich überlegen, wie man die Jugendämter und das Gewerbeaufsichtsamt noch stärker einschalten kann. Das alles ist notwendig, um die junge Generation zu schützen und auch die Verbindung zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern herzustellen.
Alle diese Vorschläge zum Schutz der Jugend sind meines Erachtens nur dann berechtigt, wenn
sie eins sicherstellen: die Freude an der Arbeit. Es kann nicht so sein, daß — solche Auswüchse treten leider da und dort auf, und ich hoffe, daß auch die Fraktionskollegen der SPD sie sehr bedauern werden — die junge Generation z. B. in dieser Form angesprochen wird: „Vierzig Stunden, genug geschunden". Das ist eine Definition, der wir gar nicht zustimmen können. Die Arbeit ist nach unseren Begriffen keine Schinderei,
sondern die Arbeit bedeutet auch heute noch Segen.
Man muß nur den Wert der Arbeit erkennen. Die Jugend wird — davon sind wir überzeugt — alle Maßnahmen, die zu ihrem Schutz dienen, mit einem erhöhten Verantwortungsbewußtsein in Arbeit, Ausbildung und Beruf danken.
Mit diesem Thema steht — zumindest in vielen Punkten — das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit im Zusammenhang. Generell meinen wir, daß wir der Jugend mit neuen gesetzlichen Maßnahmen nicht entscheidend helfen können. Es ist bekannt, daß das 16. Lebensjahr in fast allen zivilisierten Ländern den Begriff „Jugendlicher" begrenzt. Wir haben keine Veranlassung, diese Begrenzung bei unseren jungen Menschen nicht voraussetzen zu dürfen und zu können, sondern wir meinen, daß wir hier keine Änderung eintreten lassen sollten. Aber darauf ist schon genügend eingegangen worden.
Die Heraufsetzung der Grenze auf das 18. Lebensjahr wird ja auch nur einen kleinen Teil der Gefahren ausschalten. Eine solche Maßnahme wird sich bei dem Kinobesuch, dem Aufenthalt in Lokalen und so fort nicht auswirken können. Wichtiger ist es, immer wieder auf die Verantwortung aller Stellen und Einrichtungen hinzuweisen, die in die Öffentlichkeit hineinwirken. Wir meinen, daß die junge Generation, daß unsere jungen Menschen nach wie vor auf die Leitbilder angewiesen sind.
Nun darf ich — es fällt mir nicht besonders schwer, weil die Pressetribüne ziemlich leer ist — einmal hier hinauf etwas sagen. Gerade die Presse hat in dieser Hinsicht eine ungeheure Verantwortung. Gerade die Presse wird, ob der Junge 16 oder 18 Jahre alt ist, gelesen, und die Dinge, die darin stehen, werden vielfach als Leitbild aufgefaßt. Wenn darin steht, die Frau Barbara Sowieso habe sich nach der sechsten Scheidung wieder verehelicht, und wenn eine Großaufnahme dabei ist, dann wirkt das irgendwie beispielhaft, obwohl es doch nach unseren Begriffen nicht ein absolutes Beispiel darstellt. Auch wenn, wie man lesen konnte, erstmalig in Deutschland ein Tanzturnier der 9- bis 14jährigen stattfindet, mit Aufnahme dargestellt — das ist ein Schlager, der muß verwendet werden —, so scheint mir ein Tanzturnier dieser Kinder auch nicht gerade ein Leitbild für unsere junge Generation zu sein.
Oder darf ich Ihnen noch etwas sehr Hartes sagen?! Ich habe einmal in einer großen Zeitung —„groß" nicht im Inhalt, sondern in der Auflage — die Schlagzeile gelesen, dick geschrieben: „Vater wollte Tochter durch Blutschande heilen". Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, das steht da! Das ist groß geschrieben. Das ist so geschrieben, daß der junge Mensch es auch beim
Vorübergehen schon lesen kann. Denn diese Schlagzeilen erhöhen ja den Umsatz!
Oder schauen Sie sich einmal die Illustrierten an!
Ich will nicht generell angreifen, —
— Ja, so ist es! — Ich denke z. B. an ein Bild in einer Illustrierten: eine Frau wird in Großaufnahme gezeigt, wie sie vor ihrem Kind zusammenbricht, das wenige Minuten vorher überfahren wurde. Dieser Schmerz im Gesicht, diese Verzweiflung wird geknipst und kommt in Großaufnahme knallig in die Illustrierten. Und dann wehren wir uns gegen die Verrohung und gegen die Verhärtung der jungen Generation! Hier sind die Ansatzpunkte, und hier müssen wir sehen, daß nichts passieren kann!
Natürlich geht das an die Adresse der Verleger. Es geht um das Materielle, es geht um den Umsatz, es geht um den Verdienst, und dabei sind die anderen Dinge gleichgültig. Von der Presse möge sich auch nur der den Rock anziehen, dem er paßt. Wem er nicht paßt, der hat ja nichts damit zu tun.
Auch beim Rundfunk, beim Fernsehen und beim Film müßte man auf ähnlicher Ebene Kritik üben. Ich will es Ihnen heute wegen der vorgerückten Stunde ersparen. Ich weiß, wir sind uns alle in diesem Hohen Hause einig, daß hier die Gefahr liegt. Wir wissen, daß wir hier ansetzen und Wandel schaffen müssen. Das Beispiel der Erwachsenen, das Beispiel der Öffentlichkeit fehlt. Ich habe mir schon manchmal gedacht: eigentlich brauchte man kein Gesetz zum Schutz der Jugend i n der Öffentlichkeit, sondern ein Gesetz zum Schutz der Jugend vor der Öffentlichkeit. Das fehlt uns.
Dabei ist natürlich wichtig, daß wir unsere jungen Menschen wieder in das warme Nest der Familie zurückführen, — alle die Dinge, die ich vorhin besprochen habe, die ja auch bei unserem Jugendarbeitsschutzgesetz nach unserer Auffassung entscheidend sind, z. B. das Gewinnen von Freizeit. Damit würde die Jugend in die Familie, in die gesicherte Obhut zurückgeführt. Hier muß also noch vieles getan werden, und das kommt noch.
Ich komme nicht in die Versuchung, Sozialprobleme aufzuzeigen, so sehr das Thema dazu verleitet. Aber es kommt doch auch der Frage der Wohnung, der Unterbringung der Menschen ein entscheidender Anteil zu.
Ich darf noch sagen, ich habe manchmal das Gefühl, daß doch eine ganze Reihe verantwortlicher Menschen zuwenig Kontakt mit unserer heutigen jungen Generation haben. Wenn man diesen Kontakt hat, hat man so viele erfreuliche Erlebnisse. Man sieht so viele saubere junge Menschen, daß man direkt Kummer hat, wenn plötzlich solche Paragraphen und Sätze auftauchen. Man glaubt fast, man sieht zu sehr das Negative, man sieht zu wenig die positiven Dinge. Ich meine, unsere Jugend hat sich auch in der schlechtesten Zeit bewährt, obwohl wir ihr — ich schließe mich nicht aus — manchmal das schlechteste Beispiel gegeben haben. Denken Sie doch nur einmal daran, daß es Jahre gab, wo wir unsere Kinder zum Kohlenstehlen oder zum Kartoffelklauben geschickt haben, und wir jetzt sagen müssen: das, was du damals getan
hast, war wohl richtig, damals waren die Besitzverhältnisse nicht geklärt; aber heute darfst du das nicht mehr! Wir haben damit vielleicht bei vielen Menschen den Kern für die Dinge gelegt, die heute da und dort passieren.
Also wir bekennen uns zu der jungen Generation und glauben nicht, daß sie schlecht ist, weil wir eine bessere Erfahrung haben. Wir wissen, daß viele junge Menschen ihr Studium nur durchhalten können, weil sie sich daneben durch ihrer Hände Arbeit das Geld verdienen, weil sie Kohle schippen, Zeitungen austragen und Würstchen anbieten, um das nächste Semester studieren zu können. Davor haben wir alle Achtung. Wir sehen das auch im Beruf und im Handwerk und im Leben überhaupt. Wir sehen auch, daß heute viele junge Menschen in einem Alter, wo andere nur das Vergnügen kannten, schon vollste Verantwortung haben, dafür sorgen müssen, daß ihre jungen Geschwister ordentlich aufwachsen, schon als Mädchen Mutterstelle anzunehmen haben, sich einzusetzen und bei der Pflege ihrer jungen Geschwister mitzuhelfen haben. Es gibt Fälle, wo ein junger Mann bereits die Verantwortung tragen muß, die in normalen Zeiten ein Familienvater hatte.
Deshalb sollten wir der Jugend durch unser Beispiel helfen, auf dem rechten Wege zu bleiben oder wieder auf ihn zu kommen. Dazu gehört auch, daß wir unsere Jugend in ihren Wünschen, Plänen und eigenen Vorstellungen ernst nehmen und uns stärker denn je zu ihr bekennen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe dem Hause etwas bekanntzugeben. Nach einer Mitteilung des Herrn Vorsitzenden der FVP-Fraktion sind die Abgeordneten Dr. Benno Graf und Otto Gumrum aus der CDU/CSU ausgeschieden und haben um Aufnahme bei der FVP-Fraktion gebeten; die Aufnahme sei erfolgt.
Ich gebe diese Mitteilung hiermit wieder.
Ich habe Ihnen weiterhin einen Vorschlag zu machen wegen der Geschäftslage. Wir haben uns alle auf Schluß um 14 Uhr eingerichtet. Ich möchte nicht vorschlagen, davon abzugehen. Wir haben aber noch einen ganz wichtigen Tagesordnungspunkt vor uns, wichtig wegen Fristablauf. Es ist das Gesetz über die Altersgrenze von Richtern an den oberen Bundesgerichten und Mitgliedern des Bundesrechnungshofs. Ich möchte das Haus bitten, damit einverstanden zu sein, daß wir die gegenwärtige Debatte einen Augenblick unterbrechen, um dieses Gesetz in zweiter und dritter Lesung zu verabschieden. Sind Sie damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch.
Dann rufe ich auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes über die Altersgrenze von Richtern an den oberen Bundesgerichten und Mitgliedern des Bundesrechnungshofes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Drucksache 2742).
Berichterstatter ist Herr Kollege Platner. Ich nehme an, daß auf eine Berichterstattung verzichtet wird.
Ich rufe auf zur zweiten Lesung die §§ 1, — 2, — 3, – 4, — 5 und 6. — Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wer den aufgerufenen Paragraphen sowie Einleitung und Überschrift des Gesetzes in zweiter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
die §§ 1 bis 6, Einleitung und Überschrift. – Änderungsanträge liegen nicht vor.
Ich bitte diejenigen Mitglieder des Hauses, welche dem Gesetz in dritter Lesung zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Gesetz ist demnach in dritter Lesungangenommen.
Wir kommen dann zu unserer unterbrochenen
Debatte über Jugendfragen
wieder zurück.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Hütter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Herr Präsident, dem verständlicherweise daran liegt, die Tagesordnungen an dem Tage zu bewältigen, für den sie vorgesehen sind, möge verzeihen, daß ich zu dem Punkt 5 e der gestrigen Tagesordnung heute noch das Wort ergreife. Aber da wir Freien Demokraten den Antrag gestellt haben, daß in größerem Umfang als bisher den jungen Menschen Gelegenheit gegeben wird, die besonderen Verhältnisse, die sich aus der Teilung Deutschlands ergeben, durch Reisen nach Berlin kennenzulernen, sind wir natürlich daran interessiert, daß unser Anliegen noch einmal gewürdigt wird.
Wir sind dankbar, daß die Kollegen und Kolleginnen der für unseren Antrag zuständigen Ausschüsse für Jugendfragen und für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen sich mit allen Kräften bemüht haben, der Sache selbst zu einem Erfolg zu verhelfen. Dankbar sind wir auch für die Mithilfe der Stadt Berlin, obgleich an der beschränkten Wohnkapazität dieser Stadt die ganze Erfüllung unseres Antrags scheiterte. Um so mehr begrüßen wir den Vorschlag des Ausschusses für Gesamtdeutsche Fragen, ein Jugendgästehaus in Berlin zu bauen, damit Begegnungen zwischen Schulgemeinschaften aus Westdeutschland, aus Berlin und natürlich auch aus der sowjetischen Besatzungszone ermöglicht werden können. Ebenso begrüßen wir die Anregung, eine Sonderbriefmarke herauszugeben — eine Anregung meines Kollegen Prinz zu Löwenstein —, aus deren Erlös Zuschüsse für solche Studienreisen geleistet werden sollen. Es gibt in der Tat nichts, das wir unterlassen sollten, was dem Ziel der Schaffung engerer Kontakte zwischen den Jugendlichen dient.
Aus diesem Grunde müssen wir bedauern, daß die Zahl der Schüler, die Berlin besuchen können, auf 20 000 im Jahr beschränkt bleiben soll. Es ist das schwerste Erbe, das wir unseren Nachfahren überlassen müssen, wenn wir die Zusammenfüh-
rung der beiden getrennten Teile Deutschlands nicht zustande bringen. Daran arbeiten wir zwar alle in diesem Hause, mal mit mehr, meist mit weniger Erfolg. Aber gerade deshalb bleibt die Bekanntmachung und Propagierung unserer Sorgen unsere Pflicht bis zu dem Tag, da die Zusammenführung vollbracht ist. Deswegen sind wir auch dankbar, daß alle Ausschüsse so intensiv mitgearbeitet haben, und für die Anerkennung, daß es sich bei der ganzen Sache um ein Politikum erster Ordnung handelt.
Wir würden es deshalb begrüßen, wenn im Laufe der Zeit alle Möglichkeiten, Berlinbesuche unserer Jugend weiter zu fördern, benutzt würden, damit weit mehr als 20 000 Schüler im Jahr Berlin besuchen und die Zustände an Ort und Stelle kennenlernen können. Vielleicht ergibt sich aus den Erfahrungen, daß die Besuchszeit gekürzt und dadurch mehr Jugendlichen die Chance einer Reise gegeben werden kann.
Ein letzterWunsch, den ich an die fast leeren Pressebänke richte — die wenigen anwesenden Pressevertreter sind selbstverständlich von dieser Feststellung ausgenommen —, geht dahin, die Möglichkeit einer Berlin-Reise zu propagieren, da bekanntlich die Bundesregierung die Errungenschaften — um dieses ominöse Wort einmal zu gebrauchen — der Legislative nicht immer genug propagiert. Der Wähler ist häufig auf den Zufall angewiesen, wenn er sich über seine Rechte orientieren will. Gelegentlich gelingt ihm die Orientierung durch die Berührung mit der Bürokratie. Aber nicht immer verlaufen solche Kontaktnahmen zwischen Wähler und Bürokratie so, daß die gesetzlichen Möglichkeiten bis zum letzten ausgenutzt werden. Das Parlament hat aber neben Versammlungen der einzelnen Abgeordneten kein anderes Instrument der Bekanntgabe seiner Arbeit als die Presse. Darum meine Bitte an die Presse, die Berlinreisen für Jugendliche als einen Orientierungsfaktor von Wichtigkeit zu propagieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Seidel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben gestern die Jugenddebatte eröffnet, und ich habe jetzt noch einiges ergänzend zu dem Tagesordnungspunkt 5 e, nämlich zu den Schülerreisen nach Berlin, zu sagen. Ich glaube, das, was Sie bisher in der Jugenddebatte behandelt haben, hat sich mehr auf die Jugendbetreuung, den Jugendschutz und vor allen Dingen auf den Arbeitsschutz bezogen. Bei den Schülerreisen nach Berlin handelt es sich aber um eine eminent wichtige politische Frage, die nicht in der Gesamtberatung der Jugendfragen untergehen sollte.
Wir haben am 30. Mai 1956 in diesem Hohen Hause eine Anfrage aller Fraktionen behandelt, deren Thema war: Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands. Im Zusammenhang mit dieser Großen Anfrage war ein sehr beachtliches Bukett von Fragen an die Bundesregierung gerichtet worden. Unter anderem lautete die Frage 14:
Welche Schritte könnten insbesondere erfolgen, um den geistigen und kulturellen Zusammenhalt zwischen den beiden Teilen Deutschlands zu pflegen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist von besonderer Bedeutung, daß vor allem für unsere Jugend die geistige und kulturelle Einheit Deutschlands erlebte Wirklichkeit bleibt. Deshalb begrüßt und fördert die Bundesregierung alle Bestrebungen, die der Jugend die Möglichkeit geben, sich gegenseitig kennenzulernen und Land und Leute diesseits und jenseits der Zonengrenze zu erleben.
Soweit Bundesminister Kaiser. Ich glaube, daß wir alle diese Aussage unterstreichen.
Ich muß aber noch die Frage stellen: Welche Möglichkeit hat heute die Jugend in der Bundesrepublik und in der Sowjetzone, die „geistige und kulturelle Einheit als erlebte Wirklichkeit" kennenzulernen? Wir müssen daran denken, daß seit 1945 elf Jahrgänge aus der Volksschule entlassen worden sind. Diese Jugend seit 1945 hat Deutschland nur geteilt erlebt, aber niemals als geistige und kulturelle Einheit, als erlebte Wirklichkeit. Mancher mag sich vielleicht damit begnügen, die „erlebte Wirklichkeit" durch einen entsprechenden Ausbau des Schulunterrichts nach dieser Richtung hin zu vermitteln. In dieser Beziehung ist viel geschehen und wird ohne Zweifel viel geschehen. Aber das reicht nach meiner Auffassung und glücklicherweise auch nach Auffassung der beiden Ausschüsse, die den Antrag auf Umdruck 610 zu beraten hatten, nicht aus.
Immerhin ist in der letzten Zeit etwas Beachtliches geschehen. Nachdem sich nämlich der Bundestag entschlossen hatte, jedes Jahr einmal nach Berlin zu gehen, ist auch die Jugend diesen Spuren auf Bahn und Straße nach Berlin schon wesentlich gefolgt. Ich bin aber der Meinung, daß das, was hier bisher geschehen ist, noch nicht ausreicht.
In diesem Zusammenhang möchte ich eines besonders betonen. Ich habe die Befürchtung, daß die Jugend aus der Sowjetzone und besonders auch aus dem Ostsektor von Berlin viel mehr nach dem Westen blickt, als die Jugend der Bundesrepublik ihre Blicke nach dem östlichen Teil unseres Vaterlandes richtet. Wir sollten etwas tun, die Blicke stärker in diese Richtung zu lenken. Es ist kein Zweifel, daß diese Blickrichtung am besten gegeben ist, wenn wir Berlin als einen Begegnungsort betrachten; denn wer nach Berlin blickt, schließt in seinem Blickfeld die Sowjetzone immer mit ein. Ich habe den Eindruck, daß sich selbst die Abgeordneten dieses Hohen Hauses darüber im klaren sind, daß der Wert der Begegnung mit Berlin seit 1954 für den gesamtdeutschen Gedanken unschätzbar ist und daß die Stadt Berlin und ihre Bewohner überhaupt nicht mit Gold aufzuwiegen sind im Hinblick darauf, was dort für den gesamtdeutschen Gedanken getan wird.
Manchmal müssen wir uns mit Beschämung daran erinnern, mit welchem Krämergeist gerade die Frage der wirtschaftlichen und sozialen Sicherheit Berlins behandelt worden ist. Nun, darin hat sich ein Wandel vollzogen. Heute konnte man in der Presse lesen, daß die CDU/CSU beabsichtigt, einen Antrag einzubringen: Berlin ist die Hauptstadt
Deutschlands und damit auch die Hauptstadt der Bundesrepublik. Bis zu diesem Antrag hat es also eines sehr weiten Weges
und hier immerhin sehr großer Auseinandersetzungen bedurft, ehe man zu dieser für uns so bedeutsamen Erkenntnis gekommen ist.
Ich möchte darauf hinweisen, daß man gerade in Berlin, von der jungen Generation her gesehen, die Begegnung mit den Jugendlichen aus der Sowjetzone und dem Sowjetsektor von Berlin herbeiführen kann. Ohne Vorbehalte und ohne Rücksichten können diese Begegnungen dort stattfinden. Eines ist wichtig: Wir sollten der Jugend in der Bundesrepublik bei diesen Reisen immer klar werden lassen, daß sie unsere Hauptstadt besucht, die Hauptstadt aus der Geschichte unseres Vaterlandes, die heute verhinderte Hauptstadt, die aber die künftige Hauptstadt der deutschen Bundesrepublik sein wird. Diese Tatsache, daß man das bekennen muß, ist das Entscheidende bei den Reisen nach Berlin.
Ich habe mich gefreut, als Bundesminister Schröder gestern eindeutig darauf hingewiesen hat, daß es in diesem Raum, in dieser politischen Wertung des gesamtdeutschen Gedankens, gemeinsame Werte gibt. Von einem anderen Redner ist erwähnt worden, daß sich 80 % der Berliner Jugend für die Wiedervereinigung ausgesprochen haben. Dort ist der rechte Ort, um mit unseren Jugendlichen aus der Bundesrepublik in das echte Gespräch und zu einer Förderung des gesamtdeutschen Gedankens zu kommen.
Die Regierung fordert, daß alle Bestrebungen darauf gerichtet werden, daß sich die Jugendlichen gegenseitig kennenlernen und Land und Leute erleben. Ich gebe zu, daß für diese Aufgabe schon vieles getan worden ist. Aber ich glaube, es ist nicht aus der Schulweisheit zu entnehmen, wie wir uns in bezug auf die Pflege des gesamtdeutschen Gedankens immer wieder neu erforschen und bemühen müssen, neue Möglichkeiten zu schaffen.
Gewiß ist die Zahl von 20 OOO .Jugendlichen, die in einem Zeitraum von einem Jahr nach Berlin gebracht werden, sehr, sehr klein. Aber wir wollen erst einmal den Versuch machen. Ich glaube, daß wir uns dabei weder finanziell noch organisatorisch übernehmen.
Hier muß ich eines einflechten. Ich habe es sehr bedauert, daß von der Bundesregierung bei der Beratung des Antrags Umdruck 610 in den beiden Ausschüssen kein positiver Beitrag geleistet worden ist. Es war ein großes Schweigen bei den Vertretern der Bundesregierung. Aber ich hoffe, daß sich dieses Schweigen jetzt auszahlt, daß die Bundesregierung dem vorliegenden Antrag großes Verständnis entgegenbringt, d. h. die darin zum Ausdruck gebrachten Wünsche und Forderungen in sehr großzügiger Weise erfüllt.
Es ist die Frage zu stellen, warum eigentlich nur Schüler, warum nicht auch Mitglieder einer Jugendorganisation nach Berlin geschickt werden sollen. Nun, ich glaube, man kann darauf antworten, daß wir in dieser Aufgabe kein Monopol für eine Jugendorganisation sehen sollten; die Schulklassengemeinschaft bietet die beste Möglichkeit zur Vorbereitung solcher Reisen und, was mir das Wesentliche scheint, auch für die nachträgliche Besprechung der Reisen.
In dem Antrag wird auch von dem Gästehaus gesprochen. Ich hoffe, daß da von der Regierung großzügig verfahren wird. Herr Bundesminister Schröder hat gestern angedeutet, daß die Zahl entsprechender Einrichtungen — für die Jugend im wesentlichen — verdoppelt werden soll. In Berlin ist nach dieser Richtung hin jedenfalls noch nichts Überflüssiges entstanden. Wir haben gerade in diesem Raum noch sehr viel zu tun, um der besonderen Aufgabe gerecht zu werden.
In der Debatte vom 30. Mai ist durch einen Zwischenruf zum Ausdruck gebracht worden, das sei doch alles Ländersache. Nachdem wir uns heute auf diesen gemeinsamen Antrag einigen konnten, hoffe ich,, daß dieser Einwand keine Geltung mehr hat. Es wäre bedauerlich, wenn wir uns hinter dem Zaun der Kompetenzen verstecken wollten, wenn es darum geht, die Durchführung einer nationalen Aufgabe in Fluß zu halten und sie unserer Jugend verständlich zu machen.
Ich bitte Sie, nachdem in der Debatte vom 30. Mai 1956 eine Willensübereinstimmung erzielt worden ist, sich zu einer Tat aufzuraffen und die vorliegenden Anträge einmütig anzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Kemmer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem letzten Punkt nur sagen, man soll das eine tun und das andere nicht lassen. Man soll also den Schulen die Gelegenheit geben, mit ihren Abschlußklassen nach Berlin zu kommen, man soll aber dadurch ,den Verbänden nicht die Gelegenheit nehmen, das gleiche zu tun, damit auch sie mit ihren Partnern, die sie drüben haben, in Verbindung kommen können.
Nun möchte ich noch ein paar kurze Bemerkungen zu der gesamten Jugenddebatte machen, die auch diesmal wieder etwas schwierig war, weil es eben schwer ist, generell über die Jugend zu sprechen. Die 16jährigen sind anders als die 18jährigen und die 20jährigen wieder anders als die 18jährigen. Generell kann man da nicht allzuviel sagen, zumal wir auch noch gar nicht allzuviel darüber wissen. Deshalb wollen wir ja die Forschung auf dem Gebiet sehr forcieren, wenn auch nicht gerade im Rahmen eines Bundesjugendinstituts.
Wir haben eine Jugenddebatte erlebt, die uns vom Hohen Meißner bis in die modernen Glückspielhallen unserer Großstädte geführt hat. Ich weiß nicht, ob wir damit viel weiterkommen. Ich möchte aber zu den Fragen, die gestern und vorhin im Zusammenhang mit dem Jugendschutzgesetz angeschnitten worden sind, noch etwas sagen. Der Deutsche Jugendgerichtstag hat in diesem Jahr erneut festgestellt, daß es richtig war, das Alter für die Bestrafung nach dem Jugendgerichtsgesetz heraufzusetzen, um die Heranwachsenden bis zu 21 Jahren, wenn sie Straftaten begangen haben, wie Jugendliche bestrafen zu können. Bisher steht diese Bestimmung, die wir alle befürwortet haben, im Jugendgerichtsgesetz als Kann-Vorschrift. Jetzt fordert sogar der Deutsche
Jugendgerichtstag, daß das eine Muß-Vorschrift im Jugendgerichtsverfahren wird. Auch wir sind dafür. Wir sagen mit Recht: Es sind noch Jugendliche, selbst mit 21 Jahren, die anders behandelt werden müssen. Es ist gar nicht einzusehen, warum wir dann bei dem Jugendschutzalter von 18 Jahren auf 16 Jahre heruntergehen sollen, aber bei Filmvorführungen, die unter Umständen die Motive zu Taten liefern, wegen deren die Jugendlichen nachher vor Gericht stehen, die mindestens die Tatbereitschaft und die Tatstimmung sehr fördern, genau den umgekehrten Weg gehen sollen.
Nun, wir wollen die Jugendlichen nicht in Watte packen. Auf der einen Seite wird gesagt, wir wollten sie in Watte packen, auf der andern Seite wird gesagt, wir wollten sie bestrafen. Das wollen wir nicht. Wir wollen die Erwachsenen bestrafen, die der Jugend Gelegenheit geben, sich an Orten aufzuhalten, die für sie gefährlich sind, weil diese Erwachsenen die paar Pfennige der Jugendlichen wollen.
Wir haben Zuschriften aus allen Kreisen der Bevölkerung bekommen, auch aus Kreisen derjenigen Parteien, die sich heute nicht für dieses Gesetz ausgesprochen haben. Ich habe gerade eine Notiz vor mir liegen, die ich Ihnen doch nicht vorenthalten kann. Der bayerische Innenminister wurde gefragt, was er zu tun gedenke, um die Kriminalität in der Jugend, gesteigert insbesondere im Anschluß an Vorführungen eines Kriminalfilms, zurückzudrängen. Er hat geantwortet, daß das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit geändert werden und das Jugendschutzalter auf 18 Jahre heraufgesetzt werden müsse. Diese Anfrage wurde nicht etwa von der bayerischen CSU, sondern, Herr Kutschera, vom BHE gestellt, und der Minister, der auch nicht der CSU, angehört, sondern einer Regierungskoalition, in der die SPD und der BHE sitzen, hat die von mir zitierte Antwort gegeben. Es heißt in dieser Zeitungsnotiz weiter:
Der bayerische Ministerpräsident Hoegner hat schon lange vor diesem Film im Jahre 1954 als Innenminister ein Mindestalter von 18 Jahren für den Besuch aller Filme angeregt, die nicht ausdrücklich jugendfrei sind.
Wir befinden uns also gar nicht in so schlechter Gesellschaft, wie das heute und gestern vom Rednerpult her immer geschienen hat. Es gibt auch in Ihren Reihen sehr prominente Leute, die ein Jugendschutzgesetz mit einer Anhebung des Jugendschutzalters auf 18 Jahre wollen. Ich glaube, wenn wir im Ausschuß mit den Fachleuten über diese Dinge reden, dann können wir uns, da wir uns im Ziel ja immer einig sind, wieder ein ganzes Stück nähern, wenn wir auch über den Weg oft verschiedene Meinungen haben.
Es wird immer gesagt, wir sollten nur positive Maßnahmen treffen, um die Jugendlichen zu schützen. Meine Damen und Herren, was nützen ihnen ihre Dorfgemeinschaftshäuser, die jetzt z. B. in Hessen sehr forciert werden, wenn der Dreck auf der Straße zu diesen Häusern nicht weggeräumt wird? Dann watet man eben durch. Wir sind für beides, für Jugendhäuser und für saubere Straßen, die zu diesen Jugendhäusern führen.
Um aber Ihre Zeit nicht noch länger in Anspruch zu nehmen — ich wollte nämlich noch etwas zu dem Problem der Heranwachsenden sagen —, werde ich mir erlauben, das Gutachten, das Herr Professor Bondy auf dem Deutschen Jugendgerichtstag vor 14 Tagen gegeben hat, vervielfältigen und im Hohen Hause verteilen zu lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor; die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Punkt 5 a der gestrigen Tagesordnung betrifft die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der arbeitenden Jugend, Drucksache 2429. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Arbeit als federführendem Ausschuß, ,an den Ausschuß für Jugendfragen und an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens beantragt. Werden noch weitere Anträge nach dieser Richtung gestellt? — Dann lasse ich abstimmen. Wer für die Überweisung an den Ausschuß für Arbeit ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen. Ich darf interpretieren: als federführenden Ausschuß, falls mehrere gewählt werden. Wer ist für den Ausschuß für Jugendfragen? Ich bitte urn das Handzeichen. — Angenommen. Wer ist für den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens? —— Gegenprobe! — Angenommen.
Damit ist Punkt 5 a erledigt. Wir kommen zu Punkt 5 b, zu dem von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit . Hier ist — nach den Notizen, die hier vorliegen — Überweisung an den Ausschuß für Jugendfragen — federführend —, den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films und, glaube ich, auch an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beantragt. Darf ich fragen: Wer ist für die Überweisung an den Ausschuß für Jugendfragen als federführenden Ausschuß? Den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen. Wer für Überweisung an den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen. Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht! — Ich bitte um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Punkt 5 c ist gestern erledigt worden.
Wir kommen zu Punkt 5 d: Antrag der Abgeordneten Dr. Graf , Frau Pitz, Wolf (Stuttgart), Dr. Seffrin, Dr. Czaja betreffend Berufliche und gesellschaftliche Eingliederung spätausgesiedelter und ehemals zwangsverschleppter deutscher Kinder und Jugendlicher (Drucksache 2752). Es ist vorgeschlagen, diesen Antrag an den Ausschuß für Jugendfragen zu überweisen. Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 5 e der Tagesordnung: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen über den Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betreffend Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksachen 2790, 2364, Umdruck 610). Der Antrag des Ausschusses liegt Ihnen vor. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Beschluß des Ausschusses ist angenommen.
Punkt 5 f der Tagesordnung: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP betreffend Umgestaltung des Bundesjugendplans . Es wird vorgeschlagen, diesen Antrag an den Ausschuß für Jugendfragen zu überweisen. Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Damit ist Punkt 5 der Tagesordnung erledigt. Ich rufe Punkt 6 der gestrigen Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes .
Es war vorgeschlagen, diesen Antrag an den Ausschuß für Arbeit und auch an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Wer für die Überweisung an den Ausschuß für Arbeit ist, den bitte ich um das Handzeichen. —Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen. Wird ein weiterer Antrag gestellt? —
— Erledigt.
Punkt 7 der gestrigen Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes über Änderungen und Ergänzungen von Vorschriften des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung (Drucksache 2721).
Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 8 der gestrigen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Vierten Bundesgesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung .
Wollen Sie einen Antrag stellen?
— Ich habe keine Anträge zu stellen; ich habe nur mitzuteilen, daß man im Ältestenrat der Meinung war, der Entwurf solle an den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes — federführend —, an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und an den Ausschuß für Kommunalpolitik überwiesen werden. Die Auswahl ist also groß.
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich dazu noch etwas sagen muß. Es ist angeblich in einer Vereinbarung des Ältestenrates festgestellt worden, federführend für diese Novelle zur Gewerbeordnung den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes zu machen, etwas, was ich für ein völlig unmögliches Verfahren halte. Die Gewerbeordnung ist weiß Gott keine Frage des Mittelstandes,
und wenn man mit der Begründung kommen sollte, der Wirtschaftsausschuß sei so belegt, daß er vermutlich heute oder morgen oder übermorgen nicht zur Behandlung dieses Gesetzes komme, dann kann man aber nicht auf diese Art und Weise einen Ausschuß, der einen ganz bestimmten Aufgabenbereich hat, zu einem Neben-Wirtschaftsausschuß machen wollen. So kann man nicht Wirtschaftspolitik machen wollen. Hierin steckt ein entscheidendes Stück, und das ist der § 35 betreffend die Gewerbeuntersagung. Das betrifft nicht nur Klein-und Mittelbetriebe, Handwerksbetriebe oder sonstige ähnlich gelagerte Betriebe, sondern die gewerbliche Wirtschaft schlechthin. Es sind auch noch einige andere Gebiete, so der Titel III der Gewerbeordnung, nämlich das Wandergewerbe — nach der jetzigen Diktion das Reisegewerbe —, das auch nicht nur unter Gesichtspunkten von Sonderfragen des Mittelstandes erörtert werden kann.
Ich würde also darum bitten — wir haben ja heute verschiedentlich den Versuch gemacht; er ist nicht immer geglückt —, hier einmal Vernunftgründe, wirtschaftspolitische Vernunftgründe sprechen zu lassen
und dem Sachgebiet nach, wohin dieses Gesetz gehört, auch den Ausschuß als federführend zu bestimmen, der dafür zuständig ist, nämlich den Wirtschaftsausschuß. Wir stellen also den Antrag, die Novelle zur Gewerbeordnung Drucksache 2681 dem Wirtschaftsausschuß — federführend — sowie dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes — mitberatend — zu überweisen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es stehen zwei Fragen zur Abstimmung. Die erste Frage ist, an welche der vier genannten Ausschüsse, ob an alle oder einzelne, überwiesen werden soll, und danach die Frage, welcher dieser Ausschüsse federführend sein soll. Sind Sie damit einverstanden, daß ich zunächst die Frage klären lasse, an welche Ausschüsse überhaupt überwiesen wird?
— Dann darf ich bitten, darüber abzustimmen. Wer für die Überweisung an den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ist beschlossen.
Zweitens die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ist ebenso beschlossen.
Drittens die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit: angenommen.
Viertens der Ausschuß für Kommunalpolitik. Wer dafür ist. den bitte ich um das Handzeichen.
— Es rührt sich keine Hand. also darf ich um die Gegenprobe bitten. — Abgelehnt.
Nachdem an drei Ausschüsse überwiesen ist. steht nunmehr die Frage offen, welcher Ausschuß federführend sein soll. Zwei Anträge liegen vor. Ein Kollege hat sich für den Ausschuß für Wirtschaftspolitik ausgesprochen, und den Redner, der sich noch gemeldet hat. darf ich wohl dahin interpretieren. daß er dafür sprechen will, den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes als federführend zu bestimmen.
Jawohl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Lange, ich will versuchen, Ihnen die Vernunftgründe schnell aufzuzählen. Der erste ist von Ihnen selbst erwähnt worden. Es läßt sich nicht bestreiten, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik sehr stark beschäftigt ist. Der zweite Vernunftgrund ist folgender: Wir haben bereits eine Novelle zur Gewerbeordnung, und diese liegt, wenn ich richtig informiert bin, im Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes. Wir kämen also zu der Groteske, daß ein Bericht zur Gewerbeordnung aus dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes kommen würde und der andere aus dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik. Das ist, wenn ich richtig im Bilde bin, der Antrag der DP-Fraktion.
Der dritte Grund ist folgender. Die Fragen, die hier angeschnitten werden, stehen auch in einem sehr engen Zusammenhang mit dem im Mittelstandsausschuß zur Beratung stehenden Berufsgesetz für den Handel. Sie wissen, daß sehr viele Wünsche an den Ausschuß herangetragen werden. Die meisten dieser Anregungen müßten in der Gewerbeordnung verwirklicht werden. Es besteht also ein echter Zusammenhang. Sicherlich ist es richtig, daß es sich hier um eine Frage der gesamten Wirtschaft handelt, aber ich glaube, der Wirtschaftspolitische Ausschuß kann durch sein Schwergewicht und durch seine Bedeutung durchaus seine Argumente in der mitberatenden Funktion zur Geltung bringen. Ich bin sicher, daß sich der Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes um eine ordentliche Lösung bemühen wird. Sie sind ja dort genauso beteiligt wie bei den anderen Ausschüssen, Herr Kollege Lange. Vor allen Dingen muß die Lösung möglichst rasch erarbeitet werden. Ich bitte deshalb, bei den Anregungen des Ältestenrats zu bleiben und dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes die Federführung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Nur um der Legendenbildung vorzubeugen, ist folgendes festzustellen.
Die Novelle zur Gewerbeordnung - Antrag der DP - ist am 16. Dezember 1955 dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß - federführend - und dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes - mitberatend - überwiesen worden. Aus diesem Grunde entfällt das von Ihnen hier vorgetragene Argument.
Zweitens wissen Sie selbst, daß der Vorsitzende des Ausschusses, der Ihrer Fraktion angehört, erklärt hat, er erachte die rechtzeitige Behandlung dieses Gesetzes nach der Geschäftslage des Wirtschaftspolitischen Ausschusses für möglich, so daß auch dieser Gesichtspunkt wegfällt. Insoweit also noch einmal meine Bitte, hier nicht unter falschen Voraussetzungen eine Entscheidung zu treffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich darf folgendes feststellen. Beschlossen ist die Überweisung an die drei Ausschüsse. Es scheint einmütige Meinung des Hauses zu sein, daß nur einer von zweien, nämlich der Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes oder der Ausschuß für Wirtschaftspolitik, der federführende sein soll. Da Übereinstimmung darüber besteht, lasse ich nur über einen abstimmen. Fällt die Abstimmung positiv aus, dann ist dieser Ausschuß federführend; fällt sie negativ aus, dann ist der andere Ausschuß federführend.
Ich bitte diejenigen Damen und Herren, welche dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes die Federführung geben wollen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Präsidium ist sich nicht einig. Ich bitte diejenigen, die für den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes als federführenden Ausschuß sind, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Ausschuß für Wirtschaftspolitik ist als federführend bestimmt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 8. November 1956, 14 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.